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German Pages 269 Year 2011
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Mathias Habersack, Peter O. Mülbert und Uwe H. Schneider
Band 187
Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Absatz 3 WpHG Von
Sönke Schröder
Duncker & Humblot · Berlin
SÖNKE SCHRÖDER
Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Absatz 3 WpHG
Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von
Prof. Dr. Mathias Habersack, Prof. Dr. Peter O. Mülbert und Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider
Band 187
Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Absatz 3 WpHG Von
Sönke Schröder
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt hat diese Arbeit im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 17 Alle Rechte vorbehalten © 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7352 ISBN 978-3-428-13344-4 (Print) ISBN 978-3-428-53344-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83344-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Geleitwort Das Wertpapierhandelsgesetz ordnet für sämtliche den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformationen an, dass diese unverzüglich zu veröffentlichen sind. In Deutschland hat sich für diese Pflicht börsennotierter Unternehmen der Begriff „Ad-hoc-Publizitätspflicht“ eingebürgert. Ihre Einführung war ein wichtiges Element der Kapitalmarktreformen der letzten beiden Jahrzehnte. Seit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes im Jahre 2004 verpflichtet § 15 WpHG den Emittenten zu einer umfassenden Transparenz über Insiderinformationen. Maßgeblich hierfür war der Wille des Gesetzgebers die Marktintegrität zu stärken und dem Insiderhandel vorzubeugen, der während der Zeiten der NewEconomy um sich gegriffen hatte. Dass eine so umfangreiche Publizität von Informationen auch unerwünschte Nebeneffekte haben kann, ist dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben. Mit der sogenannten Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 3 WpHG hat er jedoch den börsennotierten Gesellschaften ein Instrument zur Vermeidung nachteiliger Folgen von vorzeitigen Veröffentlichungen an die Hand gegeben. Diese Konzession des Gesetzgebers erweist sich für die börsennotierte Gesellschaft als zweischneidiges Schwert. Einerseits eröffnet es den Unternehmen die Möglichkeit, durch den Aufschub der Veröffentlichung von Informationen Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Andererseits obliegt es nun dem Unternehmen eigenverantwortlich, gegebenenfalls einen Aufschub der Veröffentlichung vorzunehmen. Es besteht somit das Risiko, dass die BaFin bei der Bewertung der Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Veröffentlichungspflicht vorliegen, im Nachhinein zu einem anderen Ergebnis gelangt als das Unternehmen. Gleiches gilt für die Zivilgerichte, die über von Anlegern erhobene Schadenersatzansprüche entscheiden. Der Unsicherheiten der geltenden Rechtslage nimmt sich die vorliegende Arbeit von Sönke Schröder an. Die einzelnen Merkmale der Ad-hoc-Publizitätspflicht werden ausführlich erörtert und in den Kontext von § 15 WpHG und der sonstigen Veröffentlichungspflichten börsennotierter Aktiengesellschaften gerückt. Ein Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf der zentralen und zugleich am weitesten formulierten Voraussetzung der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG, nämlich dem „berechtigten Interesse“ des Emittenten. Hier verfolgt der Verfasser zwei Ansätze: Zum einen nimmt er eine abstrakte Eingrenzung des Begriffs vor. Zum anderen verdeutlicht er anhand der Untersuchung praktisch relevanter Beispiele, wie sich diese abstrakte Eingrenzung in konkreten Fallkonstellationen auswirkt, und gibt konkrete Lösungen für häufig vorkom-
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Geleitwort
mende Sachverhaltsvarianten vor. Auch die übrigen Merkmale der Regelung des § 15 Abs. 3 WpHG werden ausführlich diskutiert. Die Erörterung erstreckt sich ferner auf ungeschriebene bzw. sich nur aus dem Regelungskontext ergebende Merkmale. Hervorzuheben ist dabei die Diskussion der streitigen Frage, ob es einer bewussten Entscheidung des börsennotierten Unternehmens bedarf, die Selbstbefreiung in Anspruch zu nehmen. Sönke Schröder bejaht diese Frage mit überzeugenden Argumenten. Zugleich zeigt er auf, dass besonderes Augenmerk auf die eventuellen Rechtsfolgen einer fehlenden Entscheidung zu legen ist. Mainz, im Oktober 2010
Uwe H. Schneider
Vorwort Diese Arbeit lag der Technischen Universität Darmstadt im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation vor. Die Arbeit befindet sich in Bezug auf Rechtsprechung und Literatur auf dem Stand Dezember 2009. Mein besonderer Dank gilt meinen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider, für die Anregung zum Thema der Arbeit, die Betreuung während ihrer Erstellung und die Gelegenheit, meinen eigenen Gedanken und Forschungsschwerpunkten nachzugehen. Herrn Prof. Dr. Axel Wirth danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ein besonderer Dank gilt auch Christine für ihre Geduld und Hilfe. Zu guter Letzt möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen Eltern bedanken, die mir während meiner gesamten juristischen Ausbildung und bei der Erstellung dieser Arbeit stets mit Rat und Tat zur Seite standen. Frankfurt am Main, im August 2010
Sönke Schröder
Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht und die Selbstbefreiung als Teil des Kapitalmarktrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Regelung von Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Begriffe „Ad-hoc-Publizität“ und „Selbstbefreiung“ . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gesetzgebungsgeschichte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . 1. Ursprünge der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Börsenzulassungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insiderrichtlinie und das 2. Finanzmarktförderungsgesetz . . . . . . . . . . . . 4. Nachfolgende Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Marktmissbrauchsrichtlinie und das Anlegerschutzverbesserungsgesetz a) Vorarbeiten zur Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Durchführungsrichtlinie und WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Emittentenleitfaden der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) CESR-Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Änderungen nach Inkrafttreten des AnSVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesetzgebungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionsfähigkeit und Integrität der Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung der Regelpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bekämpfung des Insiderhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Individueller oder kollektiver Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Schaffung eines einheitlichen Schutzniveaus durch die Hypothese vom „verständigen Anleger“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt des Leitbilds des „verständigen Anlegers“ . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetzgebungsziele der Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Besondere Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Harmonisierung mit anderen Publizitätsvorschriften und Befreiungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis a) Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot im Strafrecht . . . . . . . b) Inhalt von Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot . . . . . . . . . . 4. Konkurrenz der Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inlandsemittent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff Emittent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anknüpfung an den Herkunftsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anknüpfung an den Aufnahmestaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der organisierte Markt (regulated market) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erweiterung des Begriffs Inlandsemittent speziell bei Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Den Inlandsemittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen . . . . 1. Vorliegen einer Insiderinformation gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG . . 2. Information über Umstände oder Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkretheit der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatsachen als konkrete Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zukünftige Ereignisse oder Umstände als konkrete Information . . . (1) Preisbeeinflussungspotential des zukünftigen Ereignisses . . . . . (2) Hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gerüchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Mehrstufige Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Emittentenbezug oder Insiderpapierbezug der Information . . . . . . . . . . . a) Emittent und Insiderpapier gemäß § 13 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bezug der Information zum Emittenten bzw. Insiderpapier . . . . . . . 5. Fehlende öffentliche Bekanntheit der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Eignung zur erheblichen Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermittlung der Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung . . . . . . c) Preiserheblichkeit bei noch nicht erfolgter Notierung am organisierten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten von der Insiderinformation . . . 1. Betroffenheit des Inlandsemittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Definition der unmittelbaren Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Betroffenheit nach § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG . . . . . . . b) Empfehlungen von CESR und BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Grundsätzliche Rechtsfolge: Unverzügliche Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Das „berechtigte Interesse“ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG . . I. Die Entwicklung des Begriffes „berechtigtes Interesse“ im Rahmen der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Neuregelung des AnSVG und vorherige Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . . IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Legaldefinition des berechtigten Interesses in § 6 Satz 1 WpAIV . . 2. Die Selbstbefreiung als Ausnahmeregelung oder Korrektiv der weiten Ad-hoc-Publizitätspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG als Ausnahmeregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG als Korrektiv der Ad-hoc-Publizitätspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit: § 15 Abs. 1 Satz 1 und § 15 Abs. 3 WpHG als einheitlicher Publizitätstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Herleitung von Auslegungskriterien aus den Regelbeispielen von § 6 Satz 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit der Verallgemeinerung der Regelbeispiele von § 6 Satz 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsnatur von § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAIV als Regelbeispiele für das berechtigte Geheimhaltungsinteresse . . . . . . . . . . . c) § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV und die Bewahrung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutz der Anleger vor Irreführung durch § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV e) Gemeinsame Merkmale der Regelbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Inlandsemittent als Interessenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessen des Emittenten „an sich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessen der Anteilsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessen des Anlegerpublikums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Stakeholderinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das berechtigte Interesse des Emittenten im Konzern . . . . . . . . . . . . (1) Berechtigtes Interesse der Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . (a) Entstehen der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Geheimhaltungsinteressen der Tochtergesellschaft . . . . . . . . (2) Berechtigtes Interesse der Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Begründung der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . (b) Informationskenntnis der Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . (c) Berechtigtes Interesse der Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . (3) Konzernsachverhalte im Sinne der Ad-hoc-Publizitätspflicht . .
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5. Harmonisierung der Ad-hoc-Publizitätspflicht mit sonstigen Publizitätspflichten und deren Befreiungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbandsrechtliche Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Selbstbefreiung und Verbandspublizität nach dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Selbstbefreiung und Verbandsrechtspublizität anderer Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkurrierende kapitalmarktrechtliche Publizitätsregeln . . . . . . . . . d) Systematisierung von Informationspflichten und Befreiungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Überwiegen des berechtigten Interesses gegenüber den Kapitalmarktinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Erforderlichkeit einer Abwägung von Geheimhaltungsinteresse mit dem Kapitalmarktinteresse an der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . a) Kritik an der Definition von § 6 Satz 1 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung der Abwägung von Geheimhaltungs- und Kapitalmarktinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen des Überwiegens des Kapitalmarktinteresses . . . . . . .
E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Irreführung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegungen zum Sinn und Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bisher vertretene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein eigenes Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irreführungsgefahr bei negativen Insiderinformationen . . . . . . . . . . . c) Abstellen auf konkrete Gerüchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abstellen auf begleitendes Emittentenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gefahr des Entstehens einer fehlerhaften Informationslage . . . . . . . b) Verhalten des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kausalität des Emittentenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anforderungen an die Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewährleistung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsziel des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorgaben in Durchführungsrichtlinie und WpAIV . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlerhafte Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . b) Fehlerhafte Ausnutzung der Verordnungsermächtigung in § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Gesamtnichtigkeit von § 7 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zugangskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis a) Personenkreis, dem der Zugang zur Insiderinformation gewährt werden darf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Nr. 1 WpAIV . . . . . . . . (2) Gegenauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Konkrete Anforderungen an die Notwendigkeit nach § 7 Nr. 1 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisation der Zugangskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entstehen von Marktgerüchten als Indiz für Vertraulichkeitslücke . . 4. Aufklärung über die gesetzlichen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht zur Veröffentlichung der Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis der Veröffentlichungspflichten von § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 und § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG zur Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veröffentlichungspflicht bei Weitergabe der Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG im Vergleich zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitteilen und Zugänglichmachen der Insiderinformation in § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wissentlichkeit der Weitergabe – Abgrenzung zwischen Satz 4 und 5 in § 15 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Im Rahmen der Befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Befugnis bei wissentlicher Weitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erfordernis der Befugnis bei unwissentlicher Weitergabe? . . . . (3) Inhalt der erforderlichen Befugnis zur Weitergabe . . . . . . . . . . . e) Die rechtliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als ausreichende Vertraulichkeitsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gegenauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Richtigstellung unwahrer Information gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unwahre Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unverzügliche Richtigstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entscheidung über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitstand Notwendigkeit einer Entscheidung des Emittenten . . . . . . . .
13
141 141 141 142 143 144 145 147 148
148 150 151 152 153 155 155 156 157 158 158 159 160 161 162 162 162 163 163 164 165 165
14
Inhaltsverzeichnis 3. Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
F. Rechtsfolgen der Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsfolgen der rechtmäßigen Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dokumentationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überprüfung der Befreiungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorhalten der Ad-hoc-Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichten nach Wegfall der Selbstbefreiungsvoraussetzungen . . . . . . . . . a) Wiederaufleben der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mitteilungspflicht bei Wegfall der Insiderinformation? . . . . . . . (2) Inhalt der Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zeitpunkt der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Der Veröffentlichungsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorabmitteilungspflichten gegenüber der BaFin und der Börse . . . . c) Nachträgliche Mitteilungspflichten gegenüber BaFin und Börse . . . II. Rechtsfolgen der unrechtmäßigen Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schadenersatzansprüche von Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruch gegen den Emittenten nach § 37b WpHG . . . . . . . . . . . . . (1) Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Objektiver Tatbestand und objektive Haftungsbedingungen . . . (a) Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG . . (b) Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung . . . . . . . . (c) Anspruchsberechtigte Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Kenntnis von der Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verschuldensmaßstab und Beweislastverteilung . . . . . . . . . . (b) Verschuldenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verschulden bei unzulässiger Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . (6) Ersatzfähiger Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ersatz auch des Vertragsabschlussschadens? . . . . . . . . . . . . . (b) Haftungsbegründende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Haftungsausfüllende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Verjährung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Anspruchsgrundlagen für Schadenersatz gegen den Emittenten und handelnde Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anspruch gemäß § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ersatzfähiger Schaden/Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169 169 169 170 172 172 172 172 174 175 176 177 178 178 179 179 179 181 181 181 182 183 183 184 184 185 186 187 188 189 190 191 191 191 192 192 194
Inhaltsverzeichnis
15
(c) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (2) Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Begrenzung von Schadenersatzansprüchen durch §§ 57, 71 AktG . . 195 2. Ordnungswidrigkeitstatbestand nach § 39 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Eingriffsbefugnisse der BaFin (§ 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Die hilfsweise Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . 201 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Ablehnung der Möglichkeit einer förmlichen hilfsweisen Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Befürwortende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II.
Mehrstufige Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Der Zeitpunkt des Entstehens einer Insiderinformation bei ausstehender Zustimmung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Berechtigtes Interesse bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Der Tatbestand von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Gefährdung der korrekten Bewertung – Bewahrung der Kompetenzverteilung der Emittenten durch § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV? . . . . 207 c) Die Gefährdung der sachgerechten Bewertung vor Zustimmung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4. Berechtigtes Interesse bei ausstehender Aufsichtsratszustimmung unabhängig von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Emittentenleitfaden: Erweiterung der Selbstbefreiungsmöglichkeit 212 b) Meinungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5. Weitere Zustimmungsvorbehalte und § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV . . . . . . . 217 a) Hauptversammlung der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218
b) Mehrstufige Entscheidungsprozesse in der Insolvenz des Emittenten c) Mehrstufige Entscheidungsprozesse unter Einbeziehung von Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unternehmensverschmelzungen und Unternehmensübernahmen (M & ATransaktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die standardisierten Verfahrensweisen bei M & A-Transaktionen . . . . .
219 220 221
221 2. Entstehen der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Möglichkeit zur Selbstbefreiung nach § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV, wenn Emittent Käufer oder Verkäufer ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Europarechtskonforme Auslegung von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV . . . 225
16
Inhaltsverzeichnis b) M & A Verhandlungen als laufende Verhandlungen über Geschäftsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beeinträchtigung des Ergebnisses oder des Gangs von M & ATransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Möglichkeit der Selbstbefreiung, wenn Anteile des Emittenten Kaufgegenstand sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Aufschub der Veröffentlichung von die Transaktion begleitenden Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten des Emittenten . . . . . . . . . 1. Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausnahme von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 10 Abs. 6 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Extensive Auslegung der Ausnahmeregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berechtigtes Interesse bei Vorbereitung der Abgabe eines Übernahmeangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Mitteilung des Beteiligungserwerbes nach §§ 21 ff. WpHG . . . . . . a) Die Meldepflichten nach § 21 ff. WpHG und das Entstehen der Ad-hoc-Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität beim Beteiligungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Vorbereitungsmaßnahmen für den Aufbau einer großen Beteiligung . . . . . . . 4. Regelpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ankündigung bzw. Durchführung wichtiger Personalveränderungen . . . . . 1. Der Zeitpunkt des Entstehens der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit zur Selbstbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe für das Vorliegen eines berechtigten Interesses . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226 226 228 229 230 230 232 233 234 235 236 236 237 239 242 245 245 249 249 250
H. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
Ausgewählte Abkürzungen AnSVG BaFin BaWe BörsG BörsZulVO CESR FESCO FFG FRUG FSAP InsO OWiG SE TUG UmWG WpAIV WpHG WpPG WpÜG
Anlegerschutzverbesserungsgesetz Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Börsengesetz Börsenzulassungsverordnung Committee of European Securities Regulators Forum of European Securities Commissions Finanzmarktförderungsgesetz Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetz Financial Services Action Plan Insolvenzordnung Ordnungswidrigkeitengesetz Societas Europaea, Europäische Gesellschaft Transparenzrichtlinienumsetzungsgesetz Umwandlungsgesetz Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapierprospektgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
A. Einführung Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten haben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Pflicht, eine sie betreffende Insiderinformation unverzüglich zu veröffentlichen. Für diese Veröffentlichung hat sich der Begriff „Ad-hoc-Mitteilung“ etabliert, die gesetzliche Regelung wird „Ad-hoc-Publizitätspflicht“ genannt. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht ist dem Kapitalmarktrecht zuzuordnen. Genauso wie die Kapitalmärkte selbst ist dieses Rechtsgebiet in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einem steten Wandel unterworfen. Dieser stete Wandel stellt die Reaktion auf die tatsächliche Entwicklung des Kapitalmarktes mit immer mehr immer komplexeren Produkten, zugleich aber auch immer mehr Privatanlegern,1 die im Gegensatz zum professionellen Anleger eines erhöhten Schutzes bedürfen, dar.2 Die Ad-hoc-Publizitätspflicht hat dabei die Aufgabe, allen Anlegern jederzeit jede Art von Information zukommen zu lassen, die für Ihre Anlageentscheidung besonders wichtig sind. Obwohl die Zahl der veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilungen seit der Einführung der Ad-hoc-Publizitätspflicht erheblichen Schwankungen unterworfen war, die teils auf die Aktivität des Gesetzgebers, teils auf die sich ändernde Marktsituation zurückzuführen waren, ist festzustellen, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht eine sehr bedeutende Stellung im System der Publizitätspflichten von börsennotierten Unternehmen einnimmt. Die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht sind in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG abstrakt formuliert, was vor allem dadurch bedingt ist, dass der Gegenstand der zu veröffentlichenden Information im Gegensatz zu anderen kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten unbeschränkt ist. Zentrale Tatbestandsanforderungen werden durch unbestimmte Rechtsbegriffe beschrieben. Dies ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass sich aufgrund der Vielgestaltigkeit der möglichen Konstellationen kein abschließender Sachverhaltskatalog für die Ad-hoc-Publizitätspflicht erstellen lässt.3 1 Das Deutsche Aktieninstitut zählte für 2006 in Deutschland ca. 4,2 Millionen Aktionäre. Damit liegt die Zahl der Aktionäre deutlich unter dem Höchststand von 2000 (ca. 6,2 Millionen Aktionäre) zugleich aber deutlich über dem Stand von 1996 (ca. 3,7 Millionen). Zudem ist zu berücksichtigen, dass in den 90er Jahren ein Großteil der Aktienbesitzer lediglich Belegschaftsaktionär war. Die Zahl der Belegschaftsaktionäre ist im Verhältnis zu den sonstigen Anlegern deutlich geschrumpft. Quelle: DAI-Factbook, Kapitel 8.3, abrufbar unter www.dai.de (> Statistiken > Factbook). 2 Zu diesen Entwicklungstendenzen des Anlegerschutzes in den letzten Jahrzehnten siehe auch Caspari in: Grundmann/Schwintowski/Singer/Weber, S. 10 und 11.
20
A. Einführung
Die abstrakte Formulierung des Tatbestands der Ad-hoc-Publizitätspflicht birgt jedoch die Gefahr in sich, dass die Publizitätspflicht auch in Fällen greift, in denen eine Veröffentlichung, vereinfacht gesagt, mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. Daher ist der Ad-hoc-Publizitätspflicht eine Befreiungsmöglichkeit zur Seite gestellt, die genauso wie die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität abstrakt und damit flexibel formuliert ist. Die Publizitätsverpflichtung der Emittenten4 kennt Grenzen. Die Regelung dieser Befreiungsmöglichkeit findet sich heute in § 15 Abs. 3 WpHG. Problematisch ist an dieser Regelung, dass die Grenzen, die der Publizitätspflicht durch die Möglichkeit der Befreiung gesetzt werden, genauso wie die Tatbestandsanforderungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht selbst nur vage definiert sind. Bei der Anwendung der Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Befreiung besteht somit ein Beurteilungsrisiko. Dieses Risiko hatte bis zum Jahr 2004 noch die zuständige Aufsichtsbehörde zu tragen, die über die Befreiung auf Antrag des Emittenten entscheiden musste. Seit der Neuregelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz liegt das Beurteilungsrisiko beim Inlandsemittenten, da er die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht seitdem eigenständig vornehmen kann, d.h. es besteht die Möglichkeit zur Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität. Mit der neuen Gesetzeslage ist auch die Bedeutung der Befreiungsmöglichkeit gestiegen, was durch folgendes Schaubild veranschaulicht wird. Tabelle Entwicklung der Zahl der Ad-hoc-Mitteilungen und der Zahl der Befreiungen5 Jahr
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Zahl der Ad-hoc-Mitteilungen Zahl der Befreiungen
3.300 7
3.260 –
3.704 168
3.516 180
3.493 209
3.037 218
Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG wurde aufgrund dieser Entwicklung auch schon als neue Zentralnorm der Ad-hoc-Publizitätspflicht bezeichnet.6 3 Gehrt, S. 34 (zu § 15 WpHG in der Fassung vom 2. Finanzmarktförderungsgesetz); diese Erkenntnis bleibt unverändert gültig. 4 Soweit in dieser Arbeit von Emittenten die Rede ist, sind damit Inlandsemittenten im Sinne von § 2 Abs. 7 WpHG gemeint. 5 Quelle sind die jeweiligen Jahresberichte der BaFin, abrufbar unter www.bafin.de; für das Jahr 2004, in dem unterjährig das Anlegerschutzverbesserungsgesetz in Kraft trat, liegen keine Zahlen zur Inanspruchnahme der bis Ende Oktober 2004 geltenden Befreiung auf Antrag und der seitdem geltenden Selbstbefreiung vor.
A. Einführung
21
Durch die Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten, zu denen die Ad-hoc-Publizitätspflicht gehört, entstehen für die von diesen Pflichten betroffenen Emittenten nicht unerhebliche Kosten. Auch wenn hinsichtlich der Höhe dieser Kostenbelastung noch keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen,7 wird immer wieder der zu hohe bürokratische Aufwand kritisiert, der sich aus der Erfüllung dieser Informationspflichten ergibt.8 Genauso wenig ist der diesen Kosten gegenüberstehende Nutzen der Informationspflichten zu quantifizieren.9 Rechtsunsicherheit über die Beurteilung der Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Selbstbefreiung verschärft das Kostenproblem.10 Durch Rechtsunsicherheit erhöht sich das Haftungsrisiko für die betroffenen Unternehmen, aber auch gegebenenfalls für die handelnden Akteure (Vorstände, Aufsichtsräte) persönlich. Aber auch Anleger sind auf eine Konkretisierung der nunmehr bestehenden Regelung angewiesen, da sie selber nicht beurteilen können, ob sie einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht gegen einen Emittenten wegen verzögerter oder unterlassener Ad-hocMitteilung haben. Die möglichen kostenträchtigen Konsequenzen für Anleger sind das Unterlassen von Klagen mit Erfolgsaussicht oder das Erheben von aussichtslosen Klagen und ein anschließendes Unterliegen mit Kostenfolge. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Ansätze zur Präzisierung der Anforderungen an die Selbstbefreiung zu entwickeln und die Anwendung dieser Ansätze anschließend an konkreten Beispielen zu illustrieren. Die Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität kann dabei nicht problematisiert werden, ohne dass zunächst auf die eigentliche Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG eingegangen wird. Erst auf der dadurch geschaffenen Grundlage werden die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG erörtert. Insbesondere wird der Versuch unternommen, die Interessen der Beteiligten aufzuzeigen und den Prozess der bei einer Selbstbefreiung erforderlichen Interessenabwägung soweit wie möglich zu präzisieren. Des Weiteren werden die möglichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 WpHG, namentlich einer unrechtmäßigen Befreiung, untersucht. Die entwickelten Kriterien werden abschließend anhand von Einzelfällen weiter konkretisiert.
6 Simon, Der Konzern 2005, 13 (19), ihm zustimmend Cahn/Götz, AG 2007, 221 (223). 7 Dazu näher die Studie von Fey. 8 Siehe z. B. kleine Anfrage der FDP-Fraktion „Bürokratieabbau bei der Regulierung börsennotierter Unternehmen“, BT-Drucks. 16/6012 und die Antwort der Bundesregierung BT-Drucks. 16/6136. 9 Antwort der Bundesregierung in: BT-Drucks. 16/6136, S. 2. 10 Vgl. Fey, S. 39; in der Studie prangerten die befragten Unternehmen explizit die Rechtsunsicherheit bei der Selbstbefreiung an.
B. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht und die Selbstbefreiung als Teil des Kapitalmarktrechtes Einleitend sollen die zentralen Begriffe dieser Arbeit in ihrer Wortbedeutung näher erläutert und die Geschichte der Gesetzgebung der diese Begriffe betreffenden Normen dargestellt werden. Zudem wird in diesem Abschnitt auch auf die damit verbundenen Gesetzgebungsziele und auf besondere Auslegungsgrundsätze eingegangen.
I. Überblick über die Regelung von Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung Die Ad-hoc-Publizitätspflicht ist im „Insiderüberwachung“ überschriebenen dritten Abschnitt des WpHG geregelt. Bei den Regelungen des Dritten Abschnittes handelt es sich namentlich um die Definition von Insiderpapieren (§ 12 WpHG) und Insiderinformationen (§ 13 WpHG), das Verbot von Insiderhandel und der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 14 WpHG), die Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG), die Pflicht zur Veröffentlichung und Mitteilung von Geschäften von Führungspersonen (§ 15a WpHG) und die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG). Die Regelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht in § 15 WpHG trägt die amtliche Überschrift „die Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen an das Unternehmensregister“. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht hat nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG folgende Voraussetzungen: • Persönlicher Anwendungsbereich: Inlandsemittent; • sachlicher Anwendungsbereich: Finanzinstrument, welches an einem organisierten Markt notiert ist; • Vorliegen einer Insiderinformation nach § 13 WpHG; • die Insiderinformation betrifft den Emittenten unmittelbar. Liegen diese Voraussetzungen vor, muss der Inlandsemittent die Information unverzüglich veröffentlichen, es sei denn er macht von der Möglichkeit der Selbstbefreiung Gebrauch. Diese Möglichkeit, sich von der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu befreien, ist in § 15 Abs. 3 WpHG geregelt. Sie besteht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG unter den folgenden Voraussetzungen:
II. Die Begriffe „Ad-hoc-Publizität‘‘ und „Selbstbefreiung‘‘
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• Es liegt ein berechtigtes Interesse des Emittenten vor, welches die Nichtveröffentlichung der Information erforderlich macht; • die Nichtveröffentlichung lässt nicht befürchten, dass die Öffentlichkeit irregeführt wird; • die Vertraulichkeit der Information ist gewährleistet. An dieser Stelle sei bereits angemerkt, dass die Selbstbefreiung weiter an ungeschriebene bzw. nicht in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG enthaltene Voraussetzungen geknüpft ist, worauf später einzugehen ist. Sobald auch nur eine der Voraussetzungen der Selbstbefreiung wegfällt, lebt die Veröffentlichungspflicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG grundsätzlich wieder auf. Verstößt der Emittent gegen die Pflichten aus § 15 Abs. 1 und 3 WpHG, ergeben sich für den Emittenten grundsätzlich aus dem WpHG selbst drei mögliche Rechtsfolgen: • Verfügung der BaFin im Rahmen der allgemeinen Missstandsaufsicht nach § 4 Abs. 1 Satz 3 WpHG; • Bußgeld nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 WpHG; • Schadenersatzanspruch nach § 37b, 37c WpHG.
II. Die Begriffe „Ad-hoc-Publizität“ und „Selbstbefreiung“ Der Gesetzgeber selbst verwendet den Begriff „Ad-hoc-Publizität“ nicht. Die einschlägige Vorschrift, nämlich § 15 WpHG, trägt die Überschrift „Veröffentlichung und Mitteilung von Insiderinformationen“. Jedoch ist die Bezeichnung der Mitteilungspflicht aus § 15 WpHG als Ad-hoc-Publizitätspflicht allgemein gebräuchlich. Der Begriff Ad-hoc-Publizität besteht aus den Teilen „ad-hoc“ und „Publizität“. Der letztgenannte Wortteil hat eine Doppelbedeutung. Publizität bezeichnet sowohl den Vorgang der Offenlegung als auch dessen Resultat, den Zustand der Öffentlichkeit.11 Der aus dem Lateinischen abgeleitete Präfix „Ad-hoc“ beschreibt das zeitliche Moment der Publizität. Er bedeutet soviel wie „sofort“ oder „auf der Stelle“. „Ad-hoc-Publizität“ ist demnach eine Offenlegung, die erstens eigens zu Offenlegungszwecken erfolgt und zweitens auf der Stelle geschieht.12 Der Ausdruck „Selbstbefreiung“ kommt nur zum Teil, nämlich mit der zweiten Worthälfte „Befreiung“, in der gesetzlichen Regelung von § 15 Abs. 3 WpHG vor. Dass sich der Begriff Selbstbefreiung eingebürgert hat, dürfte daran liegen, dass durch die Hinzufügung des Wortteils „Selbst“ die erst seit Inkrafttreten des 11 Vgl. Merkt, S. 6; die Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität in § 15 WpHG beschreiben dementsprechend, in welchen Fällen und durch welche Mittel die Informationen veröffentlicht werden müssen. 12 Brockhaus/Wahrig, Band 1, Seite 118.
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B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
Anlegerschutzverbesserungsgesetzes im Jahre 2004 bestehende Eigenverantwortlichkeit des Emittenten bei einer Befreiung hervorgehoben wird.
III. Die Gesetzgebungsgeschichte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität Die Ad-hoc-Publizitätspflicht kann – europäische Richtlinien mit eingerechnet – mittlerweile auf mehr als drei Jahrzehnte Gesetzgebungs- und Anwendungsgeschichte zurückblicken. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte bis hin zum heutigen Stand gegeben werden. 1. Ursprünge der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität Bereits in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts beschäftigte sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit der Regulierung der Kapitalmärkte. Der Bericht einer Sachverständigengruppe, nach ihrem Vorsitzenden „Segré-Bericht“ genannt, skizzierte die Ziele, Bedingungen und Auswirkungen der von der EWG angestrebten Integration der Kapitalmärkte. Der Bericht schlug unter anderem vor, neben einer viertel- oder halbjährlichen Regelpublizität von Unternehmen auch eine „ständige Publizität“ einzuführen. Danach sollte jeder Umstand, der die Verhältnisse oder die Rentabilität des Unternehmens entscheidend beeinflussen könnte, dem Publikum so rasch wie möglich zur Kenntnis gebracht werden.13 Aufgrund des vorläufigen Scheiterns der Richtlinie zur Europäischen Aktiengesellschaft Mitte der siebziger Jahre, die auch eine derartige Pflicht zur ständigen Publizität enthielt, erließ die Kommission am 25. Juli 1977 unverbindliche Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen.14 Nach Ansicht der Kommission sollten diese Regeln die weitere Harmonisierung durch die Schaffung gemeinsamer ethischer Standards erleichtern.15 Im Hinblick auf die „weitere Harmonisierung“ waren die Wohlverhaltensregeln von vornherein nur als Übergangslösung geschaffen worden. Wenn sich eine börsennotierte Gesellschaft diesen Wohlverhaltensregeln unterwarf, bestanden für die Gesellschaft neben dem Verbot von Insidergeschäften auch eine Verpflichtung zur Ad-hoc-Publi-
13
Segré-Bericht S. 241, zitiert in Gehrt, S. 1. Empfehlung der Kommission 77/534/EWG vom 25. Juli 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, Amtsblatt Nr. L 212 vom 20. August 1977, S. 37–43; berichtigt durch Berichtigung der Empfehlung der Kommission vom 25. Juli 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen (ABl. Nr. L 212 vom 20.8.1977), Amtsblatt Nr. L 294 vom 18. November 1977, S. 28. 15 Empfehlung der Kommission 77/534/EWG (Wohlverhaltensregeln), Erwägungsgrund Nr. 4. 14
III. Die Gesetzgebungsgeschichte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität
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zität und die Möglichkeit der Befreiung von dieser Pflicht, wenn der Gesellschaft durch die Mitteilung ein Schaden entstehen könnte.16 2. Börsenzulassungsrichtlinie Im Jahr 1979 wurde schließlich die Börsenzulassungsrichtlinie erlassen. Im Anhang zu dieser Richtlinie war eine bindende Pflicht für börsennotierte Unternehmen enthalten, bestimmte Umstände in Form einer Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen.17 Diese Pflicht galt für „Gesellschaften oder andere juristische Personen“, die an einer Börse in der Gemeinschaft Aktien oder Schuldverschreibungen ausgegeben hatten. Den Betroffenen wurde aber auch eine Möglichkeit zur Befreiung von der Publizitätspflicht für den Fall eingeräumt, dass „die Verbreitung bestimmter Informationen geeignet ist, den berechtigten Interessen der Gesellschaft zu schaden“.18 In den ersten Entwürfen der Richtlinie war eine solche Möglichkeit noch nicht vorgesehen, was namentlich vom deutschen Bundesrat kritisiert wurde.19 Die Börsenzulassungsrichtlinie wurde erst fast vier Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist durch das am 1. Mai 1987 in Kraft getretene Börsenzulassungsgesetz20 in deutsches Recht umgesetzt. Durch das Börsenzulassungsgesetz wurde die Ad-hoc-Publizitätspflicht der Börsenzulassungsrichtlinie in § 44a BörsG a. F. eingeführt. In § 44a Abs. 3 BörsG hatte der Gesetzgeber entsprechend den Vorgaben der Börsenzulassungsrichtlinie die Möglichkeit der Befreiung von der Adhoc-Publizitätspflicht vorgesehen. Im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage handelte es sich nicht um eine eigenverantwortliche Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Die Befreiung konnte vielmehr nur auf Antrag und Genehmigung bei den Börsen erfolgen. Entgegen der ursprünglich geäußerten Erwartung21 blieb die neu eingeführte Ad-hoc-Publizitätspflicht ohne große praktische Relevanz. So wird für den Zeitraum zwischen Einführung von § 44a BörsG bis zur Ablösung dieser Vorschrift durch § 15 WpHG im Jahr 1995 von gerade einmal 16 Letzteres im Zusammenhang damit, dass dann im Falle von Indiskretionen eine Aussetzung des Börsenhandels ermöglicht werden soll, vgl. Ergänzende Empfehlung Nr. 13 der Kommission 77/534/EWG (Wohlverhaltensregeln). 17 Richtlinie 79/279 EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, Amtsblatt Nr. L 066 vom 16.03.1979 S. 21–32. 18 Für Aktien Anhang C Nr. 5, für Schuldverschreibungen Anhang Schema D Nr. 4 Richtlinie 79/279 EWG. 19 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf der Börsenzulassungsrichtlinie, BR-Drucks. 85/1/76, S. 5. 20 Gesetz zur Einführung eines neuen Marktabschnitts an den Wertpapierbörsen und zur Durchführung der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 5. März 1979 und vom 15. Februar 1982 zur Koordinierung börsenrechtlicher Vorschriften (Börsenzulassungsgesetz) vom 1.05.1987, BGBl. 1986, Teil I, S. 2478 ff. 21 Schäfer, ZIP 1987, 953 (956).
26
B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
sechs bis acht Ad-hoc-Mitteilungen berichtet.22 Folgerichtig blieb erst recht das Befreiungsverfahren von § 44a Abs. 3 BörsG ohne jegliche Bedeutung. Als Grund für das Scheitern der praktischen Durchsetzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 44a BörsG sind die mangelhafte Aufsicht durch die Börsen und die zu schwachen Sanktionsandrohungen zu nennen.23 Die Emittenten umgingen überdies die Veröffentlichungspflicht, indem sie Pressemitteilungen über die betreffenden Vorgänge veröffentlichten.24 Dies führte dazu, dass die betreffende Tatsache nicht mehr unbekannt im Sinne von § 44a BörsG war.25 3. Insiderrichtlinie und das 2. Finanzmarktförderungsgesetz Erst mit Inkrafttreten des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes26 (2. FFG) am 1. Januar 1995 erreichte die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auch die Rechtswirklichkeit. Äußerer Anlass für den Erlass des 2. FFG war die Pflicht zur Umsetzung der Insiderrichtlinie.27 Die Bundesregierung beließ es aber nicht bei einer bloßen Umsetzung der Richtlinie, sondern nahm diese zum Anlass, durch Einführung des WpHG und Änderung zahlreicher anderer Gesetze die Grundordnung des Finanzmarktes in Deutschland umfassend zu ändern. Die bis zu diesem Zeitpunkt in § 44a BörsG geregelte Ad-hoc-Publizitätspflicht wurde durch das 2. FFG mit dem neu geschaffenen Verbot des Insiderhandels verknüpft, indem beide in den Abschnitt „Insiderüberwachung“ des neuen Wertpapierhandelsgesetzes aufgenommen wurden. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht wurde am Ende dieses Abschnitts in § 15 WpHG geregelt. Durch die Schaffung eines eigenen Paragraphen verdeutlichte der Gesetzgeber die besondere Bedeutung der Ad-hoc-Publizitätspflicht, die nicht als bloßer Annex zum Insiderrecht verstanden werden sollte.28 Die Regelung zur Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht wurde sachlich unverändert in § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. übernommen. Es handelte sich nach wie vor um eine Antragsbefreiung. Im Rahmen des 2. FFG wurde zudem eine neue Aufsichtsbehörde geschaffen, das Bundesamt für Wertpapierhandel (kurz: BaWe). Das BaWe hatte unter ande22
Gehrt, S. 27. v. Klitzing, S. 39. 24 Gehrt, S. 27; v. Klitzing, S. 39, der zu Recht darauf hinweist, dass dies eigentlich ein Verstoß gegen § 44a BörsG war; solche Verstöße sind aber – soweit ersichtlich – folgenlos geblieben. 25 Schwark, Börsengesetz (2. Auflage 1991) § 44a Rn 8. 26 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (2. Finanzmarktförderungsgesetz, BGBl., Teil I, S. 1749. 27 Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, Amtsblatt Nr. L 334 vom 18/11/1989 S. 0030–0032. 28 v. Klitzing, S. 46. 23
III. Die Gesetzgebungsgeschichte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität
27
rem die Aufgabe, die Einhaltung der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität durch die Emittenten zu überwachen. Auch erhöhte der Gesetzgeber die möglichen Bußgelder wegen Verstoßes gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht auf bis zu DM 500.000,00 (§ 32 Abs. 3 WpHG a. F.). Diese Maßnahmen hatten schon im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Wertpapierhandelsgesetzes zur Folge, dass sich die Zahl der Ad-hoc-Mitteilungen von (je nach Quelle) sechs bis acht im gesamten Zeitraum von 1987 bis 1994 auf 1001 Mitteilungen allein im Jahre 1995 erhöhte.29 Die in § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. geregelte Befreiung von der Adhoc-Publizitätspflicht wurde in Folge dieser Entwicklung erstmals relevant. Die Genehmigung des Antrags von Emittenten zur Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht durch das BaWe wurde schon im Jahr des Inkrafttretens des 2. FFG 15 Mal erteilt.30 4. Nachfolgende Gesetzesänderungen In den Folgejahren erfuhr das Wertpapierhandelsgesetz eine Reihe von Änderungen. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG war von diesen Änderungen drei Mal betroffen. Durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz (kurz: 3. FFG)31 aus dem Jahr 1998 wurde der Kreis der veröffentlichungspflichtigen Informationen insofern erweitert, als dass sich die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. zu veröffentlichende Tatsache nicht mehr auf die Vermögens- und Finanzlage des Emittenten, sondern nur noch auf die Vermögens- oder Finanzlage auswirken musste. Umfangreichere Änderungen zur Ad-hoc-Publizitätspflicht enthielt das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz (kurz: 4. FFG), das am 1. Juli 2002 in Kraft trat.32 Anlass für diese umfangreichen Änderungen gaben die im Rahmen des Börsenbooms um die Jahrtausendwende ausufernden Missbräuche von Ad-hoc-Mitteilungen zu Werbe- oder gar Täuschungszwecken.33 Daher nahm der Gesetzgeber eine weitere Konkretisierung der Ad-hoc-Publizitätspflicht vor. Zudem wurde die Veröffentlichung nicht ad-hoc-publizitätspflichtiger Tatsachen im Wege der Ad-hocMitteilung ausdrücklich verboten und der Emittent verpflichtet, unwahre Ad-hocMitteilungen ebenfalls per Ad-hoc-Mitteilung unverzüglich richtig zu stellen. Die bedeutendste Änderung durch das 4. FFG bestand in der Einführung von §§ 37b, 29
BaWe, Jahresbericht 1995, S. 24, korrigiert durch Jahresbericht 1996, S. 36. BaWe, Jahresbericht 1995, S. 26. 31 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (3. Finanzmarktförderungsgesetz) BGBl. I 1998, S. 529. 32 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (4. Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, S. 2010. 33 Z. B. erwarb sich der Vorstand eines Startup-Unternehmens den Namen „Ad-hocKönig“, vgl. Artikel in Spiegel-Online vom 10. März 2007, http://www.spiegel.de/wirt schaft/0,1518,470879,00.html; abgerufen am 10. Mai 2010. 30
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B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
37c WpHG, die Schadenersatzansprüche von Anlegern gegen den Emittenten für Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht regeln. Mit dem Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht34 änderte der Gesetzgeber zum 1. Januar 2003 die Zuständigkeit für die Aufsicht über den Wertpapierhandel und damit auch die Einhaltung der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Das bis dahin zuständige BaWe wurde durch die neu eingerichtete Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) abgelöst. Das ehemalige BaWe wurde in die BaFin integriert. Keines der vorgenannten Gesetze änderte indes die Voraussetzungen oder das Verfahren zur Befreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität. 5. Marktmissbrauchsrichtlinie und das Anlegerschutzverbesserungsgesetz Im Jahr 2003 verabschiedeten der Europäische Rat und das Europäische Parlament die Marktmissbrauchsrichtlinie.35 In dieser Richtlinie wurde unter anderem die seit Erlass der Börsenzulassungsrichtlinie geltende Regelung der Ad-hocPublizitätspflicht ersetzt. a) Vorarbeiten zur Marktmissbrauchsrichtlinie Die Vorarbeiten der Marktmissbrauchsrichtlinie reichen in das Jahr 1998 zurück. Im Juni dieses Jahres forderte der Europäische Rat anlässlich seiner Tagung in Cardiff die Kommission auf, einen Rahmen für Maßnahmen zur Verbesserung des Binnenmarktes für Finanzdienste zu erarbeiten.36 Die Europäische Kommission stellte daraufhin im Mai 1999 einen Aktionsplan Finanzdienstleistungen (englisch: „Financial Services Action Plan“ oder kurz FSAP) vor, der eine neue Richtlinie zur Bekämpfung von Marktmanipulation bis zum Jahr 2003 vorsah.37 Der Europäische Rat und das Europäische Parlament stimmten dem Plan anschließend zu. Der dafür ursprünglich gewährte Zeitrahmen, nämlich die 34
Gesetz über integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, BGBl. I. 2002, 1310. Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. L 96 vom 24.12.2003, vom 12.04.2003, S. 16 f. 36 Europäischer Rat (Cardiff), 15./16. Juni 1998, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Bull. EU 6-1998, Ziff. III.17.: „Er (der Rat, Anm. des Verfassers) fordert die Kommission auf, bis zur Tagung des Europäischen Rates in Wien einen Rahmen für Maßnahmen zur Verbesserung des Binnenmarktes für Finanzdienste vorzulegen, wobei insbesondere zu prüfen ist, als wie wirksam sich die Anwendung der gegenwärtigen Rechtsvorschriften erweist, und die Schwachpunkte zu ermitteln sind, die eine Änderung der Rechtsvorschriften erforderlich machen könnten.“ 37 Europäische Kommission, Aktionsplan Finanzdienstleistungen, KOM (99) 232 v. 11.5.1999 S. 23. 35
III. Die Gesetzgebungsgeschichte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität
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Schaffung eines integrierten Finanzmarktes bis 2005, wurde vom Europäischen Rat auf seiner Stockholmer Tagung im Jahr 1999 auf das Jahr 2003 verkürzt.38 Auf der gleichen Tagung billigte der Rat den „Bericht des Ausschusses der Weisen“ zur weiteren Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte.39 Dieser Ausschuss unter Vorsitz von Alexandre Lamfalussy schlug in seinem Bericht vom 15. Februar 2001 eine Reihe von Maßnahmen zur Reform der europäischen Finanzmärkte vor, zu denen unter anderem die Harmonisierung der Regeln zur Bekämpfung von Marktmissbrauch zählte.40 Der Bericht definierte den Begriff Marktmissbrauch allerdings nicht näher, so dass unklar blieb, welche Maßnahmen dem Ausschuss vorschwebten. Konkreter äußerte sich der Bericht im Hinblick auf die künftige Gestaltung des Verfahrens, das zur Schaffung der Regeln angewandt werden sollte.41 Dieses neue, vom Europäischen Rat gebilligte Verfahren wird heutzutage nach dem Vorsitzenden des Ausschusses „LamfalussyVerfahren“ genannt. Dieses Procedere fand erstmals bei Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie Anwendung.42 Das Lamfalussy-Verfahren besteht aus vier Stufen: Die erste Stufe sieht die Schaffung von Grundsätzen der künftigen Wertpapiervorschriften vor. Als solche Maßnahme ist die Marktmissbrauchsrichtlinie anzusehen. In der zweiten Stufe werden in einem verkürzten Verfahren Durchführungsvorschriften geschaffen. Gemäß der dritten Stufe sollen die verschiedenen Behörden, die mit der Wertpapieraufsicht befasst sind, stärker zusammenarbeiten und für eine gleichmäßige Umsetzung der beschlossenen Grundsätze und Durchführungsmaßnahmen sorgen. Auf der vierten Stufe wird die Durchsetzung der neuen Regeln durch die Europäische Kommission kontrolliert und sichergestellt. Gestützt auf Vorarbeiten des „Forum of European Securities Commissions“ (FESCO)43 legte die Kommission im August 2001 den Vorschlag für die Marktmissbrauchsrichtlinie vor.44 Entsprechend der Anwendung der ersten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens handelt es sich dabei um eine Rahmenrichtlinie. Das anschließende Rechtsetzungsverfahren wurde weitgehend einvernehmlich durchlau38 Europäischer Rat (Stockholm): Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Ziffer IV.19, abrufbar unter http://europa.eu/european_council/conclusions/index_de.htm. 39 „Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte“, vom 15. Februar 2001, abrufbar unter http://ec.europa.eu/ internal_market/securities/docs/lamfalussy/wisemen/final-report-wise-men_de.pdf (Lamfalussy-Bericht), abgerufen am 12. Mai 2010. 40 Lamfalussy-Bericht, S. 36. 41 Ausführlich zu dem Verfahren auch Büche, S. 56 f. 42 Erwägungsgrund 5 der Marktmissbrauchsrichtlinie. 43 FESCO, A European Regime against Market Abuse, Fesco/00-0961, abrufbar unter www.cesr.org > market abuse level 2. 44 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, ABl. C240 vom 28.08.2001, S. 265 f.
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B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
fen.45 Insbesondere wurde die Regelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nur noch unwesentlich geändert. Die Richtlinie wurde am 28. Januar 2003 von den Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rates unterzeichnet und trat mit Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 12. April 2003 in Kraft. b) Inhalt der Marktmissbrauchsrichtlinie Nach Erwägungsgrund 12 der Marktmissbrauchsrichtlinie beinhaltet Marktmissbrauch Marktmanipulation und Insidergeschäfte. Damit folgt die Marktmissbrauchsrichtlinie zur Definition des Marktmissbrauchs den Vorschlägen der FESCO.46 Zur Bekämpfung des Insiderhandels fasst die Richtlinie verschiedene teils neue, teils aufgrund der Insiderrichtlinie bereits existierende Instrumente zusammen. Die Art. 2 bis 4 Marktmissbrauchsrichtlinie enthalten eine ausführliche Regelung zum Verbot von Insidergeschäften. Die Regelung umfasst neben dem Verbot des Erwerbs und der Veräußerung von Insiderpapieren auch das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen oder der Erteilung hierauf beruhender Empfehlungen. Art. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie regelt die Ad-hoc-Publizitätspflicht und die Befreiungsmöglichkeit unter der Überschrift „Bekanntgabe an die Öffentlichkeit“. Daneben betreffen die Regelungen die Bekämpfung der Marktmanipulation, die Veröffentlichung von Geschäften von Führungspersonen und ihnen nahe stehenden Personen (englisch: directors’ dealings) und die Erstellung und Weitergabe von Analysen. Die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie waren nach deren Art. 18 Abs. 1 bis zum 12. Oktober 2004 in nationales Recht umzusetzen. c) Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz Die Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber erfolgte im Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG). Der Regierungsentwurf des AnSVG wurde als Teil eines Maßnahmenkataloges47 zur Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger in die Kapitalmärkte am 21. April 2004 vom Kabinett verabschiedet. Das AnSVG wird vom Gesetzgeber als Reaktion auf die Krise der Finanzmärkte und die diese begleitende „Skandale“ gesehen.48 So heißt es in der Einleitung, dass Unternehmenskrisen und -zusammenbrüche gerade 45
Dazu Büche, S. 60 f. FESCO, A European Regime against Market Abuse, S. 7, unter D. Nr. 22. 47 Vgl. dazu Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 25. Februar 2003, „Bundesregierung stärkt Anlegerschutz und Unternehmensintegrität“, abrufbar unter www.bmj.bund.de>Pressestelle>Pressemitteilungen. 48 Beispiele von Fällen mit Bezug zu Ad-hoc-Mitteilung in: Post, S. 17–48. 46
III. Die Gesetzgebungsgeschichte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität
31
auch wegen Missmanagement das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Unternehmensführung und damit zugleich das Vertrauen in den Kapitalmarkt erschüttert hätten.49 Trotz dieser Einbindung des Gesetzes in den aktuellen tagespolitischen Kontext ist im Hinblick auf die Neuregelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht festzustellen, dass der Gesetzentwurf lediglich der Umsetzungspflicht aus Art. 18 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie entsprach. Das anschließende Gesetzgebungsverfahren dauerte weniger als ein halbes Jahr und brachte bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht im Vergleich zum Regierungsentwurf keinerlei Änderungen.50 Das Gesetz wurde am 29. Oktober 2004 im Bundesgesetzblatt verkündet.51 Die sich aus der Marktmissbrauchsrichtlinie ergebenden Änderungen, unter anderem der Ad-hocPublizitätspflicht, traten am Tag nach der Verkündung, also am 30. Oktober 2004, in Kraft. d) Durchführungsrichtlinie und WpAIV In Anwendung des Lamfalussy-Verfahrens erließ die Kommission schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Marktmissbrauchsrichtrichtlinie mehrere Durchführungsrichtlinien. Im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Selbstbefreiung ist dabei lediglich die erste Durchführungsrichtlinie52, die noch aus dem Jahr 2003 stammt, von Interesse. Darin konkretisiert die Kommission unter anderem die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Selbstbefreiung. Die Umsetzung der Durchführungsrichtlinie erfolgte größtenteils nicht durch das AnSVG, sondern in einer eigenen, soweit es die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität betrifft, auf § 15 Abs. 7 WpHG beruhenden Rechtsverordnung. Die Verordnung trägt die Bezeichnung „Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung“ (WpAIV) und trat am 15. Dezember 2004 in Kraft.53
49
RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 26. Zu den einzelnen Stationen des Verfahrens ausführlich Büche, S. 270 ff. 51 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004, BGBl. 2004 I, S. 2630. 52 Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. L 339 vom 24.12.2003, S. 70 f. 53 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3376); die Begründung der Verordnung ist abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_171/nn_721290/SharedDocs/Down loads/DE/Service/Aufsichtsrecht/wpaiv__beg,templateId=raw,property=publicationFile. pdf/wpaiv_beg.pdf, abgerufen am 13. Mai 2010. 50
32
B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
e) Emittentenleitfaden der BaFin Infolge des Inkrafttretens des AnSVG beklagten die Betroffenen eine erhebliche Unsicherheit bei der Anwendung der neuen Regelungen, insbesondere im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht.54 Die Unsicherheit hatte zur Folge, dass unter anderem Geschäftszahlen zum Teil vorzeitig und völlig unerwartet veröffentlicht wurden. Um den betroffenen Emittenten Hilfestellung bei der praktischen Umsetzung der umfangreichen Änderungen in Folge des AnSVG zu geben, beschloss die BaFin, einen Emittentenleitfaden zu veröffentlichen. Vorbild für dieses Vorgehen war der von BaWe und Deutscher Börse herausgebrachte Leitfaden zur Ad-hocPublizität und Insiderrecht55 aus den neunziger Jahren. Diese Leitfäden wurden mit Inkrafttreten des AnSVG größtenteils obsolet und durch den Emittentenleitfaden ersetzt. Auf den Entwurf des Leitfadens, den Ende 2004 interessierte Fachkreise zur Stellungnahme erhielten,56 folgte im Mai 2005 eine erste endgültige Fassung.57 In Folge der zahlreichen gesetzlichen Neuerungen, die sich an die Veröffentlichung des Leitfadens anschlossen, veröffentlichte die BaFin nach erneuter Anhörung der interessierten Fachkreise im Mai 2009 eine vor allem in thematischer Hinsicht erweiterte Fassung des Leitfadens.58 Die schon bestehenden Abschnitte des Leitfadens wurden nur zum Teil überarbeitet und angepasst, wobei zu den überarbeiteten Abschnitten auch derjenige zur Ad-hoc-Publizitätspflicht zählt. Die im Emittentenleitfaden wiedergegebenen rechtlichen Wertungen haben keine Gesetzesqualität. Gerichte sind an die Vorgaben des Leitfadens nicht gebunden. Ganz ohne rechtliche Wirkungen ist der Emittentenleitfaden freilich nicht, da er eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift darstellt.59 Für die Mitarbeiter der BaFin hat der Leitfaden aufgrund der dienstrechtlichen Gehorsamspflicht bindende Wirkung.60 Zudem spricht ein Handeln in Übereinstimmung mit dem Emittentenleitfaden gegen eine Haftung nach §§ 37b, 37c WpHG, denn das Befolgen der Anweisungen des Emittentenleitfadens kann jedenfalls als Argument gegen die Annahme grober Fahrlässigkeit dienen.61 Zu be54
Bericht des Handelsblatt Nr. 69 vom 11. April 2005, Seite 29. Bundesaufsichtsamt für Wertpapierrecht, Ad-hoc-Publizität gemäß § 15 WpHG und Bundesaufsichtsamt für Wertpapierrecht, Insiderhandelsverbote gemäß §§ 12–14 WpHG – Erläuterungen und Empfehlungen zur Behandlung kursbeeinflussender Maßnahmen. 56 Entwurf des Emittentenleitfadens vom 22.12.2004, abrufbar unter www.bafin.de (> Konsultationen > Konsultationen 2005 > Entwurf des Emittentenleitfadens). 57 Emittentenleitfaden der BaFin vom 15. Juli 2005, abrufbar unter www.bafin.de (> Aufsichtspraxis > Leitfäden). 58 Emittentenleitfaden der BaFin vom 20. Mai 2009, abrufbar unter www.bafin.de. 59 Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (730); Claussen/Florian, AG 2005, 745 (747). 60 Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (730). 55
III. Die Gesetzgebungsgeschichte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität
33
achten ist, dass der Leitfaden in Teilen mittlerweile über vier Jahre alt ist und mit Fortlauf der Zeit immer weniger den aktuellen Stand der juristischen Diskussion widerspiegelt. f) CESR-Empfehlungen Mit Beschluss vom 6. Juni 2001 richtete die Kommission das Committee of European Securities Regulators (Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden, englisch abgekürzt CESR) ein, welches die FESCO als supranationale Organisation der Aufsichtsbehörden in der EU ablöste.62 Die Einrichtung geht auf den Lamfalussy-Report zurück, der eine Verstärkung der Zusammenarbeit der den Kapitalmarkt beaufsichtigenden Behörden forderte.63 Das CESR spielt eine wichtige Rolle im bereits erwähnten Lamfalussy-Verfahren. Auf der zweiten Stufe dieses Verfahrens berät es die Akteure bei Erlass der Durchführungsrichtlinien.64 In Ausübung dieser Tätigkeit bei Schaffung der Umsetzungsmaßnahmen zur Marktmissbrauchsrichtlinie hat das CESR ein Papier veröffentlicht, in dem unter anderem das Verständnis des CESR zum Begriff Insiderinformation dargelegt wird.65 Auf der dritten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens gibt das CESR Empfehlungen zur Interpretation der Vorschriften der Marktmissbrauchsrichtlinie ab.66 Diese sind u. a. in zwei Empfehlungen („guidance“) niedergelegt worden.67 Während in der ersten Empfehlung die Marktmanipulation behandelt wird, befasst sich die zweite Empfehlung mit verschiedenen Aspekten der Ad-hoc-Publizität und insbesondere mit der Selbstbefreiung.68 Den Empfehlungen der CESR ist aufgrund der Autorisierung durch Vertreter der Aufsichtsbehörden aller Mitgliedsstaaten eine ähnliche Bedeutung wie dem Emittentenleitfaden zuzuschreiben: Sie entfalten keine Bindungswirkung für die Gerichte. Eine Einhaltung der Empfehlungen kann jedoch von Belang sein, wenn es um die Frage geht, ob ein Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen als schuldhaft anzusehen ist. 61
Nietsch BB 2005, 785 (787); näher dazu Kap. F.II.1.a)(5)(c). Beschluss der Kommission vom 6. Juni 2001 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (2001/528/EC; ABl. L 191 vom 13.7. 2001, S. 43). 63 Lamfalussy-Report, S. 24. 64 Lamfalussy-Report, S. 35 f. 65 „Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive“, vom 3. September 2003 abrufbar unter www.cesr.org < expert groups < market abuse level 2. 66 Lamfalussy-Report, S. 46 f. 67 „First set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive“ vom 11. Mai 2005 und „Second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market“ vom 12. Juli 2007, beide abrufbar unter www.cesr.org > documents > Standards, Recommendations & Guidelines. 68 CESR, Zweiter Leitfaden, Einleitung S. 3. 62
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B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
6. Änderungen nach Inkrafttreten des AnSVG Auch nach der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie durch das AnSVG sind kleinere Änderungen in § 15 WpHG vorgenommen worden. Die Transparenzrichtlinie 69 nahm der Gesetzgeber zum Anlass, eine Änderung von § 15 WpHG im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich und die Form der Verbreitung Ad-hoc-Mitteilungen, die in der WpAIV geregelt sind, durchzuführen. Diese Änderungen wurden in das Transparenzrichtlinien-Umsetzungs-Gesetz (TUG) integriert.70 Das zur Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie (MIFID)71 erlassene Finanzmarktrichtlinienumsetzungsgesetz (FRUG)72 brachte im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht ebenfalls kleinere Änderungen des Anwendungsbereiches, unter anderem wegen der Anpassung des Wertpapierbegriffs in § 2 WpHG.
IV. Gesetzgebungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht In den nationalen und europäischen Gesetzgebungsmaterialien werden für die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität verschiedene Funktionen und Zielsetzungen genannt. Diese Zielsetzungen erlangen im Rahmen der teleologischen Auslegung der Regelungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 WpHG Bedeutung. Für die Ermittlung der Zielsetzungen sind zunächst die zuletzt erlassenen Rechtsakte maßgeblich, die wesentlich in die Tatbestandsvoraussetzungen von § 15 WpHG eingreifen, also Marktmissbrauchsrichtlinie und AnSVG. Aber auch die historische Entwicklung der Motive des Gesetzgebers ist im Hinblick auf die verschiedenen die Ad-hoc-Publizität betreffenden Reformen seit Einführung der Börsenzulassungsrichtlinie von Belang.
69 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12. 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004. 70 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.12.2004 vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 71 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzen, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. L 145 vom 30.4. 2004. 72 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiL 2004/39/EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006/73/EG) der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330 v. 19.7.2007.
IV. Gesetzgebungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht
35
1. Funktionsfähigkeit und Integrität der Finanzmärkte Der Lamfalussy-Report fordert, durch angemessene aufsichtsrechtliche Sicherheiten und angemessenen Anlegerschutz einen integrierten europäischen Finanzmarkt zu schaffen. Der integrierte Finanzmarkt soll einen unionsweiten freien Kapital- und Dienstleistungsverkehr ermöglichen.73 Dem folgt die Marktmissbrauchsrichtlinie, die in ihrem Erwägungsgrund 1 anführt, dass der Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung sei. Das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte sei Bedingung dafür, dass die Finanzmärkte ihre allokative Funktion erfüllen können.74 Diese Annahme des Gesetzgebers verdeutlicht Erwägungsgrund 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie: „Ein integrierter und effizienter Finanzmarkt setzt Marktintegrität voraus. Das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte sind Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Marktmissbrauch verletzt die Integrität der Finanzmärkte und untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wertpapiere und Derivate“. Unter Marktmissbrauch versteht die Richtlinie entsprechend der Auffassung des FESCO Marktmanipulation und Insiderhandel. Erwägungsgrund 24 der Marktmissbrauchsrichtlinie beschreibt die Funktion der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei der Bekämpfung des Insiderhandels und der Sicherstellung der Integrität der Finanzmärkte: „Durch unverzügliche und angemessene öffentliche Bekanntgabe von Informationen wird die Integrität des Marktes gefördert.“ In Erwägungsgrund 24 der Marktmissbrauchsrichtlinie werden auch die erwarteten Folgen für den Fall aufgezeigt, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht konsequent umgesetzt und befolgt wird. Dann würde die selektive Weitergabe von Informationen durch Emittenten dazu führen, dass das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte schwindet. Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte sicherzustellen, sind somit die primären Regelungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Diesem Gedanken folgend sieht der Regierungsentwurf zum AnSVG den Zweck der Neuregelung von § 15 WpHG darin, dass bestmögliche Markttransparenz gewährleistet, Insiderhandel weitestgehend eingeschränkt und die Integrität der Finanzmärkte gefördert wird.75
73
Lamfalussy-Report, S. 14. Mehringer, S. 42. 75 RegE AnSVG BT-Drucks. 15/3174, S. 34; ähnlich auch der RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33. 74
36
B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
2. Erweiterung der Regelpublizität Nach dem Regierungsentwurf des AnSVG sollen die Marktteilnehmer durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht „frühzeitig über marktrelevante Informationen verfügen, um sachgerechte Anlageentscheidungen treffen zu können“.76 Die auf diesem Wege erreichte Markttransparenz wiederum dient der Bildung angemessener Preise und soll Anlegern helfen, Chancen und Risiken ihrer Anlage besser einschätzen zu können. Auf europarechtlicher Ebene ist diese zweite Zielsetzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht derart prominent verankert. Allerdings lässt sich der Börsenzulassungsrichtlinie entnehmen, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht die Regelpublizität ergänzen soll, da die Regelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht in Schema C Nr. 5 lit. a) Börsenzulassungsrichtlinie mit „Zusätzliche Informationen“ überschrieben war. Diese Überschrift bezog sich auf die in Schema C Nr. 4 lit. a) enthaltene Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung des Jahresabschlusses.77 In der Marktmissbrauchsrichtlinie wird in Erwägungsgrund 15 nur noch in allgemeiner Art und Weise „vollständige Transparenz“ als Ziel der Ad-hoc-Publizität ausgegeben. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht ist jedoch aus der historischen Perspektive auch immer noch als Ergänzung und Erweiterung der Regelpublizitätspflichten für die Emittenten zu verstehen.78 3. Bekämpfung des Insiderhandels Schon mit Erlass des 2. FFG wurde die Zielsetzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht um die Bekämpfung des Insiderhandels ergänzt. Demnach sollte die Bekämpfung des Insiderhandels durch „die Aktivierung der Vorschriften zur Adhoc-Publizität geschehen“.79 Mangels Anpassung der in der Börsenzulassungsrichtlinie geregelten Ad-hoc-Publizitätspflicht wurde diese Änderung der Zielsetzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf europäischer Ebene erst mit Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie ausdrücklich in der Regelung verankert. Allerdings hob die FESCO die präventive Funktion der Ad-hoc-Publizität schon während der Vorarbeiten zur Marktmissbrauchsrichtlinie hervor.80
76
RegE AnSVG BT-Drucks. 15/3174, S. 34. Büche, S. 71. 78 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 2 und Rn 6; wohl auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 130, der die Ad-hoc-Publizitätspflicht eigenständig „neben“ der Regelpublizität etabliert sieht; dagegen Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 10, weil das objektive Kriterium für das Eintreten der Ad-hoc-Publizitätspflicht weggefallen sei. 79 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 35. 80 FESCO, A European Regime against Market Abuse, S. 7, unter D. Nr. 22. 77
IV. Gesetzgebungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht
37
Das Verbot von Insiderhandel ist damit ein gewichtiger Aspekt der Rechtfertigung einer Regulierung der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Ob Insiderhandel überhaupt ein bekämpfenswertes Phänomen darstellt, ist vor allem in der ökonomischen Wissenschaft freilich seit Jahrzehnten heftig umstritten. Einige Ökonomen kritisieren schon, dass Insiderhandel überhaupt verboten ist.81 Zum Teil wird lediglich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung von Veröffentlichungspflichten bestritten, da die Emittenten die Informationsbedürfnisse der Anleger auch von alleine befriedigen würden.82 Von rechtswissenschaftlicher Seite ist jedoch zur Kenntnis zu nehmen, dass der Gesetzgeber eine Ad-hoc-Publizitätspflicht eingeführt hat und diese seit Einführung der Insiderrichtlinie mit der Bekämpfung des Insiderhandels rechtfertigt. Diesen Standpunkt hat der Gesetzgeber durch die Verschärfung der Insidervorschriften und der Ad-hoc-Publizitätspflicht in Marktmissbrauchsrichtlinie und AnSVG nochmals bestätigt. Es ist somit davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Bekämpfung von Insiderhandel und die Regulierung der Ad-hoc-Publizitätspflicht für erforderlich gehalten hat. Somit ist es unzulässig, die existierenden Vorschriften mit Verweis auf das angeblich fehlende Regulierungsbedürfnis einschränkend auszulegen. 4. Anlegerschutz Sowohl die Erweiterung der Regelpublizität als auch die Bekämpfung des Insiderhandels sollen dem Schutz der Anleger dienen. Der Anlegerschutz findet sich als Regelungsmotiv in allen bisherigen Gesetzgebungsverfahren, die die Ad-hocPublizitätspflicht zum Gegenstand hatten. Die Marktmissbrauchsrichtlinie enthält den Begriff des Anlegerschutzes aber nur mittelbar, indem in Erwägungsgrund 24 Marktmissbrauchsrichtlinie der Schutz des Vertrauens der Anleger in die Finanzmärkte zum Regelungsziel erhoben wird. Das Vertrauen der Anleger in die Institution Finanzmarkt aber kann nur durch einen effektiven Anlegerschutz sichergestellt werden. In der Durchführungsrichtlinie heißt es in Erwägungsgrund 4 zum Anlegerschutz: „Die Gewährleistung des Anlegerschutzes macht (. . .) eine rechtzeitige Veröffentlichung der Insider-Informationen seitens der Emittenten erforderlich (. . .).“ Der deutsche Gesetzgeber hat den Stellenwert des Anlegerschutzes bei der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie schon mit der Namensgebung für das Umsetzungsgesetz (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) deutlich gemacht. Die durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht des § 15 WpHG geschaffene Transparenz dient somit dem Anlegerschutz.
81 82
Überblick über die Kritik bei D. Schneider, DB 1994, 1429. Dazu und zu Gegenargumenten v. Klitzing, S. 8 f.
38
B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
a) Individueller oder kollektiver Anlegerschutz Zeitweise stark umstritten war die Frage, ob § 15 WpHG den Anlegerschutz als individuellen oder kollektiven Anlegerschutz sicherstellen soll. Bedeutung hat diese Frage vor allem wegen einer möglichen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15 WpHG. Nur wenn § 15 WpHG dem individuellen Schutz der Anleger dienen würde, könnten Anleger Schadenersatzansprüche auf § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15 WpHG stützen. Ein solcher Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 15 WpHG, der voraussetzen würde, dass § 15 WpHG auch Individualschutz gewährt, ist trotz mancher Kritik im Schrifttum83 durch die Rechtsprechung zu Recht abgelehnt worden.84 Gegen die Bezweckung eines individuellen Anlegerschutzes spricht insbesondere der Inhalt von § 15 Abs. 6 WpHG, wonach Anlegern bei Verletzung der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nur unter den Voraussetzungen von §§ 37b, 37c WpHG Schadenersatzansprüche zustehen. Diese Regelung muss gerade auf § 823 Abs. 2 BGB abzielen, da § 15 WpHG keine Haftungsanordnung aus sich heraus enthält. Auch durch die nachträgliche Einführung eines Schadenersatzanspruchs für falsche oder verzögerte Ad-hoc-Mitteilungen durch das 4. FFG in §§ 37b, 37c WpHG ist die Wertung von § 15 Abs. 6 WpHG nicht verändert worden.85 Der Einführung beider Normen bedurfte es, gerade weil der fehlende Individualschutz durch § 15 WpHG auch weiter unangetastet bleiben sollte. Mit dem Hinweis in § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG, dass Schadenersatzansprüche aufgrund §§ 37b, 37c WpHG andere Schadenersatzansprüche nicht ausschließen, sind lediglich Fälle betrügerischer und sittenwidriger Schädigung gemeint.86 Mit dem Streit um die Frage, ob § 15 WpHG nur kollektiven oder auch individuellen Anlegerschutz bezweckt, hängt auch die Frage zusammen, ob der Anlegerschutz als Ziel der gesetzlichen Regelung „an sich“ angesehen wird oder ob der Gesetzgeber mit dem Schutz der Anleger weitere Ziele zu verfolgen suchte. Die Bejahung eines ausschließlich kollektiven Anlegerschutzes führt dazu, dass Anlegerschutz nicht ein eigenständiges, sondern ein der Integrität der Finanzmärkte dienendes Ziel darstellt.87 Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen, weswegen er bei Schaffung der individuellen Schadenersatzansprüche nach §§ 37b, 37c WpHG im 4. FFG explizit die abschreckende und somit disziplinie-
83
So etwa Gehrt, S. 207 f.; v. Klitzing, S, 222, beide mwN. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 – Infomatec = NJW 2004, 2664; BGH, Urteil vom 09. Mai 2005, II ZR 287/02 – EM.TV = NJW 2005. 2450. 85 Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 3; Assmann in: Assmann/ U. H. Schneider, § 15 Rn 28; Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1635); a. A. Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 7. 86 Kümpel/Veil, Rn 40; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 270. 87 So ausdrücklich auch: Assmann, ZBB 1989, 49, 56 und 61. 84
IV. Gesetzgebungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht
39
rende Wirkung solcher Ansprüche auf die Marktteilnehmer und deren Publizitätsverhalten hervorhob.88 b) Die Schaffung eines einheitlichen Schutzniveaus durch die Hypothese vom „verständigen Anleger“ Da die Anleger als Kollektiv geschützt werden sollen, ist die Festlegung eines einheitlichen Schutzniveaus erforderlich.89 Problematisch ist dies, weil die Anleger am Kapitalmarkt keine homogene Masse sind.90 Die Schutzinteressen der Anleger können sehr unterschiedlich sein. Die Ausgestaltung des Anlegerschutzes hängt davon ab, welche der verschiedenen Anlegergruppen, in die sich die Masse der Anleger unterteilen lässt, zur Ermittlung des Schutz- bzw. Informationsbedürfnisses als maßgeblich anzusehen ist. Das Anlegerpublikum wird häufig in institutionelle Anleger und Privatanleger unterteilt.91 Das Gesetz hat sich zur Festlegung des erforderlichen Anlegerschutzniveaus allerdings weder für die eine noch für die andere Gruppe entschieden. Maßgeblich ist vielmehr das Leitbild „Verständiger Anleger“.92 Das wird unter anderem dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber an einigen Stellen ausdrücklich auf den verständigen Anleger abstellt. So ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG eine Information geeignet, den Preis eines Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen, und damit potentiell eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. In Erwägungsgrund 1 der Durchführungsrichtlinie wird festgelegt, dass der Emittent „die Prüfung der Frage, ob ein verständiger Investor einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis im Rahmen seiner Investitionsentscheidung berücksichtigt hätte“, vorzunehmen hat. Die Sicht eines verständigen Anlegers wird auch vom CESR als entscheidend angesehen, wenn es darum geht zu ermitteln, ob eine Insiderinformation vorliegt.93 Das zeigt, dass das Leitbild „Verständiger Anleger“ im Hinblick auf die Konkretisierung des Begriffs der Insiderinformation maßgeblich ist. Um ein einheitliches Schutzniveau zu gewährleisten, kommt dem Leitbild auch bei der Auslegung und Anwendung der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität und der Selbstbefreiung eine bedeutende Rolle zu, auch wenn der Gesetzestext im konkreten Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Perspektive des verständigen Anlegers abstellt. 88
RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 64. Veil, ZBB 2006, 162 (167). 90 Davon geht auch die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG aus, die in Erwägungsgrund 4 fordert, dass die Information „so schnell und so zeitgleich wie möglich für alle Anlegerkategorien“ zu erfolgen hat. 91 Fleischer, Gutachten zum 64. Deutschen Juristentag, S. F21; Kleinmann, S. 126. 92 Veil, ZBB 2006, 162 (167). 93 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 5, Rn 1.8. 89
40
B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
Dementsprechend ist der „verständige Anleger“ bereits als neues Anlegerleitbild des Kapitalmarktrechtes bezeichnet worden.94 c) Inhalt des Leitbilds des „verständigen Anlegers“ Da es dem Gesetzgeber darauf ankommt, insbesondere den Schutz von verständigen Anlegern zu gewährleisten, ist zu ermitteln, welche Verhaltensweisen und Informationsbedürfnisse den verständigen Anleger ausmachen. Vereinzelt wird der verständige Anleger im Schrifttum als börsenerfahrener Laie definiert.95 Das würde bedeuten, dass in einem verständigen Anleger hauptsächlich ein Privatanleger zu sehen wäre mit den entsprechenden Konsequenzen für die Auslegung der Publizitätsvorschriften. Nach Auffassung der BaFin kann bei einem verständigen Anleger davon ausgegangen werden, dass dieser zum Zeitpunkt seines Handelns alle zugänglichen Informationen kennt.96 Zudem ist ein Anleger als „verständiger Anleger“ über die rechtlichen Verhältnisse an den Kapitalmärkten und die Transaktionsbedingungen informiert.97 Es erscheint zweifelhaft, ob gewöhnliche Privatanleger die genannten Voraussetzungen erfüllen. Auch wenn es immer bessere Möglichkeiten für Privatpersonen gibt, schnell auf veröffentlichte Informationen reagieren, wird dies in den überwiegenden Fällen im Verhältnis zu den institutionellen Investoren immer noch zu spät erfolgen.98 Institutionelle Investoren ziehen somit den Hauptvorteil aus der zeitnahen Veröffentlichung von Insiderinformationen. Das zeigt, dass der Gesetzgeber den Begriff „verständiger Anleger“ gerade nicht mit dem gewöhnlichen Privatanleger gleichgesetzt hat.99 Die Ausrichtung des Anlegerschutzes im Rahmen der Ad-hoc-Publizität am verständigen Anleger macht auch eine Betrachtung seiner Anlageziele erforderlich. Grundstreben des verständigen Anlegers ist das Erzielen einer möglichst hohen Rendite. Moralische oder altruistische Erwägungen und sonstige Motive, die in Einzelfällen bei einer Anlageentscheidung eine Rolle spielen können, bleiben für das Modell des verständigen Anlegers außer Betracht.100 Nach dieser Prämisse von den Anlagezielen hat sich auch das Publizitätsverhalten der Emittenten zu richten. Weiterhin wird im Schrifttum überwiegend angenommen, dass der verständige Anleger Informationen rational bewertet und danach rational
94
Veil, ZBB 2006, 162 (165). So Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 88. 96 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 33. 97 Veil, ZBB 2006, 162 (163). 98 Kleinmann, S. 186. 99 So auch Ekkenga, ZGR 1999, 165 (189). 100 Veil, ZBB 2006, 162 (163). 95
V. Besondere Auslegungsgrundsätze
41
handelt.101 Dem ist nur mit Einschränkungen zuzustimmen. Die ökonomische Forschung zum Verhalten von Kapitalmarktteilnehmern („Behavioural Finance“) konnte darlegen, dass Anleger selbst, wenn sie gewillt sind, rational zu handeln, irrationale Entscheidungen treffen.102 Stattdessen werden bei den Marktteilnehmern wiederkehrende Verhaltensweisen beobachtet, mit denen sie sich aus psychologischen Gründen selbst schädigen.103 Als Beispiel sei der so genannte „Herdentrieb“ der Anleger genannt. Erkenntnisse der Behavioural Finance haben in bestimmte Regelungen des Kapitalmarktrechts Eingang gefunden.104 Das trifft auch auf die Ad-hoc- Publizitätspflicht zu. In Erwägungsgrund 25 Marktmissbrauchsrichtlinie wird auf die Gefahr für die Anleger durch die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen hingewiesen. Das Wort „oder“ zeigt, dass die irreführende Information keine falsche, sondern nur eine falsch interpretierbare Information ist. Eine falsche Interpretation von wahren Informationen erscheint aber nur möglich, wenn irrationales Verhalten von Anlegern vorliegt. In engen Grenzen sind solche irrationalen Verhaltensweisen von Anlegern, die rational handeln wollen, somit für das Leitbild „verständiger Anleger“ zu berücksichtigen. 5. Gesetzgebungsziele der Selbstbefreiung Zum Sinn und Zweck der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht selbst sind in den Gesetzgebungsmaterialien keine Angaben zu finden. Die vorgenannten Regelungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht sind auch bei der Auslegung der Merkmale der Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu berücksichtigen. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht letztlich die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sicherstellen soll. Diese kann aber auch durch ein Übermaß an Publizität gefährdet werden. Solche Fälle, in denen die Veröffentlichung die Marktintegrität schädigen könnte, sind es, für die der Gesetzgeber die Selbstbefreiungsmöglichkeit geschaffen hat.
V. Besondere Auslegungsgrundsätze Bei der Auslegung von Regeln des WpHG, insbesondere der Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Selbstbefreiung nach § 15 WpHG, gelten einige besondere Grundsätze.
101 Veil, ZBB 2006, 162 (163), ihm folgend Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 88. 102 Fülbier, S. 150. 103 Fleischer in: FS Immenga, S. 575 ff. 104 Beispiele bei Fleischer in: FS Immenga, S. 584.
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B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
1. Harmonisierung mit anderen Publizitätsvorschriften und Befreiungsmöglichkeiten Trotz der theoretisch großen Reichweite des Anwendungsbereichs der Ad-hocPublizitätspflicht 105 betrifft diese in erster Linie börsennotierte Aktiengesellschaften. Für solche Aktiengesellschaften existiert neben der Pflicht zur Ad-hocPublizität eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungspflichten.106 Die wesentlichen Publizitätspflichten stammen aus drei Rechtsgebieten: Dem Verbandsorganisationsrecht (hauptsächlich AktG), dem Bilanzrecht und dem übrigen Kapitalmarktrecht. Grundsätzlich muss die Auslegung der Ad-hoc-Publizitätspflicht so erfolgen, dass die Ergebnisse mit den übrigen Publizitätspflichten bei Überschneidungen abgestimmt sind. Normwidersprüche sind zu vermeiden.107 Dem Gesetzgeber kann unterstellt werden, dass er eine einheitliche Rechtsordnung schaffen möchte.108 Deshalb sind für das richtige Verständnis der auszulegenden Norm alle vergleichbaren Normen zu berücksichtigen.109 Bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG sind dies sämtliche sonstigen Veröffentlichungspflichten für börsennotierte Gesellschaften (Inlandsemittenten) und – soweit vorhanden – die korrespondierenden Befreiungsregelungen. Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn der Gesetzgeber das Verhältnis der Ad-hocPublizität zu den übrigen Publizitätspflichten in einer Kollisionsregel ausdrücklich festgelegt hat. Im Rahmen von § 15 WpHG ist dies jedoch nur hinsichtlich einer einzelnen konkurrierenden Publizitätsregelung der Fall, nämlich nach § 10 Abs. 6 WpÜG hinsichtlich der Pflicht zur Veröffentlichung von Übernahmeangeboten. Im Übrigen gilt das Gebot der weitest möglichen Harmonisierung der Publizitätspflichten. 2. Richtlinienkonforme Auslegung Wie bereits an anderer Stelle erläutert, diente die (Neu-)Regelung der Ad-hocPublizitätspflicht durch das AnSVG in § 15 WpHG der Transformation der Marktmissbrauchsrichtlinie in deutsches Recht.110 Daher gilt für die Auslegung von § 15 WpHG der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung.111 Nach 105
Zum Anwendungsbereich siehe Kap. C.I. Überblick über die Publizitätspflichten bei Noack, DB – Status Recht, 2007, 56– 58; ausführliche Darstellungen der verschiedenen Informationspflichten börsennotierter Unternehmen finden sich bei S. H. Schneider, S. 44 ff. und Zetzsche, 1. Teil (S. 15 ff.). 107 Bydlinski, S. 463. 108 Zippelius, Methodenlehre, S. 49 und S. 54 f.; Bydlinski, S. 464. 109 Zippelius, Methodenlehre, S. 54. 110 RegE AnSVG BT-Drucks. 15/3174, S. 27 und S. 35. 106
V. Besondere Auslegungsgrundsätze
43
diesem Grundsatz sind auf Richtlinien beruhende oder von diesen beeinflusste Regelungen „im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen“.112 Fraglich ist, welche Reichweite dieser Auslegungsgrundsatz hat. Dies hängt davon ab, ob der deutsche Gesetzgeber eine Abweichungsbefugnis von den Vorgaben der Richtlinie hat. Je geringer die Abweichungsbefugnis ist, desto eher muss eine strikt richtlinienkonforme Auslegung Platz greifen. Ob eine Abweichungsbefugnis vorliegt, ergibt sich aus der Rechtsgrundlage, auf welche die Richtlinie bei Erlass gestützt wurde. Die Marktmissbrauchsrichtlinie beruht laut ihrer Präambel auf Art. 95 EGV.113 Nach Art. 95 Abs. 1 Satz 2 EGV handelt es sich somit um eine Maßnahme „zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“, die die Errichtung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes zum Ziel hat. Schärfere Regeln als jene, die die maßgeblichen EU-Richtlinien vorsehen, würden die erwünschte Harmonisierung konterkarieren und gegen das Gebot der effektiven Umsetzung gemäß Art. 95 EGV und die Sperrwirkung der Grundfreiheiten verstoßen.114 Aus dem gleichen Grund sind weniger scharfe Regeln als durch die Richtlinie vorgesehen nicht erlaubt. Die Auslegung von § 15 WpHG muss sich daher streng an den Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie orientieren. 3. Verfassungsrechtliche Grundsätze Ein Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht, z. B. in Form einer unberechtigten Selbstbefreiung, kann als Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG geahndet werden. Rechtsfolge ist, dass der Emittent oder die verantwortlichen natürlichen Personen mit einer Geldbuße belegt werden können. Anleger können bei einer rechtswidrigen Selbstbefreiung Schadenersatz, insbesondere nach § 37b WpHG, verlangen. Darüber hinaus ist die BaFin als Aufsichtsbehörde nach § 4 Abs. 1 Satz 3 WpHG ermächtigt, Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, „Missstände zu beseitigen oder zu verhindern“. Bei § 15 WpHG handelt sich somit zugleich um (öffentliches) Aufsichtsrecht, Zivilrecht (in Form von Deliktrecht) und Ordnungswidrigkeitenrecht. Diese Dreifachnatur hat Auswirkungen auf die Auslegung der Regelungen von Selbstbefreiung und Ad-hoc-Publizität. 111 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, Einl. Rn 69; Hirte/Heinrich in: Kölner Kommentar, Einl. Rn 109. 112 Grundlegend: EuGH Slg. 1984, 1891 (1901, 1908 Rn 25) Colson und Kamann/ Land Nordrhein Westfalen; EuGH Slg. 1984, 1921 (1935, 1942). 113 Nunmehr Art. 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU C83, S. 47 f. 114 Möllers, WM 2005, 1393 (1396).
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B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
a) Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot im Strafrecht Für Ordnungswidrigkeiten gelten der strafrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG.115 Diese Grundsätze sind auch auf § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG anzuwenden, welcher die Bußgeldpflicht für Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht regelt. Der Ordnungswidrigkeitstatbestand von § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG ist indes ein Blanketttatbestand. Er verweist im Wesentlichen nur auf die Regelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht in § 15 WpHG und der Selbstbefreiung. Insofern wird die Auslegung von § 15 WpHG und insbesondere § 15 Abs. 3 WpHG, in dem die Selbstbefreiung geregelt ist, auch durch das Analogieverbot und den Bestimmtheitsgrundsatz beeinflusst. b) Inhalt von Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot Der aus Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitete Bestimmtheitsgrundsatz besagt, dass eine Strafvorschrift so formuliert sein muss, dass dem Einzelnen die Grenze des straffreien Raumes „klar vor Auge“ steht.116 Angesichts der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe u. a. in § 15 WpHG könnten sich hieraus Probleme ergeben. Der Bestimmtheitsgrundsatz wird allerdings dadurch gelockert, dass auch Tatbestände mit stark auslegungsbedürftigen Merkmalen als zulässig angesehen werden, wenn dies im Einzelfall durch den gesetzgeberischen Zweck überzeugend begründet werden kann.117 Auch ist der Verständnishorizont des Adressatenkreises der Regelung zu berücksichtigen.118 Der Verständnishorizont dürfte bei den Hauptadressaten von § 15 WpHG sehr weit sein, denn die Erfüllung des hauptsächlichen persönlichen Anknüpfungspunktes, des Merkmals „Inlandsemittent“, findet nur mit Zustimmung des Betroffenen statt. Die Betroffenen sind sich der hohen Regelungsdichte am Kapitalmarkt bewusst und verpflichtet, entsprechende Ressourcen aufzubieten, um die Einhaltung der besonderen gesetzlichen Pflichten sicher zu stellen. Daher sind dem Gesetzgeber für die Auslegung der die Ad-hoc-Publizitätspflicht regelnden Rechtsnormen durch das Bestimmtheitsgebot grundsätzlich keine engen Grenzen gesetzt. Anderes könnte für das Analogieverbot gelten, das sich ebenfalls aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt. Unter dem etwas irreführenden Begriff „Analogieverbot“ ist nicht nur das Verbot einer Analogie im technischen Sinne zuungunsten des
115 BVerfGE 71, 108 (114); siehe auch Nolte in: v. Mangoldt/Starck/Klein, GG, Art. 103 Rn 105. 116 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, zum Beispiel: BVerfGE 32, 346 (362); 25, 269 (285). 117 Nolte in: v. Mangoldt/Starck/Klein, Art. 103 Rn 143. 118 BVerfGE 48, 48 (57); Nolte in: v. Mangoldt/Starck/Klein, Art. 103 Rn 146.
V. Besondere Auslegungsgrundsätze
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Adressaten der Norm zu verstehen. Verfassungswidrig ist vielmehr jede Form der Auslegung, die einen Verstoß gegen die Norm in nicht von vornherein erkennbarer Weise begründet.119 Im Gegensatz zum Bestimmtheitsgrundsatz ist für das Analogieverbot grundsätzlich die Perspektive eines Laien maßgebend.120 Damit ist eben nicht nur eine Analogie im technischen Sinne verboten, sondern ebenfalls die Auslegung auf den für den Laien noch erkennbaren Wortsinn des Gesetzes begrenzt.121 4. Konkurrenz der Auslegungsgrundsätze Der europarechtliche Hintergrund der Ad-hoc-Publizitätspflicht fordert eine richtlinienkonforme Auslegung. Dieser Auslegungsmethode ist grundsätzlich Vorrang vor den übrigen nationalen Auslegungsmethoden einzuräumen.122 Die richtlinienkonforme Auslegung hat bei abweichendem oder missverständlichem Wortlaut der nationalen Regelung zur Folge, dass der nationale Wortlaut einer Regelung parallel zu dem europäischen Wortlaut der jeweiligen Vorgabe ausgelegt wird. Eine Auslegung contra legem kann der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung hingegen nicht rechtfertigen. Eine weitere Beschränkung erfährt die richtlinienkonforme Auslegung zumindest im Hinblick auf strafrechtliche Bestimmungen durch das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot und das Analogieverbot.123 Umstritten ist, ob Analogieverbot und Bestimmtheitsgrundsatz die Möglichkeit der Auslegung von § 15 WpHG nur im Hinblick auf die Feststellung einer Ordnungswidrigkeit beschränken oder ob ein Verstoß gegen das Analogieverbot oder Bestimmtheitsgrundsatz auch „Ausstrahlungswirkung“ auf das zivil- oder öffentlichrechtliche Verständnis der Norm hat. Diese Frage kann relevant werden, wenn zu prüfen ist, ob ein Schadenersatzanspruch nach § 37b WpHG abzulehnen wäre, weil die ansonsten methodisch zutreffende Auslegung von § 15 WpHG (nach der der Anspruchsgegner gegen die Norm verstoßen hat) mit dem Analogieverbot unvereinbar wäre. Nach einer Meinung haben Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot keine solche Ausstrahlungswirkung.124 Die Wirkung dieser Grundsätze sei rechtsfolgenspezifisch. Eine Spaltung des Rechts wird von den Vertretern dieser Ansicht 119
Zum Beispiel: BVerfGE 92, 1, 12. BVerfGE 92, 1, 12. 121 BVerfGE 71, 108 (115); 87, 209 (224); Nolte in: v. Mangoldt/Stark/Klein, Art. 103 Rn 157 mit weiteren Nachweisen. 122 Hirte/Heinrich in: Kölner Kommentar, Einl Rn 109. 123 Hirte/Heinrich in: Kölner Kommentar, Einl Rn 110. 124 So zu § 15 WpHG a. F. Cahn, ZHR 1998, 1 (50); auch Hirte in: Kölner Kommentar, § 21 Rn 7; die Möglichkeit zur Ad-hoc-Mitteilung analog wurde auch durch BaWe/ Deutsche Börse bejaht (Insiderhandelsverbote, S. 22). Aus der Formulierung ergibt sich 120
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B. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung im Kapitalmarktrecht
zugunsten rechtspolitischer Erwägungen in Kauf genommen. Die herrschende Gegenmeinung bejaht hingegen eine Ausstrahlungswirkung insbesondere des Analogieverbotes auf die Auslegung einer Vorschrift im straf- oder zivilrechtlichen Sinne.125 Das soll zumindest gelten, wenn es sich bei den verschiedenen Rechtsfolgen und Sanktionen um ein kapitalmarktrechtliches Normensystem „aus einem Guss“ mit einem einheitlichen Sanktionssystem handelt.126 Analogieverbot und Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG würden aus diesem Grund auch die Auslegung von § 15 WpHG in zivil- und öffentlichrechtlicher Hinsicht begrenzen.127 Zur Begründung wird zudem auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Kartellrecht verwiesen, in dem das BVerfG die Erweiterung des Anwendungsbereiches einer Norm mit Blick auf die an sie geknüpfte Bußrechtsfolge ablehnte.128 Für eine Ausstrahlungswirkung des Analogieverbotes wird des Weiteren angeführt, dass die Einheitlichkeit der Rechtsordnung durch eine gespaltene Auslegung nicht mehr gewahrt würde. Auch sei eine Differenzierung nach der Rechtsfolge für die praktische Rechtsanwendung zu kompliziert.129 Zudem habe der EuGH das Analogieverbot als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechtes anerkannt.130 Die herrschende Meinung ist abzulehnen. Insbesondere der letztgenannte Einwand dieser Meinung kann nur in Fällen gelten, in denen das Analogieverbot sich auch aus den europäischen Rechtsgrundlagen einer Strafvorschrift ergibt. In Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie heißt es dazu lediglich, dass die Mitgliedstaaten das Recht hätten, zur Durchsetzung der Verpflichtungen aus der Richtlinie strafrechtliche Sanktionen vorzusehen. Der europäische Gesetzgeber kann den deutschen Gesetzgeber jedoch nicht dazu zwingen, zur Durchsetzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf strafrechtliche Sanktionen zurück zu greifen.131 Ob strafrechtliche Sanktionen zur Durchsetzung der Einhaltung der Pflichten aus der Marktmissbrauchsrichtlinie zwingend erforderlich sind, darf bei der Ad-hocPublizitätspflicht angesichts des zivilrechtlichen Haftungsrisikos für die Emittennicht klar, ob hier eine Pflicht angenommen wird oder ob hier nur eine freiwillige Veröffentlichungsmöglichkeit gegeben sein soll. 125 BGH, Urteil vom 18.09.2006 – II ZR 137/05 = ZIP 2006, 2077, 2079 (WMF – zum „Acting in concert“ nach § 30 Abs. 2 WpÜG); Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, Einl. Rn 67; v. Klitzing, S. 163 dort Fußnote 17; Bülow in: Kölner Kommentar, § 22 Rn 34; zu § 30 Abs. 2 WpÜG auch Casper, ZIP 2003, 1469 (1472) und begründend Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1009). 126 Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1009) für §§ 21 ff. WpHG, §§ 35 ff. WpÜG. 127 So zu einem Problem des § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG ausdrücklich Widder/ Gallert, NZG 2006, 451 (453). 128 BVerfGE 21, 292, 305; vgl. dem entgegen aber BVerfGE 48, 48 (60f.), wo das BVerfG eine solche spaltende Auslegung für möglich hält. 129 Casper, ZIP 2003, 1469 (1472). 130 EuGH, Slg. 1984, 2689, 2718, Rs. 63/83 (Regina/Kirk); die Entscheidung betrifft allerdings das Rückwirkungsverbot. 131 Dazu Vogel in: Assmann/U. H. Schneider, Vor § 38 Rn 6.
V. Besondere Auslegungsgrundsätze
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ten bezweifelt werden. Gerade wenn eine Regelung der Richtlinie bei Strafandrohung in Konflikt mit dem Analogieverbot geraten könnte, gebietet schon das auch in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie enthaltene Gebot der effektiven Umsetzung, wonach die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen,132 eine gespaltene Auslegung. Dementsprechend ist im strafrechtlichen Schrifttum zu Recht die Ansicht im Vordringen begriffen, dass vom generellen Spaltungsverbot bei der Auslegung eine Ausnahme zu machen sei, wenn die Spaltung der effektiven Umsetzung einer Richtlinie dient.133 Wenn nicht anders vermeidbar und mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar, ist daher dem Grundsatz der effektiven Richtlinienumsetzung in Verbindung mit der richtlinienkonformen Auslegung Vorzug vor dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Analogieverbot zu geben. Beide verfassungsrechtlichen Grundsätze beschränken die Auslegung von § 15 WpHG und den sonstigen relevanten Normen des WpHG nur, insoweit sich dies auf die mögliche Rechtsfolge einer Ordnungswidrigkeit bezieht.
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Begründend EuGH Rs. C-68/88, Slg. 1989, 2965 Rn 24. C. Schröder, S. 394 spricht hier von „richtlinienbedingter Normspaltung“; auch Satzger, S. 560 f. 133
C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit der Möglichkeit zur Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG ist die Pflicht zur Adhoc-Publizität selbst. Der Emittent ist auf die Befreiung nur angewiesen, wenn für ihn aufgrund § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Verpflichtung besteht, eine Information zu veröffentlichen.134 Im folgenden Abschnitt werden daher die Voraussetzungen der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG aufgezeigt. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG muss ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen (1. Halbsatz). Er hat sie außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung, dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln (2. Halbsatz). Der durch das TUG nachträglich eingefügte zweite Halbsatz dient lediglich der Klarstellung des Veröffentlichungsverfahrens.135 Für die Begründung der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist allein § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG 1. Halbsatz maßgeblich.
I. Anwendungsbereich Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG betrifft Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten. 1. Finanzinstrumente Finanzinstrumente sind nach § 2 Abs. 2b WpHG Wertpapiere, die unter die Definition des Begriffs Wertpapiere in § 2 Abs. 1 WpHG fallen, Geldmarktinstrumente im Sinne des § 2 Abs. 1a WpHG, Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 WpHG und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren. Maßgebend für den Begriff Wertpapier in § 2 Abs. 1 WpHG sind Übertragbarkeit, Standardisierung und Handelbarkeit als einander bedingende Kriterien.136 Der Begriff des Derivats, wel134 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 149; S. H. Schneider, BB 2005, 897 (898); Gunßer, S. 87; zur Frage, ob auch eine hilfsweise Befreiung in Betracht kommt, siehe Kap. G.I. 135 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 32. 136 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 53.
I. Anwendungsbereich
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cher durch Inkrafttreten des FRUG erweitert worden ist, erfasst nunmehr Optionen, Terminkontrakte, Swaps und alle anderen Derivatkontrakte mit Bezug auf bestimmte Basiswerte.137 Bei den Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren kann es sich um Bezugsrechte, Aktienoptionen und Options- bzw. Wandelanleihen handeln.138 2. Inlandsemittent Der Begriff Inlandsemittent ist mit Inkrafttreten des TUG eingeführt worden und in § 2 Abs. 7 WpHG ausführlich definiert. a) Der Begriff Emittent Zunächst ist aber auf den Begriff des Emittenten einzugehen. Die Regelung von § 2 Abs. 7 WpHG bestimmt nicht, was unter einem Emittenten zu verstehen ist. Eine auch im Rahmen des WpHG verwendbare Definition ist jedoch in § 2 Nr. 9 WpPG zu finden. Danach ist ein Emittent eine Person oder Gesellschaft, die Wertpapiere begibt oder zu begeben beabsichtigt. b) Anknüpfung an den Herkunftsstaat Ob ein Emittent von Finanzinstrumenten Inlandsemittent ist, ergibt sich aus der Legaldefinition in § 2 Abs. 7 WpHG. Diese Regelung sieht zwei Fälle vor, in denen ein Emittent als Inlandsemittent gilt. Ziel der Begriffsdefinition, die nicht nur als Anknüpfungspunkt der Ad-hoc-Publizitätspflicht fungiert, ist es zu verhindern, dass Emittenten kapitalmarktrechtliche Pflichten innerhalb des EWR doppelt erfüllen müssen.139 Daher handelt es sich beim Inlandsemittenten gemäß § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG um Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist. Für die Definition des Herkunftsstaates wird grundsätzlich auf den Sitz des Emittenten abgestellt.140 Der Sitz des Emittenten ist der Satzung zu entnehmen.141 Zusätzlich kann nach § 2 Abs. 6 WpHG die Bundesrepublik Deutschland auch für bestimmte Emittenten aus Drittstaaten und bestimmte Emittenten, die die Bundesrepublik als Herkunftsstaat gemäß § 2b WpHG gewählt haben, Her137
RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. Versteegen in: Kölner Kommentar, § 2 Rn 113, 114. 139 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 27; Ringe, AG 2007, 809. 140 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie (RegE TUG), BT-Drucks. 16/2498, S. 62; ausführlicher zur Definition des Herkunftsstaats Hutter/Kauloma, NJW 2007, 471; Ringe, AG 2007, 809. 141 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 2 Rn 169; Fuchs in: Fuchs, WpHG, § 2 Rn 155; Ringe, AG 2007, 809 (811). 138
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
kunftsstaat sein. Drittstaatenemittenten sind Emittenten mit Sitz in einem Staat, der weder ein Mitgliedsstaat der EU noch ein Vertragsstaat des EWR ist, deren Wertpapiere jedoch zum Handel an einem organisierten Markt in einem Mitgliedsstaat der EU oder eines anderen Vertragsstaats des EWR zugelassen sind.142 Von der Anknüpfung an den Herkunftsstaat des Emittenten sind nach § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG solche Emittenten ausgenommen, deren Wertpapiere nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, soweit sie in diesem anderen Staat Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Transparenzrichtlinie unterliegen. Solche Emittenten sind nicht den Veröffentlichungsregelungen und der Aufsicht in Deutschland, sondern im jeweiligen anderen Mitgliedsstaat unterworfen.143 Der Emittent, für den Deutschland nach § 2 Abs. 6 WpHG der Herkunftsstaat ist, ist in diesem Fall kein Inlandsemittent. c) Anknüpfung an den Aufnahmestaat Die soeben angeführte Ausnahme vom Herkunftsstaatsprinzip, die durch Anwendung des Aufnahmestaatsprinzips zur Nichtanwendung des WpHG führt, hat in § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG ein entsprechendes Gegenstück. Nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG ist ein Emittent nämlich auch dann als Inlandsemittent anzusehen, obwohl die Bundesrepublik nicht sein Herkunftsstaat im Sinne von § 2 Abs. 6 WpHG ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland als Aufnahmestaat anzusehen ist. Das ist nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG der Fall, wenn die Wertpapiere des Emittenten nur in der Bundesrepublik Deutschland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Das Aufnahmestaatsprinzip hat gegenüber dem Herkunftsstaatsprinzip somit immer dann Vorrang, wenn eine Zulassung zum Handel nur im Aufnahmestaat besteht.144 d) Der organisierte Markt (regulated market) Beide Fälle von § 2 Abs. 7 WpHG setzen voraus, dass die vom Emittenten begebenen Finanzinstrumente an einem organisierten Markt notiert sind.145 Ein organisierter Markt ist gemäß § 2 Abs. 5 WpHG ein im Inland, in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens 142
Hutter/Kauloma, NJW 2007, 471 (473). RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 62. 144 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 62. 145 Für § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG ergibt sich dies aus der Tatsache, dass alle Fälle der Festlegung eines Herkunftsmarktes an eine Notierung an einem organisierten Markt anknüpfen; bei § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG wird der organisierte Markt unmittelbar genannt. 143
I. Anwendungsbereich
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über den EWR betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten, nicht abdingbaren Regeln in einer Weise zusammenbringt oder Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Mit dieser (Neu-)Regelung des Begriffs „organisierter Markt“ durch das FRUG wird Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der Finanzmarktrichtlinie 2004/39/EG umgesetzt.146 Der dort verwendete Begriff „geregelter Markt“ wird im Deutschen Recht wegen der früher bestehenden Verwechslungsgefahr mit dem ehemaligen Börsensegment „geregelter Markt“ gemäß §§ 49 ff. BörsG a. F. nicht benutzt.147 Vor Inkrafttreten des FRUG waren organisierte Märkte im Sinne von § 2 Abs. 5 WpHG der amtliche und der geregelte Markt einer Börse.148 Das FRUG hat den amtlichen und geregelten Markt nunmehr durch den regulierten Markt gemäß §§ 32 ff. BörsG ersetzt. Als Börsensegmente existieren nur noch Freiverkehr und regulierter Markt. Hiervon ist wiederum nur der regulierte Markt nach § 32 BörsG als organisierter Markt gemäß § 2 Abs. 5 WpHG anzusehen.149 Der Freiverkehr einer Börse nach § 48 BörsG ist nach wie vor nicht als organisierter Markt anzusehen, da die Börsen dieses Segment zwar beaufsichtigen, aber diese Aufsicht nicht in der Funktion als „staatliche Stelle“ ausüben.150 e) Erweiterung des Begriffs Inlandsemittent speziell bei Ad-hoc-Publizität Speziell für die Zwecke der Ad-hoc-Publizitätspflicht wird der Begriff Inlandsemittent etwas weiter gefasst als in der allgemeinen Definition des § 2 Abs. 7 WpHG. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG gilt als Inlandsemittent im Rahmen von § 15 WpHG auch ein zukünftiger Emittent, wenn er schon den Antrag auf Zulassung zu einem organisierten Markt gestellt hat. Grund für die Erweiterung ist, dass auch der Handel mit Finanzinstrumenten auf dem Primärmarkt dem Regime der Marktmissbrauchsrichtlinie unterworfen werden sollte.151 146
Versteegen in: Kölner Kommentar, § 2 Rn 180. Schäfer in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 Rn 105. 148 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, 4. Auflage (2006), § 2 Rn 96. 149 Vgl. die mit Anmerkungen versehene Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/22/EWG) ABl. C 38 vom 22.2.2007, S. 5– 10 (der fehlerhafte Verweis auf die Richtlinie 93/22/EWG wurde mittlerweile korrigiert). 150 So auch BaFin, Emittentenleitfaden, S. 49; Versteegen in: Kölner Kommentar, WpHG, § 2 Rn 181. 151 So schon die FESCO, A European Regime against Market Abuse, Fesco/00-0961, S. 8. 147
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
II. Den Inlandsemittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen Ist der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht eröffnet, stellt sich die Frage nach dem Vorliegen der eigentlichen Tatbestandsmerkmale von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gilt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG für Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen. 1. Vorliegen einer Insiderinformation gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG Zur Beantwortung der Frage, ob und wann eine Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1WpHG besteht, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine Information vorliegt, die die Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllt. Der Begriff Insiderinformation ist in § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG (legal-)definiert. Demnach ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. 2. Information über Umstände oder Ereignisse Erforderlich ist somit zunächst, dass eine Information über Umstände oder Ereignisse vorliegt. Der allgemeinen Wortbedeutung zu Folge handelt es sich bei einer Information um eine über etwas Wissenswertes in Kenntnis setzende Mitteilung über jemanden oder etwas.152 Die wörtliche Bedeutung des Begriffs Information setzt somit eine Mitteilung des sie betreffenden Sachverhalts voraus. Fraglich ist, ob diese allgemeine Wortbedeutung in § 13 WpHG unverändert gelten kann. Nach Ansicht des BGH und der überwiegenden Meinung des Schrifttums folgt daraus, dass die allgemeine Wortbedeutung des Begriffs Information an eine Mitteilung anknüpft, dass Entscheidungen einzelner Personen nicht schon zu dem Zeitpunkt, an dem sie getroffen wurden, als Information angesehen werden können153. Eine Information liegt nach der herrschenden Meinung erst vor, wenn zumindest ein irgendwie gearteter Drittbezug hergestellt wurde.154 Die herrschende Meinung kann neben der allgemeinen Wortbedeutung darauf verwei152
Duden, Bedeutungswörterbuch, S. 498. BGH, Urteil vom 06.11.2003 – 1 StR 24/03 = NJW, 2004, 302; im Anschluss an Weber, NJW 2000, 562 (563); zustimmend Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 13; Schwark in: Schwark, § 13 WpHG Rn 30; trotz Zweifeln im Ergebnis auch Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rn 22. 154 BGH, Urteil vom 06.11.2003 – 1 StR 24/03 = NJW, 2004, 302 (303). 153
II. Den Inlandsemittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen
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sen, dass nach Erwägungsgrund 30 Marktmissbrauchsrichtlinie die Umsetzung einer eigenen Entscheidung nicht als Verwendung einer Insiderinformation zu werten ist.155 Diese Beschränkung des Informationsbegriffs auf mitgeteilte Informationen wird vor allem mit Hinweis auf dadurch entstehende Schutzlücken kritisiert. Bestimmte nach den Regelungszielen des Insiderrechts sanktionswürdige Verhaltensweisen fallen bei Forderung eines Drittbezugs der Information weder unter das Insiderhandelsverbot gemäß § 14 WpHG noch unter das Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG.156 Der Kritik an der engen Auslegung des Begriffs Information durch den BGH kann begegnet werden, indem die Anforderungen an den Drittbezug der Information reduziert werden. Dann ist auch der Anlegerschutz in ausreichendem Sinne gewahrt. Zugleich besteht aber auch ein objektiv nachprüfbares Element. Ein solches objektives Element ist schon aufgrund der erheblichen Rechtsfolgen des Insiderhandelsverbotes und der Ad-hoc-Publizitätspflicht erforderlich. Eine Information im Sinne des § 13 WpHG muss mehr sein muss als nur ein nicht entäußerter Gedanke. Der Informationsbegriff des § 13 WpHG umfasst auch Informationen, die zwar noch nicht mitgeteilt, aber für Dritte wahrnehmbar sind. Für das Entstehen einer Information ist es als ausreichend anzusehen, wenn der betreffende Sachverhalt bereits in irgendeiner Form niedergelegt wurde. Die Information kann sich auf Tatsachen oder gemäß dem durch das AnSVG eingeführten § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG auf künftige Ereignisse beziehen. Aus § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG wird gefolgert, dass nunmehr auch Prognosen, also Aussagen, die sich auf den Eintritt künftiger Tatsachen beziehen, nach neuem Recht unter den Begriff Insiderinformation fallen.157 Im Schrifttum ist jedoch zu Recht darauf hingewiesen worden, dass Prognosen und Planungen auch schon vor Inkrafttreten des AnSVG unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht fallen konnten. Prognosen und Planungen wurden demnach als Tatsache i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. angesehen, wenn das Anlegerpublikum ihnen Kursbeeinflussungspotential zugemessen hatte.158 Die Einführung von § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG hatte somit nur klarstellende Wirkung.
155
Schäfer in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn 22. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 13 Rn 10; Cahn, Der Konzern 2005, 5 (9); Grundmann in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Band 2, § 13 WpHG Rn VI 82; auch Sethe, ZBB 2006, 243 (248), der sich aber aufgrund eines sehr weiten Verständnis des Analogieverbot i. E. der Auffassung des BGH anschließt. 157 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 30, indem sie u. a. Prognosen als nach Inkrafttreten neu hinzugetretene Kategorie nennt; zustimmend Fischer zu Cramburg/Royé in: Heidel, Aktienrecht, § 13 WpHG Rn 2; Schwintek, Anlegeschutzverbesserungsgesetz, S. 19. 158 Cahn, Der Konzern 2005, 1 (2); Koch, DB 2005, 267 (268) mit weiteren Nachweisen zur alten Rechtslage; dazu auch Waldhausen, S. 176 f. 156
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
3. Konkretheit der Information Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG muss die Information über Umstände und Ereignisse konkret sein. Bei der Prüfung der Frage, ob dies gegeben ist, kann zwischen Tatsachen und künftigen Ereignissen unterschieden werden. a) Tatsachen als konkrete Informationen Nach der klassischen Definition ist eine Tatsache alles Geschehene oder Bestehende, das zur Erscheinung gelangt, in die Wirklichkeit getreten und daher dem Beweis zugänglich ist.159 Gemäß Art. 1 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie ist eine Information konkret, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren.160 Sofern eine Tatsache gegeben ist, liegt somit eine konkrete Information vor. b) Zukünftige Ereignisse oder Umstände als konkrete Information Daher muss nur die Konkretheit einer Information über ein zukünftiges Ereignis oder einen zukünftigen Umstand im Einzelfall festgestellt werden. Zu bedenken ist dabei, dass die Informationen über ein zukünftiges Ereignis zumeist zugleich auch eine Tatsache darstellen.161 Beispielsweise ist die Änderung der Prognose für den Jahresgewinn bereits für sich genommen eine Tatsache im Sinne der oben genannten Definition, da die Prognoseänderung als solche in dem Moment „gegenwärtig“ ist, in dem sie vorgenommen wird. Entscheidend ist für die Märkte jedoch nicht die Tatsache, dass die Prognose geändert wird, sondern welche geänderten Aussagen die Prognose im Hinblick auf zukünftige Umstände und Ereignisse der Geschäftsentwicklung des Emittenten und damit auf ein zukünftiges Ereignis beinhaltet. Dieses zukünftige Ereignis ist der Bezugspunkt der Information und nicht die Tatsache der Prognoseänderung. In welchen Fällen zukünftige Ereignisse eine ausreichend konkrete Information sind, ist in Art. 1 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie geregelt. Umstände und Ereignisse (Tatsachen) im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG liegen demnach auch vor, wenn • Umstände vorliegen, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder • ein Ereignis mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintritt 159 So Burghard, ZHR 162 (1998), 51 (63) mit Verweis auf das strafrechtliche Schrifttum. 160 In der Richtlinie wird der Begriff „präzise“ anstatt „konkret“ verwandt. Unterschiede ergeben sich daraus aber nicht, vgl. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 13 Rn 8; Schäfer in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn 11; Büche, S. 283; im Folgenden soll einheitlich der Begriff konkret verwendet werden. 161 Dazu Cahn, Der Konzern 2005, 1 (2).
II. Den Inlandsemittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen
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und in beiden Fällen die Information über den Umstand oder das Ereignis darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen auf die Kurse von Finanzinstrumenten zulässt (Preisbeeinflussungspotential). Zumindest die Auffassung der Begründung des Regierungsentwurfs zum AnSVG, nach der die Forderung nach „Konkretheit“ der Information einzig der Ausgrenzung von Gerüchten diene162, lässt sich beim Blick auf die Definition in Art. 1 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie nicht Aufrecht erhalten. Nicht nur Gerüchte erfüllen die in Art. 1 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie enthaltenen Voraussetzungen nicht. Nach der Durchführungsrichtlinie kommt es vielmehr darauf an, ob die Information Preisbeeinflussungspotential hat und sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintritt. (1) Preisbeeinflussungspotential des zukünftigen Ereignisses Zum besseren Verständnis der Regelung von Art. 1 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie bedarf es zunächst einer Abgrenzung des Preisbeeinflussungspotentials der Information von der Geeignetheit der Information den Börsen- und Marktpreises des Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen, die ein eigenständiges Merkmal von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist. Auf das letztere Merkmal kommt es erst an, wenn bereits feststeht, dass eine konkrete Information, und damit im Falle einer zukünftigen Information eine Information mit Preisbeeinflussungspotential, gegeben ist. Für die Abgrenzung der Funktion beider Merkmale kommt eine Unterscheidung zwischen dem „ob“ und dem „wie“ der Preisbeeinflussung in Betracht. Im Gegensatz zur „Eignung zur Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises“ bestimmt das Preisbeeinflussungspotential als Bestandteil des Merkmals „konkrete Information“ nur, ob eine Information ihrer Natur nach überhaupt Einfluss auf den Preis eines Finanzinstruments haben kann,163 was aus der Sicht des verständigen Anlegers zu beurteilen ist.164 Wie groß der Einfluss der Information auf den Preis sein muss, damit eine Insiderinformation vorliegt, ist Frage der Preiserheblichkeit. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass es immer dann möglich sei, auf die Auswirkungen eines Umstandes auf den Preis von Finanzinstrumenten zu schließen, wenn sich ein bestimmtes konkretes Finanzinstrument identifizieren 162
RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. Pawlik in: Kölner Kommentar, WpHG, § 13 Rn 12; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 13 Rn 8. 164 Fischer zu Cramburg/Royé in: Heidel, Aktienrecht, § 13 Rn 2; zum verständigen Anleger als Leitbild der Regelungen der Ad-hoc-Publizität siehe auch Kap. B.IV.4.b). 163
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
lässt, das Gegenstand der Umstände ist oder von diesen betroffen ist.165 Nach dieser Ansicht sollen Marktdaten bzw. Marktinformationen nicht konkret sein, wenn sie für alle Marktteilnehmer verbindlich sind. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen.166 Dass sich die betreffenden Umstände bzw. Ereignisses auf spezifische Instrumente auswirken müssten, lässt sich weder aus der Definition in Art. 1 Durchführungsrichtlinie herleiten noch mit dem Sinn und Zweck der Regelung begründen. Vom Standpunkt der Ad-hoc-Publizität gesehen mag es sinnvoll erscheinen, Marktdaten vom Begriff der Insiderinformation auszuschließen. Schließlich sind solche Informationen den Emittenten ohnehin für gewöhnlich erst bekannt, wenn sie auch dem Anlegerpublikum zur Verfügung stehen. Mit dem Begriff der Insiderinformation wird aber nicht nur die Reichweite der Adhoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, sondern auch die Reichweite des Insiderhandelsverbots festgelegt. Es kann aber nicht generell ausgeschlossen werden, dass auch diejenigen, die vorab über wichtige Marktdaten verfügen, einen solchen Informationsvorsprung zu Lasten der anderen Marktteilnehmer ausnutzen.167 Als Beispiel für eine ausnutzbare allgemeine Marktinformation sei die monatlich erfolgende Veröffentlichung des Ifo-Geschäftsklimaindexes genannt, der die Geschäftslage und Erwartungen von Unternehmen des Handels, des Baus und des verarbeitenden Gewerbes wiedergibt.168 Die Veröffentlichung des Geschäftsklimaindexes hat häufig erhebliche Auswirkungen auf die Kurse von Finanzinstrumenten. Eine Vorabkenntnis ließe sich zum Insiderhandel ausnutzen. Schon aus Schutzzweckgesichtspunkten ist somit jede Information, die sich zu Insidergeschäften ausnutzen lässt, als ausreichend konkret anzusehen. Auch im Übrigen ist ein weites Verständnis des Begriffs Preisbeeinflussungspotential angebracht. Daher sind Informationen über Unternehmenskennzahlen geeignet, den Preis eines Finanzinstruments zu beeinflussen, wenn sich die Folgen zumindest in einer gewissen Bandbreite beziffern lassen.169
165 Pawlik in: Kölner Kommentar, WpHG § 13 Rn 12; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, WpHG, § 13 Rn 9. 166 So auch Mennicke/Jakovou in: Fuchs, WpHG, § 13 Rn 116; Grundmann in: Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, Band 2, § 13 WpHG Rn VI87; auch BaFin, Emittentenleitfaden, S. 33 und Schäfer in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rn 46, die das Problem aber unter dem Gesichtspunkt des Emittentenbezugs der Information diskutieren. 167 Allgemeine Beispiele bei BaFin, Emittentenleitfaden, S. 33. 168 Vgl. dazu www.ifo.de > Umfrageergebnisse. 169 Dazu auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 21; dort auch näher zur Abgrenzung solcher Informationen von bloßen Planungen.
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(2) Hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses Aus Art. 1 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie ergibt sich des Weiteren, dass Umstände oder Ereignisse, auch wenn sie bereits Preisbeeinflussungspotential aufweisen, nur konkrete Informationen im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG sein können, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden. Fraglich ist, wann die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses in Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG „hinreicht“. Nach Auffassung der BaFin ist die Wahrscheinlichkeit hinreichend, wenn für den Eintritt des künftigen Umstands konkrete Anhaltspunkte vorliegen; an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich.170 Dem ist zuzustimmen. Würde man eine an Sicherheit grenzende Eintrittswahrscheinlichkeit fordern, würde der Begriff Insiderinformation praktisch nur noch Tatsachen abdecken. Das widerspräche aber den gesetzgeberischen Intentionen, da der Gesetzgeber die Regelungen betreffend zukünftige Information sonst nicht hätte zu erlassen brauchen. Jedoch kann die Auffassung der BaFin lediglich Ausgangspunkt der näheren Eingrenzung des Wahrscheinlichkeitsbegriffes sein. Zum Teil wird vertreten, dass der Eintritt eines Ereignisses oder Umstands nur dann hinreichend wahrscheinlich sei, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Umstandes hoch sei.171 Begründet wird dies mit der Sichtweise des verständigen Anlegers. Nur bei einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit würde sich dieser auf eine Information verlassen. Alles andere sei Spekulation, auf die sich verständige Anleger nicht einlassen werden.172 Der BGH hält dem entgegen zusammen mit Teilen des Schrifttums augenscheinlich eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 Prozent für ausreichend.173 Nach Ansicht des CESR liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vor, wenn vernünftigerweise der Schluss aus der vorliegenden Information bzw. den vorliegenden Beweisen gezogen werden kann, dass das Ereignis in Zukunft eintreten wird.174 Die Ansicht des CESR spricht für eine niedrige Wahrscheinlichkeitsschwelle, da ein Schluss im Hinblick auf ein zukünftiges Ereignis 170
BaFin, Emittentenleitfaden, S. 32. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 25; Gunßer, NZG 2008, 855 (857); ähnlich OLG Stuttgart 15.02.2007 – 901 Kap 1/06 = OLG Stuttgart, NZG 2007, 352, wonach deutlich mehr als bloß überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist. 172 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 25; Gunßer, NZG 2008, 855 (857). 173 BGH, Beschluss v. 25.02.2008 – II ZB 9/07 = WM 2008, 641, Leitsatz 2, der allerdings für die Entscheidung nicht tragend ist; Pawlik in: Kölner Kommentar WpHG, § 13 Rn 93. 174 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 4: „When considering what may reasonably expected to come into existence, the key issue is whether it is reasonably to draw this conclusion based on the ex ante information aivalable at the time.“ 171
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
nicht erst vernünftig ist, wenn das zukünftige Ereignis wahrscheinlicher ist als die alternativen Geschehensabläufe. Die Definition des CESR wie auch die Ansichten, die auf eine feste Prozentschwelle abstellen, lassen jedoch einen wichtigen Gesichtspunkt unberücksichtigt. Neben der Eintrittswahrscheinlichkeit muss auch die Bedeutung des Ereignisses oder Umstands berücksichtigt werden.175 Dafür spricht, dass die Ad-hocPublizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG auch der Bekämpfung von Insidergeschäften dient. Bei Festlegung einer bestimmten Prozentschwelle bestünde die Gefahr, dass Informationen nicht vom Insiderinformationsbegriff erfasst sind, aus denen sich aber Insidervorteile ziehen ließen.176 Indem der Gesetzgeber nur einen wahrscheinlichen und keinen sicheren Eintritt des künftigen Umstands oder Ereignisses fordert, hat er implizit anerkannt, dass auch solche Vorgänge Insiderinformationen sein können, die sich letztlich nicht realisieren. Solche nicht realisierten Umstände hätten nur kurzfristigen Einfluss auf das Preisniveau des Finanzinstruments. Der Gesetzgeber hat somit in begrenztem Maße auch das „Wetten“ auf den Eintritt bestimmter Ereignis vom Schutz durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht umfasst sehen wollen. Ob sich eine derartige Wette lohnt, hängt entscheidend davon ab, in welchem Ausmaß sich die Information für die Beeinflussung des Preises des betreffenden Finanzinstruments eignet. Entscheidend ist, welche Bedeutung dem Ereignis oder Umstand im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts zukommt.177 Z. B. wird ein verständiger Anleger sich bei einer Anlageentscheidung umso eher auf eine Information mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von nur 40 Prozent verlassen, desto größer der Preisaufschlag bzw. Preisabschlag für das betreffende Finanzinstrument ist, wenn das Ereignis tatsächlich eintreten würde. Wenn die Information bei ihrem Eintritt, den Preis des Finanzinstruments nur um zehn Prozent erhöhen würde, ist die Eintrittswahrscheinlichkeit somit nicht im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG konkret. Würde sich der Preis des Instruments um 100 Prozent verringern oder erhöhen, ist die Information hingegen als konkret zu werten. Ein verständiger Anleger würde dann trotz der Eintrittsunsicherheit auf einen Eintritt des Umstandes oder Ereignisses spekulieren. Somit ist nach Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbotes auf eine einzelfallbezogene Gesamtschau von Eintrittswahrscheinlichkeit und Grad der Preiserheblichkeit der Information abzustellen.
175
Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1901); Fleischer, NZG 2007, 401 (405); Gunßer,
S. 62. 176 Ähnlich Gunßer, S. 62, der die erforderliche Eintrittswahrscheinlichkeit ermitteln will, indem die Gefahr des Insiderhandels mit der der Gefahr der Fehlallokation von Anlegergeldern aufgrund verfrühter Veröffentlichung abgewogen wird. 177 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1901); Fleischer, NZG 2007, 401 (405).
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(3) Gerüchte Insbesondere stellt sich die Frage der Konkretheit einer Information bei Gerüchten. Allgemein lässt sich mit dem Begriff Gerücht eine Information bezeichnen, die allgemein gesagt und weitererzählt wird, ohne dass bekannt ist, ob sie auch wirklich zutrifft.178 In der Realität der Märkte kommt Gerüchten ohne Zweifel kursbeeinflussende Wirkung zu. Fraglich ist aber, wie Emittenten mit ihnen umzugehen haben. Nach Ansicht der Regierungsbegründung zum AnSVG dient das Erfordernis der Konkretheit der Information ausschließlich der Abgrenzung zu bloßen Gerüchten.179 Dies ist, wie bereits gezeigt, unzutreffend. Richtig an der in der Regierungsbegründung vertretenen Ansicht ist lediglich, dass Gerüchte zu den Informationen gehören können, die nicht hinreichend konkret sind. Echten Gerüchten ist nämlich eine erhebliche Vagheit immanent.180 Nach Ansicht der BaFin hingegen können Gerüchte, die einen wahren Tatsachenkern enthalten, Insiderinformationen sein.181 Nach Auffassung des CESR ist eine Information wiederum nur dann konkret, wenn für die Information anders als bei Gerüchten und Spekulationen sichere und objektive Beweise vorliegen.182 Letztlich unterscheiden sich die Auffassung des CESR und der BaFin nicht, da die BaFin nur ein Gerücht mit einem wahren Tatsachenkern als mögliche Insiderinformation ansieht. Liegt ein solcher Tatsachenkern vor, handelt es sich nach der allgemeinen Wortbedeutung indes nicht mehr um ein Gerücht. Das Problem liegt somit darin, Gerüchte von sonstigen Informationen zu trennen. Abgesehen von dem seltenen Fall, dass es sich um eine von außen kommende Insiderinformation handelt, dürfte dem Emittenten diese Abgrenzung leicht fallen, da er generell in die Vorgänge, auf die sich die Insiderinformationen beziehen, involviert ist. Auch wenn zu beobachten ist, dass Gerüchte häufig erhebliche Kursbewegungen auslösen, kann Gerüchten in ihrer eigentlichen Form auch im Übrigen kein Preisbeeinflussungspotential im Sinne von § 13 WpHG zugesprochen werden. Die oftmals gegebene rein tatsächliche Wirkung von Gerüchten auf die Kurse von Finanzinstrumenten hat der Gesetzgeber von dem Begriff ausgeschlossen, indem er einen rationalen lang- bzw. mittelfristig orientierten Anleger zum Leitbild der Regelungen von §§ 13, 15 WpHG machte. Märkte sind zwar insbesondere in Krisensituationen für Gerüchte anfällig. Der Emittent kann für solche Gerüchte jedoch nicht verantwortlich gemacht werden. Dafür spricht auch, dass die Streuung 178
Duden Bedeutungswörterbuch, S. 417. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 180 Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rn 14. 181 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 31, dem zustimmend Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 17. 182 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 4: „CESR considers that in determining whether a set of circumstances exists or an event has occurred, a key issue is whether there is firm and objective evidence for this as opposed to rumours or speculation i. e. if it can be proved to have happened or to exist.“ 179
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
von Gerüchten im Rahmen der Ad-hoc-Publizität gezielt dazu genutzt werden könnte, eine Veröffentlichung von Informationen wegen einer angeblichen oder tatsächlichen Weitergabe der Information durch den Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 oder 5 WpHG zu provozieren.183 Das gezielte Streuen von Gerüchten ist zudem als Marktmanipulation nach § 20a WpHG sanktioniert.184 „Echte“ Gerüchte, d.h. Spekulationen, buchstäblich aus der Luft gegriffene Erfindungen oder schlichte Lügen sind daher keine konkreten Informationen im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG. (4) Mehrstufige Entscheidungsprozesse Fraglich ist auch, wann eine Insiderinformation bei so genannten mehrstufigen Entscheidungsprozessen vorliegt. Hauptfall dieses Problems ist der Vorstandsbeschluss in einer AG (oder einer anderen Gesellschaftsform mit einem dualen Leitungssystem) hinsichtlich einer Maßnahme, die nach der Satzung oder von Gesetzes wegen noch der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf. Zweifellos handelt es sich bei der Entscheidung eines Organs um einen gegenwärtigen Umstand. Der Umstand, dessen Herbeiführung mit der Entscheidung herbeigeführt werden soll, liegt jedoch erst in der Zukunft. Das Eintreten dieses Umstandes wird erst mit der letzten notwendigen Entscheidungsstufe sicher. Somit sind solche Sachverhalte, solange nur der Vorstandsbeschluss vorliegt, der Gruppe der künftigen Umstände oder Ereignisse zuzuordnen. Für die Frage, ob bereits nach der Vorstandsentscheidung eine konkrete Information gegeben ist, sind daher die Kriterien aus Art. 1 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie maßgeblich.185 Der Eintritt des Umstandes muss somit insbesondere schon aufgrund der Entscheidung auf erster Stufe hinreichend wahrscheinlich sein.186 Eine konkrete Information stellt jede formale Entscheidungsstufe zumindest immer dann dar, wenn diese, wenn auch nicht juristisch, so jedenfalls „de facto“ das letzte Wort hat. Festzuhalten ist aber auch, dass bei mehrstufigen Prozessen, deren typische Konstellation die Entscheidung des Vorstandes bei noch ausstehender Aufsichtsratsentscheidung ist, nicht pauschal angenommen werden darf, dass eine konkrete Information vorliegt.187 Vielmehr ist auch in dieser Fallkonstellation der Einzelfall anhand der vorgenannten Kriterien zu prüfen.188
183 Siehe näher zur Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG Kap. E.III.2. 184 Zur Marktmanipulation durch unrichtige oder irreführende Angaben nach § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG z. B. Mock/Stoll/Eufinger in: Kölner Kommentar, § 20a Rn 152 ff. 185 Dazu unter C.II.3.b). 186 Gunßer, S. 89. 187 Cahn, Der Konzern 2005, 5 (6); auch Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 16, der das Problem aber als Teil des Merkmal „Eignung zur Preisbeeinflussung“ sieht. 188 Näher dazu unter Kap. G.II.2.
II. Den Inlandsemittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen
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4. Emittentenbezug oder Insiderpapierbezug der Information Liegt nach alledem eine konkrete Information vor, muss sie sich gemäß § 13 Absatz 1 Satz 1 WpHG auf den Emittenten oder das von ihm begebene Insiderpapier beziehen. a) Emittent und Insiderpapier gemäß § 13 WpHG Emittent im Sinne von § 13 WpHG ist jeder, der Wertpapiere begibt. Insiderpapiere sind nach § 12 Satz 1 WpHG Finanzinstrumente, • die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind (§ 12 Satz 1 Nr. 1 WpHG), • die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 12 Satz 1 Nr. 2 WpHG) oder • deren Preis unmittelbar oder mittelbar von Finanzinstrumenten nach Nummer 1 oder Nummer 2 abhängt (§ 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG). Nach § 12 Satz 2 WpHG steht der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder wenn dieser Antrag öffentlich angekündigt wurde. Sowohl die Voraussetzungen des Begriffs Emittent als auch die Voraussetzungen des Begriffs Insiderpapier sind somit weiter als die Voraussetzungen des Anwendungsbereichs von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, der einen Inlandsemittent von Finanzinstrumenten voraussetzt.189 Ist der Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gegeben, liegt somit stets ein Emittent bzw. ein Insiderpapier im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG vor. b) Bezug der Information zum Emittenten bzw. Insiderpapier Fraglich ist, in welchen Fällen ein Bezug der Information zum Emittenten bzw. zum Finanzinstrument vorliegt. Dadurch, dass lediglich ein Bezug verlangt wird, hat der Gesetzgeber jedenfalls deutlich gemacht, dass die Herkunft der Information ohne Relevanz für das Entstehen einer Insiderinformation ist. Die Information muss demnach nicht vom Emittenten selbst stammen.190 Auch eine unternehmensexterne Information kann den erforderlichen Bezug aufweisen.191 189
Siehe dazu unter Kap. C.I. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 44, auch mit Nachweisen zur identischen Rechtslage vor Inkrafttreten des AnsvG. 191 Simon, Der Konzern 2005, 12, (15). 190
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
Umstritten ist, ob die Erwähnung des Bezugs ansonsten nur eine klarstellende oder auch eine eingrenzende Funktion im Hinblick auf den Begriff Insiderinformation gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG hat. Nur wenn letzteres der Fall wäre, würde es Informationen geben, die die übrigen Merkmale einer Insiderinformation erfüllen, aber eben keinen Bezug zum Emittenten haben. Der Streit entzündet sich (erneut) vor allem anhand so genannter allgemeiner Marktdaten. Nach einer Ansicht haben allgemeine Marktdaten grundsätzlich keinen Bezug zum Emittenten oder zu dem von ihm begebenen Finanzinstrument. Insbesondere zum Emittenten liege ein Bezug demnach nur vor, wenn das der Information zu Grunde liegende Ereignis einen Einfluss allgemein auf die Position des Emittenten am Markt hat.192 Danach weisen Informationen weder Bezug zum Emittenten noch zum Insiderpapier selbst aus, wenn diese nur gesamtwirtschaftliche Vorgänge ohne einen konkreten Bezug zum Insiderpapier bzw. dessen Emittenten beinhalten. Die Information müsse nicht irgendeinen, sondern einen spezifischen Bezug zum Emittenten aufweisen.193 Die herrschende Meinung billigt dem Emittentenbezug dagegen keine Funktion bei der Eingrenzung des Begriffs Insiderinformation zu.194 Für die herrschende Meinung spricht insbesondere der Schutzzweck des Insiderhandelsverbotes. Auch die exklusive Vorabkenntnis allgemeiner Marktdaten und ähnlicher Informationen, kann zum Nachteil der sonstigen Marktteilnehmer, die diese Information nicht haben, ausgenutzt werden. Die engere Auffassung ergänzt § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG um ein beschränkendes Merkmal, ohne dass sich Anhaltspunkte aus Wortlaut, Systematik, der Entstehungsgeschichte oder aufgrund des Sinn und Zwecks des Gesetzes für eine solche Ergänzung finden ließen. Aus der herrschenden Auffassung ergibt sich überdies nichts, was zu einem zu weiten Anwendungsbereich des Insiderrechts und insbesondere auch der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG führen würde. Allgemeine Marktdaten dürften Emittenten nur selten bekannt werden, bevor sie auch öffentlich bekannt sind. Mit der öffentlichen Bekanntheit ist die Information dann keine Insiderinformation mehr. Mangels Insiderinformation bestünde dann auch keine Veröffentlichungspflicht mehr. Entscheidend aber ist, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht für allgemeine Marktdaten schon durch das Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ausgeschlossen wird.195
192 Caspari, ZGR 1994, 530 (540); Claussen, DB 1994, 27 (30); zuletzt auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 87. 193 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 87. 194 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 32; Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 13 Rn 45; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 43; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 38. 195 Zu dem Merkmal näher unter Kap. C.III.2.
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Offen bleibt, welche Funktion es überhaupt hat, dass § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG verlangt, dass sich die Information auf den Emittenten bzw. das Finanzinstrument beziehen muss. Richtigerweise wird man dem Merkmal lediglich die Funktion einer Unterscheidung einzelner Gruppen von Insiderinformationen zuschreiben dürfen.196 Eine solche Unterscheidung ist auch in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie vorgesehen, demzufolge der Bezug der Insiderinformation zum Emittenten oder Finanzinstrument direkt oder indirekt sein kann. Diese Unterscheidungsfunktion bleibt aber rechtlich folgenlos. Sowohl Informationen mit einem direkten als auch Informationen mit nur einem indirekten Bezug zum Finanzinstrument oder Emittent können Insiderinformationen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG sein. 5. Fehlende öffentliche Bekanntheit der Information Eine Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG liegt nur so lange vor, wie die Information nicht öffentlich bekannt ist. Eine Information ist öffentlich bekannt, wenn sie einem breiten Anlegerpublikum und damit einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht wurde.197 Für die öffentliche Bekanntheit ist somit nicht die Kenntnisnahme „aller“ erforderlich. Die Bekanntgabe der Information bzw. die Möglichkeit der so genannten Bereichsöffentlichkeit, die Information zur Kenntnis zu nehmen, genügt.198 Die Information ist demnach öffentlich bekannt, wenn der Emittent die Information unter Einhaltung von § 15 WpHG veröffentlicht hat. Im Rahmen des TUG wurde die Herstellung der Bereichsöffentlichkeit durch Ad-hoc-Mitteilung in § 15 Abs. 5 WpHG und in §§ 3a ff. WpAIV ausführlich geregelt.199 Dadurch soll die Veröffentlichung von Insiderinformationen in geordnete Bahnen gelenkt werden.200 Die Veröffentlichung der Information z. B. in Tageszeitungen oder nur auf der Internethomepage der Emittenten reicht grundsätzlich nicht aus.201 Trotzdem stellt sich die Frage, ob und ggf. wann Bereichsöffentlichkeit eintreten kann, wenn die Veröffentlichungsvorschriften § 15 Abs. 5 WpHG und §§ 3a ff.
196 Büche, S. 181; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 38; auch CESR, Zweiter Leitfaden, S. 8, wonach zu den Informationen mit indirektem Emittentenbezug auch „Data and statistics published by public institutions disseminating statistics“ zählen können. 197 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 32; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 28. 198 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679 S. 46; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 28; Mennicke/Jakovou in: Fuchs, § 13 Rn 81; abweichend Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 50, der auf die Kenntniserlangung des breiten Publikums abstellt. 199 Dazu näher unter Kap. F.I.4. 200 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 31. 201 Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rn 36, 37.
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
WpAIV nicht befolgt werden. Eine Information kann auch bei Nichtbefolgung von § 15 Abs. 5 WpHG und §§ 3a ff. WpAIV einen größeren Personenkreis erreichen. Eine Nichtbefolgung der Veröffentlichungsvorschriften stellt zwar einen Verstoß gegen die Ad-hoc-Pflicht dar. Aber auch wenn die Information auf einem gegen die Veröffentlichungsvorschriften verstoßenden Weg verbreitet wird, ist die Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt öffentlich bekannt im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG.202 Nach anderer Ansicht kann ausschließlich die Veröffentlichung nach den entsprechenden Vorschriften dazu führen, dass die Information im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG öffentlich bekannt ist.203 Dagegen spricht, dass die Ausnutzung einer Information, die auf anderem als dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat, nicht auf ewig als verbotener Insiderhandel nach § 14 WpHG zu werten sein kann. Wenn ein dem Kriterium der Bereichsöffentlichkeit entsprechender Bekanntheitsgrad gegeben ist, kann auf eine Ad-hoc-Mitteilung verzichtet werden. Insiderhandel ist in dieser Situation ohnehin nicht mehr möglich. Fraglich ist, wann eine Information in diesen Fällen als öffentlich bekannt anzusehen ist. Mitteilungen von Informationen, bei denen eine weitere Verbreitung der Information und damit das Erreichen einer wirklich unbestimmten Zahl von Kapitalmarktteilnehmern nicht zwingend erwartet werden kann, führen nicht zur unmittelbaren öffentlichen Bekanntheit der betreffenden Information. Das betrifft Mitteilungen auf Veranstaltungen mit begrenztem Teilnehmerkreis wie etwa Analystenkonferenzen, „Road Shows“, Pressekonferenzen, Seminaren oder sonstigen Vorträgen.204 Ebenso wenig kann die Veröffentlichung einer Insiderinformation in einer Regionalzeitung zur öffentlichen Bekanntheit führen,205 da die Information nur in einem räumlich abgegrenzten Bereich bekannt wird. Eine Information ist auch dann nicht öffentlich bekannt, wenn sie an eine Vielzahl Redaktionen, Nachrichtenagenturen und Betreiber elektronischer Nachrichtenvermittlungssysteme oder sonstige Nachrichtenverteilstellen gegeben wurde.206 Eine so verbreitete Information gilt aber ab dem Zeitpunkt als öffentlich bekannt, zu dem nach dem normalen Lauf der Dinge davon ausgegangen werden kann, dass diese Stellen die Information einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich ma202 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 5; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 31; Mennicke/Jakovou in: Fuchs, § 13 Rn 88; Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109 (1110); so auch zu Gerüchten Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 22 und Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 13 Rn 16 – nach den beiden letztgenannten wird für Gerüchte ab einem gewissen Zeitpunkt von deren öffentlicher Bekanntheit ausgegangen; dies muss dann aber auch konsequenterweise für sonstige „normale“ Informationen gelten. 203 Büche, S. 190; Sethe, ZBB 2006, 243 (252). 204 Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 31; Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rn 36, 37. 205 Schwark in: Schwark, § 14 WpHG Rn 43; Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109 (1110). 206 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 38.
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chen.207 Der Übergang vom Status der Insiderinformation durch Weiterverbreitung zu einer öffentlichen bekannten Information ist somit fließend. Entscheidend ist, wann auch im Falle nicht regelkonformer Veröffentlichung das Vorliegen von Bereichsöffentlichkeit anzunehmen ist. Der Emittent hat für die Beantwortung der Frage, ob eine Information als öffentlich bekannt anzusehen ist, zu vergegenwärtigen, dass, wenn eine Information öffentlich bekannt ist, ein etwaiger Insider die Information nicht mehr zur Erlangung von Sondervorteilen nutzen kann.208 6. Die Eignung zur erheblichen Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises Die konkrete Information mit Bezug zum Emittenten muss gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG geeignet sein, den Börsen- oder Marktpreis des Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen (Preiserheblichkeit oder Eignung zur Preisbeeinflussung). a) Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung Zunächst ist zu ermitteln, wann eine Information den Preis eines Finanzinstruments nicht bloß überhaupt, sondern erheblich zu beeinflussen vermag. Damit kann das Merkmal zudem vom Preisbeeinflussungspotential abgegrenzt werden, welches im Fall von künftigen Umständen Teil des Begriffs konkrete Information ist.209 Zu untersuchen ist daher, wann der mögliche Einfluss einer Information erheblich im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist. Ziel der Erheblichkeitsschwelle ist es auszuschließen, dass Bagatellsachverhalte als Insiderinformationen gewertet würden.210 Dahinter steht der Gedanke, dass der Emittent nicht zu einer Vollinformation211 der Anleger verpflichtet sein kann. Dies würde ihn vor eine unmögliche Aufgabe stellen und eine sinnvolle wirtschaftliche Betätigung als börsennotierte Gesellschaft verhindern und die einer solchen Verpflichtung ausgesetzten Gesellschaften letztlich vernichten.212 Auch den Anlegern wäre dadurch nicht genützt, da sie selbst nach den wesentlichen Informationen suchen müssten. Wenn § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG fordert, dass die betreffende Information erheblich sein müsse, wird dadurch somit ein 207 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 38; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 28. 208 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 35; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 29 mwN. 209 Dazu Kap. C.II.3.b)(1). 210 Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rn 53; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 66. 211 Begriff nach Zetzsche, Aktionärsinformationen, S. 242. 212 Zetzsche, Aktionärsinformationen, S. 242.
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
sämtliche Informationspflichten begrenzender Grundgedanke zum Ausdruck gebracht: Nur wesentliche Informationen müssen veröffentlicht werden.213 Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG ist eine Eignung zur erheblichen Preis-/bzw. Kursbeeinflussung gegeben, „wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“. Entscheidend ist somit, ob durch die Information ein Kauf- bzw. Verkaufsanreiz ausgelöst wird.214 Nach Ansicht des Gesetzgebers verbietet sich die Festlegung starrer Schwellenwerte, weil diese etwa unvorhersehbare Marktvolatilitäten nicht ausreichend berücksichtigen können.215 Die vor Inkrafttreten des AnSVG vertretenen rein objektiven Theorien zur Ermittlung der Preiserheblichkeit sind somit obsolet.216 Es kommt darauf an, ob für einen verständigen Anleger von der konkreten, nicht öffentlichen bekannten Information ein erheblicher Kauf- oder Verkaufsanreiz ausgeht.217 Obwohl somit feste Schwellenwerte zur Ermittlung der Preiserheblichkeit nicht in Betracht kommen, wird bestimmten Kennziffern Indizwirkung im Hinblick auf die Feststellung der Erheblichkeit der Eignung zur Preisbeeinflussung zugesprochen. Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung sind Informationen unterhalb einer Bagatellgrenze in Höhe eines möglichen Gewinns beziehungsweise vermiedenen Verlust „bezogen auf das verdächtige Geschäft“ in Höhe von EUR 50,– als nicht erheblich anzusehen.218 Zwar erscheint es in der Tat wünschenswert, zumindest eine unterste Grenze zu schaffen, bei deren Unterschreiten keine vertieften Einzelfallbetrachtungen notwendig sind. Die Bezugnahme auf ein verdächtiges Geschäft macht diese Auffassung für die Zwecke der Ad-hoc-Publizität jedoch nicht unmittelbar nutzbar, da die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG allein vom Vorliegen der Information abhängt. Der Emittent muss zur Erfüllung seiner Veröffentlichungspflichten eine Exante-Betrachtung der Kurserheblichkeit durchführen, ohne dass ihm „verdächtigte Geschäfte“ bekannt sind. Denkbar wäre allerdings, dass der Emittent in die von ihm anzustellende Prognose ein hypothetisches Insidergeschäft einbezieht. In diesem Fall könnte dann eine EUR 50-Grenze als Gedankenstütze dienen. Allerdings reicht es nicht aus, für dieses hypothetische Geschäft lediglich eine Schwelle des möglichen Gewinns oder vermiedenen Verlusts festzulegen. Die Bagatellschwelle muss zudem in ein Verhältnis zum Gesamtumfang des Geschäfts gerückt werden. 213
Zetzsche, Aktionärsinformationen, S. 242 f. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 64; Pawlik in: Kölner Kommentar WpHG, § 13 Rn 74. 215 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 216 Ziemons, NZG 2004, 537 (538). 217 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 33; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 66; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 74. 218 Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 80. 214
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Auch die nach den nunmehr veralteten objektiven Theorien verwendeten prozentualen Schwellenwerte können unter neuer Rechtslage zumindest noch als Indiz für die Erheblichkeit herangezogen werden. Sollte sich der Preis des Finanzinstruments in Folge der Veröffentlichung etwa um mehr als 5 Prozent verändern, würde dies für die Erheblichkeit der Information sprechen. Die Verwendung von Prozentschwellen ist auch nach Ansicht des CESR zulässig, so lange ein solcher Schwellenwert nicht allein über die Kurserheblichkeit entscheidet.219 Sowohl eine relative Prozentschwelle als auch eine absolute EUR 50-Schwelle können somit der Ermittlung der Preiserheblichkeit hilfreich sein. Das Primat der Entscheidung im Einzelfall verbietet, dass eines der Kriterien oder beide zusammen schematisch als einzige Entscheidungsgrundlage festgelegt werden. Einzig gesicherter Ausgangspunkt für die Feststellung der Erheblichkeit einer Information bleibt die Überlegung, ob Insider die Information mangels ausreichender Gewinnchancen nicht verwenden würden oder ob die Information ihnen die Möglichkeit zur Realisierung von (Sonder-)vorteilen gewährt.220 Auch bei einer Kursbewegung von unter fünf Prozent liegen erhebliche Gewinnchancen vor, wenn nur entsprechendes Kapital eingesetzt werden kann.221 Gleiches gilt für einen möglichen Gewinn von EUR 50,– ohne Bezug zum Gesamtwert der verkauften oder gekauften Finanzinstrumente. Um zu ermitteln, ob für den verständigen Anleger ein Kauf- oder Verkaufsanreiz gegeben ist, können beide vorgeschlagenen Bezugsgrößen nur zusammen mit den Besonderheiten des Einzelfalls Beachtung finden. Die Preiserheblichkeit der Information kann sich auch aus dem Unternehmens- oder Kapitalmarktumfeld ergeben, auf das sie durch ihre Veröffentlichung trifft. Beispielsweise können überraschende Informationen eher preiserheblich sein als Informationen, die von den Marktteilnehmern bereits erwartet wurden.222 In diesem Zusammenhang sind auch die gewöhnliche Schwankungsbreite des Finanzinstruments und die allgemeine Marktlage zum potentiellen Veröffentlichungszeitpunkt zu berücksichtigen.223 Nicht die absolute zu erwartende Preisänderung, sondern die relative Änderung zu vergleichbaren Wertpapieren oder Indizes ist demnach entscheidend.224 Nach Erwägungsgrund 1 der Durchführungsrichtlinie berücksichtigen verständige Anleger bei der Bewertung einer Information • die möglichen Auswirkungen der Information, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, 219 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 6: „CESR is clear that fixed thresholds of price movements or quantitative criteria alone are not a suitable means of determining the significance of a price movement.“ 220 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 66; Gutzy/Märzheuser, S. 108. 221 Beispiel dazu bei Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 81. 222 Gutzy/Märzheuser, S. 111. 223 Gutzy/Märzheuser, S. 111. 224 Gutzy/Märzheuser, S. 111.
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
• die Verlässlichkeit der Informationsquelle oder • sonstige Marktvariablen, die das Finanzinstrument oder unter den gegebenen Umständen damit verbundene derivative Finanzinstrument beeinflussen dürften. Das CESR hat weitere Faktoren aufgezeigt, die für die Wertung einer Information durch den verständigen Anleger entscheidend sein können. Demnach ist zu berücksichtigen, ob • sich die Information auf die Hauptfaktoren der Preisbildung des betreffenden Finanzinstruments auswirkt, • eine derartige Information bereits in der Vergangenheit den Kurs des Finanzinstruments erheblich beeinflusst hat, • bereits existierende Analystenberichte und -kommentare darauf hinweisen, dass die betreffende Information preissensibel ist oder • der Emittent eine derartige Information bereits zuvor als Insiderinformation behandelt hat.225 Der Emittent muss darüber hinaus die Besonderheiten seiner Branche, die Markstimmung im Hinblick auf die Branche allgemein oder den Emittenten insbesondere, die Größe des Emittenten und die letzten veröffentlichten Entwicklungen in Betracht ziehen.226 Naturgemäß spielt auch die Form des vom Emittenten begebenen Finanzinstruments eine Rolle. Bestimmte konkrete Informationen können für eine Klasse von Anlagepapieren relevant sein, für eine andere wiederum nicht.227 Als Beispiel seien die Unterschiede zwischen Genussscheinen und Aktien genannt. Während für die Rendite einer Aktienanlage immer auch die aktuelle Geschäftsentwicklung eine Rolle spielt, ist für diese für den Genussschein in weniger starkem Maß relevant, weil die Gewinnbeteiligung eines solchen Finanzinstruments gegenüber dem ausschüttungsfähigen Gewinn vorrangig ist. Informationen sind für Genussscheininhaber regelmäßig nur von Belang, wenn ein Bilanzverlust droht oder sogar eintritt.228 b) Ermittlung der Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung Fraglich ist des Weiteren, wie der Emittent die Preiserheblichkeit einer konkreten Information ermitteln soll. Nicht erforderlich ist, dass die in Betracht kommende Information tatsächlich preiserheblich ist. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG 225
CESR, Zweiter Leitfaden, S. 6. CESR, Zweiter Leitfaden, S. 6. 227 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 6; z. B. sind für Genussscheine regelmäßig Informationen interessant, die dazu führen können, dass die Verzinsung nicht gewährleistet ist; vgl. auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 66. 228 BaFin, Emittentenleifaden, S. 57. 226
II. Den Inlandsemittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen
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reicht bereits die Eignung der Information zur erheblichen Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises aus. Da sich auch die Eignung zur Beeinflussung des Markt- oder Börsenpreises erst nach der Veröffentlichung der Information bestätigen lässt, ist der Inlandsemittent auf eine Ex-ante-Betrachtung angewiesen.229 Das impliziert, dass auch Informationen zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG kommen können, bei denen sich aufgrund der erfolgten Veröffentlichung im Nachhinein – ex post – herausstellt, dass die Information fälschlicherweise als preiserheblich gewertet wurde. In der Vergangenheit ist sogar beobachtet worden, dass die überwiegende Zahl von Ad-hoc-Mitteilungen keine signifikante Kursbewegung auslöste.230 Auch der gegenteilige Fall ist möglich. Eine Information kann nicht als Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht werden, weil der Emittent prognostiziert, diese sei nicht preiserheblich, auch wenn sich letztlich herausstellt, dass das doch der Fall war. Wenn der Emittent bei der Prognose die erforderliche Sorgfalt angewandt hat, ist in der Nichtveröffentlichung kein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu sehen. Allerdings kommt dem tatsächlichen Kursverlauf eine Indizwirkung zu.231 Für die Prognose der Preiserheblichkeit einer Information kann aufgrund der Unsicherheit über die genaue Ausgestaltung des Merkmals vor allem eine unternehmens- bzw. branchenspezifische Kasuistik zu berücksichtigen sein.232 Ist die Eignung einer Information zur Preisbeeinflussung einmal prognostiziert worden, wird ihr durch das Fehlen einer signifikanten Kursbewegung nicht die Einordnung als Insiderinformation genommen. c) Preiserheblichkeit bei noch nicht erfolgter Notierung am organisierten Markt Die Ad-hoc-Publizitätspflicht besteht bereits ab dem Zeitpunkt, an dem der Antrag auf Zulassung zu einem organisierten Markt gestellt wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Unter Berücksichtigung der Antragsfrist nach § 50 BörsZulVO greift die Veröffentlichungspflicht somit spätestens einen Tag vor der Handelsaufnahme der Aktien.233 Da für das betreffende Finanzinstrument zu diesem Zeitpunkt aber noch kein Börsen- oder Marktpreis bestehen kann, sind zu diesem Zeitpunkt existierende Informationen nie geeignet, den Preis des Finanzinstru229
Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 43; Veil, ZHR 167 (2003) 365 (368). Vgl. den Verweis von Veil, ZHR 167 (2003) 365 (368 dort Fn 12) auf Nowak, ZBB 2001, 449 (451). 231 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 33; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 55; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 13 Rn 42. 232 Gutzy/Märzheuser, S. 107; Schwintek, S. 23. 233 Parmentier, NZG 2007, 407 (413), noch mit der längeren Frist des § 50 BörsZulVO a. F., welche vor Inkrafttreten des FRUG galt. 230
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
ments im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu beeinflussen. Weil § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG aber impliziert, dass Informationen auch vor der Zulassung die Voraussetzung des Begriffs Insiderinformation erfüllen können, muss in dieser Situation eine abgeänderte Definition der Preiserheblichkeit gelten. In dieser Situation kann der Emittent nur auf hypothetischer Grundlage feststellen, ob eine Information geeignet ist den Börsen- oder Marktpreis des künftigen Finanzinstruments zu beeinflussen.234 Der zukünftige Emittent muss sich die Frage stellen, wie sich das Bekanntwerden der Information auf den Börsenpreis auswirken würde, wenn ein derartiger Börsenpreis bereits existieren würde.235 Die größte Schwierigkeit des Neu-Emittenten liegt darin, dass zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Erfahrungswerte existieren, die dem Emittenten bei der Anstellung der erforderlichen Prognose helfen könnten. Es gibt jedoch einige Indizien die dem Emittenten bei der Bewertung einer Information Hilfe leisten können. Soweit die Finanzinstrumente bereits in den Freiverkehr einbezogen sind oder ein Handel an einer außerbörslichen Handelsplattform stattfindet, kann das Preisbeeinflussungspotenzial auf der Basis der diesbezüglichen Preisinformationen bewertet werden.236 Soweit bereits ein (Basis-)Prospekt veröffentlicht und ggf. im Rahmen der Zeichnungsfrist eine Preisspanne genannt wurde, kann im Einzelfall eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Meldung bei wesentlichen Änderungen des Prospektinhaltes vorliegen, wenn die Änderungen z. B. einen Nachtrag zum Prospekt auslösen würden oder ggf. eine Änderung der Preisspanne im Zeichnungsverfahren zur Folge hätten.237 Ferner könnten Markteinschätzungen für die zu erwartende Preisspanne oder Bewertungen für das Unternehmen vorliegen, auf deren Grundlage eine hypothetische Bewertung des erheblichen Preisbeeinflussungspotenzials möglich ist.238
III. Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten von der Insiderinformation Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind nicht alle Insiderinformationen nach § 13 Abs. 1 WpHG durch den Emittenten zu veröffentlichen, sondern nur solche, die den Emittenten unmittelbar betreffen. Eine Insiderinformation betrifft den Emittenten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG insbesondere, wenn die Information sich auf Umstände bezieht, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind. 234
Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 72; Parmentier, NZG 2007, 407 (413). Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 72. 236 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55. 237 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 66b; Parmentier, NZG 2007, 407 (413). 238 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55; diesbezüglich kritisch Assmann in: Assmann/ U. H. Schneider, § 13 Rn 66b. 235
III. Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten von der Insiderinformation
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1. Betroffenheit des Inlandsemittenten Nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG liegt eine Veröffentlichungspflicht nur für jene Informationen vor, die den Inlandsemittenten unmittelbar betreffen. Die BaFin schließt daraus, dass Informationen, die nur das Finanzinstrument unmittelbar betreffen (und nicht den Emittenten), nicht nach § 15 Abs. 1 WpHG ad-hoc-pflichtig sind. Der Emittent eines derivativen Instruments sei nicht verpflichtet, eine Information zu veröffentlichen, die lediglich den Basiswert des derivativen Instruments betreffen.239 Auch der überwiegende Teil des Schrifttums verlangt, dass der Emittent und nicht (bloß) das von ihm emittierte Finanzinstrument von der Information unmittelbar betroffen ist.240 Eine Ansicht im Schrifttum plädiert indes dafür, dass entgegen dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG für die Begründung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auch genügen soll, wenn die Insiderinformation nur das vom Emittenten begebene Finanzinstrument unmittelbar betrifft.241 Einerseits wird diese Ansicht mit der Definition der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG begründet, wonach eine Insiderinformation einen Bezug auf den Emittenten oder alternativ Bezug auf das Finanzinstrument haben kann. Für das Merkmals „unmittelbare Betroffenheit“ in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG müsse derselbe Maßstab gelten.242 Zum Teil wird auch auf die Notwendigkeit der richtlinienkonformen Auslegung verwiesen. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht in Art. 6 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie lasse ausreichen, wenn lediglich das Finanzinstrument unmittelbar betroffen sei.243 Welcher Ansicht zu folgen ist, hängt davon ab, ob die von Teilen des Schrifttums für die geforderte Ausweitung des Bezugspunkts der Betroffenheit genannten Argumente eine Abweichung vom eindeutigen Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG rechtfertigen können. Zunächst ist auf das Argument der richt239
BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55. Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 88; Fischer zu Cramburg/ Royé in: Heidel, § 15 WpHG Rn 4; Büche, S. 181; Schwintek, S. 21; Brandi/Süßmann AG 2004, 642 (648); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1903) – alle ohne nähere Begründung, was am an sich eindeutigen Wortlaut von § 15 WpHG liegen mag. 241 Simon, Der Konzern 2005, 13 (15); Ziemons, NZG 2004, 537 (541); wohl auch Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2216), der einerseits zwar den Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zitiert, andererseits aber feststellt, dass künftig nur Informationen ausgenommen seien, die den Emittenten „bzw. das Finanzinstrument“ nur mittelbar betreffen würden, und Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 56, der aber gerade im Beispielsfall des derivativen Finanzinstruments entsprechende der hM verfährt. 242 Simon, Der Konzern 2005, 13 (15); Ziemons, NZG 2004, 537 (541); grundsätzlich auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 56, der aber den Begriff der Betroffenheit bei Derivaten enger fasst. Die Information müsse sich direkt auf das Derivat beziehen. Im Ergebnis führt dies zum gleichen Ergebnis der engeren (herrschenden) Auffassung. 243 Ziemons, NZG 2004, 537 (541). 240
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
linienkonformen Auslegung einzugehen. Nach Art. 6 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie sollen Emittenten von Finanzinstrumenten alle Insiderinformationen, „die sie unmittelbar betreffen“, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt geben. Da sich das Pronomen „Sie“ hier nur auf den Begriff „Emittenten“ des ersten Satzteils beziehen kann, ist das Argument der richtlinienkonformen Auslegung unzutreffend. Nach dem Wortlaut der Marktmissbrauchsrichtlinie ist eine Veröffentlichungspflicht ebenfalls nur im Falle der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten anzunehmen. Es verbleibt das systematische Argument, dem zu Folge Informationen nur mit unmittelbarem Bezug zum Finanzinstrument auch unter die Veröffentlichungspflicht fallen sollen, weil die Definition des Begriffes Insiderinformation in § 13 Abs. 1 WpHG sich gleichermaßen auf Informationen mit Bezug zum Emittenten und zum Finanzinstrument bezieht. Dass § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG mit der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten überhaupt eine weitere Voraussetzung neben dem Vorliegen der Insiderinformation für die Begründung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nennt, zeigt jedoch bereits, dass der Gesetzgeber keinen völligen Gleichlauf von § 13 Abs. 1 WpHG und § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gewollt hat. Überhaupt stellt sich die Frage, in welchen Konstellationen die Streitfrage relevant ist, wann also eine Insiderinformation vorliegt, die ein Finanzinstrument, nicht aber den Emittenten desselben betrifft. Erst vor diesem Hintergrund kann geklärt werden, ob es mit Hinblick auf die Gesetzgebungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht wünschenswert wäre, den Emittenten zu verpflichten, solche Insiderinformationen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen. Im Falle des wohl wichtigsten Finanzinstrumentes, der Aktie, ist eine Betroffenheit nur des Finanzinstruments ohne gleichzeitige Betroffenheit des Emittenten (der AG) nicht vorstellbar. Grund hierfür ist das Merkmal Eignung zur Kursbeeinflussung von § 13 Abs. 1 WpHG in der Definition des Begriffs Insiderinformation. Es existieren keine Insiderinformationen, die sich nur auf die Aktien, nicht aber auf die dahinter stehende Aktiengesellschaft beziehen können, denn die Aktie ist die Verkörperung des Mitgliedschaftsrechtes am Emittenten. Auch der Verkaufspreis der Aktie, mit dem die Insiderinformationen zusammenhängen, ist ein Element der Teilhabe des Aktionärs an einem börsennotierten Unternehmen. Die Betroffenheit des Emittenten und des Finanzinstruments von einer Information kann hingegen insbesondere bei derivativen Instrumenten wie Aktienoptionen oder Rohstoffderivaten auseinanderfallen.244 Das Finanzinstrument Rohstoffderivat wie z. B. Termingeschäfte auf Edelmetalle kann durch die Information über die Erschließung erheblicher neuer Vorkommen unmittelbar betroffen sein – den Emittenten betrifft diese Information hingegen nicht, es sei denn er hat das Derivat selbst emittiert, um eigene Rohstoffrisiken abzusichern.245 Auch bei Aktienoptionen ist die Situation vergleichbar. Der Grund für das Auseinan244
BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55.
III. Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten von der Insiderinformation
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derfallen der unmittelbaren Betroffenheit liegt in solchen Fällen darin, dass der Emittent durch die Herausgabe des derivativen Produktes nur einen Handel an sich ermöglichen will. Liegt ein solches Auseinanderfallen vor, sind die Insiderinformationen für den Emittenten regelmäßig erst zugänglich, wenn diese bereits öffentlich bekannt sind. Dann liegt aber keine Grundlage für eine Veröffentlichungspflicht mehr vor. Eine solche Veröffentlichungspflicht würde auch nicht dem Anlegerschutz dienen, da die Anleger nicht damit rechnen, dass sie von Seiten des Emittenten eines Derivates Auskünfte zu für dessen Kursentwicklung wichtigen Ereignisse erhalten. Im Falle von Aktienoptionen sind die Anleger überdies durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten des Basiswertes geschützt. Die Anleger würden bei einer Veröffentlichung vielmehr verunsichert, weil unklar bleibt, warum ausgerechnet der Emittent vorab Kenntnis von der Insiderinformation hatte. Eine Ad-hoc-Mitteilung dürfte somit eher Verwirrung stiften und mehr schaden als nutzen. Damit sprechen insgesamt die besseren Gründe dafür, dass die Abweichung zwischen Insider- und ad-hoc-publizitätspflichtiger Information auch insofern beabsichtigt war, als dass Informationen, die nur das Finanzinstrument nicht aber den Emittenten unmittelbar betreffen, nicht unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG fallen. 2. Definition der unmittelbaren Betroffenheit Es stellst sich somit nunmehr die Frage, in welchen Fällen die unmittelbare Betroffenheit vorliegt. a) Unmittelbare Betroffenheit nach § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG liegt die unmittelbare Betroffenheit des Emittenten insbesondere vor, wenn die Information sich auf Umstände bezieht, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind. Die Regelung lehnt sich in Form eines Regelbeispiels an § 15 Abs. 1 WpHG in der vor Inkrafttreten des AnSVG geltenden Fassung an, wonach die Veröffentlichungspflicht ausschließlich für im Tätigkeitsbereich eingetretene Informationen gegolten hat.246 Aus der Klarstellung in § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG kann geschlossen werden, dass nunmehr auch nicht im Tätigkeitsbereich eingetretene Informationen der Veröffentlichungspflicht unterliegen. Diese erweiternde Wirkung gilt vor allem 245 Das Beispiel ist der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses des Parlaments zum Kommissionsentwurf der Marktmissbrauchsrichtlinie ABl. C 80/61 S. 4 Nr. 4.3 entnommen. 246 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 55; Brandi/Süßmann AG 2004, 642 (648); Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (734).
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
für von außen kommende Informationen.247 Zur Frage, welche von außen kommenden Informationen den Emittenten unmittelbar betreffen und welche nicht, schweigt das Gesetz. Es ist daher müßig zu ermitteln, ob eine Information im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG beim Emittenten eingetreten ist oder nicht, denn das ist für das Vorliegen der Veröffentlichungspflicht letztlich nicht (mehr) entscheidend.248 b) Empfehlungen von CESR und BaFin Das CESR hat mit Hinblick auf das Merkmal „unmittelbare Betroffenheit“ eine Liste von Informationen erstellt, die nach Auffassung des Komitees den Emittenten nicht unmittelbar betreffen.249 Eine solche Liste enthält ebenso der Emittentenleitfaden der BaFin.250 Zusammengenommen betreffen demnach folgende Ereignisse den Emittenten nicht unmittelbar: • Allgemeine Marktstatistiken, • zukünftig zu veröffentlichende Ratingergebnisse, Research-Studien, Empfehlungen oder Vorschläge, die den Wert der börsennotierten Finanzinstrumente betreffen, • allgemeine Zinssatzentwicklungen, Zinssatzentscheidungen, • Entscheidungen der Regierungsbehörden bezüglich der Besteuerung, der Regulierung, des Schuldenmanagements, • Entscheidungen über Regeln zur Marktaufsicht, • wichtige Verfügungen durch Behörden oder andere öffentliche Institutionen, • Entscheidungen über die Regeln der Indexzusammensetzung und -berechnung, • Entscheidungen der Börsen, der Betreiber außerbörslicher Handelsplattformen und von Behörden zur jeweiligen Marktregulierung, • Entscheidungen der Wettbewerbs- und Marktüberwachungsbehörden hinsichtlich börsennotierter Unternehmen, • Kauf- und Verkaufsaufträge in den Finanzinstrumenten des Emittenten, • Veränderung in den Handelsbedingungen (u. a. Wechsel des Zulassungs- oder Handelssegments, Wechsel des Handelsmodells z. B. vom fortlaufenden Handel in das Einzelauktionsmodell, Wechsel des Market Makers).
247 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35; Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2216); Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 55. 248 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 58. 249 CESR, zweiter Leitfaden, Rn 1.16. 250 BaFin, Emittentenleitfaden S. 54.
III. Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten von der Insiderinformation
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• Informationen über allgemeine Wirtschaftsdaten, politische Ereignisse, Arbeitslosenzahlen, Naturereignisse oder z. B. die Ölpreisentwicklung, • Information über eine für den Emittenten relevante Veränderung der Situation des Konkurrenten (z. B. bevorstehende Insolvenz eines Konkurrenten), • Informationen, die nur das Finanzinstrument selbst betreffen, z. B. Erwerb oder Veräußerung eines größeren Aktienpaketes durch eine Investmentgesellschaft aus Anlagegesichtspunkten, • Aktiensplits. Weder CESR noch BaFin geben eine Begründung oder Kriterien, nach denen sie ihre Auswahl getroffen haben. Zu beachten ist, dass nur die in der Aufzählung selbst genannten Ereignisse den Emittenten nicht unmittelbar betreffen. Beim Unternehmen eintretende Folgen der genannten Ereignisse können eine Ad-hocPublizitätspflicht auslösen.251 Die BaFin führt als Beispiel den Fall an, dass das Ereignis die Bildung von Rückstellungen oder eine preiserhebliche Prognosekorrektur erforderlich macht.252 Diese Auflistung ist daher allenfalls als Fingerzeig anzusehen.253 c) Abgrenzung Grundsätzlich betreffen den Emittenten von ihm selbst bzw. durch seine Organe getroffene Maßnahmen.254 Diese entstammen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG dem Tätigkeitsbereich des Emittenten. Neben den vom Emittenten selbst ausgehenden Informationen können auch Informationen, die außerhalb des Emittenten entstehen, diesen unmittelbar betreffen.255 Daher ist zu klären, wie sich der Kreis der von außerhalb des Inlandsemittenten stammenden, den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformationen von den den Emittenten nur mittelbar betreffenden Insiderinformationen abgrenzen lässt. Betroffenheit erfordert, dass der Emittent die Auswirkungen des Ereignisses in irgendeiner Form spürt. Diese Folge des Ereignisses kann unmit-
251
CESR, zweiter Leitfaden, Rn 1.16; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55. 253 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 66; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 100. 254 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 59; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 102. 255 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 53; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 63 f.; Simon, Der Konzern 2005, 13 (16); a. A. Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 104; letztere Auffassung widerspricht dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG der nur auf die Betroffenheit, nicht aber auf den Verursacher der Information abstellt. 252
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
telbar oder mittelbar sein. Mittelbar sind die Auswirkungen etwa dann, wenn die genauen Auswirkungen beim Emittenten nicht absehbar sind. Die Ereignisse, die nach Ansicht von BaFin und CESR den Emittenten nicht unmittelbar betreffen, zeichnen sich zum großen Teil dadurch aus, dass sie dem Emittenten bei normalem Lauf der Dinge ebenso wenig oder unter gleichen Voraussetzungen zugänglich sind wie unbeteiligten Dritten. Dies gilt etwa für Zinspolitische Entscheidungen, die von den Zentralbanken beschlossen werden. Die Entscheidungen über die Neuaufteilung von Segmenten trifft der Börsenbetreiber.256 Der Emittent weiß von diesen Informationen regelmäßig nichts, bis sie öffentlich bekannt werden. Ein Kriterium für die unmittelbare Betroffenheit ist somit, dass es sich um einen solchen Typ von Information handelt, von der ein Emittent bei normalem Lauf der Dinge Kenntnis erhält.257 Nur in solchen Fällen können die Anleger überhaupt erwarten, die betreffende Information vom Emittenten zu erhalten. Legt man diese Sichtweise zu Grunde, lässt sich zum Beispiel erklären, warum Änderungen im Anteilsbestand, wenn es sich nicht um den Wechsel eines nur auf Anlage orientierten Anleger zu einem anderen handelt, den Emittenten ummittelbar betreffen.258 Mit dem Aspekt der typischen Kenntnis hängt ein weiterer Gesichtspunkt der unmittelbaren Betroffenheit zusammen, der sich aus den Positionen von BaFin und CESR ableiten lässt: Eine den Emittenten unmittelbar betreffende Information muss spezifische Auswirkungen auf den Emittenten haben.259 Dabei ist auch die zeitliche Komponente der Entwicklung der Information mitentscheidend. Die Betroffenheit des Emittenten aus einer Insiderinformation muss sich, um eine unmittelbare zu sein, in dem (gegenwärtigen oder künftigen) Moment des Eintritts des Umstandes oder Ereignisses ergeben, auf den sich die Insiderinformation bezieht.260 Marktdaten etwa können durchaus konkrete Informationen im Sinne der Definition des Begriffs Insiderinformation gemäß § 13 Abs. 1 WpHG sein. Unmittelbare Betroffenheit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG kann aber nur gegeben sein, wenn die Konkretheit der Insiderinformation auch im Zusammenhang mit dem Emittenten und zu dem Zeitpunkt besteht, für den die Marktdaten gelten. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Emittent von der Information ausschließlich betroffen ist.261 Im Hinblick auf die Gefahr des Insiderhandels, des256
Beide Beispiele entnommen aus BaFin, Emittentenleitfaden S. 54. So auch Büche, S. 182; CESR, Zweiter Leitfaden, Rn 1.16. 258 Gunßer, S. 85; Umkehrschluss aus BaFin, Emittentenleitfaden 2005, S. 42, wo „Erwerb oder Veräußerung eines größeren Aktienpaketes durch eine Investmentgesellschaft aus Anlagegesichtspunkten“ (Hervorhebung des Verfassers) als Information bewertet werden, die den Emittenten nicht unmittelbar betrifft. 259 Gutzy/Märzheuser, S. 106; ähnlich Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 68. 260 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 89. 261 So aber Parmentier, NZG 2007, 407 (413). 257
IV. Grundsätzliche Rechtsfolge: Unverzügliche Mitteilung
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sen Prävention die Ad-hoc-Publizitätspflicht dienen soll, spielt es keine Rolle, ob nur ein Emittent oder mehrere von einer Insiderinformation betroffen sind. Bleiben z. B. mögliche Konsequenzen von Marktdaten für den Emittenten ohne das Hinzudenken weiterer, noch nicht hinreichend wahrscheinlicher Zwischenschritte unklar, dann betreffen solche den Emittenten nicht unmittelbar. Zu bedenken ist aber, dass sich in derartigen Fällen Folgen aus einer den Emittenten nicht unmittelbar betreffenden Insiderinformation für den Emittenten konkretisieren können. Dann entsteht eine neue Insiderinformation, die den Emittenten unmittelbar i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG betrifft. Etwa haben Lieferprobleme eines bedeutenden Herstellers eines Rohstoffes zunächst grundsätzlich keine direkten Auswirkungen auf den Inlandsemittenten, wenn der Hersteller nicht direkter Lieferant des Inlandsemittenten ist. Zeigt sich aber in der Folge, dass sich die Marktpreise des Rohstoffs erhöhen und der Inlandsemittent daher einen Gewinneinbruch erleiden wird, handelt es sich nach dem zuvor Gesagten trotzdem um eine ihn im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unmittelbar betreffende Information.
IV. Grundsätzliche Rechtsfolge: Unverzügliche Mitteilung Sobald die Tatbestandsvoraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht vorliegen, hat die Veröffentlichung der Information gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG „unverzüglich“, bzw. nach Art. 6 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie „sobald als möglich“ zu erfolgen. „Sobald als möglich“ und „unverzüglich“ haben hier die gleiche Bedeutung.262 Zur Definition der Unverzüglichkeit greift die herrschende Meinung im Schrifttum auf die klassische Definition von § 121 Abs. 1 BGB zurück.263 Die Veröffentlichung ist demnach unverzüglich, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern vorgenommen wurde. Fraglich ist somit, welcher Zeitraum im kapitalmarktrechtlichen Kontext vergehen darf, ohne dass ein schuldhaftes Zögern vorliegt und die Veröffentlichung verspätet ist. Der Emittent darf und muss sich die Zeit nehmen, mögliche Auswirkungen eines Ereignisses erst daraufhin zu prüfen, ob eine veröffentlichungspflichtige Information vorliegt.264 Der Inlandsemittent kann dabei insbesondere auch prüfen, ob die Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG vorliegen und die Veröffentlichung deswegen (vorerst) unterbleiben darf. Aus dem Gebot, für eine unverzügliche Veröffentlichung zu sorgen, entspringt die Pflicht des Emittenten, ein System von Vorkehrungen einzurichten, die ermöglichen, die Entstehung von Insiderinformationen und den Informationsfluss 262 Büche, S. 209; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 116; Ziemons, NZG 2004, 537 (542); kritisch dazu Möllers in: FS Horn (2006), 473, 474 ff. 263 Zum Beispiel BaFin Emittentenleitfaden, S. 80; v. Klitzing, S. 233; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 248; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 15. 264 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 80.
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C. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
innerhalb des Emittenten sowie den Informationszufluss von außen zu erfassen und so festgestellte Informationen auf eine etwaige Publizitätspflicht zu kontrollieren.265 Die Ausgestaltung dieses Überwachungssystems hängt auch von der Größe des Emittentenunternehmens sowie von den in diesem Zusammenhang zu erwarteten Informationsströmen ab. Die Organisationspflicht hinsichtlich der Informationserfassung betrifft auch Konzernunternehmen.266 Hat der Emittent trotz ausreichender Vorkehrungen keine Kenntnis von einer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichenden Information, wie es insbesondere bei von außen kommenden Informationen der Fall sein kann, trifft ihn auch keine Veröffentlichungspflicht. Die Kenntnis von der Insiderinformation ist somit kein eigenständiges Merkmal von § 15 WpHG. Fehlende Kenntnis kann aber dazu führen, dass für die Dauer der Unkenntnis kein schuldhaftes Zögern im Hinblick auf die Veröffentlichung der Information vorliegt.267
V. Zwischenfazit In diesem Abschnitt wurden der Anwendungsbereich der Pflicht zur Ad-hocPublizität und die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG aufgezeigt. Durch die Neuregelung des Anwendungsbereichs der Ad-hoc-Publizitätspflicht im Rahmen des TUG ist im Wesentlichen sichergestellt worden, dass jeder Emittent von Finanzinstrumenten im Raum der EU oder des EWR nur in den Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG fällt, wenn die einzige oder im Verhältnis zu anderen EU/EWRStaaten wichtigste Notierung an einem organisierten Markt der Bundesrepublik Deutschland stattfindet. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind zumindest alle Insiderinformationen, deren Quelle der Emittent ist, ad-hoc-pflichtig. Für diese Informationen ergeben sich Beschränkungen daher lediglich aus dem Begriff der Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG selbst. Als Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG kommen nur Informationen in Betracht, die bereits einen Drittbezug aufweisen, ohne dass dieser Drittbezug zwingend in einer Mitteilung der Information gegenüber einer anderen Person bestehen muss. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist für das Vorliegen einer Insiderinformation des Weiteren vor allem entscheidend, ob die Information ausreichend konkret ist und ob die Information geeignet ist, den Kurs des Finanzinstrumentes des Inlandsemittenten erheblich zu beeinflussen. 265
Wendel, CCZ 2008, 41 (42); Nietsch BB 2005, 785 (787). Wendel, CCZ 2008, 41 (43); einschränkend Spindler/Speier, BB 2005, 2031 (2032), die auf die Intensität der Konzernverbindung abstellen. 267 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 110; Schäfer in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch der börsennotierten AG, § 14 Rn 28. 266
V. Zwischenfazit
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Die einzige weitere Voraussetzung, die § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG selbst für die Auslösung der Ad-hoc-Publizität enthält, liegt im Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit. Dieses Erfordernis begrenzt die für eine Veröffentlichung in Frage kommenden Informationen in zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Spezifizierung der Auswirkungen der Information beim Emittenten. Die Untersuchung der Tatbestandsmerkmale der Ad-hoc-Publizität hat Schwierigkeiten einer rechtssicheren Einordnung einer Information unter §§ 13, 15 WpHG zu Tage gefördert. Schon wegen der aus diesen Schwierigkeiten resultierenden Unsicherheit muss der sorgfältige Emittent die Möglichkeit einer Befreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG immer in seine Überlegungen miteinbeziehen.
D. Das „berechtigte Interesse“ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung sind zunächst in § 15 Abs. 3 WpHG aufgeführt. Danach kann sich der Emittenten von der Ad-hoc-Publizitätspflicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG befreien, • wenn es der Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten erfordert, • keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und • der Emittent die Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten kann. Im folgenden Abschnitt wird zunächst der Frage nachgegangen, was sich abstrakt hinter den berechtigten Interessen des Emittenten verbirgt. „Abstrakt“ bedeutet, dass an dieser Stelle nur auf Einzelfälle eingegangen wird, wenn diese bei der Entwicklung eines allgemeinen Verständnisses für den Begriff berechtigtes Interesse von Nutzen sind. Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Abschnitt in der Systematisierung verschiedener Ansätze zur Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse“.
I. Die Entwicklung des Begriffes „berechtigtes Interesse“ im Rahmen der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht Bereits nach den Anhängen Schema C Nr. 5a Satz 2 und Schema D Nr. 4a Satz 2 der Börsenzulassungsrichtlinie aus dem Jahre 1979 konnten Emittenten eine zeitweise Befreiung von der Veröffentlichungspflicht erreichen. Voraussetzung war ein auf die Befreiung gerichteter Antrag und die Genehmigung durch die zuständige Behörde. Die Genehmigung war nach Schema C Nr. 5a Satz 2 Börsenzulassungsrichtlinie zu erteilen, wenn die Verbreitung der Information geeignet war, „den berechtigten Interessen der Gesellschaft zu schaden“. Die deutsche Umsetzung im Börsengesetz übernahm diesen Wortlaut nicht. Nach § 44a Abs. 1 Satz 3 BörsG a. F. kam es stattdessen auf einen „nicht zu rechtfertigendem Nachteil“ an. Im durch das 2. FFG eingeführten § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F. hingegen wurde die Formulierung der Befreiungsregelung so angepasst, dass sie wörtlich den Vorgaben der Börsenzulassungsrichtlinie entsprach. Im geltenden Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie wird für die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gefordert, dass die Bekanntgabe „seinen [bezogen auf den Emittenten, Anm. des Verfassers] berechtigten Interessen
II. Problemstellung
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schaden könnte“. Bei der Umsetzung der Richtlinie hat sich der Gesetzgeber – ohne dies zu begründen – wiederum für eine abweichende Formulierung entschieden. Danach ist der Emittent – bei Beachtung der übrigen Voraussetzungen der Selbstbefreiung – befreit, „so lange es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert“. Aus der Abweichung im Wortlaut folgt aber wiederum keine Abweichung im juristischen Gehalt. Dafür spricht, dass sich aus dem Gesetzgebungsmaterialien kein unterschiedliches Verständnis des Gesetzgebers hinsichtlich der verschiedenen Formulierungen entnehmen lässt. Im Zweifel wäre § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG im Sinne der europarechtlichen Vorgaben von Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie ohnehin richtlinienkonform auszulegen.268
II. Problemstellung Schon daraus, dass § 15 Abs. 3 WpHG das „berechtigte Interesse“ als Tatbestandsmerkmal verwendet, können einige grundlegende Schlüsse gezogen werden. Durch Aufnahme des Merkmals als Voraussetzung der Selbstbefreiung hat der Gesetzgeber anerkannt, dass es Interessen gibt, eine Insiderinformation zumindest nicht sofort zum Zeitpunkt ihres Vorliegens zu veröffentlichen. Aus der Nutzung des Wortes „berechtigt“ kann hergeleitet werden, dass nicht alle Interessen berücksichtigt werden dürfen, sondern nur besondere, eben berechtigte Interessen.269 Mit der Formulierung, dass die Nichtveröffentlichung zum Schutz berechtigter Interessen erforderlich sein muss, scheint der Gesetzgeber in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG zum Ausdruck bringen zu wollen, dass die Nichtveröffentlichung – und damit die Selbstbefreiung – nur die ultima ratio ist. Die Veröffentlichung der Insiderinformation muss die Beeinträchtigung der berechtigten Interessen unvermeidbar zur Folge haben. Dabei ist auch die Möglichkeit einer entsprechenden Umgestaltung der Veröffentlichung in Betracht zu ziehen.270 Allerdings reicht nach Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie aus, dass die Veröffentlichung den berechtigten Interessen schaden könnte. Der Schadenseintritt muss wahrscheinlich, aber nicht gewiss sein.271 Dass die Selbstbefreiung erforderlich ist, muss demnach gerade nicht feststehen. Eine Nichtveröffentlichung ist in richtlinienkonformer Auslegung von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG schon erforderlich, wenn ansonsten eine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen eintreten könnte.272
268 S. H. Schneider, BB 2005, 897 (898); zum Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung siehe auch Kap. B.V.2. 269 So schon BaWe/Deutsche Börse, Leitfaden, S. 49. 270 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 23. 271 S. H. Schneider, BB 2005, 897 (898). 272 S. H. Schneider, BB 2005, 897 (898); Möllers, WM 2005, 1393 (1395).
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
Das „berechtigte Interesse“ in § 15 Abs. 3 WpHG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist.273 Der Begriff „berechtigtes Interesse“ findet in der juristischen Fachsprache in unterschiedlichen Themenbereichen Verwendung.274 Im jeweiligen Kontext kann der Begriff „berechtigtes Interesse“ ganz unterschiedliche Bedeutung haben. Daher erschließt sich der Inhalt der berechtigten Interessen aus dem Kontext der Regelung von § 15 Abs. 3 WpHG.275 Dieser Kontext soll im Folgenden dargestellt werden. Zuvor ist aber noch auf die Frage einzugehen, inwiefern die zu den verschiedenen Zeitpunkten der Gesetzgebungsgeschichte der Ad-hoc-Publizität bestehenden Definitionen des Begriffs noch heute fruchtbar gemacht werden könnten.
III. Neuregelung des AnSVG und vorherige Definitionsansätze Durch die Regelung in § 15 Abs. 3 WpHG ist – wie bereits erwähnt – die Möglichkeit der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht überhaupt erst eingeführt worden. Schon in § 44a BörsG a. F. und in § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. war die Möglichkeit der Antragsbefreiung vorgesehen, die, wie gezeigt, ebenfalls vom berechtigten Interesse des Emittenten abhing. Es stellt sich die Frage, ob nicht einfach die Grundsätze zum Begriff „berechtigtes Interesse“ weiterverwendet werden können, wie sie vor Inkrafttreten des AnSVG verwendet wurden.276 Gegen eine unveränderte Übernahme der hergebrachten Ansätze spricht vor allem die neue Systematik der Selbstbefreiung. In § 15 Abs. 3 WpHG n. F. sind mit der Gewährleistung der Vertraulichkeit und dem Verbot der Irreführung zwei neue, selbstständige Bedingungen für die Selbstbefreiung eingeführt worden. Diese Bedingungen müssen mit dem berechtigten Interesse kumulativ vorliegen.277 In § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F. waren hingegen neben dem berechtigten Interesse des Emittenten keine weiteren materiellen Voraussetzungen der Selbstbefreiung genannt. Zwar musste der Emittent Ansicht des BaWe schon vor Inkrafttreten des AnSVG vor und während einer möglichen Befreiung nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F. die Vertraulichkeit der betroffenen Information gewährleisten.278 Die Pflicht zur Gewährleistung der Vertraulichkeit wurde aber als Teil des berechtigten Interesses des § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F. angesehen. 273 Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 Rn 131; Büche, S. 123; Wilga in: Möllers/Rotter, § 9 Rn 11. 274 Dazu auch v. Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 168. 275 Zur Analyse des Regelungskontexts als Werkzeug der Auslegung: Zippelius, Methodenlehre, S. 52. 276 Dafür Geibel/Schäfter in: Schäfer/Hamann, § 15 Rn 129 und im Ansatz auch S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899). 277 Möllers, WM 2005, 1393 (1395). 278 BaWe/Deutsche Börse, Leitfaden, S. 51.
III. Neuregelung des AnSVG und vorherige Definitionsansätze
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Das hatte zur Folge, dass die Gewährleistung der Vertraulichkeit zumindest theoretisch der Abwägung mit den Geheimhaltungsinteressen des Emittenten zugänglich war. Auch die BaFin hatte die besondere Bedeutung der Gewährleistung der Vertraulichkeit schon vor Inkrafttreten des AnSVG erkannt und ihre Befreiungsbescheide regelmäßig mit der Auflage versehen, die Vertraulichkeit der betreffenden Tatsache durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.279 Die Verwaltungspraxis hatte insofern die neue Gesetzeslage schon vorweg genommen. Ungeklärt blieb allerdings, ob eine solche Auflage im Rahmen von § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F. rechtmäßig war. Für eine veränderte Auslegung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ spricht zudem, dass in § 15 Abs. 3 Satz 1 mit der fehlenden Gefahr der Irreführung eine weitere neue Voraussetzung der Selbstbefreiung eingeführt wurde. Anders als die Pflicht des Emittenten, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten, wurde dieses Merkmal nach altem Recht überhaupt nicht, d.h. auch nicht als Teilaspekt des berechtigten Interesses diskutiert. Das wiegt umso schwerer, weil die Gewährleistung der Vertraulichkeit und das Fehlen einer Irreführungsgefahr nach der Konzeption von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG keiner Abwägung mit dem Geheimhaltungsinteresse des Emittenten zugänglich sind. Liegt eine der Voraussetzungen nicht vor, ist keine Selbstbefreiung mehr möglich,280 ganz gleich wie schwerwiegend das Geheimhaltungsinteresse ist. Da die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG mit Inkrafttreten des AnSVG auf alle konkreten Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen, erweitert wurde, kann die Veröffentlichungspflicht überdies zu einem früheren Zeitpunkt eingreifen.281 Des Weiteren ist zu bedenken, dass der Kreis veröffentlichungspflichtiger Informationen erweitert worden ist.282 Im Gegensatz zur alten Rechtslage kommt es weder auf den Tätigkeitsbereich des Emittenten noch darauf an, dass die Information Einfluss auf die Vermögensoder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten hat.283 Auch das spricht dafür, dass eine Neubewertung des Begriffs „berechtigte Interessen“ erforderlich ist. Aus alledem ist zu folgern, dass der Anwendungsbereich der Selbstbefreiung nach Inkrafttreten des AnSVG weiter gefasst ist als die alte Möglichkeit der Befreiung auf Antrag.284 Diese Erkenntnis schlägt sich zwangs279
Büche, S. 124. CESR, Zweiter Leitfaden, S. 10, Rn 2.10. 281 Simon, Der Konzern 2005, 13 (15); Koch, DB 2005, 267 (271), jeweils zu den sog. mehrstufigen Entscheidungsprozessen. 282 Vgl. u. a. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 52; Simon, Der Konzern 2005, 13 (14); differenzierend Versteegen § 15 Rn 24, mit Kritik an der vor Inkrafttreten des AnSVG gängigen tatsächlichen Umsetzung der damaligen Regelungen. 283 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 53. 284 Das entspricht im Ansatz der ganz herrschenden Meinung, etwa BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 134; Pfüller in: 280
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
läufig in der Bedeutung nieder, die dem Begriff berechtigtes Interesse in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG beizumessen ist. Die zur alten Rechtslage diskutierten Ansätze zum berechtigten Interesse können allenfalls als „Mindeststandards“ herangezogen werden.285
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ Ob ein berechtigtes Interesse des Emittenten vorliegt, ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände für jeden Fall der Befreiung gesondert zu ermitteln.286 Eventualbefreiungen auf Vorrat sind unzulässig.287 Es gibt keine gesetzlich bindende Auflistung von Fällen, in denen das berechtigte Interesse pauschal zu bejahen ist. Das gilt auch für die in § 6 Satz 2 WpAIV aufgeführten Regelbeispiele.288 Für die Regelbeispiele ergibt sich der Bedarf einer genauen Prüfung im Einzelfall aus der Natur von Regelbeispielen. Der Begriff Regelbeispiel impliziert, dass Ausnahmen von der Regel existieren.289 Die Unzulässigkeit einer pauschalen, nicht am konkreten Sachverhalt orientierten Bejahung des berechtigten Interesses hat zur Folge, dass der Emittent jedes Mal, wenn er sich mit der Frage befassen muss, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, die prägenden Grundgedanken der Regelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG zu berücksichtigen hat. Diese Grundgedanken sind vor allem aufgrund der Abstraktheit des Begriffs „berechtigtes Interesse“ von erheblicher Bedeutung. 1. Die Legaldefinition des berechtigten Interesses in § 6 Satz 1 WpAIV Die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie wie auch der Durchführungsrichtlinie enthalten keine Legaldefinition des berechtigten Interesses. Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber eine Legaldefinition in § 6 Satz 1 WpAIV geschaffen. Berechtigte Interessen liegen nach § 6 Satz 1 WpAIV vor, „wenn die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen“. Fuchs, § 15 Rn 353; Büche, S. 219 (zu Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie; Möllers, WM 2005, 1393 (1395) – „relativ großzügige Befreiungsmöglichkeit“. 285 Im Ergebnis auch S. Schneider, BB 2005, 897 (899); vgl. auch Simon, Der Konzern 2005, 13 (19). 286 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 10 Nr. 2.7. 287 U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (55). 288 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 65: „Daraus folgt, dass pauschale Begründungen . . . nicht ausreichend sind.“; a. A. offenbar für den Fall, dass die Voraussetzungen der Regelbeispiele des § 6 Satz 2 WpAIF erfüllt sind, wohl bei Versteegen § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 29. 289 Zur Wirkung von Regelbeispielen im Strafrecht vgl. Fischer, StGB, § 46 Rn 93 f.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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Die Definition des Begriffs berechtigtes Interesse in § 6 Satz 1 WpAIV enthält zwei Elemente, nämlich das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten und dessen Abwägung mit den Interessen des Kapitalmarktes an der Veröffentlichung. Zum Geheimhaltungsinteresse des Emittenten lässt sich festhalten, dass nicht jedem Geheimhaltungsinteresse Bedeutung im Hinblick auf die Selbstbefreiung zukommen kann. Beispielsweise kann ein Emittent aus verschiedensten Gründen zwar ein Geheimhaltungsinteresse daran haben, die Entstehung eines erheblichen Verlustes nicht zu veröffentlichen. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gebietet aber auch und gerade die Veröffentlichung schlechter Nachrichten. Daher muss auch das Geheimhaltungsinteresse nach § 6 Satz 1 WpAIV „berechtigt“ sein. Die Definition der Geheimhaltungsinteressen wirft damit die gleiche Frage auf wie die Frage nach der Definition des Merkmals berechtigte Interessen, nämlich wann eine Berechtigung der Interessen vorliegt.290 Aus dem ersten Teil der Definition von § 6 Satz 1 WpAIV entspringt somit kein Erkenntnisgewinn im Vergleich zu Artikel 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie oder § 15 Abs. 3 WpHG. Das Geheimhaltungsinteresse kann daher als berechtigtes Interesse im engeren Sinne bezeichnet werden.291 Auf dieses berechtigte Interesse im engeren Sinne beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen. Als eingrenzendes Element der Definition von § 6 Satz 1 WpAIV verbleibt die Abwägung des Geheimhaltungsinteresses mit den Kapitalmarktinteressen an der Veröffentlichung. Auf diese Abwägung und den Inhalt der Kapitalmarktinteressen wird erst nach dem Versuch der näheren Definition der berechtigten Geheimhaltungsinteressen im engeren Sinne von § 6 Satz 1 WpAIV eingegangen.292 Für das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten bzw. das berechtigte Interesse im engeren Sinn bedeutet das Abwägungserfordernis lediglich, dass die Veröffentlichungsinteressen des Kapitalmarkts nicht Teil des aufgezeigten, engeren Interessenbegriffs sind. 2. Die Selbstbefreiung als Ausnahmeregelung oder Korrektiv der weiten Ad-hoc-Publizitätspflicht? Die Einordnung der Selbstbefreiung als Ausnahmeregelung oder Korrektiv der Ad-hoc-Publizitätspflicht könnte sich auf das Verständnis der Geheimhaltungsinteressen in § 6 Satz 1 WpAIV, d.h. der berechtigten Interessen im engeren Sinne, auswirken. Daher bedarf es einer näheren Betrachtung der dazu vertretenen Ansätze. 290 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 152, der im Ergebnis die Definition von § 6 Satz 1 WpAIV insgesamt ablehnt. 291 So im Ergebnis auch BaFin, S. 66 („Das berechtigte Interesse des Emittenten ist gegenüber dem Interesse des Kapitalmarktes abzuwägen.“, Hervorhebung des Autors); andere Ansicht Wilga in: Möllers/Rotter, § 9 Rn 17, für den die Frage des Berechtigung des Interesses erst durch die Abwägung mit den Kapitalmarktinteressen zu klären ist. 292 Siehe dazu Kap. D.V.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
a) Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG als Ausnahmeregelung? Im Schrifttum wird häufig die These vertreten, Ad-hoc-Publizitätspflicht aus § 15 Abs. 1 WpHG und Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG stünden in einem Regel-Ausnahmeverhältnis.293 Auch das CESR vertritt den Standpunkt, dass die Selbstbefreiung eine Ausnahmevorschrift sei.294 In diese Richtung tendiert wohl auch die BaFin. Sie geht im Emittentenleitfaden davon aus, dass bei der Auslegung von § 15 WpHG insgesamt (also auch von dessen Abs. 3) in Zweifelsfällen die Auslegungsvariante zu wählen sei, „die den Gesetzeszielen – Prävention von Insiderhandel und Herstellung größtmöglicher Chancengleichheit und Transparenz – am besten gerecht wird“.295 Dagegen ist einzuwenden, dass sich aus dem Wortlaut des Gesetzes der Schluss auf ein Regel-Ausnahmeverhältnis nicht herleiten lässt. Des Weiteren sprechen auch methodische Argumente gegen die Ansicht, dass die Selbstbefreiung als Ausnahmeregelung anzusehen ist. So stellt die überwiegende Anzahl der Vertreter der Ansicht, es handele sich um eine Ausnahmevorschrift, dies schlichtweg fest,296 ohne dass die von ihnen angenommene Rechtsnatur entsprechend hergeleitet wird. Die Beantwortung der Frage, ob § 15 Abs. 3 WpHG eine Ausnahmevorschrift ist, setzt nach allgemeinen Grundsätzen auf der ersten Stufe eine mit den verfügbaren Konkretisierungselementen erarbeitete Vorentscheidung darüber voraus, welcher normative Gehalt die Rechtsnorm als Ausnahmevorschrift kennzeichnen soll.297 Demnach bedarf es der Klärung, wie die angesprochene Vorentscheidung im Falle des Verhältnisses zwischen Selbstbefreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG und der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG zum Regel-Ausnahmeverhältnis beider Tatbestände ausfällt. Der Standort der Rechtssätze im Gesetz entscheidet hierüber noch nicht.298 Ein Regel-Ausnahmeverhältnis wird nicht bereits durch die Tatsache indiziert, dass die Selbstbefreiung in § 15 Abs. 3 WpHG und nicht zusammen mit dem Grundtatbestand in § 15 Abs. 1 WpHG geregelt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob das Gesetz eine Regel, der es in möglichst weitem Umfang Geltung zu verschaffen sucht, für bestimmte, meist eng umgrenzte Fälle 293 Ausgehend von Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2218; ihm folgend: Fleischer/ Schmolke, AG 2007, 841 (851); Nietsch, BB 2005, 785, 788; Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (408), die dies sogar als unstreitig bezeichnen (dort Fn 29); wohl auch Staake, BB 2006, 1573 (1575). 294 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 9; dort heißt es „. . . as the right to delay the disclosure of inside information is a derogation from the general rule rather than the norm . . .“ 295 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 47. 296 Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2218) stellt lediglich fest: „Die Vorschrift kann nur Ausnahmecharakter haben.“; ähnlich auch das CESR, Zweiter Leitfaden, S. 9. 297 Müller, Juristische Methodik, Rn 373. 298 Larenz, Methodenlehre, S. 355.
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durchbrochen hat, weil die Durchführung der Regel dem Gesetzgeber in diesen Fällen wenig praktikabel oder unangebracht erschien und er deshalb glaubte, hier darauf verzichten zu können.299 Ein Teil dieser Voraussetzungen für die Annahme des Regel-Ausnahme-Verhältnis ist im vorliegenden Fall erfüllt. Der Gesetzgeber wollte der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, insbesondere in der Neufassung durch Marktmissbrauchsrichtlinie und AnSVG, möglichst weite Geltung verschaffen.300 Fraglich ist aber, ob auch das zweite Kriterium für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis erfüllt ist, ob also mit der Selbstbefreiung nur eine Durchbrechung der Grundregel für eng umgrenzte Fälle geschaffen werden sollte. Die Materialien zu den primären Rechtsgrundlagen der Ad-hoc-Publizitätspflicht enthalten dazu keine Aussage. Die Durchführungsrichtlinie hingegen scheint für das Vorliegen des Kriteriums zu sprechen. Erwägungsgrund 5 der englischen Fassung besagt, dass für den Aufschub der Veröffentlichung eng definierte spezifische Umstände vorliegen müssen („closely defined specific circumstances“). In der deutschen Übersetzung der Durchführungsrichtlinie geht dieser wichtige Aspekt verloren.301 Jedoch lässt sich Erwägungsgrund 5 ohnehin nicht mit der tatsächlichen Regelung der Selbstbefreiungsmöglichkeit in Art. 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie in Einklang bringen. Dort ist ausdrücklich erwähnt, dass die beiden Beispiele nicht abschließend seien. Wirft man dann einen Blick auf den Inhalt der beiden Regelbeispiele selbst, fällt schon beim ersten Lesen auf, dass die dort behandelten Fälle alles andere als eng definiert („closely defined“) sind. Beide Regelbeispiele bedienen sich vielmehr unbestimmter Rechtsbegriffe.302 Die Fälle, in denen die Regelbeispiele greifen, sind somit gerade nicht eng umgrenzt. Zudem ist zu vergegenwärtigen, dass die Ermächtigung für den Erlass der Durchführungsrichtlinie allein für die „technischen Modalitäten für die Aufschiebung der Bekanntgabe von Insider-Informationen“ gilt.303 Es darf bezweifelt werden, dass die Festlegung von Auslegungsgrundsätzen sich noch im Bereich der Festlegung von „technischen Modalitäten“ bewegt. Fraglich ist daher auch, ob die Kommission bei Anwendung des Lamfalussy-Verfahrens überhaupt Aussagen zur Rechtsnatur der Selbstbefreiung, wie sie in der Marktmissbrauchsrichtlinie geregelt wurde, treffen durfte. Es fehlen somit Hinweise darauf, dass die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität mit der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG nur für bestimmte, eng umgrenzte Fälle durchbrochen werden soll. Die Ansicht, wonach § 15 Abs. 3 WpHG als Ausnahmevorschrift zu charakterisieren ist und nach der
299
Larenz, Methodenlehre, S. 355. Marktmissbrauchsrichtlinie, Erwägungsgrund 24; allgemein gilt für die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten „in dubio pro publicatione“, zit. nach U. H. Schneider in: Assmann/U. H. Schneider, § 28 Rn 67. 301 Erwägungsgrund 5 spricht in der deutschen Fassung nur von „spezifischen Umständen“. 302 Zur Anwendung der Regelbeispiele siehe Kap. G.II.3. und G.III.3. 303 Vgl. Art. 6 Abs. 10 Marktmissbrauchsrichtlinie. 300
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
der Begriff berechtigtes Interesse und die weiteren Voraussetzungen folglich eng bzw. im Zweifel publizitätsfreundlich auszulegen seien, ist somit abzulehnen.304 b) Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG als Korrektiv der Ad-hoc-Publizitätspflicht? Teilweise wird die Selbstbefreiung § 15 Abs. 3 WpHG im Schrifttum als Korrektiv zur durch das AnSVG erfolgten Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht bezeichnet.305 Hätte § 15 Abs. 3 WpHG eine derartige korrigierende Funktion, würde das eine weite Auslegung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ nahelegen. Die Annahme eines Korrektivs setzt freilich zunächst voraus, dass eine korrekturbedürftige Lage gegeben ist. Es mag zwar richtig sein, dass insbesondere der Begriff „berechtigtes Interesse“ nach Inkrafttreten des AnSVG weiter zu verstehen ist als in der Fassung nach dem 2. FFG.306 Das alleine vermag aber das Vorliegen der zu korrigierenden Lage bzw. die Korrektivfunktion der Selbstbefreiung nicht zu belegen. Gegen die Bewertung der Selbstbefreiung als Korrektiv spricht, dass der Gesetzgeber u. a. mit der Reform der Ad-hoc-Publizitätspflicht die Transparenz der Finanzmärkte erhöhen wollte.307 Die Ausweitung der Ad-hocPublizitätspflicht geschah ganz bewusst. Die Nebenfolgen hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Erforderlich ist keine weite und korrigierende Auslegung, sondern ein neues Verständnis des berechtigten Interesses und der Selbstbefreiung allgemein.308 c) Zwischenfazit: § 15 Abs. 1 Satz 1 und § 15 Abs. 3 WpHG als einheitlicher Publizitätstatbestand Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ist weder Ausnahmeregelung noch Korrektiv. Insbesondere für das Geheimhaltungsinteresse im engeren Sinn gilt somit weder der Grundsatz einer engen noch der Grundsatz einer weiten Auslegung. Vielmehr gelten für § 15 WpHG insgesamt die gleichen Auslegungsmaßstäbe. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und die
304 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 145; Assmann in: Assmann/ U. H. Schneider, § 15 Rn 134 und 149. 305 Assmann in: Assmann/U. Schneider, § 15 Rn 134 und 149; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 355; für ein weites Verständnis der Voraussetzungen Selbstbefreiung allgemein plädieren etwa auch Simon, Der Konzern 2005, 13 (19) und Cahn/Götz, AG 2007, 219 (223). 306 So Simon, Der Konzern 2005, 13 (19); Assmann in: Assmann/U. Schneider, § 15 Rn 131 und 134; Cahn/Götz, AG 2007, 219 (223). 307 Siehe dazu Kap. B.IV.2. 308 In die Richtung auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 147.
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Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG können somit als einheitlicher Publizitätstatbestand begriffen werden. Das Nichtvorliegen mindestens einer Voraussetzung der Selbstbefreiung in § 15 Abs. 3 WpHG bildet somit eine negative Tatbestandsvoraussetzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht selbst.309 3. Herleitung von Auslegungskriterien aus den Regelbeispielen von § 6 Satz 2 WpAIV Ein weiterer Ansatz zur näheren Bestimmung des berechtigten Interesses ergibt sich aus den nationalen und europäischen Durchführungsbestimmungen zur Selbstbefreiung. Art. 3 der Durchführungsrichtlinie der Marktmissbrauchsrichtlinie nennt zwei Regelbeispiele, die der Gesetzgeber in § 6 Satz 2 WpAIV in deutsches Recht umgesetzt hat. Demnach kann das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten das Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarktes insbesondere überwiegen, wenn (1) das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde, oder (2) durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder andere getroffene Entscheidungen zusammen mit der Ankündigung bekannt gegeben werden müssten, dass die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten noch aussteht, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde. a) Zulässigkeit der Verallgemeinerung der Regelbeispiele von § 6 Satz 2 WpAIV Auf den Inhalt der Beispiele soll später näher eingegangen werden. Vorab stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, aus den in § 6 Satz 2 WpAIV geregelten Fällen, in denen der Gesetzgeber ein berechtigtes Interesse des Emittenten an der Befreiung regelmäßig als gegeben ansieht, Schlüsse auf die allgemein an das berechtigte Interesse zu stellenden Anforderungen herzuleiten.310 Eine solche Verallgemeinerung der Grundgedanken der Regelbeispiele ist mit dem Verweis darauf abgelehnt worden, dass Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie wörtlich genommen werden müsste, wonach berechtigte Interessen ausreichten.311 Es genügten deshalb „legitime Belange des Emittenten von nicht 309 So auch Parmentier, NZG 2007, 407 (415); in die Richtung auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 145. 310 In die Richtung auch Simon, Der Konzern 2005, 13 (19), der für sein weites Verständnis des Begriff berechtigtes Interesse auf den Inhalt der Regelbeispiele verweist. 311 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 30.
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ganz untergeordneter Bedeutung“.312 Wenn die Regelbeispiele keinen Maßstab für andere Fälle des Begriffs berechtigtes Interesse bilden sollen, wie es diese Ansicht vorschlägt, spielen die grundlegenden Aussagen der Beispiele für die Auslegung des Begriffs berechtigtes Interesse keine Rolle. Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Gesetz auch nicht die Aussage zu entnehmen ist, der Begriff „berechtigt“ sei gleichbedeutend mit „nicht ganz untergeordnet“. Wenn der Gesetzgeber zwei Beispiele für berechtigte Interessen nennt, so ist natürlich davon auszugehen, dass darin auch ein Hinweis für das zu fordernde Gewicht der berechtigten Interessen in sonstigen Fällen zu sehen ist. b) Die Rechtsnatur von § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAIV als Regelbeispiele für das berechtigte Geheimhaltungsinteresse § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAIV beruhen auf Art. 3 Durchführungsrichtlinie. Ordnet man § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAIV als Regelbeispiel ein, wovon hier bisher ohne nähere Erörterung ausgegangen worden ist, kann aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall die Rechtsfolge (hier: Bejahung berechtigten Interesses) auch eintreten, wenn die Voraussetzungen der Beispiele nicht vorliegen. Umgekehrt kann die Rechtsfolge des Regelbeispiels in besonderen Einzelfällen nicht eintreten, wenn die Voraussetzungen eines Beispiels eigentlich vorliegen. Die Rechtsnatur der Fälle von § 6 Satz 2 WpAIV als Regelbeispiele ist vereinzelt bestritten worden. Gegen die Behandlung der § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAIV als Regelbeispiele ist eingewandt worden, Art. 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie habe zum Ausdruck bringen wollen, dass sich neben den gegebenen Beispielen berechtigte Interessen auch aus anderen Gründen ergeben können.313 Damit läge immer, wenn die Voraussetzungen eines der „Beispiele“ gegeben seien, ein berechtigtes Interesse vor. Dafür spreche auch die von den „Beispielen“ intendierte Hilfestellung für den Emittenten bei der Prüfung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt.314 Diese Auffassung ist abzulehnen. Das legt gerade die englische Fassung von Art. 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie nahe, der sich die der Einordnung von § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAIV als Regelbeispiel widersetzende Auffassung bedient. Dort heißt es auszugsweise: „. . . legitimate interests may, in particular, relate to the following non-exhaustive circumstances . . .“. Die Verwendung des Wortes „may“ (deutsch: könnte/kann) bringt nicht nur den nicht-abschließenden Charakter von Art. 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie zum Ausdruck. Dies ge312
Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – auf den englischen Wortlaut („. . . legitmate interests following non-exhaustive circumstances“). 314 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 313
6 WpAIV Rn 30. § 6 WpAIV Rn 28 mit Verweis may, in particular, relate to the 6 WpAIV Rn 29.
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schieht bereits durch die Verwendung des Begriffes „non-exhaustive“ (deutsch etwa: nicht abschließend). Das Wort „may“ kann in diesem Zusammenhang also nur bedeuten, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 lit. a) oder b) Durchführungsrichtlinie ein berechtigtes Interesse gegeben sein kann, aber nicht muss. Des Weiteren geben sowohl englische als auch deutsche Fassung vor, dass sich die berechtigten Interessen auf die Regelbeispiele beziehen („relate“) können. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber diese Formulierung nicht verwendet hätte, wenn er ein berechtigtes Interesse bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 lit. a) oder b) Durchführungsrichtlinie immer hätte annehmen wollen. Die Formulierung von § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpaIV als Regelbeispiel entspricht den Vorgaben der Durchführungsrichtlinie.315 Somit handelt es sich bei § 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 WpAIV im rechtstechnischen Sinne um Regelbeispiele.316 Auf dieser Grundlage kann nunmehr der Versuch unternommen werden, aus den Regelbeispielen verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse für den Inhalt von berechtigten Interessen zu gewinnen. c) § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV und die Bewahrung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit Nach § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV kann ein berechtigtes Interesse des Emittenten vorliegen, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde. Die Regelung setzt Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie in deutsches Recht um. Vereinzelt wurde im Schrifttum bereits der Versuch unternommen, aus § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV verallgemeinerungsfähige Aussagen abzuleiten. So ist vertreten worden, dem Regelbeispiel liege der Gedanke zu Grunde, dass ein berechtigtes Aufschubsinteresse des Emittenten gegeben sei, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung der unternehmerischen Ziele oder der geschäftlichen Entwicklung die Folge der Veröffentlichung wäre. Dann sei mit der Selbstbefreiung indirekt auch den Anlegerinteressen gedient.317 Nach einer weiteren Ansicht ist ein berechtigtes Interesse anzunehmen, wenn eine Veröffent315 In diese Richtung auch CESR, Zweiter Leitfaden, S. 10, die das Erfordernis einer Einzelfallabwägung nochmals ausdrücklich betonen („. . . issuers will need to consider the particular circumstances of their case when deciding whether they can delay disclosure.“) 316 So auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 136; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 380: Gunßer, S. 89; U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (54); Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469 (473); Veith, NZG 2005, 254 (256). 317 Schwintek, S. 34.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
lichung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Erfolg, den Eintritt oder die Durchführbarkeit des Ereignisses, auf das sich die Insiderinformation bezieht, gefährden oder andererseits der Eintritt eines für den Emittenten negativen, aber durch geeignete Maßnahmen abwendbaren Ereignisses herbeiführen würde und dem Emittenten daraus ein nicht unerheblicher Nachteil entstehen würde.318 Die beiden zitierten Ansätze beruhen auf der Erkenntnis, dass die Veröffentlichung bestimmter Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt die unternehmerische Tätigkeit des Emittenten beeinträchtigen kann. Der in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV geregelte Sachverhalt ist somit Ausdruck des Gedankens, dass die Kapitalmarknotierung und die damit einhergehende Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht zu einer solchen unverhältnismäßigen Beeinträchtigung führen solle. Dieser Interpretationsansatz ist nicht gänzlich neu. So wurde der Sinn der Befreiung schon unter § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F. auch im Schutz der wettbewerbspolitischen Interessen des Emittenten gesehen.319 Wettbewerbspolitische Schutzinteressen sollten vor allem bei existenzbedrohenden Situationen im Falle einer beabsichtigten Sanierung oder bei durch die Veröffentlichung zu befürchtenden Wettbewerbsnachteilen gegeben sein.320 Die Möglichkeit zur Befreiung nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F. war somit vorrangig an die möglichen Auswirkungen einer Ad-hoc-Mitteilung auf die Geschäftsentwicklung des Emittenten geknüpft. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse liegt demnach vor, wenn Gefahr besteht, dass die vorzeitige Veröffentlichung einer Insiderinformation die Verwirklichung unternehmerischer Ziele beeinträchtigt.321 Dieser Aspekt des berechtigten Interesses ist auch mit der Zielsetzung vereinbar, die der Gesetzgeber mit der Marktmissbrauchsrichtlinie und dem AnSVG verfolgt. Eine zu starke Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Emittenten würde die Erfolgchancen der Emittenten und dann letztlich das Anlegervertrauen und die Marktintegrität noch erheblicher mindern als zu geringe Transparenz oder zu befürchtender Insiderhandel. Allerdings kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden, ob eine Benachteiligung gegenüber dem Wettbewerber durch Publizität bereits „unbillig“ ist. Dazu müssen die Vorteile, die Wettbewerber durch die Veröffentlichung erfahren, und die daraus entstehenden Einbußen für den Emittenten betrachtet werden. Es versteht sich von selbst, dass die herangezogenen geschäftlichen Gründe für den Aufschub eine große Plausibilität aufweisen müssen. Ansonsten ließe 318 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 150 – allerdings ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV. 319 RegE 2. FFG BT-Drucks. 12/6679, S. 48; Geibel in: Schäfer (1999), § 15 WpHG Rn 114. 320 Geibel in: Schäfer (1999), § 15 WpHG Rn 114; Kümpel/Assmann in: Assmann/ U. H. Schneider (3. Auflage), § 15 Rn 137; einschränkend bei Wettbewerbsnachteilen v. Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 170. 321 So auch Veith, NZG 2005, 254 (257); Simon, Der Konzern 2005, 13 (19).
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sich die Erfüllung der Publizitätspflicht mit nur vorgeschobenen Begründungen umgehen. d) Schutz der Anleger vor Irreführung durch § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV Aus der Regelung von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV, dem zweiten Regelbeispiel für das berechtigte Interesse, lässt sich ein weiterer, verallgemeinerungsfähiger Grundgedanke der Selbstbefreiung ableiten. Um eine Einschätzung nach den Vorgaben von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV vornehmen zu können und zu prüfen, ob die Veröffentlichung die sachgerechte Bewertung der Information durch das Anlegerpublikum gefährden könnte, muss der Emittent etwaige Marktreaktionen auf die Ad-hoc-Mitteilung abschätzen. Er ist verpflichtet, eine Prognose der Bewertung der Veröffentlichung der betreffenden Insiderinformation am Kapitalmarkt anzustellen. Ergibt die Prognose, dass der Markt die Information nicht sachgerecht bewerten würde, liegt ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vor. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum eine solche Prognose nur im Fall der in § 6 Abs. 2 Nr. 2 WpAIV ausdrücklich geregelten mehrstufigen Entscheidungsprozesse und nicht im Fall sonstiger gestreckter Sachverhalte möglich und sogar notwendig sein soll. Somit zeigt § 6 Abs. 2 Nr. 2 WpAIV exemplarisch, dass trotz formal richtiger Anknüpfung an die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Veröffentlichung bestimmter Informationen gerade aus Sicht des Kapitalmarktes nicht wünschenswert ist. Die Annahme irriger Kapitalmarktreaktionen kann somit nicht nur in den von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV erfassten Fällen eine Selbstbefreiung rechtfertigen. e) Gemeinsame Merkmale der Regelbeispiele Die Regelbeispiele des § 6 Satz 2 WpAIV weisen Gemeinsamkeiten hinsichtlich der zeitlichen Dimension der ihnen zu Grunde liegenden Vorgänge auf. Sowohl bei den laufenden Verhandlungen nach § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV als auch bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV handelte es sich um mehraktige Vorgänge. Während sich § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV auf (zumindest auch) emittentenexterne Vorgänge bezieht, handelt § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV von der Behandlung von internen Vorgängen. Die Mehraktigkeit der Vorgänge ergibt sich daraus, dass die Vorgänge nicht in einem einzigen Moment eintreten und ihre Wirkung entfalten.322 Vielmehr handelt es sich um laufende Entwicklungen, die die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllen, bevor sie abgeschlossen sind. Nicht der Abschluss des Vorgangs, sondern bereits 322 Obwohl es natürlich auch solche ad-hoc-pflichtigen Vorgänge gibt; die im Emittentenleitfaden der BaFin, S. 56 f., für veröffentlichungspflichtige Informationen gegebenen Beispiele zeigen, dass es sich dann aber häufig um Ereignisse außerhalb der Kontrolle des Emittenten handelt, wie etwa Urteile oder Schadensfälle.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
dessen einzelne Akte sind grundsätzlich veröffentlichungspflichtig.323 Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ist nur sinnvoll, wenn die Information, deren Veröffentlichung aufgeschoben werden soll, einen Lebenssachverhalt mit mehreren Stufen betrifft. Wenn keine nachträgliche Veränderung des Prozesses mehr möglich ist, gibt es keine Notwendigkeit für eine Selbstbefreiung. Sachverhalten, bei denen eine Selbstbefreiung in Betracht kommt, ist somit eine Mehraktigkeit inhärent. 4. Der Inlandsemittent als Interessenträger Sowohl in Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie als auch in § 15 Abs. 3 WpHG ist von berechtigten Interessen des Emittenten die Rede. Ausgangspunkt beider Vorschriften ist somit, dass der Emittent eigene Interessen im Hinblick auf seine Veröffentlichungspflichten hat. Im Zusammenhang mit diesen eigenen Interessen ist zu vergegenwärtigen, dass Inlandsemittenten regelmäßig börsennotierte Unternehmen sind, die in der weit überwiegenden Zahl als Aktiengesellschaften organisiert sind. Fraglich ist, ob eine Aktiengesellschaft gerade im Hinblick auf ihr (Ad-hoc-)Publizitätsverhalten eigene Interessen hat. Zudem stellt sich die Frage, ob die potentiellen und/oder gegenwärtigen Aktionäre Interessen haben, die sich auf das Verständnis des Begriffs „berechtigtes Interesse“ auswirken können. Außerdem ist darauf einzugehen, ob andere Interessengruppen, die mit dem Unternehmen in Berührung kommen, zu berücksichtigen sein können. Zuletzt stellt sich die Frage, welche Rolle Konzernstrukturen bei der Ermittlung des berechtigten Interesses des Emittenten spielen. a) Interessen des Emittenten „an sich“ Indem Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie und § 15 Abs. 3 WpHG dem Emittenten die Selbstbefreiung immer dann gewähren, wenn dies seine berechtigten Interessen erfordern, legen diese Vorschriften die Existenz von Interessen nahe, die dem Emittenten gehören oder aus ihm hervorgehen. Davon geht anscheinend auch die BaFin aus, wenn sie formuliert, dass nur die berechtigten Interessen „des Emittenten selbst“ zu berücksichtigen seien.324 Zu bedenken ist, dass der Emittent, ob als Aktiengesellschaft oder in anderer Rechtsform organisiert, regelmäßig ein Verband ist, in dem viele verschiedene Interessen und Interessengruppen zusammentreffen.325 Neben den Aktionären 323 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 31; Möllers, WM 2005, 1393 (1394); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1900). 324 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 66. 325 Vgl. nur zur Interessenpluralität in der AG Hüffer, AktG, § 76 Rn 13; Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn 12.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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haben auch Arbeitnehmer, Gläubiger und Lieferanten Interessen, die mit dem Unternehmen bzw. dem Emittenten verknüpft sind. Es stellt sich die Frage, ob neben den Interessen der vorgenannten Gruppen eigene Interessen der AG, bzw. des Emittenten existieren. Diese Frage lässt sich durch Heranziehung der entsprechenden Diskussion im aktienrechtlichen Schrifttum beantworten. Im Aktienrecht werden die Auswirkungen der Interessenpluralität in der AG schon lange Zeit diskutiert. Ausgangspunkt der aktienrechtlichen Diskussion ist die Frage, ob und wie der Vorstand einer AG die unterschiedlichen Interessen berücksichtigen darf, wenn er im Rahmen seiner Leitungskompetenz nach § 76 AktG eine konkrete Entscheidung trifft. Nach der vorherrschenden Meinung kann der Vorstand bei seinen Entscheidungen grundsätzlich alle im Unternehmen zusammentreffenden Interessen nach eigenem, pflichtgemäßem Ermessen berücksichtigen.326 Eine Begrenzung der Berücksichtigungsfähigkeit der verschiedenen Interessen wird in der Pflicht des Vorstands gesehen, für den Bestand des Unternehmens und damit für dauerhafte Rentabilität zu sorgen.327 In dieser allerdings wenig konkreten Maßgabe ist das ureigene Gesellschafts- oder Unternehmensinteresse zu sehen. Diese Argumentation lässt sich zur Ermittlung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses eines Emittenten heranziehen. Wenn die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG den Emittenten zur Veröffentlichung von Mitteilungen zwingen würde, die die Rentabilität des Emittenten gefährden würde, würde der Kapitalmarkt insgesamt erheblich an Attraktivität verlieren. Die mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht beabsichtigte Wirkung, nämlich die Stärkung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, würde in ihr Gegenteil verkehrt. Für eine Einbeziehung der Rentabilität des Emittenten bei der Prüfung der Frage, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vorliegt, spricht auch das Regelbeispiel in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV, das, wie bereits gezeigt,328 mit der Bewahrung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit eine ähnliche Zielsetzung hat. Da die Rentabilität des Emittenten in gewissem Maße allen genanten Interessegruppen zu Gute kommt und die Aufspaltung der Interessen in dieser Hinsicht belanglos ist, kann das Rentabilitätsinteresse als das Emittenteninteresse bezeichnet werden.
326
Hüffer, AktG § 76 Rn 12. Hüffer, AktG, § 76 Rn 12; Kort in: Großkommentar AktG, § 76 Rn 52; auch Spindler in: MüKo AktG, § 76 Rn 73, die dies aber als eigene Leitlinie ansehen, die nicht auf ein Gesellschafts- oder Unternehmensinteresse zurückgeführt wird. 328 Siehe dazu Kap. D.IV.3.c). 327
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
b) Interessen der Anteilsinhaber Als Rechtfertigung für ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse kommen auch Interessen der Anleger in Betracht. Es ist zwischen Interessen der aktuellen Anteilsinhaber und den gemeinsamen Interessen von aktuellen und potentiellen Anteilsinhabern zu unterscheiden. Letztere können als Interessen des Publikums oder Interessen des Kapitalmarktes bezeichnet werden. Dass es sich bei den Interessen der Anteilsinhaber um vom Emittenteninteresse „an sich“ losgelöste nicht zwingend identische Interessen handelt und welche Folgerungen aus dieser Tatsache zu ziehen sind, ist im Schrifttum zu § 15 Abs. 3 WpHG bisher nur andeutungsweise diskutiert worden. Es findet sich der Hinweis, dass der Schutz des Unternehmensinteresses von den Anteilseignerinteressen nicht völlig losgelöst betrachtet werden kann.329 Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass mit dem Schutz der Emittenteninteressen indirekt auch die Anleger geschützt würden.330 Nach dieser Meinung wäre der Schutz der Anleger nur ein Reflex des Schutzes der Emittenteninteressen. Nur vereinzelt wird die Ansicht vertreten, dass ein Emittenteninteresse „an sich“ nicht existiere und, dass die Interessen des Emittenten aufgrund der kapitalmarktrechtlichen Perspektive des WpHG ausschließlich diejenigen der aktuellen Anleger, also der Anteilseigner des Emittenten sein könnten.331 Ob die Anlegerinteressen als Teil des Emittenteninteresses, nur im Wege eines Rechtsreflexes oder gar eigenständig geschützt sind, ist im Ergebnis aber wohl nicht erheblich. In den meisten Fällen wird ohnehin ein Gleichlauf der Interessen vorliegen. Gegenläufige Anlegerinteressen sind erst im Rahmen der Abwägung des berechtigten Interesses im engeren Sinne mit dem Kapitalmarktinteresse an der Veröffentlichung der Information zu berücksichtigen. Für das berechtigte Interesse im engeren Sinne ist festzuhalten: Die Schädigung der Interessen des Emittenten kann den Börsenwert des Emittenten negativ beeinflussen. Verständige Anleger haben aber ein Interesse an möglichst zu jedem Zeitpunkt hohen Börsenkursen. Somit können ihre Interessen durch verfrühte Veröffentlichungen geschädigt werden. Unterschiede können sich allenfalls ergeben, weil die Interessen auch dann aus der kapitalmarktrechtlichen Perspektive schützenswert sind, wenn sie sich weder aus den Rentabilitätszielen des Emittenten ableiten lassen noch zwingend mit diesen Zielen übereinstimmen. Das ist vorstellbar, wenn es für die Anleger kurzfristig um die Realisierung von erheblichen Profiten geht. Jedoch ist zu beachten, dass die Anteilsinhaberinteressen nur insoweit schützenswert sind, als sie mit dem Anlegerleitbild des verständigen Anlegers übereinstim329
Weber, ZGR 2001, 422 (448). Schwintek, S. 34. 331 Fülbier, zu § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a. F.; in die Richtung auch Koch DB 2005, 267 (272), dem zu Folge der Befreiungstatbestand stets greifen soll, wenn die Veröffentlichung den Interessen der Aktionäre schaden würde. 330
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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men. Teil dieses Leitbildes ist ein längerfristiger Anlagehorizont. Daher gewährt das berechtigte Interesse für die Berücksichtigung von vom Emittenteninteresse „an sich“ abweichenden kurzfristigen Interessen von Anlegern keinen Raum. c) Interessen des Anlegerpublikums Die Regelung des § 6 Satz 1 WpAIV, die den Geheimhaltungsinteressen des Emittenten die Veröffentlichungsinteressen des Kapitalmarktes gegenüberstellt, legt nahe, dass zu den Emittenteninteressen nicht diejenigen der potentiellen Aktionäre, also die Interessen des Anlegerpublikums gehören. Für eine Berücksichtigung von Interessen des Anlegerpublikum an einer Nichtveröffentlichung von Insiderinformationen spricht indes das Regelbeispiel in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV, wonach die Möglichkeit des Aufschubs der Veröffentlichung unter anderem davon abhängt, ob nur so eine „sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum“ möglich ist. Das Schrifttum, welches sich vor Inkrafttreten des AnSVG mit der Antragsbefreiung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. befasste, sah im Schutz des Anlegerpublikums vor Irreführung durch die Veröffentlichung teilweise einen Aspekt des berechtigten Interesses des Emittenten.332 Nach dieser Ansicht konnte die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht ganz allgemein auch auf eine drohende Irreführung der Anleger im Falle der zu frühen Veröffentlichung gestützt werden.333 Die Erwähnung des Schutzes der sachgerechten Bewertung einer Information durch das Publikum in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV zeigt, dass dieser Gedanke auch nach Inkrafttreten des AnSVG Gültigkeit hat. Die Gefahr einer Irreführung ist somit nicht nur ein Merkmal, das die Möglichkeit zur Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ausschließt, sondern kann im Gegenteil in bestimmten Situationen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse und damit eine Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität begründen. Entgegen dem Wortlaut von § 6 Satz 1 WpAIV, der Interessen des Kapitalmarkts ausschließlich den Geheimhaltungsinteressen gegenüberstellt, kann in bestimmten Fällen auch ein Interesse des Kapitalmarkts an der Nichtveröffentlichung gegeben sein.334 Diese besonderen Kapitalmarktinteressen sind dann als Interessen des Emittenten anzusehen.
332 Kümpel/Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (3. Auflage), § 15 Rn 73–75 (zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AnSVG). 333 Kümpel/Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (3. Auflage), § 15 Rn 73–75. 334 Simon, Der Konzern 2005, 13 (19); Cahn/Götz, AG 2007, 221 (225), wonach ein Aufschub der Veröffentlichung durchaus dem Interesse des Kapitalmarkts entsprechen kann.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
d) Weitere Stakeholderinteressen Das in der BaFin aufgegangene Bundesamt für Wertpapierhandel hat in einem Leitfaden zur Ad-hoc-Publizität, dem Vorläufer zum Emittentenleitfaden, zur Antragsbefreiung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. die Ansicht vertreten, dass ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Emittenten auf die Interessen von Mitarbeitern und Gläubigern gestützt werden kann.335 Vereinzelt finden sich entsprechende Äußerungen auch im Schrifttum.336 Wenn diese Ansicht zutrifft, müssten neben den Anteilsinhabern und dem Kapitalmarkt auch die anderen so genannten „Stakeholder“ des Inlandsemittenten bei der Ermittlung des berechtigten Interesses nach § 15 Abs. 3 WpHG einbezogen werden. Trotz fehlender ausdrücklicher Bezugnahme lässt sich aus den verwendeten Begriffen ableiten, dass diese Auffassung auf eine Übertragung der herrschenden Meinung aus dem aktienrechtlichen Schrifttum zurückgehen. Kurz zusammengefasst, wird im aktienrechtlichen Schrifttum die Berücksichtigung von Stakeholderinteressen bei Ausübung des Vorstandsermessens in der Aktiengesellschaft als zulässig angesehen.337 Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass die dauerhafte Rentabilität bzw. der Bestand des Unternehmens gefährdet ist.338 Es stellt sich die Frage, ob sich dieser Ansatz zum Ausgleich der Interessengegensätze innerhalb einer Aktiengesellschaft auf die kapitalmarktrechtliche Regelung der Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht übertragen lässt. Sinn macht dieser Ansatz nur, wenn überhaupt Situationen denkbar sind, in denen die Stakeholder im Hinblick auf die Veröffentlichung von Insiderinformationen berechtigte Aufschubinteressen haben können, welche sich von denen der Anteilsinhaber oder des Anlegerpublikums unterscheiden. Häufig sind die grundlegenden Interessen der verschiedenen Interessenträger im Unternehmen gleich. So sind Arbeitnehmer und Anteilsinhaber etwa grundsätzlich im gleichen Maße an Rentabilität des Unternehmens interessiert. Interessenkonflikte können aber zum Beispiel dann entstehen, wenn die Interessen der Arbeitnehmer zugunsten der Rentabilität des Emittenten beeinträchtigt werden. Die Prüfung der Frage, ob sich das Auseinanderfallen der Interessen in solchen Fällen auf die Feststellung eines berechtigten Interesses gemäß § 15 Abs. 3 WpHG auswirkt, muss nach den betroffenen Interessengruppen differenzieren. Die Interessen der Arbeitnehmer innerhalb eines Emittenten haben in der Regel keinen direkt Bezug zu dessen Publizitätsverhalten. Beispielsweise kann die vorzeitige Information der Mitarbeiter über Pläne zum Abbau von Stellen aus Grün-
335
BaWe/Deutsche Börse, Leitfaden, S. 46. v. Klitzing, S. 169; Mehringer, S. 112. 337 Vgl. etwa Seibt in: Schmidt/Lutter, § 76 Rn 12; Hüffer AktG, § 76 Rn 12; Spindler in: MüKo AktG, § 76 Rn 82 unter dem Stichwort „soziale Verantwortung“. 338 Hüffer AktG, § 76 Rn 13; Spindler in: MüKo AktG, § 76 Rn 82. 336
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den des Anstandes moralisch gerechtfertigt erscheinen, da diese nicht aus der Presse vom Stellenabbau erfahren sollen. Mit Insiderinformationen vertraute Betriebsräte oder Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat könnten sich überdies Druck seitens der Belegschaft ausgesetzt sehen, diese über die zukünftigen Perspektiven frühzeitig zu informieren.339 Eigentlich schützenswertes und beeinträchtigtes Interesse ist aber das Interesse der Arbeitnehmer am Erhalt der Arbeitsplätze. Dieses Interesse wird nicht durch Veröffentlichung der Entscheidung über einen Personalabbau beeinträchtigt, sondern durch die Entscheidung selbst. Wenn die Entscheidung feststeht, ist eine Veröffentlichungspflicht daher gegeben. Zu bedenken ist dabei insbesondere, dass es nicht Sinn der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ist, dem Markt Informationen nur verzögert, aber inhaltlich unverändert zuzuführen.340 Zudem kann der Emittent selbst ein erhebliches Interesse daran haben, Insiderinformationen im Hinblick auf den Abbau von Arbeitsplätzen und ähnlichen Sanierungsmaßnahmen bis zu deren endgültigen Feststehen auch gegenüber den Arbeitnehmern geheim zu halten, damit es nicht schon im Vorfeld der Maßnahme zu einer erhöhten Fluktuation von Mitarbeitern kommt. Die Weitergabe der betreffenden Information an die Arbeitnehmer, ohne dass die Insiderinformation zumindest gleichzeitig nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG bekanntgegeben wird, würde mangels Erforderlichkeit darüber hinaus auch gegen das Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstoßen.341 Als weitere Stakeholder, deren Interesse berücksichtigt werden können, kommen die Interessen von Gläubigern und Lieferanten in Betracht. Deren Berücksichtigung ist nach Ansicht der BaFin im Rahmen von § 15 Abs. 3 WpHG grundsätzlich schon deswegen ausgeschlossen, weil es sich bei Ihnen um Dritte, außerhalb des Emittenten stehende Personen handelt, die auch nicht Kapitalmarktteilnehmer sind.342 Daran ist jedenfalls zutreffend, dass, wenn schon der Emittent damit zurechtkommen muss, dass er nach § 15 WpHG auch negative Informationen veröffentlichen muss, obwohl das seinen geschäftlichen Interessen schadet, Geschäftsinteressen Dritter grundsätzlich gar nicht berücksichtigt werden können.343 Anders kann dies sein, wenn die Interessen Dritter sich indirekt auf die Interessen des Emittenten auswirken. Das ist etwa denkbar, wenn die Veröffentlichung der Insiderinformation gegen die Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme gegenüber Vertragspartnern verstößt. Dann könnte nicht nur das Interesse Dritter, sondern das Interesse des Emittenten an der Vermeidung von gegen ihn gerichteten Schadenersatzansprüchen für ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse sprechen. Umgekehrt könnte jedoch der Verstoß gegen die vertragliche
339 340 341 342 343
Zu diesem Problem Bruder, S. 110 f. Wilga in: Möllers/Rotter, § 9 Rn 24. Bruder, S. 113. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 66. Bitter, WM 2007, 1953 (1960).
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
Rücksichtnahme durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht gerechtfertigt sein.344 Für eine zumindest eingeschränkte Berücksichtigung der Interessen Dritter spricht jedoch, der zu befürchtende langfristige Schaden für den Emittenten durch für Vertragspartner geschäftsschädigende Äußerungen. Ein berechtigtes Interesse kann selbst in einem derartigen Fall nur vorliegen, wenn die Beeinträchtigung der Drittinteressen nicht auf andere Art und Weise abgewendet bzw. ausreichend gemindert werden kann, z. B. indem die Rolle des Dritten bzw. Vertragspartners im zu veröffentlichenden Sachverhalt nur in anonymisierter Form angesprochen wird.345 Die Berücksichtigung von Stakeholderinteressen als berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ist somit grundsätzlich zulässig. Jedoch weisen die Stakeholderinteressen, insbesondere die der Arbeitnehmer, nur selten einen Bezug zu den Veröffentlichungspflichten des Emittenten auf. e) Das berechtigte Interesse des Emittenten im Konzern Die überwiegende Zahl der Inlandsemittenten ist entweder als Mutter-, Tochter oder gar als Enkelgesellschaft Teil eines Konzerns.346 Jedes Unternehmen eines Konzerns ist im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht als selbstständiges Unternehmen zu betrachten.347 Jeder Konzernemittent unterliegt selbst der Adhoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und hat eine etwaige Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG eigenständig zu prüfen. Trotz dieser formalen Unabhängigkeit der Emittenten ist nicht ausgeschlossen, dass sich originäre Insiderinformationen und berechtigte Interessen von Mutteroder Tochtergesellschaften auf die jeweils andere Gesellschaft auswirken. Die Anknüpfung spielt in der Praxis dann eine Rolle, wenn Mutter- oder Tochtergesellschaft oder beide Gesellschaften als Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht fallen.348
344
Bitter, WM 2007, 1953 (1961). Dagegen Bitter, WM 2007, 1953 (1960), der den Emittenten jedoch zumeist veranlasst sieht, den Namen des Vertragspartners zu nennen. 346 Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449 (451) geben unter Berufung auf Görling, AG 1993, 538 (545) an, dass am (damaligen) amtlichen und geregelten Markt 98,83 Prozent des Grundkapitals in zwei oder mehrstufig gegliederten Aktiengesellschaften gebunden gewesen ist. 347 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 48; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 160; Wölk, AG 1997, 73 (77). 348 Ein prominentes Beispiel, in dem sowohl Mutter- als auch Tochtergesellschaft Inlandsemittenten sind, stellen Deutsche Post AG und Postbank AG dar. 345
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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(1) Berechtigtes Interesse der Tochtergesellschaft Zunächst ist auf den Fall einzugehen, dass bei einem Tochterunternehmen des Inlandsemittenten ein berechtigtes Interesse nach § 15 Abs. 3 WpHG gegeben ist. (a) Entstehen der Ad-hoc-Publizitätspflicht Damit festgestellt werden kann, wann die Frage der Selbstbefreiung einer Muttergesellschaft aufgrund berechtigter Interessen der Tochtergesellschaft überhaupt praktisch relevant ist, muss vorab geklärt werden, wann ein Inlandsemittent Informationen, die eine seiner Tochtergesellschaften betreffen, nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen hat. Gemäß der vor Inkrafttreten des AnSVG herrschenden Ansicht waren Konzernsachverhalte zu veröffentlichen, wenn ein Ereignis bei einer Tochtergesellschaft eintrat, das die wirtschaftliche Lage der Muttergesellschaft als Emittenten beeinflusste, und wenn die Muttergesellschaft aufgrund ihrer Stellung die Möglichkeit hatte, unternehmerischen Einfluss auf das Tochterunternehmen auszuüben.349 Der Tätigkeitsbereich des Emittenten (in dem nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. das zu veröffentlichende Ereignis eingetreten sein musste) umfasste somit die unternehmerische Sphäre einer Tochterkonzerngesellschaft.350 Fraglich ist, ob diese Ansicht nach Inkrafttreten des AnSVG aufrechterhalten werden kann. Dafür spricht, dass für den Tatbestand der Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in der Fassung des AnSVG im Unterschied zur alten Fassung bereits Informationen (anstatt Tatsachen) ausreichen. Von größerer Bedeutung ist in Zusammenhang mit Konzernsachverhalten die zweite Erweiterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht durch das AnSVG. Die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG stellt nunmehr nicht mehr auf den Tätigkeitsbereicht des Emittenten ab, sondern verlangt nur noch, dass der Emittent unmittelbar betroffen sein muss.351 Die Möglichkeit des Emittenten, auf die Tochtergesellschaft unternehmerische Einflussnahme auszuüben, ist nicht mehr zwingend erforderlich.352 Sogar Informationen, die aus einfachen Beteiligungen des Emittenten hervorgehen, können demnach den Emittenten unmittelbar betreffen. Insiderinformationen in echten Tochterunternehmen werden ohnehin nach wie vor dem Emittenten zugerechnet.353 Aus dem Erfordernis der ge349
Zimmer in: Schwark, § 15 Rn 54; Geibel in: Schäfer (1999), § 15 Rn 45. Zimmer in: Schwark, § 15 Rn 54; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449 (451); Waldhausen, S. 198 f. 351 Dazu im Zusammenhang mit Konzernsachverhalten Spindler/Speier, BB 2005, 2031 (2032). 352 Spindler/Speier, BB 2005, 2031 (2032); Simon, Der Konzern 2005, 13 (16), der nunmehr auch Informationen aus Schwestergesellschaften einbeziehen will. 353 Spindler/Speier, BB 2005, 2031 (2032 und 2033). 350
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
trennten Betrachtung jedes einzelnen Emittenten ergibt sich aber, dass Ereignisse oder Umstände in Tochterunternehmen, die für das Tochterunternehmen selbst von besonderer Bedeutung sind, nur als Insiderinformation zu werten sind, wenn sie auch unter Berücksichtigung der Relevanz des Tochterunternehmens im Verhältnis zum Gesamtkonzern noch für den Kurs des Finanzinstruments des Emittenten von Bedeutung sein können.354 Das ist der Fall, wenn feststeht, dass die Information geeignet ist, auch den Kurs des Emittenten erheblich zu beeinflussen.355 Eine abweichende Auffassung orientiert sich an der vor Inkrafttreten des AnSVG herrschenden Meinung. Demnach betrifft eine Insiderinformation den Emittenten in Konzernsachverhalten nur im Ausnahmefall unmittelbar, nämlich entweder, wenn die Information Wertberichtigungen beim Emittenten erforderlich macht oder wenn der Emittent direkt auf den fraglichen Vorgang Einfluss genommen hat.356 Diese einschränkende Auffassung ist abzulehnen. Durch die Übernahme der vor Inkrafttreten des AnSVG herrschenden Auffassung zur Konzerndimension der Ad-hoc-Publizität wird die Voraussetzung „unmittelbare Betroffenheit“ in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG n. F. mit dem Tätigkeitsbereich des Emittenten aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. gleichgesetzt. Gegen eine solche Gleichsetzung spricht jedoch schon die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe. Die „unmittelbare Betroffenheit“ von einer Information ist schon nach der Wortbedeutung eine größere Sphäre als der „Tätigkeitsbereich“. Die Verwendung des Begriffs Betroffenheit spricht auch gegen die Erforderlichkeit einer Einflussnahme des Emittenten auf den fraglichen Vorgang. Betroffenheit, auch eine solche die unmittelbar ist, fordert keinen Einfluss auf das betroffen machende Ereignis. Ebenso kann nicht allein darauf abgestellt werden, ob und im welchen Umfang die bei der Tochtergesellschaft eingetretene Information Wertberichtigungen erforderlich macht. Ein möglicher Wertberichtigungsbedarf ist schon nicht Voraussetzung für die Veröffentlichung einer Information, die bei der Muttergesellschaft eingetreten ist. Beispielsweise ist anerkannt, dass bedeutende Personalwechsel in Führungspositionen den Emittenten unmittelbar betreffen und mitteilungspflichtig sind, obwohl diese – abgesehen von eventuellen Abfindungszahlungen – keine bilanzielle Bedeutung haben. Daher stellt die Definition des Begriffs Insiderinformation § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG auch nicht auf die bilanzielle Bedeutung der Information als Erheblichkeitsschwelle, sondern auf die Eignung der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung ab. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in Konzernsachverhalten etwas anderes gelten soll.
354 Ähnlich Thieme, S. 244, der explizit auf den Anteil der Tochter an der KonzernGewinn- und Verlustrechnung abstellt. 355 In die Richtung auch Simon, Der Konzern 2005, 13 (17). 356 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 96, 106.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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(b) Geheimhaltungsinteressen der Tochtergesellschaft Somit kommen als die Muttergesellschaft als Emittenten unmittelbar betreffende und damit § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterfallende Insiderinformationen auch Informationen von Tochtergesellschaften in Betracht. Daraus folgt, dass auch die Geheimhaltungsinteressen bei der sich anschließenden Frage der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG konzernweit zu beurteilen sind.357 Das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten kann sich aus Interessen von Tochtergesellschaften dann ergeben, wenn die Veröffentlichung der Insiderinformation die Interessen des Gesamtunternehmens in ähnlicher Weise beeinträchtigten würde wie eine Information, die direkt beim Emittenten entstanden ist. Einer analogen Anwendung von § 15 Abs. 3 WpHG bedarf es hierfür nicht.358 Es handelt sich letztlich auch um eigene Geheimhaltungsinteressen des Mutterunternehmens. Die Ermittlung der Ad-hoc-Publizitätspflicht und die Prüfung eines berechtigten Interesses nach § 15 Abs. 3 WpHG muss der Emittent in getrennten Schritten vornehmen. Die Erstreckung der Ad-hoc-Publizitätspflicht der Mutter auf einen Umstand oder ein Ereignis in einer Tochtergesellschaft hat aber regelmäßig die Folge, dass ein Geheimhaltungsinteresse der Tochtergesellschaft auch als Interesse der Muttergesellschaft deren Selbstbefreiung rechtfertigt. Ein Auseinanderfallen ist aber denkbar, wenn man die „Zurechnung“ der unmittelbaren Betroffenheit zum Emittenten über dessen Tochterunternehmen hinaus auch auf dessen bedeutsame nicht-konzernierte Beteiligungen ausweitet. Im Falle der Börsennotierung eines Emittenten und eines Unternehmens, an dem der Emittent eine nicht-konzernförmige Beteiligung hält, kann das berechtigte Geheimhaltungsinteresse der Beteiligung gegeben sein, während die Mutter die Information nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG veröffentlichen muss. Dieses Problem kann nicht in allen Fällen dadurch gelöst werden, dass die veröffentlichungspflichtige Information nicht an den Emittenten weitergegeben wird. Während die Konzernmutter grundsätzlich einen Anspruch auf Weitergabe der Informationen hat, die sie zur Erfüllung ihrer Publizitätspflichten benötigt,359 kann sich im Übrigen auch für nur beteiligte Emittenten aus rein praktischen Gesichtspunkten das Erfordernis ergeben, dass diese Insiderinformationen über ihre Beteiligung erhalten. Das Wissen der Tochtergesellschaft ist der Konzernmutter bzw. dem be357 Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 99; Spindler/Speier, BB 2005, 2031 (2033); allgemein für Konzernsachverhalte Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 157; Pfüller in: Fuchs, § 154 Rn 352; vor Inkrafttreten des AnSVG auch schon Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (32); Singhof, ZGR 2001, 146 (164); Thieme, S. 258 ff. 358 Für eine analoge Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. aber vor Inkrafttreten des AnSVG Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (32); Thieme, S. 261 f. 359 S. H. Schneider, S. 151 f.; Wittmann, S. 100 f. nimmt den faktischen Konzern hiervon aus, wobei er jedoch den unter AnSVG erweiterten Anwendungsbereich von § 15 WpHG verkennt.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
teiligten Unternehmen zudem auch bei der – nicht seltenen – Personalunion von Organmitgliedern ohne weiteres zuzurechnen.360 Eine Publizitätspflicht der Muttergesellschaft bzw. des beteiligten Emittenten lässt sich abwenden, indem die Tochtergesellschaft bzw. der Emittent, dessen Beteiligung gehalten wird, der Muttergesellschaft bzw. dem beteiligten Emittenten die Information nur bei zeitgleichem Abschluss einer vertraglichen Vertraulichkeitsvereinbarung überlässt. Diese Vertraulichkeitsvereinbarung könnte ein eigenständiges berechtigtes Interesse verursachen, da der verpflichtete Emittent ansonsten fürchten müsste, bei Veröffentlichung der Information Schadenersatzansprüchen ausgesetzt zu sein. (2) Berechtigtes Interesse der Muttergesellschaft Die zweite Konzern- bzw. Beteiligungskonstellation betrifft die Frage, wann ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Inlandsemittenten-Tochtergesellschaft nach § 15 Abs. 3 WpHG gegeben ist, wenn im Hinblick auf die Insiderinformation ein Geheimhaltungsinteresse einer (Konzern-)Muttergesellschaft vorliegt. (a) Begründung der Ad-hoc-Publizitätspflicht Zunächst ist auf die Frage des Entstehens einer Ad-hoc-Publizitätspflicht der Tochtergesellschaft für den Fall einzugehen, dass Umstände und Ereignisse vorliegen, die der Sphäre der Muttergesellschaft entstammen. Für die Begründung der Ad-hoc-Publizitätspflicht der Tochtergesellschaft ist es nicht ausreichend, dass die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG bei der Muttergesellschaft vorliegen.361 Nach § 15 Abs. 1 WpHG a. F. musste (wie bereits erwähnt) die Information für das Auslösen der Veröffentlichungspflicht „im Tätigkeitsbereich“ des Emittenten eingetreten sein. Ob auch die Muttergesellschaft zu dem Tätigkeitsbereich einer Tochtergesellschaft zu rechnen sei, war vor Inkrafttreten des AnSVG umstritten.362 Auch nunmehr wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, durch die Einführung des Merkmals „unmittelbare Betroffenheit“ im AnSVG sei der Streit, ob Informationen der Muttergesellschaft aus dem Tätigkeitsbereich der Tochtergesellschaft stammten, zugunsten der Möglichkeit der Ad-hoc-Publizitätspflicht von Informationen aus der Sphäre eines
360 Dazu S. H. Schneider, S. 154 f.; Wittmann, S. 140; vgl. auch Spindler/Speier BB 2005, 2031 (2032). 361 In diese Richtung aber S. H. Schneider, S. 140, der für eine Ad-hoc-Publizitätspflicht plädiert „wenn bei dem nicht börsennotierten Mutterunternehmen einer börsennotierten Tochtergesellschaft ein entsprechender Umstand eintrete“. 362 Dafür etwa Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (31); Fülbier, S. 254 f.; dagegen z. B. Thieme, S. 247; Waldhausen, S. 200; Geibel in: Schäfer (1999), § 15 WpHG Rn 45.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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Mutterunternehmens entschieden.363 Nach anderer Ansicht sollen Vorgänge bei herrschenden Unternehmen den Emittenten nur in Ausnahmefällen unmittelbar betreffen. Dies gelte selbst wenn die Entwicklungen in der Muttergesellschaft extreme Auswirkungen hätten.364 Nur durch dieses Verständnis der unmittelbaren Betroffenheit könnte dem Merkmal eine Kontur gegeben werden.365 Die letztgenannte, enge Auffassung ist abzulehnen. Um dem Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit Konturen zu verleihen, lässt diese Auffassung die grundlegenden Regelungsziele der Ad-hoc-Publizitätspflicht, nämlich die Bekämpfung des Insiderhandels und die Erweiterung der Regelpublizität, außer Acht. Das Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit hat zudem auch ohne diese Einschränkung Konturen, da es der Ausklammerung von allgemeinen Marktdaten und ähnlichen Informationen von der Ad-hoc-Publizitätspflicht dient.366 Im Ergebnis ist mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichende Informationen auch aus der Sphäre der Muttergesellschaft des Emittenten stammen können. Dabei ist insbesondere an den Fall zu denken, dass die Muttergesellschaft Vorbereitungen trifft, die Beteiligung an der Tochter insgesamt oder teilweise zu veräußern.367 (b) Informationskenntnis der Tochtergesellschaft Liegt eine Insiderinformation über das Mutterunternehmen vor, die die Inlandsemittenten-Tochtergesellschaft nach dem soeben gesagten unmittelbar betrifft, verlangt § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, dass die Veröffentlichung „unverzüglich“ zu erfolgen hat.368 Dies setzt voraus, dass die Information dem Inlandsemittenten bekannt ist bzw. bekannt sein muss. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht der Inlandsemittenten-Tochtergesellschaft stellt sich somit auch als Problem der Wissenszurechnung dar. Im Schrifttum wird dazu die Ansicht vertreten, dass der Tochtergesellschaft mangels Möglichkeit, die Muttergesellschaft zur Weitergabe von Insiderinformationen zu zwingen, nur positive Kenntnis zugerechnet werden kann.369 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings trifft es nicht zu, dass 363 Spindler/Speier, BB 2005, 2031 (2034); Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 81; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (656); Gunßer, S. 50 und S. 86. 364 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 87; Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 100. 365 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 87. 366 Was Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 87 freilich bestreitet, siehe dazu III.3. 367 Für diesen Fall nimmt auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 93 in einigen Konstellationen die Ad-hoc-Publizitätspflicht an; auch Geibel/Schäfer in: Schäfer/ Hamann, § 15 WpHG Rn 100 nennen einige mögliche Ausnahmen von Ihrem Standpunkt. 368 Zur Unverzüglichkeit der Veröffentlichung Kap. C.IV. 369 Spindler/Speier, BB 2005, 2031 (2034).
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
die Mutter nach eigenem Gutdünken entscheiden könnte, ob und wann der Tochtergesellschaft die Veröffentlichung der Information durch Weitergabe derselben ermöglicht wird. Wenn die Tochtergesellschaft als Inlandsemittent der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterliegt, besteht für die Muttergesellschaft eine kapitalmarktrechtliche Pflicht, der Tochtergesellschaft von sich aus Auskunft über der Muttergesellschaft bekannte, die Tochtergesellschaft unmittelbare betreffende Insiderinformationen zu erteilen.370 Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die erweiterte Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht nur in der Theorie besteht, sondern auch realisiert werden kann. (c) Berechtigtes Interesse der Tochtergesellschaft Die Geheimhaltungsinteressen der Muttergesellschaft können aufgrund der soeben dargestellten Auskunftspflicht der Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft auf zwei unterschiedlichen Wegen geschützt werden. Denkbar wäre, der Muttergesellschaft aufgrund ihrer eigenen Interessen das Recht zuzuerkennen, die Auskunft gegenüber der Tochtergesellschaft zu verweigern. Alternativ könnte man der Tochtergesellschaft erlauben, das Nichtveröffentlichungsinteresse der Muttergesellschaft zu berücksichtigen und die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG vorzunehmen. Nur die Bejahung der letztgenannten Möglichkeit würde dazu führen, dass die Interessen der Muttergesellschaft Einfluss auf das berechtigte Interesse nach § 15 Abs. 3 WpHG haben, da der Emittent in der erstgenannten Konstellation mangels Kenntnis von der Insiderinformation gar nicht erst in die Verlegenheit der Prüfung der Selbstbefreiungsvoraussetzungen kommt. Fraglich ist somit lediglich, welche der beiden gezeigten Alternativen vorzuziehen ist. Eine Berechtigung zur Verweigerung der Auskunft über die Insiderinformation und damit eine Ausnahme der soeben dargestellten kapitalmarktrechtlichen Auskunftspflicht der Muttergesellschaft könnte sich aus der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ergeben. Danach haben die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft „über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind“, Stillschweigen zu bewahren. Jedoch liegt gerade kein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht vor, wenn die Weitergabe aufgrund einer vorrangigen Rechtspflicht erfolgt.371 Es ist aber sachgerecht, die Reichweite der kapitalmarktrechtlichen Auskunftspflicht zu beschränken, wenn die Muttergesellschaft ein berechtigtes Interesse an der Nichtveröffentlichung hat. Dafür, dass in diesem Fall 370
Singhof ZGR 2001, 146 (169); ihm folgend S. H. Schneider, S. 167. U. H. Schneider, FS für Wiedemann (2002), 1255 (1264) zur Weitergabe von Informationen die für die Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 WpHG relevant sind; für die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität dürfte nichts anderes gelten. 371
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schon keine Weitergabe an die Tochtergesellschaft zu erfolgen hat, spricht, dass gerade im Falle der Nichtveröffentlichung der Information der Kreis der Personen, die die Information kennen, so klein wie möglich zu halten ist. Da die Information der Tochtergesellschaft nur zur Veröffentlichung mitzuteilen wäre, hat diese im Falle des Unterbleibens der Veröffentlichung auch keine Verwendung für die Information. Jedoch wird die Muttergesellschaft der Inlandsemittenten-Tochtergesellschaft die Information häufig deswegen weitergeben, weil dafür ein praktisches Bedürfnis besteht. Das kann z. B. der Fall sein, wenn die Muttergesellschaft zur Veräußerung eines Teils oder ihres gesamten Anteils eine Due-diligence der Tochtergesellschaft durch einen potentiellen Käufer veranlassen möchte. Dies kann die Tochtergesellschaft aufgrund der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG372 und des insiderrechtlichen Weitergabeverbots373 nur unter bestimmten Umständen erlauben, die eine fundierte Prüfung erforderlich machen. Diese Prüfung macht eine Offenlegung des Hintergrunds der mit der Due-diligence (der Buchprüfung eines Unternehmens) beabsichtigten Transaktion notwendig. Würde die Muttergesellschaft in einer solchen Konstellation damit rechnen müssen, dass ihre Interessen geschädigt werden, wenn sie eine Information an die Tochtergesellschaft weiterreicht, weil die Tochtergesellschaft ihrer Veröffentlichungspflicht nachkommen muss, hätte dies letztlich nur die Folge, dass die Muttergesellschaft keine Insiderinformationen mehr an die Tochtergesellschaft weiterreicht. Das Weiterreichen von Insiderinformationen kann aber – wie gezeigt – in bestimmten Situationen notwendig sein. Wenn in diesem Fall berechtigte Interessen der Konzernmutter an der Nichtveröffentlichung nicht berücksichtigt werden könnten, hätte die Muttergesellschaft nur die Wahl, Aktivitäten, für die die Weitergabe einer Insiderinformation an die Inlandsemittenten-Tochtergesellschaft notwendig ist, zu unterlassen oder aber die Schädigung ihrer Interessen in Kauf zu nehmen. Eine solche Beschränkung der Handlungsmöglichkeit durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht wäre schlicht unzumutbar und auch nicht im Interesse der Kapitalmärkte. Zudem hat schon die Analyse von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV gezeigt, dass die unternehmerische Tätigkeit des Inlandsemittenten, zu der auch die Kommunikation mit der Muttergesellschaft gehört, durch die Adhoc-Publizitätspflicht nicht unzumutbar beschränkt werden soll. Die besseren Gründe sprechen in solchen Fällen dafür, dass die Tochtergesellschaft auch die Geheimhaltungsinteressen der Muttergesellschaft berücksichtigen kann. Das Beispiel des beabsichtigten Beteiligungsverkaufs zeigt, dass berechtigte Interessen 372 Dazu z. B. Hüffer, AktG § 93 Rn 6 f. und Spindler in: MüKo AktG, § 93 Rn 120 jeweils mwN. 373 Dazu unter anderem BaFin, Emittentenleitfaden, S. 40 f.; Assmann in: Assmann/ U. H. Schneider, § 14 Rn 164; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 14 Rn 31 f.; Verse, S. 542 ff.; S. H. Schneider, S. 66 f.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
von Konzernmuttergesellschaften grundsätzlich auf eine Inlandsemittenten-Tochtergesellschaft übertragen werden können. (3) Konzernsachverhalte im Sinne der Ad-hoc-Publizitätspflicht In Konzernsachverhalten sind somit berechtigte Geheimhaltungsinteressen von Tochtergesellschaft und Muttergesellschaft regelmäßig wechselseitig zuzurechnen. Zu bedenken ist, dass die Frage, ob die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorliegen und ein berechtigtes Interesse nach § 15 Abs. 3 WpHG zu bejahen ist, auch bei verbundenen Unternehmen auf Gründen beruhen kann, die völlig unabhängig von dieser Verbindung sind. Insbesondere könnte sich die Veröffentlichungspflicht oder ein berechtigtes Interesse aus geschäftlichen Beziehungen zwischen Mutter und Tochter ergeben.374 Fraglich ist, welche Anforderungen an die Unternehmensverbindung zu stellen sind, in denen eine Zurechnung von Insiderinformationen wie auch von berechtigten Interessen von den Beteiligungsverhältnissen abhängt. Wie bereits angedeutet, ist zu erwägen, ob nur klassische Konzernsachverhalte die soeben dargestellte Zurechnung berechtigter Interessen rechtfertigen oder ob auch einfache Beteiligungen umfasst sind. Erschwert wird die Festlegung der Reichweite einer strikt konzernbedingten Zurechnung in § 15 WpHG dadurch, dass in den verschiedenen Rechtsgebieten kein einheitlicher Konzernbegriff existiert.375 Auch die „unmittelbare Betroffenheit“ des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG verlangt nicht, dass die Information in einem Konzern im technischen Sinne eingetreten sein muss.376 Als sicherer Ausgangspunkt können für ein publizitätspflichtiges Mutterunternehmen die Regeln zur Erstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts gelten. Ist ein Tochterunternehmen im Konzernabschluss und im Konzernlagebericht gemäß §§ 290 ff. HGB zu berücksichtigen, liegen Informationen und Interessen im Einflussbereich des jeweiligen Mutterunternehmens und betreffen dieses somit auch unmittelbar.377 Daneben sind grundsätzlich auch Informationen aus Gemeinschaftsunternehmen und assoziierten Unternehmen zuzurechnen.378
374 In diese Richtung Cahn ZHR 162 (1998), 1 (30), der auch auf Leistungsbeziehungen zwischen den Konzernunternehmen abstellt. 375 Zu diesem Problem S. H. Schneider, S. 143. 376 Zur Definition der unmittelbaren Betroffenheit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG siehe Kap. C.III.2. 377 Vgl. etwa nur Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 WpHG, Rn 72; Burghard ZHR 162 (1998), 51 (59); Wölk AG, 1997, 73 (77); Thieme, S. 319; Gehrt, S. 142; insofern wohl auch die auf den Einflussbereich des Emittenten abstellende Ansicht, etwa Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 96; Spindler/Speier BB 2005, 2031 (2032). 378 Thieme, S. 319 f.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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Gleiches gilt für große Beteiligungen, bei denen keine formale Konzernierung vorliegt. In diesen Fällen, mag gerade die Frage der automatischen Wissenszurechnung nur im Einzelfall zu entscheiden sein. Die unmittelbare Betroffenheit ist indes schon dann zu bejahen, wenn es sich aus bilanzieller Sicht nur um eine Beteiligung von gewisser Bedeutung handelt. Für die Berechnung der Beteiligungshöhe sind dann nicht der nur von der Muttergesellschaft direkt gehaltene Anteile maßgeblich. Um einen Gleichlauf zumindest der kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten zu gewährleisten wird vorgeschlagen, bei Berechnung der Beteiligungshöhe die Zurechnungsregeln in § 22 WpHG anzuwenden.379 Dieser Ansatz ist grundsätzlich bedenkenswert. Jedoch ist zwischen den einzelnen Zurechnungstagbeständen zu differenzieren. Eine Zurechnung von Interessen bzw. das Entstehen einer Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist dann umso wahrscheinlicher, je mehr die betreffenden Konstellation der einer klassischen Konzerntochtergesellschaft ähnelt. Eine Zurechnung von Interessen und Informationen allein wegen abgestimmten Verhaltens von Emittenten (acting in concert) nach § 22 Abs. 2 WpHG kommt nicht in Betracht. Im Übrigen ist eine gewisse Indizwirkung anzuerkennen, ein Automatismus für die Zurechnung von Stimmrechten existiert jedoch nicht. Auszuschließen ist eine automatische Zurechnung im Ergebnis nur, wenn die Beziehung zwischen den betroffenen Unternehmen sich als reine Finanzbeteiligung darstellt.380 Aber auch hinsichtlich von Finanzbeteiligungen kann eine unmittelbare Betroffenheit gegeben sein, wenn die Beteiligung auch ohne Konzernstrukturen oder konzernähnliche Strukturen eine erhebliche Bedeutung hat.381 5. Harmonisierung der Ad-hoc-Publizitätspflicht mit sonstigen Publizitätspflichten und deren Befreiungstatbeständen Neben der Ad-hoc-Publizitätspflicht kann für den Inlandsemittenten eine Vielzahl weiterer privat- und öffentlich-rechtlicher Publizitätspflichten bestehen. Für das Verständnis des berechtigten Interesses im Rahmen der Selbstbefreiung sind insbesondere unternehmensbezogene Publizitätspflichten von Bedeutung. Solche Publizitätspflichten stammen aus dem Verbands-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht. Das Prinzip der Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebietet, die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG so auszulegen, dass sie sich in ein Sys-
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S. H. Schneider, S. 139. S. H. Schneider, S. 140. 381 Als Beispiel für eine Beteiligung mit erheblicher Bedeutung sei der Anteil von ca. 8,8 Prozent (Stand Juni 2009) genannt den die die Kizoo AG (vormals Web.de AG) an der United Internet AG hielt. Die Kizoo AG erhielt den Anteil für den Verkauf ihres Stammgeschäfts und hat in der Folge über einen längeren Zeitraum keine bedeutenden neuen Geschäftsaktivitäten entwickelt. 380
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
tem der Veröffentlichungspflichten kapitalmarktnotierter Emittenten einfügt.382 Soweit der Wortlaut der gesetzlichen Regelung der betreffenden Veröffentlichungspflichten es erlaubt, müssen diese so ausgelegt werden, dass kein widersprüchliches Ergebnis, etwa Vorliegen einer Ausnahme von der Veröffentlichungspflicht nach einer Norm aber Bestehen der Veröffentlichungspflicht nach einer anderen Norm, besteht. Diese Auslegungsregel führt dazu, dass die übrigen Publizitätspflichten des Emittenten Einfluss auf den Inhalt des Begriffs „berechtigtes Interesse“ haben. Als Ansatz zur Lösung von Konflikten verschiedener Publizitätsregime erscheint es denkbar, die Harmonisierung der Publizitätspflichten durch Aufschub der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 WpHG bis zum Einsetzen der jeweils konkurrierenden Publizitätspflicht sicherzustellen. Das führt zu der Frage, ob andere, zeitlich nachgelagerte Publizitätspflichten ein berechtigtes Interesse erzeugen können. Ein Harmonisierungsbedürfnis mit möglichen Auswirkungen auf den Begriff berechtigtes Interesse ist aber auch im umgekehrten Fall denkbar. Es geht dabei um den Fall, dass eine Information nach § 15 Abs. 3 WpHG (noch) nicht zu veröffentlichen, die Veröffentlichung aber durch eine andere Rechtsnorm vorgeschrieben ist. Dabei sind – sofern vorhanden – auch Befreiungsmöglichkeiten der jeweiligen anderen Publizitätspflichten zu berücksichtigen. Exemplarisch sollen zunächst Publizitätspflichten aus dem Verbandsrecht, dem Bilanzrecht und dem Kapitalmarktrecht dargestellt werden. Anschließend ist der Versuch einer systematischen Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen anderen Publizitätspflichten und der Selbstbefreiung der Ad-hoc-Publizitätspflicht anzustellen. a) Verbandsrechtliche Publizitätspflichten Das wichtigste verbandsrechtliche Gesetz, das mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG konkurrierende Veröffentlichungspflichten enthalten kann, ist das (deutsche) Aktiengesetz. Zunächst soll auf das Verhältnis von Ad-hoc-Publizitätspflicht zu den dort enthaltenen Regeln eingegangen werden. Sodann ist zu untersuchen, welche Auswirkungen es hat, dass ein Inlandsemittent auch eine andere Gesellschaftsform, insbesondere die einer Aktiengesellschaft eines anderen Staates, haben kann. (1) Selbstbefreiung und Verbandspublizität nach dem Aktiengesetz Die verbandsrechtlichen Publizitätspflichten des Aktiengesetzes lassen sich in die Kategorien Hauptversammlungspublizität und Berichtspublizität einteilen. Im Zentrum der Hauptversammlungspublizität steht der Auskunftsanspruch des Ak382
Siehe zu diesem Auslegungsgrundsatz Kap B.V.1.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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tionärs gemäß § 131 AktG als individueller Informationsanspruch.383 Nach § 131 Abs. 1 AktG ist auf der Hauptversammlung jedem Aktionär auf Verlangen Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen, soweit sie zur Beurteilung der Tagesordnung erforderlich ist. Der Auskunftsanspruch von Aktionären kann grundsätzlich auch auf Insiderinformationen gerichtet sein. Die Erteilung einer Auskunft auf eine entsprechende Frage eines Aktionärs auf der Hauptversammlung verstößt trotz der Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft nach § 131 Abs. 1 AktG gegen das Verbot der anderweitigen Veröffentlichung von den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformationen nach § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG.384 Im Hinblick auf die Möglichkeit der Selbstbefreiung ist zu beachten, dass im Falle der Auskunftserteilung die Vertraulichkeit der den Auskunftsanspruch betreffenden Information aufgrund der Vielzahl von Teilnehmern an einer Hauptversammlung nicht mehr gewährleistet wäre.385 Zugleich wäre die Erteilung der Information keine ausreichende Veröffentlichung im Sinne von § 15 WpHG.386 Es ist aber zu vergegenwärtigen, dass jede Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG grundsätzlich unverzüglich zu veröffentlichen ist. Dass ein Auskunftsersuchen auf die Mitteilung einer zuvor nicht veröffentlichten Insiderinformation zielt, kommt daher grundsätzlich nur in Betracht, wenn die AG als Emittent von der Möglichkeit zur Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG Gebrauch gemacht hat. Nur dann kann ein Konflikt des Auskunftsanspruchs mit der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG bestehen. Die Verweigerung der Beantwortung des Auskunftsersuchens kann aus verbandsrechtlicher Sicht nicht allein mit Hinweis auf einen möglichen Verstoß gegen das Verbot der anderweitigen Veröffentlichung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG begründet werden.387 Die Lösung des Problems findet sich in den Auskunftsverweigerungsgründen von § 131 Abs. 3 AktG. Der Gesetzgeber hat dort Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass die Gesellschaft des Schutzes vor Nachteilen der Auskunftspflicht bedarf.388 Gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG kann der Vorstand die Beantwortung eines Auskunftsersuchens verweigern, wenn die Erteilung der Auskunft nach ver-
383 Zetzsche, S. 16; dazu auch Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (Aktionärsrechterichtlinie). 384 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 136; Zimmer in: Schwark, § 15 WpHG Rn 18; auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 87, der bei Erteilung der Auskunft das Recht auf informationelle Gleichbehandlung verletzt sieht. 385 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 136. 386 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 32; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 13 Rn 40; Mennicke in: Fuchs, § 14, Rn 280; Schwintek, S. 20. 387 Bälz, S. 173; Wüsthoff, S. 162 (beide so allerdings vor Inkrafttreten des AnSVG). 388 Kubi in: MüKo AktG, § 131 Rn 94.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
nünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Die Rechtslage bei verbandsrechtlichen Berichtspflichten ähnelt der Rechtslage bei der Hauptversammlungspublizität. Verbandsrechtliche Berichtspflichten bestehen im Rahmen von Umwandlungen (z. B. der Verschmelzungsbericht nach § 8 UmwG) oder bei Sonderprüfungen nach §§ 142 ff. AktG, wobei die AG im letztgenannten Fall die Informationen lediglich zur Verfügung stellt und nicht selbst den Bericht erstattet. Ebenso wie im Falle des Auskunftsanspruches gemäß § 131 AktG sehen auch die Regelungen zu den Berichtspflichten grundsätzlich die Möglichkeit vor, bestimmte Informationen nicht in die betreffenden Berichte aufzunehmen. Dabei ist die Reichweite des Informationsverweigerungsrechts unterschiedlich, je nachdem, an welche Situation angeknüpft wird. So enthalten die Regelungen zum Verschmelzungsbericht in § 8 Abs. 2 UmwG eine dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG vergleichbare allgemeine Schutzklausel. Das Informationsverweigerungsrecht im Sonderprüfungsbericht nach § 145 Abs. 4 AktG unterliegt wesentlich schärferen Anforderungen. Selbst wenn überwiegende Belange der Gesellschaft die Informationsverweigerung gebieten, ist diese nur zulässig, wenn die Mitteilung der Information nicht unerlässlich ist.389 Zudem kann die Gesellschaft die Entscheidung über die Informationsverweigerung nicht selbst fällen, sondern muss – in etwa der Rechtslage bei der Ad-hoc-Publizität vor Inkrafttreten des AnSVG vergleichbar – die Befreiung bei Gericht beantragen. Trotz der unterschiedlich hohen Anforderungen, die in den hier vorgestellten verbandsrechtlichen Geheimhaltungsklauseln vorgesehen sind, lässt sich festhalten, dass den für die deutsche AG geltenden Regeln für die Nichtveröffentlichung einer Information ein gemeinsames Ziel zu Grunde liegt; die Geltendmachung von Informationsrechten und die Auferlegung von Berichtspflichten soll nicht dazu führen, dass die Gesellschaft Nachteile erleidet, weil sie gezwungen war, ein Geschäftsgeheimnis offen zu legen.390 Erhöhte Anforderungen rechtfertigen sich aus den besonderen Situationen, für die diese vorgesehen sind, so z. B. beim Sonderprüfungsbericht nach § 142 ff. AktG. Die Gründe für die Informationsverweigerungen und insbesondere die Falljudikatur zum Auskunftsrecht und zu den Berichtspflichten können auch im Hinblick auf das berechtigte Geheimhaltungsinteresse nach § 15 Abs. 3 WpHG fruchtbar gemacht werden.391 Mit dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist indes nur ein Teil der Gründe abgedeckt, aus denen sich ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nach § 15 Abs. 3 WpHG ergeben kann. Neben dem Geschäftsbetrieb soll die Selbstbefrei389
Spindler in: Schmidt/Lutter, § 145 Rn 29. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 19 (zum Sonderprüfungsbericht). 391 So für das Auskunftsverweigerungsrecht auch S. H. Schneider, BB 2001, 1214 (1215); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 136. 390
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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ung nach § 15 Abs. 3 WpHG auch die Anleger selbst vor unangemessenen Auswirkungen verfrühter Informationsveröffentlichungen schützen.392 In solchen Fällen greifen die verbandsrechtlichen Geheimhaltungsklauseln nicht ohne weiteres, weil ihnen eine kapitalmarktrechtliche Zielsetzung fehlt. Diese kapitalmarktrechtlich geprägten Interessen können aber im verbandsrechtlichen Regelungsumfeld nicht unberücksichtigt bleiben. Die kapitalmarktrechtlichen Informationsverweigerungsrechte strahlen in Form eines Rechtsreflexes auf die verbandsrechtlichen Verweigerungsrechte aus. Die für die Anleger zu befürchtenden Nachteile durch eine Veröffentlichung können in Form von Vertrauensentzug gegenüber der Unternehmensleitung und eventuell sogar Schadenersatzansprüchen seitens der Anleger auch die rein verbandsrechtlichen Interessen der Aktiengesellschaft beeinträchtigen. (2) Selbstbefreiung und Verbandsrechtspublizität anderer Rechtsordnungen Wenn eine Harmonisierung der Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Selbstbefreiung mit verbandsrechtlichen Publizitätspflichten angestrebt ist, muss man in Betracht ziehen, dass an den inländischen Börsen nicht nur Aktiengesellschaften nach dem Aktiengesetz notiert sind. Einer wachsenden Popularität kann sich die relativ neue Rechtsform der SE (Societas Europaea) erfreuen,393 wobei sich die Informationsrechte von Aktionären in einer deutschen SE aber regelmäßig aufgrund der ergänzenden Anwendung des Rechts des Sitzstaates nach den Vorschriften des AktG richten.394 Anders ist dies bei Inlandsemittenten mit einer ausländischen Gesellschaftsform, etwa der englischen PLC (public limited company). Die Harmonisierungsbemühungen der kapitalmarkt- und verbandsrechtlichen Publizitätsregimes müssen daher auch die denkbaren und zum Teil schon vorhandenen sonstigen Rechtsformen an den unter § 15 WpHG fallenden organisierten Märkten berücksichtigen. Dabei unterscheiden sich die Informationsrechte der Anteilsinhaber in den nationalen Rechtsordnungen zum Teil erheblich. So ist eine englische PLC beispielsweise nur aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Hauptversammlung zur Auskunft verpflichtet. Ein Individualanspruch auf Auskunft besteht nicht.395 Das Auskunftsrecht wird zwar für die an der Londoner Börse notierten PLC durch den Combined Code erweitert.396 Dieser entfaltet aber auf eine an einem deut392
Siehe dazu Kap. D.IV.4.b). Nach Lutter in: Lutter/Hommelhof, Einl. SE-VO Rn 32 waren bereits im Juni 2007 über 70 SE registriert, von denen 26 ihren Sitz in Deutschland haben. 394 Vgl. Artikel 9 Verordnung (EG) 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaften (SE), ABl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001. 395 Vgl. zum Auskunftsrecht der Aktionäre einer PLC, Pelzer, S. 23 ff. 396 Pelzer, S. 27 ff. 393
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
schen organisierten Markt notierte PLC keinerlei Wirkung. Das Beispiel zeigt, wie weit das Verständnis von verbandsrechtlicher Publizität in den verschiedenen europäischen Rechtsordnungen auseinander liegt. Die Aktionärsrechterichtlinie wird zumindest hinsichtlich der Gesellschaften aus EU-Mitgliedsstaaten zu einer weiteren Harmonisierung führen.397 Unter anderem ist in Art. 9 Aktionärsrechterichtlinie ein verbindliches Fragerecht der Aktionäre vorgesehen, wie es in Deutschland schon besteht. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht als europarechtliche Regelung auf eine Vielzahl von Rechtsformen und somit auch spezifisch verbandsrechtliche Publizitätsregeln Rücksicht nehmen muss. Zumindest insoweit kann die jeweilige Behandlung des Problems im „Heimatland“ der Gesellschaft die Lösung eventueller Konflikte zwischen Publizitätspflichten auch unter § 15 WpHG beinhalten.398 b) Regelpublizität Mit Inkrafttreten des TUG ist die Regelpublizitätspflicht von Inlandsemittenten in §§ 37v ff. WpHG einheitlich geregelt worden.399 Inlandsemittenten sind demnach verpflichtet, einen Jahresfinanzbericht, einen Halbjahresfinanzbericht und alternativ zwei Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung oder zwei Quartalsfinanzberichte zu veröffentlichen. Die Regelpublizität ist das Bilanzrecht der börsennotierten Emittenten. Es bezweckt eine formalisierte Rechenschaft des Emittenten als Treuhänder des Aktionärsvermögens.400 Ein struktureller Unterschied zwischen Ad-hoc-Publizitätspflicht und Regelberichterstattung ist die zeitliche Verlässlichkeit und Planbarkeit der Regelberichterstattung. Das betrifft nicht nur die zeitlichen Intervalle der Berichterstattung, sondern auch den genauen Zeitpunkt der Berichtsveröffentlichung. Grund hierfür ist, dass die Emittenten die Berichte gemäß §§ 37v–37z WpHG innerhalb einer vorgeschriebenen Zeitspanne nach Ablauf des Berichtszeitraums zu erstatten haben und zuvor das genaue Datum bekannt machen müssen, an dem der Bericht erscheinen soll.401 Die §§ 37v ff. WpHG regeln indes nur die Veröffentlichungsformalitäten, während der Inhalt der Veröffentlichungen durch das materielle Bilanzrecht festgelegt wird. Der Selbstbefreiungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 3 WpHG ähnelnde Geheimhaltungsklauseln sind daher in den materiellen Bilanzvorschriften, unter anderem des HGB, enthalten. Ein Recht, die Veröffentlichung zu verweigern, be397 Richtlinie 2007/36/EG über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (ABl. EU Nr. L 184 S. 17). 398 Für die Berücksichtigung der Umsetzung bzw. Auslegung durch die übrigen Mitgliedsstaaten allgemein: Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, Einl. Rn 96. 399 Vgl. dazu Mock in: Versteegen, § 37v n. F. Rn 3 f. auch zur alten Rechtslage; Hönsch in: Assmann/U. H. Schneider, § 37v Rn 1 f.; Nießen, NZG 2007, 41 (44 f.). 400 Zetzsche, S. 47. 401 Cahn/Götz, AG, 2007, 221.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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steht etwa nach § 286 HGB für die Informationen, die nach §§ 284, 285 HGB im Anhang des Jahresabschlusses aufzunehmen sind. Ohne dass hier im Einzelnen auf diese Regelung eingegangen werden soll, ist festzustellen, dass in § 286 HGB im Unterschied zu § 15 Abs. 3 WpHG die Ausnahmen von der Informationspflicht relativ präzise beschrieben und damit enger begrenzt sind.402 Das Informationsverweigerungsrecht gilt auch nicht für den Hauptteil des Berichts und den Lagebericht.403 Insiderrechtlich ist vor allem der Lagebericht von Interesse, da dieser nach § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB auf Vorgänge „besonderer Bedeutung“ einzugehen hat, die nach dem Schluss des Geschäftsjahres eingetreten sind.404 Es liegt nahe, dass solche Vorgänge besonderer Bedeutung zugleich nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichende Informationen sind. Für so genannte kapitalmarktorientierte Konzerne nach § 315a HGB sind die Bilanzregeln nach HGB mittlerweile größtenteils durch die IAS/IFRS abgelöst worden. Insbesondere die Regeln zum Lagebericht greifen aber nach wie vor. Den IAS/IFRS unterworfene kapitalmarktorientierte Konzerne sind alle Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel in einem organisierten (EU-)Markt zugelassen sind.405 Für die Einzelunternehmen der kapitalmarktorientierte Konzerne gelten die Regeln des HGB für den Einzelabschluss jedoch weiter. In den IAS/IFRS ist die Möglichkeit der Verweigerung der Veröffentlichung noch weiter eingeschränkt. Ausdrückliche Informationsverweigerungsrechte sind nur an wenigen Stellen, etwa in IAS 37.92 (1998) geregelt. Danach kann die Veröffentlichung von Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen unterbleiben, falls dies die Position des Unternehmens in einem Rechtstreit zu beeinträchtigen droht.406 Insgesamt zeichnet das Recht der Bilanz- oder Regelpublizität im Vergleich zur Ad-hoc-Publizitätspflicht aus, dass die veröffentlichungspflichtigen Informationen präziser definiert werden.407 Auch die Informationsverweigerungstatbestände sind deutlich enger begrenzt. Eine generelle mit § 15 Abs. 3 WpHG vergleichbare Befreiungsmöglichkeit für alle publizitätspflichtigen Informationen besteht nicht. Dies lässt sich bei der Regelpublizität dadurch rechtfertigen, dass die zur Verfügung gestellten Informationen relativ abstrakt formuliert werden können. Sollte jedoch der Fall gegeben sein, dass sich ein Emittent nach IAS/ 402
Näher zu den einzelnen Ausnahmen Lange in: MüKo HGB, § 286 Rn 73. Lange in: MüKo HGB, § 289 Rn 54 f. auch mit Nachweisen zur teilweise vertretenen Auffassung, dass § 286 HGB auf den Lagebericht analog anzuwenden sei. 404 Kümpel/Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (3. Auflage), § 15 Rn 72. 405 Zum Anwendungsbereich der IAS/IFRS Busse von Colbe in: MüKo HGB, § 315a Rn 6–8. 406 Dazu Lange in: MüKo HGB, § 286 Rn 73; Reifschneider, S. 84, die ergänzend darauf hinweist, dass nach IAS 1.121 nicht auf Budgets und Prognosen eingegangen werden muss. 407 Merkt, S. 453. 403
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
IFRS oder nach HGB verpflichtet sieht, eine Insiderinformation zu veröffentlichen, besteht mit der Veröffentlichung des Berichts keine Möglichkeit zur Selbstbefreiung mehr. Der Emittent muss in der gleichen juristisch-logischen Sekunde eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen. Umgekehrt kann ein Emittent die Veröffentlichung einer Information im Wege der Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG nicht mit Verweis auf die erst anstehende Veröffentlichung nach §§ 37v–37z WpHG verweigern.408 Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht (auch) eine Ergänzung der Regelpublizität ist.409 Mit der Ergänzung der Regelpublizität, die gerade darin besteht, dass bilanziell wichtige Ereignisse auch innerhalb der Berichtszeiträume veröffentlicht werden müssen, ist die Annahme eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses oder einer Verdrängung der Ad-hoc-Publizitätspflicht mit Hinblick auf die bevorstehende Veröffentlichung einer Information im Rahmen der Regelpublizität unvereinbar. c) Konkurrierende kapitalmarktrechtliche Publizitätsregeln Das Kapitalmarktrecht beinhaltet neben der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG eine Vielzahl weiterer Veröffentlichungspflichten für Emittenten. Exemplarisch seien die Pflicht zur Veröffentlichung und Mitteilung von Geschäften von Führungspersonen und ihnen nahe stehenden Personen (§15a WpHG), die Pflicht zur Mitteilung über den Beteiligungserwerb (§ 21 ff. WpHG), die Pflicht zur Veröffentlichung eines Übernahmeangebots (§ 10 WpÜG) und die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts nach (§ 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG) genannt. Die einzige ausdrückliche Regelung des Verhältnisses der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu einer anderen Publizitätspflicht ist in § 10 Abs. 6 WpÜG enthalten. Danach findet § 15 WpHG für die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots keine Anwendung.410 Aus dem Umkehrschluss der ausdrücklichen Regelung in § 10 Abs. 6 WpÜG ergibt sich, dass Ad-hoc-Publizitätspflicht und andere kapitalmarktrechtliche Mitteilungspflichten grundsätzlich nebeneinander bestehen.411 Im Übrigen gestattet das Vorliegen der Voraussetzungen einer anderweitigen kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflicht keine Aussage darüber, ob zu408 Ganz h. M., so z. B. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 59; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 130; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 35; anders Cahn/Götz, AG, 2007, 221 f. dazu näher unter Kap. G.IV.4. 409 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 35. Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 32. 410 Vgl. dazu noch ausführlich unter Kap. G.IV.2. 411 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 59; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 135; Assmann in: Assmann/U H. Schneider, § 15 Rn 39; andere Ansicht noch zum Verhältnis von § 25 zu § 15 WpHG vor Inkrafttreten des AnSVG, Gehrt, S. 140; Geibel in: Schäfer (1999), § 15 WpHG Rn 9.
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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gleich ein Fall der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gegeben ist. In jeden Einzelfall ist gesondert zu prüfen, ob entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation vorliegt. Es steht insbesondere weder fest noch ist ausgeschlossen, dass die betreffende Information geeignet ist, den Kurs des Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen,412 oder, im Falle von Informationen, die, wie etwa sog. Directors’ Dealings, durch Handlungen Dritter hervorgerufen werden, dass die Information den Emittenten unmittelbar betrifft.413 Kommt die Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis, dass neben der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG eine weitere kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungspflicht besteht, ist eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG grundsätzlich nicht mehr möglich. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse liegt nicht mehr vor, weil die konkurrierende Veröffentlichungspflicht indiziert, dass im Zusammenhang mit der Information ein großes Veröffentlichungsinteresse besteht.414 Allerdings enthalten die betreffenden Veröffentlichungsvorschriften zum Teil eigene Befreiungstatbestände. In § 8 Abs. 2 WpPG ist geregelt, dass die BaFin die Nichtaufnahme von für den Wertpapierprospekt vorgeschriebenen Angaben erlauben kann. Insbesondere kann die Nichtaufnahme von Angaben nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 WpPG auf öffentliche Interessen und nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 WpPG auf die Möglichkeit von erheblichen Schäden für den Emittenten gestützt werden. Für die Mitteilung des Berührens der in § 21 WpHG vorgesehenen Beteiligungsschwellen sind mehrere Befreiungsmöglichkeiten in § 23 WpHG vorgesehen. Die Nichtzurechnung von Stimmrechten im Hinblick auf die Meldeschwellen ist danach nur in eng umgrenzten Fällen zugelassen. Vor Inkrafttreten des TUG enthielt § 25 Abs. 4 WpHG a. F. noch eine allgemein umschriebene Möglichkeit, auf Antrag bei der BaFin eine Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung der Änderung der gehaltenen Beteiligung zu erhalten.415 Die Befreiung konnte auf öffentliche Interessen als auch auf einen im Falle der Veröffentlichung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretenden Schaden der Gesellschaft gestützt werden. Im Rahmen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie ist diese Möglichkeit zur Befreiung weggefallen. Eine § 15 Abs. 3 WpHG ähnelnde generelle Befreiungsregelung existiert nicht mehr. Auch die Pflicht zur Veröffent-
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Zu §§ 21, 26 WpHG: Hirte in: Kölner Kommentar, § 21 Rn 56. Ablehnend etwa bei Directors’ Dealings: Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 96; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 135 – in dieser Pauschalität ist das aber zweifelhaft. 414 Ähnlich Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469 (473), die bei konkurrierenden, im WpHG geregelten Veröffentlichungspflichten ein das Geheimhaltungsinteresse überwiegendes Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarktes annehmen. 415 Dazu U. H. Schneider in: Assmann/U. H. Schneider, § 25 Rn 46 f.; Heinrich, S. 140. 413
118
D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
lichung von Geschäften von Führungspersonen ist in § 15a Abs. 1 Satz 5 WpHG beschränkt, nämlich durch eine Bagatellschwelle.416 Diese Beispiele für Befreiungen von anderen kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten können hinsichtlich ihres Zusammenspiels mit der Ad-hocPublizitätspflicht auf zwei Arten interpretiert werden: Sie können Indiz dafür sein, dass die betreffende Information nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen ist, z. B. weil die Information nicht geeignet wäre, den Preis des vom Emittenten herausgegebenen Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Die Befreiung kann aber auch auf ein berechtigtes Interesse an der Nichtveröffentlichung der Information hinweisen. Dann wäre zu überprüfen, ob die Regelung indiziert, dass bei deren Eingreifen auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nach § 15 Abs. 3 WpHG vorliegt. Prima facie ist dies wegen der zu wahrenden Einheitlichkeit der Rechtsordnung zu bejahen. Wenn im Falle eines Directors’ Dealing die Bagatellschwelle von § 15a Abs. 1 Satz 5 WpHG nicht überschritten ist, ist die entsprechende Transaktion nicht preiserheblich im Sinne von § 13 WpHG. Es kann sogar davon ausgegangen werden, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Geschäften von Führungspersonen erst bei einem deutlich höheren Umfang des Geschäfts oder bei Hinzutreten besonderer Umstände in Betracht zu ziehen ist.417 Für die Berührung von Beteiligungsschwellen im Rahmen von §§ 21 ff. WpHG ist bei der Beurteilung der Kursrelevanz zwischen der Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten, an dem eine Beteiligung erworben wird, und der Ad-hoc-Publizitätspflicht eines sich beteiligenden Emittenten zu unterscheiden. Für den Emittenten, an dem eine nach § 23 WpHG nicht zu berücksichtigende Beteiligung erworben wird, liegt nahe, dass dann wegen mangelnder Kurserheblichkeit auch keine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG entsteht. Dafür sprechen die Merkmale der Ausnahmen nach § 23 WpHG, denen gemeinsam ist, dass es sich um Fälle eher kurzfristiger Schwellenberührungen ohne längerfristige Planungen hinsichtlich der Ausübung der Stimmrechte handelt.418 Die vorigen Beispiele belegen, dass der spezifische Sinn und Zweck von Ausnahmevorschriften für die jeweilige kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungspflicht ermittelt werden muss und sodann die Übertragbarkeit der Wertung auf alle Merkmale von § 15 WpHG zu prüfen ist. Die Möglichkeit von Emittenten, sich gemäß § 8 Abs. 2 WpPG auf Antrag von der Pflicht zur Aufnahme bestimmter Angaben in Börsenprospekten zu be416
Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, § 15a Rn 93 f. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 96 demzufolge bei Directors’ Dealings auch die unmittelbare Betroffenheit des Inlandsemittenten „regelmäßig“ nicht vorliegt; differenzierend Gunßer, S. 163 ff., wenn die Führungsperson ein Paket veräußert, der die Abgabe eines Übernahmeangebotes plant. 418 Siehe zu den Ausnahmen RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 82. 417
IV. Eingrenzung des Begriffs „berechtigtes Interesse‘‘
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freien, kann hingegen als Ausnahme von einem Informationstatbestand angesehen werden, deren zu Grunde liegende Wertung sich zumindest weitestgehend mit der der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG deckt. Die Prospektpublizität dient der Information der Anleger über ein bestimmtes Wertpapier, bevor dieses zu einem organisierten Markt zugelassen wird. Der notwendige Inhalt von Prospekten ist in der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 geregelt.419 Die Natur und Zahl der zu erteilenden Informationen kann dabei sehr groß sein. Das erklärt sich aus dem Informationsziel eines Prospektes: Die sachlich richtige und vollständige Information des Anlegers über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind.420 Diese § 15 Abs. 1 WpHG nicht unähnliche Reichweite des Informationstatbestandes wird durch die Befreiungsregelung von § 8 Abs. 2 WpPG kompensiert. Liegt nach letztgenannter Vorschrift eine Befreiung vor, kann davon ausgegangen werden, dass ein berechtigtes Interesse nach § 15 Abs. 3 WpHG gegeben ist. d) Systematisierung von Informationspflichten und Befreiungstatbeständen Einige der soeben vorgestellten Veröffentlichungspflichten weisen mit § 15 Abs. 3 WpHG strukturell vergleichbare Tatbestände auf, die zur Verweigerung der Veröffentlichung bestimmter Informationen berechtigen. Andere Informationspflichten wie große Teile der Regelpublizitätspflicht sind inhaltlich spezieller formuliert und haben – wenn überhaupt – nur sehr enge Ausnahmetatbestände. Im Schrifttum werden dementsprechend zwei Gruppen von Informationstatbeständen unterschieden. In der Gruppe der Informationspflichten, deren Umfang inhaltlich präzise umgrenzt ist, wird die Wesentlichkeit einer Information für die Adressaten durch die präzise Ausgestaltung der Umgrenzung förmlich festgelegt.421 Davon abzugrenzen sind Informationspflichten, die die Wesentlichkeit der Information materiell festlegen.422 Eine materielle Festlegung zeichnet sich dadurch aus, dass das Bestehen der Informationspflicht erst durch 419 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung (ABl. EU Nr. L 149 S. 1, Nr. L 215 S. 3). 420 BGH, Urteil vom 05.07.1993 – II ZR 194/92 = BGHZ 123, 106 (109); ähnlich auch Erwägungsgrund 19 der Prospektrichtlinie = Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 345, S. 64–89. 421 Zetzsche, S. 229. 422 Merkt, S. 453; zur Abgrenzung von formeller und materieller Wesentlichkeit Zetzsche, S. 229.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
eine Abwägung des Informationsbedürfnisses mit entgegenstehenden Interessen ermittelt werden kann.423 Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist in der Zusammenschau mit der Selbstbefreiungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 3 WpHG insofern als Teil derjenigen Informationsrechte zu werten, die materiell festgelegt werden. Die Selbstbefreiung ist Teil der materiellen Festlegung.424 Dass Erkenntnisse und Entscheidungen zu anderen Veröffentlichungspflichten, z. B. dem Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 AktG, auch auf die Ad-hoc-Publizität und die Selbstbefreiung übertragbar sind,425 lässt sich unter anderem mit der Einordnung dieser Pflichten in die Gruppe von materiell definierten Informationspflichten begründen. Auch in Fällen von Informationspflichten, bei denen die Wesentlichkeit förmlich festgelegt ist, können Insiderinformationen betroffen sein. Das gilt vor allem für das gesamte Recht der Rechnungslegung,426 aber auch für Geschäfte von Führungspersonen nach § 15a WpHG oder den Erwerb oder die Veräußerung bestimmter Beteiligungen nach § 21 WpHG. Die förmlichen Informationspflichten zeichnen sich dadurch aus, dass sie enger definiert sind. Das führt auch dazu, dass Befreiungen in diesen Fällen nur selten vorgesehen sind und dass die wenigen Befreiungstatbestände, wie z. B. für Stimmrechtsmeldungen nach § 21 WpHG in § 23 WpHG, enge und präzise Erfordernisse anstellen. Sollte eine Insiderinformation vorliegen und keine der eng umgrenzten Ausnahmemöglichkeiten gegeben sein, ist auch eine Selbstbefreiung ab Eintritt der anderen Informationspflicht nicht mehr möglich. Ein berechtigtes Interesse ist dann ausgeschlossen. Die Natur der Ad-hoc-Publizitätspflicht als Instrument der laufenden Kapitalmarktinformation verbietet indes, aus dieser Erkenntnis einen Umkehrschluss herzuleiten, wonach ein Informationsbedürfnis nur bei Erfüllung des förmlichen Tatbestandes gegeben wäre.
V. Das Überwiegen des berechtigten Interesses gegenüber den Kapitalmarktinteressen Das Vorliegen eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses führt nicht automatisch dazu, dass auch ein berechtigtes Interesses nach § 15 Abs. 3 WpHG bejaht werden kann. Nach der Definition des berechtigten Interesses im weiteren Sinne in § 6 Satz 1 WpAIV ist zusätzlich erforderlich, dass die Interessen des 423
Zetzsche, S. 229; Merkt S. 453. Vgl. Zetzsche, S. 229; Merkt S. 453, die eventuelle Geheimhaltungsinteressen als Teil der Wesentlichkeit erkennen. 425 Vgl. S. H. Schneider, BB 2001, 1214 (1215); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 136. 426 Zetzsche, S. 229, formuliert, dass „das ganze Bilanzrecht eine Wesentlichkeitsabwägung“ ist. 424
V. Das Überwiegen des berechtigten Interesses
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Emittenten an der Geheimhaltung der Information, also das berechtigte Interesse im engeren Sinne, die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen. 1. Zur Erforderlichkeit einer Abwägung von Geheimhaltungsinteresse mit dem Kapitalmarktinteresse an der Veröffentlichung Vor Inkrafttreten des AnSVG war umstritten, ob bei der Befreiung eine Abwägung mit den Interessen des Kapitalmarktes bzw. des Publikums vorzunehmen war, da § 15 WpHG a. F. diese im Gegensatz zu § 44a BörsG a. F. nicht erwähnte.427 Trotzdem sollten nach der überwiegenden Auffassung die Interessen des Kapitalmarkts und der Anleger bei der Frage, ob die Möglichkeit der Befreiung vorliegt, weiter zu berücksichtigen sein.428 Durch Inkrafttreten des AnSVG bzw. der WpAIV scheint sich der vorstehende Streit durch die in § 6 Satz 1 WpAIV enthaltene Definition erledigt zu haben. a) Kritik an der Definition von § 6 Satz 1 WpAIV Die herrschende Auffassung hält die in § 6 Satz 1 WpAIV festgelegte Definition für zulässig, ohne dies groß zu problematisieren.429 Zum Teil wird das Erfordernis auch direkt aus dem Begriff „berechtigtes Interesse“ in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG bzw. in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie hergeleitet.430 Von einigen Vertretern im Schrifttum wird dem entgegen die Definition des berechtigten Interesses als Überwiegen eines Geheimhaltungsinteresses gegenüber dem Kapitalmarktinteresse an der Veröffentlichung für unzulässig gehalten und § 6 Satz 1 WpAIV damit de facto als wirkungslos angesehen.431 Diese Ansicht verweist zur Begründung auf die richtlinienkonforme Auslegung von § 15 Abs. 3 WpHG. In Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie werde nur verlangt, dass beim Emittenten berechtigte Interessen vorliegen müssten.432 Von einer Ab427
Assmann, ZGR 1994, 490, 528. Simon, Der Konzern 2005, 13 (19); Tollkühn, ZIP 2004, 2218 zur Marktmissbrauchsrichtlinie; zum Rechtsstand vor Inkrafttreten des AnSVG: Schlittgen, S. 212; Geibel in: Schäfer (1999), § 15 Rn 114; Kümpel/Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (3. Auflage), § 15 Rn 146. 429 Vgl. etwa nur BaFin, Emittentenleitfaden, S. 65; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 155; Schäfer/Geibel in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 130; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 351; Harbarth, ZIP, 2005, 1898 (1904); Holzborn in: Heidelberger Kommentar AktG, § 15 WpHG/Anh § 93 Rn 9. 430 Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2218); Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90 (95). 431 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 16; Parmentier, NZG 2007, 407 (415); Grothaus, ZBB 2005, 62 (65). 432 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 16; Grothaus, ZBB 2005, 62 (65). 428
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
wägung sei dort nicht die Rede. Das aus Art. 95 EGV433 hervorgehende Verbot, schärfere Publizitätsanforderungen zu bestimmen als europarechtlich vorgegeben, führe daher dazu, dass die Kapitalmarktinteressen nicht zu berücksichtigen seien.434 Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie verlange im Hinblick auf das Kapitalmarktpublikum nur, dass es durch die unterlassene Veröffentlichung nicht irregeführt werden dürfe.435 Gegen diese Ansicht ist zunächst einzuwenden, dass die europäische Regelung eine Abwägung des Geheimhaltungsinteresses des Emittenten mit den Kapitalmarktinteressen nicht ausdrücklich verbietet. Die Kapitalmarktinteressen an der Veröffentlichung werden in Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie zwar nicht wörtlich erwähnt. Jedoch handelt es sich bei § 6 Satz 1 WpAIV nach dessen Wortlaut um eine Definition des in Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie verwendeten Begriffes berechtigtes Interesse. Da die Marktmissbrauchsrichtlinie selbst keine Definition liefert, ist dies nicht per se unzulässig. Dieses Verständnis hatte auch der Gesetzgeber, dessen Begründung für § 6 Satz 1 WpAIV lautet: „Zunächst werden die berechtigten Interessen in allgemeiner Form (. . .) beschrieben (. . .)“.436 Der Gesetzgeber sieht somit in § 6 Satz 1 WpAIV keine Einschränkung des berechtigten Interesses. Vielmehr geht er davon aus, dass sich die Notwendigkeit einer Abwägung aus dem Begriff „berechtigtes Interesse“ selbst ergibt.437 Zu beachten ist auch, dass die Regelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht überhaupt erst geschaffen wurde, um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu bewahren und zu fördern. Diese Motivlage spricht dafür, bei der Prüfung einer zeitweiligen Nichtanwendung dieser Pflicht aufgrund einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG die Kapitalmarktinteressen einzubeziehen. b) Ablehnung der Abwägung von Geheimhaltungsund Kapitalmarktinteresse Nach der herrschenden Meinung ergibt sich aus § 6 Satz 1 WpAIV, dass zwischen den widerstreitenden Interessen eine Abwägung vorzunehmen ist.438 Die 433 Nunmehr Art. 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU C83, S. 47 f. 434 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 16. 435 Parmentier, NZG 2007, 407 (415). 436 Begründung zu einer Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungsund Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz, S. 7, abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_161/ nn_721290/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Aufsichtsrecht/wpaiv__beg,templateId =raw,property=publicationFile.pdf/wpaiv_beg.pdf, abgerufen am 13. Mai 2010. 437 So zu Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie schon Leppert/Stürwald ZBB 2002, 90 (95). 438 Begründung zu einer Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungsund Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen
V. Das Überwiegen des berechtigten Interesses
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vereinzelte Kritik im Schrifttum hält dem entgegen, dass nach dem Wortlaut von § 6 Satz 1 WpAIV keine Abwägung nötig sei. Nach § 6 Satz 1 WpAIV sei allein erforderlich, dass das Geheimhaltungsinteresse dasjenige an der Veröffentlichung zur Unterrichtung des Kapitalmarkts tatsächlich objektiv überwiegt.439 Es wird auch bezweifelt ob sich ein derartiger „Vergleich von Äpfeln und Birnen“ überhaupt sinnvoll anstellen ließe.440 Zuzugeben ist diesem Ansatz, dass die herrschende Meinung bisher keine allgemeingültige Beschreibung des rechtstechnischen Vorgangs der Interessenabwägung nach § 6 Satz 1 WpAIV gefunden hat.441 Die Verwendung des Wortes „überwiegt“ in § 6 Satz 1 WpAIV schließt das Erfordernis einer Abwägung jedoch nicht aus. Allgemein wird als Güterabwägung jener Prozess bei einer abstrakten oder konkreten Kollision von Rechtsgütern beschrieben, an dessen Ende dem höherrangigen Rechtsgut Vorrang gegenüber dem niederrangigen gegeben wird.442 Sie ist der Erkenntnisprozess, an dessen Ende die Feststellung steht, dass ein Interesse das andere überwiegt. Für die Vornahme einer Interessenabwägung spricht ebenfalls, dass bei der Prüfung anderer, systematisch vergleichbarer Auskunftsverweigerungsrechte eine solche Abwägung für erforderlich gehalten wird. Als Beispiel ist das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG zu nennen.443 Auch der Wortlaut von § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG setzt keine Abwägung voraus. Jedoch entspricht es allgemeiner Meinung, dass ein drohender Nachteil allein nicht für das Auskunftsverweigerungsrecht genügt. Hinzukommen muss, dass eine Abwägung der möglichen Nachteile mit den Informationsinteressen der Aktionäre ergibt, dass die Nachteile das Informationsinteresse überwiegen.444 Zu dem Einwand, dass sich die gegenüberstehenden Interessen nicht sinnvoll gegeneinander abwägen ließen („Äpfel und Birnen“), ist zu sagen, dass die Verschiedenartigkeit der betroffenen Interessen einer Interessenabwägung nicht im Wege steht. Somit ist der herrschenden Meinung der Vorzug zu geben und eine Abwägung von Geheimhaltungs- und Kapitalmarktinteressen vorzunehmen.
nach dem Wertpapierhandelsgesetz, a. a. O.; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 66; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 155; Holzborn in: Heidelberger Kommentar AktG Anh, § 93/§ 15 WpHG Rn 9; Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2218); Simon, Der Konzern 2005, 13 (19). 439 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 18. 440 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 18. 441 Zu Einzelproblemen finden sich Abwägungen etwa bei Cahn/Götz, AG 2007, 221 (225) und Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469 (473). 442 Schmitt-Glaeser in: Tilch/Arloth (Band 2), S. 2116. 443 Siehe dazu auch Kap. D.IV.5.a). 444 Vergleiche BGH, Urteil v. 29.11.1982 – II ZR 88/81 = BGHZ 86, 1 (19); Spindler in: Schmidt/Lutter, § 131 Rn 65; Bälz, S. 154.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
2. Voraussetzungen des Überwiegens des Kapitalmarktinteresses Mit der Feststellung der Notwendigkeit einer Abwägung ist noch nichts darüber ausgesagt, nach welchen Parametern festzustellen ist, welches der abzuwägenden Interessen im Einzelfall das höherwertige ist.445 Die Suche nach diesen Parametern gestaltet sich schwierig. Die Kapitalmarktinteressen an der Veröffentlichung werden seit der Neuregelung der Befreiung durch das AnSVG zum Teil schon im Rahmen anderer Tatbestandsmerkmale in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG berücksichtigt.446 Die Selbstbefreiung von der Adhoc-Publizitätspflicht ist auch bei überwiegendem Geheimhaltungsinteresse nur zulässig, wenn zusätzlich keine Gefahr der Irreführung des Kapitalmarkts gegeben ist, die Vertraulichkeit der Information gewährleistet ist und die Information nicht an Personen weitergegeben wurde, die nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet sind (§ 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG). Diese Tatbestandsvoraussetzungen bestanden bei der Antragsbefreiung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 der Ad-hoc-Publizitätspflicht i. d. F. des 2. FFG noch nicht. Demgemäß wurde dort die Vertraulichkeit als ein Aspekt der abzuwägenden Kapitalmarktinteressen gesehen.447 Wenn die Kapitalmarktinteressen durch diese zusätzlichen, ausdrücklich geregelten Merkmale ausreichend geschützt würden, verbliebe zur Abwägung der Geheimhaltungsinteressen mit den Kapitalmarktinteressen nach § 6 Satz 1 WpAIV kein Anwendungsbereich. Fraglich ist daher nicht, ob die Definition in § 6 Satz 1 WpAIV zulässig oder ob die in der Regelung vorgesehene Abwägung möglich ist, sondern welche Merkmale dem Kapitalmarktinteresse eine Gewichtung verleihen können. Eine derartige Gewichtung ist denknotwendige Voraussetzung für den von § 6 Satz 1 WpAIV vorgesehenen Abwägungsprozess. Zu möglichen Merkmalen der Gewichtung des Kapitalmarktinteresses ist nach Inkrafttreten des AnSVG nicht Stellung genommen worden, obwohl hier aufgrund der Aufnahme neuer Voraussetzungen der Selbstbefreiung in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG n. F. im Vergleich zur alten Rechtslage Anpassungsbedarf besteht. Der Emittentenleitfaden enthält nicht mehr als die schlichte Feststellung, dass die Abwägung erforderlich sei.448 Im Schrifttum wird der Abwägung mit den Kapitalmarktinteressen von einer Ansicht nur beschreibender Charakter für die Selbstbefreiung insgesamt zugestanden.449 Das widerspricht aber klar dem Wortlaut von § 6 Satz 1 WpAIV, da sich diese Vorschrift ausdrücklich nur auf das berech445
Schmitt-Glaeser in: Tilch/Arloth (Band 2), S. 2116. Insofern zutreffend Parmentier, NZG 2007, 407 (415). 447 Kümpel/Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (3. Auflage), § 15 Rn 146; Fürhoff, S. 204. 448 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 66. 449 S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899). 446
V. Das Überwiegen des berechtigten Interesses
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tigte Interesse bezieht. Die sonstigen Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG werden dort nicht behandelt. Nach einer weiteren Ansicht ist das Kapitalmarktinteresse im Sinne von § 6 Satz 1 WpAIV mit dem Interesse der Anleger an zeitnaher Information über kursrelevante Umstände abzuwägen. Insbesondere sei die Intention der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten zu beachten, die Bildung inadäquater Marktpreise zu verhindern.450 Die Bildung inadäquater Marktpreise ist jedoch mit der Selbstbefreiung denknotwendig verbunden, da der Markt die aus Sicht des Emittenten kurserhebliche Information noch nicht berücksichtigen kann. Somit ist auch diese Ansicht abzulehnen.451 Ausgangspunkt einer Präzisierung des Inhalts der Kapitalmarktinteressen und des Abwägungsvorgangs ist der Gedanke, dass sich im Ergebnis die gegenüberstehenden Interessen – Geheimhaltungs- und Kapitalmarktinteresse – zum Wohle der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ausgleichen müssen. Fraglich ist, wie ein solcher Ausgleich erzielt werden kann. Bei Abwägungen von Interessen gilt das allgemein Prinzip des möglichst schonenden Ausgleichs, nach dem beiden Interessen möglichst weitgehende Geltung unter Berücksichtigung des jeweiligen anderen Interesses zukommen soll. Im verfassungsrechtlichen Bereich ist ein derartiger Ausgleich der Interessen unter dem Begriff der praktischen Konkordanz bekannt.452 Bei der Gegenüberstellung von Veröffentlichungsinteressen des Kapitalmarkts und Nichtveröffentlichungsinteressen des Emittenten kann eine solche praktische Konkordanz jedoch nicht erreicht werden. Die Bevorzugung eines Interesses schließt die Berücksichtigung des jeweils anderen Interesses vollständig aus. Das mögliche Ergebnis der Abwägung kann nur Veröffentlichung oder Selbstbefreiung lauten. Ein Mittelweg ist nicht gegeben. Veröffentlichungs- und Geheimhaltungsinteresse schließen sich aber nur dann aus, wenn man die Abwägung ausschließlich auf einem bestimmten Moment bezieht. Der Ausgleich der Interessen ist denkbar, wenn die zeitliche Komponente in den Vorgang der Abwägung einbezogen wird. Ein Ausgleich der Interessen kann sich bei Einbeziehung der gesamten Zeitleiste der gewünschten Selbstbefreiung ergeben. Nicht das „ob“, sondern das „wann“ der Veröffentlichung wird in diesem Fall durch das Ergebnis der Abwägung festgelegt. Das Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarkts wird umso stärker, je länger die Insiderinformation vorliegt,453 da trotz der Vorkehrungen zur Vorbeugung von Insiderhandel die sich aus der Voraussetzung „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ in § 15 Abs. 3 WpHG ergeben, stets eine gewisse Restgefahr vorliegt, dass Insider die bestehende Informationsasymmetrie zum Nachteil der restlichen Kapitalmarkt450 Veith, NZG 2005, 254 (257); ähnlich Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 130. 451 So auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 156. 452 Zum Begriff vgl. etwa Hesse, Verfassungsrecht, Rn 72. 453 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 156.
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D. Das „berechtigte Interesse‘‘ des Emittenten in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
teilnehmer ausnutzen. Gleichzeitig muss sich der Emittent immer wieder die Frage stellen, ob die Bekanntgabe der Information den Emittenten noch im gleichen Maße schädigen würde wie zu Beginn der Selbstbefreiung. Diese Prüfung kann durchaus auch extrem lange Selbstbefreiungszeiträume rechtfertigen, wenn etwa der erwartete Schaden gleich hoch bleibt.454 Das Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarkts und die darin zum Ausdruck kommenden Zwecke der Ad-hocPublizitätspflicht, nämlich die Herstellung von Transparenz und die Bekämpfung des Insiderhandels, gebieten trotz der Einhaltung der übrigen Voraussetzungen der Selbstbefreiung, dass diese nur so lange wie unbedingt nötig in Anspruch genommen wird. Daraus folgt, dass das Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarktes das Geheimhaltungsinteresses immer überwiegt, wenn der Befreiungszeitraum durch den Emittenten nicht so kurz wie möglich gestaltet wird. Das Vorliegen eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses rechtfertigt die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht insbesondere dann nicht mehr, wenn der Emittenten den Zeitraum der Nichtveröffentlichung verlängert, um in diesem Rahmen weitere Ziele zu verfolgen, etwa im Rahmen einer beabsichtigten Unternehmensübernahme taktische Vorteile zu erlangen.455 In einem solchen Fall liegt kein berechtigtes Interesse im Sinne von § 15 Abs. 3 WpHG vor.
454 Für die Möglichkeit einer monatelangen Befreiung: Harbarth, ZIP 2005, 1898, (1904); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 177 und Ziemons NZG 2004, 537 (543) halten sogar eine permanente Befreiung für möglich. 455 Zu diesem Fall Gunßer, S. 138.
E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG Im Gegensatz zur früheren Regelung der Befreiung von der Ad-hoc-Publizität knüpft § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung neben dem berechtigten Interesse des Emittenten an weitere Bedingungen. Die Regelung von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nennt zwei dieser Bedingungen ausdrücklich. Zum einen darf nicht zu befürchten sein, dass die Öffentlichkeit in die Irre geführt wird. Zum anderen darf der Emittent die Selbstbefreiung nur so lange in Anspruch nehmen, wie die Vertraulichkeit der betroffenen Insiderinformation gewährleistet ist. Nicht ausdrücklich wird eine Entscheidung des Emittenten über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung gefordert. Die (streitige) Notwendigkeit einer Entscheidung ergibt sich aber indirekt aus § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG. Weitere, in § 15 Abs. 3 WpHG nicht ausdrücklich angesprochene, Begrenzungen der Selbstbefreiungsmöglichkeit ergeben sich aus § 15 Abs. 1 Satz 4, § 15 Abs. 1 Satz 5 und § 15 Abs. 2 WpHG. Dort sind zwei weitere, neben dem Grundtatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG bestehende, Veröffentlichungspflichten im Hinblick auf Insiderinformationen geregelt. Da die Selbstbefreiung jedoch nur für den Grundtatbestand der Ad-hoc-Publizitätspflicht in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorgesehen ist, handelt es sich bei diesen Veröffentlichungspflichten quasi um negative Tatbestandsmerkmale der Selbstbefreiung.
I. Keine Irreführung der Öffentlichkeit Die Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität darf gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nur vorgenommen werden, solange nicht zu befürchten ist, dass die Öffentlichkeit durch die Befreiung in die Irre geführt wird. Diese Voraussetzung lässt sich kürzer als Verbot der Irreführung bzw. „Irreführungsverbot“ umschreiben.456 1. Vorüberlegungen zum Sinn und Zweck der Regelung Das Erfordernis eines Irreführungsverbots im Rahmen der Selbstbefreiung leuchtet nicht ohne Weiteres ein. Jeder Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist schließlich immanent, dass der Öffentlichkeit eine kurserhebliche Information vorenthalten wird. Diese Informationen sind dem Kapitalmarkt nicht 456
So auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 160.
128
E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
bekannt und können daher bei der Preisbildung für das entsprechende Finanzinstrument nicht berücksichtigt werden.457 Der Kapitalmarkt „irrt“ hier. Wenn das in § 15 Abs. 3 WpHG geregelte Irreführungsverbotes auf diesen, mit jeder Selbstbefreiung einhergehenden, Irrtum abzielen würde, wäre eine Selbstbefreiung immer ausgeschlossen; die Regelung des § 15 Abs. 3 WpHG liefe leer.458 Schon weil die Möglichkeit zur Selbstbefreiung aber nun einmal vorgesehen ist, kann sich die vom Gesetzgeber augenscheinlich befürchtete Irreführung gerade nicht auf die von der Selbstbefreiung bezweckte Nichtveröffentlichung der Insiderinformation beziehen.459 Das Irreführungsverbot ist begrifflich von der Gefahr der Irreführung bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen abzugrenzen, wie sie im Regelbeispiel des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV erwähnt ist. Im Fall von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV dient die Selbstbefreiung – wie gezeigt460 – gerade der Verhinderung einer Irreführung des Anlegerpublikums. Dies soll erreicht werden, indem bei Entscheidungen, die mehrere Entscheidungsstufen durchlaufen müssen, nicht jede Einzelentscheidung, sondern nur die letzte Entscheidungsstufe veröffentlicht werden muss.461 Die Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG betrifft die gegenteilige Gefahr, nämlich eine Irreführung nicht durch Veröffentlichung, sondern durch Nichtveröffentlichung. Für diese Form der Irreführung ist vor ihrer Einführung als Tatbestandsmerkmal in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG durch das AnSVG im Schrifttum weder eine Notwendigkeit erkannt noch ist sie sonst wie diskutiert worden. Daher zweifeln Teile das Schrifttum schon daran, dass das Tatbestandmerkmal überhaupt eine Berechtigung habe.462 Gründe für die Aufnahme des Merkmals lassen sich weder der Marktmissbrauchsrichtlinie noch dem AnSVG entnehmen. In Erwägungsgrund 11 der Marktmissbrauchsrichtlinie weist der Gesetzgeber lediglich allgemein auf die erhöhte Gefahr der Irreführung von Privatanlegern aufgrund des besseren Zugangs zu Informationen bei zugleich teilweise fehlenden Sanktionsvorschriften für die Verbreitung irreführender Informationen hin. Dieser Hinweis hat allerdings keinen Bezug zur Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, geschweige denn zum darin vorgesehenen Irreführungsverbot.
457 Simon, Der Konzern 2005, 13 (20) mit Verweis auf Zimmer in: Schwark, § 15 Rn 130. 458 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 155. 459 Vgl. CESR, Zweiter Leitfaden, S. 11; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 154; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 34; Veith, NZG 2005, 254 (257); Cahn/Götz, AG 2007, 221 (225); Simon, Der Konzern 2005, 13 (20); Geibel/ Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135. 460 Siehe dazu Kap. D.IV.3.d). 461 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (2005); Möllers, WM 2005, 1393 (1397). 462 Simon, Der Konzern 2005, 13 (20).
I. Keine Irreführung der Öffentlichkeit
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2. Bisher vertretene Ansätze Im Schrifttum werden verschiedene Ansätze zur Konkretisierung des Irreführungsverbotes diskutiert. a) Kein eigenes Tatbestandsmerkmal Vereinzelt wird dem Irreführungsverbot abgesprochen, ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal darzustellen. Vielmehr sei die Gefahr der Irreführung bereits bei der Abwägung des berechtigten Interesses mit dem Kapitalmarktinteresse zu berücksichtigen.463 Dem ist entgegen zu halten, dass diese Auslegung mit dem Wortlaut des Gesetzes unvereinbar ist. Das Irreführungsverbot ist in § 15 Abs. 3 WpHG ausdrücklich vorgesehen und somit eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Selbstbefreiung. Damit ist ausgeschlossen, die Irreführungsgefahr als Teil der Interessenabwägung zu betrachten, die sich aus der neben dem Irreführungsverbot stehenden Voraussetzung des Vorliegens eines berechtigten Interesses ergibt. b) Irreführungsgefahr bei negativen Insiderinformationen Nach einer ebenfalls nur vereinzelt vertretenen Auffassung soll das Irreführungsverbot vor allem bei negativen Insiderinformationen relevant sein, weil nur in dieser Konstellation die Gefahr der Irreführung des Anlegerpublikums gegeben sei.464 Auch diese Ansicht ist abzulehnen.465 Schon die Einteilung von Insiderinformationen in positive und negative Informationen wird aus Sicht des Emittenten nicht immer möglich sein, da sich die Bewertung von Geschäftsergebnissen etc. vom Markt nicht immer voraussagen lässt.466 Des Weiteren ist die Annahme unzutreffend, dass im Falle von negativen Informationen eher eine Irreführung zu befürchten ist als bei positiven.467 Wenn der Markt im Bezug auf den Emittenten eine schlechtere Lage annimmt als tatsächlich gegeben, besteht die Gefahr, dass die Anleger die Aktien zu billig verkaufen. Dies soll nach der Systematik des Gesetzes nur bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG hinzunehmen sein. Die Selbstbefreiung selbst ist ja – wie bereits erwähnt – kein Fall der Irreführung.
463
Schäfer/Geibel in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135. Ziemons, NZG 2004, 537 (543); Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (650). 465 So auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 160; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 156; Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 385; Veith, NZG 2005, 254 (257); Simon, Der Konzern 2005, 13 (20); Möllers, WM 2005, 1393 (1396). 466 Möllers, WM 2005, 1393 (1396). 467 Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135; Simon, Der Konzern 2005, 13 (20); Veith, NZG 2005, 254 (257). 464
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
c) Abstellen auf konkrete Gerüchte Eine weitere Ansicht sieht die Gefahr der Irreführung als gegeben an, wenn konkreter werdende Gerüchte am Markt über die Maßnahmen bestehen, die Gegenstand der Selbstbefreiung sind.468 Teilweise wird weitergehend gefordert, dass eine Irreführungsgefahr nur angenommen werden dürfe, wenn durch die Fehlinformation ein extremes Fehlverhalten des Marktes entsteht oder unmittelbar bevorsteht, welches unter Berücksichtigung der mit der Veröffentlichung der Insiderinformation verbundenen Nachteile schlechterdings unhaltbar erscheint.469 Das alleinige Abstellen auf konkreter werdende Gerüchte, welche gegebenenfalls zu einem extremen Fehlverhalten des Anlegerpublikums führen könnten, ist schon aufgrund des Wortlauts des Irrführungsverbotes abzulehnen. Danach bedarf es der Gefahr der Irreführung. Der Wortteil „Führung“ macht deutlich, dass eine Aktivität des Emittenten zu verlangen ist.470 Insofern beinhaltet das Irreführungsverbot eine subjektive Komponente.471 Unzureichend ist somit, lediglich die am Markt vorhandenen Informationen auf die Möglichkeit von Irrtümern zu untersuchen. Durch die Einbeziehung von Marktinformationen beim Irreführungsverbot würde die Gefahr hervorgerufen, dass der Emittent von Dritten durch gezielte Streuung von Falschinformationen zur vorzeitigen Veröffentlichung gezwungen wird.472 Zudem muss sich die Ansicht, die auf konkreter werdende Gerüchte abstellen möchte, entgegen halten lassen, nicht sauber zwischen den Tatbestandsmerkmalen der Selbstbefreiung zu trennen. Das Auftreten von solchen Gerüchten spricht nicht so sehr für eine Irreführungsgefahr, sondern eher dafür, dass der Emittent entgegen § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht in der Lage war, die Vertraulichkeit zu gewährleisten.473 Zuletzt ist auch die Erweiterung abzulehnen, wonach für eine Irreführung in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG ein extremes Fehlverhalten des Marktes zu verlangen ist. Der Wortlaut der Regelung enthält keinen Hinweis auf eine Differenzierung nach dem Ausmaß der Irreführung. Eine eher geringfügige Irreführung erfüllt 468 Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2219; in diese Richtung auch Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1905) und Veith, NZG 2005, 254 (257); S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899), die ausreichen lassen, dass im Markt vorhandene konkrete Informationen im Widerspruch zur nicht veröffentlichten Information stehen, ohne dass Forderungen hinsichtlich der Herkunft der Quelle gestellt werden; ähnlich auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 160. 469 S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899). 470 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 156; insofern auch Geibel/ Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135, die auf ein „Zutun“ des Emittenten abstellen. 471 Anders Gunßer, S. 99, der konsequenterweise auch bei einer Gefahr der Irreführung, die durch einen Dritten verursacht wird, keine Selbstbefreiung zulässt. 472 Möllers, WM 2005, 1393 (1397). 473 Decker, S. 328.
I. Keine Irreführung der Öffentlichkeit
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das Merkmal genauso wie eine Irreführung, die zu einem extremen Fehlverhalten führt. d) Abstellen auf begleitendes Emittentenverhalten Überwiegend wird im Schrifttum die Meinung vertreten, dass die zu befürchtende Irreführung nur durch ein Emittentenverhalten, insbesondere durch die Veröffentlichung von Informationen durch den Emittenten, hervorgerufen werden könne.474 Diese Ansicht wird wohl auch von der BaFin geteilt, die insofern auf vom Emittenten gesetzte „Signale“ abstellt.475 Als Veröffentlichungen des Emittenten sind in diesem Zusammenhang nicht nur Ad-hoc-Mitteilungen sondern sämtliche öffentliche Äußerungen, wie Pressemitteilungen, Interviews, Analystengespräche und Ähnliches, zu verstehen. Eine zu befürchtende Irreführung der Öffentlichkeit soll demnach möglich sein, wenn beim Anlegerpublikum Vorstellungen entstehen können, die mit der zu veröffentlichenden Insiderinformation im Widerspruch stünden.476 Die betreffenden Vorstellungen des Anlegerpublikums müssen indes vom Emittenten geweckt worden sein. Bestehen die Fehlvorstellungen der Anleger, obwohl der Emittent selbst keine irgendwie gearteten Signale gegeben hat, liegt hingegen keine Irreführungsgefahr vor.477 Teilweise unterschiedlich beurteilen die Vertreter dieser Ansicht die Frage, welche Qualität das die Irreführungsgefahr auslösende Emittentenverhalten haben muss. Während die BaFin mit der Verwendung des Worts Signale ein weites Verständnis zum Ausdruck bringt,478 halten andere nicht jedes Emittentenverhalten für geeignet eine Irreführungsgefahr hervorzurufen, sondern sehen nur gegenteiliges Informationsverhalten des Emittenten als möglichen Verursacher an.479 3. Stellungnahme Der letztgenannten, wohl herrschenden Meinung ist grundsätzlich zuzustimmen. Eine verbotene Irreführung kann somit auf einem die Selbstbefreiung begleitenden Verhalten des Emittenten beruhen. Das Merkmal bedarf aber der wei474 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 156; Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135; Letztere sehen aber wie erwähnt das Irreführungsverbot nicht als eigenständiges Tatbestandsmerkmal an. 475 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67. 476 Cahn/Götz, AG 2007, 221 (226). 477 Kümpel/Veil, 4. Teil, Rn 28; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 160; zustimmend Cahn/Götz, AG 2007, 221 (226); Fleischer/Schmolke, AG 2007, 841 (851); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 160; siehe aber zu Harbarth und Versteegen auch Fn 468; ähnlich Schäfer/Geibel in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135, die freilich der Eignung zur Irreführung die Qualität eines eigenen Tatbestandsmerkmals absprechen. 478 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67. 479 Schwintek, S. 34; Simon, Der Konzern 2005, 13 (20).
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
teren Präzisierung und Systematisierung. Ob die Selbstbefreiung möglich ist, weil „keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten“ ist, muss der Emittent in einem mehrstufigen Prüfungsverfahren ermitteln. a) Gefahr des Entstehens einer fehlerhaften Informationslage Mit Irreführungsgefahr ist im Zusammenhang des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG die Gefahr des Entstehens eines Irrtums beim Anlegerpublikum gemeint. Die Gefahr eines Irrtums besteht, wenn beim Anlegerpublikum die Gefahr einer fehlerhaften Informationslage im Hinblick auf die (unveröffentlichte) Insiderinformation besteht. Für die Frage der Fehlerhaftigkeit der Informationslage ist dabei die Bereichsöffentlichkeit ausschlaggebend, nicht die allgemeine Öffentlichkeit.480 Da der Gesetzgeber bereits die Gefahr der Irreführung und somit die Gefahr einer fehlerhaften Informationslage ausreichen lässt, muss die fehlerhafte Informationslage nicht bereits eingetreten sein. Für den betroffenen Emittent ergibt sich daraus die Verpflichtung, vor und laufend während der Selbstbefreiung Indizien zu prüfen, aus denen sich ergeben könnte, dass das Entstehen einer fehlerhaften Informationslage bevorsteht. Als Hilfsmittel zur Ermittlung der am Kapitalmarkt herrschenden Informationslage können dabei die Analystenkommentare sowie wiederkehrende Interpretationen des Marktes vom Verhalten des Emittenten in der Vergangenheit in Betracht kommen. Zieht man die Schnelllebigkeit der Märkte und die Geschwindigkeit der heutigen Informationsverbreitung und -verarbeitung in Betracht, muss jedoch eingestanden werden, dass der Emittent letztlich höchst selten die Irreführungsgefahr wird erkennen können, bevor die fehlerhafte Informationslage tatsächlich eingetreten ist. In diesem Fall kommt es darauf an, die fehlerhafte Informationslage schnellstmöglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, zu beseitigen, wenn die übrigen Voraussetzungen der Irreführung gegeben sind. Regelmäßig verbleibt dem Emittenten dann keine andere Möglichkeit, als die Selbstbefreiung zu beenden und die Insiderinformation zu veröffentlichen. Damit nicht schon jede, auch unwichtige, irrige Vorstellung, die die unveröffentlichte Insiderinformation betrifft, zum Ende der Selbstbefreiung führt, bedarf es einer Bagatellschwelle. Das Fehlverhalten muss nicht extrem,481 sondern lediglich nicht ganz unerheblich sein. b) Verhalten des Emittenten Der Wortteil „Führung“ bedeutet auch, dass der Irrtum auf ein Verhalten des Emittenten zurückzuführen sein muss.482 Dabei kann es sich entsprechend der 480 481 482
S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899). So aber S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899). Insofern zutreffend BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67.
I. Keine Irreführung der Öffentlichkeit
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herrschenden Meinung um ein Informationsverhalten aber auch um jegliches sonstiges Verhalten des Emittenten handeln, wenn dem Verhalten ein Erklärungswert beigemessen werden kann.483 Gerüchte und Spekulationen, die von anderer Seite gestreut werden, sind dem Emittenten nicht zuzurechnen.484 Dafür spricht das Anlegerleitbild des WpHG. Schutzadressat der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist der verständige Anleger. Der Emittent hat keinen Einfluss auf die Streuung von Gerüchten und Spekulationen durch Dritte. Der verständige Anleger hingegen muss sich bei seiner Anlageentscheidung darüber im Klaren sein, dass Gerüchte und Spekulationen eben nicht aus erster Hand stammen und daher von unklarer Verlässlichkeit sind. Das Verhalten Dritter ist dem Emittenten somit nur zuzurechnen, wenn der Dritte aus Sicht des verständigen Anlegers über entsprechende Informationen verfügen kann. Die Zurechnung vom Verhalten jedweder berufener Dritten485 ist damit als zu unpräzise und zu weitgehend abzulehnen. Diese für den Emittenten günstige Sichtweise ist aber teilweise wieder zu relativieren, wenn man die Beweislastverteilung für die Darlegung einer Irreführungsgefahr bedenkt. So obliegt es dem Emittenten zu beweisen, dass keine Irreführung von seiner Seite vorliegt, wenn eine fehlerhafte Informationslage eingetreten ist. Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Auffassung ist der Emittent während des Selbstbefreiungszeitraums auch gegenüber bestehenden Gerüchten und Spekulationen nicht ausschließlich zu einer no-comment-policy verpflichtet.486 Er kann auf jedwede gesetzliche Art und Weise versuchen, eine fehlerhafte Informationslage zu beseitigen oder zu vermeiden, und so verhindern, dass er zur Veröffentlichung der Insiderinformation verpflichtet ist.487 Eine Gefahr der Irreführung besteht nur, wenn diese nicht sicher auf andere Weise zu bannen ist als durch die Ad-hoc-Mitteilung. Zuzugeben ist jedoch, dass eine no-commentpolicy in den meisten Fällen die effektivste Vorbeugemaßnahme gegen eine Irreführung des Anlegerpublikums ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn im Markt Gerüchte gestreut werden, die inhaltlich durchaus in Richtung des Sachverhalts zielen, dessen Veröffentlichung aufgeschoben wurde. Ein Dementi kann dann problematisch sein, weil der im Gerücht enthaltene Sachverhalt zumindest teilweise zutrifft.
483 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 160. 484 Möllers, WM 2005, 1393 (1397); anders Gunßer, S. 101, der allein auf den Konkretisierungsgrad des Gerüchts abstellt, und teilweise Versteegen, Kölner Kommentar, § 15 Rn 160 für Herkunft der Gerüchte aus berufenen Quellen. 485 Zu weitgehend daher Versteegen, Kölner Kommentar, § 15 Rn 160, der jede Irreführung von berufener Stelle ausreichen lässt. 486 In diese Richtung die BaFin, Emittentenleitfaden, S. 56; dazu auch Kümpel/Veil, 4. Teil, Rn 28; Veith, NZG 2005, 254 (257); Diekmann/Sustmann, NZG 2005, 929 (935); Möllers, WM 2005, 1393 (1397); Gunßer, S. 100. 487 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 160.
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
c) Kausalität des Emittentenverhaltens Der Wortteil „Führung“ des Begriffs Irreführung weist darauf hin, dass zwischen dem Verhalten des Emittenten und der fehlerhaften Informationslage ein Kausalzusammenhang bestehen muss. Da nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG bereits die Gefahr der Irreführung ausreicht, kann sich der erforderliche Zusammenhang bereits aus einer Kausalitätsprognose des Emittenten ergeben.488 Die Kausalität des Emittentenverhaltens für die fehlerhafte Informationslage beim Anlegerpublikum liegt nicht schon vor, wenn das Verhalten des Emittenten eine Bedingung für die fehlerhafte Informationslage im Sinne der conditio sine qua non ist. Die Kausalität setzt nicht nur voraus, dass der Emittent irgendeine Bedingung des Erfolgeintritts gesetzt haben muss. Eine solche Bedingung für die Irreführungsgefahr hat der Emittent nämlich immer gesetzt, z. B. allein durch seine frühere Entscheidung Finanzinstrumente herauszugeben. Erst diese macht ja überhaupt das Entstehen einer Insiderinformation und somit das Bedürfnis für eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG möglich. Dann wäre bei Vorliegen einer fehlerhaften Informationslage immer ein kausales Verhalten des Emittenten gegeben und die Beschränkung auf durch Verhalten des Emittenten bedingte fehlerhafte Informationslagen gegenstandslos. Ähnlich wie im zivilrechtlichen Deliktsrecht ist daher zu fordern, dass das Verhalten des Emittenten für die Irreführungsgefahr auch adäquat kausal war. Adäquat-kausal ist nur ein Verhalten des Emittenten, das nicht außerhalb jedes inneren Zusammenhangs mit der Irreführungsgefahr steht.489 Mit der Benennung des Kausalitätserfordernisses ist auch die Frage beantwortet, ob ein irreführendes Informations- oder sonstiges Verhalten erst in dem Zeitraum nach der erstmals vorgenommenen Selbstbefreiung vorliegen kann. Die letztgenannte Ansicht vertritt offenbar die BaFin.490 Das ist jedoch abzulehnen. Eine derartige Beschränkung des Zeitraums, in dem ein irreführendes und damit die Selbstbefreiung ausschließendes Verhalten gegeben sein kann, würde bedeuten, dass die Irreführungsgefahr nicht Tatbestandsmerkmal und Voraussetzung der Selbstbefreiung, sondern lediglich Voraussetzung für ein Wegfallen der Selbstbefreiungsmöglichkeit wäre. Anhand des Wortlauts von § 15 Abs. 3 WpHG ließe sich eine solche Interpretation des Merkmals noch rechtfertigen, da das Wort solange darauf hindeutet, dass Irreführung erst nach der Befreiung vorliegen kann. Nach Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie hingegen ist die Selbstbefreiung zulässig, sofern die Unterlassung der Veröffentlichung nicht zur Irreführung geeignet ist. Die englische Fassung dieser Vorschrift, die an Stelle von 488
Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 157. Vgl. zur diesbezüglichen BGH-Rechtsprechung Schiemann in: Staudinger, § 249 Rn 16, dort auch Rn 12 f. allgemein zur Adäquanztheorie. 490 Der BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67 zu Folge darf der Emittent „während des Befreiungszeitraums aktiv keine Signale setzen“ (Hervorhebung des Verfassers). 489
I. Keine Irreführung der Öffentlichkeit
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sofern die Formulierung „provided that“ enthält, macht ebenfalls deutlich, dass die Irreführungsgefahr schon im Zeitpunkt der Selbstbefreiung vorliegen kann. Zudem spricht die hier entwickelte Systematik gegen eine Beschränkung des Zeitraums auf das Verhalten während der Befreiung. Zuletzt wird der Kausalzusammenhang zwischen einem Verhalten des Emittenten und der Irreführungsgefahr nicht durch die Vornahme der Selbstbefreiung unterbrochen. Naturgemäß ist es allerdings desto unwahrscheinlicher, dass ein Verhalten des Inlandsemittenten adäquat kausal für eine Irreführungsgefahr ist, je weiter es vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Selbstbefreiung vorgenommen werden soll. d) Anforderungen an die Prognose Die Fragen, ob eine Gefahr der Fehlinformation des Marktes entsteht und ob ein Verhalten des Emittenten hierfür kausal ist, kann der Emittent nur durch eine Prognose der Marktreaktion beantworten.491 Berücksichtigt der Emittent dabei sorgfältig alle relevanten Faktoren und kommt zu einem (ex-post) falschen Ergebnis, führt dies dazu, dass die Befreiung trotzdem berechtigt durchgeführt wurde.492 Kann der Inlandsemittent allerdings nachträglich erkennen, dass doch eine Irreführung oder eine Irreführungsgefahr vorliegt, wird die Befreiung ab diesem Zeitpunkt unzulässig. Fraglich ist, welchen Maßstab der Inlandsemittent anlegen muss, wenn er ermittelt, wie wahrscheinlich es ist, dass sich eine erkannte Irreführungsgefahr realisiert. Bei Beantwortung dieser Frage ist zu vergegenwärtigen, dass der Gesetzgeber die Irreführung der Öffentlichkeit als starres negatives Tatbestandsmerkmal der Selbstbefreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG geregelt hat. Das Vorliegen der Irreführungsgefahr im Sinne dieser Vorschrift führt zwingend dazu, dass eine Selbstbefreiung nicht mehr in Betracht kommt. Eine Folgeabwägung auch bei noch so gewichtigen Interessen an der Selbstbefreiung ist dann ausgeschlossen.493 Diese strenge Rechtsfolge kann nur gerechtfertigt sein, wenn bei der Prognoseentscheidung hinsichtlich des Bestehens der Irreführungsgefahr ein hoher Wahrscheinlichkeitsmaßstab angelegt wird. Demnach genügt nicht jedes entfernt liegende Anzeichen für eine Irreführungsgefahr. Die Irreführungsgefahr muss sich vielmehr aus konkreten Anhaltspunkten ergeben. Es ist zwar nicht zu fordern, dass diese Anhaltspunkte ausschließlich den Schluss auf eine schon existierende oder bevorstehende Irreführung zulassen. Wegen der Rechtsfolge der Bejahung einer Irreführungsgefahr, nämlich des Wegfalls der Selbstbefreiungsmöglichkeit trotz drohender Schädigung der Interessen des Emittenten durch die 491
Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 157. S. H. Schneider, BB 2005, 897 (900). 493 Anders einzig Schäfer/Geibel in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 135; siehe dazu Kap. E.I.2.a). 492
136
E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
Veröffentlichung der Information, wird man verlangen müssen, dass die irrige Wahrnehmung der Informationslage die sicher wahrscheinlichere von mehreren möglichen Reaktionen des Anlegerpublikums ist. Wie bereits angesprochen, ist es dem Inlandsemittenten zudem gestattet, im Fall einer erkannten Irreführungsgefahr zu prüfen, ob die Gefahr der Irreführung durch eine die nicht veröffentlichte Insiderinformation nicht berührende klarstellende Mitteilung beseitigt werden kann.494 Die Veröffentlichung per Ad-hoc-Mitteilung unter Verletzung des berechtigten Interesses kann dem Inlandsemittenten nur abverlangt werden, wenn die Irreführung andernfalls unvermeidlich ist. Das Wegfallen der Selbstbefreiung ist somit lediglich ultima ratio. Umso wichtiger wird dadurch die ständige Kontrolle des eigenen (Informations-)Verhaltens und der Marktreaktionen im Selbstbefreiungszeitraum.
II. Gewährleistung der Vertraulichkeit Die Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität ist nach § 15 Abs. 3 WpHG des Weiteren nur unter der Voraussetzung gestattet, dass der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann bzw., wie es die Marktmissbrauchsrichtlinie in Art. 6 Abs. 2 ausdrückt, „in der Lage ist, die Vertraulichkeit zu gewährleisten“. 1. Regelungsziel des Merkmals Die Gewährleistung der Vertraulichkeit besteht nach Ansicht des Gesetzgebers aus zwei Elementen. Zum einen ist „mit Blick auf die effektive Bekämpfung von Insiderkriminalität“ zu verlangen, „dass der Emittent wirksame Vorkehrungen trifft, um zu verhindern, dass andere Personen als solche, deren Zugang zur jeweiligen Insiderinformation für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben beim Emittenten unerlässlich ist, Zugang zu diesen Informationen erhalten“.495 Daneben habe der Emittent Sorge dafür zu tragen, „dass diejenigen, die Zugang zu den Insiderinformationen haben, die sich daraus ergebenden rechtlichen sowie regulatorischen Pflichten anerkennen und sich der Sanktionen bewusst sind, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Informationen verhängt werden“.496 Die Gewährleistung der Vertraulichkeit soll somit dazu beitragen, dass Insiderhandel während der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG verhindert wird.497
494 495 496 497
In diese Richtung auch Versteegen Kölner Kommentar, § 15 Rn 160 am Ende. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35. So auch Erwägungsgrund 5 Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG.
II. Gewährleistung der Vertraulichkeit
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Vereinzelt ist das Merkmal „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ als eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Eigeninteressen des Unternehmens kritisiert worden.498 Hauptkritikpunkt ist dabei, dass die Richtlinie nicht erlaube, die möglichen Folgen für das Unternehmen zu berücksichtigen, insbesondere wenn es nur zu begrenzten Insideraktivitäten komme. Die Definition des Merkmals in Art. 3 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie macht jedoch deutlich, dass die „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ nicht verlangt, dass die Insiderinformation während des Befreiungszeitraums tatsächlich vertraulich ist. Das volle Risiko etwaiger vorsätzlicher Verstöße durch Mitarbeiter oder Dritte gegen Vertraulichkeitspflichten, die dem Emittenten verborgen bleiben, trägt der Emittent aufgrund dieses Merkmals nicht, so lange Mitarbeiter und Dritte nur rechtmäßig Zugang zu den Informationen erhalten haben und die oben aufgeführten Bedingungen eingehalten wurden.499 2. Die Vorgaben in Durchführungsrichtlinie und WpAIV Nähere Ausführungen zum Inhalt des Merkmals „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ enthält Art. 3 Abs. 2 der Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Durchführungsrichtlinie sorgen die Mitgliedsstaaten für die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie, d.h. dass Emittenten zwecks Gewährleistung der Vertraulichkeit von Insider-Informationen den Zugang zu diesen Informationen kontrollieren. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Durchführungsrichtlinie müssen die Emittenten dazu insbesondere sicherstellen, dass • keine andere Personen als solche, deren Zugang zu Insider-Informationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben innerhalb des emittierenden Instituts unerlässlich ist, Zugang zu diesen Informationen erlangen (lit. a); • gewährleistet ist, dass jede Person, die Zugang zu derlei Informationen hat, die sich daraus ergebenden rechtlichen sowie regulatorischen Pflichten anerkennt und sich der Sanktionen bewusst ist, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Informationen verhängt werden (lit. b); • die Emittenten die Information unverzüglich bekannt geben können, wenn sie nicht länger in der Lage sind, ihre Vertraulichkeit zu gewährleisten (lit. c). Die Anforderungen Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. a) und c) Durchführungsrichtlinie wurden in Deutschland durch § 7 WpAIV umgesetzt. Die Regelung zur Anerken498
Hahn, S. 74. In die Richtung auch Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn 138, die bei unverschuldetem Bruch der Vertraulichkeit die Selbstbefreiung weiter als möglich ansehen. 499
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
nung der sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergebenden Pflichten (lit. b) in der Durchführungsrichtlinie) ist außerhalb der eigentlichen Regelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht in § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG niedergelegt, der ansonsten die Pflicht zur Anlegung von Insiderverzeichnissen betrifft. a) Fehlerhafte Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie Fraglich ist, ob das Merkmal „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ im Rahmen der zweiten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens,500 d.h. bei Erlass der Durchführungsrichtlinie, richtig interpretiert wurde. Problematisch ist insbesondere die in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. c Durchführungsrichtlinie und § 7 Nr. 2 WpAIV enthaltene Bedingung, dass der Emittent zur Gewährleistung der Vertraulichkeit stets in der Lage sein muss, die Information nach Ende des Befreiungszeitraums unverzüglich bekannt zu geben. Erstens ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG auch für Fälle der Selbstbefreiung zwanglos, dass der Emittent mangels Selbstbefreiung (also auch nach Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen) verpflichtet ist, die Information unverzüglich zu veröffentlichen. Das impliziert im Falle der vorangegangenen Selbstbefreiung bereits eine Pflicht zum Vorhalten der betreffenden Ad-hoc-Mitteilung. Zweitens hat die Verpflichtung des Emittenten, stets zur Bekanntmachung der Insiderinformation am Ende der Selbstbefreiung in der Lage zu sein, begrifflich nichts mit der Gewährleistung der Vertraulichkeit zu tun. Auch die möglichen Folgen der Missachtung der Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG, insbesondere die zivilrechtliche Haftung, sprechen gegen die Legitimität von § 7 Nr. 2 WpAIV bzw. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. c) Durchführungsrichtlinie als Voraussetzung der Selbstbefreiung. Es handelt sich um eine gegen die Vorgaben der Rahmenrichtlinie verstoßende Durchführungsmaßnahme im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens. Da die Kompetenzverteilung dieses Verfahrens darauf beruht, dass die Vorgaben der jeweils höheren Stufe eingehalten werden, ist Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. c) Durchführungsrichtlinie insofern als rechtswidrig und wirkungslos zu betrachten, denn für eine Erweiterung der Anforderungen an die Vertraulichkeitsgewährleistung durfte mangels entsprechender Vorgaben in der Rahmenrichtlinie Stufe zwei des Lamfalussy-Verfahren nicht angewendet werden. In der Marktmissbrauchsrichtlinie selbst ist in Art. 17 Abs. 2 Satz 1 festgelegt, dass „wesentliche Bestimmungen“ der Marktmissbrauchsrichtlinie nicht durch eine Durchführungsmaßnahme geändert werden dürfen.501 Allerdings lässt die Richtlinie die Folgen eines Verstoßes gegen diese Bestimmung offen.
500
Das Verfahren ist in Kap. B.I.5.a) beschrieben. Büche, S. 76 f.; Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), vom 27.02.2002 – A5-0069/2002, sog. Goebbels-Bericht, S. 65. 501
II. Gewährleistung der Vertraulichkeit
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b) Fehlerhafte Ausnutzung der Verordnungsermächtigung in § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 WpHG Die Frage, ob bei Anwendung des Lamfalussy-Verfahrens eine gegen die Vorgaben der Rahmenrichtlinie verstoßende Regelung unwirksam ist,502 kann vom deutschen Standpunkt aus als unerheblich angesehen werden. Zumindest § 7 Nr. 2 WpAIV, der der Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. c) Durchführungsrichtlinie in deutsches Recht dient, ist unwirksam. Für diese Regelung liegt die Rechtsgrundlage in der Verordnungsermächtigung gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 WpHG, wonach das Bundesfinanzministerium im Wege der Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die berechtigten Interessen und die Gewährleistung der Vertraulichkeit erlassen darf. Es gilt das zuvor zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. c) Durchführungsrichtlinie Gesagte: Dass der Emittent in der Lage sein muss, nach Ende des Befreiungszeitraums die Insiderinformation unverzüglich veröffentlichen zu können, hat nichts mit der Gewährleistung der Vertraulichkeit zu tun und widerspricht somit der Verordnungsermächtigung. Der Emittent muss daher, um die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Anspruch nehmen zu können, entgegen § 7 Nr. 2 WpAIV keine Ad-hoc-Mitteilung bereithalten.503 Dass der Emittent hierzu trotzdem verpflichtet ist, ergibt sich wie bereits erwähnt aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, da der Emittent bei Wiederaufleben der Ad-hocPublizitätspflicht am Ende des Befreiungszeitraums504 verpflichtet ist die Insiderinformation unverzüglich zu veröffentlichen. Das ist aber keine Voraussetzung der Selbstbefreiung. Somit besteht die von § 7 Nr. 2 WpAIV vorgesehene Pflicht trotz fehlender Rechtsgrundlage und der Verstoß gegen die mangelnde Verordnungsermächtigung und die Vorgaben des Lamfalussy-Verfahrens bleibt in diesem Fall im Ergebnis folgenlos. c) Keine Gesamtnichtigkeit von § 7 WpAIV Zu weit geht es jedoch, wenn im Schrifttum aus § 7 Nr. 2 WpAIV gefolgert wird, die Voraussetzungen von § 7 WpAIV und Art. 3 Abs. 2 Satz Durchführungsrichtlinie seien insgesamt nicht einzuhalten, wenn es um die Gewährleistung der Vertraulichkeit nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG gehe.505 Zwar stellt der Wortlaut von § 7 WpAIV keinen Bezug zum Merkmal „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG her. Allerdings ist der Begriff „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ in der amtlichen Überschrift von § 7 WpAIV 502 Dagegen wohl Büche, S. 77, der darauf verweist, dass dem Parlament als Sanktion eine Nichtverlängerung der Befugnisdelegation zur Verfügung steht. 503 So im Ergebnis auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 164, a. A. die h. M. etwa Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 161; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 397. 504 Dazu näher noch unter Kap. F.I.4.a). 505 So aber Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 164.
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
aufgeführt. Damit kann nur die „Gewährleistung der Vertraulichkeit“ gemeint sein, die § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG eindeutig zur Voraussetzung der Selbstbefreiung macht. Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung, in der der Gesetzgeber selbst die Pflichten von § 7 Nr. 1 WpAIV und § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG als Voraussetzung der Gewährleistung der Vertraulichkeit umschreibt.506 Noch deutlicher wird dies in Art. 3 Abs. 2 der Durchführungsrichtlinie, der eine Bezugnahme auf die Selbstbefreiungsregelung der Marktmissbrauchsrichtlinie enthält. Somit ist festzuhalten: Allein § 7 Nr. 2 WpAIV verstößt gegen die Vorgaben von Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie und § 15 Abs. 3 WpHG und ist nicht als Voraussetzung der Selbstbefreiung zu betrachten. Dass sich die an der zweiten Stufe des Lamfalussy-Verfahrens beteiligten Instanzen nicht an die Umsetzungsvorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie bzw. der Verordnungsermächtigung gehalten haben, führt nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Regelung. Die Vorgaben von § 7 WpAIV und Art. 3 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie als Voraussetzungen der Selbstbefreiung werden weiter mit der Begründung abgelehnt, dass die Verpflichtung von § 7 Nr. 1 WpAIV (entspricht Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. a) Durchführungsrichtlinie) nach dem Wortlaut erst während des Befreiungszeitraums eingreift, obwohl die Gewährleistung der Vertraulichkeit in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG auf den Zeitpunkt der Selbstbefreiung selbst bezogen ist.507 Dem ist entgegen zu halten, dass die Vertraulichkeit auch im Moment der Selbstbefreiung gewährleistet werden muss, weil der Emittent ansonsten wegen Weitergabe einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG, für die keine Selbstbefreiungsmöglichkeit vorgesehen ist, zur Veröffentlichung der Information verpflichtet wäre. Somit gilt gerade im Gegenteil, dass, wenn man die Gewährleistung der Vertraulichkeit nicht an organisatorische Vorkehrungen knüpfen würde, dieses Merkmal keinen eigenständigen Inhalt haben könnte. Der Emittent hat für die Gewährleistung der Vertraulichkeit die in § 7 Nr. 1 WpAIV und § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG aufgeführten organisatorischen Anforderungen zu erfüllen.508 3. Zugangskontrolle Der Emittent hat somit zur Gewährleistung der Vertraulichkeit gemäß § 7 Nr. 1 WpAIV Vorkehrungen dafür zu treffen, dass während des Befreiungszeitraums andere Personen als solche, deren Zugang zu Insiderinformationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben beim Emittenten unerlässlich ist, keinen Zugang zu die-
506 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35, ohne auf die Vorschriften ausdrücklich Bezug zu nehmen; die WpAIV lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. 507 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 164. 508 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 161; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 394; jedoch jeweils auch für § 7 Nr. 2 WpAIV.
II. Gewährleistung der Vertraulichkeit
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ser Information erlangen. Der Emittent muss entsprechende erhöhte organisatorische Vorkehrungen treffen.509 a) Personenkreis, dem der Zugang zur Insiderinformation gewährt werden darf Nach § 7 Nr. 1 WpAIV bzw. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. a) Durchführungsrichtlinie dürfen während des Befreiungszeitraums nur Personen Zugang zur Insiderinformation erhalten, für die dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben beim Emittenten unerlässlich ist. (1) Richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Nr. 1 WpAIV Gegen die Forderung von Unerlässlichkeit als Maßstab für den Zugang ist eingewandt worden, dass sich dieser in der englischen Fassung der Richtlinie nicht wieder finde. Der in der deutschsprachigen Übersetzung der Richtlinie und in § 7 Nr. 1 WpAIV verwendete Maßstab der Unerlässlichkeit sei verglichen mit der englischen Fassung zu eng.510 Danach reiche aus, dass der Zugang auf Personen beschränkt werde, für die die Information zur Erfüllung ihrer Aufgabe innerhalb des Emittenten erforderlich ist („. . . who require it for the exercise of their functions within the issuer“).511 Für diese Sichtweise wird zudem angeführt, dass nur bei Anwendung dieser Ansicht für das Zugänglichmachen der Information der gleiche Zulässigkeitsmaßstab wie für eine erlaubte Weitergabe von Insiderinformationen gelte.512 Der Umkehrschluss aus dem Weitergabeverbot in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ergebe, dass eine Weitergabe von Insiderinformationen erlaubt sei, wenn sie betriebsorganisatorisch notwendig ist.513 (2) Gegenauffassungen Teilweise wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe mit der Verwendung des Kriteriums „unerlässlich“ strengere Anforderungen stel-
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BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67; dazu auch Verse, S. 529. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (4. Auflage), § 15 Rn 162 in Fn 1; Simon, Der Konzern 2005, 13 (21). 511 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (4. Auflage), § 15 Rn 162; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 393; Cahn/Götz, AG 2007, 221 (226). 512 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (4. Auflage), § 15 Rn 162 in Fn 1; Simon, Der Konzern 2005, 13 (21); Verse, S. 529. 513 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 88; ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden, S. 41, die nur darauf abstellt, dass Weitergabe erlaubt ist, wenn die Adressaten (seien es interne oder externe) die Information tatsächlich für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben benötigen. 510
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
len wollen, als sie für das Weitergabeverbot § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gelten.514 Eine weitere Auffassung versteht den Begriff „notwendig“ in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG streng und legt diesen im Sinne von „unerlässlich“ aus. Nach der letztgenannten Teilmeinung besteht für eine Weitergabe nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ein strenges „need-to-know“ Prinzip,515 d.h. die Weitergabe bzw. das Zugänglichmachen der Insiderinformation darf nur als ultima ratio erfolgen. Diese Auffassung kann sich auf die Rechtsprechung des EuGH zur Regelung des Weitergabeverbots in Art. 3 lit. a) Insiderrichtlinie stützen.516 Der EuGH ist dort der Ansicht, dass die Weitergabe einer Insiderinformation im „normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben“, wie Art. 3 lit. a) Insiderrichtlinie formuliert, nur erlaubt sei, wenn die Weitergabe unerlässlich sei.517 Die von der weiten Auffassung befürwortete richtlinienkonforme Auslegung von § 7 Nr. 1 WpAIV würde unter Berücksichtigung dieser Auffassung leer laufen, da die Begriffe „notwendig“ und „unerlässlich“ synonym wären. (3) Stellungnahme Die strenge Ansicht stützt sich im Wesentlichen auf das Verständnis des Begriffs „Notwendigkeit“, welches der EuGH in seinem Urteil zu Art. 3 lit. a) Insiderrichtlinie entwickelt hat. Dieses Urteil ist inhaltlich allerdings nicht überzeugend.518 Den Zugriff auf Insiderinformationen auf Fälle zu reduzieren, in denen keine andere Möglichkeit mehr verbleibt (ultima ratio), entspricht schon bei der Betrachtung der Wortbedeutung nicht der Verwendung von Informationen im „normalen Rahmen“ einer Aufgabenerfüllung, bei der die Weitergabe nach Art. 3 lit. a) Insiderrichtlinie erlaubt sein soll. Auch wenn man der Interpretation von Art. 3 lit. a) Insiderrichtlinie durch den EuGH folgen möchte, ist zu beachten, dass dieser in der zu Grunde liegenden Entscheidung seinen scheinbar strengen Standpunkt relativiert, indem er ein weites Verständnis des Begriffes „unerlässlich“ vertritt. Ob etwas im normalen Rahmen der Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder der Erfüllung einer Aufgabe geschieht, bestimmt sich in Ermangelung einer Harmonisierung in diesem Bereich nach Ansicht des EuGH weitestgehend nach den Vorschriften, die diese Fragen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen regeln.519 Daraus folgt, 514
Simon, Der Konzern 2005, 13 (21). Pawlik in: Kölner Kommentar, § 14 Rn 46. 516 EuGH, Urteil v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 (Københavns Byret/Dänemark) = NJW 2006, 133. 517 In der englischen Fassung des Urteils wird „unerlässlich“ mit „strictly necessary“ übersetzt. 518 Vgl. zur Kritik an der Entscheidung auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 74. 515
II. Gewährleistung der Vertraulichkeit
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dass die Unerlässlichkeit einer Informationsweitergabe unter Berücksichtigung der Auswirkungen für die anerkannten und teils gesetzlich vorgeschriebenen Informationsflüsse des Emittenten zu beurteilen ist.520 Der EuGH weist zwar auch daraufhin, dass diesen anerkannten Informationsflüssen das grundlegende Interesse der Anleger gegenübersteht, zur Bekämpfung des Insiderhandels schon die Zahl der Personen zu beschränken, die Kenntnis von Insiderinformationen und damit die Möglichkeit zur Ausnutzung solcher Informationen erlangen.521 Wann eine Weitergabe in diesem Sinne unerlässlich oder notwendig ist, kann somit nur durch eine Interessenabwägung für jede einzelne Person, der der erstmalige Zugang zur Information erlaubt wird, festgelegt werden.522 (4) Konkrete Anforderungen an die Notwendigkeit nach § 7 Nr. 1 WpAIV Eine Zugangsmöglichkeit, bei deren Einräumung die Vertraulichkeit gewährleistet ist, liegt nach Art. 3 Abs. 2 lit. a) Durchführungsrichtlinie nur vor, wenn sie für Erfüllung von Aufgaben „innerhalb des emittierenden Instituts“ ermöglicht wird. In § 7 Nr. 1 WpAIV ist dementsprechend von Aufgaben „beim Emittenten“ die Rede. Die Vertraulichkeit ist somit nur gewährleistet, wenn die Weitergabe der Information durch eine Aufgabe mit Bezug zum Emittenten gerechtfertigt werden kann. Erlaubt ist damit ist aber nicht nur der Zugang für Personen, die beim Emittenten in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt sind. Die Information darf auch externen Beratern zugänglich gemacht werden, solange diese für den Emittenten tätig werden.523 Für die Zulässigkeit der Weitergabe an Personen, die keine Angestellten des Emittenten sind (Externe), gelten somit dieselben Maßstäbe wie für die betriebsinterne Weitergabe.524 Der für die Zwecke des Weitergabeverbots von § 14 WpHG vorgesehene Maßstab gilt auch für die Gewährleistung der Vertraulichkeit im Rahmen der Selbstbefreiung. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum § 7 Nr. 1 WpAIV strengere Vorgaben machen sollte als § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Eine streng an den organisatorischen Erfordernissen ausgerichtete Auslegung erspart zudem komplizierte Differenzierungen hinsicht519 EuGH, Urteil v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 (Københavns Byret/Dänemark) = NJW 2006, 133. 520 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 73. 521 EuGH, Urteil v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 (Københavns Byret/Dänemark) = NJW 2006, 133, 134 Rn 24. 522 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 73; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 14 Rn 46. 523 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 40; Assmann in: Assmann/Schneider, § 14 Rn 96. 524 Mennicke in: Fuchs, § 14, Rn 210; Brandi/Süßmann AG 2004, 642 (647); S. H. Schneider, BB 2005, 897 (900); a. A. wohl Simon, Der Konzern 2005, 13 (21), der jede betriebsinterne Weitergabe zumindest im Rahmen von § 15 Abs. 3 WpHG für zulässig hält.
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
lich der Frage, wann eine Person beim Emittenten angestellt ist, z. B. ob und in welchem Maße etwa Anstellungen bei Konzernunternehmen oder anderen Beteiligungen als Anstellungsverhältnis beim Emittenten anzusehen sind. Einigkeit besteht im Schrifttum und bei der BaFin darüber, dass sich die Beantwortung der Frage, ob es notwendig, bzw. unerlässlich im Sinne von § 7 Nr. 1 WpAIV ist, den Zugang zur Information zu ermöglichen, entweder aus gesetzlichen Vorschriften oder aus betriebsorganisatorischen Erfordernissen ergeben kann.525 Die vom EuGH geforderte Interessenabwägung ist indes nur dann von Bedeutung, wenn der Emittent die Insiderinformation aus betriebsorganisatorischen Gründen zugänglich machen möchte. Dabei muss der Emittent in Betracht ziehen, dass sich die Gefahr von Insiderhandel erhöht, je häufiger die Information an Dritte weitergegeben wird und desto spürbarer die Information den Kurs des Finanzinstruments beeinflussen kann.526 Bei der Weitergabe von Informationen zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten hat der Emittent hingegen keinen Spielraum. In diesen Fällen folgt aus der Verpflichtung des Emittenten zur Gewährleistung der Vertraulichkeit zunächst nur, dass der Emittent sorgfältig prüfen muss, ob die gesetzliche Pflicht wirklich vorliegt. Wenn eine Weitergabepflicht oder ein Weitergaberecht vorliegt, muss der Emittent dafür sorgen, dass der Empfänger zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, andernfalls endet die Selbstbefreiung wegen der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG.527 b) Organisation der Zugangskontrolle Die Weitergabe von Insiderinformationen über den in § 7 Nr. 1 WpAIV festgelegten Personenkreis hinaus ist bereits durch § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als Weitergabe von Insiderinformationen grundsätzlich verboten. Eigene Bedeutung hat § 7 Nr. 1 WpAIV somit nur, wenn man die Regelung als Organisationspflicht versteht. Um diese Pflicht zur erfüllen, ist der Emittent zum Aufbau einer Organisationsstruktur verpflichtet, die sicherstellt, dass der Zugang zur Insiderinformation nur Personen möglich ist, die aus gesetzlichen oder betriebsorganisatorischen Gründen dazu berechtigt sind.528 Hierzu muss sich der Emittent zunächst überhaupt in die Lage versetzen, den Zugang zu Insiderinformationen auf Personen zu beschränken, für die die Kenntnis von der Information im Sinne der vorgehenden Ausführungen erforderlich ist. Der Emittent muss demnach für die Kontrolle der Insiderinformation spezielle Compliance-Strukturen für den Zeitraum der Befreiung schaffen.529 Diese spezielle Compliance-Struktur kann, abhängig von der 525 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 40; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 74; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 14 Rn 46. 526 EuGH, Urteil v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 (Københavns Byret/Dänemark) = NJW 2006, 133 (134) Rn 36 und 38. 527 Dazu siehe Kap. E.III.2. 528 Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 394.
II. Gewährleistung der Vertraulichkeit
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konkreten Situation des Emittenten mehr oder weniger aufwendig ausfallen.530 Welche Maßnahmen zu ergreifen sind, hängt unter anderem davon ab, für wie viele Personen der Zugang zu der Information notwendig ist. Je größer der involvierte Personenkreis, desto formalisierter und intensiver müssen die Zugangskontrollen sein. Die Form der Speicherung der Insiderinformation – nur auf Papier, auf lokalen Datenträgern oder in einem Netzwerk – ist ebenfalls von Bedeutung. Während lokale Datenträger mit eigenen Passwörtern gesichert und Papiere schlichtweg „in der Schublade“ eingeschlossen werden können, fordert die Speicherung etwa in Firmennetzwerken den höchsten Kontroll- und Organisationsaufwand.531 Die dann erforderliche Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen stellt gerade für Großunternehmen, in denen der Kreis der Insider schnell auf mehrere Dutzend Personen ansteigen kann, eine nicht unerhebliche Belastungsprobe dar,532 was aber letztlich hinzunehmen ist. c) Entstehen von Marktgerüchten als Indiz für Vertraulichkeitslücke Einige Stimmen im Schrifttum vertreten die Ansicht, dass die Vertraulichkeit einer Insiderinformation nicht mehr gewährleistet sei, wenn in Bezug auf die Insiderinformation Gerüchte am Markt auftauchen.533 Das würde bedeuten, dass die Existenz von Gerüchten eine unzureichende Kontrolle des Zugangs im Sinne von § 7 Nr. 1 WpAIV indiziert.534 Zum Teil stützt sich diese Ansicht auch auf den Emittentenleitfaden,535 der an der zitierten Stelle jedoch nur grundsätzlich feststellt, dass Gerüchte, auch wenn sie nicht besonders konkret sind, die Voraussetzungen des Begriffs Insiderinformationen nach § 13 Abs. 1 WpHG erfüllen können.536 Die Bewertung dieser Ansicht hängt davon ab, was genau unter dem Begriff Gerücht zu verstehen ist. Schon in dieser Vorfrage besteht keine Einigkeit. Um 529
Brandi/Süßmann AG 2004, 642 (650); Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 165. 530 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 165; überzogen daher insofern die Anforderunge die Brandi/Süßmann AG 2004, 642 (650) postulieren. 531 Vgl. Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 394 zu den denkbaren Maßnahmen. 532 Gutzy/Märzheuser, S. 118. 533 Kuthe ZIP 2004, 883 (885); Brandi/Süßmann AG 2004, 642 (650); in diese Richtung auch Parmentier, NZG 2007, 407 (416) für Gerüchte mit zutreffendem Tatsachenkern und Fleischer/Schmolke AG 2007, 841 (851); Decker, S. 328. 534 Fleischer/Schmolke AG 2007, 841 (851), denen zu Folge bei Unaufklärbarkeit der Herkunft eines Gerüchtes das Kapitalmarktinteresse an der Veröffentlichung der Insiderinformation überwiegen soll. 535 Parmentier, NZG 2007, 407 (416), dort in Fn 89. 536 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 31: „Gerüchte, die einen Tatsachenkern enthalten, können ebenfalls eine Insiderinformation darstellen. (. . .) Erst bei der Frage, ob der Information die Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung zuzubilligen ist, ist zu klären, ob der verständige Anleger auf Grundlage dieses Gerüchts handeln würde.“
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
ein Gerücht im eigentlichen Sinne handelt es sich nach einer Ansicht nur bei Informationen im Bezug auf eine noch nicht veröffentlichte Insiderinformation, die zufällig zumindest zum Teil zutreffend ist.537 Nach der Gegenansicht zählen zu Gerüchten alle Nachrichten, deren Wahrheit ungewiss ist. Unerheblich ist nach der Gegenansicht, ob die Quelle unbekannt oder ob die Nachricht falsch ist.538 Im Zusammenhang mit der Frage, ob bei Auftauchen von Gerüchten noch die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleistet ist, kann eine Entscheidung unterbleiben. Zweifel über die Gewährleistung der Vertraulichkeit nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG bestehen nur, wenn die im Gerücht enthaltene Information zumindest teilweise zutrifft. Beim Auftreten von solchen teilweise zutreffenden Gerüchten ist der Emittent verpflichtet zu überprüfen, ob das Gerücht dem Inhalt der Insiderinformation so sehr angenähert ist, dass eine zufällige Übereinstimmung von Gerücht und Insiderinformation unwahrscheinlich ist. Gegen einen „Zufallstreffer“ würden auffällige (Insider-)Handelsaktivitäten im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden der Information sprechen. Kommt der Emittent zu dem sicheren Ergebnis, dass nur eine zufällige Übereinstimmung des Gerüchts mit der Wirklichkeit gegeben ist, dann ist die Vertraulichkeit nach wie vor gewährleistet.539 Art. 3 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie verlangt vom Emittenten lediglich, „wirksame Vorkehrungen“ zur Einhaltung der Vertraulichkeit zu treffen. Auch kann sich die eine Indizwirkung von Gerüchten befürwortende Ansicht nicht auf den Emittentenleitfaden berufen. In der angegebenen Fundstelle des Emittentenleitfadens540 bringt die BaFin nur zum Ausdruck, dass Gerüchte mit Tatsachenkern konkrete Informationen sein können. An anderer Stelle stellt die BaFin klar, dass die Vertraulichkeit nur bei zurechenbaren Vertraulichkeitslücken nicht mehr gewährleistet ist.541 Eine Vertraulichkeitslücke wird dem Emittenten nicht schon zugerechnet, wenn sich die Herkunft eines Gerüchts nicht nachweisen lässt.542 Andernfalls würde letztlich ermöglicht, dass Marktteilnehmer durch unablässiges Anstellen von Spekulationen den Emittenten zur vorzeitigen Veröffentlichung von Informationen zwingen könnten.
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Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 165. Fleischer/Schmolke AG 2007, 841 (851), die es auch für möglich halten, dass ein Gerücht eine Insiderinformation ist. 539 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 165. 540 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 31. 541 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67: „Handelt es sich um Gerüchte, deren Auftreten nicht auf einer dem Emittenten zurechenbaren Vertraulichkeitslücke zurückzuführen sind, besteht für den Emittenten weiterhin die Möglichkeit, den Aufschub der Veröffentlichung fortzusetzen, d.h. das Kriterium der Gewährleistung der Vertraulichkeit ist in diesem Fall noch nicht entfallen.“ 542 Dafür wohl aber Fleischer/Schmolke AG 2007, 841 (851). 538
II. Gewährleistung der Vertraulichkeit
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4. Aufklärung über die gesetzlichen Pflichten Zur Gewährleistung der Vertraulichkeit muss der Emittent nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. c) Durchführungsrichtlinie erforderliche Maßnahmen ergreifen, um sicher zu stellen, dass jede Person, die Zugang zu derlei Informationen hat, die sich daraus ergebenden „rechtlichen sowie regulatorischen Pflichten anerkennt und sich der Sanktionen bewusst ist, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Informationen verhängt werden“. Diese Vorgabe setzt § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG in deutsches Recht um, wonach „die in den Verzeichnissen geführten Personen (. . .) durch die Emittenten über die rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben, sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen aufzuklären“ sind. In § 15b WpHG ist die Pflicht des Emittenten zur Führung von Insiderverzeichnissen geregelt. § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG ist in seiner Hauptfunktion Teil dieser Regelung, ein ausdrücklicher Verweis von der Regelung der Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizität ist weder in § 15 Abs. 3 WpHG noch in der WpAIV enthalten. Der Gesetzgeber scheint davon ausgegangen zu sein, dass die Regelung zur Anerkennung der mit dem Zugang zur unveröffentlichten Insiderinformation verbundenen Pflichten sich aus § 15 Abs. 3 WpHG selbst ergebe.543 Zumindest wird auch im Schrifttum davon ausgegangen, dass der Emittent das Anerkennungsund Aufklärungserfordernis mit der Erfüllung der Pflicht aus § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG einhält.544 Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass eine einzige Erklärung zur Erfüllung der Pflichten aus § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG und der Gewährleistung der Vertraulichkeit nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG ausreichen kann. Diese Erklärung muss aber auch die Anforderungen von § 15 Abs. 3 WpHG und Art. 3 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie erfüllen. Hält sich die Erklärung allein an die Vorgaben von § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG, ist das zweifelhaft. In § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG ist nur von Aufklärung durch den Emittenten, nicht aber von der Anerkennung der Pflichten durch den Insider die Rede. Auch die BaFin hat die Pflicht aus § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG in dem von ihr zur Verfügung gestellten Musteraufklärungsschreiben545 auf eine Aufklärung des Betroffenen über seine Pflichten beschränkt. Sowohl Art. 3 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie als auch der insofern wortgleiche Art. 5 Abs. 5 Richtlinie 2004/72/EG,546 die Durchfüh543 Davon geht offensichtlich die Regierungsbegründung zum AnSVG aus, RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35. 544 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 163; Tollkühn, ZIP 2004, 2219; Simon Konzern 2005, 13 (21). 545 Abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_161/nn_724096/DE/Unternehmen/Boer sennotierteUnternehmen/Insiderverzeichnisse/insiderverzeichnisse__node.html?__nnn= true, abgerufen am 13. Mai 2010. 546 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29. April 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
rungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie betreffend die Einrichtung von Insiderverzeichnissen, verlangen indes ausdrücklich neben der Aufklärung auch die Anerkennung der Pflichten als Insider. Gegen die soeben dargestellten Zweifel an der Regelung lässt sich einwenden, dass gesetzliche Pflichten ohnehin für jedermann wirksam sind. Zudem kann die Unterschrift unter das von der BaFin verwandte Musterschreiben auch als Anerkennung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie gewertet werden. Dieser Schluss ist aber nicht zwingend, denn die Unterschrift könnte auch nur zum Beweis dafür dienen, dass die Aufklärung vorgenommen wurde. Für das Erfordernis einer ausdrücklichen Anerkennungserklärung spricht, dass im Hinblick auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit das Anerkennen der Regeln womöglich die individuelle Betroffenheit der Person mit Zugang zu Insiderinformationen verdeutlichen soll. Auch könnte die Anerkennungspflicht dazu dienen, im Falle von Insiderdelikten einen strafrechtlichen Verbotsirrtum nach § 17 StGB als Verteidigungsargument auszuschließen. Da § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG auf Art. 5 Abs. 5 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG beruht,547 ist die Regelung auch richtlinienkonform auszulegen. In die Erklärung ist somit ausdrücklich die Anerkennung der rechtlichen und regulatorischen Pflichten aufzunehmen, die sich aus dem Zugang zu einer Insiderinformation ergeben.
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht zur Veröffentlichung der Insiderinformation Die Pflicht zur Gewährleistung der Vertraulichkeit und das Gebot, die Bereichsöffentlichkeit nicht der Gefahr einer Irreführung auszusetzen, werden durch Überwachung und Organisation entsprechend der im vorigen Abschnitt der Arbeit vorgestellten Anforderungen erfüllt. In Zusammenhang mit diesen Anforderungen enthält § 15 WpHG zwei weitere Spezialregelungen, denen zu Folge der Emittent unbeschadet eines eventuellen berechtigten Interesses verpflichtet ist, eine Insiderinformation zu veröffentlichen. 1. Verhältnis der Veröffentlichungspflichten von § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 und § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG zur Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG Nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG ist der Emittent zur Veröffentlichung von Insiderinformationen verpflichtet, wenn er diese Dritten mitgeteilt oder zugänglich gemacht hat und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen [. . .], ABl. L 162/70. 547 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3147, S. 36.
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht
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(dazu sogleich). Die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG verpflichtet den Emittenten, in einer Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichte unwahre Tatsachen unverzüglich mittels einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung zu berichtigen. Eine Möglichkeit für den Emittenten, sich zeitweise oder dauerhaft von diesen Veröffentlichungspflichten zu befreien, ist für beide Veröffentlichungspflichten nicht vorgesehen. Insbesondere greift § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht ein, da sich § 15 Abs. 3 WpHG ausdrücklich nur auf die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG bezieht.548 Trotzdem wird bisher zwischen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG und den Veröffentlichungspflichten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 und § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG nur vereinzelt ein Zusammenhang gesehen. Der Grund hierfür ist augenscheinlich, dass die Gewährleistung der Vertraulichkeit und das Irreführungsverbot von § 15 Abs. 3 WpHG nicht bloß als subjektive Organisationspflichten des Emittenten angesehen werden. Es herrscht vielmehr ein weites Verständnis beider Voraussetzungen vor. So entfällt unter anderem nach Ansicht der BaFin die Gewährleistung der Vertraulichkeit nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, wenn eine Information aufgrund eines Lecks nach außen gedrungen ist.549 Legt man diese Sichtweise zugrunde, würde sich der Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG ausschließlich auf die Weitergabe von den Emittenten nur mittelbar betreffende Insiderinformationen beschränken, da sich die Veröffentlichungspflicht wegen Weitergabe der Insiderinformation ansonsten stets schon aus dem Wegfall der Gewährleistung der Vertraulichkeit ergeben würde. Da dem Emittenten ihn nur mittelbar betreffende Informationen unter normalen Umständen nicht bekannt sind, bevor sie öffentlich werden,550 hätte der Gesetzgeber eine nur in Zufällen anwendbare Veröffentlichungspflicht geregelt. Diese Sichtweise ist abzulehnen. Es ist davon auszugehen, dass § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG auch für den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen eine Bedeutung hat. Diese liegt in der Beschränkung der Möglichkeit zur Selbstbefreiung von § 15 Abs. 3 WpHG. Dafür spricht zum einen der Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG, der nicht auf den Emittenten nur mittelbar betreffende Insiderinformationen beschränkt ist. Weiter spricht für diese Sichtweise auch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Nr. 3 Durchführungsrichtlinie. Danach hat der Emittent, zur Gewährleistung der Vertraulichkeit sicherzustellen, dass die Information, wenn die Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet ist, unmittelbar bekannt gegeben werden kann. Eine Ausnahme gilt, wenn derjenige, dem die Information bekannt geworden ist, in der Form zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, die auch das Entstehen der Veröffentlichungspflicht wegen Wei-
548 549 550
Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 121. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67, Decker, S. 333. Siehe dazu Kap. C.III.2.c).
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
tergabe der Insiderinformation hindert.551 Auf diese Weise hat die Kommission die Gewährleistung der Vertraulichkeit eng an die Veröffentlichungspflicht wegen Weitergabe der Insiderinformation binden wollen. Die an dieser Stelle befürwortete Verknüpfung der Veröffentlichungspflichten aus § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG und § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG und der Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 3 WpHG stellt im Übrigen sicher, dass die BaFin über angemessene Kontrollmöglichkeiten verfügt. Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG hat der Emittent die Gründe für die Befreiung zusammen mit der Mitteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG der BaFin mitzuteilen. Durch diese Vorschrift werden erst die Voraussetzungen einer Kontrolle durch die BaFin geschaffen.552 Wenn ein Emittent die Veröffentlichung einer Information allein auf § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG oder § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG stützen könnte, auch wenn die betreffende Insiderinformation bereits zuvor existierte und nur aufgrund einer Selbstbefreiung nicht veröffentlicht wurde, würde für diese Selbstbefreiung das Begründungserfordernis nach § 15 Abs. 3 Satz 3 WpHG entfallen. Damit wäre der BaFin aber ein wesentliches Mittel genommen, um etwaige verspätete Veröffentlichungen aufzudecken. Um dies zu vermeiden, müssen die Ad-hoc-Publizitätspflichten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG und § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG als negative Tatbestandsmerkmale der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG angesehen werden.553 2. Veröffentlichungspflicht bei Weitergabe der Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG Nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG hat derjenige, der als Emittent oder als eine für den Emittenten handelnde Person im Rahmen seiner Befugnis einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht, diese zu veröffentlichen, es sei denn, der Empfänger der Information ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG ist die Veröffentlichung der Insiderinformation unverzüglich nachzuholen, wenn das Mitteilen oder Zugänglich551 Art. 3 Abs. 2 lit. c) Durchführungsrichtlinie hat folgenden Wortlaut: „Insbesondere stellen die Mitgliedsstaaten sicher, (. . .) dass der Emittent die Maßnahmen ergriffen hat, die eine unmittelbare Bekanntgabe der Informationen für den Fall gestatten, dass der Emittent nicht in der Lage war, die Vertraulichkeit der entsprechenden InsiderInformationen unbeschadet Artikel 6 Absatz 3 zweiter Unterabsatz der Richtlinie 2003/ 6/EG zu gewährleisten (Anm.: Hervorhebung durch Verfasser).“ Der in Bezug genommene Art. 6 Abs. 3, zweiter Unterabsatz Marktmissbrauchsrichtlinie lautet. „Unterabsatz 1 gilt nicht, wenn die Person, an die die Information weitergegeben wird, zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung aus Rechtsoder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt.“ 552 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 175; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 190. 553 So für § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG auch Grundmann in: Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, Band 2, § 15 WpHG Rn VI 146.
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machen „nach Satz 4“ unwissentlich erfolgte. „Mitteilen“ und „Zugänglichmachen“ werden zusammenfassend als „Weitergabe der Information“ bezeichnet.554 a) Anwendungsbereich von § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG im Vergleich zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG Der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG ist in zweierlei Hinsicht gegenüber der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erweitert. Wie bereits erwähnt, erfasst die Ad-hoc-Publizitätspflicht wegen Weitergabe der Information im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG auch Insiderinformationen, die den Emittenten nur mittelbar betreffen.555 Diese Erweiterung hat allerdings keine Auswirkungen auf die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG, weil diese ohnehin nur für nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichende und somit den Inlandsemittenten unmittelbar betreffende Informationen gilt. Die zweite Erweiterung betrifft den zur Ad-hoc-Publizität verpflichteten Personenkreis. Nach § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG ist nicht nur der Emittent selbst, sondern auch jede für den Emittenten handelnde Person, die die Insiderinformation mitteilt oder zugänglich macht, zur Veröffentlichung verpflichtet.556 Im Einzelfall kann somit eine Person zu einer Ad-hoc-Mitteilung verpflichtet sein, die nicht Emittent des Finanzinstrumentes ist. Der erweiterte Adressatenkreis von § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG entspricht jenem, an den sich die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen aus § 15b WpHG richtet.557 Damit sind durch die Vorschrift zum Beispiel Banken, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und andere Berater zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet.558 Auch diese schwer zu begründende Erweiterung hat im Zusammenhang mit der Möglichkeit zur Selbstbefreiung nur insofern Auswirkungen, als dass auch eine Veröffentlichungspflicht solcher Dritter dem Emittenten die Möglichkeit nimmt, die Selbstbefreiung in Anspruch zu nehmen.
554 So auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 109; Leuering, NZG, 2005, 12 (14); Widder/Gallert, NZG 2006, 451 (452); missverständlich insofern die BaFin, die die Weitergabe im Sinne von § 15 Absatz 1 Satz 4 WpHG offensichtlich nicht als Oberbegriff, sondern nur als anderes Wort für Mitteilen sieht, vgl. Emittentenleitfaden S. 57. 555 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (648); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 218; Simon, Der Konzern 2005, 13 (18). 556 Grothaus, ZBB 2005, 62 (65). 557 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 112. 558 Leuering, NZG 2005, 12 (13); Widder/Gallert, NZG 2006, 451 (452); Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 36.
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
b) Mitteilen und Zugänglichmachen der Insiderinformation in § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG Die in § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG geregelten Veröffentlichungspflichten knüpfen daran an, dass der Emittent oder eine andere Person eine Insiderinformation einem Dritten mitteilt oder zugänglich macht. „Mitteilen“ bzw. „Zugänglichmachen“ einer Insiderinformation sind zugleich Merkmale des insiderrechtlichen Weitergabeverbots in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Nach dieser Vorschrift ist verboten, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen (Weitergabe). Auch wenn die nationalen Regelungen von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG und von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG vom Wortlaut nicht exakt deckungsgleich sind, kann insoweit von identischen Voraussetzungen ausgegangen werden.559 Die Regelungen in § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG definieren beide Arten der Weitergabe, Mitteilen und Zugänglichmachen, auf Grundlage der zum Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG bereits nach Inkrafttreten des 2. FFG entwickelten Definitionen der Begriffe.560 Der Emittent (oder eine andere Person) teilt eine Information demnach mit, wenn er sie willentlich unmittelbar einem Dritten zur Kenntnis gibt.561 Eine Insiderinformation wird einem anderen zugänglich gemacht, wenn der Insider, statt die Insiderinformation als solche an einen anderen weiterzugeben, lediglich die Voraussetzungen schafft, die einem anderen die Kenntnisnahme der Information ermöglichen.562 Der Übertragung der Definitionen der Begriffe „Mitteilen“ bzw. „Zugänglichmachen“ von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG auf § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG kann indes nur unter gewissen Einschränkungen zugestimmt werden: In § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG wird die Veröffentlichungspflicht für den Fall geregelt, dass die Mitteilung oder das Zugänglichmachen der Insiderinformation nach Satz 4 unwissentlich erfolgt. Da sich diese Veröffentlichungspflicht auch auf die Alternative des Mitteilens bezieht, muss in § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG auf das Erfordernis der Willentlichkeit der Weitergabe verzichtet werden.563 Ansonsten könnte es keine unwissentliche Mitteilung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG geben, da ein unwissentliches, aber willentliches Mitteilen nicht möglich 559 Vgl. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 113; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 14 Rn 222; Kümpel/Veil, 4. Teil Rn 31; Leuering, NZG 2005, 12 (14). 560 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 113; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 14 Rn 222; Kümpel/Veil, 4. Teil Rn 31; Leuering, NZG 2005, 12 (14); Simon, Der Konzern 2005, 13 (18). 561 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 65; Pawlik in: Kölner Kommentar, § 14 Rn 43. 562 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 41; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 14 Rn 66. 563 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 222; Simon, Der Konzern 2005, 13 (18); dagegen Decker, S. 279.
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht
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ist. Trotzdem fällt nicht jede versehentlich weitergegebene Information unter § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG.564 Die Regelung von § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG setzt das Wissen der weitergebenden Person voraus, dass sie eine Insiderinformation mitteilt oder zugänglich macht. Dies ergibt sich als ungeschriebenes Merkmal im Umkehrschluss aus § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG. Fraglich ist des Weiteren, zu welchem Zeitpunkt für den Emittenten als juristische Person die Weitergabe nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG erfolgt ist. Da der Emittent als juristische Person eine Information nicht selbst mitteilen oder zugänglich machen kann, hängt dies von der Zurechnung der Handlungen der Organe und der Angestellten des Emittenten ab. Diese Frage wurde im Schrifttum bisher nur selten erörtert, obwohl sie entscheidend für das Entstehen der Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 Satz 5 WpHG ist.565 Als wissentliche Weitergabe des Emittenten ist jedes zur Kenntnisbringen der Information zu betrachten, welche durch das eingerichtete Informationssystem und innerhalb der durch dieses System vorgegebenen Kompetenzordnung autorisiert wurde. Die Trennung zwischen wissentlicher und unwissentlicher Weitergabe in § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG zeigt aber, dass auch eine ohne Absprache erfolgte Mitteilung bzw. ein ohne Absprache erfolgtes Zugänglichmachen einer Insiderinformation als Weitergabe im Sinne dieser Vorschrift zu betrachten ist. Denn ansonsten würde es eine unwissentliche Weitergabe nicht geben. Damit ist eine Weitergabe ab dem Zeitpunkt gegeben, ab dem die Information aus der Sphäre des Emittenten einem Dritten zur Kenntnis gebracht wurde. c) Wissentlichkeit der Weitergabe – Abgrenzung zwischen Satz 4 und 5 in § 15 Abs. 1 WpHG Eine wissentliche Weitergabe liegt vor, wenn der Emittent zu dem Zeitpunkt, zu dem die objektiven Kriterien der Weitergabe erfüllt sind, weiß, dass er eine Insiderinformation weitergibt. Wissentlichkeit des Emittenten muss sowohl hinsichtlich der Weitergabe als auch hinsichtlich der Qualifikation der Information als Insiderinformation vorliegen.566 Der Emittent als juristische Person kann aber weder selbst handeln noch ein Bewusstsein im Bezug auf diese Handlungen haben. Wissentlichkeit des Emittenten im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG ergibt sich daher aus der Zurechnung des Wissens der für den Emittenten handelnden Personen. Auch die Zurechnung des Wissens der Organe und sonsti-
564 So aber Decker, S. 279; § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG würde dann alle Fälle der Weitergabe abdecken und § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG hätte bei diesem Verständnis des Weitergabebegriffs keinen Anwendungsbereich. 565 Andeutungsweise schon bei Assmann, WM 1996, 1337 (1342). 566 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 123; Leuering, NZG 2005, 12 (17).
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
gen Angestellten ist in Bezug auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht, soweit ersichtlich, bisher kaum diskutiert worden.567 Schon aus der Existenz der Ad-hoc-Publizitätspflicht selbst ergibt sich, dass der Emittent ein System zum Erfassen möglicher Insiderinformationen errichten muss.568 Des Weiteren ist der Emittent verpflichtet, zur Gewährleistung der Vertraulichkeit einer Insiderinformation den Zugang zur Information gemäß § 7 Nr. 1 WpAIV zu kontrollieren.569 Diese Organisationspflichten werden sich faktisch so auswirken, dass die meisten Weitergaben unter Einhaltung dieser Pflichten geschehen. Solche Weitergaben geschehen dann aus Sicht des Emittenten zurechenbar wissentlich. Unzurechenbar sind dem entgegen vorsätzlich dem Informationskontrollsystem durch Angestellte vorenthaltene Informationen, wenn die Organisation des Systems trotzdem als ausreichend gelten kann. Fraglich ist, ob dem Emittenten das Wissen zugerechnet wird, wenn das Informationserfassungssystem nicht ausreichend ist und die innerhalb des Emittenten zuständigen Stellen nur aus diesem Grund die Information nicht erhalten haben. Dies dürfte nicht der Fall sein, da es sich bei der Wissentlichkeit um keine Schuldfrage, sondern um eine Tatbestandsvoraussetzung zur Abgrenzung der Veröffentlichungspflichten von § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG handelt. Würde man eine schuldhaft unwissentliche Weitergabe als wissentliche Weitergabe werten, hieße dies, dem Emittenten eine objektiv unmögliche Veröffentlichungspflicht aufzubürden. Zu beachten ist, dass in vielen Fällen, in denen im Zusammenhang mit einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG eine Veröffentlichungspflicht aufgrund wissentlicher Weitergabe in Betracht kommt, zugleich wahrscheinlich ist, dass der Emittent die von § 7 Nr. 1 WpAIV Zugangskontrolle nicht oder nicht ausreichend vorgenommen hat. Liegt ein solcher Fall vor, ist die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG schon wegen der fehlenden Gewährleistung der Vertraulichkeit der Insiderinformation unzulässig. Jedoch bleiben Fälle denkbar, in denen der Emittent die für § 7 Nr. 1 WpAIV notwendigen organisatorischen Vorkehrungen getroffen, aber Aufsichtspflichten in anderer Weise verletzt hat. Es muss immer die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass ein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten von Mitarbeitern des Emittenten auch bei Einschaltung der Zurechnungskriterien nicht zuzurechnen ist, da der Emittent nur für sein Auswahl- und Überwachungsverschulden haften sollte.
567 Ähnlich wie bei der Frage der Zurechnung der Weitergabe finden sich Ansätze nur bei Assmann WM 1996, 1337 (1338 und 1342). 568 Siehe dazu Kap. C.IV. 569 Siehe dazu Kap. E.II.3.
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht
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d) Im Rahmen der Befugnis Die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG ist an die Voraussetzung geknüpft, dass die Weitergabe der Insiderinformation durch den Emittenten oder den beauftragten Dritten im Rahmen seiner Befugnis erfolgt ist. Diese Voraussetzung irritiert zunächst; die unbefugte und damit gegen das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstoßende Weitergabe führt nicht zur Veröffentlichungspflicht. Vielmehr entsteht die zusätzliche Pflicht nur, wenn ein Verstoß gegen das Weitergabeverbot nicht vorliegt. (1) Befugnis bei wissentlicher Weitergabe Die Beschränkung der Veröffentlichungspflicht auf Fälle der befugten Weitergabe ist im Schrifttum als systematisch unstimmig bezeichnet worden.570 Schon nach Ansicht des BaWe, die noch aus der Zeit vor Inkrafttreten des AnSVG und damit der Einführung von § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG stammt, sollte ein Emittent eine Insiderinformation gerade dann veröffentlichen, wenn die Weitergabe, im vom BaWe besprochenen Beispiel an einzelne Analysten, ansonsten unbefugt sein würde.571 Das BaWe begründete diese Pflicht aber aus einem angenommenen Willen des Emittenten, nicht gegen das zu dieser Zeit bereits geltende Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstoßen zu wollen.572 Eine wissentliche Weitergabe ohne Veröffentlichungswillen hatte das BaWe demnach nicht im Auge. Die wissentliche Weitergabe, ohne dass die Insiderinformation veröffentlicht werden soll, ist einerseits möglich, wenn sie legal, d.h. im Rahmen der Befugnis erfolgt. Zum anderen könnte ein wissentlicher Verstoß gegen das Weitergabeverbot vorliegen. Wenn der Emittent wissentlich gegen das Verbot der Weitergabe der Insiderinformationen verstößt, wird er sich in diesem Zusammenhang kaum für eine daraus resultierende Ad-hoc-Publizitätspflicht interessieren.573 Zudem wird eine vorsätzliche unbefugte Weitergabe durch unternehmensinterne Insider im Rahmen von § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG häufig als für den Emittenten unwissentliche Weitergabe einzuschätzen sein, weil das Wissen um diese Weitergabe dem Emittenten dann je nach Gestaltung des Einzelfalls nicht zuzurechnen ist. In § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG ist somit keine „Privilegierung“ des unbefugt Weitergebenden zu sehen.574 Eine Ad-hoc-Publizitätspflicht für den eine Insiderinformation unbefugt weitergebenden Emittenten ist unnötig, da der Emittent, bzw. jeder andere, der die Information weitergibt, gegen das Weitergabeverbot 570 571 572 573 574
Widder/Gallert, NZG 2006, 451 (452). Vgl. BaWe, Jahresbericht 1996, S. 19. Leuering, NZG 2005, 12. So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 224 aE. So aber Widder/Gallert, NZG 2006, 451 (452).
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstößt. Letzteres löst zusammen mit der Strafbzw. Bußgeldandrohung einen indirekten Zwang aus, von der Weitergabe abzusehen oder die Information zu veröffentlichen.575 (2) Erfordernis der Befugnis bei unwissentlicher Weitergabe? Eine Veröffentlichungspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG ist gegeben, wenn die Weitergabe „nach Satz 4“ unwissentlich erfolgt. Der Unterschied zwischen den beiden Veröffentlichungspflichten liegt wegen des Verweises auf § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG allein bei der Frage des Wissens um die Weitergabe. Das heißt, dass die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG voraussetzt, dass die Insiderinformation im Rahmen einer dafür gegebenen Befugnis weitergegeben wurde. Zum Teil wird im Schrifttum bezweifelt, dass eine unwissentliche Weitergabe überhaupt befugt erfolgen kann.576 Damit die Weitergabe einer Information befugt sei, müsse diese zur Wahrnehmung der Aufgaben des Mitteilenden und des Informationsempfängers erfolgen. Eine unwissentlich mitgeteilte Information sei aber per definitionem zweckfrei.577 Gegen diese Ansicht spricht, dass die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG nach dieser Ansicht zwei Tatbestandsmerkmale enthalten würde, die niemals zusammen vorliegen könnten. Die Vorschrift hätte keinen Anwendungsbereich. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber unanwendbare Normen hat schaffen wollen. Weiter kann dieser Ansicht entgegen gehalten werden, dass sich die Unwissentlichkeit des Emittenten auch darauf beziehen kann, dass die weitergegebene Information als Insiderinformation zu qualifizieren ist.578 In solchen Fällen kann mit der Weitergabe trotzdem ein bestimmter Zweck verfolgt werden, der eine Weitergabe im Rahmen von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG legitimieren könnte. Zuzugeben ist, dass diese Fallgruppe im Rahmen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG nicht relevant ist, da das Erfordernis einer Entscheidung über die Selbstbefreiung voraussetzt, dass der Emittenten die betreffende Information bewusst als Insiderinformation einordnet. Eine unwissentliche Weitergabe kann aber auch befugt sein, wenn sie vom weitergebenden Mitarbeiter des Emittenten mit einem legitimen Zweck vorgenommen wurde, ohne dass diese Weitergabe dem Wissen des Emittenten zuzurechnen ist. Das ist etwa in Fällen denkbar, in denen die vom Emittenten für den 575
Verse, S. 530. Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 231; in die Richtung auch Widder/ Gallert, NZG 2006, 451 (452), wonach die unwissentliche und damit unkontrollierte Weitergabe ohnehin eher in den Bereich der unbefugten Weitergabe gehört. 577 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 231. 578 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 123; Leuering, NZG 2005, 12 (17). 576
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht
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Umgang mit Insiderinformationen vorgesehene Organisationsstruktur durch einzelne Personen fahrlässig oder vorsätzlich außer Acht gelassen wird. Nach alledem hängt es für den Emittenten auch nicht ausschließlich vom Zufall ab, ob eine Weitergabe unter die ursprüngliche Befugnis gefallen wäre.579 Der Kritik an § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG ist zuzugeben, dass der Ausschluss einer Veröffentlichungspflicht bei unwissentlicher unbefugter Weitergabe weder den Interessen des Emittenten noch denen des Kapitalmarktes entspricht. Bei einer unwissentlichen Weitergabe kann dem Emittenten nicht wie im Fall einer unbefugten wissentlichen Weitergabe Vorsatz unterstellt werden. Der anzunehmende Vorsatz des Emittenten ist es aber, der im Fall unbefugter wissentlicher Weitergabe rechtfertigt, dass neben dem Verbot von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht noch zusätzlich eine Veröffentlichungspflicht geregelt ist. Es ist nicht zu erwarten, dass sich an § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG hält, wer die Strafbarkeit nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WpHG bei seinen Handlungen in Kauf nimmt. Fraglich ist, wie in diesem Zusammenhang Fälle zu behandeln sind, in denen nachträglich festgestellt wird, dass eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation, deren Veröffentlichung der Emittent gemäß § 15 Abs. 3 WpHG aufgeschoben hat, unbefugt und unwissentlich weitergegeben wurde. Eine Veröffentlichung aufgrund einer Analogie zu § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG wird im Schrifttum schon deswegen nicht für zulässig gehalten, weil auch hier das Analogieverbot gelte.580 Diese umfassende Wirkung des Analogieverbotes ist – wie bereits gezeigt581 – allerdings abzulehnen. Zudem spricht auch die Einbeziehung der Selbstbefreiungsmöglichkeit dafür, in diesem Fall eine Veröffentlichungspflicht anzunehmen. Dafür spricht weiter, dass die weitere Verbreitung Information nicht sicher ermittelt werden kann, wenn der Emittent erst im Nachhinein feststellt, dass eine Insiderinformation, deren Veröffentlichung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG aufgeschoben wurde, unwissentlich und unbefugt an Dritte weitergegeben wurde. Dann aber besteht die Gefahr, dass die Information zum Insiderhandel ausgenutzt wird. Wird eine unbefugte, unwissentliche Weitergabe festgestellt, kann das Geheimhaltungsinteresse das Kapitalmarktinteresse an der Veröffentlichung nicht mehr überwiegen. Die Selbstbefreiung von der Ad-hocPublizitätspflicht ist somit zu beenden. (3) Inhalt der erforderlichen Befugnis zur Weitergabe Mit der Formulierung „Weitergabe innerhalb der Befugnis“ nimmt der Gesetzgeber Bezug auf das insiderrechtliche Weitergabeverbot, das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 579 580 581
So aber Widder/Gallert, NZG 2006, 453. Widder/Gallert, NZG 2006, 453. Siehe dazu Kap. B.V.4.
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
WpHG geregelt ist.582 Auch wenn dieser Wortlaut nicht vollständig dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG gleicht, lassen die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie insoweit keinen Zweifel, weil dort eine exakte Wortgleichheit gegeben ist.583 Was den notwendigen Inhalt der Befugnis zur Weitergabe betrifft, kann auf die Erörterungen zum Merkmal der Gewährleistung der Vertraulichkeit verwiesen werden.584 e) Die rechtliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit Zuletzt legt § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG fest, dass die Veröffentlichungspflicht wegen Weitergabe der Information nicht entsteht, wenn der Empfänger der Insiderinformation rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie kann sich diese Verpflichtung „aus Rechtsoder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag“ ergeben. Daraus folgt, dass grundsätzlich jede vertragliche oder gesetzliche Vertraulichkeitspflicht ausreichend ist.585 Problematisch daran ist, dass auch das insiderrechtliche Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine Vertraulichkeitsverpflichtung sein könnte. Wäre dies der Fall, würde jeder Empfänger bei Weitergabe zur Vertraulichkeit verpflichtet sein. Die Veröffentlichungspflicht von § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG hätte somit womöglich keinen Anwendungsbereich. Im Schrifttum ist umstritten, ob aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine Verpflichtung zur Vertraulichkeit in diesem Sinne folgt. (1) Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als ausreichende Vertraulichkeitsverpflichtung Nach einer Ansicht beinhaltet das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG geregelte Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen eine § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG genügende rechtliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit.586 Eine Vertraulichkeitsverpflichtung werde dadurch geschaffen, dass die vertrauliche Information nicht weitergegeben werden darf. Dies sei bei § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG unbestreitbar der Fall.587 Das straf- bzw. bußgeldbewehrte Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 582 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 116; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 223; Simon, Der Konzern 2005, 13 (18); von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 225 (228). 583 Simon, Der Konzern 2005, 13 (18). 584 Siehe dazu Kap. E.II.4.a). 585 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 58. 586 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 117; Widder/Gallert, NZG 2006, 451 (453); Verse, S. 531. 587 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 117.
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht
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Nr. 2 WpHG sei weitaus strenger anzusehen als eine nur vertragliche Verpflichtung.588 Der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG verbleibe trotzdem ein Anwendungsbereich. Die Veröffentlichungspflicht gelte in den Fällen, in denen der Adressat der weitergeleiteten oder zugänglich gemachten Information deren Eigenschaft als Insiderinformation nicht erkennt.589 Zudem wird darauf verwiesen, dass eine anderslautende Auslegung am verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz scheitere. Da es sich bei § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 5 WpHG um einen Ordnungswidrigkeitstatbestand handele, sei eine solche über die Grenzen des Wortlauts zulässige Auslegung gemäß § 3 OWiG unzulässig, weil sie zu einer Verschärfung zu Lasten des Täters führen würde, die sich nicht aus dem Gesetz ergäbe.590 (2) Gegenauffassungen Nach der Gegenauffassung begründet das Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG keine § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG genügende Vertraulichkeitsverpflichtung.591 Die Vertreter dieser Ansicht berufen sich hauptsächlich darauf, dass der Norm ansonsten kein Anwendungsbereich verbliebe.592 Jede befugte Weitergabe hätte zur Folge, dass der Empfänger selbst Insider werde und damit dem Weitergabeverbot von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG unterläge, womit die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG gesperrt wäre. Zum Teil wird zudem darauf verwiesen, dass das insiderrechtliche Weitergabeverbot von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG im Gegensatz zu berufsständischen Vertraulichkeitsverpflichtungen nicht adressatenspezifisch sei. Das könnte aber dazu führen, dass § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG von potentiellen Informationsempfängern nicht als rechtliche Vertraulichkeitsverpflichtung wahrgenommen wird.593 Wie die Vertraulichkeitsverpflichtung stattdessen beschaffen sein muss, ist innerhalb der Gegenauffassungen umstritten. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG eine besondere Vertraulichkeitsverpflichtung ver-
588
Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 117. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 118; dagegen Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 225 Fn 248 mit dem Hinweis darauf, dass jedermann dem Weitergabeverbot unterliege. 590 Widder/Gallert, NZG 2006, 451 (453); Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 118, Fn 2. 591 Kuthe, ZIP 2004, 883 (885) Leuering, NZG 2005, 12 (15); Versteegen, Kölner Kommentar, § 15 Rn 225; Mehringer, S. 111; Decker, S. 288; Schwintek, S. 37; wohl auch Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 312. 592 Leuering, NZG 2005, 12 (15); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 225; Schwintek, S. 37; Decker, S. 288; zu diesem Argument als Aspekt einer systematischlogischen Auslegung vgl. Bydlinski, S. 444. 593 Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 312; Schwintek, S. 37. 589
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
lange.594 Dafür spreche, dass nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum AnSVG Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht in § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG nur gelten würden, „wenn Dritte ihrerseits zur besonderen Vertraulichkeit verpflichtet sind“ (Hervorhebung durch Verfasser).595 Diese besondere Verpflichtung könne auch auf einer (vor-)vertraglichen Nebenpflicht beruhen.596 Nach einer anderen Ansicht wird eine ausdrückliche Vertraulichkeitsvereinbarung gefordert.597 Einig sind sich beide Auffassungen darin, dass sich die Verpflichtung zur Vertraulichkeit mit Ausnahme von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aus dem Gesetz ergeben kann.598 Nach einer weiteren, strengeren Ansicht ist eine Vertraulichkeitsverpflichtung nur dann ausreichend, wenn sie gerade gegenüber dem Emittenten zur Vertraulichkeit verpflichtet.599 Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO bestehe etwa nur gegenüber dem eigenen Mandanten. Der Emittent müsse daher bei Vertragsverhandlungen mit dem Rechtsbeistand der Gegenseite eine Vertraulichkeitsvereinbarung schließen, wenn im Rahmen der Verhandlungen Insiderinformationen weitergegeben werden sollen.600 Nach einer weiteren Teilmeinung sei als Verpflichtung zur Vertraulichkeit nur jede vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung außerhalb des WpHG anzusehen.601 Diese Teilmeinung nimmt ausdrücklich die Bedenken der Auffassung auf, der zu Folge eine besondere Vertraulichkeitsverpflichtung wegen des Analogieverbotes bzw. des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht verlangt werden könne. Die Beschränkung auf Vertraulichkeitsverpflichtungen außerhalb des WpHG werde durch den unmittelbaren Zusammenhang mit der § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG sehr nahe benachbarten Vorschrift in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG so evident erzwungen, dass sie mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz noch vereinbar sein sollte.602 (3) Stellungnahme Die Veröffentlichungspflicht des § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG kann eine ergänzende Funktion zur Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und – nach der hier vertretenen Ansicht – im Rahmen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG nur erfüllen, wenn sie einen Anwendungsbereich hat. Ein Anwendungsbereich verbleibt von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG je594 595 596 597 598 599 600 601 602
Leuering, NZG 2005, 12 (16); Simon, Der Konzern 2005, 13 (19). RegE AnSVG BT-Drucks. 15/3174, S. 35. Leuering, NZG 2005, 12 (16); zustimmend Simon, Der Konzern 2005, 13 (19). Kuthe, ZIP 2004, 883 (885); Decker, S. 286. Leuering, NZG 2005, 12 (16); Simon, Der Konzern 2005, 13 (19); Decker, S. 286. Schwintek, S. 37; Grothaus, ZBB 2005, 62 (65). Grothaus, ZBB 2005, 62 (65). Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 226. Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 226.
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht
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doch nur, wenn man das Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht als ausreichende Vertraulichkeitsverpflichtung erachtet. Die Beschränkung von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG auf Vertraulichkeitsverpflichtungen außerhalb des WpHG lässt sich mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz noch vereinbaren. Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet nicht, ein Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit dem bestehenden Regelungsumfeld zu erfassen und zu würdigen.603 Zum Regelungsumfeld gehören nicht nur die Merkmale des Ordnungswidrigkeitstatbestands selbst, sondern auch die im direkten Zusammenhang stehenden Regeln.604 Ein solcher direkter Zusammenhang kann zwischen § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG und § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG angenommen werden. Die weitergehende Forderung nach Begründung einer (auch) gegenüber dem Emittenten bestehenden Vertraulichkeitsverpflichtung ist indes abzulehnen. Daher begründet das Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG keine Vertraulichkeitsverpflichtung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG. Als solche sind nur vertragliche Vertraulichkeitsverpflichtungen oder gesetzliche Vertraulichkeitsverpflichtungen außerhalb des Wertpapierhandelsgesetzes anzusehen. f) Anwendungsfälle Auch wenn man mit der hier vertretenen Ansicht ablehnt, dass derjenige, dem eine Insiderinformation mitgeteilt wird, schon aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zur Vertraulichkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG verpflichtet ist, dürfte eine Weitergabe ohne Vertraulichkeitsverpflichtung in der Praxis trotzdem selten sein.605 Die im Rahmen eines normalen Geschäftsablaufs auftretenden Fälle der Weitergabe von Insiderinformationen gehen oftmals mit berufsrechtlich begründeten Vertraulichkeitspflichten des Empfängers einher. Berufsrechtliche Verpflichtungen zur Vertraulichkeit sind bereits als ausreichend anzusehen, denn das Erfordernis der besonderen Vertraulichkeitsverpflichtung richtet sich lediglich dagegen, eine „Jedermannpflicht“ als ausreichende Verpflichtung zur Vertraulichkeit anzusehen. Berufsrechtliche Vertraulichkeitsverpflichtungen gelten z. B. für Rechtsanwälte (§ 43a Abs. 2 BRAO), Wirtschaftsprüfer (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO) und Beamte (§ 67 BBG, § 39 BRRG).606 Daneben reicht eine vertragliche wie auch eine vorvertragliche Vertraulichkeitsverpflichtung aus,607 womit eine 603
BVerfGE 41, 314 (323). In dem in BVerfGE 41, 314 (323) entschiedenen Fall verweist das BVerfG zur Definition auf zwei Legaldefinitionen, wobei nur eine der Definitionen in den der Entscheidung zu Grunde liegenden Ordnungswidrigkeitstatbestand einfließt. 605 So auch Verse, S. 531. 606 Beispiele nach Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 120. 607 So auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 120; Leuering, NZG 2005, 12 (16); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 227; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 308. 604
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
große Zahl der denkbaren übrigen Fälle der Informationsweitergabe im Geschäftsleben abgedeckt wäre. 3. Richtigstellung unwahrer Information gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG ist ein Emittent verpflichtet, unwahre Information, die er nach § 15 Abs. 1 WpHG veröffentlicht hat, unverzüglich in einer Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG zu berichtigen, auch wenn die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 WpHG nicht vorliegen.608 a) Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG Eine Veröffentlichung „nach § 15 Absatz 1“ kann bei einer Ad-hoc-Mitteilung des Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG oder einer Mitteilung nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG gegeben sein.609 Da § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG eine unwahre Veröffentlichung voraussetzt, bedeutet dies nicht, dass die Mitteilung die Voraussetzungen tatsächlich erfüllt hat, denn natürlich sieht § 15 Abs. 1 WpHG keine Pflicht zur Veröffentlichung unwahrer Mitteilungen vor.610 Ausreichend ist jede Veröffentlichung, mit der der Emittent aus der Perspektive eines Dritten versuchte, seine Verpflichtung nach § 15 Abs. 1 WpHG zu erfüllen.611 Das bedeutet auch, dass es nicht darauf ankommen kann, dass der Emittent die Verfahrensvoraussetzungen für die Veröffentlichung nach § 3 WpAIV ff. eingehalten hat. b) Unwahre Information Eine Berichtigungsmitteilung muss nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG vorgenommen werden, wenn die veröffentlichte Information „unwahr“ ist. Eine Information an sich kann jedoch weder wahr noch unwahr sein. Gemeint ist daher, dass der Inhalt der Information, d.h. die in der Veröffentlichung gemachten Aussage, unwahr sein muss.612 Im Schrifttum wird die Berichtigungspflicht teilweise auf Tatsachen beschränkt, da nur Tatsachen wahr oder unwahr sein könnten.613 Letztere Feststellung ist zwar richtig. Jedoch beruhen auch Ad-hoc-Mitteilungen, die 608 Vgl. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 187; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 243. 609 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 237. 610 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 239. 611 Ähnlich Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 241, wonach vorauszusetzen sei, dass der Dritte sich habe von einer Verpflichtung nach Abs. 1 leiten lassen bzw. diesen Anschein erweckt habe. 612 Im Ergebnis auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 244. 613 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 189.
III. Kein Vorliegen sonstiger Fälle der Pflicht
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sich auf zukünftige Umstände und Ereignisse beziehen, auf gegenwärtigen Tatsachen, da nur diese einen Schluss auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des zukünftigen Ereignisses oder Umstandes zulassen.614 Erweisen sich diese Tatsachen als falsch, kann eine Korrektur zukunftsbezogener Mitteilungen zumindest dann notwendig werden, wenn aufgrund der Unwahrheit der Tatsache zugleich die Voraussetzungen für die Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG wegfallen. c) Unverzügliche Richtigstellung Die Veröffentlichung der Richtigstellung muss unverzüglich erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern. Der maßgebliche Zeitpunkt, ab dem dies zu bemessen ist, ist nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG der Zeitpunkt, an dem die Berichtigungspflicht entsteht. Mit diesem Verständnis würde der festgelegte Zeitpunkt jedoch keinen Sinn machen, da die Berichtigungspflicht sofort nach Absetzen der falschen Mitteilung vorliegt. Abgesehen vom Fall der vorsätzlichen Falschinformation liegt es indes in der Natur der Sache, dass der Emittent sich der Tatsache, dass er eine Falschinformation veröffentlicht hat, nicht unmittelbar nach deren Veröffentlichung bewusst ist. Der Emittent könnte selbst der Berichtigungspflicht nie rechtzeitig genügen. Daher bedeutet unverzüglich im Falle von § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG, dass der Emittent die Berichtigung ohne schuldhaftes Zögern vornehmen muss, wenn ihm die Unwahrheit der vorausgegangenen Veröffentlichung zurechenbar zur Kenntnis gelangt ist.615 d) Anwendungsfälle Häufig wird ein Sachverhalt, in dem ein Emittent die Veröffentlichung einer Berichtigungsmitteilung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG in Erwägung ziehen muss, die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllen. In diesem Fall hat die Regelung der Berichtigungspflicht in § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG lediglich klarstellende Wirkung, da der Emittent schon nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zur Veröffentlichung der Berichtigung gezwungen ist. Eigene Bedeutung erlangt § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG in allen anderen Fällen, nämlich dann wenn die Berichtigungsmitteilung die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht erfüllt.616 Liest man § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG im Zusammenhang mit § 15 Abs. 3 WpHG, zeigt sich ein weiterer Bereich, in dem die Vorschrift von Relevanz ist. 614 Zu Insiderinformationen mit Bezug auf zukünftige Umstände oder Ereignisse siehe Kap. C.II.3.b). 615 So auch Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 337. 616 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 187.
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
Zwar verweist die Vorschrift auf § 15 Abs. 1 WpHG, sie ist jedoch eigene Rechtsgrundlage für eine Veröffentlichungspflicht, wie die Erweiterung auf nicht von § 15 Abs. 1 WpHG erfasste Berichtigungen zeigt. Da § 15 Abs. 3 WpHG keinen Verweis auf § 15 Abs. 2 Satz 2 WPHG enthält, hilft es dem Emittenten nicht, wenn die ausdrücklich in § 15 Abs. 3 WpHG genannten Voraussetzungen vorliegen, wenn gleichzeitig die Berichtigungspflicht des § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG eingreift. Zuzugeben ist, dass in den Fällen, in denen der Emittent eine Berichtigungspflicht nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG hat, auch in Betracht kommt, dass eine Selbstbefreiung an Gefahr der Irreführung nach § 15 Abs. 3 WpHG scheitert. Die Gefahr der Irreführung setzt nach dem hier gesagten ein irreführendes Informationsverhalten des Emittenten voraus. Das ist bei einer vorhergehenden (unwahren) Ad-hoc-Mitteilung zwanglos gegeben. Zusätzlich bedarf es jedoch auch der Möglichkeit der Fehlreaktion des Marktes, deren Ausmaß eine Bagatellschwelle überschreiten muss.617 Ob diese Schwelle überschritten wurde, ist in entsprechender Anwendung des Merkmals „Eignung zur Preisbeeinflussung“ festzustellen. Dafür spricht, dass so ein einheitlicher Maßstab gilt. Das Gesetz zieht das Merkmal nämlich bereits ausdrücklich für die grundlegende Frage heran, ob überhaupt eine Insiderinformation nach § 13 WpHG gegeben ist.618 Genau diese Einschränkung gilt aufgrund von § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG nicht, wenn das (potentiell irreführende) Verhalten des Emittenten eine unwahre Ad-hoc-Mitteilung war. Diese Verschärfung der Voraussetzungen der Selbstbefreiung gegenüber sonstigem irreführenden Verhalten des Emittenten ist mit dem hohen Stellenwert zu begründen, den der Markt der Veröffentlichung von Insiderinformationen im Verfahren von § 15 WpHG zumisst.
IV. Entscheidung über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung Die zuvor dargestellten Voraussetzungen der Selbstbefreiung lassen es selbstverständlich erscheinen, dass der Emittent bzw. dessen Organe eine Überprüfung der Voraussetzungen durchführen, an deren Ende die Feststellung steht, ob die Selbstbefreiung vorgenommen wird oder nicht. Fraglich ist aber, ob dieser Vorgang eine formale Voraussetzung der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ist. Dann würde eine unbewusste Selbstbefreiung ausscheiden. Relevant könnte dies in Fällen werden, in denen der Emittent irrtümlich davon ausgeht, die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG lägen nicht vor, während in Wirklichkeit grundsätzlich eine Veröffentlichungspflicht bestand und die vorstehend dargestellten Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG erfüllt sind. Erachtet man eine Entscheidung für die Selbstbefreiung als Merkmal 617 618
Veith, NZG 2005, 254 (257). Siehe dazu Kap. C.II.6.
IV. Entscheidung über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung
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der Selbstbefreiung selbst, würde die Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hocPublizität in diesen Fällen trotzdem ausscheiden. 1. Gesetzliche Regelung Die gesetzliche Regelung schreibt eine Entscheidung des Emittenten nicht ausdrücklich vor. Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG hat der Emittent der BaFin jedoch die Gründe für die Befreiung „unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung“ mitzuteilen. Präzisierend wird in § 8 Abs. 5 WpAIV ausgeführt, dass die Mitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG neben den Gründen der Befreiung auch die Angabe „des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung, der späteren Termine, an denen der Fortbestand der Gründe überprüft wurde, und des Zeitpunktes der Entscheidung über die nunmehr vorzunehmende Mitteilung und Veröffentlichung“, zu enthalten hat. Die europarechtlichen Vorgaben erwähnen das Erfordernis einer Entscheidung ebenfalls: In Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie wird den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eingeräumt, eine Regelung darüber zu treffen, „dass der Emittent die zuständige Behörde unverzüglich von der Entscheidung, die Bekanntgabe der Insider-Informationen aufzuschieben, zu unterrichten hat“, eine Möglichkeit von der Deutschland keinen Gebrauch gemacht hat. Sowohl in der europarechtlichen Regelung als auch in der Umsetzung in WpHG und WpAIV sind somit Hinweise darauf enthalten, dass eine Entscheidung des Emittenten zwingend zum Vorgang der Selbstbefreiung gehört. Der Wortlaut von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG weist allerdings in eine andere Richtung. Bei Vorliegen von berechtigtem Interesse, Vertraulichkeit und fehlender Irreführungsgefahr „ist“ der Emittent demnach von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit. 2. Streitstand Notwendigkeit einer Entscheidung des Emittenten Aufgrund dieses auf den ersten Blick mehrdeutigen Charakters des Gesetzeswortlautes verwundert es nicht, dass die Frage, ob eine Entscheidung des Emittenten Voraussetzung für eine Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität ist, umstritten ist. Eine im Vordringen befindliche Auffassung lehnt das Erfordernis einer Entscheidung über die Selbstbefreiung ab.619 Zur Begründung verweisen die Vertre619 OLG Stuttgart, NZG 2009, 624 (635); Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 165e f.; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 168; Kuthe ZIP 2004, 883 (884); Jungmichel, S. 154; kritisch auch Widder DB 2008, 1480 (1481); zu den haftungsrechtlichen Konsequenzen des Verzichts auf das Erfordernis einer Befreiung Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 174.
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
ter dieser Ansicht auf den oben erwähnten Wortlaut von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, wonach der Emittent bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen befreit „ist“.620 Diese Formulierung spreche für ein automatisches Eintreten der Befreiungswirkung. Vom Emittenten die Ausübung von Ermessen zu fordern, was mit dem Treffen einer Entscheidung einher gehen würde, verstieße auch gegen Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie. Dort seien keine weiteren Voraussetzungen der Befreiung vorgesehen als das Vorliegen des berechtigten Interesses, die Gewährleistung der Vertraulichkeit und die fehlende Gefahr der Irreführung.621 Assmann führt im Hinblick auf die Verpflichtungen des § 7 WpAIV an, dass die sich aus § 7 WpAIV ergebenden Verpflichtungen des Emittenten unabhängig von dem Treffen einer Entscheidung erfüllbar seien.622 Weiter spricht seiner Ansicht nach gegen das Erfordernis einer Entscheidung über die Selbstbefreiung, dass die Entscheidung in vielen Situationen nicht mehr von Belang sein wird, nämlich etwa, wenn die Insiderinformation im Fortgang der Ereignisse weggefallen ist oder an deren Stelle eine andere Information getreten ist.623 Zur Begründung seiner Ablehnung der Forderung nach einer Entscheidung des Emittenten als Voraussetzung für die Selbstbefreiung verweist Versteegen auf die abweichende Ansicht zu zwei anderen Fragen der Selbstbefreiung. Es bedürfe einer Entscheidung nicht, da für die Selbstbefreiung entgegen § 6 Satz 1 WpAIV keinerlei Interessenabwägung erforderlich sei.624 Auch für die Gewährleistung der Vertraulichkeit bedürfe es keiner Entscheidung, da dieses Merkmal, wie es in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG gebraucht würde, auch ohne konkrete Maßnahmen für jeden Einzelfall der Selbstbefreiung erfüllbar sei. Die konkreten Verpflichtungen nach § 7 WpAIV seien keine Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung.625 Die Gegenansicht hält eine Entscheidung des Emittenten über die Selbstbefreiung für eine notwendige Voraussetzung der Selbstbefreiung.626 Dem ist beizutreten. Die zuletzt genannten Ansätze (u. a., dass es keiner Interessenabwägung bedürfe, um die Selbstbefreiung in Anspruch zu nehmen), auf denen Versteegens Auffassung beruht, sind bereits abgelehnt worden und können daher die ein Entscheidungserfordernis ablehnende Auffassung nicht stützen.627 Auch die übrigen
620 OLG Stuttgart, NZG 2009, 624 (635); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 168. 621 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 168. 622 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 165f. 623 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 165e. 624 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 168. 625 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 169. 626 Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 343; U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53; auch S. Schneider, BB 2005, 897 (900); Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906; Decker, S. 334; Mennicke, NZG 2009, 1059 (1061); wohl auch OLG Frankfurt, WM 2009, 647, 648. 627 Siehe dazu Kap. D.V.1. und Kap. E.II.2.c).
IV. Entscheidung über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung
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Argumente der Gegenauffassung greifen nicht durch. Dass die Entscheidung in einigen Fällen im Nachhinein keine praktische Relevanz mehr haben könnte, kann der Emittent im Zeitpunkt des Entstehens der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht beurteilen. Entscheidend für das Erfordernis einer Entscheidung sprechen aber die europarechtlichen Grundlagen von Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung. Wenn Art. 6 Abs. 1 2 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie formuliert, dass der Emittent die Veröffentlichung aufschieben „darf“, erfordert entgegen der eine Entscheidung des Emittenten ablehnenden Auffassung gerade dies die Ausübung von Ermessen, welches ohne eine diesbezügliche Entscheidung nicht möglich ist.628 Für diese Sichtweise spricht des Weiteren der Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie, nach dem die Mitgliedstaaten vorsehen können, „dass der Emittent die zuständige Behörde unverzüglich von der Entscheidung, die Bekanntgabe der Insider-Informationen aufzuschieben, zu unterrichten hat“. Eine Entscheidung wird hier vorausgesetzt, ohne dass es darauf ankommt, ob der jeweilige nationale Gesetzgeber von der Ermächtigung Gebrauch gemacht hat (was in Deutschland nicht der Fall war). Letztlich spricht für das Erfordernis einer Entscheidung auch die Tatsache, dass der Emittent grundsätzlich nicht zur Wahrnehmung des Rechts auf Selbstbefreiung verpflichtet ist.629 Liegt eine veröffentlichungspflichtige Information vor, kann der Emittent sich trotz des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen für die sofortige Veröffentlichung der Information nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG entscheiden. Wenn sich der Emittent für die Veröffentlichung entscheiden kann, setzt die Nichtveröffentlichung denklogisch eine Entscheidung gegen die Veröffentlichung voraus. 3. Inhalt der Entscheidung Fraglich ist der Inhalt der Entscheidung des Emittenten über die Selbstbefreiung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung für die Selbstbefreiung das Ergebnis der Abwägung des Geheimhaltungsinteresses mit dem Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarktes und der Prüfung der restlichen Befreiungsvoraussetzungen ist. Insbesondere die Abwägung kann nicht pauschal, sondern nur mit Blick auf eine bestimmte Insiderinformation erfolgen. Daraus folgt, dass auch die Entscheidung mit Hinblick auf die Veröffentlichung einer bestimmten Information zu erfolgen hat.630
628 U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (54); in diese Richtung auch Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 345. 629 S. H. Schneider, BB 2005, 898 (900); das sieht auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 176, obwohl er anderer Stelle die Entscheidung als Voraussetzung der Selbstbefreiung ablehnt. 630 U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (54).
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E. Die weiteren Voraussetzungen der Selbstbefreiung
Die durch die Selbstbefreiung entstehenden Folgepflichten machen die Begründung und Dokumentation der Entscheidung notwendig.631 Als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung reicht aber allein die Entscheidung zur Nichtveröffentlichung der konkret bezeichneten Information aus. 4. Zuständigkeit Aus den Voraussetzungen der Selbstbefreiung von § 15 Abs. 3 WpHG ergeben sich keine Vorgaben zur Zuständigkeit für die Befreiungsentscheidung. Nach dem soeben Gesagten, ist allein entscheidend, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen wird. Aus § 15 WpHG lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass nur der Vorstand die Entscheidung über die Selbstbefreiung fällen darf.632 Die Entscheidung ist erforderlich, um im nach hinein überprüfbar zu machen, ob der Emittent aus der ex-ante Perspektive vom Vorliegen der Voraussetzungen der Selbstbefreiung ausgehen durfte. Die Erfüllung dieser Funktion ist grundsätzlich nicht von der formalen Stellung desjenigen abhängig, der die Entscheidung trifft. Somit kann eine Entscheidung über die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG auch von einem einzelnen Vorstandsmitglied in eigener Verantwortung oder von einem besonderen Vertreter gefällt werden.633 Dies ist allerdings vor dem Hintergrund zu sehen, dass Insiderinformationen in den meisten Fallkonstellationen in sehr kurzer Zeit zur Kenntnis der Unternehmensleitung gelangen, wenn sie nicht sogar im Kreis der Unternehmensleitung entstanden sind. In diesen Fällen liegt es nahe, dass sich die Unternehmensleitung – fachkundig beraten – auch mit der Frage der Veröffentlichung auseinandersetzt.
631
Dazu sogleich unter Kap. F.I.1. So aber Assmann in: Assmann/U. H. Schneider (4. Auflage), § 15 Rn 129; wohl auch Wendel, CCZ 2008, 41 (47), demzufolge das Compliance Team dafür zuständig ist, die Selbstbefreiungsentscheidungen des Vorstandes vorzubereiten. 633 U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (55); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 172; auch S. H. Schneider, BB 2005, 897 (900), demzufolge sogar eine konkludente Entscheidung der Compliance- oder Rechtsabteilung ausreicht. 632
F. Rechtsfolgen der Selbstbefreiung Die auf § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG gestützte Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung löst Rechtsfolgen aus, die sich aus dem öffentlichen Recht, dem Straf- sowie dem Zivilrecht ergeben. Im Folgenden wird zunächst auf die Rechtsfolgen einer rechtmäßigen Befreiung und sodann auf die Rechtsfolgen einer rechtswidrigen, d.h. gegen die geschriebenen und ungeschriebenen Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG verstoßenden, Befreiung eingegangen.
I. Rechtsfolgen der rechtmäßigen Selbstbefreiung Bei rechtmäßiger Befreiung ist der Emittent zur Dokumentation der Entscheidung, zur fortdauernden Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen und am Ende der Selbstbefreiung zur Ad-hoc-Mitteilung sowie zur Mitteilung der Befreiungsgründe an die BaFin verpflichtet. 1. Dokumentationspflicht Der Emittent ist verpflichtet, die Einhaltung der Voraussetzungen der Selbstbefreiung zu dokumentieren.634 Dies ergibt sich zum einen aus der Beweislastverteilung, wenn gegen den Emittenten Ansprüche geltend gemacht werden. In diesem Fall hat der Emittent die Befreiungsvoraussetzungen nachzuweisen.635 Für eine Dokumentationspflicht spricht zudem, dass mit Gewährleistung der Vertraulichkeit sogar eine Voraussetzung (und nicht Rechtsfolge) der Selbstbefreiung zu dokumentieren ist.636 Weder die Zugangskontrolle nach § 7 Nr. 1 WpAIV noch die Pflicht zur Aufstellung eines Insiderverzeichnisses nach § 15b Abs. 1 Satz 3 634 Begründung WpAIV, S. 9; U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (55); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1906); Wendel, CCZ 2008, 41 (46); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 173 nimmt eine Obliegenheit zur Dokumentation an; gegen eine Rechtspflicht zur Dokumentation Simon, Der Konzern 2005, 13 (20); S. H. Schneider, BB 2005, 897 (902), der Begründungs und Dokumentationspflicht getrennt betrachtet und als Konsequenz daraus eine Pflicht zur Dokumentation ablehnt; wohl auch Fischer zu Cramburg/ Royé in: Heidel, § 15 WpHG Rn 17, Veith, NZG 2005, 254 (259), die eine umfangreiche Dokumentation lediglich empfehlen. 635 Nietsch, BB 2005, 785 (786); U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (56). 636 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1906); Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (650); dagegen aber ohne nähere Begründung Versteegen, Kölner Kommentar, § 15 Rn 164 und Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 165.
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WpHG lassen sich in undokumentierter Form bewerkstelligen. Nur wenn der Emittent dokumentiert, dass er die Maßnahmen ergriffen hat, die zur Gewährleistung der Vertraulichkeit erforderlich sind, kann der Emittent wirklich Gewährträger für die Vertraulichkeit der Information sein. Der Emittent ist aber nicht nur im Hinblick auf mögliche Haftungsfolgen und wegen der besonderen Anforderungen, die zur Gewährleistung der Vertraulichkeit zu erfüllen sind, zur Dokumentation der Selbstbefreiungsvoraussetzungen verpflichtet. Erforderlich ist eine umfangreiche Dokumentation des vollständigen Vorgangs der Selbstbefreiung unter Berücksichtigung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen auch, weil der Geschehensablaufs für Außenstehende, insbesondere für die mit der Kontrolle der Selbstbefreiung betraute BaFin, kaum nachvollziehbar wäre, wenn dies nicht geschähe.637 Die Dokumentationspflicht umfasst neben der für die Gewährleistung der Vertraulichkeit erforderlichen Dokumentation mindestens die Entscheidung des zuständigen Gremiums und Informationen über die Grundlage der Entscheidung, d.h. die Überlegungen, die zur Annahme des Vorliegens einer Insiderinformation und zur Vornahme der Selbstbefreiung geführt haben.638 Fraglich ist, wann der Emittent die Dokumentationspflicht erfüllen muss. Zwar muss er die Gründe der Befreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG der BaFin erst nach Ende der Selbstbefreiung mitteilen. Das könnte dafür sprechen, dass der Emittent auch erst zu diesem Zeitpunkt eine Dokumentation vorhalten muss. Will der Emittent gegenüber der BaFin aber darlegen, dass er im Zeitpunkt der Selbstbefreiung (ex-ante) von bestimmten Annahmen ausgegangen ist, z. B. eines nur niedrigen Kapitalmarktinteresses an der Veröffentlichung der Insiderinformation, kann dies nur nachgewiesen werden, wenn der Emittent die Dokumentation schon anlässlich der Vornahme der Selbstbefreiung erstellt. Außerdem muss der Emittent in Eilfällen, etwa bei vermutetem Insiderhandel während des Befreiungszeitraums, eine Prüfung durch die BaFin noch während des Befreiungszeitraums ermöglichen. Die Dokumentationspflicht besteht somit über den gesamten Befreiungszeitraum hinsichtlich der Handlungen, die im Hinblick auf die Selbstbefreiung vorgenommen werden. 2. Überprüfung der Befreiungsentscheidung Der Emittent ist nach einmal erfolgter Selbstbefreiung verpflichtet, fortlaufend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Selbstbefreiung noch erfüllt sind.639 Diese gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Folgepflicht der Selbstbefreiung er637
U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (56). U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (56). 639 Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2218); Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (650); Simon, Der Konzern 2005, 13 (20); einschränkend Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 638
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gibt sich unter anderem daraus, dass der Emittent nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG die Ad-hoc-Mitteilung unverzüglich nachzuholen hat, wenn die Voraussetzungen der Selbstbefreiung weggefallen sind. Ob das der Fall ist, kann der Emittent nur feststellen, wenn er eine Prüfung der Voraussetzungen der Selbstbefreiung während des gesamten Befreiungszeitraums vornimmt. Aus § 8 Abs. 5 Nr. 2 lit. a) WpAIV ergibt sich zudem, dass auch Entscheidungen hinsichtlich des Weiterbestehens der Voraussetzungen der Selbstbefreiung zu treffen sind. In § 8 Abs. 2 Nr. 5 WpAIV ist nicht festgelegt, wie oft eine Überprüfungsentscheidung gefällt werden muss. Da ohnehin eine andauernde Überwachungs- und Prüfungspflicht hinsichtlich der Voraussetzungen der Selbstbefreiung besteht, kann die Pflicht hinsichtlich förmlicher Entscheidung auf Ereignisse im Befreiungszeitraum beschränkt werden, bei denen ein substantieller Anlass für eine derartige Prüfung gegeben ist.640 Indes ist zu erwägen, ob die Pflicht, förmliche Überprüfungsentscheidungen über das weitere Vorliegen der Voraussetzungen der Selbstbefreiung zu treffen, nicht lediglich als Rechtsfolge, sondern sogar als Voraussetzung für die (dann weitere) Inanspruchnahme der Selbstbefreiung anzusehen ist. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 WpAIV sind in der Mitteilung, die nach der Befreiung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG an die BaFin zu übermitteln ist, neben dem Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidung über die Befreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität die späteren Termine mitzuteilen, an denen der Fortbestand der Gründe überprüft wurde. Dies könnte als Argument dafür angesehen werden, dass die nachträgliche Überprüfungsentscheidung ebenso wie die erstmalige Entscheidung als Voraussetzung der Selbstbefreiung anzusehen ist.641 Davon scheint auch der Gesetzgeber auszugehen, der die Regelung von § 8 Abs. 2 Nr. 5 WpAIV aus der Verwendung des Wortes „solange“ in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG herleitet.642 Gegen eine solche Sichtweise ist jedoch einzuwenden, dass eine Pflicht zur nachträglichen Überprüfung – im Gegensatz zur Entscheidung bei der erstmaligen Vornahme der Selbstbefreiung – nicht in der Marktmissbrauchsrichtlinie erwähnt wird. Eine Auslegung, die die in § 8 Abs. 2 Nr. 5 WpAIV geforderten Überprüfungsentscheidungen als Voraussetzung der (weiteren) Inanspruchnahme der Selbstbefreiung begreift, würde damit einen Verstoß gegen die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie darstellen. Die Überprüfungsentscheidung ist somit eine reine Folgepflicht der Selbstbefreiung und nicht Voraussetzung für deren (weitere) Inanspruchnahme.
Rn 179, der eine Überwachung nur verlangt, wenn relevante Veränderungen des Sachverhalts realistischerweise erwartet werden müssen. 640 Wendel, CCZ 2008, 41 (48); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 179. 641 Siehe auch BaFin, Emittentenleitfaden, S. 75. 642 Begründung WpAIV, S. 9.
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3. Vorhalten der Ad-hoc-Mitteilung Nach § 7 Nr. 2 WpAIV ist der Emittent verpflichtet, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass er die Information unverzüglich bekannt geben kann, wenn die Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht mehr gewährleistet ist. Es ist bereits gezeigt worden, dass diese Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut keine Voraussetzung der Gewährleistung der Vertraulichkeit ist.643 Die entsprechende Regelung in § 7 Nr. 2 WpAIV läuft dennoch nicht leer. Vielmehr handelt es sich um eine Folgepflicht der Selbstbefreiung. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Emittent sich auf einen Bruch der Vertraulichkeit vorbereiten muss. Gerade wenn die Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht mehr gewährleistet ist, besteht für die Veröffentlichung der Information eine besondere Eilbedürftigkeit, da in diesem Fall eine besonders große Gefahr von Insiderhandel besteht. Aber auch aufgrund des möglichen Wegfalls der sonstigen Befreiungsvoraussetzungen, ist die dann abzusetzende Ad-hoc-Mitteilung jederzeit und mit aktuellem Inhalt vorzuhalten. Dies ergibt sich gerade daraus, dass die Nachholung der Mitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG unverzüglich zu erfolgen hat.644 4. Pflichten nach Wegfall der Selbstbefreiungsvoraussetzungen Mit Wegfall der Voraussetzungen der Selbstbefreiung lebt die Ad-hoc-Publizitätspflicht wieder auf. Überdies hat der Emittent bezüglich der Selbstbefreiung eine Mitteilungspflicht gegenüber der BaFin. a) Wiederaufleben der Ad-hoc-Publizitätspflicht Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG muss der Emittent die Veröffentlichung der Insiderinformation unverzüglich nachholen, wenn er bei einer seiner fortlaufenden Prüfungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht mehr gegeben sind. (1) Mitteilungspflicht bei Wegfall der Insiderinformation? Fraglich ist, ob die Pflicht, die Ad-hoc-Mitteilung nach Ablauf der Selbstbefreiung zu veröffentlichen, auch dann gegeben ist, wenn bei Wegfall der Selbstbefreiungsvoraussetzungen zeitgleich die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht wegfallen. Beispielsweise kann sich die veröffentlichungspflichtige Information während des Befreiungszeitraums erledigen, wenn eine angestrebte Unternehmensübernahme mangels Einigung der Verhandlungspartner scheitert. 643 644
Zum ganzen Kap. E.II.2. Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 189.
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Das Gesetz regelt die Frage, was in diesem Fall zu geschehen hat, nicht ausdrücklich. Einige Stimmen im Schrifttum befürworten, dass am Ende der Selbstbefreiung auf jeden Fall eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen sei.645 Zur Begründung wird angeführt, dass die Regelung zur nachträglichen Mitteilung in § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG nicht zwischen nachträglich weggefallener Insiderinformationen und solchen Insiderinformationen, die noch aktuell sind, unterscheide.646 Indem der Begriff „Nachholen“ verwendet wird, scheint es für das Entstehen der nachträglichen Veröffentlichungspflicht in der Tat allein auf die Rechts- und Informationslage in dem Moment der Vornahme der Selbstbefreiung anzukommen. Bei Vornahme der Selbstbefreiung aber lag eine Insiderinformation und damit grundsätzlich eine Veröffentlichungspflicht vor. Für die Verpflichtung des Emittenten, auch erledigte Insiderinformation zu veröffentlichen, ließe sich des Weiteren anführen, dass der Emittent nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie von der Veröffentlichungspflicht nicht, wie der deutsche Gesetzgeber formuliert, „befreit“ ist, sondern die Veröffentlichung lediglich „aufschieben“ darf. Zum Teil wird auch angeführt, dass der Kapitalmarkt weiterhin ein Interesse an der Information habe.647Vereinzelt wird auch gefordert, dass das Scheitern einer Unternehmensübernahme nur dann nicht nachträglich zu veröffentlichen ist, wenn die Nichtveröffentlichung die Voraussetzungen der Selbstbefreiung erfülle.648 Die herrschende Meinung lehnt eine Mitteilungspflicht im Fall des zwischenzeitlichen Wegfalls der Insiderinformation jedoch ab.649 Angesichts der zumindest missverständlichen Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 2 WpHG kann allerdings nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Nichtveröffentlichung von Insiderinformationen in Kauf genommen hat.650 Zum Teil wird im Schrifttum darauf verwiesen, dass kein Veröffentlichungsinteresse mehr
645 Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2220), der anscheinend davon ausgeht, dass sich Insiderinformationen nicht erledigen können, und Büche, S. 211, demzufolge der ursprüngliche Sachverhalt nach Ende der Selbstbefreiung zusammen mit der Korrektur aufgrund der nachträglichen Entwicklungen in einer einzigen Veröffentlichung mitzuteilen sei. 646 Büche, S. 211. 647 Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2219) für Sanierungsverhandlungen und Verhandlungen zu Unternehmensübernahmen. 648 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (612). 649 BaFin, Emittentenleitfaden S. 65; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 173; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 187; Geibel/Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 WpBHG Rn 139; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 400; S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899); Schwintek, S. 35; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (238); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1907); Veith, NZG 2005, 254 (258); auch CESR, Zweiter Leitfaden, S. 10 Rn 2.11 wo die Verhaltenspflichten „in the period between inside information arising and the time when it is disclosed or its ceasing to be inside information“ erörtert werden; zweifelnd Koch, DB 2005, 267 (273); Kuthe, ZIP 2004, 883 (886). 650 So aber BaFin, Emittentenleitfaden, S. 65.
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bestehe.651 Auch wird vertreten, dass § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG lediglich eine redaktionell missglückte Klarstellung sei.652 Der herrschenden Meinung ist zuzustimmen. Neben den vorgenanten Argumenten ist zusätzlich darauf zu verweisen, dass in Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie keine eigenständige Pflicht zur Nachholung der Ad-hoc-Mitteilung vorgesehen ist. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht kann sich zu diesem Zeitpunkt somit nur aus Art. 6 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie ergeben. Liegt bei Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen keine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation mehr vor, sind die Voraussetzungen der Veröffentlichungspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie jedoch nicht gegeben. Da Art. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformation abschließend regelt,653 ist § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG somit richtlinienkonform einschränkend als Rechtsgrundverweisung auf § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG auszulegen.654 Diese Auslegung ist auch mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar, da es sich um eine für den Emittenten günstige, seine Pflichten beschränkende Auslegung handelt.655 Überdies ist die Nichtveröffentlichung von gescheiterten Übernahmeverhandlungen regelmäßig auch dann zulässig, wenn der Emittent im Hinblick auf das Scheitern der Gespräche nicht die Voraussetzungen der Selbstbefreiung erfüllen kann. Die Prämisse der gegenteiligen Ansicht, nämlich, dass das Scheitern von Übernahmegesprächen für sich eine Insiderinformation und damit veröffentlichungspflichtig ist,656 trifft nur in Ausnahmefällen zu. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass das gescheiterte Übernahmevorhaben den Kurs des vom Emittenten herausgegebenen Finanzinstrumente nicht beeinflussen kann, da die geplante Transaktion entsprechend den Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG vertraulich geblieben ist. Wenn aber eine geplante Unternehmensübernahme vertraulich geblieben ist, kann deren Scheitern den Kurs des Emittenten nicht beeinflussen. (2) Inhalt der Mitteilung Der Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung wird auch für Ad-hoc-Mitteilungen, die am Ende einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG nachgeholt werden, von § 4 Abs. 1 WpAIV vorgegeben. Danach hat die Mitteilung vor allem die zu veröffentlichende Insiderinformation zu enthalten. Ggf. muss die Mitteilung zu-
651
Veith, NZG 2005, 254 (258); Simon, Der Konzern 2005, 13 (22). Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 187 mit Verweis auf Rn 183. 653 Dazu Kap. B.V.2. 654 So auch Simon, Der Konzern 2005, 13 (22). 655 Zweifel daran bei Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 186. 656 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (612); in die Richtung auch Tollkühn, ZIP 2004, 2219 (2220). 652
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sätzlich erläutern, warum die Information den Emittenten unmittelbar betrifft und warum die Information geeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis des in Frage kommenden Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Fraglich ist, ob der Emittent nach Ende der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG die ursprüngliche Insiderinformation oder den aktuellen Stand der Dinge mitzuteilen hat. Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Jedoch spricht der Wortlaut von § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG („nachholen“) dafür, dass die ursprüngliche Insiderinformation zu veröffentlichen ist. Wenn sich der Sachverhalt im Laufe des Befreiungszeitraums verändert, hat der Kapitalmarkt allerdings kein Interesse mehr an dem ursprünglichen, sondern nur an dem aktuellen Sachverhalt.657 Das spricht für die Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung auf dem neuesten Stand. Für die Mitteilung einer gegenwärtigen Ad-hocMitteilung spricht des Weiteren, dass der Emittent andernfalls, d.h. bei Mitteilung des alten Sachstands, parallel eine Aktualisierungsmitteilung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG veröffentlichen müsste. Das würde allenfalls zur Verwirrung der Kapitalmarktteilnehmer und schlimmstenfalls zu einer unbeabsichtigten Irreführung der Kapitalmarktteilnehmer führen.658 Aus diesen Gründen ist in der „nachgeholten“ Mitteilung der aktuelle Sachstand zu veröffentlichen.659 (3) Zeitpunkt der Veröffentlichung Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG ist die Veröffentlichung nach Wegfall der Selbstbefreiungsvoraussetzungen unverzüglich nachzuholen. Unverzüglich bedeutet auch in diesem Zusammenhang „ohne schuldhaftes Zögern“. Ähnlich wie bei der Veröffentlichung einer Insiderinformation unmittelbar nach ihrem Entstehen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG660 ist dem Emittenten auch bei der Veröffentlichung nach dem Wegfall der Voraussetzungen der Selbstbefreiung noch Überlegungszeit zuzugestehen. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Emittent während der Selbstbefreiung zur fortlaufenden Prüfung der Selbstbefreiungsvoraussetzungen verpflichtet ist. Da der Emittent im Befreiungszeitraum zudem jederzeit eine aktuelle Fassung der Ad-hoc-Mitteilung vorhalten muss, fällt die dem Emittenten zuzugestehende Überlegungszeit kürzer aus als die Überlegungszeit, die für den Emittenten unmittelbar nach Entstehen der Veröffentlichungspflicht besteht. 657 Simon, Der Konzern 2005, 13 (22); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 185. 658 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 172. 659 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 65; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 172, Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (612); Veith, NZG 2005, 254 (258); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1907); anders Tollkühn, ZIP 2004, 2219 (2220) und Büche, S. 211, die fordern, dass der Emittent zusammen mit dem aktuellen Sachstand auch die ursprüngliche Insiderinformation veröffentlichen soll. 660 Siehe dazu Kap. C.IV.
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Nicht selten dürfte unverzüglich im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG nichts anderes als „sofort“ bedeuten.661 (4) Der Veröffentlichungsweg Für den Veröffentlichungsweg der Ad-hoc-Mitteilung nach Ende einer Selbstbefreiung gelten keine Besonderheiten im Vergleich zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung ohne vorhergehende Selbstbefreiung. Wie eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen ist, hat der Gesetzgeber im TUG neu geregelt.662 Die Ad-hoc-Mitteilung ist nach § 3a Abs. 1 WpAIV zur Veröffentlichung „Medien“ zuzuleiten. § 3a Abs. 2 WpAIV enthält detaillierte Bestimmungen dazu, was mit Medien gemeint ist. Der Emittent muss gewährleisten, dass die Medien, denen die Information zugeleitet wird, im Stande sind, die Information in der gesamten Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu verbreiten. Zu den in § 3 WpAIV erwähnten Medien zählen nach Ansicht des Gesetzgeber weiterhin News Provider, Nachrichtenagenturen, die jeweils wichtigsten Printmedien auf nationaler und europäischer Ebene sowie entsprechende Internetseiten für den Finanzmarkt.663 Für die angesprochenen Medien besteht freilich keine Pflicht, die Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Nach Ansicht des Gesetzgebers sollen die Marktkräfte und damit die Medien selbst entscheiden, ob die Insiderinformation von ihnen verbreitet wird.664 Für den Emittenten ergeben sich hieraus keine Nachteile, da er seiner Veröffentlichungspflicht mit der Übermittlung der Information an die besagten Medien nachgekommen ist. In § 5 Nr. 1 WpAIV sind zwei weitere Mindestanforderungen hinsichtlich der Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung geregelt. Die Mitteilung muss demnach mindestens an ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem übermittelt werden, das bei Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und anderen Unternehmen weit verbreitet ist, die ihren Sitz im Inland haben und an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind. Als Selbstverständlichkeit erscheint die Anforderung, die § 5 Nr. 2 WpAIV an den Emittenten stellt. Danach hat er dafür zu sorgen, sofern er über eine Adresse im Internet verfügt, dass die Veröffentlichung unter dieser Adresse für die Dauer von mindestens einem Monat verfügbar ist. Die Hauptseite des Emittenten hat einen deutlich erkennbaren Hinweis auf eine Seite mit Informationen für Anleger zu enthalten, unter der die Veröffentlichung leicht auffindbar sein muss.
661 S. H. Schneider, BB 2005, 897 (901); ähnlich Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 188. 662 Dazu Nießen, NZG 2007, 41 (46). 663 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 116. 664 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 65.
I. Rechtsfolgen der rechtmäßigen Selbstbefreiung
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Der Emittent ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG (zweiter Halbsatz) zudem verpflichtet, die Mitteilung „unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln.“ Die soeben dargestellten Vorschriften des WpHG und des WpAIV über die Veröffentlichung regeln lediglich den Minimalstandard für die Veröffentlichung. Nach Ansicht der BaFin kann, abhängig vom Einzelfall, z. B. aufgrund der Aktionärsstruktur oder von Anzahl und Ort der Notierungen des Emittenten, die Veröffentlichung über weit mehr, insbesondere internationale Kanäle erforderlich werden.665 Die Vorgaben von § 5 WpAIV können durch Einsatz von zusätzlichen Veröffentlichungskanälen aber nicht ersetzt werden. Für die technische Abwicklung der Mitteilung schalten die Emittenten spezialisierte Unternehmen ein, welche die Einhaltung der zuvor aufgeführten Veröffentlichungswege gewährleisten.666 Diese Praxis hat der Gesetzgeber in § 3a Abs. 4 WpAIV ausdrücklich gebilligt, nicht ohne jedoch deutlich zu machen, dass die Außenverantwortung für die Mitteilung beim Emittenten verbleibt. b) Vorabmitteilungspflichten gegenüber der BaFin und der Börse Neben der Pflicht zum Nachholen der eigentlichen Veröffentlichung gelten nach § 15 Abs. 3 Satz 3 WpHG auch die Mitteilungspflichten aus § 15 Abs. 4 WpHG entsprechend. Der Emittent ist daher gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG verpflichtet, die Ad-hoc-Mitteilung zunächst als Vorabmitteilung der Geschäftsführung der jeweiligen Börse, an der die von ihm emittierten Finanzinstrumente oder Derivate gehandelt werden, und der BaFin mitzuteilen. Die Vorabmitteilung an die Börse dient nach § 15 Abs. 4 Satz 3 WpHG ausschließlich dazu, der Börse die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob die Ermittlung des Börsenpreises aufgrund des in der Veröffentlichung enthaltenen Sachverhalts nach § 25 BörsG auszusetzen oder einzustellen ist.667 Ergänzend zum Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung hat die Mitteilung an die BaFin auch die Gründe der Selbstbefreiung und eine Angabe über den Zeitpunkt der Entscheidung über die Befreiung zu enthalten (§ 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG). § 8 Abs. 5 Nr. 2 lit. b) WpAIV verpflichtet den Emittenten zur Mitteilung der Vor665 BaFin Merkblatt – Hinweise zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gem. §§ 21 ff. WpHG vom 6. Februar 2007, unter http://www.bafin.de/cln_161/nn_ 721290/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Merkblaetter/mb__070206__21ff wpgh.html?__nnn=true, abgerufen am 13. Mai 2010. 666 Große Anbieter sind z. B. Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität mbH (www.dgap.de); news aktuell GmbH (www.euroadhoc.de); directnews AG – Hugin (www.hugin.de). 667 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 73; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 254; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 206.
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F. Rechtsfolgen der Selbstbefreiung
und Familiennamen sowie der Geschäftsanschriften und Rufnummern aller Personen, die an der Entscheidung über die Befreiung beteiligt waren. Damit wird die Überprüfbarkeit der Selbstbefreiung durch die BaFin gewährleistet.668 Wenn die Insiderinformation sich erledigt hat, entfällt auch die Pflicht zur Mitteilung der Befreiungsgründe gegenüber der BaFin.669 Der genaue Zeitabstand zwischen Vorabmitteilung und der eigentlichen Adhoc-Mitteilung ist vom Gesetzgeber nicht vorgegeben. Nach herrschender Meinung soll dieser Zeitraum 30 Minuten betragen, um die Prüfung der Kursaussetzung durch die Börse zu ermöglichen.670 Dagegen ist im Schrifttum vereinzelt eingewandt worden, dass in § 15 Abs. 4 WpHG keine solche Frist vorgesehen sei.671 Jedoch ist in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG ausdrücklich geregelt, dass die Mitteilung an BaFin und Geschäftsführung der Börse vor der Veröffentlichung zu erfolgen hat. Das setzt zwingend voraus, dass zwischen der Mitteilung an die BaFin und an die Börse ein gewisser Zeitabstand zu liegen hat. Darüber hinaus ist die Frist von 30 Minuten keine starre Grenze. Wenn im Einzelfall besondere Gesichtspunkte dafür sprechen, die Mitteilung schneller abzusetzen, kann dies nach Absprache mit der Heimatbörse des Emittenten geschehen.672 c) Nachträgliche Mitteilungspflichten gegenüber BaFin und Börse Der Inlandsemittent hat die Ad-hoc-Mitteilung gleichzeitig mit ihrer Veröffentlichung der Geschäftsführung der in § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 WpHG erfassten organisierten Märkte und der Bundesanstalt mitzuteilen. Die Vorschrift wurde durch das TUG neu gefasst.673 Die Forderung der gleichzeitigen Mitteilung ist in diesem Zusammenhang nicht zu streng zu verstehen. Wenn die Mitteilungen unmittelbar hintereinander versandt werden, ist dies noch als gleichzeitig zu werten.674
II. Rechtsfolgen der unrechtmäßigen Selbstbefreiung Wenn der Emittent es unterlässt, eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen, obwohl die Voraussetzungen aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gegeben und keine 668
RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 176; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 193; Fischer zu Cramburg/Royé in: Heidel, § 15 WpHG Rn 17; S. H. Schneider, BB 2005, 898 (901). 670 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 73; Veith, NZG 2005, 254 (259). 671 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 206. 672 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 73. 673 Dazu RegE TUG BT-Drucks. 16/2498, S. 33; zum missglückten Wortlaut der Vorgängernorm Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 206. 674 RegE TUG BT-Drucks. 16/2498, S. 33. 669
II. Rechtsfolgen der unrechtmäßigen Selbstbefreiung
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Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG (mehr) möglich ist, kann dies für den Emittenten Rechtsfolgen in zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Hinsicht nach sich ziehen. Zudem droht die Verhängung einer Geldbuße durch die BaFin. 1. Schadenersatzansprüche von Anlegern Anleger, die durch eine unterlassene oder verspätete Ad-hoc-Mitteilung einen Schaden erlitten haben, können vom Emittenten unter bestimmten Voraussetzungen den Ersatz des ihnen daraus entstandenen Schadens verlangen. Für solche Schadensfälle bilden §§ 37b und 37c WpHG die zentralen Anspruchsgrundlagen. Nach § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG können Anleger Schadenersatzansprüche bei Verstößen gegen § 15 Abs. 1 bis 4 WpHG ausschließlich auf diese beiden Normen stützen. Die Regelung von § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG lässt aber die Möglichkeit offen, dass ein Schadenersatzanspruch aus einer anderen Anspruchsgrundlage besteht. Voraussetzung ist dann aber, dass der Emittent neben der Verletzung der Ad-hocPublizitätspflicht mit seinem Verhalten zugleich die Voraussetzungen anderer schadenersatzbegründender Vorschriften erfüllt.675 In Betracht kommt eine Haftung nach §§ 823 Abs. 2 oder 826 BGB. Nur diese Vorschriften ermöglichen neben der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Emittenten grundsätzlich auch direkte Ansprüche der Anleger gegen die handelnden natürlichen Personen. a) Anspruch gegen den Emittenten nach § 37b WpHG Seit Inkrafttreten des 4. FFG sieht das WpHG in §§ 37b und 37c WpHG eigene Schadenersatzansprüche für den Fall der Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht vor. Während in § 37c WpHG der Schadenersatzanspruch für unwahre Ad-hoc-Mitteilungen geregelt ist, beinhaltet § 37b WpHG den Schadenersatzanspruch für verspätete oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen. Eine unwahre Selbstbefreiung führt nicht zu einer falschen, sondern zu einer verspäteten Adhoc-Mitteilung. In diesem Fall kommt somit nur ein Anspruch nach § 37b WpHG in Betracht. (1) Anspruchsgegner In seiner ursprünglichen, durch das 4. FFG geschaffenen Fassung richtete sich der Anspruch nach § 37b Abs. 1 gegen Emittenten von an inländischen Börsen zum Handel zugelassenen Wertpapieren. Der Adressatenkreis des Schadenersatzanspruchs wurde durch das AnSVG unter Berücksichtigung der in diesem Gesetz 675 Dazu auch Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 308 f.; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 439 f.
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enthaltenen Änderungen des Anwendungsbereichs der Ad-hoc-Publizitätspflicht angepasst.676 Anspruchsgegner des Schadenersatzanspruchs aus § 37b Abs. 1 WpHG können Emittenten von zum Handel an einer inländischen Börse zugelassenen Finanzinstrumenten sein. In der Anpassung der Definition des Gegners eines Anspruches nach § 37b Abs. 1 WpHG durch das AnSVG ist aber unberücksichtigt geblieben, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Inkrafttreten des AnSVG bereits gilt, sobald der Emittent den Antrag auf Zulassung zum Handel an der besagten inländischen Börse gestellt hat. Bedenkt man, dass der Gesetzgeber die im AnSVG erfolgte Änderung von § 37b WpHG ausdrücklich mit der Anpassung an den geänderten § 15 WpHG begründet hat, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Redaktionsversehen handelt.677 Da die Nichtberücksichtigung von Emittenten, die erst einen Zulassungsantrag gestellt haben, somit eine planwidrige Regelungslücke darstellt und die Interessenlage vergleichbar ist mit der Interessenlage eines Emittenten, dessen Zulassung zum Handel bereits bewilligt wurde, kann in diesen Fällen § 37b WpHG analog angewandt werden.678 Im Rahmen des Inkrafttretens des TUG ist § 37b WpHG freilich überhaupt nicht angepasst worden. Dafür hätte jedoch Anlass bestanden, denn durch das TUG hat sich der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht erneut geändert.679 Dies manifestiert sich in § 15 Abs. 1 WpHG durch die Anknüpfung an den Begriff Inlandsemittent, welcher in § 2 Abs. 7 WpHG ausführlich definiert ist. Daraus folgt, dass weitere Fälle denkbar sind, in denen der persönliche Anwendungsbereich von § 37b WpHG nach dessen Wortlaut nicht mit dem Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG übereinstimmt. Da der Gesetzgeber § 37b WpHG im Gesetzgebungsverfahren zum TUG überhaupt nicht erwähnt hat, ist anzunehmen, dass die notwendige Anpassung übersehen wurde. Da somit erneut von einem Versehen des Gesetzgebers ausgegangen werden kann, kommt auch in dem Fall, in dem es um die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen einen Inlandsemittenten geht, für den die Ad-hoc-Publizitätspflicht vor Inkrafttreten des TUG nicht galt, eine analoge Anwendung von § 37b WpHG in Betracht.
676
RegE AnSVG BT-Drucks. 15/2498, S. 40. Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, § 37b, 37c Rn 39; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37, 37c Rn 91; Jungmichel, S. 60. 678 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37, 37c Rn 91; Jungmichel, S. 60; im Ergebnis auch Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, § 37b, 37c Rn 39, der dieses Ergebnis durch Auslegung gewinnt. 679 Siehe dazu Kap. B.III.6. 677
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(2) Objektiver Tatbestand und objektive Haftungsbedingungen Der objektive Tatbestand von § 37b WpHG setzt voraus, dass eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation vorlag und der Emittent diese nicht unverzüglich veröffentlicht hat. Weiterhin muss der Anspruchssteller nach § 37b Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG anspruchsberechtigt sein. Er darf zudem keine Vorabkenntnis von der Insiderinformation haben. (a) Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG Zunächst muss eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation vorgelegen haben. Ohne die Vorschrift ausdrücklich zu nennen, knüpft § 37b Abs. 1 WpHG somit an die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG an. Insofern kann auf die Ausführungen zum Entstehen der Ad-hocPublizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG verwiesen werden.680 (b) Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung Der Schadenersatzanspruch nach § 37b Abs. 1 WpHG setzt weiter voraus, dass der Emittent die unverzügliche Veröffentlichung der Insiderinformation unterlassen hat. Das Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung ist in zwei Varianten denkbar: Einerseits sind damit Fälle gemeint, in denen der Emittent überhaupt keine Ad-hoc-Mitteilung publiziert hat. Zum anderen sind unter das Merkmal auch Fälle einzuordnen, in denen die Miteilung nicht unverzüglich nach Eintritt der Insiderinformation erfolgte.681 Damit sind auch verspätete Adhoc-Mitteilungen geeignet, den Schadenersatzanspruch zu begründen.682 Gleiches gilt für eine Veröffentlichung der Information, die gegen das in der WpAIV vorgesehene Veröffentlichungsverfahren verstößt.683 Das Vorliegen einer berechtigten Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG schließt die Haftung nach § 37b WpHG für das Unterlassen der Veröffentlichung in dem Zeitraum aus, in dem die Voraussetzungen der Selbstbefreiung gegeben sind.684 Die Haftung nach § 37b WpHG kann insbesondere relevant werden, wenn der Emittent eine ihn betreffende Insiderinformation – gestützt auf die Selbstbefrei680
Siehe dazu insgesamt Kap. C. RegE 4. FFG BT-Drucks. 14/8017 S. 93. 682 RegE 4. FFG BT-Drucks. 14/8017 S. 93; Sethe in: Assmann/Schneider, §§ 37b, 37c Rn 43c und 45; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 106. 683 Sethe in: Assmann/Schneider, §§ 37b, 37c Rn 43e; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 108. 684 Dazu Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 54; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 104; Jungmichel, S. 135; Nietsch BB 2005, 785 (786); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1908); S. H. Schneider, BB 2005, 897 (902); U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (56). 681
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ung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG – nicht veröffentlicht hat, obwohl die Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG nicht vorlagen. Einerseits könnte ein Fall der verspäteten Mitteilung vorliegen, sofern die Mitteilung am Ende des nur vermeintlichen oder zu langen Befreiungszeitraums vorgenommen wird oder wenn das Ende einer berechtigten Selbstbefreiung verspätet erkannt wird und die betreffende Ad-hoc-Mitteilung nicht mehr unverzüglich veröffentlicht werden kann. Daneben kann auch die Haftung wegen vollständig unterlassener Mitteilung einschlägig sein. Im Zusammenhang mit der Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 3 WpHG kommt dies in Betracht, wenn die Mitteilung vollständig unterbleibt, weil sich die Insiderinformation nach Ende der fehlerhaften Selbstbefreiung erledigt hat.685 (c) Anspruchsberechtigte Anleger § 37b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG beschränken den Kreis der anspruchsberechtigten Anleger. Nach § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG gehören zum Kreis der Anspruchsinhaber Personen, die das Finanzinstrument nach einer unterlassenen Veröffentlichung erworben haben und bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber des Finanzinstruments sind. In solchen Fällen kann dem Dritten wegen verspäteter Veröffentlichung dann ein Schaden entstehen, wenn die verspätet oder überhaupt nicht im Wege der Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichte Insiderinformation negativer Natur war.686 Wäre die Information bereits vor Erwerb bekannt gewesen, hätte der Anspruchsinhaber weniger für den Kauf des Finanzinstruments zahlen müssen oder hätte auf den Kauf womöglich insgesamt verzichtet. Ebenfalls anspruchsberechtigt kann gemäß § 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG sein, wer die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation erwirbt und veräußert, bevor der Emittent die unterlassene Veröffentlichung nachgeholt hat. In diesen Fällen ist ein Schaden aber nur denkbar, wenn es sich um eine positive Insiderinformation handelt, da der Dritte hier vor der Veröffentlichung zu „billig“ verkauft haben könnte.687 Problematisch an § 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist, dass nach dem Wortlaut der Norm kein Schadenersatzanspruch besteht, wenn der Erwerb in die Phase der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG fällt. Die Insiderinformation hat in dieser Konstellation nämlich lange vor dem Erwerb des Finanzinstruments bestanden.688 Jedoch können auch diejenigen Anleger, die das 685 Zu bedenken ist, dass der Anspruchsteller in diesem Fall aber keinem ersatzfähigen Schaden darlegen können wird. 686 RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 93; Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 44; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 194. 687 RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 93; Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 50; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 219. 688 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 224.
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Finanzinstrument während der Selbstbefreiung erwerben und wieder veräußern „zu billig“ veräußern.689 Nach Sinn und Zweck von § 37b WpHG ist daher auf das Entstehen der Veröffentlichungspflicht, ggf. unter Berücksichtigung der Möglichkeit zur Selbstbefreiung, und nicht allein auf das Entstehen der den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformation abzustellen.690 Sowohl im Fall von § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG als auch im Fall von § 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist mit dem Begriff Erwerb jeder entgeltliche Vertrag gemeint. Der maßgebliche Erwerbszeitpunkt ist der Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts, da mit diesem bereits der für den Schaden maßgebliche Kauf- bzw. Verkaufspreis vereinbart wird.691 Aus dem gleichen Grund ist für die Feststellung der Inhaberschaft im Sinne von § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG und den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG ebenfalls der Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäft entscheidend.692 (3) Keine Kenntnis von der Insiderinformation Der Schadenersatzanspruch besteht nach § 37b Abs. 3 WpHG nicht, wenn der Anspruchsteller im Falle des § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG zum Zeitpunkt des Erwerb des Finanzinstrumentes und im Falle des § 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG im Zeitpunkt der Veräußerung keine Kenntnis von der Insiderinformation hatte. Die Regelung ist ein gesetzlich abschließend normierter Fall des Mitverschuldens.693 Aus dem abschließenden Charakter von § 37b Abs. 3 WpHG folgt, dass dem Anspruch nicht entgegensteht, wenn der Anspruchsteller aufgrund grob fahrlässige Unkenntnis keine Kenntnis von der Information hatte.694 (4) Rechtswidrigkeit Wie bei jeder deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlage695 muss das tatbestandsmäßige Verhalten auch im Falle der Haftung nach § 37b WpHG rechtswidrig sein. Die Rechtswidrigkeit entfällt nur, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen, 689
RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 93. So auch Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 224; a. A. Fuchs in: Fuchs, §§ 37b, 37c Rn 20, der eine Haftung in diesem Fall nur für de lege ferenda wünschenswert hält. 691 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 47, 52; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 196. 692 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 203. 693 RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 94. 694 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 86; Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rn 77; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 255; Jungmichel, S. 181. 695 Zum Streit über die Einordnung von § 37b WpHG als deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage und zur Gegenauffassung, die § 37b WpHG als Vertrauenshaftung 690
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was jedoch kaum denkbar erscheint.696 Eine rechtmäßige Selbstbefreiung ist kein deliktsrechtlicher Rechtfertigungsgrund, sondern lässt bereits den Tatbestand von § 37b WpHG entfallen.697 (5) Verschulden Weitere Voraussetzung für die Haftung des Emittenten nach § 37b WpHG ist, dass der Emittent die Information schuldhaft nicht oder nur verspätet veröffentlicht hat. (a) Verschuldensmaßstab und Beweislastverteilung In § 37b Abs. 2 WpHG ist geregelt, dass nicht in Anspruch genommen werden kann, wer nachweist, dass die unterlassene oder verspätete Veröffentlichung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. Die negative Formulierung von § 37b Abs. 2 WpHG und die Herauslösung des Aspekts des Verschuldens in einen eigenen Absatz bezwecken hinsichtlich dieser Frage eine Beweislastumkehr. Somit obliegt es nicht dem geschädigten Anleger, sondern dem Inlandsemittenten zu beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig handelte. Die Regelung entspricht allgemeinen Grundsätzen, wonach die Beweislast anhand der von den Beteiligten jeweils beherrschten Verantwortlichkeitsbereichen zu verteilen ist.698 Die für das Verschulden maßgeblichen Umstände liegen ausschließlich in der für Anleger als Außenstehende nicht einsehbaren Innensphäre des Emittenten, was den Verschuldensnachweis für den Anleger unmöglich machen würde.699 Die Wirkung dieser Beweisregel wird dadurch abgemildert, dass der Emittent nach § 37b Abs. 2 WpHG nur für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit haftet. Die Ausklammerung einfacher Fahrlässigkeit wird zum einen mit dem Zeitdruck gerechtfertigt, der mit der Einhaltung der Ad-hoc-Publizitätspflicht verbunden ist. Zum anderen wird als Motiv die Gleichstellung mit dem Sorgfaltsmaßstab aus verwandten kapitalmarktrechtlichen Haftungsvorschriften angeführt.700
einordnen will, vgl. Jungmichel, S. 55; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, Rn 12 ff. 696 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 147. 697 Jungmichel, S. 135; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 104. 698 RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 93. 699 Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471 (1474). 700 Vgl. Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37, 37c Rn 62, der auf § 45 BörsG, § 12 Abs. 2 WpüG, § 127 Abs. 3 InvG verweist.
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(b) Verschuldenszurechnung Da der Emittent als juristische Person nicht handlungsfähig ist und sich nicht schuldhaft verhalten kann, bedarf es einer Zurechnung des Verschuldens der für den Emittenten handelnden Personen und somit einer entsprechenden Zurechnungsnorm. Wie bei anderen deliktrechtlichen Haftungstatbeständen auch wird das Verschulden von Organmitgliedern dem Emittenten nach § 31 BGB zugerechnet.701 Umstritten ist, ob und wie dem Emittenten ein Verschulden von Angestellten und externen Beratern zuzurechnen ist. Nach einer Ansicht findet für diese § 278 BGB Anwendung.702 Zur Begründung wird von den Vertretern dieser Ansicht darauf verwiesen, dass § 37b WpHG ein Vertrauenshaftungstatbestand sei. Wie bereits dargelegt, ist dieser Ausgangspunkt indes nicht zutreffend. Die Regelung in § 37b WpHG begründet eine deliktsrechtliche Haftung. Daher ist die Anwendung von § 278 BGB mit der Gegenansicht abzulehnen.703 Aus der Nichtanwendung von § 278 BGB folgen auch keine unbilligen Haftungslücken, wie eine Stimme im Schrifttum befürchtet.704 Zu folgen ist daher der herrschenden Ansicht, die dem Emittenten lediglich das Verschulden seiner Organmitglieder nach § 31 BGB zugerechnet.705 Ein Verschulden der Organmitglieder, das dem Inlandsemittenten nach § 31 BGB zuzurechnen wäre, kann sich nicht nur aus fehlerhaftem persönlichen Verhalten, sondern auch aus Mängeln der innerbetrieblichen Organisation ergeben.706 So kann zwar nicht das schuldhafte Verhalten von Angestellten und externen Beratern selbst, wohl aber deren fehlerhafte Auswahl und mangelnde Überwachung zu einem dem Emittenten zuzurechnenden Verschulden führen. Auch ist zu beachten, dass dem Inlandsemittenten nach § 31 BGB nicht nur das Verschulden der Organmitglieder, sondern nach allgemeiner Meinung auch das Verschulden seiner leitenden Angestellten zugerechnet wird.707 Denkbar wäre demnach, je nach individueller Ausgestaltung der Zuständigkeit, die Zurechnung des eigenen Ver-
701 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37, 37c Rn 63a; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 147; Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 58. 702 Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 58; ohne Begründung und obwohl er § 37b WpHG für einen Deliktstatbestand hält auch für die Anwendung von § 278 BGB Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37, 37c Rn 63a. 703 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 147 f.; Jungmichel, S. 179. 704 Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 58. 705 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 158; Fuchs in: Fuchs, §§ 37b, 37c Rn 37. 706 Zu den körperschaftlichen Organisationspflichten und dem Verhältnis zu § 831 BGB vgl. Wagner in: MüKo BGB, § 823 Rn 372 ff. 707 Vgl. dazu Reuter in: MüKo BGB, § 31 Rn 20; Hadding in: Soergel BGB, § 31 Rn 10.
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schuldens eines nicht zum Vorstand gehörenden Compliance-Beauftragten, der die Spitze der Compliance-Abteilung eines Emittenten leitet.708 (c) Verschulden bei unzulässiger Selbstbefreiung Im Zusammenhang mit der Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG kann sich das Verschulden des Emittenten aus einer falschen Einschätzung des Sachverhalts oder der falschen Bewertung der Rechtslage bei Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen ergeben. Nach der allgemein anerkannten Formel handelt der Emittent grob fahrlässig, wenn unbeachtet geblieben ist, was in der konkreten Situation jedem hätte einleuchten müssen.709 Schwierigkeiten wird die Feststellung grober Fahrlässigkeit in diesem Bereich vor allem deswegen bereiten, weil davon ausgegangen werden kann, dass das Verschulden im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG hauptsächlich an der falschen Einschätzung der Rechtslage anknüpfen wird. Die Erlangung der Kenntnis über die maßgeblichen tatsächlichen Umstände wird dem Emittenten nur in seltenen Ausnahmefällen Schwierigkeiten bereiten. Wann ein grob fahrlässiger Rechtsirrtum vorliegt, ist bisher weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum vertieft erörtert worden.710 Die zitierte allgemeine Formel kann in diesem Zusammenhang nicht wirklich weiter helfen. Bei der Prüfung der Frage, ob der Emittent grob fahrlässig gehandelt hat, können jedenfalls die folgenden Aspekte eine Rolle spielen: Der Emittent ist gefordert, die Befreiung so zu organisieren, dass die für die Selbstbefreiung zuständigen Organe – falls keine eigene Fachkunde nachgewiesen werden kann – fachkundigen Rat einholen.711 Soweit die entsprechende Fachkunde vorliegt, macht es keinen Unterschied, ob die Rechtsposition von externen Beratern oder internem fachkundigen Personal geprüft wird.712 Von grober Fahrlässigkeit ist weiter auszugehen, wenn der Emittent keine explizite Entscheidung über die Selbstbefreiung getroffen hat.713 Nur die Entscheidung über die Selbstbefreiung stellt sicher, dass überhaupt eine Beschäftigung mit der Rechtslage im konkreten Fall erfolgt. Wenn der Emittent in Vorbereitung der Entscheidung über die Selbstbe708
Beispiel zur Organisation eines Compliance Teams bei Wendel, CCZ 2008, 41
(47). 709 Zu den verschiedenen, inhaltlich wenig unterschiedlichen Formulierungen Löwisch in: Staudinger BGB, § 276 Rn 93; Grundmann in: MüKo BGB, § 276 Rn 94. 710 Dazu Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 176. 711 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 177. 712 Nietsch BB 2005, 785 (789). 713 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 174; zum Streit, ob es sich bei der Entscheidung um eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung handelt, siehe Kap. E.IV.
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freiung prüft, ob die Voraussetzungen der Selbstbefreiung vorliegen, hat er die in Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum vertretenen Ansichten zu berücksichtigen. Widerspricht eine in diesen Kreisen vertretene Ansicht der Zulässigkeit der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG im konkreten Fall, muss der Emittent sich bei der Entscheidungsfindung mit dieser Ansicht auseinandersetzen. Die Entscheidung hat nachvollziehbare Gründe aufzuzeigen, aus denen der Emittent, ggf. trotz Existenz einer anderen Ansicht, dennoch auf die Zulässigkeit der Selbstbefreiung hat schließen dürfen. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass grobe Fahrlässigkeit vorliege, wenn eine Rechtsauffassung vertreten wird, die mit den Normkonkretisierungen aus Art. 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie und § 6 WpAIV nicht zu vereinbaren sei.714 Dieser Maßstab ist aber wenig praktikabel, da die erwähnten Normkonkretisierungen selbst mit unbestimmten Rechtsbegriffen gespickt und daher kaum Fälle denkbar sind, in denen der Verstoß gegen diese Regeln evident ist. Zudem handelt es sich bei den Fällen von § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAIV zwar um Regelbeispiele, die einen Maßstab für das Vorliegen des berechtigten Interesses setzen.715 Jedoch können berechtigte Interessen auch in gänzlich anders gelagerten Fällen vorliegen, da § 15 Abs. 3 WpHG keine eng auszulegende Ausnahmevorschrift ist.716 Unzureichend für eine Exkulpation des Emittenten wäre auch ein pauschaler Verweis auf eine etwaige herrschende Auffassung des Schrifttums oder auf die Auffassung des Emittentenleitfadens, soweit sie eine Selbstbefreiungsmöglichkeit bejahen, denn eine pauschale, nicht auf den Einzelfall eingehende Begründung der Selbstbefreiung ist unzulässig.717 Der Emittent muss in diesem Fall zusätzlich darlegen, dass der im Schrifttum besprochene Fall identisch oder zumindest vergleichbar mit dem vorliegenden Fall der Selbstbefreiung ist.718 (6) Ersatzfähiger Schaden Liegen die Voraussetzungen von § 37b Abs. 1 WpHG vor, richtet sich der Schadensausgleich nach § 249 Abs. 1 BGB.719 Demnach gilt der Grundsatz der
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Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 177. Siehe dazu Kap. D.IV.3. 716 A. A. Nietsch BB 2005, 785 (789), der die Erstreckung auf andere Fallgestaltungen für zwar nicht von vornherein unvertretbar, aber risikobehaftet hält; zum angeblichen Regel-Ausnahmeverhältnis Kap. D.IV.2.a). 717 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 65. 718 Ähnlich Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 177, die eine sorgfältige Prüfung der Rechtslage verlangen. 719 Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rn 86; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 243. 715
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Totalreparation. Der Anleger ist so zu stellen, als ob der Emittent seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte.720 (a) Ersatz auch des Vertragsabschlussschadens? Fraglich ist, von welchem Verhalten des Anlegers auszugehen ist, wenn man zur Schadensberechnung – entsprechend des Grundsatzes der Totalreparation – hypothetisch annimmt, der Emittent habe sich pflichtgemäß verhalten und seine Ad-hoc-Publizitätspflicht ordnungsgemäß erfüllt. Einige Stimmen im Schrifttum gewähren dem Anleger ein Wahlrecht.721 Der Anleger könne entweder geltend machen, er hätte das Geschäft, d.h. den Erwerb oder Verkauf der betreffenden Finanzinstrumente, bei rechtzeitiger Information überhaupt nicht abgeschlossen. Alternativ könne er sich darauf berufen, dass er das Geschäft zwar abgeschlossen hätte, allerdings zu einem anderen, nämlich dem die pflichtwidrig nicht rechtzeitig veröffentlichte Information berücksichtigenden Preis. Mit anderen Worten: Der Anspruch aus § 37b WpHG würde sowohl zum Ersatz des Kursdifferenz- als auch des Vertragsabschlussschadens berechtigen. Als Ersatz des Vertragsabschlussschadens wäre Schadenersatz in Geld durch Ersatz des gezahlten Kaufpreises gegen Rückgewähr der Aktien zu leisten. Dabei handelt es sich entgegen der häufig im Schrifttum verwendeten Formulierung regelmäßig nicht um eine Rückabwicklung,722 denn der Emittent hat zumindest in den meisten Fällen von § 37b WpHG die Aktien gar nicht an den Anleger verkauft. Direkte Kaufverträge zwischen Emittent und Anleger sind nur im Rahmen des Börsengangs, bei Kapitalmaßnahmen oder bei Ankauf und Verkauf eigener Aktien durch den Emittenten denkbar. Nur in diesen Fällen könnte von einer echten Rückabwicklung gesprochen werden. Nach der herrschenden Gegenansicht ist nur der Kursdifferenzschaden nicht aber der Vertragsabschlussschaden zu ersetzen.723 Der Kursdifferenzschaden beinhaltet die Differenz des Kauf- bzw. Verkaufspreises zu einem hypothetischen Kauf- bzw. Verkaufspreis, der zum Zeitpunkt des Erwerbes bzw. Verkaufes existiert hätte, wenn die Insiderinformation schon veröffentlicht und damit eingepreist gewesen wäre. Diese Meinung geht davon aus, dass der Anleger die Trans720
RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 93. So Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 247; Dogan, S. 213; nur in dem Fall, dass die betreffende Tatsache für eine Investitions- oder Desinvestitionsentscheidung wesentlich gewesen wäre, auch Veil, ZHR 167 (2003), 365 (390). 722 So aber z. B. Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rn 87; treffender ist der von Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 243 verwendete Begriff der Totalreparation. 723 Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rn 87; Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 77; Jungmichel S. 162; Fischer zu Cramburg/Royé in: Heidel, § 37b, c Rn 7; Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1635) – letztere auch m.w. N. zur Gegenauffassung. 721
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aktion bei richtigem Publizitätsverhalten des Emittenten doch getätigt hätte, allerdings mit dem Unterschied, dass der Anleger den „richtigen“ Preis bezahlt hätte. Für die herrschende Meinung und gegen den Ersatz des Vertragsabschlussschadens spricht insbesondere die Erwägung, dass der Emittent bei einer völligen „Rückabwicklung“ des Erwerbes bzw. Verkaufes auch das allgemeine Marktrisiko der späteren Kursentwicklung tragen würde.724 (b) Haftungsbegründende Kausalität Die Bedeutung des Streits um die Ersatzfähigkeit des Vertragsabschlussschadens ist allerdings vor dem Hintergrund, dass für jede Form des Schadenersatzes die Voraussetzung der haftungsbegründenden Kausalität gilt, nicht besonders groß einzuschätzen. Die haftungsbegründende Kausalität liegt bei § 37b WpHG nur vor, wenn die unterlassene Ad-hoc-Mitteilung ursächlich für den Schaden war. Für den Ersatz des Vertragsabschlussschadens bedeutet dies, dass die unterlassene bzw. verspätete Veröffentlichung ursächlich für den Kauf bzw. Verkauf des Finanzinstruments gewesen sein muss.725 Selbst wenn man die den Ersatz des Vertragsabschlussschaden befürwortende Meinung zu Grunde legt, würde der Anleger diesen nur ersetzt bekommen, wenn er darlegen und ggf. beweisen kann, dass er vom Kauf bzw. Verkauf des betreffenden Finanzinstruments bei rechtzeitiger Ad-hoc-Mitteilung insgesamt Abstand genommen hätte.726 Angesichts der Tatsache, dass die Haftung nach § 37b WpHG eine verspätete oder vollständig unterlassene Ad-hoc-Mitteilung voraussetzt, ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Anleger eine entsprechende Motivation hatte bzw. dies nachweisen kann. Die von der Rechtsprechung zur Erleichterung des Nachweises der haftungsbegründenden Kausalität unter dem Stichwort „Anlagestimmung“ gewährte Beweiserleichterung spielt in solchen Fällen keine Rolle.727 Die Beweiserleichterung wird ohnehin nur für den Fall erwogen, dass sich aus positiven Signalen einer Ad-hocMitteilung auch eine (regelrechte) Anlagestimmung für den Erwerb von Aktien entwickeln kann.728 Eine Anlagestimmung kommt somit nur in Fällen unwahrer Mitteilungen, für die der Emittent unter anderem nach § 37c WpHG haften kann, in Betracht.729 724 Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rn 87; Jungmichel, S. 167; Fleischer, BB 2004, 2031 (2035); Mülbert/Steup WM 2005, 1633 (1637). 725 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 319. 726 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 333. 727 Vgl. zum Begriff Anlagestimmung BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/ 02 – Infomatec = NJW 2004, 2664 (2667); die Anlagestimmung bejahend z. B.: OLG Frankfurt ZIP 2003, 1090 – Comroad und OLG München ZIP 2005, 1090 (1091) – Comroad. 728 BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 – Infomatec = NJW 2004, 2664 (2667). 729 Fuchs in: Fuchs, §§ 37b, 37c Rn 31.
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Verlangt der Anleger den Ersatz des Kursdifferenzschadens, liegt die haftungsbegründende Kausalität in der Höhe vor, in der der Kurs des betreffenden Finanzinstruments im Falle einer negativen Nachricht zum Zeitpunkt des Kaufs niedriger oder bei positiver Nachricht zum Zeitpunkt des Verkaufs höher gewesen wäre, wenn die Mitteilung rechtzeitig erfolgt wäre.730 Das Zustandekommen von Börsenkursen eines Wertpapiers unterliegt freilich unzähligen verschiedenen Einflussfaktoren, so dass eine isolierte Bewertung der Kursauswirkungen der Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nahezu unmöglich ist.731 Für die Berechnung des Schadens gilt indes die Beweiserleichterung von § 287 ZPO.732 In der Regel wird zu dieser Frage die Einholung eines kursanalytischen Gutachtens erforderlich sein.733 Als Richtgröße kann die Kursveränderung dienen, die beim betreffenden Finanzinstrument unmittelbar nach Bekanntwerden der wahren Sachlage eingetreten ist.734 (c) Haftungsausfüllende Kausalität Die Voraussetzungen der haftungsausfüllenden Kausalität ergeben sich zunächst aus der Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Schadenersatzes nach §§ 249 ff. BGB.735 Insbesondere kann der Emittent sich auch auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen.736 Dieser Einwand greift, wenn der Schaden des Anspruchstellers auch bei ordnungsgemäßem Verhalten eingetreten wäre.737 Im Rahmen der Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht kann rechtmäßiges Alternativverhalten von Bedeutung sein, wenn der Emittent die für die Befreiung erforderliche Entscheidung unterlassen hat. Lagen die übrigen Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG vor, kann vermutet werden, dass der Emittent bei Erkennen der Lage die Entscheidung pro Selbstbefreiung getroffen hätte. In diesem Fall wäre die Ad-hoc-Mitteilung nicht
730 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 356; Jungmichel, S. 173; ähnlich Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 83; Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 77; anderer Ansicht Hutter/Stürwald, NJW 2005; 2428 (2430); Mülbert/Steup, WM 2005, 1633 (1637), die eine übermäßige Häufigkeit von Schadenersatzansprüchen befürchten. 731 Rössner/Bolkart ZIP 2003, 953 (957). 732 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 81; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 356; Kort, NZG 2005, 708; zur Haftung nach § 826 BGB auch BGH, Urteil vom 09. Mai 2005, II ZR 287/02 – EM.TV = NJW 2005. 2450 (2454). 733 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 362. 734 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 79. 735 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 243. 736 So auch OLG Stuttgart, NZG 2009, 624, (635); Gunßer, S. 87. 737 Generell zum Einwand rechtmäßigen Alternativverhalten z. B. Oetker in: MüKo BGB, § 249 Rn 211 ff.
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früher veröffentlicht worden, als es bei dem tatsächlichen Geschehensverlauf der Fall war. (7) Verjährung des Anspruchs Für den Anspruch aus § 37b gilt eine besondere Verjährungsfrist. Nach § 37b Abs. 4 WpHG verjährt der Anspruch in einem Jahr von dem Zeitpunkt an, zu dem der Dritte von der Unterlassung Kenntnis erlangt, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Unterlassung. Mit der verkürzten Verjährung wollte der Gesetzgeber der besonderen Schnelllebigkeit des Geschäftsverkehrs gerecht werden.738 (8) Beweislastverteilung Mit Ausnahme der bereits erwähnten Regelung von § 37b Abs. 2 WpHG, in dem die Beweislast für den fehlenden Vorsatz und die fehlende grobe Fahrlässigkeit auf den Emittenten übertragen wird, trifft § 37b WpHG keine Regelung zur Beweislastverteilung. Es gelten somit die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislastverteilung, so dass der Anspruchssteller die rechtsbegründenden und der belangte Emittent die rechtshemmenden, -hindernden oder -vernichtenden Tatsachen darlegen und beweisen muss.739 Der Anspruchsteller hat somit zu beweisen, dass eine den Emittenten betreffende Insiderinformation vorgelegen hat und dass die Veröffentlichung der Information verspätet war bzw. ganz unterlassen wurde. Für interne Geschehensabläufe des Emittenten trägt der Emittent indes die sekundäre Beweislast.740 Obwohl das Nichtvorliegen der Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG grundsätzlich rechtsbegründenden Charakter hat, muss der Emittent und nicht der klagende Anleger das Vorliegen der Selbstbefreiungsvoraussetzungen darlegen.741 b) Sonstige Anspruchsgrundlagen für Schadenersatz gegen den Emittenten und handelnde Personen Sowohl in § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG als auch in § 37b Abs. 5 WpHG ist geregelt, dass die Inanspruchnahme des Emittenten gestützt auf andere Vorschriften nicht ausgeschlossen ist. Es kommen insbesondere Ansprüche nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Betracht.742 738
RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 94. Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 83. 740 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 61a. 741 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 141; Nietsch, BB 2005, 785 (786); S. H. Schneider, BB 2005, 897 (902). 742 Vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 09. Mai 2005, II ZR 287/02 – EM.TV = NJW 2005, 2450. 739
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Die Haftung ist bei diesen Anspruchsgrundlagen nicht auf den Emittenten beschränkt. Ohnehin knüpft die Haftung des Emittenten auch im Falle von § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BG gemäß § 31 BGB analog an ein Verhalten der Organmitglieder bzw. der sonstigen besonderen Vertreter an, die für die Einhaltung der Ad-hoc-Publizitätspflicht verantwortlich sind.743 Denkbar ist im Falle der Zurechnung des Verhaltens allerdings auch, dass die Organmitglieder für das die Zurechnung begründende Verhalten dann sogar persönlich haften.744 Eine Inanspruchnahme der für den Emittenten handelnden natürlichen Personen ist insbesondere naheliegend, wenn wegen drohender oder bereits eingetretener Insolvenz nicht zu erwarten ist, dass der Emittent die Schadenersatzansprüche noch vollständig befriedigen kann. Auch in Fällen, in denen Ansprüche nach § 37b WpHG bereits verjährt sind, können Ansprüche gegen den Emittenten nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB relevant sein. (1) Anspruch gemäß § 826 BGB Der Anspruch nach § 826 BGB ist insbesondere im Hinblick auf unwahre Adhoc-Mitteilungen bereits Gegenstand diverser gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Grund hierfür ist, dass eine große Zahl von Schadensfällen im Zusammenhang mit dem Platzen der Börsenblase im Jahr 2001 vor Inkrafttreten von §§ 37b, 37c WPHG eingetreten war.745 (a) Tatbestandsvoraussetzungen Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Aus dem Wortlaut der Norm werden gemeinhin vier Tatbestandsmerkmale abgeleitet: Erstens muss eine Schädigung vorliegen; zweitens der Anspruchsgegner vorsätzlich gehandelt haben; drittens das Verhalten sittenwidrig gewesen sein und viertens die Schädigung durch ein Verhalten des Anspruchgegners verursacht worden sein.746 Der Emittent kann den Tatbestand von § 826 BGB als juristische Person nicht selbst erfüllen. Daher ist bei der Prüfung der Schadenersatzpflicht des Emittenten auf das Verhalten der Organe oder sons-
743 Vgl. etwa zu § 826 BGB Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 395f. 744 BGH Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 – Infomatec = NJW 2004, 2664 (2667); zum vorläufig gescheiterten Entwurf eines auch die Haftung der Organmitglieder begründenden Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG) Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 60 f.; C. Schäfer, NZG 2005, 985 f.; Sehte in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 26 f. 745 Unzicker, WM 2007, 1596 (1597). 746 Wagner in: MüKo BGB, § 823 Rn 5.
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tiger verfassungsmäßiger Vertreter abzustellen, das dem Emittenten nach § 31 BGB analog zugerechnet werden kann. Eine § 826 BGB genügende Schädigung liegt nicht nur bei jeder nachteiligen Einwirkung auf die Vermögenslage vor, sondern umfasst darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung.747 Die Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht kommt – auch in Form einer Unterlassung – als schädigendes Verhalten in Betracht. Nach allgemeiner Formel ist das schädigende Verhalten sittenwidrig, wenn das Verhalten, weil es sich durch eine besondere Verwerflichkeit auszeichnet, gegen das Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden verstößt.748 Ein Unterlassen, z. B. einer Ad-hoc-Mitteilung, verletzt nur dann die guten Sitten, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht.749 Ob die Voraussetzungen eines sittenwidrigen Verhaltens vorliegen, ist dabei stark vom Einzelfall abhängig. Grundsätzlich kann das Unterlassen einer Ad-hoc-Mitteilung auch im Zusammenhang mit einer rechtswidrigen Selbstbefreiung als sittenwidrig gewertet werden. Es müssen aber weitere Elemente hinzutreten. Für Sittenwidrigkeit spricht etwa, dass im Zeitraum der rechtswidrigen Selbstbefreiung Insidergeschäfte vorgenommen oder ermöglicht wurden.750 Selbst wenn die Ad-hoc-Mitteilung aus uneigennützigen Motiven unterlassen wird, etwa um eine Sanierung zu ermöglichen, kann Sittenwidrigkeit gegeben sein.751 Für die Haftung nach § 826 BGB gilt der allgemeine Grundsatz, dass der geschädigte Anleger die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale seines Anspruchs vortragen muss,752 was insbesondere im Hinblick auf das Merkmal der Sittenwidrigkeit häufig Schwierigkeiten bereiten kann. Gerade in den Unterlassensfällen dürften die Beweisschwierigkeiten für den Nachweis sittenwidrigen Verhaltens entsprechend § 826 BGB noch größer sein als in Fällen der Schädigung durch unwahre Ad-hoc-Mitteilungen.753 Dass der Tatbestand von § 826 BGB im Zusammenhang mit einer unrechtmäßigen Selbstbefreiung zum Tragen kommt, erscheint nach alledem unwahrscheinlich.
747
Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 116. Zum Begriff: Wagner in: MüKo BGB, § 826 Rn 7 f. 749 Wagner in: MüKo BGB, § 826 Rn 7; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, § 37b, c Rn 418. 750 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 118; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 419. 751 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 118 – in Sanierungsfällen ist zunächst genau zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen für eine Selbstbefreiung gegeben sind. 752 Unzicker, WM 2007, 1596 (1598). 753 Sehte in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 116. 748
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(b) Ersatzfähiger Schaden/Kausalität Der Anspruch nach § 826 BGB kann – im Gegensatz zum Anspruch nach § 37b WpHG – entweder auf Ersatz des Vertragsabschlussschadens oder auf Ersatz des Kursdifferenzschadens gerichtet sein.754 Problematisch für den Anleger ist insbesondere der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität, wenn der Vertragsabschlussschaden geltend gemacht wird. Es bedarf dann wie auch bei Geltendmachung eines Anspruchs nach § 37b WpHG des vollen Nachweises der Kausalität einer unterlassenen Mitteilung für die Kaufs- bzw. Verkaufsentscheidung. Dies erscheint bei den hier interessierenden Fällen einer unterlassenen oder verspäteten Mitteilung kaum möglich. Fordert der Anleger hingegen nur den Ersatz des Kursdifferenzschadens muss er zum Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität nur darlegen und beweisen, dass der Kurs des betreffenden Finanzinstruments bei negativen Nachrichten zum Zeitpunkt des Kaufs niedriger und bei positiven Nachrichten zum Zeitpunkt des Verkaufs höher gewesen wäre, wenn die Mitteilung (rechtzeitig) erfolgt wäre.755 (c) Verjährung Im Gegensatz zu § 37b WpHG, dessen Abs. 4 eine Sonderregelung zur Verjährung trifft, gelten bei Ansprüchen nach § 826 BGB die allgemeinen Verjährungsfristen. Nach §§ 195, 199 BGB verjährt der Anspruch drei Jahre, nachdem er entstanden ist und der Gläubiger hiervon Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unabhängig von der Kenntnis verjährt der Anspruch nach § 199 Abs. 3 Nr. BGB erst zehn Jahre nach Anspruchentstehung. Neben der Möglichkeit, handelnde Personen direkt in Anspruch zu nehmen, bietet § 826 BGB somit den Vorteil einer im Vergleich zum Anspruch nach § 37b WpHG längeren Verjährungsfrist. Auch deswegen kann dem Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB trotz der Einführung von §§ 37b, 37c WpHG weiterhin eine eigenständige Bedeutung zukommen.756 (2) Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB Des Weiteren ist zu erwägen, ob Ansprüche wegen unterlassener oder verspäteter Ad-hoc-Mitteilungen auch auf § 823 Abs. 2 BGB gestützt werden können. Dafür bedarf es einer Schutzgesetzverletzung durch die handelnden Organe im 754 BGH, Urteil vom 09.05.2005, II ZR 287/02 – EM.TV = NJW 2005, 2450; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 436, 449; Sehte in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 123; einschränkend Kort, NZG 2005, 708, der für „Rückabwicklung“ grundsätzlich ein Näheverhältnis zwischen Emittent und Anleger verlangt. 755 Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 356. 756 Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 105.
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Zusammenhang mit der rechtswidrigen Selbstbefreiung. Daher kommt es im Rahmen der Haftung im Wesentlichen darauf an, ob im Rahmen einer rechtswidrigen Selbstbefreiung zugleich ein (anderes) Gesetz verletzt wird, das als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Nach § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG können Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung von § 15 Abs. 1 bis Abs. 4 WpHG nur auf § 37b oder § 37c WpHG gestützt werden. Diese Vorschrift zielt gerade darauf ab, eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB auszuschließen. Die Regelung von § 15 Abs. 1 bis 4 WpHG ist somit kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.757 Als verletztes Schutzgesetz kommt des Weiteren § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG in Betracht.758 Nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG wird bestraft, wer als Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates einer AG oder KGaA vorsätzlich die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Eine Haftung nach §§ 823 Abs. 2 i.V. m. 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG kommt nach der herrschenden Meinung aber nur in Frage, wenn die Ad-hoc-Mitteilung Ausführungen über den Vermögensstand des Emittenten enthält.759 Dies kann bei Ad-hoc-Mitteilungen ausnahmsweise der Fall sein, wenn sie so umfangreich sind, dass sie einen Rückschluss auf den Vermögensstand erlauben.760 Im Fall einer aufgrund einer fehlerhaften Selbstbefreiung verspäteten oder unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung scheidet eine Haftung nach §§ 823 Abs. 2 i.V. m. 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG jedoch deswegen aus, weil § 400 AktG nicht durch Unterlassen verwirklicht werden kann.761 c) Begrenzung von Schadenersatzansprüchen durch §§ 57, 71 AktG Für die möglichen Schadenersatzansprüche von Anlegern nach § 37b WpHG oder § 826 BGB ergibt sich ein weiteres Problem aus §§ 57, 71 AktG, falls für den in Anspruch genommenen Inlandsemittenten das Aktiengesetz Anwendung
757 Nunmehr allgemeine Meinung, vgl. etwa: BVerfG, Urteil vom 24.09.2002 – 2 BvR 742/02 = ZIP 2002, 1986 (1988); BGH, Urteil vom 09.05.2005, II ZR 287/02 – EM.TV = NJW 2005, 2450; Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 116; Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 107; Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 450; anders noch Gehrt, S. 195; von Klitzing, S. 220. 758 BGH, Urteil vom 09.05.2005, II ZR 287/02 – EM.TV = NJW 2005, 2450; Jungmichel, S. 209. 759 Streitig, wie hier die hM OLG München,Urteil vom 01.10.2002 – 30 U 855/01 = ZIP 2002, 1989 (1994); Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 110; Unzicker, WM 2007, 1596 (1598); Jungmichel, S. 212, letzterer auch mit Nachweisen zur Gegenmeinung. 760 Sethe in: Assmann/U. H. Schneider, §§ 37b, 37c Rn 113; wohl auch BGH, Urteil vom 16.12.2004 – 1 StR 420/03 = NJW 2005, 445, 448. 761 Jungmichel, S. 217 mwN.
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findet. Das ist bei den meisten Inlandsemittenten der Fall, da das AktG auf AG, KGaA und ergänzend für die SE Anwendung findet. Die Regelung von § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG bestimmt, dass Einlagen den Aktionären nicht zurückgewährt werden dürfen. Da die Leistung von Schadenersatz an Aktionäre grundsätzlich keinen gesetzlich anerkannten Ausnahmefall von § 57 Abs. 1 Satz 2 bis 4 AktG darstellt, handelt es sich nach dem Wortlaut der Vorschrift um einen Fall der verbotenen Einlagenrückgewähr. Bei Geltendmachung des Schadenersatzes in Form von Zahlung des kompletten Kaufpreises durch den Emittenten gegen Hingabe von Aktien tritt zudem ein Konflikt mit dem in § 71 AktG geregelten Verbot des Erwerbes eigener Aktien auf.762 Die Ansicht, dass die Haftungsansprüche gegen den Emittenten von § 57 AktG vollständig verdrängt werden, wird, soweit ersichtlich, nicht mehr vertreten.763 Einer differenzierenden Auffassung zu Folge kann der Anleger Schadenersatzzahlungen nur geltend machen, wenn zwei zusätzliche Voraussetzungen gegeben sind. Erstens darf der Anleger die Aktien nur derivativ und nicht originär vom Emittenten erworben haben. Zweitens fordert die differenzierende Ansicht, dass der Emittent im Stande sein muss, den Anspruch aus dem die Kapitalziffer und die gesetzliche Rücklage nach § 150 AktG übersteigenden Vermögen auszugleichen.764 Nach der zutreffenden herrschenden und auch vom BGH vertretenen Auffassung zur Haftung nach § 826 BGB besteht hingegen ein Vorrang der kapitalmarktrechtlichen Emittentenhaftung vor dem durch § 57 AktG bezweckten Gläubigerschutz.765 Die Haftung nach § 826 BGB ist vorrangig vor den aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften, weil der Anleger den Schadenersatz nicht auf Grund seiner mitgliedschaftlichen Sonderstellung als Aktionär, sondern als Opfer einer sittenwidrigen Schädigung geltend macht.766 Auch aus § 71 AktG kann keine Beschränkung des Anspruchs hergeleitet werden, da der Erwerb der Aktien durch die AG (bzw. KGaA oder SE) nur die Folge des die Rechte des Anspruchstellers beschränkenden Grundsatzes des Bereicherungsverbotes ist.767 Ziel des Bereicherungsverbotes ist es, übermäßige Kompensationen zu verhin762 Nach der hier vertretenen Ansicht kann diese Form des Schadenersatzes nur auf § 826 BGB gestützt werden. 763 Nachweise zu dieser überholten Ansicht bei Dogan S. 223; Jungmichel, S. 271. 764 Henze, NZG 2005, 115 (118 f.); gegen vollen Schadenersatz auch C. Schäfer, NZG 2005, 985 (990), der jedoch den Schadenersatzanspruch nur in der Höhe für durchsetzbar hält, in er durch einen Abfindungsanspruch bei entsprechender Anwendung der Regeln für die Kapitalerhöhung abgedeckt wäre. 765 BGH NJW 2005, 2450 – EM.TV; Zimmer in: Schwark, §§ 37b, 37c Rn 11 ff. Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 37 ff.; Fleischer in: Schmidt/Lutter, § 57 Rn 39 f. m.w. N.; Jungmichel, S. 270 ff.; Hutter/Stürwald, NJW 2005, 2428 (2431). 766 BGH NJW 2005, 2450 (2452) – EM.TV. 767 BGH NJW 2005, 2450 (2452) – EM.TV.
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dern. Wenn es aber nur darum geht, übermäßige Kompensationen zu verhindern, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Schadenersatzanspruch eines Anlegers insgesamt ausscheidet. Auch die Ansprüche nach §§ 37b, 37c WpHG sind nicht durch §§ 57, 71 AktG beschränkt. Das Verbot des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 AktG greift in diesem Zusammenhang schon nicht ein, weil nach der hier vertretenen Ansicht § 37b WpHG ohnehin nur zum Ersatz des Kursdifferenzschadens berechtigt. Die Rückabwicklung des Aktienkaufs und die „Rückgabe“ von Aktien an die AG stehen gar nicht zur Debatte. Aber auch im Verhältnis zu § 57 AktG genießt § 37b WpHG Vorrang. Dafür spricht vor allem die mit der Einführung der Haftung nach §§ 37b, 37c WpHG beabsichtigte generalpräventive Wirkung.768 Es ist anzunehmen, dass der Schadenersatzanspruch gemäß § 37b WpHG eine möglichst weitgehende Wirkung erfahren sollte. Durch die in Teilen des Schrifttums befürwortete Begrenzung des Anspruchs auf das freie Grundkapital würde der Anspruch jedoch in vielen Fällen leer laufen.769 Somit bestehen keine gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen der Schadenersatzansprüche gegen den Inlandsemittenten. 2. Ordnungswidrigkeitstatbestand nach § 39 WpHG Nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig „entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 4 oder 5, jeweils in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Abs. 7 Satz 1 Nr. 1“ eine Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt oder nicht oder nicht rechtzeitig nachholt. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes kommt auch bei einer rechtswidrigen Selbstbefreiung in Betracht.770 Lagen die Selbstbefreiungsvoraussetzungen nicht vor, ist die Mitteilung im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG nicht rechtzeitig gemacht worden. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 7 WpHG handelt des Weiteren ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 15 Abs. 5 Satz 1 eine Insiderinformationen veröffentlicht, bevor die Veröffentlichung auf dem für Ad-hoc-Mitteilungen vorgeschriebenen Wege erfolgt ist. Die Verwirklichung von § 39 Abs. 2 Nr. 7 WpHG spielt bei der Selbstbefreiung eine Rolle, wenn der Emittent Handlungen vornimmt, deretwegen die Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht mehr gewährleistet ist. Zwischen § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) und Nr. 7 WpHG ergeben sich teilweise Überschneidungen.771 Ist das der Fall, geht § 39 Abs. 2 Nr. 7 WpHG als speziellere Vorschrift vor. 768 769 770 771
Vgl. RegE 4.FFG BT-Drucks. 14/8017 S. 64. Möllers/Leisch in: Kölner Kommentar, §§ 37b, c Rn 38 mwN. S. H. Schneider, BB 2005, 897 (902); Veith, NZG 2005, 254. Altenhain in: Kölner Kommentar, § 39 Rn 26.
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F. Rechtsfolgen der Selbstbefreiung
Verfassungsrechtlich bedenklich ist die in § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG enthaltene Außenverweisung auf die Rechtsverordnungen des Bundesministeriums der Finanzen nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 WpHG. Im vorliegenden Zusammenhang kommt dabei insbesondere die WpAIV in Betracht. Dem Verordnungsgeber darf lediglich die Spezifizierung eines Straftatbestandes überlassen werden.772 Die Regelungen der WpAIV gehen indes, wie bereits gezeigt, zum Teil sogar über die Verordnungsermächtigung hinaus, z. B. indem der Emittenten zur Gewährleistung der Vertraulichkeit nach § 7 Nr. 2 WpAIV verpflichtet wird, die Insiderinformation während einer Selbstbefreiung stets zur Veröffentlichung vorzuhalten.773 Verstöße gegen diese überschießenden Aspekte der Verordnung fallen aufgrund der gebotenen verfassungskonformen Auslegung nicht unter den Ordnungswidrigkeitentatbestand. Bei einem Verstoß gegen § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. c) oder Nr. 7 WpHG kommt im Rahmen von Sachverhalten, die die Einhaltung der Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG betreffen, insbesondere leichtfertiges Handeln in Betracht. Da der Täter durch Inanspruchnahme der Selbstbefreiungsmöglichkeit grundsätzlich manifestiert hat, dass er nicht gegen die Veröffentlichungspflichten verstoßen wollte, scheidet Vorsatz hingegen grundsätzlich aus. Leichtfertiges Unterlassen liegt vor, wenn die Nichtveröffentlichung objektiv ein besonders schwerer Sorgfaltsverstoß ist. Subjektiv ist besondere Leichtsinnigkeit oder Gleichgültigkeit des Täters zu verlangen.774 Ein vorsätzlicher Verstoß ist indessen denkbar, wenn der Täter nachträglich erkennt, dass die Selbstbefreiungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, etwa wenn die Vertraulichkeit der Information nicht mehr gewährleistet ist, und er trotz dieser Kenntnis nach wie vor keine Ad-hoc-Mitteilung vornimmt. Die Höhe der Geldbuße beträgt nach § 39 Abs. 4 WpHG bis zu eine Million Euro. Nach § 17 Abs. 2 OWiG wird die Höchstsumme bei fahrlässigem leichtfertigen Verhalten halbiert, d.h. die Buße kann dann maximal fünfhunderttausend Euro betragen. Als Täter kommt zunächst derjenige in Betracht, dem innerhalb des Emittenten die Aufgabe übertragen wurde, die Pflichten nach § 15 WpHG einzuhalten und die Selbstbefreiung vorzunehmen. Das kann die Gesamtheit der Vorstandsmitglieder sein; diese können die Aufgabe jedoch auch übertragen.775 Wenn die Einhaltung von § 15 WpHG delegiert wurde, trifft den Vorstand jedoch eine Führungs- und Überwachungspflicht.776 Hat derjenige, auf den die Einhaltung der 772 Altenhain in: Kölner Kommentar, § 38 Rn 20; ausführlich zur gleich gelagerten Problematik der Strafbarkeit der Kurs- und Marktmanipulation nach § 38 WpHG, Moosmayer, Wistra 2002, 161 (169). 773 Siehe dazu Kap. E.II.2. 774 Vogel in: Assmann/U. H. Schneider, § 39 Rn 46. 775 Dazu unter Kap. E.IV.4.
II. Rechtsfolgen der unrechtmäßigen Selbstbefreiung
199
Pflichten aus § 15 Abs. 1 WpHG delegiert wurde, diese Pflichten verletzt, kann dies als Verletzung der Führungs- und Überwachungspflicht nach § 130 OWiG eine eigene Ordnungswidrigkeit der Vorstandsmitglieder darstellen. In § 130 OWiG wird zwar auf die Überwachungspflichten des Inhabers eines Betriebes abgestellt. Nach § 9 OWiG sind die Organe bzw. Organmitglieder dem Inhaber jedoch gleichzusetzen.777 Für die Verletzung der Aufsichtspflicht ist grundsätzlich Fahrlässigkeit ausreichend. Überdies muss die Zuwiderhandlung nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG ebenfalls zumindest leichtfertig geschehen sein, da der Aufsichtspflichtige nicht schlechter gestellt werden soll, als wenn er selbst gegen § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG verstoßen hätte.778 Hat der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied selbst den Tatbestand von § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG verwirklicht oder hat er beim Verstoß eines anderen gegen diese Vorschrift nach § 130 OWiG gegen seine Überwachungspflichten verstoßen, kann nach § 30 OWiG auch gegen den Emittenten eine Geldbuße verhängt werden.779 Erforderlich ist erneut das entsprechende Verschulden des Vorstandes bzw. Vorstandsmitglieds. Allein die rechtswidrige Verwirklichung des objektiven Tatbestandes reicht nicht aus.780 Auch gegen externe Berater, die etwa für einen Emittenten die Möglichkeit der Selbstbefreiung geprüft und leichtfertig bejaht haben, obwohl Voraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG nicht vorlagen, kann als Beteiligte an der Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld verhängt werden.781 Das folgt aus § 14 OWiG, demzufolge jede Form der vorsätzlichen Beteiligung für das Begehen einer Ordnungswidrigkeit ausreichend ist. 3. Eingriffsbefugnisse der BaFin (§ 4 WpHG) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG überwacht die BaFin die Einhaltung der Verbote und Gebote des WpHG. Sie ist berechtigt, Anordnungen zu treffen, die zu der Durchsetzung der Verbote und Gebote erforderlich sind. Die BaFin kann dabei sowohl in Form des informellen Verwaltungshandelns als auch durch Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG tätig werden.782 Denkbar ist z. B. die Anordnung der Veröffentlichung einer Insiderinformation durch die BaFin.783 Vor dem Treffen 776 777 778 779
U. H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 (55). König in: Göhler OWiG, § 130 Rn 6. König in: Göhler OWiG, § 130 Rn 21 mwN. Altenhain in: Kölner Kommentar, § 39 Rn 64; Döhmel in: Heidel, § 39 WpHG
Rn 4. 780
König in: Göhler OWiG, § 30 Rn 15. Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 303. 782 Giesbert in: Kölner Kommentar, § 4 Rn 27. 783 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 139, der zu Recht auf die geringe Wahrscheinlichkeit hinweist, dass eine solche Anordnung mittels Verwaltungszwang durchgesetzt werden muss. 781
200
F. Rechtsfolgen der Selbstbefreiung
einer solchen Anordnung muss die BaFin ihr Ermessen unter Berücksichtigung des Zwecks des Gesetzes ausüben. Auch hat sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.784 Im Rahmen der Selbstbefreiung werden solche Vorfeldmaßnahmen jedoch selten vorkommen, da die BaFin in diesen Fällen von der Information erst erfährt, wenn sie ihr gegenüber nachträglich angezeigt wurde.785 Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 WpHG kann die BaFin von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen sowie Personen laden und vernehmen, soweit dies aufgrund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Einhaltung eines Verbots oder Gebots des WpHG erforderlich ist. Diese Anhaltspunkte kann die BaFin durch Beobachtung des Marktgeschehens und durch Aufgreifen von Sachverhalten ausmachen, bei denen nach dem äußeren Anschein eine Veröffentlichung hätte erfolgen müssen, aber gar nicht oder erst verspätet erfolgt ist.786 Nach § 4 Abs. 4 WpHG hat die BaFin auch das Recht, Grundstücke und Betriebsräume von auskunftspflichtigen Personen zu betreten. Auf all diese Kompetenzen kann die BaFin im Rahmen der Überwachung der Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflichten zurückgreifen.
784 785 786
Giesbert in: Kölner Kommentar, § 4 Rn 31 uns 33. Näher dazu Kap. F.I.4.c). Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 140.
G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen Nachdem die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und der Selbstbefreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG dargestellt wurden, soll im Folgenden auf besondere Einzelfälle der Selbstbefreiung eingegangen werden.
I. Die hilfsweise Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht Im Schrifttum wird von einigen Autoren die Überlegung angestellt, ob dem Inlandsemittenten bei Unsicherheit über das Bestehen einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Möglichkeit eingeräumt werden soll, hilfsweise, d.h. für den Fall des Bestehens einer Veröffentlichungspflicht, eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG vorzunehmen.787 1. Problemstellung Für Emittenten kann trotz sorgfältiger Prüfung Unsicherheit darüber bestehen, ob die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorliegen und er zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung verpflichtet ist. Grundsätzlich gilt dann „in dubio pro publicatione“,788 schon wegen der mit der Verletzung der Ad-hocPublizitätspflicht verbundenen Haftungsrisiken. Für den Emittenten liegt in dieser Situation die Möglichkeit nahe, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Zwar sind nach § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG offensichtlich überflüssige Mitteilungen untersagt. In Zweifelsfällen ist es aber zumindest nicht offensichtlich, dass die Mitteilung überflüssig ist.789 Ein Verstoß gegen das Verbot offensichtlich überflüssiger Mitteilungen kann zudem keine Schadenersatzpflichten nach § 37c WpHG auslösen; dazu
787 Zu dem Problem auch Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1907); Gunßer, S. 87; Widder, DB 2008, 1480 (1482); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 150. 788 Widder, DB 2008, 1480 mit Verweis auf U. H. Schneider in: Assmann/U. H. Schneider, § 28, Rn 67. 789 Widder, DB 2008, 1480; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 262; Geibel/ Schäfer in: Schäfer/Hamann, § 15 Rn 165; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 330.
202
G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
müsste die Mitteilung unwahr sein.790 Der Verstoß gegen § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG stellt darüber hinaus auch keine Ordnungswidrigkeit dar.791 Selbst wenn ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG gegeben wäre, entstünde dem Emittenten daraus kein Risiko. Problematischer ist die Lage, wenn der Emittent entschlossen ist, die möglicherweise unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG fallende Information vorerst nicht zu veröffentlichen. In Betracht kommt dann, dass sich der Emittent vorsorglich bzw. hilfsweise auf die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG beruft. Streitig ist, ob § 15 Abs. 3 WpHG eine nur hilfsweise Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht erlaubt. 2. Ablehnung der Möglichkeit einer förmlichen hilfsweisen Selbstbefreiung Zum Teil wird die Möglichkeit einer hilfsweisen Befreiung abgelehnt.792 Zur Begründung verweist diese Ansicht auf den Wortlaut von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG. Die darin enthaltene Bezugnahme auf den Grundtatbestand der Ad-hocPublizitätspflicht in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG mache deutlich, dass die rechtliche Wirkung der Selbstbefreiung nur eintreten könne, wenn die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorläge.793 Des Weiteren besteht nach der ablehnenden Auffassung die Gefahr, dass die BaFin andernfalls mit Mitteilungen von Emittenten überflutet würde, die gemäß § 15 Abs. 3 Satz WpHG eine hilfsweise Befreiung anzeigen.794 Einem Emittenten sei unbenommen, die Voraussetzungen der Selbstbefreiung einzuhalten, auch ohne dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht festgestellt ist.795 In diesem Fall bestünde keine Gefahr der Haftung nach §§ 37b WpHG, da ein Schadenersatzanspruch aufgrund verspäteter Mitteilung an dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens scheitern würde und kaum von einem grob fahrlässigen Verhalten des Emittenten ausgegangen werden könne.796 Auch bestehe in solchen Fällen keine Gefahr, dass das Verhalten des Emittenten als Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG beurteilt würde.797
790 791 792 793 794 795 796 797
Widder, DB 2008, 1480. Altenhain in: Kölner Kommentar, § 39 Rn 22. Gunßer, S. 87. Gunßer, S. 87. Gunßer, S. 87. Gunßer, S. 87. Gunßer, S. 87, 88. Gunßer, S. 88.
I. Die hilfsweise Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht
203
3. Befürwortende Auffassung Der überwiegende Teil des Schrifttums bejaht die Möglichkeit einer hilfsweisen Selbstbefreiung.798 Die Befürworter einer hilfsweisen Befreiung stützen ihre Ansicht auf die unvermeidlichen rechtlichen Unsicherheiten bei der Prüfung der Ad-hoc-Publizitätspflicht und die scharfen Sanktionen, die bei Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht greifen.799 Dass dem Emittenten gegen etwaige Schadenersatzansprüche den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens anführen könne, sei nicht sicher.800 Zwar hafte der Emittent bei einer verspäteten Mitteilung Anlegern gegenüber nach § 37b WpHG nur bei grober Fahrlässigkeit. Der Emittent habe für deren Nichtvorliegen aber die Beweislast.801 Auch werde die BaFin bei Bejahung der Möglichkeit einer hilfsweisen Befreiung nicht von Mitteilungen nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG überschwemmt werden, wie die Gegenmeinung befürchtet. Zusätzliche Mitteilungen wären nur in zwei Fällen nötig, die nicht sehr häufig vorkämen, nämlich einerseits, wenn die Insiderinformation in dem Moment veröffentlicht werde, in dem sie zweifellos eine Insiderinformation geworden sei, und andererseits, wenn auch im Zeitpunkt der Veröffentlichung weiter unklar wäre, ob eine nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichende Information vorläge.802 4. Stellungnahme Die beiden Ansichten unterscheiden sich nur hinsichtlich der Frage, ob man einer hilfsweise vorgenommenen Selbstbefreiung die gleiche rechtliche Wirkung wie einer normalen Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG zugestehen will. Die besseren Argumente sprechen gegen eine solche rechtliche Wirkung. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, wonach Voraussetzung der Selbstbefreiung das Bestehen einer Pflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist, kann sich die Existenz einer hilfsweise Selbstbefreiung nur aus einer analogen Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG ergeben. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Es fehlt bereits die planwidrige Regelungslücke. Eine solche wäre nur gegeben, wenn das Nichtbestehen einer hilfsweisen Selbstbefreiung für Emittenten negative Folgen haben könnte. Das ist nicht der Fall. Die sich aus der Un-
798 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1907); Widder, DB 2008, 1480 (1482); wohl auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 150, der für unerheblich hält, ob die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorlagen, wenn im Übrigen die Voraussetzungen der Selbstbefreiung eingehalten wurden. 799 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1907); Widder, DB 2008, 1480 (1482). 800 Widder, DB 2008, 1480 (1482). 801 Widder, DB 2008, 1480 (1482). 802 Widder, DB 2008, 1480 (1483).
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
sicherheit hinsichtlich des Entstehens der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ergebenden Risiken kann der Emittent vermeiden, indem er die Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG beachtet und dies dokumentiert. Gegebenenfalls kann die BaFin informell zu Rate gezogen werden. Eines Rechtsinstituts der hilfsweisen Befreiung bedarf es nach alledem jedoch nicht. Die hilfsweise Befreiung hat, wenn keine Insiderinformation vorliegt, schlicht keine Rechtswirkungen. In allen anderen Fällen liegt in Wahrheit gar keine hilfsweise, sondern eine richtige Selbstbefreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG vor. Dass der Emittent die betreffende Entscheidung und die sonstigen Maßnahmen nur vorsorglich vorgenommen hat, schadet nicht.
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse Die wohl bedeutsamsten und zugleich auch am kontroversesten diskutierten Fälle des § 15 Abs. 3 WpHG sind die der sogenannten mehrstufigen Entscheidungsprozesse. Sie spielen sich an einer Schnittstelle zwischen Kapitalmarktund Gesellschaftsrecht ab.803 Zentrale Frage ist dabei, ob die Einhaltung von gesellschaftsrechtlich vorgeschriebenen Entscheidungswegen innerhalb des Emittenten vor einer frühzeitigen Publizität des Gegenstands der Entscheidung geschützt werden muss. 1. Problemstellung Bei Inlandsemittenten im Sinne des WpHG liegt nicht ausschließlich, aber typischerweise eine dualistische Unternehmensverfassung vor. Grund hierfür ist, dass für die deutsche Aktiengesellschaft eine dualistische Führungsstruktur, bestehend aus Aufsichtsrat und Vorstand, gemäß §§ 76, 95 AktG zwingend vorgeschrieben ist. Gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG können Satzung oder der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft festlegen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen. Der Zustimmungsvorbehalt soll bei börsennotierten Gesellschaften nach den Grundsätzen der Corporate-Governance für alle Geschäfte von grundlegender Bedeutung gelten.804 Außerdem gibt es eine Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Spezialregelungen, die für bestimmte Handlungen des Vorstandes zwingend die Zustimmung des Aufsichtsrats vorsehen, so z. B. die Ausübung von genehmigtem Kapital gemäß § 204 Abs. 1 AktG.805 Der Vorstand trifft im Falle der Vornahme
803
Staake, BB 2007, 1573 (1574). So 3.3 und 5.1.1 des Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) unter http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/index.html, abgerufen am 13. Mai 2010. 805 Übersicht bei Hopt/Roth Großkommentar AktG, § 111 Rn 598. 804
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
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einer derartigen Handlung zunächst die zustimmungspflichtige Entscheidung und weist die Frage dann dem Aufsichtsrat zu. Fraglich ist in dieser Konstellation zunächst, ab welchem Zeitpunkt der Entscheidungsgegenstand der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterliegt. Ist die Ad-hoc-Publizitätspflicht wegen des Gegenstands einer Entscheidung im mehrstufigen Verfahren schon nach der Entscheidung des Vorstandes zu bejahen, stellt sich des Weiteren die Frage, ob für den Zeitraum zwischen Vorstandsbeschluss und Billigung bzw. Ablehnung der Maßnahme durch den Aufsichtsrat ein berechtigtes Interesse vorliegt und demnach eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG zulässig ist. 2. Der Zeitpunkt des Entstehens einer Insiderinformation bei ausstehender Zustimmung des Aufsichtsrates Die Behandlung mehrstufiger Entscheidungsprozesse im Rahmen der Ad-hocPublizitätspflicht ist nicht erst seit Inkrafttreten des AnSVG diskutiert worden. Vor Inkrafttreten des AnSVG kreiste die Debatte indes nicht um die Frage, ob bei ausstehender Aufsichtsratszustimmung die vorgesehene Möglichkeit einer Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf Antrag an die BaFin nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. eingriff. Streitig war bereits, ob eine Vorstandsentscheidung, die noch der Zustimmung des Aufsichtsrates bedurfte, überhaupt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. veröffentlichungspflichtig war. Dies hängt damit zusammen, dass nach alter Rechtslage nicht alle „Insiderinformationen“, sondern lediglich im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Tatsachen veröffentlichungspflichtig waren, die „aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Vermögensund Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf“ geeignet waren, den Börsenpreis der Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Das Schrifttum plädierte mehrheitlich dafür, dass eine Veröffentlichungspflicht erst nach Zustimmung des Aufsichtsrates entstehen sollte.806 Die Vertreter dieser Ansicht stützen sich unter anderem auf die Regierungsbegründung zum 2. FFG, wonach „alle Ereignisse, deren Konsequenzen noch nicht feststehen“, aus dem Kreis veröffentlichungspflichtiger Mitteilungen ausgeklammert werden sollten.807 Eine Minderheitsmeinung vertrat dem entgegen die Ansicht, dass die Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a. F. bereits nach der Entscheidung des Vorstands hätte vorgenommen werden müssen, wenn eine Realisierungswahrscheinlichkeit bestehe.808 Als Argument für diese Ansicht wurden der Zweck der Ad-hoc-Publizität, die Insiderhandelsbekämpfung sowie die Informationsinteressen des Publikums angeführt. 806 807 808
Cahn ZHR 162 (1998), 1 (27); v. Klitzing, S. 80. RegE, 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48. Pananis, WM 1997, 460 ff.; Kiem/Kothoff, DB 1995, 1999 (2003).
206
G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
Mit Inkrafttreten des AnSVG hat sich der Streit zwischen der Endgültigkeitstheorie und der Wahrscheinlichkeitstheorie809 zugunsten der Wahrscheinlichkeitstheorie erledigt. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt, besteht eine Veröffentlichungspflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen bereits, wenn der Vorstand die Entscheidung trifft und der Eintritt des Umstandes, d.h. die Zustimmung des Aufsichtsrates, hinreichend wahrscheinlich ist.810 3. Berechtigtes Interesse bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV Wenn die Zustimmung durch den Aufsichtsrat zum Vorschlag des Vorstandes hinreichend wahrscheinlich ist und somit eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation vorliegt, stellt sich die Frage, ob der Emittent bis zur Entscheidung des Aufsichtsrates ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse geltend machen kann. a) Der Tatbestand von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Emittenten könnte sich bis zur Entscheidung des Aufsichtsrates aus der Anwendung des Regelbeispiels des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV ergeben, welches auf den Vorgaben von Art. 3 Abs. 1 lit. b) Durchführungsrichtlinie beruht. Nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV überwiegt das Geheimhaltungsinteresse gegenüber dem Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarktes dann, „wenn durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder andere Entscheidungen zusammen mit der Ankündigung bekannt gegeben werden müssten, dass die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten noch aussteht, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde“.811 Der Wortlaut der Regelung ist leider in mancherlei Hinsicht missverständlich. Die Formulierung in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV könnte den Eindruck erwecken, dass selbst bei noch ausstehender Entscheidung des „anderen Organs“ nicht in allen Fällen die Mitteilung mit der Ankündigung veröffentlicht werden müsste, die Zustimmung des „anderen Organs“ stehe noch aus. Ein solcher Umkehrschluss ist indes nicht zulässig. Die bessere und aufgrund des Grundsatzes der richtlinienkonformen Auslegung auch bindende Umschreibung bietet insofern Art. 3 Abs. 1 lit. b) Durchführungsrichtlinie, wonach 809
Begriffe nach Möllers, WM 2005, 1393, 1395. Siehe dazu Kap. C.II.3.b)(4), vgl. auch Möllers, WM 2005, 1393, 1394; Staake, BB 2007, 1573 (1575). 811 Die Durchführungsrichtlinie verlangt zusätzlich, dass „die Struktur eines solchen Emittenten die Trennung zwischen diesen Organen vorsieht“. Dabei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit, die somit keiner Umsetzung bedurfte. 810
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
207
das Beispiel eingreift, wenn eine Bekanntgabe der Informationen vor der Zustimmung „zusammen mit der gleichzeitigen Ankündigung, dass diese Zustimmung noch aussteht, die korrekte Bewertung der Informationen durch das Publikum gefährden würde“.812 Voraussetzung des Eingreifens des Beispiels ist somit, dass die korrekte Bewertung der Information durch das Anlegerpublikum trotz des Hinweises auf die ausstehende Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten gefährdet ist. Demnach hat § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV das folgende Prüfungsschema: • Vertragsabschluss oder andere Entscheidung durch Geschäftsführungsorgan; • Erforderliche Zustimmung eines anderen Organs steht noch aus; • Gefährdung der korrekten Bewertung bei Veröffentlichung der Information mit Hinweis auf ausstehende Zustimmung des anderen Organs. Die Auslegung der beiden erstgenannten Voraussetzungen ist unproblematisch. Unter Vertragsabschluss oder eine andere Entscheidung eines Geschäftsführungsorgans kann jede Entscheidung fallen, die zugleich auch eine Ad-hoc-publizitätspflichtige Information ist. Das Geschäftsführungsorgan der Aktiengesellschaft ist gemäß § 76 AktG der Vorstand. Die erforderliche Zustimmung des anderen Organs ist die Zustimmung durch den Aufsichtsrat, die gemäß § 111 AktG durch die Satzung oder die Geschäftsordnung für bestimmte Geschäfte vorgesehen werden kann. Zustimmungsvorbehalte für Entscheidungen durch außerhalb der Gesellschaft stehende Stellen fallen nicht unter die Ausnahme. Sollte zum Beispiel der Abschluss eines Vertrages von der Zustimmung der finanzierenden Banken abhängen, lässt sich ein Aufschub der Veröffentlichung nicht aus § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV herleiten. b) Gefährdung der korrekten Bewertung – Bewahrung der Kompetenzverteilung der Emittenten durch § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV? Problematisch ist die dritte Voraussetzung des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV. Demnach liegt ein berechtigtes Interesse nur vor, wenn die korrekte Bewertung der Information durch das Anlegerpublikum gefährdet ist, obwohl die Veröffentlichung neben der Entscheidung des Vorstands einen Hinweis auf ausstehende Zustimmung des anderen Organs (des Aufsichtsrats) enthält. Fraglich ist, in welchen Fällen die Gefahr besteht, dass das Anlegerpublikum die Information nicht korrekt bewertet. Nach der Begründung der WpAIV ist, wenn die Entscheidung des Aufsichtsrates über die zustimmungspflichtige Maßnahme noch aussteht, regelmäßig eine Situation gegeben, „in welcher es dem durchschnittlichen Anleger aufgrund sei812
So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 39.
208
G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
ner Unkenntnis über die Situation innerhalb der Gesellschaft nicht möglich ist, die Sachlage sachgerecht zu bewerten“.813 In diesem Fall würde laut der Begründung eine vorzeitige Information des Kapitalmarkts eher zu einer weiteren Verunsicherung der Anleger führen, als dass zusätzliche Transparenz geschaffen werden würde.814 Außerdem würde eine vorzeitige Veröffentlichung die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats und damit die Erfüllung seiner gesetzlichen Überwachungsfunktion gegenüber dem Vorstand beeinträchtigen, was ebenfalls nicht den Interessen der Anleger entspreche.815 Bei einer noch ausstehenden Aufsichtsratsentscheidung wird nach dieser Ansicht nur in seltenen Ausnahmefällen das berechtigte Interesse für eine Verzögerung der Veröffentlichung im Sinne des § 15 Abs. 3 WpHG verneint werden können.816 Teile des Schrifttums sind dieser Auffassung zu § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV gefolgt817 und halten die korrekte Bewertung einer Vorstandsentscheidung durch die Anleger bei ausstehender Aufsichtsratszustimmung für regelmäßig gefährdet. Diese weite Interpretation von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV ist zusammen mit der wohl herrschenden Meinung des Schrifttums abzulehnen.818 Es ist nicht einsichtig, wieso bei ausstehender Zustimmung eines Organs zu einer Maßnahme regelmäßig eine Lage gegeben sei, bei der die Anleger die Situation nicht sachgerecht bewerten können.819 Diese Aussage ist eine pauschale Begründung für das Vorliegen eines berechtigten Interesses. Solche pauschalen Begründungen können eine Selbstbefreiung aber nie rechtfertigen.820 Gegen die Annahme, die korrekte Bewertung sei im Falle der Vorabveröffentlichung regelmäßig gefährdet, spricht auch, dass § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV nun einmal die Existenz von Fällen voraussetzt, in denen eine Veröffentlichung vor Zustimmung des Aufsichtsrats geschehen kann. Sonst hätte in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV die Forderung nach einer Gefährdung der korrekten Bewertung der Anleger keine eigenständige Bedeutung. Der Gesetzgeber hätte dann nur auf die Existenz eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses oder auf die Sicherheit, mit der der Aufsichtsrat dem Vorschlag des Vorstandes zustimmen würde, abstellen können. Die Gegenmeinung bleibt zudem eine Antwort auf die sich aufdrängende Frage schuldig, wann eine Aus-
813
Begründung WpAIV, S. 7. Begründung WpAIV, S. 7. 815 Begründung WpAIV, S. 7. 816 Begründung WpAIV, S. 8. 817 Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (737); Möllers, WM 2005, 1393 (1396); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1905); Parmentier, NZG 2007, 407 (415); Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469 (474). 818 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 42; Assmann in: Assmann/ U. H. Schneider, § 15 Rn 142; Staake, BB 2007, 1573 (1576); Gunßer, S. 91. 819 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 42. 820 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 65. 814
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
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nahme von dem nach dieser Ansicht regelmäßigen Fall Gefährdung der korrekten Bewertung vorliegen kann. Gegen eine pauschale Bejahung der Gefährdung der korrekten Bewertung der Information durch das Publikum spricht auch das bereits erörterte Anlegerleitbild des WpHG, nämlich der verständige Anleger. Fälschlicherweise stellt die Begründung zur WpAIV nicht auf den verständigen, sondern den durchschnittlichen Anleger ab.821 Der verständige Anleger handelt grundsätzlich rational und hält daher gerade eine Ablehnung der vorgeschlagenen Maßnahme durch den Aufsichtsrat für möglich. Den Anlegern bleibt natürlich unbenommen, durch Käufe oder Verkäufe auf die Zustimmung des Aufsichtsrats zu der vorgeschlagenen Maßnahme zu spekulieren.822 Die Selbstbefreiung dient aber nicht dazu, gegebenenfalls entstehende Spekulationsverluste zu verhindern. Diese engere Auffassung zu § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV wird anscheinend auch von der BaFin geteilt. Diese lehnt eine weite Interpretation von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV zwar nicht ausdrücklich ab, behandelt im Emittentenleitfaden aber § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV und die Frage, ob die Sicherung der Kompetenzordnung innerhalb des Inlandsemittenten ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse darstellt, getrennt voneinander.823 Aus § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV kann somit nicht abgeleitet werden, dass die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG dem Schutz der Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats eines Inlandsemittenten dient und demnach bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse zu bejahen ist.824 Der Emittent könnte eine generelle Selbstbefreiung bei noch ausstehender Aufsichtsratszustimmung nur auf ein sonstiges, nicht in den Regelbeispielen erwähntes berechtigtes Interesse stützen. c) Die Gefährdung der sachgerechten Bewertung vor Zustimmung durch den Aufsichtsrat Da nunmehr geklärt ist, dass zumindest aus § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV kein Automatismus für eine Selbstbefreiung bei noch ausstehender Aufsichtsratszustimmung abgeleitet werden kann, stellt sich die Frage, in welchen Fällen das Beispiel stattdessen erfüllt ist. Zu ermitteln ist, in welchen Fällen der Emittent die 821
Begründung WpAIV, S. 8. Staake, BB 2007, 1573 (1576). 823 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 66, wonach ein berechtigtes Interesse „auch dann“; d.h. neben den von der BaFin zuvor erläuterten Regelbeispielen des § 6 Satz 2 WpAIV, vorliegen kann, wenn die Veröffentlichung einer bereits vom Geschäftsführungsorgan getroffenen Maßnahme die ausstehende Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder die Durchführbarkeit der Maßnahme gefährden würde. 824 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 142; insofern auch Staake, BB 2007, 1573 (1575). 822
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
sachgerechte Bewertung einer Information durch das Publikum aufgrund einer Ad-hoc-Mitteilung vor der Zustimmung als gefährdet erachten darf. Die Regelung von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV geht davon aus, dass die im Falle einer nicht vorgenommenen Selbstbefreiung zu veröffentlichende Ad-hoc-Mitteilung einen Hinweis auf die fehlende Zustimmung enthält. Den Marktteilnehmern ist aufgrund dieses Hinweises bekannt, dass die veröffentlichte Entscheidung noch nicht endgültig feststeht.825 Es geht daher um Fälle, in denen auch eine Mitteilung, die einen solchen Hinweis enthält, die sachgerechte Bewertung der auf diese Weise veröffentlichten Information durch das Publikum gefährden würde. Eine solche Konstellation ist in zwei Varianten denkbar. Einerseits könnte das Publikum davon ausgehen, dass eine vorab veröffentlichte Entscheidung sicher die Zustimmung des Aufsichtsrates erhalten wird, obwohl dies nicht der Fall ist. Andererseits ist aber auch der umgekehrte Fall denkbar, dass das Publikum aufgrund des in der Mitteilung angesprochenen Zustimmungsvorbehalts die Entscheidung noch nicht für getroffen hält, obwohl bereits absehbar ist, dass der Aufsichtsrat zustimmt. Für die Beantwortung der Frage, wie das Anlegerpublikum Ad-hoc-Mitteilungen mit dem in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV vorgeschriebenen Hinweis bewertet, ist das Leitbild des verständigen Anlegers heranzuziehen. Da sich verständige Anleger grundsätzlich rational verhalten, würden sie, wenn der Emittent eine Mitteilung mit dem Hinweis auf die noch ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrats veröffentlicht, anhand der öffentlich zugänglichen Informationen versuchen, eine Prognose anzustellen, ob sie bereits jetzt seine weiteren Anlageentscheidungen auf die noch nicht wirksame Entscheidung stützen sollten, die in der Mitteilung enthalten ist. Dies betrifft sowohl die Kaufs- als auch Verkaufssituation. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass sich vorübergehend ein Preis aufgrund einer Information bildet, die aufgrund der darauf folgenden Ablehnung durch den Aufsichtsrat wenig später wieder obsolet ist, bzw. dass der Preis die Entscheidung noch nicht berücksichtigt, obwohl die Zustimmung des Aufsichtsrates eher eine Formsache ist. Um eine auf § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV gestützte Selbstbefreiung vorzubereiten, ist der Emittent verpflichtet, die zuvor beschriebene Prognose des Verhalten des verständigen Anlegers selbst vorzunehmen. Der Emittent muss unter Heranziehung sämtlicher verfügbarer Informationen ermitteln, wie das verständige Anlegerpublikum auf die Veröffentlichung der Information unter Hinweis auf die ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrates reagieren würde. Das Ergebnis dieser Prognose hängt unter anderem von eigenen Vorveröffentlichungen oder Stellungnahmen ab, die einen Bezug zu dem zu veröffentlichenden Vorstandsbeschluss haben, da diese die Erwartungen der Anleger beeinflussen können. In einem zweiten Schritt hat der Emittent eine Prognose hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens des Aufsichtsrates anzustellen.826 Das Ergebnis dieser 825
Vgl. Staake, BB 2007, 1573 (1576).
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
211
Prognose hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Erheblich können je nach Einzelfall die erwartete Brisanz der vorgeschlagenen Maßnahme, die allgemeine Akzeptanz der Strategie des Vorstandes im Aufsichtsrat und die vom Vorstand betriebene vorhergehende informelle Abstimmung der geplanten Maßnahme mit dem Aufsichtsrat oder zuständigen Ausschüssen sein. Von besonderer Bedeutung bei der Prognose des Abstimmungsverhaltens ist die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, wenn im Aufsichtsrat verschiedene Investorengruppen mit einer unterschiedlichen Grundeinstellung zur getroffenen Entscheidung vertreten sind. Zum Beispiel könnten im Aufsichtrat neben institutionellen Investoren auch Vertreter von Hedge Fonds sitzen, denen gemeinhin ein eher kurzfristiger Anlagehorizont nachgesagt wird und die sich daher selten für z. B. langfristig erwartete Synergieeffekte von Unternehmensübernahmen begeistern können. Auch ist bei einem mitbestimmten Aufsichtsrat, insbesondere bei paritätischer Mitbestimmung, die Haltung der Arbeitnehmervertreter zu beachten. Dies gilt vor allem dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Teile des Kapitalgeberlagers mit den Arbeitnehmern zusammenarbeiten, um einen anderen Block des Kapitalgeberlagers zu überstimmen. Zuletzt sind die Prognosen hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens des Aufsichtsrates und im Hinblick auf die zu erwartende Reaktion des Publikums miteinander abzugleichen. Das Regelbeispiel von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV greift ein, wenn die Gefahr besteht, dass die Erwartungshaltung des Publikums nicht korrekt ist und es die Information somit nicht korrekt bewerten würde. Grundsätzlich muss der Emittent davon ausgehen, dass verständige Anleger in der Lage sind, aus dem Nichtvorliegen der Aufsichtsratszustimmung hinsichtlich einer Insiderinformation die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Der Aufschub kann hingegen auf § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV gestützt werden, wenn das Verhalten des Emittenten im Bezug auf die Aufsichtsratszustimmung potentiell irreführend war und geeignet ist, eine falsche Erwartungshaltung im Hinblick auf den Ausgang der Abstimmung zu schüren. Zur besseren Illustration des Prognoseverfahrens sei ein Beispiel für das Eingreifen von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV gegeben. Angenommen, dass der Emittent mit seinem bisherigen Publizitätsverhalten den Eindruck erweckt hat, zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie innerhalb des Aufsichtsrates herrsche Konsens im Hinblick auf eine vom Emittenten verfolgte Gesamtstrategie. Hat der Vorstand aus der ständigen internen Kommunikation mit dem Aufsichtsrates erfahren, dass es bei der Umsetzung dieser Strategie hinsichtlich einer bestimmten Maßnahme, etwa der Akquisition einer strategischen Beteiligung, die er als Teil dieser Strategie ansieht, wider Erwarten zu einer „Kampfabstimmung“ mit unklaren Ausgang kommt und möchte es der Vorstand trotzdem auf eine Abstimmung ankommen lassen, könnte das vorherige Publizitätsverhalten des Emittenten eine falsche Erwartungshaltung geweckt haben. 826
Veith, NZG 2005, 254 (256).
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
Dann ist trotz des Hinweises auf die noch ausstehende Aufsichtsratszustimmung die korrekte Bewertung der Information gefährdet, da das Anlegerpublikum angesichts der vorab einheitlich kommunizierten Gesamtstrategie die Zustimmung als sicher erachtet. 4. Berechtigtes Interesse bei ausstehender Aufsichtsratszustimmung unabhängig von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV Nach dem soeben Gesagten ist nur in Ausnahmefällen davon auszugehen, dass die Selbstbefreiung des Emittenten darauf gestützt werden kann, dass die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gemäß § 6 Satz 2 Nr. 2 WpHG gefährdet ist, wenn die betreffenden Information auf einer Vorstandsentscheidung beruht, die noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Ob die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG bei noch ausstehender Aufsichtsratszustimmung in Betracht kommt, hängt damit für die Mehrzahl von zustimmungsund veröffentlichungspflichtigen Vorstandsentscheidungen davon ab, ob sich ein berechtigtes Interesse gemäß § 15 Abs. 3 WpHG aus anderen Gründen ergeben kann. a) Emittentenleitfaden: Erweiterung der Selbstbefreiungsmöglichkeit Nach der im Emittentenleitfaden geäußerten Ansicht der BaFin soll der Aufsichtsrat gerade Entscheidungen des Vorstandes mit einem erheblichen Preisbeeinflussungspotential eingehend prüfen können. Angesichts der dem Aufsichtsrat nach dem Aktienrecht zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben zur Überwachung des Vorstands sei bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen eine Befreiung regelmäßig zulässig.827 In welchen Fällen von dieser Regel eine Ausnahme gelten soll, wird von der BaFin nicht erläutert. An dieser Position ist bemerkenswert, dass dieser Standpunkt eine Aufweichung der wesentlich strengeren Anforderungen an den Aufschub aufgrund fehlender Zustimmung des Aufsichtsrats darstellt, die der Entwurf des Leitfadens ursprünglich vorgesehen hatte. Dort wurde zum Fall der Ad-hoc-Veröffentlichung von Geschäftsergebnissen noch ausgeführt, dass ein Aufschub aufgrund fehlender Zustimmung des Aufsichtsrates nur erfolgen könne, wenn begründete Zweifel an der Billigung vorlägen.828 Die erhebliche Änderung des Standpunktes der BaFin war Ergebnis der heftigen Kritik an dem ursprünglichen Vorschlag.829 Die Position der BaFin bleibt allerdings auch in der endgültigen Fassung des Emittentenleitfadens ambivalent: Der Gremienvorbehalt alleine soll keine ausreichende Begründung für die Selbstbefreiung 827 828 829
BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67. BaFin, Entwurf des Emittentenleitfadens, S. 40. Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (737).
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
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sein.830 Hier liegt ein Widerspruch zu der Aussage der BaFin, dass eine Befreiung angesichts der gesetzlichen Aufgaben des Aufsichtsrates regelmäßig zulässig sei. Wenn die BaFin nämlich meint, dass eine Befreiung regelmäßig zulässig sei, stützt sie die Befreiung im Ergebnis ausschließlich auf den Gremienvorbehalt. Im Jahresbericht 2007 schreibt die BaFin denn auch, die Befreiung bei gestuften Entscheidungsprozessen solle „meist“ bis zur Entscheidung des Aufsichtsrates erfolgen, um diese nicht zu präjudizieren.831 Somit erkennt die BaFin den Gremienvorbehalt wohl als alleinigen Grund für ein berechtigtes Interesse nach § 15 Abs. 3 WpHG an. Ganz eindeutig ist die Position der BaFin dennoch nicht, denn trotz der Äußerung im Jahresbericht 2007 finden sich auch in der 2009 überarbeiteten Fassung des Emittentenleitfadens die widersprüchlich anmutenden Äußerungen der Ursprungsfassung des Emittentenleitfadens zu diesem Thema wieder; die im Jahresbericht 2007 geäußerte Ansicht wird nicht wiederholt. b) Meinungen im Schrifttum Im Schrifttum haben sich in der Vergangenheit zwei gegenläufige Hauptmeinungen herausgebildet. Die wohl vorherrschende gesellschaftsrechtliche Auffassung im Schrifttum geht davon aus, dass bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen ein berechtigtes Interesse vorliegt und die Veröffentlichung von Vorstandsentscheidungen bis zur Zustimmung des Aufsichtsrates aufgeschoben werden kann.832 Die Vertreter dieser Ansicht verweisen vor allem darauf, dass der Aufsichtsrat seine Funktion als Kontrollorgan nicht mehr richtig ausüben könne, wenn der Vorstand seine Entscheidung schon vor der Befassung des Aufsichtsrats veröffentlichen müsse.833 Dies gipfelt in der Formulierung, der Aufsichtsrat verkomme, für den Fall dass man eine Pflicht zur Veröffentlichung schon im Zeitpunkt des Vorstandsbeschlusses annehme, zu einer Versammlung von „Jasagern“.834 Der Aufschub entspreche den Interessen der Anteilseigener und im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes auch den Interessen des Marktpublikums.835 Durch eine Ad-hoc-Mitteilung würde der Aufsichtsrat vor vollendete Tatsachen gestellt und könnte die für ihn vorgesehene Kontrollfunk-
830
BaFin, Emittentenleitfaden S. 65. BaFin, Jahresbericht 2007, S. 185. 832 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 144 ff. und in ZHR 172 (2008), 635, dort insbesodnere S. 643 f.; Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 378; auch S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899), der eine Befreiung befürwortet, wenn die Ablehnung des Vorstandsvorschlags möglich ist. 833 Veith, NZG 2005, 254 (256); kritisch auch Messerschmidt, BB 2004, 2538 (2539), die aber anscheindend davon ausgeht, dass die Veröffentlichungspflicht besteht. 834 Messerschmidt, BB 2004, 2538 (2539). 835 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 147. 831
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
tion nicht mehr ausüben.836 Dabei wird teilweise sogar vertreten, dass der Aufschub auch unabhängig von der Wahrscheinlichkeit der Zustimmung des Aufsichtsrates immer möglich sein müsse. Im Ergebnis bestehe eine funktional institutionelle Ausnahme von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität.837 Die Vertreter der eher kapitalmarktrechtlich geprägten Auffassung lehnen ein auf die Wahrung der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats gestütztes berechtigtes Interesse hingegen ab.838 Zum Teil wird dies damit begründet, dass mit der Einführung der SE auch monistische Gesellschaftsstrukturen möglich seien, die bei Bejahung einer solchen Ausnahme einen Nachteil dadurch erlitten, dass sie Entscheidungen früher veröffentlichen müssten als dualistische organisierte Aktiengesellschaften oder SE.839 Des Weiteren wird eingewandt, dass § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV den Aufschub im Spezialfall des zweistufigen Organisationsstatus abschließend regele.840 Vor allem aber leugnen die Vertreter dieser Ansicht die negativen Auswirkungen einer Veröffentlichung eines Vorstandsbeschlusses vor der Abstimmung des Aufsichtsrates für dessen Rolle in der Aktiengesellschaft.841 Der Vorstand habe die Möglichkeit, den Aufsichtsrat frühzeitig in die Planung einer zustimmungspflichtigen Maßnahme einzubinden. Dann wäre aber auch die Kontrollfunktion des Aufsichtrats gewährleistet.842 Verzichte der Vorstand entgegen der Anforderungen an eine gute Corporate-Governance auf eine Vorabinformation des Aufsichtsrates, sei es gerade Intention der Ad-hoc-Publizitätspflicht, dass dieses Versäumnis sichtbar werde.843 Unterschiedliche Auffassungen von Vorstand und Aufsichtsrat seien auch keine Katastrophe sondern im dualistischen System der Aktiengesellschaft nach deutschem Recht angelegt.844 c) Stellungnahme Beide Ansichten vermögen mit der gegebenen Begründung nicht vollständig zu überzeugen. Gegen die gesellschaftsrechtliche Ansicht, derzufolge eine regel836 S. H. Schneider, BB 2005, 897 (899); diesen Aspekt betont auch Messerschmidt, BB 2004, 2538 (2540). 837 Assmann in: ZHR 172 (2008), 635, 643 f. 838 Staake, BB 2007, 1573 (1576 f.); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 47; Gunßer, S. 93; Kümpel/Veil, 4. Teil, Rn 24; auch Bachmann ZHR 172 (2008) 597 (602 ff.), der aber de lege ferenda dafür plädiert, dass mehrstufige Entscheidungsprozesse im Bereich der Unternehmenstransaktionen vor dem Abschluss des Entscheidungsprozesses vollständig von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität ausgenommen werden. 839 Kümpel/Veil, 4. Teil, Rn 24. 840 Gunßer S. 94. 841 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 47; Staake, BB 2007, 1573 (1577). 842 Staake, BB 2007, 1573 (1577). 843 Staake, BB 2007, 1573 (1577). 844 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 47.
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
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mäßige Befreiungsmöglichkeit bei noch ausstehender Aufsichtsratszustimmung gegeben sei, lässt sich einwenden, dass diese Argumentation letztlich auf eine unzulässige Pauschalbegründung für das Vorliegen des berechtigten Interesses hinausläuft. Gleiches gilt für den allgemeinen Verweis auf Corporate-Governance Gesichtspunkte. Dass die Veröffentlichung eines Vorstandsbeschlusses mit Hinweis auf die noch ausstehende Aufsichtsratszustimmung, eine wirksame Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat behindert, ist zunächst nur eine These, deren Beleg diejenigen, die in solchen Situationen einen generellen Aufschub befürworten, schuldig bleiben. Aber auch die Argumente der Gegenansicht, die einen Aufschub außerhalb von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV generell nicht für möglich hält, können nicht überzeugen. Unzutreffend ist, dass in einem monistisch strukturierten Emittenten Entscheidungen früher veröffentlicht werden müssten, wenn man dualistisch strukturierten Emittenten einen generellen Aufschub bis zur Zustimmung des Aufsichtsrats gewähren würde. Es ist gerade ein Charakteristikum der monistischen Struktur, dass der Entscheidungsfindungsprozess mit der Entscheidung des Geschäftsführungsorgans abgeschlossen ist. Die Gefahr widersprüchlicher Ad-hocMitteilungen kann hier überhaupt nicht entstehen. In der dualistischen Struktur endet der Entscheidungsprozesses erst mit dem Votum des Aufsichtsrates. Wenn der Emittent eine Vorstandsentscheidung trotz ausstehender notwendiger Aufsichtsratszustimmung veröffentlichen muss, dann erfolgt die Veröffentlichung vor Abschluss des Entscheidungsprozesses und damit früher als in einer monistisch strukturierten Gesellschaft. Überdies ist zweifelhaft, dass sich die Hoffnung erfüllen wird, das Publikum werde sich im Laufe der Zeit an die Veröffentlichung unterschiedliche Meinungen der Beteiligten gewöhnen.845 Die Offenlegung von internen Konflikten zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ist nicht geeignet, das Vertrauen des Kapitalmarktes in die Führung des Emittenten zu stärken. Können sich die Beteiligten über wichtige Entscheidungen nicht einigen, stellt sich vielmehr die Frage nach der Handlungsfähigkeit des Emittenten. Sollte tatsächlich eine Situation gegeben sein, in der das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsratsmehrheit, z. B. wegen unterschiedlichen Auffassungen zu grundlegenden strategischen Fragen, irreparabel gestört ist, so stellt dieser Umstand alleine bereits eine veröffentlichungspflichtige Information dar. Auf die betreffende Vorstandsentscheidung käme es nicht mehr an. In allen anderen Fällen, in denen der Vorstand vom Bestehen unterschiedlicher Auffassungen ausgehen muss, ist es besonders wichtig, dass die Frage, ob der betroffene Emittent überhaupt noch handlungsfähig ist, nicht verfrüht gestellt wird, nämlich nicht schon, wenn der Konflikt zwischen Vorstand Aufsichtsrat noch lösbar erscheint. In Konfliktsituationen ist es für die beteiligten Personen wichtig, eine Lösung zu finden, in der alle Beteiligten das Gesicht wahren 845
So aber Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 47.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
können. Das wird aber erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht, wenn die Position des Vorstandes schon „in Stein gemeißelt“ ist, weil er diese durch eine Adhoc-Mitteilung veröffentlichen musste. Aufgrund dieser Nachteile kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine etwaige Verpflichtung zur unmittelbaren Veröffentlichung der Entscheidung des Vorstandes zu einem Argument für Emittenten wird, eine für den Kapitalmarkt „passendere“, nicht mit dem Nachteil einer Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge belastete, monistisch strukturierte Rechtsform zu nutzen, wie zum Beispiel die monistische SE oder die englische PLC. Das Kapitalmarktrecht sollte aber alle Gesellschaftsformen gleichberechtigt behandeln, da es selbst rechtsformneutral angelegt ist. Bei Konflikten, die sich aus Veröffentlichungspflichten und gesellschaftsrechtlichen Organstruktur ergeben, muss gerade die Flexibilität eines offenen Tatbestands wie dem des § 15 Abs. 3 WpHG zu einer möglichst schonenden Lösung solcher Konflikte beitragen. Selbst wenn man mit der eine frühzeitige Veröffentlichung bejahenden Auffassung annehmen würde, dass sich die Kapitalmarktteilnehmer mit der Zeit an die Veröffentlichung unterschiedlicher Meinungen gewöhnen würden, gestehen die Vertreter dieser Auffassung damit implizit zu, dass die Vorabveröffentlichung für Emittenten derzeit noch ein schwerwiegender Nachteil ist. Es kann einzelnen Emittenten aber nicht zugemutet werden, Nachteile in Kauf zu nehmen, die der Gewöhnung des Publikums an veränderte Offenlegungspflichten dienen. Daher liegt zwar kein pauschales Aufschubinteresse des Emittenten vor, wenn eine Aufsichtsratszustimmung zu einer veröffentlichungspflichtigen Maßnahme noch aussteht. In der wohl überwiegenden Zahl der konkreten Einzelfälle wird jedoch die Wahrung der Funktionsfähigkeit der internen Entscheidungsstruktur ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse begründen. Wann von der Veröffentlichung der Vorstandsentscheidung eine Ausnahme gemacht werden kann und der Emittent bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats ein berechtigtes Aufschubinteresse bejahen darf, lässt sich immerhin ansatzweise dem Emittentenleitfaden der BaFin entnehmen. Dieser befürchtet nämlich eine Schwächung des Aufsichtsrats durch die vorzeitige Veröffentlichung.846 Hinzu kommt, dass letztlich auch der Vorstand geschwächt würde, wenn er befürchten muss, dass, weil der betreffende Vorstandsbeschluss vorab zu veröffentlichen ist, ein womöglich bisher gar nicht erkannter Konflikt mit dem Aufsichtsrat nicht nur intern zu Tage tritt, sondern zugleich öffentlich bekannt wird. Das Abwenden der Schwächung beider Organe kann ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse begründen. Insofern trifft es zu, dass die Veröffentlichung eines „hin und her“ bei unternehmerischen Entscheidungen bei Anlegern den Eindruck hinterlassen könnte, dass die Führung des Emittenten durch interne Streitigkeiten geschwächt ist, obwohl das nicht der Fall ist. Kommt der Emittent zum Ergebnis, dass der Aufsichtsrat, um einen solchen Eindruck zu vermeiden, eine ihm widerstrebende Zustimmung er846
BaFin, Emittentenleitfaden, S. 58.
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
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teilen würde, wenn die Vorstandsentscheidung schon hat veröffentlicht werden müssen, kann somit ein berechtigtes Interesse vorliegen. Allerdings ist ein Geheimhaltungsinteresse nur dann gerechtfertigt, wenn konkret zu befürchten ist, dass der Aufsichtsrat unter Druck steht, zuzustimmen. Der Zustimmungsdruck und damit ein Aufschubinteresse kann des Weiteren auf die besondere Brisanz und die Kurserheblichkeit der aus der Entscheidung hervorgehenden Information gestützt werden. Zudem kann auch der (Selbst-)Schutz des Vorstandes vor einer unbeabsichtigten Veröffentlichung eines Konfliktes zwischen Aufsichtsrat und Vorstand einen Aufschub rechtfertigen. Letzteres kann vor allem bei besonders eilbedürftigen und aus diesem Grunde nicht oder nur eingeschränkt mit dem Aufsichtsrat vorabgestimmten Entscheidungsgegenständen der Fall sein. Somit ist ein Aufschub der Veröffentlichung bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats grundsätzlich in relativ weitem Maße zulässig. Aufgrund der Kapitalmarktinteressen an der Veröffentlichung muss der Emittent jedoch zwei zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, um den auf die Wahrung der Funktionsfähigkeit des Emittenten gestützten Aufschub durchführen zu dürfen. Zunächst ist der Emittent verpflichtet, eine unklare Situation vor einer Aufsichtsratszustimmung und damit die Unmöglichkeit der Voraussage des Ergebnisses dieser Abstimmung durch eine enge Vorabstimmung mit dem Aufsichtsrat soweit wie möglich zu verhindern.847 Zudem ist der Emittent aufgrund der Kapitalmarktinteressen verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, die sicherstellen, dass die Entscheidung des Aufsichtsrates möglichst schnell nach der Entscheidung des Vorstandes herbeigeführt werden kann. Dafür hat der Emittent ggf. die Möglichkeit der Beschlussfassung im Umlaufverfahren zu nutzen.848 Dies ist Ausdruck des Grundgedankens, dass ein Geheimhaltungsinteresse das Veröffentlichungsinteresse nur so lange überwiegt, wie die Nichtveröffentlichung nötig ist, um den sich daraus ergebenden Nachteil zu vermeiden.849 5. Weitere Zustimmungsvorbehalte und § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV Die ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrates zu einer Entscheidung des Vorstands ist nicht der einzige Falle eines Zustimmungsvorbehaltes, in dem eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Betracht gezogen werden kann. Das Regelbeispiel § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV ist eben nicht nur auf die Konstellation Vorstand/Aufsichtsrat zugeschnitten, sondern kann Fälle komplexer Entscheidungsprozesse beinhalten, in die eine Vielzahl von Entscheidungsebenen innerhalb der Organisation des Emittenten miteinbezogen sind.850 847 Darauf stellt auch Staake, BB 2007, 1573 (1578) ab, der aber im Ergebnis entgegen der hier vertretenen Auffassung keinen Spielraum für eine Selbstbefreiung sieht. 848 So auch BaFin, Emittentenleitfaden, S. 67. 849 Dazu näher unter Kap. D.V.2. 850 CESR, Zweiter Leitfaden, S. 10 Rn 2.9.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
a) Hauptversammlung der AG In Betracht kommt, den Anwendungsbereich des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV auch auf Zustimmungsvorbehalte des dritten Organs einer AG, der Hauptversammlung, zu erstrecken. Die Hauptversammlung muss unter anderem Satzungsänderungen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung, Verschmelzungsbeschlüssen nach UmWG und dem Abschluss von Unternehmensverträgen zustimmen. Die Entscheidung des Vorstandes, der Hauptversammlung eine dieser Maßnahmen zur Abstimmung zu unterbreiten, kann eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation darstellen.851 Ob in diesem Zusammenhang eine Insiderinformation gegeben ist, hängt ebenso wie bei einer Vorstandsentscheidung, die noch der Zustimmung des Aufsichtsrates bedarf, entscheidend von der Wahrscheinlichkeit der Zustimmung der Hauptversammlung zu dem Vorschlag ab. Diese ist naturgemäß dann sehr hoch, wenn etwa große Aktionäre im Vorfeld ihre Zustimmung signalisiert haben. Fraglich ist, ob der Emittent die Veröffentlichung der Entscheidung des Vorstandes, der Hauptversammlung einen bestimmten Sachverhalt zur Abstimmung vorzulegen, nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV aufschieben kann. Dagegen spricht, dass die Einberufung zur Hauptversammlung nach § 121 Abs. 4 Satz 1 AktG in den Geschäftsblättern, das heißt zumindest im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden muss. Mit der Einberufung ist dort nach § 124 AktG auch die Tagesordnung der Hauptversammlung und damit auch der Sachverhalt, den der Vorstand zur Entscheidung vorlegen möchte und der eine Insiderinformation darstellen kann, bekannt zu machen. Da die Veröffentlichung der Information somit nach einer anderen Vorschrift zwingend vorgeschrieben ist, kann ein berechtigtes Interesse allenfalls bis zu dem für die Einberufung vorgeschriebenen Veröffentlichungszeitpunkt gegeben sein. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 AktG liegt dieser Zeitpunkt mindestens 30 Tage vor dem Tag, an dem die Hauptversammlung stattfinden soll. Aber selbst bis zu diesem Zeitpunkt hat der Emittent kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse gemäß § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV. In § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV wird die korrekte Bewertung der veröffentlichten Information durch das Anlegerpublikum geschützt. Die Gefahr einer unkorrekten Bewertung kann analog zu der Situation der noch ausstehenden Aufsichtsratszustimmung gegeben sein, wenn das Anlegerpublikum falsche Erwartungen hinsichtlich des Ausgangs der Abstimmung hegt. Das kann der Fall sein, wenn das Publikum erwartet, dass eine Absprache des Vorschlags mit den wichtigsten Aktionären erfolgt ist, dies in Wahrheit aber nicht geschehen ist. Gegen einen Aufschub bis zur Veröffentlichung der Einberufung spricht jedoch, dass der Aufschub die Gefahr der unkorrekten Bewertung des Publikums nicht beseitigen, sondern nur verzögern könnte. 851
Cahn, ZHR 1998, 51 (94) – zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AnSVG.
II. Mehrstufige Entscheidungsprozesse
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Der Vorschlag des Vorstandes müsste aufgrund von § 123 Abs. 1 AktG auf jeden Fall veröffentlicht werden, bevor das Ergebnis der Abstimmung feststeht. Die Gefahr einer unkorrekten Bewertung durch das Publikum würde sich somit ab diesem Zeitpunkt realisieren. Wenn eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG die Gefahr der Fehlbewertung durch das Anlegerpublikum nicht ausschließen kann, ist sie dem Emittenten auch nicht bis zur Veröffentlichung der Einberufung zu gestatten. Eine andere Frage ist es, ob die Veröffentlichung der Vorstandsentscheidung, eine bestimmte Frage auf die Tagesordnung einer Hauptversammlung zu setzen, bis zur Entscheidung des Aufsichtsrates über die nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG erforderliche Stellungnahme zu diesem Vorschlag aufgeschoben werden darf. Dabei handelt es sich aber nicht um einen klassischen mehrstufigen Entscheidungsprozess, wie er in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV beschrieben ist, da es nur eine Stellungnahme zu dem Vorschlag, nicht aber um eine erforderliche Zustimmung geht. Ein berechtigtes Interesse nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV scheidet somit aus. Ein Aufschub könnte sich nach dem oben Gesagten aber auf eine zu befürchtende Schwächung der Stellung des Aufsichtsrates stützen lassen.852 b) Mehrstufige Entscheidungsprozesse in der Insolvenz des Emittenten Weiterer Fälle mehrstufiger Entscheidungsprozesse kommen in Betracht, wenn über das Vermögen des Inlandsemittenten das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gilt grundsätzlich auch in der Insolvenz eines Emittenten.853 Als Geschäftsführungsorgan im Sinne von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV ist nach Eröffnung des Verfahrens der Insolvenzverwalter anzusehen. Dessen Entscheidungen sind gemäß § 160 Abs. 1 InsO von der Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher Ausschuss nicht bestellt ist, von der Gläubigerversammlung abhängig. Allgemein gilt das Zustimmungserfordernis für Fälle, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. Solche Vorfälle müssen nicht, können aber in bestimmten Fällen auch eine Insiderinformation darstellen. Der Gläubigerausschuss hat als im Vergleich zur Gläubigerversammlung kleineres Gremium im Zweifel eine gewisse Nähe zur operativen Tätigkeit des Insolvenzverwalters. Daher ist der Ausschuss mit dem Aufsichtsrat vergleichbar, so dass die dort dargestellten Kriterien sich grundsätzlich übertragen lassen. Eine Gefahr der korrekten Bewertung im Sinne von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV liegt bei einer Entscheidung durch den Gläubigerausschuss näher, da Konflikte zwischen Gläubigern in der Insolvenz durchaus häufiger vorkommen und somit die Entscheidungen häufiger offen sind. Auch haben die Anleger, die im Zusammenhang mit der Insolvenz hauptsächlich die Frage interessiert, ob für 852 853
In diese Richtung Burgard, ZHR 162 (1998), 51 (95). Dazu Hirte, ZinsO 2006, 1289 ff.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
ihre Aktien noch ein Restwert bleibt, keine genaue Kenntnis der Interessen der Gläubiger, so dass ihnen eine Bewertung einer zustimmungspflichtigen Entscheidung des Insolvenzverwalters insgesamt schwer fallen dürfte. Die Gläubigerversammlung ist gemäß § 74 InsO per Beschluss des Insolvenzgerichts einzuberufen. Der Einberufungsbeschluss und die Tagesordnung der Versammlung sind dabei öffentlich bekannt zu machen.854 Diese Bekanntmachungsverpflichtung steht ähnlich wie bei der Hauptversammlung einer weiteren Selbstbefreiung entgegen. c) Mehrstufige Entscheidungsprozesse unter Einbeziehung von Tochtergesellschaften Mehrstufige Entscheidungsprozesse können nicht nur innerhalb der juristischen Person vorkommen, die Emittent im Sinne von § 15 WpHG ist. Auch Entscheidungen von Tochterunternehmen können den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG darstellen.855 Dieser Fall kann insbesondere gegeben sein, wenn der Emittent als Konzernholding organisiert ist und die echte Geschäftstätigkeit, die den Wert des vom Emittenten herausgegebenen Finanzinstruments beeinflussen kann, (auch) von Tochtergesellschaften ausgeht. Die Satzung der Tochtergesellschaft kann in diesen Fällen vorsehen, dass wichtige Maßnahmen durch den Gesellschafter, d.h. den Emittenten, zu genehmigen sind. Zusätzlich kann auch der Aufsichtsrat des Emittenten ein Genehmigungsrecht haben, da die Satzung einer Aktiengesellschaft auch die Einführung eines konzernweiten Zustimmungsvorbehaltes des Aufsichtsrates vorsehen kann.856 Dann handelt es sich um einen dreistufigen Entscheidungsprozess. Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob der Emittent ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 15 Abs. 3 WpHG hat, die Veröffentlichung der Entscheidung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft bis zur endgültigen Entscheidung aufzuschieben. Probleme können sich in diesem Fall daraus ergeben, dass § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV auf eine Entscheidung des „Geschäftsführungsorgan des Emittenten“ abstellt. Das Geschäftsführungsorgan der Tochtergesellschaft fällt somit nicht unter § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV. Sinn und Zweck von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV ist aber der Schutz vor einer Gefährdung der korrekten Bewertung einer Veröffentlichung durch das Anlegerpublikum. Ob eine solche Gefährdung gegeben ist, hängt nicht davon ab, ob die Geschäftsführungsentscheidung durch den Vorstand des Emittenten selbst oder durch eine Tochtergesellschaft getroffen wird. Daher lässt sich aus dem Regelbeispiel ableiten, dass ein berechtigtes Interesse auch in solchen 854 855 856
Ehricke in: MüKo InsO, § 74 Rn 33 und 36. Siehe dazu D.IV.4.e)(1). Dazu Hopt/Roth in: Großkommentar AktG, § 111 Rn 685 f.
III. Unternehmensverschmelzungen und Unternehmensübernahmen
221
Konstellationen vorliegt, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV gegeben sind. Darüber hinaus ist für Entscheidungen der Tochtergesellschaft unter den in diesem Abschnitt bereits skizzierten Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG neben dem eng formulierten Beispiel des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV anzunehmen. Voraussetzung ist, dass die Satzung des Emittenten ein konzernweites Zustimmungsrecht des Aufsichtsrates vorsieht und dass die Position des Aufsichtsrates durch eine Vorabveröffentlichung konkret geschwächt würde. Dies ist unproblematisch möglich, da die Bejahung eines berechtigten Interesses in diesen Fällen ohnehin nicht auf § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV beruht.
III. Unternehmensverschmelzungen und Unternehmensübernahmen (M & A-Transaktionen) Ein weiterer Bereich, in dem eine Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hocPublizität nach § 15 Abs. 3 WpHG greifen kann, sind laufende Vertragsverhandlungen des Emittenten. Die wichtigste Fallgruppe von laufenden Vertragsverhandlungen bilden die Verhandlungen zu Unternehmensübernahmen. Im Markt für solche Unternehmenskäufe und Verschmelzungen, kurz „M & A-Transaktionen“, können Emittenten sowohl das mögliche Übernahme- bzw. Beteiligungsziel darstellen als auch selbst übernehmender Akteur sein. In beiden Konstellationen stellt sich dem Emittenten die Frage der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und der Möglichkeit zur Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG.857 1. Die standardisierten Verfahrensweisen bei M & A-Transaktionen Bei der Vorbereitung, Verhandlung und dem Abschluss eines Unternehmensbzw. Beteiligungskaufs oder -verkaufs haben sich standardisierte Verfahrensweisen entwickelt. Daher ist es möglich, jeden dieser typischen Verfahrensschritte im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG und die Möglichkeit der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG zu untersuchen. Es kann zwischen dem klassischen Verkaufsverfahren und dem Auktionsverfahren unterschieden werden. Im klassischen Verfahren858 stehen potentieller Verkäufer und potentieller Käufer von vorneherein fest. Üblicherweise hat das klassische Verkaufsverfahren 857 BaFin, Jahresbericht 2007, S. 285: „Unternehmen befreiten sich vor allem bei gestuften Entscheidungsprozessen und Unternehmensübernahmen.“ 858 Überblick unter „zwei Verhandlungspartner“ bei Hölters in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, Teil I Rn 138 ff.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
die folgenden Schritte: Nach einer ersten Einsicht in die Bücher des Unternehmens (Due-diligence) geben die Parteien eine Absichtserklärung ab (Letter of Intent), in der sie bekräftigen, die Transaktion abschließen zu wollen, und Eckpunkte der angestrebten verbindlichen Einigung festlegen. Diese Absichtserklärung begründet keinen Abschlusszwang, sondern lediglich Sorgfaltspflichten, ist also kein richtiger Vorvertrag. Anschließend beginnen die Verhandlungen über den eigentlichen Unternehmenskaufvertrag, an deren Ende im Erfolgsfall der Abschluss des Unternehmenskaufvertrages steht. Das Auktions- und Bieterverfahren859 richtet sich an eine Mehrzahl von Kaufinteressenten. Der Verkäufer wählt dieses Verfahren, wenn er hauptsächlich die Absicht verfolgt, für das zu veräußernde Unternehmen bzw. den zu veräußernden Anteil einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Das Verfahren beginnt normalerweise mit der Ansprache möglicher Interessenten. Sodann geben diese Interessenten ein indikatives Angebot ab. Aufgrund dieser Angebote wählt der Veräußerer einen engeren Kreis von Bietern aus, denen er die vertraglichen Rahmenbedingungen bekannt gibt und denen er eine Buchprüfung (Due-diligence) beim Erwerbsobjekt ermöglicht. Im Anschluss an die Due-diligence geben diejenigen Bieter, die weiter am Erwerb interessiert sind, ein verbindliches Angebot (Binding Offer) ab. Dieses ist nicht als Angebot zu verstehen, das zum Abschluss des Vertrages nur noch angenommen werden muss. Vielmehr schließen sich an das Angebot die eigentlichen Verhandlungen an, an denen teilweise immer noch mehrere Erwerbsinteressenten beteiligt sind. Erst am Ende dieser Verhandlungen wird mit dem erfolgreichen Bieter der eigentliche Kaufvertrag abgeschlossen. 2. Entstehen der Veröffentlichungspflicht Auch im Fall der M & A-Transaktionen und den vorhergehenden Vertragsverhandlungen ist das entscheidende Kriterium für das Entstehen der Ad-hoc-Publizitätspflicht die Konkretheit der betreffenden Information. Eine konkrete Information über den Verkauf des Unternehmens liegt jedenfalls bei rechtsverbindlichem Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages vor.860 Ob die Transaktion als konkrete Information den Tatbestand der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllt, hängt vor allem von der Frage der Eignung der Transaktion ab, den Preis der vom Emittenten herausgegebenen Finanzinstrumente (regelmäßig Aktien) zu beeinflussen. Das kann sich für den Emittenten, wenn er als Käufer oder Verkäufer an der Transaktion beteiligt ist, unabhängig voneinander aus dem finanziellen Umfang oder aus der strategischen Bedeutung der Transaktion oder einer Gesamtschau beider Faktoren ergeben.861 Wenn eine 859 Überblick über den Ablauf bei Hölters in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, Teil I, Rn 155 ff. 860 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1900).
III. Unternehmensverschmelzungen und Unternehmensübernahmen
223
Beteiligung am Emittenten verkauft wird, kann der zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarte Preis für den Anteil eine zur erheblichen Preisbeeinflussung geeignete Information sein, wenn dieser vom beim Abschluss geltenden Marktpreis nicht nur unerheblich abweicht. Aber auch aus der Person des Käufers kann sich in diesem Fall die Preiserheblichkeit der Information ergeben, wenn zu erwarten ist, dass dieser Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen wird. Wenn die abgeschlossene Transaktion selbst kurserheblich ist, kann die Veröffentlichungspflicht bereits im Rahmen der Vorbereitung auf dem Weg zum rechtsverbindlichen Abschluss des Vertrages ausgelöst werden.862 Es kommt darauf an, ab welchem Verhandlungsstadium das Eintreten der Transaktion so wahrscheinlich ist, dass schon die Absicht, die Transaktion abzuschließen, entsprechend § 13 WpHG ausreichend konkret und preiserheblich ist.863 Im klassischen Verfahren kann schon der Abschluss einer Absichtserklärung (Letter of Intent) dazu führen, dass die beabsichtigte Transaktion veröffentlichungspflichtig wird.864 Das hängt vor allem davon ab, ob wesentliche Punkte der Transaktion mit der Absichtserklärung bereits geklärt sind. Das kann nicht allgemein, sondern nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Sollte mit der Absichtserklärung noch keine ausreichende Wahrscheinlichkeit gegeben sein, so ist diese Wahrscheinlichkeit gegeben, wenn während der späteren Verhandlungen eine Einigung über die Grundzüge der Transaktion erzielt wurde.865 Da im klassischen Verfahren nur zwei Verhandlungspartner vorhanden sind, ist die Frage, ob aus dem Verhandlungsstand gefolgert werden kann, dass die beabsichtigte Information hinreichend wahrscheinlich und somit konkret im Sinne von §§ 13, 15 WpHG ist, für beide Seiten einheitlich zu beurteilen. Ein Auseinanderfallen der Veröffentlichungszeitpunkte ist nicht möglich. Dies ist von Belang, wenn beide Verhandlungspartner unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht fallen und die Transaktion für beide Seiten eine Bedeutung hat, die die Transaktion für beide Partner als preiserheblich erscheinen lässt. Das ist nicht zwangsläufig der Fall. Anders kann dies sein, wenn etwa ein Weltkonzern eine Beteiligung an ein zwar börsennotiertes, aber eher mittelständisches Unternehmen veräußert. Für das mittelständische Unternehmen wäre schon eine Transaktion in viel kleinerem 861 Gunßer, S. 82; zu Kriterien der Eignung der Preisbeeinflussung auch Ek in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, Teil XI, Rn 211, 212. 862 CESR – 2. Empfehlungen, S. 5, Rn 1.6. 863 Gunßer, S. 70 f.; ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden, S. 63; Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1902); Ek in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs Teil XI, Rn 213 f. 864 Gunßer, S. 111; Ek in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs Teil XI, Rn 215; Veith, NZG 2005, 254 (255). 865 Veith, NZG 2005, 254 (255); ähnlich Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1902), wonach es darauf ankommt, dass das „ob“ der Transaktion nicht mehr ernstlich in Frage steht; Gunßer, S. 114 f. nennt dies den Zeitpunkt der faktischen Einigung.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
Umfang als veröffentlichungspflichtig einzustufen, während bei einem Weltkonzern nicht jede Beteiligungsveräußerung als solche veröffentlichungspflichtig ist. Damit die sich bietenden Beurteilungsspielräume im Falle des Vorliegens einer beiderseitigen Veröffentlichungspflicht nicht abweichend ausgenutzt werden, sollten die Verhandlungsparteien in einem solchen Fall während der Verhandlungen ein beiderseitiges Verständnis im Hinblick auf das Vorliegen der Ad-hocPublizitätspflicht festlegen. Der notwendige Zeitraum für die gemeinsame Prüfung der Frage, ob eine Insiderinformation vorliegt, gehört zu dem den Inlandsemittenten ohnehin nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zustehenden angemessenen Zeitraum zur Prüfung des Vorliegens der Publizitätspflicht. Eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ist hierfür nicht erforderlich. Im Auktionsverfahren ist demgegenüber häufig unvermeidbar, dass der Zeitpunkt, an dem die Transaktion hinreichend wahrscheinlich geworden und damit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen ist, für Erwerber und Veräußerer auseinanderfällt. Erhält der Veräußernde mehrer verbindliche Angebote für das zu veräußernde Unternehmen oder die zu veräußernde Beteiligung, ist die Transaktion aus seiner Sicht bereits eine Insiderinformation. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG entsteht, wenn die Angebote aus seiner Sicht eine Einigung mit einem der Bieter hinreichend wahrscheinlich sein lassen. Das wird in den meisten Fällen davon abhängen, ob die abgegebenen Angebote die Preisvorstellungen und die weiteren Bedingungen des Verkäufers erfüllen. Die Bieter können zu diesem Zeitpunkt nicht beurteilen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie den Zuschlag erhalten werden, da sie die konkurrierenden Angebote nicht kennen (dürfen). Für die Bieter ist zu diesem Zeitpunkt daher keine Insiderinformation gegeben.866 Für den Bieter erlangt die beabsichtigte Akquisition erst den Stellenwert einer Insiderinformation, wenn der Veräußernde zu exklusiven Verhandlungen unter Ausschluss der anderen Bieter bereit ist. Zu diesem Zeitpunkt sind auch aus Sicht des Bieters die wesentlichen Eckpunkte der Transaktion – vor allem der Kaufpreis und dessen Finanzierung – hinreichend wahrscheinlich. Dieser Vorgang kann im Auktionsverfahren zum Teil erst unmittelbar vor Vertragsschluss liegen, da Unternehmensverkäufer auf die Gewährung von Exklusivität bei den Verhandlungen mitunter vollständig verzichten. Das Auktionsverfahren wird vom Verkäufer auf diese Art häufig aus Gründen der Kaufpreisoptimierung gewählt. Da der Veräußernde ernsthafte Verhandlungen zeitgleich mit mehreren Bietern führt und der Beschluss über den Zuschlag erst unmittelbar am Ende dieser Verhandlungen ergeht,867 liegt für den Bieter auch erst zu diesem Zeitpunkt eine Insiderinformation vor.
866
Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 82; Gunßer, S. 122. Hölters in: Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, Teil I, Rn 162 spricht von bis zu drei Erwerbsinteressenten, die an solchen (gar nicht) „exklusiven“ Verhandlungen teilnehmen. Hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht auch bei nur zwei 867
III. Unternehmensverschmelzungen und Unternehmensübernahmen
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3. Möglichkeit zur Selbstbefreiung nach § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV, wenn Emittent Käufer oder Verkäufer ist In beiden Varianten eines Unternehmenskaufs werden sowohl Veräußerer als auch Erwerber, wenn sie unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG fallen, die Möglichkeit der Selbstbefreiung in Betracht ziehen. Ein berechtigtes Interesse, die Transaktion und die Verhandlungen, nicht zu veröffentlichen, kann sich aus dem Regelbeispiel in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV ergeben. a) Europarechtskonforme Auslegung von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV Gemäß § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV liegt in der Regel ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vor, das das Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarktes überwiegt, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde. Das Beispiel beruht auf den Vorgaben der Durchführungsrichtlinie, übernimmt deren Wortlaut aber nicht vollständig. Nach der Formulierung in Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie kann eine Gefährdung berechtigter Interessen des Emittenten vorliegen, wenn „laufende Verhandlungen oder damit verbundene Umstände, wenn das Ergebnis oder der normale Ablauf dieser Verhandlungen von der Veröffentlichung wahrscheinlich beeinträchtigt werden würden“. Im zweiten Satz enthält Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie eine nähere Konkretisierung. Die Voraussetzungen des ersten Satzes könnten gegeben sein, „insbesondere wenn die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten stark und unmittelbar gefährdet ist – auch wenn er noch nicht unter das geltende Insolvenzrecht fällt – (. . .), sollte eine derartige Bekanntgabe die Interessen der vorhandenen und potenziellen Aktionäre ernsthaft gefährden, indem der Abschluss spezifischer Verhandlungen vereitelt werden würde, die eigentlich zur Gewährleistung einer langfristigen finanziellen Erholung des Emittenten gedacht sind“. Bei der Umsetzung der Vorgaben in deutsches Recht ist übersehen worden, dass der zweite Satz von Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie nur ein „Regelbeispiel im Regelbeispiel“ darstellt. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ bringt die Richtlinie zum Ausdruck, dass das Regelbeispiel auch in anderen Fällen erfüllt sein kann.868 Stattdessen ist in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV die GeErwerbsinteressenten für keinen der Erwerber, da keiner der beiden beurteilen kann wie er „im Rennen liegt“. 868 A. A. Koch, DB 2005, 267 (272), der behauptet mit dem zweiten Satz der Durchführungsrichtlinie werde der Eindruck erweckt, nur in solchen Extremfällen sei eine Befreiung möglich. M. E. ist dieses Verständnis der Durchführungsrichtlinie nicht zutref-
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
fährdung der Interessen der Anleger zu einer zwingenden Voraussetzung des Regelbeispiels gemacht worden. Die Verordnung schießt damit unzulässigerweise869 über die europäischen Vorgaben hinaus. Das Regelbeispiel von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV ist daher richtlinienkonform auszulegen.870 Eine Gefährdung der Interessen der Anleger kann zwar ein Argument für das Vorliegen eines berechtigten Interesses im Sinne von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV sein, ist aber keine zwingende Voraussetzung des Regelbeispiels. Ein berechtigtes Interesse liegt demnach gemäß § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV in der Regel vor, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt würden. b) M & A Verhandlungen als laufende Verhandlungen über Geschäftsinhalte Unter laufenden Verhandlungen über Geschäftsinhalte sind bedeutende Kundenverträge, Verträge über Rohstofflieferungen, Verträge über Zusammenarbeit an Projekten, ggf. in Form von Joint Ventures, und ähnliches zu fassen. Aber auch und vor allem Verhandlungen über M & A-Transaktionen des Emittenten sind Verhandlungen über Geschäftsinhalte871, unabhängig davon ob durch die Transaktion ein Bereich oder eine Beteiligung ganz oder nur teilweise verkauft bzw. gekauft wird. c) Beeinträchtigung des Ergebnisses oder des Gangs von M & A-Transaktionen Somit kommt es für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV hauptsächlich darauf an, ob und in welchem Zeitraum das Ergebnis oder der Gang der Verhandlungen durch eine Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erheblich beeinträchtigt würde. Das Regelbeispiel impliziert einerseits, dass nicht jedes öffentliche Bekanntwerden laufender Verhandlungen zur Beeinträchtigung oder zum Scheitern der Verhandlungen führen würde. Andererseits ergibt sich aus § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV, dass der Gesetzgeber hier grundsätzlich durchaus eine typische nachteilige Folge der Veröffentlichung gesehen hat, denn sonst hätte er diese Situation nicht als eines der zwei Regelbeispiele ausdrücklich fend, denn durch die Verwendung des Wortes insbesondere in der Formulierung der Richtlinie wird verdeutlicht, dass nur ein Einzelfall hervorgehoben werden, nicht aber ein Maßstab für andere Fälle festgelegt werden soll. 869 Zum Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung siehe unter Kap. B.V.2. 870 Möllers, WM 2005, 1393 (1396); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 6 WpAIV Rn 35. 871 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1904); Gunßer, S. 95.
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erwähnt. Daher ist davon auszugehen, dass die Leitung des Emittenten nur M & A-Transaktionen verhandelt, die aus Sicht der Leitung im Interesse des Emittenten bzw. seiner Aktionäre liegen. Ein berechtigtes Interesse liegt vor, so lange und soweit der Emittent den Abschluss der Transaktion als durch eine Veröffentlichung gefährdet ansieht. Der Emittent darf eine Gefährdung der Verhandlungen aber – wie auch in allen anderen Fällen, in denen ein berechtigtes Interesse grundsätzlich gegeben sein kann – nicht pauschal bejahen. Es bedarf stets einer Auseinandersetzung mit der konkreten Verhandlungssituation und den konkret zu erwartenden Folgen der Veröffentlichung. Ein berechtigtes Interesse besteht beispielsweise für die Bietergesellschaft, wenn diese konkret eine nicht akzeptable Preisveränderung oder gar ein Scheitern der Transaktion zu befürchten hat.872 Eine Preisveränderung kann vor allem im klassischen Verfahren drohen, wenn der Erwerber befürchten muss, dass es durch die Veröffentlichung zu konkurrierenden Angeboten kommt.873 Gleiches gilt, wenn sich die Verhandlungsposition nicht hinsichtlich des Preises, aber im Hinblick auf sonstige noch zu verhandelnde Konditionen wie etwa Gewährleistungen des Verkäufers verschlechtern würde. Im Auktionsverfahren kann das Argument der zu befürchtenden schlechteren Konditionen für den möglichen Erwerber hingegen keine Geltung beanspruchen, da er davon ausgehen muss, dass sämtliche potentiellen Interessenten angesprochen wurden und Teilnehmer des Verfahrens sind. Wenn die übrigen Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorliegen, entsteht für den Veräußerer im Auktionsverfahren grundsätzlich schon mit Eingang von verbindlichen Angeboten die Pflicht, die Transaktion als Insiderinformation zu veröffentlichen. Eine vorzeitige Veröffentlichung der zu erwartenden Transaktion würde dem Veräußerer aber die Möglichkeit versperren, im Rahmen der sich anschließenden Verhandlungen noch große Veränderungen zu seinen Gunsten zu erzielen. Gerade wenn der Veräußerer aber noch mit mehreren Erwerbern verhandelt, kann der Verhandlungsprozess eine erhebliche Eigendynamik gewinnen und möglicherweise ein erheblich verbessertes Ergebnis erzielt werden. Daher besteht für den Veräußerer in dieser Situation ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Sowohl im klassischen Verkaufsverfahren als auch im Auktionsverfahren kann ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse bestehen, wenn aus Sicht des Inlandsemittenten zu befürchten ist, dass mit der Veröffentlichung der Verhandlungen ein faktischer Abschlusszwang entsteht874 und die andere Seite somit ihre für den Emittenten ungünstigen Konditionen durchsetzen kann. Dieser Abschluss872 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 64; weitergehend Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 140, der jede Beeinträchtigung der Verhandlung ausreichen lassen will. 873 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1904); Veith, NZG 2005, 254 (256). 874 Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1905); Gunßer, S. 97.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
zwang muss sich nicht zwingend negativ auswirken, da er bei Veröffentlichung auch die andere Verhandlungsseite betrifft. Im Auktionsverfahren allerdings kann der Abschlusszwang auf der Erwerberseite einseitig negative Auswirkungen haben, wenn auch andere Bieter verbindliche Angebote abgegeben haben. Dann besteht für den Veräußerer die Möglichkeit den Verhandlungspartner der „exklusiven“ Verhandlungen auszuwechseln. Auch hier liegt eine Gefahr der Beeinträchtigung bzw. des Scheiterns im Sinne von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV vor. Für den Veräußerer (und in selteneren Fällen auch für den Erwerber) können auch zu erwartende öffentliche Reaktionen auf die Transaktion, vor allem wenn diese mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und der Verlagerung oder Zusammenlegung von Standorten verbunden ist, als Beeinträchtigung der Verhandlungen angesehen werden. In solchen Fällen kann zu befürchten sein, dass öffentliche Reaktionen die geplante Transaktion zum Scheitern bringen. Dies wäre womöglich in einem, wie auch immer genau gearteten, öffentlichen Interesse, ist jedoch nicht im Kapitalmarktinteresse, auf das für die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG allein abzustellen ist. Eine solche Beeinträchtigung von Verhandlungen erscheint allerdings nur bei wirklich großen Transaktionen mit der entsprechenden über den Kreis der Kapitalmarktteilnehmer und der unmittelbar von der Transaktion betroffenen Personen hinausgehenden Öffentlichkeitswirkung denkbar. 4. Möglichkeit der Selbstbefreiung, wenn Anteile des Emittenten Kaufgegenstand sind Fraglich ist, ob ein Emittent auch dann ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse geltend machen kann, wenn er nicht Erwerber oder Veräußerer, sondern selbst Kauf- bzw. Verkaufsobjekt ist. Das ist insbesondere bei der Veräußerung eines größeren Anteilspaketes eines börsennotierten Unternehmens denkbar. Der Wortlaut von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV fordert nicht, dass der Emittent an den Verhandlungen als Vertragspartei beteiligt sein muss. Daher kann der Emittent ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse auch haben, wenn der Kauf- bzw. Verkauf eines Pakets von Anteilen an ihm selbst unter seiner Einbeziehung verhandelt wird. Von den Verhandlungen über einen Anteilsverkauf erfährt der Emittent regelmäßig in konkreter Weise, wenn dem potentiellen Käufer oder den potentiellen Käufern Einblick in die Bücher gewährt werden soll (Due-diligence).875 Schon aus dem Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ergibt sich, dass der Emittent dem potentiellen Käufer nur Einblick gewähren darf, wenn die geplante Transaktion in seinem wirtschaftlichen Interesse ist.876 Es bietet sich an, diesen Maßstab, der der Leitung des 875
Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 81. Cahn, Der Konzern 2005, 5 (8); gleiches ergibt sich aus der aktienrechtlichen Schweigepflicht des Vorstandes, vgl. etwa Hüffer, AktG, § 93 Rn 8. 876
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Emittenten einen relativ weiten Ermessensspielraum lässt, auch für die Ad-hocPublizitätspflicht zu übernehmen. In den Fällen, in denen der Emittent die Duediligence zulässt, besteht daher für ihn auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Da der Käufer und Verkäufer den Emittenten regelmäßig nicht in die Details der Verhandlungen einbeziehen, ist das berechtigte Geheimhaltungsinteresse regelmäßig bis zu dem Zeitpunkt zu bejahen, zu dem die Parteien eine endgültige Einigung über den Anteilskaufvertrag erzielt haben. 5. Der Aufschub der Veröffentlichung von die Transaktion begleitenden Maßnahmen Neben der eigentlichen Transaktion können gerade auf Seite des Erwerbsinteressenten Vorgänge hinzutreten, die zwar mit der Transaktion unmittelbar zusammenhängen, aber bereits für sich genommen eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation darstellen. Zum Beispiel kann der Emittent den faktischen (aber noch nicht förmlichen) Entschluss fassen, die Akquisition aus einer Kapitalerhöhung zu finanzieren. Oder er möchte eigene Aktien erwerben, die später zur Bezahlung des Kaufpreises dienen sollen.877 Wenn solche Planungen für sich genommen ausreichendes Gewicht haben, eine nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG veröffentlichungspflichtige Information zu sein, werden die Planungen im Zusammenhang mit der Transaktion genau zu dem Zeitpunkt, in dem die Transaktion hinreichend wahrscheinlich ist, selbst Insiderinformation, da die Wahrscheinlichkeit der Durchführung der Planungen, etwa einer Kapitalerhöhung, von der Wahrscheinlichkeit der Transaktion abhängig ist. Fraglich ist, ob auch im Hinblick auf die begleitenden Planungen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht. Nach dem Wortlaut von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpHG ist das Regelbeispiel selbst nur auf die Nichtveröffentlichung der Verhandlungen und des Verhandlungsgegenstandes gerichtet. In Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie können sich die berechtigten Interessen hingegen aus der Veröffentlichung von Verhandlungen oder „damit verbundene[n] Umstände[n]“ ergeben, wenn der Ablauf der Verhandlungen beeinträchtigt würde. Die Nichtveröffentlichung von mit der Transaktion verbundenen Umständen, die selbst eine veröffentlichungspflichtige Informationen darstellen, lässt sich daher auch auf § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV stützen, wenn die Veröffentlichung dieser Umstände die verhandelte Transaktion gefährden würde.878 Dabei ist in erster Linie an die Gründe zu denken, auf die schon die Nichtveröffentlichung der geplanten Transaktion gestützt werden kann.
877
Beispiel bei Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469 (474). So auch Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469 (474) mit dem Beispiel des Erwerbs eigener Aktien, um diese bei einer Transaktion als Kaufpreis einzusetzen. 878
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Grundsätzlich kann die Formulierung von Art. 3 Abs. 1 lit. a) Durchführungsrichtlinie sogar so verstanden werden, dass die laufenden Verhandlungen noch nicht einmal selbst eine Insiderinformation darstellen müssen, damit der begleitende Umstand nicht veröffentlicht werden muss.879 Daran ist richtig, dass eine formale Anknüpfung an die Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 WpHG zur Begründung eines berechtigten Interesses nicht gefordert ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass ein transaktionsbegleitender Umstand, der selbst nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen ist, entsprechend der Voraussetzungen, die für das Entstehen einer Insiderinformation maßgeblich sind, nur genügend gewichtig sein kann, wenn die Transaktion selbst ein entsprechendes Gewicht hat.
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten des Emittenten Teil D. IV. 4. dieser Arbeit behandelt die Grundlagen zum Verhältnis von Adhoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung zu anderen Publizitätspflichten. Im Folgenden soll die „Feinabstimmung“ zwischen den Publizitätspflichten anhand von Beispielen aus den einzelnen Rechtsgebieten, aus denen sich weitere Publizitätspflichten ergeben können, veranschaulicht werden. 1. Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 Abs. 4 AktG Nach § 131 Abs. 1 AktG hat der Vorstand jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung „Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist“. Nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG kann der Vorstand die Auskunft verweigern, „soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen“. Der Wortlaut zeigt, dass sich Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG und Selbstbefreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG einheitlich auslegen lassen880. Zweifel bestehen allenfalls, wenn ein Auskunftsbegehren auf eine Insiderinformation abzielt, deren Nichtveröffentlichung gerade aufgrund von berechtigten Interessen der Kapitalmarktteilnehmer vorgenommen wurde.881 Trotz einer Vielzahl von Sonderregelungen für börsennotierte Aktiengesellschaften trifft das Aktienrecht für die Rechte der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft keine generelle Unter879
Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh § 6 WpAIV Rn 32. Ähnlich Wüsthoff, S. 159, der in einem durch ein Auskunftsbegehren verursachten Ende der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht stets einen nicht unerheblichen Nachteil im Sinne von § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG sieht. 881 Siehe zur Berücksichtigung von Nichtveröffentlichungsinteressen des Anlegerpublikums Kap. D.IV.4.c). 880
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten
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scheidung zwischen börsennotierten Gesellschaften, die zusätzlich dem kapitalmarktrechtlichen Regelungsumfeld unterfallen, und nichtbörsennotierten Gesellschaften. Die Regelung des Auskunftsrechts nach § 131 AktG findet für beide Formen unterschiedslos Anwendung. Dafür, dass auch im Falle eines Auskunftsbegehrens, das auf eine Insiderinformation abzielt, deren Nichtveröffentlichung gerade aufgrund von berechtigten Interessen der Kapitalmarktteilnehmer vorgenommen wurde, ein nicht unerheblicher Nachteil im Sinne von § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG und damit ein Auskunftsverweigerungsrecht zu bejahen ist, spricht indes die nur auf diesem Wege zu erreichende Vermeidung von Wertungswidersprüchen. Besondere Probleme kann der Anspruch auf Auskunft nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG bei der Kollision mit einer während der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft bestehenden Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht verursachen. Nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG ist jedem Aktionär auf sein Verlangen die Auskunft zu geben, die einem anderen Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär außerhalb der Hauptversammlung gegeben wurde. Im Gegensatz zum Grundtatbestand des Auskunftsanspruchs gemäß § 131 Abs. 1 AktG ist noch nicht einmal notwendig, dass das Auskunftsbegehren zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Problematisch am Auskunftsanspruch gemäß § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG ist, dass nach § 131 Abs. 4 Satz 2 AktG die Auskunftsverweigerungsgründe der § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 4 AktG keine Anwendung finden. Der Vorstand kann die Auskunft daher auch dann nicht verweigern, wenn die Erteilung der Auskunft entsprechend § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG geeignet ist, der Gesellschaft einen erheblichen Schaden zuzufügen. Obwohl dementgegen auf den Auskunftsanspruch des § 131 Abs. 4 AktG anwendbar, kann sich der Vorstand zur Verweigerung der Auskunft auch nicht entsprechend § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG auf die Strafbarkeit der Auskunftserteilung berufen. In § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG ist zwar Strafbarkeit im weiteren Sinne gemeint, so dass ausreichen würde, wenn die Auskunftserteilung ordnungswidrig wäre882. Die Veröffentlichung einer Insiderinformation durch Erfüllung des Auskunftsanspruches erfüllt zudem grundsätzlich den Ordnungswidrigkeitstatbestand von § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) WpHG. Jedoch kann der Vorstand die Pflichtenkollision, deren Vermeidung der Sinn und Zweck von § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG ist, auch abwenden, indem er die Information noch während der Hauptversammlung im Wege der Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht.883 Im Ergebnis kann der Inlandsemittent die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile nicht mehr in An882
Vgl. Spindler in: Schmidt/Lutter, § 131 Rn 71 mit weiteren Nachweisen. So etwa Verse, S. 521 f.; Bälz, S. 174; Zetzsche, S. 346 alle mit weiteren Nachweisen auch zu den vereinzelten Gegenauffassungen. 883
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
spruch nehmen, wenn die betroffene Information einem Auskunftsanspruch nach § 131 Abs. 4 AktG unterliegt. Dieses Ergebnis ist auf den ersten Blick nur schwer hinzunehmen, vor allem, weil es vom Zufall eines entsprechenden Auskunftsbegehrens abhängen könnte, ob die Selbstbefreiung noch während der Hauptversammlung endet oder nicht. Ein die berechtigten Interessen des Emittenten wahrendes Ergebnis lässt sich erreichen, wenn man mit einer im Vordringen befindlichen Auffassung den Auskunftsanspruch nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG auf Fälle beschränkt, in denen die vorherige Mitteilung der Information an einen anderen Aktionär als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53a AktG zu werten ist.884 Das ist grundsätzlich der Fall, wenn er die Auskunft gerade als Aktionär und nicht aufgrund anderer Umstände bekommen hat. Werden einem Aktionär aufgrund der Absicht, weitere Aktien zu kaufen oder sein Paket ganz oder teilweise zu verkaufen, Informationen zur Verfügung gestellt, bekommt er diese Informationen eben nicht „als Aktionär“, das heißt zur Ausübung seiner gesellschaftsrechtlichen Position.885 Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt daher den Auskunftsanspruch § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG genau in den Fällen, in denen es aus Sicht der Gesellschaftsinteressen legitim ist, einem möglichen Erwerber von Anteilen des Emittenten Zugang zu Insiderinformationen im Rahmen einer Due-diligence zu ermöglichen. In allen anderen Fällen ist dann aber auch keine Selbstbefreiung gerechtfertigt. Wenn die Umstände vorliegen, die den Auskunftsanspruch nach § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG auslösen, wird ohnehin häufig die Vertraulichkeit der betreffenden Information schon durch die unzulässige Weitergabe der Information nicht mehr gewährleistet sein. Dann ist die Selbstbefreiung nicht zulässig, ohne dass es auf eine entsprechende Nachfrage auf einer Hauptversammlung ankommt. 2. Die Ausnahme von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 10 Abs. 6 WpÜG Nach § 10 Abs. 6 WpÜG gilt § 15 WpHG nicht für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebotes im Sinne des WpÜG. Bei Angeboten im Sinne des WpÜG handelt es sich um öffentliche Angebote zum Erwerb von Aktien oder Bezugsrechten auf Aktien einer an einem organisierten bzw. regulierten Markt notierten „Zielgesellschaft“ 886. Die Regelung von § 10 Abs. 6 WpÜG hat auch zur Folge, dass sich die Frage nach dem Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Nichtveröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots nicht stellt. Über die Reichweite der Ausnahmeregelung herrscht indes Streit. Dieser Streit hängt mit der sich allgemein stellenden Frage zusammen, ob im Zusammenhang 884
Dazu Verse, S. 511 mit weiteren Nachweisen. Hüffer AktG, § 131 Rn 37. 886 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 131; Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (406). 885
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten
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mit solchen Angeboten eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Betracht zu ziehen ist. a) Extensive Auslegung der Ausnahmeregelung? Nach der herrschenden Meinung ist § 10 Abs. 6 WpÜG streng am Wortlaut orientiert auszulegen.887 Die Ausnahme von § 10 Abs. 6 WpÜG gilt demnach ausschließlich für die Information betreffend die Entscheidung zur Abgabe des Angebots. Für andere Informationen im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten gilt § 15 WpHG nach der herrschenden Meinung uneingeschränkt. Insbesondere wenn ein Emittent, der die Abgabe eines Angebots plant, vorbereitende Maßnahmen trifft, die bereits als den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen zu qualifizieren sind, ist der Emittent nach dieser Ansicht darauf angewiesen, die Möglichkeit der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG zu prüfen.888 Im Schrifttum wird dem entgegen vereinzelt vorgeschlagen, § 10 Abs. 6 WpÜG extensiv auszulegen. Nach dieser Ansicht wird die Ad-hoc-Publizitätspflicht des Bieters während der Vorbereitung einer Übernahme allgemein durch § 10 Abs. 6 WpÜG verdrängt.889 Dies entspricht der vor Inkrafttreten des AnSVG herrschenden Auffassung. Diese Auffassung hatte aber vor allem darauf beruht, dass vor Inkrafttreten des AnSVG Vorbereitungsmaßnahmen und andere mit der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes einhergehende Informationen schon nicht die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. erfüllten.890 Die Auffassung, wonach aufgrund der Regelung des § 10 Abs. 6 WpÜG sämtliche Informationen, die mit dem Übernahmeangebot zusammenhängen, nicht nach § 15 WpHG zu veröffentlichen sind, hat insbesondere eine mögliche Ad-hocPublizitätspflicht im Auge, die zu dem Zeitpunkt entstehen könnte, an dem der Vorstand die Abgabe des Übernahmeangebots beschlossen hat, die Zustimmung des Aufsichtsrates aber noch aussteht.891 Das Selbstbefreiungsverfahren habe bei solchen Vorfeldmaßnahmen für ein Übernahmeangebot keinen Nutzen, da das Ergebnis von vornherein feststehe. Insofern stelle sich auch die Frage, ob die An887 Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 75; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 134; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (652); Bachmann, ZHR 172 (2008), 597 (615); Gunßer, S. 134; in die Richtung auch BaFin, Emittentenleitfaden, S. 38 („Eine umfassende Bereichsausnahme für das Übernahmerecht sieht die Marktmissbrauchsrichtlinie nicht vor.“). 888 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (652); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 134. 889 Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (409). 890 Vgl. etwa Zimmer in: Schwark, § 15 WpHG Rn 16; Assmann in: Assmann/ Pötzsch/U. H. Schneider, § 10 Rn 79; von Riegen, ZHR 167 (2003), 702, 728 ff., jeweils mwN. 891 Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (408).
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
wendung der Selbstbefreiung und die Belastung des Emittenten mit den daraus resultierenden Pflichten verhältnismäßig sind.892 Zuletzt wird für die extensive Auslegung darauf verwiesen, dass die Annahme eines berechtigten Interesses bei Vorbereitungsmaßnahmen für Übernahmeangebote das Regel-Ausnahme Verhältnis von Ad-hoc-Publizitätspflicht zu Selbstbefreiung ins Gegenteil verkehren würde.893 b) Stellungnahme Die vereinzelt befürwortete extensive Auslegung von § 10 Abs. 6 WpÜG ist abzulehnen. Durch die Anwendung von § 15 Abs. 3 WpHG entsteht den Kapitalmarktteilnehmern entgegen der Auffassung sehr wohl ein erkennbarer Nutzen. Die eine extensive Auslegung befürwortende Auffassung übersieht, dass § 15 Abs. 3 WpHG neben dem berechtigten Interesse, welches bei Vorbereitungsmaßnahmen für Übernahmeangebote immer vorliegen mag, noch andere Voraussetzungen hat. Insbesondere erfordert die Pflicht, die Vertraulichkeit der Insiderinformation zu gewährleisten, verstärkte organisatorische Anstrengungen des Emittenten, die über das hinausgehen, was nach dem insiderrechtlichen Weitergabeverbot gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erforderlich wäre.894 Die Kapitalmarktteilnehmer genießen damit einen verstärkten Schutz, der im Falle der Nichtanwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG für die gesamte Phase der Vorbereitung des Angebotes entfiele. Dem Argument der eine extensive Auslegung von § 10 Abs. 6 WpÜG befürwortenden Ansicht, dass die regelmäßige Anwendung von § 15 Abs. 3 WpHG vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes dem Regel-Ausnahme Verhältnis zwischen Veröffentlichungspflicht und Befreiung widerspreche, ist mit dem hier vertretenen Verständnis des Verhältnisses von § 15 Abs. 1 und Abs. 3 WpHG schlicht zu entgegnen: Das behauptete Regel-Ausnahme Verhältnis existiert nicht, denn § 15 Abs. 1 WpHG und § 15 Abs. 3 WpHG sind als einheitlicher Publizitätstatbestand zu verstehen895. Gegen die extensive Auslegung lassen sich auch die vom Gesetzgeber mit § 10 Abs. 6 WpÜG verfolgten Ziele anführen. Dem Gesetzgeber ging es allein darum, doppelte Publizitätspflichten zu vermeiden.896 Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass neben der nach § 10 Abs. 1 WpÜG vorzunehmenden Veröffentlichung eines Angebots keine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen ist.897 Zur Veröffent892
Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (408). Widder/Bedkowski, BKR 2007, 405 (408). 894 Vgl. Verse, S. 529. 895 Siehe dazu Kapitel D.IV.2.c). 896 RegE WpÜG, BR-Drucks. 574/01, S. 103: „Die Regelung stellt klar, dass § 10 (WpÜG, Anm. des Verfassers) gegenüber § 15 WpHG eine ausschließliche Sonderregelung ist. Dies gilt allerdings nur in dem Umfang, in dem die Veröffentlichung nach § 10 vorgenommen wurde.“ 897 So auch Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 134; Gunßer, S. 134. 893
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten
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lichung von Vorfeldmaßnahmen ist damit aber nichts gesagt. Europarechtlich ist schon § 10 Abs. 6 WpÜG in der engeren Auslegung der herrschenden Meinung Version zweifelhaft,898 denn Art. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie sieht ebenso wenig wie die Übernahmerichtlinie899 eine solche Ausnahme vor. c) Berechtigtes Interesse bei Vorbereitung der Abgabe eines Übernahmeangebots Nach alledem ist die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 WpHG auch auf Vorbereitungsmaßnahmen im Rahmen der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebotes anwendbar. In diesem Rahmen kann eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation gegeben sein, wenn im Vorfeld bereits Verhandlungen zwischen Bieter und Zielgesellschaft stattfinden (freundliche Übernahme). Eine Veröffentlichung vor Abschluss der Verhandlungen ist nicht notwendig, da sich Verhandlungen im Kontext eines Übernahmeangebotes unter § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV subsumieren lassen. Das Bekanntwerden von Übernahmeverhandlungen führt normalerweise zu erheblichen Kursanstiegen, die die geplante Übernahme vereiteln könnten. Vordergründig sind solche Kursanstiege für die Kapitalmarktteilnehmer zwar wünschenswert. Wird das Angebot für den Bieter jedoch aufgrund der vorzeitigen Veröffentlichung zu teuer und beendet dieser das Werben um die Zielgesellschaft, lösen sich die Kursgewinne wieder in Luft auf, weil die erhofften Vorteile nicht entstehen. Da Anbieter normalerweise eine Prämie für die Übernahme der Aktien zahlen, stehen die Kapitalmarktanleger in der Summe am Ende schlechter dar, als wenn es nicht zur Vorveröffentlichung der Übernahmeverhandlungen gekommen wäre. Aus diesem Grund besteht nicht nur für den Bieter, sondern auch für die Zielgesellschaft regelmäßig ein berechtigtes Interesse, sich von der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu befreien. Finden keine Verhandlungen zwischen Bieter und Zielgesellschaft statt, kommen für Ad-hoc-Publizität und Selbstbefreiung allein vorbereitende Maßnahmen des Bieters für eine Veröffentlichungspflicht in Betracht. Diese Konstellation ist anzutreffen, wenn der Bieter ein „feindliches“ Übernahmeangebot beabsichtigt. Die Selbstbefreiung kann hier eingreifen, wenn der Vorstand des Emittenten die Abgabe eines Übernahmeangebotes beschlossen hat, die Zustimmung des Aufsichtsrates aber noch aussteht. Dann handelt es sich um den klassischen Fall eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses.900 Zum anderen kann es um die Frage gehen, ob die eine Komplettübernahme vorbereitenden Beteiligungserwerbe ver898 Zweifelnd auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (651); Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 132. 899 Richtlinie 2004/25/EG vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EG Nr. L 142. 900 Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Selbstbefreiung bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen möglich ist, vgl. schon Kap. G.II.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
öffentlichungspflichtig sind. Das aber ist eine Frage des Verhältnisses der Adhoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG zu den Mitteilungspflichten im Hinblick auf Beteiligungserwerbe nach §§ 21 ff. WpHG, auf die sogleich eingegangen wird. 3. Die Mitteilung des Beteiligungserwerbes nach §§ 21 ff. WpHG Wenn ein Emittent eine Beteiligung an einem anderen Emittenten erwirbt oder veräußert, kann dies sowohl für ihn selbst als auch für den Emittenten, der Gegenstand der Transaktion ist, eine nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG veröffentlichungspflichtige Information sein.901 Neben der Ad-hoc-Publizitätspflicht greifen im Vorfeld solcher Transaktionen auch die Regeln zur Beteiligungspublizität nach §§ 21 ff. WpHG ein. a) Die Meldepflichten nach § 21 ff. WpHG und das Entstehen der Ad-hoc-Publizitätspflicht Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG hat jeder, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 3 Prozent, 5 Prozent, 10 Prozent, 15 Prozent, 20 Prozent, 25 Prozent, 30 Prozent, 50 Prozent oder 75 Prozent der Stimmrechte an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, erreicht, überschreitet oder unterschreitet, diese Tatsache unverzüglich dem betroffenen Emittenten und gleichzeitig der BaFin mitzuteilen. Nach § 22 WpHG werden dem Meldepflichtigen dabei bestimmte, nicht direkt durch ihn gehaltene Stimmrechte zugerechnet. Nach Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes902 werden nach § 25 Abs. 1 Satz 3 WpHG die gehaltenen Stimmrechte zudem mit möglichen Stimmrechten aus vom Meldepflichtigen gehaltenen Finanzinstrumenten zusammengerechnet, die ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben. Der Emittent, dem die Berührung einer Schwelle nach § 21 WpHG mitgeteilt wurde, hat dies nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WpHG unverzüglich zu veröffentlichen. Grundsätzlich können Sachverhalte, die eine Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG und die anschließende Veröffentlichungspflicht nach § 26 WpHG auslösen, geeignet sein, zugleich die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG auszulösen. Für Erwerber oder Veräußerer von Stimmrechten gilt das indes selbstverständlich nur, wenn er selbst Inlandsemittent ist. Die Publizi901
Dazu schon Kap. G.III.2. Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12. August 2008, BGBl. I 2008, 1666 – die fragliche Regelung ist am 1. März 2009 in Kraft getreten. 902
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten
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tätspflichten aus § 15 und § 21 ff. WpHG gelten im Übrigen parallel und unabhängig voneinander.903 Zwar erfüllt nicht jede Schwellenberührung, die dem Inlandsemittenten nach §§ 21 ff. WpHG mitgeteilt werden muss, gleichzeitig die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Je größer aber die Bedeutung der Transaktion für den Erwerber- bzw. Veräußerer-Emittenten oder für den Emittenten ist, dessen Stimmrechte veräußert werden, desto eher wird eine den meldepflichtigen Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation gegeben sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn es sich für den meldepflichtigen Emittenten um den Erwerb einer strategischen Beteiligung handelt. b) Die Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität beim Beteiligungserwerb Wenn der Emittent den Erwerb einer großen Beteiligung an einem anderen Emittenten plant, kann es sein, dass die angepeilte Beteiligungsgröße nicht auf einen Schlag, sondern erst nach und nach über den Markt erworben werden kann oder soll. Hat die Beteiligung des Emittenten and dem Zielunternehmen dann schon eine „kursrelevante“ Größe erreicht, bevor die endgültig anvisierte Beteiligungsgröße erreicht ist, könnte der erwerbende Emittent zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG verpflichtet sein. Fraglich ist, ob der erwerbende Emittent in diesem Falle im Hinblick auf die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität ein berechtigtes Interesse nach § 15 Abs. 3 WpHG geltend machen kann. Wenn er die schon bestehende Beteiligung, die angepeilte Beteiligungsquote und die mit der Beteiligung verfolgten Absichten veröffentlichen müsste, wäre es sehr wahrscheinlich, dass der Preis der zu erwerbenden Aktien nach der Veröffentlichung in die Höhe getrieben wird. Es besteht die Möglichkeit, dass sich der Erwerb zum Schaden des erwerbenden Emittenten und seiner Aktionäre erheblich verteuert bzw. ganz unmöglich wird. Insoweit könnte gemäß § 15 Abs. 3 WpHG ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse für den Emittenten bestehen. Ein berechtigtes Interesse besteht in diesem Fall aber nur, wenn der meldepflichtige Emittent die Insiderinformation nicht aufgrund anderer Vorschriften offen legen muss. Insofern ist zu differenzieren. Nach §§ 21 ff. WpHG ist der Erwerber von Stimmrechtsanteilen verpflichtet, das Erreichen oder Überschreiten bestimmter Schwellenwerte des Stimmrechtsanteils dem Zielunternehmen mitzuteilen, welches diese Mitteilungen wiederum zu veröffentlichen hat. Die betreffenden Pflichten werden alleine durch das Erreichen der Schwellen ausgelöst. Für das Auslösen der Ad-hoc-Publizitätspflicht muss der der Schwellenberührung zu Grunde liegende Sachverhalt die Kriterien nach § 15 Abs. 1 WpHG er903 Vgl. dazu nur Hirte in: Kölner Kommentar, § 21 Rn 56, 57; U. H. Schneider in: Assmann/U. H. Schneider, Vor § 21 Rn 34 f.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
füllen; insbesondere ist nicht jede Beteiligung eines Inlandsemittenten an einem anderen börsennotierten Unternehmen, bzw. die Vergrößerung oder Verkleinerung einer existierenden Beteiligung, ohne weiteres kursrelevant.904 Dass eine Beteiligung kursrelevant ist, kann sich im Einzelfall beispielsweise aus der bilanziellen Bedeutung der Beteiligung für den Emittenten aber genauso aus der etwaigen strategischen Relevanz der Beteiligung ergeben. Da ein solcher Erwerb zumindest im Hinblick auf die Schwellenberührung auch nach §§ 21, 26 WpHG zu veröffentlichen wäre, kommt im Hinblick auf diese Information keine Selbstbefreiung in Betracht. Somit wird der Emittent je nach Bedeutung des Zielunternehmens z. B. bei Überschreitung einer Schwelle von 10 Prozent eine Ad-hocMitteilung veröffentlichen müssen. Dies ist für den erwerbenden Emittenten, der eine erhebliche Beteiligung an einem anderen Emittenten oder eventuell sogar die Abgabe eines Übernahmeangebots anstrebt, keine zusätzliche Erschwernis, da der Erwerb der Anteile ohnehin nach § 26 WpHG durch das Zielunternehmen veröffentlicht wird. Fraglich ist aber, ob der erwerbende Emittent in seiner Ad-hoc-Mitteilung schon das endgültige Ziel des Beteiligungserwerbs veröffentlichen muss. Dieses Ziel kann z. B. der Erwerb von 25 Prozent (und damit einer Sperrminorität für viele wichtige Entscheidungen des Erwerbsobjektes) oder sogar ein Anteil von 30 Prozent oder mehr mit anschließendem Pflichtangebot nach § 35 WpÜG für die Übernahme der übrigen Anteile sein. Die öffentliche Bekanntgabe des Ziels würde dessen Erreichung aber noch mehr erschweren (d.h. verteuern), als dies ohnehin schon aufgrund der Veröffentlichung der Schwellenberührung nach §§ 21, 26 WpHG und der diesbezüglichen Ad-hoc-Mitteilung der Fall ist. Der Emittent kann im Hinblick auf das endgültige Ziel des Beteiligungsaufbaus, auch wenn er eine schon bestehende Beteiligung publizieren musste, ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG geltend machen. Das gilt aber nur, solange in dieser Hinsicht keine konkurrierenden Veröffentlichungspflichten bestehen. Für diese Konstellation bringt die durch das Risikobegrenzungsgesetz in § 27a WpHG ab dem 31. Mai 2009 geltende Neuregelung eine Änderung.905 Danach hat der Meldepflichtige ab dem Erreichen eines Stimmrechtsanteils von 10 Prozent an dem Unternehmen, an dem die Beteiligung erworben wurde, die mit dem Erwerb verbundenen Ziele und die Herkunft der für den Erwerb verwendeten Mittel innerhalb von 20 Tagen mitzuteilen. In § 27a Abs. 1 Satz 3 WpHG präzisiert das Gesetz, welche Angaben im Hinblick auf die Ziele zu machen sind – im Wesentlichen geht es um die Absichten des Erwerbers.906 Der Emittent, der Ge904 Natürlich ist auch der umgekehrte Fall möglich, d.h., dass eine Beteiligung ohne jegliche Berührung der in § 21 WpHG festgelegten Schwellen ad-hoc-publizitätspflichtig ist; vgl. dazu etwa Dehlinger/Zimmermann in: Fuchs, § 22 Rn 33. 905 Dazu RegE, RisikobegrenzungsG BT-Drucks. 16/7438, S. 12 f.
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten
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genstand des Beteiligungserwerbes ist, hat diese Absichten und die Angaben zur Herkunft der Mittel anschließend gemäß §§ 27a Abs. 2, 26 WpHG zu veröffentlichen.907 Die Satzung des börsennotierten Unternehmens kann nach § 27a Abs. 2 WpHG allerdings eine Regelung enthalten, nach der in dem Unternehmen auf die Anwendung von § 27a WpHG verzichtet wird („opt-out“). Wenn die Satzung des Beteiligungsziels eine solche Ausnahme nicht enthält, stellt sich insbesondere die Frage, ob sich der Erwerber – sollte er Inlandsemittent sein – im Hinblick auf die mit der Beteiligung verbundenen Pläne und Absichten, die nach § 27a WpHG mitzuteilen sind, auf ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nach § 15 Abs. 3 WpHG berufen kann. Dafür könnte sprechen, dass Verstöße gegen § 27a WpHG nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ohne Sanktion bleiben.908 Damit hat der Gesetzgeber die Einhaltung der Pflicht aus § 27a WpHG aber nicht in das Ermessen des Adressaten stellen wollen. Eine indirekte Sanktionierung der Verletzung von § 27a WpHG wird denn auch im Schrifttum für möglich gehalten, nämlich etwa, wenn das Verhalten des Mitteilungspflichtigen zum Beispiel zugleich den Tatbestand der Marktmanipulation nach § 20a WpHG erfüllt.909 Eine ähnliche Ausstrahlungswirkung von § 27a WpHG ist im Falle der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu befürworten. Greift also § 27a WpHG ein, besteht dann nur für maximal 20 Handelstage nach der Auslösung der Mitteilungspflicht gemäß § 27a WpHG im Hinblick auf die nach dieser Vorschrift zu veröffentlichenden Informationen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nach § 15 Abs. 3 WpHG, wenn die Ziele des Erwerbes auch für den Erwerber die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllen. c) Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Vorbereitungsmaßnahmen für den Aufbau einer großen Beteiligung In jüngster Vergangenheit waren Übernahmeversuche mit börsennotierten Unternehmen als Ziel zu beobachten, bei denen sich der potentielle Erwerber des Unternehmens durch Einsatz verschiedener Strategien eine erhöhte Chance darauf sichert, dass ihm eine erhebliche Beteiligung in einer die finanziellen Ressourcen des Bieters schonender Weise angedient wird. Dabei sind diese vorbereitenden Maßnahmen so gestaltet gewesen, dass ihr Einsatz keine Mitteilung nach § 21 WpHG und Veröffentlichung nach § 26 WpHG erforderlich macht. 906 Uwe H. Schneider in: Assmann/U. H. Schneider, § 27a WpHG Rn 12; dort auch näher zu den einzelnen Angaben, die der Erwerber machen muss. 907 Eine Ausnahme besteht nach § 27a Abs. 3 WpHG für den Fall, dass die Satzung des Beteiligungsziels einen Verzicht auf dieses Auskunftsrecht enthält. 908 RegE, RisikobegrenzungsG BT-Drucks. 16/7438, S. 13. 909 Querfurth, WM 2008, 1957 (1962); Uwe H. Schneider in: Assmann/U. H. Schneider, § 27a WpHG Rn 30 mwN; dagegen etwa Pluskat, NZG 2009, 206 (209).
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
Das Vorgehen des Bieters ist dabei zumindest auch von der Absicht geprägt, die Auslösung von Stimmrechtsmitteilungspflichten und damit das Bekanntwerden des Beteiligungsaufbaus zu vermeiden. Ein prominentes inländisches Beispiel für eine solche Vorgehensweise ist die Übernahme des Automobilzulieferers Continental AG durch das nicht börsennotierte Familienunternehmen Schaeffler KG. Die Schaeffler KG hatte sich, ohne dass zuvor auch nur eine Beteiligung von drei Prozent gemeldet wurde (soweit sich dies durch die öffentlich zugänglichen Informationen beurteilen lässt), die Chance gesichert, dass ihr im Rahmen eines freiwilligen Übernahmeangebotes ca. dreißig Prozent der Aktien der börsennotierten Continental AG angedient werden. Ermöglicht wurde dies durch den Einsatz von so genannten Cash Settled Equity Swaps, die die Schaeffler KG mit einer Vielzahl von Banken abgeschlossen hatte. Zu einem solchen, auch „Anschleichen“ genannten Vorgehen, eignet sich dieses Instrument deswegen, weil es für die Banken, die bei solchen Swap-Geschäften Vertragspartner sind, zwar nicht rechtlich verpflichtend, wirtschaftlich aber häufig zwingend sein wird, dem Geschäftspartner Anteile am Übernahmeziel anzudienen, wenn dieser mittels Cash Settled Equity Swaps das Ziel verfolgt, eine größere Beteiligung zu erwerben oder ein Übernahmeangebot abzugeben.910 An dieser Stelle ist nicht darauf einzugehen, ob in einem solchen Vorgehen ein Verstoß gegen die § 21 ff. WpHG in seiner jetzigen Fassung zu sehen ist.911 Geht man mit der BaFin jedoch davon aus, dass kein Fall der Meldepflicht von §§ 21 ff. WpHG vorlag, drängt sich die Frage auf, ob einer im Falle der Continental AG praktizierten Form des „Anschleichens“ eine Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG im Wege stände, wenn der Käufer als Inlandsemittent unter die Ad-hoc-Publizitätspflicht fällt. Die wirtschaftliche Zugriffschance des Käufers lässt sich auch unter Einsatz von Cash Settled Equity Swaps nicht auf einen Schlag aufbauen. Im Falle der Continental AG war hierfür dem Vernehmen nach ein Zeitraum von fast zwei Monaten notwendig.912 Wenn die erstrebte Beteiligung oder Übernahme eine entsprechende finanzielle und betriebliche Bedeutung für den Emittenten hätte, kommt es für die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG nicht darauf an, ob eine rechtliche Zugriffsmöglichkeit besteht, etwa durch Ausübung einer Option, oder ob die Zugriffsmöglichkeit nur wirtschaftlich und nicht rechtlich zwingend ist. Die Regelung von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG knüpft im Unterschied zu §§ 21 ff. WpHG nicht
910
Näher dazu etwa Fleischer/Schmolke, ZIP, 2008, 1501(1505 f.). Einen Verstoß bejahend z. B. U. H. Schneider/Brouwer, AG 2008, 557 (563 f.), in die Richtung auch Zetzsche, CBC-Paper Nr. 39, S. 25; dagegen Fleischer/Schmolke, ZIP, 2008, 1501(1505 f.) und BaFin, Pressemitteilung vom 21. August 2008, abrufbar unter http://www.bafin.de/cln_116/nn_722758/SharedDocs/Mitteilungen/DE/Service/PM__ 2008/pm__080821__conti.html, abgerufen am 13. Mai 2010. 912 Vgl. Übernahmeangebot der Schaeffler KG, S. 15, zitiert nach Zetzsche, CBCPaper Nr. 39, S. 11. 911
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten
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an formale, abschließend geregelte Bedingungen, nämlich die Berührung fester Schwellenwerte, sondern an die materielle Wesentlichkeit der Information an.913 Zum Vorliegen einer veröffentlichungspflichtigen Information reicht somit aus, dass mit Abschluss der Swap-Geschäfte eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die spätere Andienung der Aktien gegeben ist. Unbeachtet der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ist dies beim Einsatz von Cash Settled Equity Swaps der Fall, wenn im übrigen eine ausreichende finanzielle und/oder betriebliche Bedeutung der angestrebten Beteiligung gegeben ist. Zudem ist es auch als eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation zu bewerten, wenn der Aufbau der Swap-Positionen eine bedeutsame Größe erreicht hat. Auch das kann der Fall sein, bevor die endgültig beabsichtigte Schwelle erreicht wird, da schon die Zugriffsmöglichkeit auf eine Beteiligung von 10 Prozent, abhängig vom Gewicht des Beteiligungszieles für den Käufer, als preiserhebliche Information einzustufen sein kann. Durch das Entstehen einer Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vor Abschluss der angestrebten Gesamtmenge an Cash Settled Equity Swaps könnte die mit diesem Vorgehen angestrebte Transaktion indes insgesamt gefährdet werden. Die Aktien des Beteiligungsziels würden sich bei einer Veröffentlichung in ähnlicher Weise verteuern, als ob der Käufer sich die Aktien schrittweise direkt gesichert hätte. Je nach Einzelfall bestünde auch die Gefahr, dass ein konkurrierendes Angebot vorgelegt würde oder das Zielunternehmen Abwehrmaßnahmen gegen die feindliche Übernahme ergreift. Wäre ein nicht unter die Beteiligungstransparenz von §§ 21 WpHG fallendes Unternehmen Ziel des Beteiligungs- bzw. Übernahmeversuches, hätte der Käufer-Emittenten wegen dieser Gefahren ein im Sinne von § 15 Abs. 3 WpHG berechtigtes Interesse und könnte bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen sich von der Ad-hoc-Publizitätspflicht befreien. Das Vorliegen dieser Situation ist denkbar, wenn das Zielunternehmen an einem nicht organisierten Markt notiert ist und die Mitteilungspflichten der §§ 21 ff. WpHG keine Anwendung finden. Fraglich ist, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, das die Interessen des Kapitalmarktes an der Veröffentlichung überwiegt, auch vorliegt, wenn die zu veröffentlichende Insiderinformation eine rechtlich zulässige „Umgehung“ der Beteiligungspublizität nach §§ 21 ff. WpHG darstellt. Für das Überwiegen des Kapitalmarktinteresses an der Veröffentlichung könnte man anführen, dass die Geheimhaltung der Swap-Positionen, wenn darin nicht schon ein Verstoß gegen §§ 21 ff. WpHG gesehen wird, dann doch gegen den allgemeinen Sinn und Zweck der Beteiligungstransparenz verstößt. Dieser besteht darin, dem Kapitalmarkt Informationen über die Kontrollstrukturen bör-
913 Zur Abgrenzung von formeller und materieller Wesentlichkeit als Unterscheidungskriterium für Informationspflichten Zetzsche, S. 229.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
sennotierter Gesellschaften zu geben.914 In § 15 Abs. 3 WpHG bzw. § 6 Satz 1 WpAIV sind aber die Kapitalmarktinteressen an der Veröffentlichung ausschließlich im Hinblick auf den Emittenten zu beurteilen, der den Erwerb mittels Cash Settled Equity Swaps beabsichtigt. Das Kapitalmarktinteresse richtet sich auf die Verhinderung von Insiderhandel und die Ergänzung der Transparenz des erwerbenden Emittenten selbst. Welche Transparenzinteressen der Kapitalmarkt an Informationen über Dritte, z. B. dem Beteiligungsziel hat, ist im Rahmen der Abwägung von § 6 Satz 1 WpAIV nicht zu berücksichtigen. Aus Sicht von § 15 Abs. 3 WpHG ist es ein (bedeutungsloser) Zufall, dass das Beteiligungsziel selbst ein börsennotiertes und unter §§ 21 ff. WpHG fallendes Unternehmen ist. Für die Bejahung eines berechtigten Geheimhaltungsinteresse spricht zudem, dass börsennotierten Unternehmen damit dieser Weg des „Anschleichens“ versperrt wäre, während nicht börsennotierte Unternehmen sich – vorbehaltlich einer Änderung der Vorschriften über die Beteiligungstransparenz in §§ 21 ff. WpHG – nach wie vor dieser Strategie bedienen können. 4. Regelpublizität Die Regelpublizitätspflicht von Inlandsemittenten hat ihre Grundlage in §§ 37v ff. WpHG. Danach haben Emittenten Jahres- und Halbjahresfinanzberichte sowie Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung oder Quartalsberichte zu veröffentlichen. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Regelpublizitätspflicht auf die Möglichkeit der Selbstbefreiung hat, wenn eine Insiderinformation im Rahmen der Erfüllung der Regelpublizitätspflicht ohnehin zu veröffentlichen ist. Dazu wird die Ansicht vertreten, dass Geschäftszahlen, welche die Voraussetzungen einer Insiderinformation erfüllen, aufgrund einer Selbstbefreiung nicht sofort nach ihrer Ermittlung zu veröffentlichen sind. Der Emittent müsse solche Geschäftszahlen, wenn diese erst kurz vor dem durch den Finanzkalender avisierten Veröffentlichungstermin feststehen, zum geplanten Zeitpunkt der Veröffentlichung des betreffenden Berichts veröffentlichen.915 Hierfür sprächen die Ziele der Unternehmenskommunikation, insbesondere der presseorientierten Öffentlichkeitsarbeit.916 Außerdem verweist diese Ansicht darauf, dass durch die vorzeitige Veröffentlichung von Unternehmenskennzahlen Kleinanlegern die Chance genommen würde, ähnlich schnell wie professionelle Anleger auf die Veröffentlichung zu reagieren. Das widerspräche dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Anleger.917 Zudem beruhten die Ursachen von Abwei914 Zu den Zielen der Beteiligungspublizität der §§ 21 ff. WpHG Heinrich, S. 64 f.; Hirte in: Kölner Kommentar, § 21, Rn 3–5; U. H. Schneider in: Assmann/U. H. Schneider, Vor § 21 Rn 12–19c. 915 Cahn/Götz, AG 2007, 221 (223). 916 Cahn/Götz, AG 2007, 221 (223). 917 Cahn/Götz, AG 2007, 221 (224).
IV. Selbstbefreiung und andere Publizitätspflichten
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chungen von bereits öffentlichen Planzahlen als möglicher Auslöser der Ad-hocPublizitätspflicht häufig auf komplexen Vorgängen. Solche Vorgänge bedürften einer näheren Erläuterung, wie sie nur in Presse- und Analystenveranstaltungen möglich sei.918 Ohne dass diese Meinung es ausdrücklich feststellt, bewirkt sie bei konsequenter Anwendung letztendlich, dass die Auslegung des berechtigten Interesses zumindest bei Planabweichungen und anderen kurserheblichen Aspekten der Regelberichterstattung kurz vor dem im Finanzkalender angegebenen Veröffentlichungstermin eines Berichtes quasi einen Vorrang der Regelpublizität vor der Ad-hoc-Publizität ermöglicht.919 Die herrschende Meinung geht hingegen davon aus, dass die Ad-hoc-Publizität den schnellen Zugang zur Information gerade zwischen den Stichtagen der Regelpublizität sicherstellen soll.920 Für die Bewertung der Ansicht, dass die Veröffentlichung kurserheblicher Teile der im Rahmen Regelpublizität ohnehin zu veröffentlichenden Informationen gemäß § 15 Abs. 3 WpHG bis zum geplanten Veröffentlichungszeitpunkt aufgeschoben werden dürfe, kommt es darauf an, ob ein solcher Aufschub mit den der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG zugrunde liegenden Wertungen in Einklang steht. Dies ist nicht der Fall.921 Gegen den Aufschub der Veröffentlichung wichtiger Geschäftszahlen u. ä. bis zum durch den Finanzkalender festgelegten Zeitpunkt spricht zunächst schon, dass die eine diesbezügliche Selbstbefreiung befürwortende Ansicht schon im Ansatz eine erhebliche Rechtsunsicherheit in sich birgt. Ein berechtigtes Aufschubinteresse bejaht sie nur, wenn der Zeitpunkt der Berichtsveröffentlichung „kurz“ bevor steht. Damit stellt sich die Frage, welcher Zeitraum in diesem Sinne als „kurz“ zu werten ist. Vor allem aber vermag die sachliche Begründung des Aufschubs nicht zu überzeugen. Einerseits ist festzuhalten, dass trotz der teils vorzeitigen Bekanntgabe von wichtigen Einzelaspekten der Berichte eines Emittenten weiterhin Bilanzpressekonferenzen und Analystenveranstaltungen abgehalten werden. Eine presseorientierte Öffentlichkeitsarbeit existiert somit auch in der gegenwärtigen Situation, in der, soweit ersichtlich, die meisten Unternehmen vor der Veröffentlichung von Abschlüssen kurserhebliche Informationen separat als Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen, auch wenn dies lediglich „kurz“ vor der avisierten Veröffentlichung des Abschlusses geschieht. Auch ist nicht von Belang, dass Kleinanlegern durch eine 918
Cahn/Götz, AG 2007, 221 (224). Für einen solchen Vorrang ansonsten nur die Begründung des RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 48; es liegt allerdings nahe, dass es sich bei dieser Einordnung des Gesetzgebers nur um ein Versehen handelte (dazu Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 35). 920 Zum Beispiel: BaFin, Emittentenleitfaden, S. 59; Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Rn 130; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 35. 921 So i. E. auch Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 390, der eine verzögerte Veröffentlichung unter dem Gesichtspunkt des Irreführungsverbotes ablehnt. 919
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
vorzeitige Ad-hoc-Veröffentlichung statt durch Veröffentlichung im Wege der Regelberichterstattung gegenüber professionellen Anlegern benachteiligt werden. Professionelle Anleger sind sowohl was Zugriff auf die Information als auch was die korrekte Bewertung der Information betrifft auch bei der Auswertung der Regelberichterstattung gegenüber Kleinanlegern im Vorteil. Ein zusätzlicher Nachteil der unerwarteten Ad-hoc-Publizität fällt, wenn er überhaupt existiert, kaum ins Gewicht. Selbst wenn die behauptete Benachteiligung im Vergleich zur Regelberichterstattung gegeben wäre, so ist diese doch der Ad-hoc-Publizitätspflicht insgesamt innewohnend und von daher in Kauf zu nehmen. Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber für das Insiderrecht nicht den Kleinanleger, sondern den verständigen Anleger zu seinem Leitbild erklärt hat.922 Zudem wird die diesem Argument zu Grunde liegende Annahme, dass sich Kleinanleger extra für die avisierte Veröffentlichung eines Finanzberichts Zeit nehmen, um schnell adäquat reagieren zu können, eher selten zutreffen. Zumindest soweit es sich um berufstätige Kleinanleger handelt, dürfte häufig das Gegenteil gelten, da die Veröffentlichungen der „Kennzahlen“ eines Emittenten im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung zumeist vormittags und damit während der allgemein üblichen Arbeitszeiten stattfindet. Der von der Gegenauffassung angesprochene Gleichbehandlungsgrundsatz ist zutreffenderweise vorrangig als Gebot zur Wahrung von Chancengleichheit zu verstehen.923 Dieses Verständnis des Grundsatzes der Chancengleichheit spiegelt sich im Übrigen auch bei der Veröffentlichung einer Information im Wege der Ad-hoc-Publizität wider: Die Herstellung der von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG angestrebten Bereichsöffentlichkeit ermöglicht jedem interessierten Anleger eine schnelle Wahrnehmung der Information. Dass der Anleger die Information auch verarbeiten und schnellstmöglich in eine Anlageentscheidung umsetzen kann, liegt in der Verantwortung des Anlegers selbst. Ebenso rechtfertigt der Einwand, dass es sich bei Abweichungen von Planzahlen häufig um erörterungsbedürftige Vorgänge mit komplexen Ursachen handele, den Aufschub der Veröffentlichung nicht. Auch die Angaben in einer Ad-hocMitteilung müssen so gefasst sein, dass sie – gegebenenfalls mit erforderlichen Erläuterungen – ohne vertiefte Vorkenntnisse des Sachverhaltes verstanden werden können.924 Den Anlegern bleibt es nach Kenntnisnahme vom Inhalt der Adhoc-Mitteilung zudem selbst überlassen, ob sie eine weitere Erörterung der Ergebnisse durch den Vorstand zur Entscheidung über die weitere Anlagestrategie abwarten oder ob ihnen der Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung ausreicht. In Fällen, in denen die ad-hoc-pflichtige Information ohnehin alsbald im Rahmen der Regel922
Siehe dazu unter B.IV.4.b) oben und B.IV.4.c). Dazu Mehringer, S. 157; ausführliche Herleitung dieses Grundsatzes bei Zetzsche, S. 283 ff. 924 Versteegen in: Kölner Kommentar, § 15 Anh. – § 5 WpAIV Rn 12; zur Darstellung einer zu veröffentlichenden Information näher auch BaFin, Emittentenleitfaden, S. 68. 923
V. Ankündigung bzw. Durchführung wichtiger Personalveränderungen
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berichterstattung des Emittenten veröffentlich würde, liegt demnach kein berechtigtes Interesse gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG vor.
V. Ankündigung bzw. Durchführung wichtiger Personalveränderungen Börsennotierte Unternehmen werden in besonders starkem Maße von den für die Leitung des Unternehmens verantwortlichen Personen geprägt. Daher ist unstrittig, dass (zumindest) ein Wechsel des Vorstands- oder Aufsichtsratsvorsitzenden einer börsennotierten Aktiengesellschaft eine Information sein kann, die eine Ad-hoc-Publizitätspflicht auslöst.925 1. Der Zeitpunkt des Entstehens der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG Allgemein gilt, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht erst gegeben ist, wenn die Insiderinformation als Tatsache feststeht. Ausreichend ist bereits, dass der zukünftige Eintritt des betreffenden Umstands oder Ereignisses hinreichend wahrscheinlich ist.926 Diese Erkenntnis ist insbesondere für die Fallgruppe „wichtige Personalveränderungen“ von Bedeutung. Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass etwa der Aufsichtsrat einer AG als das Organ, das für die Besetzung des Vorstandes zuständig ist, eine Entscheidung über die personelle Leitung eines Emittenten in den meisten Fällen nicht ohne eine gewisse Vorbereitung fällt. Die Vorbereitung kann in der Prüfung der Vorfragen bestehen, ob eine Umbzw. Neubesetzung des Vorstandes erforderlich erscheint. Sodann schließt sich die Suche nach möglichen Kandidaten an. Nicht immer wird der Aufsichtsrat indes auf eigene Initiative handeln. Natürlich steht es auch dem Vorstand frei, seinen Posten niederzulegen bzw. eine Niederlegung anzukündigen. Fraglich ist, ob und wann diese vorbereitenden Maßnahmen als veröffentlichungspflichtige Insiderinformation gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG anzusehen sind. Zu diesem Fragenkomplex hat die Rechtsprechung schon verschiedentlich Stellung nehmen müssen. Den Entscheidungen lag jeweils der Rücktritt des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Chrysler AG (heute Daimler AG) Schrempp zu Grunde. Aufgrund der vorliegenden Gerichtsentscheidungen stellt sich der Sachverhalt (vereinfacht und verkürzt) wie folgt dar:927
925 Vgl. nur BGH, BB 2008, 858; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 57; Assmann in: Assmann/U. H. Schneider, § 15 Rn 89; Pfülller in: Fuchs, § 15 Rn 217; Möllers, WM 2005, 1393 (1397); Fleischer, NZG 2007, 401 (403). 926 Dazu näher schon unter Kap. C.II.3.b). 927 Im Wesentlichen nach OLG Stuttgart, NZG 2007, 352.
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
Der Aufsichtsrat der Daimler AG beschloss in der Sitzung vom 28. Juli 2005, dass der damalige Vorstandsvorsitzende Schrempp zum 31.12.2005 aus dem Amt ausscheiden und Herrn Zetsche neuer Vorstandsvorsitzender werden solle. Nach Vorabmitteilungen gegenüber den Geschäftsführungen der Börsen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfolgte die Veröffentlichung der Adhoc-Mitteilung. Die Mitteilung führte zu einem merklichen Anstieg des Kurses der Daimler Aktie. Eine größere Anzahl von Aktionären, die zu verschiedenen Zeitpunkten vor der Veröffentlichung der Mitteilung ihre Aktien zu niedrigeren Kursen verkauft hatten, verklagte die Daimler AG daraufhin auf Schadenersatz. Dem Aufsichtsratsbeschluss zum Ausscheiden von Herrn Schrempp war eine Vielzahl vorbereitender Schritte vorausgegangen, wobei die Initiative für die Neubesetzung des Vorsitzes des Vorstandes augenscheinlich von Schrempp selbst ausgegangen war. Nach der Hauptversammlung vom 6.4.2005 trug Herr Schrempp sich zunehmend mit dem Gedanken, vor Ablauf seiner bis in das Jahr 2008 reichenden Bestellung aus dem Vorstand auszuscheiden. Am 17.5.2005 diskutierte Schrempp seine Überlegungen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Kopper. Am 1.6.2005 wurden zwei weitere Aufsichtsratsmitglieder über die Pläne informiert. Spätestens am Rande der Vorstandssitzung vom 15.6.2005 setzte Herr Schrempp seinen Nachfolger Zetsche von seinen Überlegungen in Kenntnis. Am 27. Juli 2005 fand am frühen Abend eine Sitzung des Präsidialausschusses statt, an der neben dem Vorsitzenden Kopper dessen Stellvertreter und zwei weitere Mitglieder teilnahmen. Um 19.30 Uhr desselben Tages wurden die anderen Aufsichtsratsmitglieder informiert. Das OLG Stuttgart hat in seiner Musterentscheidung im Verfahren von Anlegern gegen die Daimler AG wegen der behaupteten verspäteten Bekanntgabe des Rücktritts des Vorstandsvorsitzenden zunächst entschieden, dass im speziellen Fall die Information erst hinreichend wahrscheinlich war, als der Aufsichtsrat am morgen des 28. Juli 2005 über die Demission und die Nachfolgeregelung entschied.928 Demnach wäre die Ad-hoc-Mitteilung rechtzeitig veröffentlicht worden. Das ergab sich nach Ansicht des OLG hauptsächlich daraus, dass die an den Vorgängen beteiligten Personen eine „gesamthafte Lösung“ des Ausscheidens von Schrempp zusammen mit einer gleichzeitigen Nachfolgeregelung wollten. Dem hat der BGH grundsätzlich zugestimmt, die Entscheidung des OLG Stuttgart aus prozessualen Gründen allerdings trotzdem aufgehoben.929 Auch in seiner erneuten Entscheidung versagte das OLG Stuttgart die von den Klägern geltend gemachten Schadenersatzansprüche. Zwar stellte das OLG nach Beweisaufnahme fest, dass das Ausscheiden von Schrempp schon am Vorabend des Auf928
OLG Stuttgart, NZG 2007, 352. BGH, BB 2008, 858; der BGH kritisierte vor allem die Interpretation des klägerseitigen Vortrages durch das OLG Stuttgart. Der Kläger habe entgegen der Ansicht des OLG Stuttgart an seiner Behauptung festgehalten, dass Schrempp schon im Mai 2005 eine einseitige Rücktrittserklärung abgegeben habe. 929
V. Ankündigung bzw. Durchführung wichtiger Personalveränderungen
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sichtsratsbeschlusses eine grundsätzlich gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichende Insiderinformation gewesen sei, denn die Zustimmung des Aufsichtsrats zum Ausscheiden von Schrempp sei ab diesem Zeitpunkt hinreichend wahrscheinlich gewesen.930 Das OLG Stuttgart vertritt jedoch die Ansicht, dass sich die Beklagte Daimler AG bis zur eigentlichen Veröffentlichung der Ad-hocMitteilungen auf die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpGHG berufen durften.931 Dementgegen hat das OLG Frankfurt im Bußgeldverfahren zum gleichen Sachverhalt entschieden, dass eine Insiderinformation schon vorlag, als die Rücktrittsabsicht des Vorstandsvorsitzenden Schrempp nach außen zu Tage trat.932 Das war jedenfalls offenbar nach den Ermittlungen der BaFin schon im Mai 2005 der Fall. Überdies lässt sich der Entscheidung des OLG Frankfurt entnehmen, dass mangels Entscheidung des Emittenten auch keine Berufung auf die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Betracht gekommen wäre.933 Wohl auch angesichts dieser vom OLG Frankfurt als Hinweis für die erneute Verhandlung vor dem erstinstanzlich zuständigen AG Frankfurt erteilten Rechtshinweise nahm die Daimler AG im Anschluss an die Entscheidung des OLG Frankfurt ihren Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid der BaFin zurück, bevor es zu einer erneuten Verhandlung vorm dem AG Frankfurt kommen konnte.934 Aufgrund der abweichenden Rechtswege für das Bußgeld- und das Zivilverfahren ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung in dieser Frage gespalten ist und zunächst auch bleiben wird. Folgt man der Auffassung des OLG Frankfurt, entstünde die Ad-hoc-Publizitätspflicht deutlich vor dem vom OLG Stuttgart als richtig angesehenen Zeitpunkt. Hinsichtlich dieser Frage erscheint die Ansicht des OLG Frankfurt vorzugswürdig. Auch wenn sich eine alternative Lösung des Falles ohne genaue Kenntnis der tatsächlichen Vorgänge verbietet,935 so ist doch die Auffassung abzulehnen, dass der Rücktritt im konkreten Fall – aber auch eines Vorstandsmitglieds allgemein – erst mit Zustimmung des Aufsichtsrates hinreichend wahrscheinlich wurde. Das gilt auch, wenn kein einseitiger Rücktritt sondern eine gesamtheitliche Nachfolgelösung beabsichtigt war. Jedenfalls ist die vom OLG Stuttgart gegebene Begründung für das späte Entstehen der Ad-hocPublizitätspflicht nicht tragfähig. Mit dem Abstellen auf eine „gesamthafte Lösung“ verlegt die Rechtsprechung den Zeitpunkt des Entstehens einer Insiderinformation und damit auch der Veröffentlichungspflicht zu weit nach hinten.936 930
OLG Stuttgart, NZG 2009, 624, 626. OLG Stuttgart, NZG 2009, 624, 630. 932 OLG Frankfurt WM 2009, 647 (648); die Frage noch offen lassend die Vorinstanz des Bußgeldverfahrens, AG Frankfurt, Kurzwiedergabe in BB 2008, 1965. 933 Dazu näher oben unter Kap. E.IV. 934 Bgl. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/daimler-akzeptiert-200000-euro-bussgeld;2285204, abgerufen am 8. Mai 2010. 935 So auch Fleischer, NZG 2007, 401 (406). 931
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
Zwar ist nach § 84 Abs. 3 AktG der Aufsichtsrat für den Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern zuständig. Jedoch ist auch die einseitige Amtsniederlegung jederzeit möglich.937 Selbst eine solche formelle Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat ist aber nicht Voraussetzung dafür, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht entsteht.938 Natürlich steht es dem Vorstandsmitglied, das sich mit Rücktrittsabsichten trägt, frei, eine eigene Vorstellung vom Ablauf des Verfahrens zu haben. Der betreffende Vorstand kann in Absprache mit den involvierten Personen – so die Argumentation des OLG Stuttgart im Falle Schrempp – die förmliche Beschlussfassung über den Rücktritt mit der förmlichen Beschlussfassung über die Nachfolge verknüpfen. Hinsichtlich der Frage, ab wann eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation vorliegt, ist aber zu berücksichtigen, dass es als ausgeschlossen gelten kann, dass der Aufsichtrat eines börsennotierten Unternehmens das Rücktrittsgesuch des Vorstandsvorsitzenden dauerhaft ablehnt. Wenn ein Vorstandsmitglied sich einmal zum Rücktritt entschlossen hat, wird dies für den Aufsichtsrat bei realistischer Betrachtung als Zeichen zu werten sein, dass sich das betreffende Vorstandsmitglied nicht mehr mit der vollen Motivation seinem Amt widmet. Auch selbst geschaffene, aufschiebende Bedingungen für die Amtsniederlegung bzw. den Aufsichtsratsbeschluss über die Abberufung (z. B. die zeitgleiche Regelung der Nachfolge) sind dann grundsätzlich unbeachtlich. In den meisten Fällen solcher Bedingungen ist zu erwarten, dass die Bedingungen zeitnah erfüllt werden können, was für die hinreichende Wahrscheinlichkeit i. S. d. § 13 WpHG ausreichend ist. Entscheidend ist die Perspektive des verständigen Anlegers, dem es ziemlich gleich sein dürfte, ob ein Vorstandsmitglied jetzt oder in zwei Wochen formaljuristisch wirksam abberufen wird. Von gesondert gelagerten Ausnahmekonstellationen abgesehen (der Fall Schrempp zählt hierzu nach den bekannten Tatsachen nicht) ist der wie auch immer formaljuristisch konkret ausgestaltete Rücktritt daher auch im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG hinreichend wahrscheinlich, wenn der Vorstand sich entschlossen hat zurückzutreten und dies sich gemäß der allgemeinen Definition der Insiderinformation nach außen manifestiert hat.939 Die vom OLG Stuttgart vertretene und vom BGH akzeptierte Auffassung berücksichtigt nicht, dass der Begriff Insiderinformation gerade nicht an der Rechtswirksamkeit von Umständen oder Ereignissen anknüpft. Damit ist der Rücktritt auch unter der Bedingung der Herbeiführung einer „gesamthaften Lösung“ der Nachfolgefrage aber bereits vor dem Entschluss des Aufsichtsrats über die „gesamthafte Lösung“ hinreichend wahrscheinlich. 936 Eine solche formalistische Ansicht vertritt auch Möllers, WM 2005, 1393 (1397), der darauf abstellt, dass ein einvernehmliches Ausscheiden erst hinreichend wahrscheinlich ist, wenn beide Seiten einem Aufhebungsvertrag zugestimmt haben. 937 Hüffer, AktG § 84 Rn 36. 938 Ausführlich zu den möglichen Konstellationen Pfüller in: Fuchs, § 15 Rn 222. 939 Siehe dazu auch Kap. C.II.2.; ähnlich auch OLG Frankfurt WM 2009, 647 (648).
V. Ankündigung bzw. Durchführung wichtiger Personalveränderungen
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2. Möglichkeit zur Selbstbefreiung Nach dem soeben Gesagten sprechen gute Gründe dafür, dass bei Personalveränderungen schon vor deren formalem Abschluss eine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG entstehen kann. Dann stellt sich die Frage, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse an der Nichtveröffentlichung nach § 6 Satz 1 WpAIV besteht. Wäre dies der Fall, käme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Selbstbefreiung in Betracht. a) Gründe für das Vorliegen eines berechtigten Interesses Auf eine Selbstbefreiung stützt das OLG Stuttgart seine zweite Entscheidung im Fall Daimler. Nach Ansicht des OLG Stuttgart war die Abberufung des Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG Schrempp aufgrund der Vorabstimmungen am Vorabend der Aufsichtsratssitzung hinreichend wahrscheinlich. Bis zum endgültigen Beschluss des Aufsichtsrats war die Daimler AG nach Ansicht des OLG Stuttgart gemäß § 15 Abs. 3 WpHG von einer Veröffentlichungspflicht aufgrund berechtigter Interessen befreit.940 Das OLG Stuttgart bejaht das Vorliegen eines berechtigten Interesses mit dem Argument, dass die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates gewahrt werden müsse.941 Diese Argumentation passt hier aber schon deswegen nicht, weil es sich bei der Vorstandsbesetzung um eine originäre Zuständigkeit des Aufsichtsrats handelt und das vom OLG Stuttgart angeführte Argument normalerweise nur bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, d.h. bei einer vorhergehenden Vorstandsentscheidung anwendbar ist.942 Es darf bezweifelt werden, ob sich dieses Argument auf Fälle übertragen lässt, in denen im originär zuständigen Organ selbst eine Abstimmung vorbereitet wurde. Vor allem aber geht diese Argumentation deswegen fehl, weil sie ebenfalls auf dem Ansatz der „gesamthaften Lösung“ von Rücktritt des Vorstands und Regelung der Nachfolge beruht. Denn die formaljuristische Aufsichtsratsentscheidung ist in der Konstellation, in der der Vorstand aufgrund eigener Initiative zurücktritt, irrelevant. Es bleibt das Argument, dass bei einer Pflicht zur Veröffentlichung von Planungen über eine Änderung an der Unternehmensspitze eine öffentliche Diskussion über den Nachfolger von Herrn Schrempp entbrannt wäre, die den Kandidaten und damit mittelbar dem Unternehmen geschadet hätte. Dadurch wäre es, so das OLG Stuttgart, nicht mehr möglich gewesen, eine geordnete Nachfolgeregelung innerhalb des Unternehmens zu treffen.943 Die Veröffentlichung von Überlegungen und Planungen hätte zu Unsicherheiten und erheblichen Spekulationen 940 941 942 943
OLG Stuttgart, NZG 2009, 624 (630). OLG Stuttgart, NZG 2009, 624 (631). Siehe dazu auch unter Kap. G.II.4. OLG Stuttgart, NZG 2009, 624 (630).
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G. Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG in Einzelfällen
geführt, die sich auf den Aktienkurs übertragen hätten. Dieses Argument verdient nähere Betrachtung. b) Stellungnahme Eine öffentliche Diskussion um die Eignung der möglichen Kandidaten mag die Gefahr in sich bergen, dass die betreffenden Kandidaten Reputationsschäden im öffentlichen Ansehen erleiden. Es stellt sich aber die Frage, welcher Schaden in der Nachfolgediskussion konkret entstehen könnte, der sich nach erfolgter Auswahl nicht ohnehin verwirklichen könnte. Es ist schwerlich vorstellbar, dass eine neue Führungsperson eines Emittenten lange tragbar wäre, wenn dessen Ansehen, gerade weil vor der Ernennung eine öffentliche Nachfolgedebatte stattgefunden hat, schon beschädigt worden wäre. Wenn in der Diskussion aber Gründe auftauchen, die gegen eine Eignung sprechen, so ist dem Unternehmen damit gerade gedient, dass die Debatte vor Ernennung des Nachfolgers stattgefunden hat. Insofern ist schon die pauschale Annahme, dass eine öffentliche Diskussion eine schädliche Wirkung hat, zurückzuweisen. Auch der Verweis auf mögliche Unsicherheiten und erhebliche Spekulationen kann generell kein berechtigtes Interesse rechtfertigen. Diese Gefahren – so zeigt die Praxis – sind nur in seltenen Fällen schwerwiegend. Ein öffentlich bekanntes Führungsvakuum bei einem Großunternehmen ist nicht die Regel, kommt jedoch durchaus vor,944 auch ohne dass eine das Unternehmen besondere oder sogar dauerhaft schädigende Wirkung feststellbar wäre. Anders kann dies nur in besonderen Situationen zu bewerten sein. Ausnahmen können etwa für den Fall gelten, dass der Emittent bei Bekanntwerden eines „Führungsvakuums“ erhebliche Personalverluste von qualifiziertem und nicht leicht zu ersetzendem Personal befürchten muss. Nur solche oder ähnliche vergleichbare schwerwiegende und konkrete Besonderheiten können im Falle des feststehenden Rücktrittsbeschlusses eines wichtigen Vorstandsmitgliedes eine Selbstbefreiung rechtfertigen. Im Übrigen gilt regelmäßig, dass aus der Tatsache der offenen Nachfolgeregelung, die zunächst mit jedem Rücktrittsentschluss einhergeht, kein bedeutendes und damit berechtigtes Interesse hergeleitet werden kann, das eine Befreiung von der Veröffentlichung des Rücktrittsentschlusses einer Führungsperson bis zum Zeitpunkt rechtfertigt, an dem eine Nachfolgeregelung gefunden wurde. Das Anstreben einer „gesamthaften Lösung“ begründet für sich genommen regelmäßig kein berechtigtes Interesse im Sinne von § 15 Abs. 3 WpHG.
944 Als Beispiel kann die Ankündigung des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Klaus Kleinfeld, gelten, seinen im Herbst 2007 auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Daran schloss sich eine fast einen Monat dauernde Nachfolgersuche an, vgl. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/pharma-manager-beerbt-klein feld;1270532;0, abgerufen am 13. Mai 2010.
H. Zusammenfassung in Thesen Teil B 1. Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität dient vorrangig der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und der Sicherstellung des Vertrauens der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte. 2. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht fördert die Erreichung dieser Ziele, indem sie die Regelpublizitätspflicht von Emittenten ergänzt und erweitert und Insiderhandel vorbeugt. 3. Die Ad-hoc-Publizität dient auf diesem Wege auch dem Schutz der Gesamtheit der Anleger. 4. Das Anlegerschutzkonzept der Ad-hoc-Publizität ist am Modell des verständigen Anlegers ausgerichtet. 5. Beim verständigen Anleger handelt es sich um einen renditeorientierten, rationalen Anleger, der weder dem Bild des Kleinanlegers noch dem des professionellen Investors entspricht. 6. Die Regelungen der Ad-hoc-Publizität und Selbstbefreiung sind mit Rücksicht auf sonstige Publizitätspflichten auszulegen und können auch die Auslegung dieser anderen Pflichten beeinflussen. 7. Für die gesetzlichen Vorgaben zur Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Selbstbefreiung gilt der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung. 8. Zu berücksichtigen sind auch Analogieverbot und der Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG. 9. Im Falle von Konflikten zwischen beiden Auslegungsgrundsätzen ist eine gespaltene Auslegung der Vorschriften zulässig. Teil C 1. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG findet auf Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten Anwendung. 2. Wer Inlandsemittent ist, richtet sich in erster Linie nach dem Herkunftsstaats- und nur ausnahmsweise nach dem Aufnahmestaatsprinzip. 3. Konkrete Informationen sind entweder schon existierende Tatsachen oder zukünftige Umstände oder Ereignisse, die mit hinreichender Wahrscheinlich-
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keit eintreten werden und spezifisch genug sind, um überhaupt den Kurs des betreffenden Finanzinstrumentes zu beeinflussen. 4. Ob der Eintritt der Information hinreichend wahrscheinlich ist, ist auf Grundlage einer einzelfallbezogenen Gesamtschau von Eintrittswahrscheinlichkeit und konkreter Preiserheblichkeit der Information zu ermitteln. 5. Der Kreis der Insiderinformation wird durch die Anforderung des Bezugs der Information auf den Emittenten und das Insiderpapier nicht beschränkt. 6. Zur Beantwortung der Frage, ob eine Information geeignet ist, im Falle ihres Bekanntwerdens, den Kurs eines Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen, ist zu prüfen, ob die Information hypothetisch von Dritten zum Insiderhandel ausgenutzt werden kann. 7. Der Emittent muss die Preiserheblichkeit der Information durch Anstellen einer Prognose ermitteln. 8. Informationen betreffen den Inlandsemittenten nicht unmittelbar, wenn die konkreten Konsequenzen einer Information für den Emittenten unklar sind oder für das Auslösen einer Folge weitere Zwischenschritte erforderlich sind, deren Eintritt nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Teil D 1. Die vor Inkrafttreten des AnSVG geltenden Standards zum berechtigten Interesse können nach Inkrafttreten des AnSVG aufgrund der Erweiterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nur noch als Mindeststandard herangezogen werden. 2. Aus § 6 Satz 1 WpAIV ergibt sich, dass ein berechtigtes Interesse vorliegt, wenn die Geheimhaltungsinteressen, die das berechtigte Interesse des Emittenten im engeren Sinne sind, die Veröffentlichungsinteressen des Kapitalmarkts überwiegen. 3. Die Selbstbefreiung ist weder als Korrektiv noch als Ausnahmeregelung zur Ad-hoc-Publizitätspflicht anzusehen. Ad-hoc-Publizitätspflicht und Selbstbefreiung sind als einheitlicher Publizitätstatbestand zu verstehen. 4. Aus den Anforderungen der Regelbeispiele von § 6 Satz 2 WpAIV lassen sich Grundgedanken für die Eingrenzung berechtigter Interessen herleiten. 5. Das Regelbeispiel des § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV zeigt, dass die Selbstbefreiung die unternehmerische Handlungsfähigkeit von Inlandsemittenten schützen soll. 6. Der Regelung des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV lässt sich der Gedanke entnehmen, dass eine Selbstbefreiung auch zum Schutze der Anleger vor Irreführung in Betracht kommt.
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7. Beide Regelbeispiele zeigen, dass Sachverhalte, bei denen eine Selbstbefreiung in Betracht kommt, stets mehrstufige, nicht abgeschlossene Vorgänge sind. 8. Ein berechtigtes Interesse des Emittenten lässt sich aus dem Rentabilitätsinteresse herleiten, welches das berechtigte Interesse des Inlandsemittenten „an sich“ ist. Für die Berücksichtigung von vom Emittenteninteresse „an sich“ abweichenden kurzfristigen Interessen der Anleger ist nur begrenzt Raum. 9. Interessen von sonstigen „Stakeholdern“ sind grundsätzlich als berechtigtes Geheimhaltungsinteresse berücksichtigungsfähig, weisen jedoch nur selten einen Bezug zu den Veröffentlichungspflichten des Emittenten auf. 10. In Konzernkonstellationen werden die berechtigten Interessen der Tochtergesellschaft ohne weiteres der Muttergesellschaft zugerechnet. 11. Auch die Interessen der Muttergesellschaft können ein berechtigtes Interesse der Inlandsemittenten-Tochtergesellschaft entstehen lassen; für die Muttergesellschaft besteht indes auch keine Pflicht, der Tochtergesellschaft die sie unmittelbar betreffende Insiderinformationen mitzuteilen. 12. Für das Verständnis des berechtigten Interesses sind neben der Ad-hoc-Publizitätspflicht bestehende Publizitätspflichten aus dem Verbands-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht zu berücksichtigen. 13. Das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten im engeren Sinne ist mit dem Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarkts abzuwägen. Die im Schrifttum geäußerte Kritik am Erfordernis der Abwägung ist zurückzuweisen. 14. Das Veröffentlichungsinteresse des Kapitalmarktes überwiegt das Geheimhaltungsinteresses immer, wenn der Befreiungszeitraum durch den Emittenten nicht so kurz wie möglich gestaltet wird. Teil E 1. Die Gefahr der Irreführung der Öffentlichkeit ist gegeben, wenn ein Verhalten des Emittenten vorliegt, das eine fehlerhafte Informationslage auf dem Kapitalmarkt hervorrufen kann. 2. Eine fehlerhafte Informationslage, die nicht auf Informationen aus der Sphäre des Emittenten beruht, führt nicht zu einer Irreführungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 3 WpHG. 3. Dass der Emittent nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 lit. c Durchführungsrichtlinie und § 7 Nr. 2 WpAIV zur Gewährleistung der Vertraulichkeit sicherstellen muss, nach Ende des Befreiungszeitraums die Insiderinformation unverzüglich veröffentlichen zu können, hat nichts mit der Gewährleistung der Vertraulichkeit zu tun und widerspricht somit der Verordnungsermächtigung und
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der Ermächtigung zum Erlass von Durchführungsvorschriften im Lamfalussy-Verfahren. 4. Das Bereithalten einer Ad-hoc-Mitteilung zur sofortigen Veröffentlichung während der Selbstbefreiung ist keine Voraussetzung der Gewährleistung der Vertraulichkeit und der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG. Dass der Emittent hierzu verpflichtet ist, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass eine Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung auch nach Wegfall der Selbstbefreiung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unverzüglich zu erfolgen hat. 5. Wann die Weitergabe einer Information notwendig ist, kann nur durch eine Interessenabwägung für jede einzelne Person, der der erstmalige Zugang zur Information erlaubt wird, festgelegt werden. 6. Die Interessenabwägung ist nur dann von Bedeutung, wenn der Emittent die Insiderinformation aus betriebsorganisatorischen Gründen zugänglich machen möchte; gesetzliche Weitergabepflichten sind hiervon nicht betroffen. 7. Der Emittent muss für die Kontrolle des Zugangs zur Insiderinformation spezielle Compliance-Strukturen für den Zeitraum der Befreiung schaffen. 8. Für die Gewährleistung der Vertraulichkeit ist nicht nur die in § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG geregelte Aufklärung der Person, die Zugang zur Information erhält, erforderlich, sondern auch die ausdrückliche Anerkennung der Pflichten durch den Insider. 9. Die Veröffentlichungspflichten von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG und § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG sind als negative Tatbestandsmerkmale der Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität anzusehen. 10. Eine Weitergabe im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG ist ab dem Zeitpunkt gegeben, ab dem die Information aus der Sphäre des Emittenten einem Dritten zur Kenntnis gebracht wurde. 11. Eine wissentliche Weitergabe liegt vor, wenn beim Inlandsemittent in dem Zeitpunkt, indem die objektiven Kriterien der Weitergabe erfüllt sind, zurechenbare Kenntnis von der Tatsache vorliegt, dass die Insiderinformation weitergegeben wird. 12. Das Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG begründet keine Vertraulichkeitsverpflichtung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG. 13. Als Vertraulichkeitsverpflichtung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 WpHG gelten nur vertragliche Vertraulichkeitsverpflichtungen oder gesetzliche Vertraulichkeitsverpflichtungen außerhalb des Wertpapierhandelsgesetzes. 14. Eigene Bedeutung erlangt § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG in allen anderen Fällen, nämlich dann, wenn die Berichtigungsmitteilung die Voraussetzungen der
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Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht erfüllt und wenn eine durch eine Ad-hoc-Mitteilung ausgelöste Irreführungsgefahr keine erhebliche Kursrelevanz hätte. 15. Die Selbstbefreiung der Ad-hoc-Publizität erfordert als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine bewusste Entscheidung des Inlandsemittenten für die Inanspruchnahme der Selbstbefreiung. Teil F 1. Nach einmal erfolgter Befreiung hat der Emittent, wenn Anlass dafür besteht, förmliche Überprüfungsentscheidungen über das weitere Vorliegen der Selbstbefreiungsvoraussetzungen zu treffen. 2. Die Überprüfungsentscheidungen sind keine Voraussetzung für das Weiterbestehen der Selbstbefreiung. 3. Fällt die Insiderinformation während des Befreiungszeitraums weg, muss der Emittent keine Ad-hoc-Mitteilung publizieren. 4. Die Ad-hoc-Mitteilung am Ende des Selbstbefreiungszeitraums hat die Information auf dem Stand des Zeitpunkts des Wegfalls der Selbstbefreiung zu enthalten. 5. Insofern der Schadenersatzanspruch des § 37b WpHG nach seinem Wortlaut nicht für sämtliche unter § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG verpflichtete Inlandsemittenten gilt, ist eine analoge Anwendung von § 37b WpHG angezeigt. 6. Emittenten ist ein Verschulden von Angestellten und externen nach § 278 BGB zuzurechnen. 7. Unter § 37b WpHG hat der Emittent nur den Kursdifferenzschaden zu ersetzen. 8. Im Rahmen der Selbstbefreiung kann der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens von Bedeutung sein, wenn die Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs nur vorliegen, weil der Inlandsemittent die für die Befreiung erforderliche Entscheidung unterlassen hat. Teil G 1. Dem Inlandsemittenten ist unbenommen, die Voraussetzungen der Selbstbefreiung „hilfsweise“ einzuhalten; liegen die Voraussetzungen der Ad-hocPublizitätspflicht von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht vor, hat diese hilfsweise Befreiung allerdings keinerlei Rechtswirkung. 2. Bei ausstehender Zustimmung eines Organs zu einer Maßnahme ist nicht regelmäßig eine Lage gegeben, bei der die Anleger die Situation nicht sachgerecht gemäß § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV bewerten können.
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3. Das Regelbeispiel von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV greift nur ein, wenn eine Erwartungshaltung des Publikums nicht korrekt ist und es die veröffentlichte Information somit nicht korrekt bewerten würde. 4. Das Abwenden einer Schwächung des Aufsichtsrats durch vorzeitige Veröffentlichung kann ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse begründen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass eine solche Schwächung zu befürchten ist. 5. Eine Gefährdung der Interessen der Anleger kann zwar Argument für das Vorliegen eines berechtigten Interesses im Sinne von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV sein, ist aber aufgrund der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung keine zwingende Voraussetzung des Regelbeispiels. 6. Ein berechtigtes Interesse besteht für die Bietergesellschaft im klassischen Unternehmensverkaufsverfahren, wenn die Bietergesellschaft konkret eine nicht akzeptable Preisveränderung oder gar ein Scheitern der Transaktion zu befürchten hat. 7. Sowohl im klassischen Verkaufsverfahren als auch im Auktionsverfahren kann ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse bestehen, wenn aus Sicht des Inlandsemittenten zu befürchten ist, dass mit der Veröffentlichung der Verhandlungen ein faktischer Abschlusszwang entsteht und die andere Seite somit ihre für den Emittenten ungünstigen Konditionen durchsetzen kann. 8. Für den Veräußerer können auch zu erwartende öffentliche Reaktionen auf die Transaktion, vor allem wenn diese mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und der Verlagerung oder Zusammenlegung von Standorten verbunden ist, als Beeinträchtigung der Verhandlungen angesehen werden, die ein berechtigtes Interesse begründen. 9. Sind Anteile des Inlandsemittenten Kaufgegenstand, hat der Emittent ein berechtigtes Interesse, wenn die geplante Transaktion im wirtschaftlichen Interesse des Inlandsemittenten ist. 10. Die Nichtveröffentlichung von mit der Transaktion verbundenen Umständen, die selbst eine veröffentlichungspflichtige Informationen darstellen, lässt sich auch auf § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV stützen, wenn die Veröffentlichung dieser Umstände die verhandelte Transaktion gefährden würde. 11. Im Ergebnis kann der Inlandsemittent die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile nicht mehr in Anspruch nehmen, wenn die betroffene Information einem Auskunftsanspruch nach § 131 Abs. 4 AktG unterliegt. 12. Eine extensive Auslegung von § 10 Abs. 6 WpÜG, die dazu führen würde, dass im Vorfeld eines Übernahmeangebotes in keinem Fall mehr eine Befreiung erforderlich wäre, ist abzulehnen.
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13. Vor Abschluss der Verhandlungen über ein freundliches Übernahmeangebot ist ein berechtigtes Emittenteninteresse gegeben, da sich Verhandlungen im Kontext eines Übernahmeangebotes unter § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV subsumieren lassen. 14. Der Emittent kann im Hinblick auf das endgültige Ziel des Beteiligungsaufbaus auch, wenn er eine schon bestehende Beteiligung publizieren musste, ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG geltend machen. 15. Welche Transparenzinteressen der Kapitalmarkt an Informationen über Dritte hat (z. B. hinsichtlich eines Unternehmens, an dem er Emittent eine Beteiligung erwerben möchte), ist im Rahmen der Abwägung von § 6 Satz 1 WpAIV nicht zu berücksichtigen, so dass auch dann eine Selbstbefreiung möglich ist, wenn der Emittent Maßnahmen zum Beteiligungserwerb trifft, auf die die Mitteilungspflichten nach § 21 ff. WpHG keine Anwendung finden. 16. Ein berechtigtes Interesses gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG liegt auch dann nicht vor, wenn die betreffende Information wenig später im Rahmen der Regelpublizität ohnehin zu veröffentlichen ist. 17. Der Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden eines Emittenten ist auch unter der Bedingung der Herbeiführung einer gesamthaften Lösung der Nachfolgefrage regelmäßig bereits vor dem Entschluss des Aufsichtsrats über die gesamthafte Lösung hinreichend wahrscheinlich, wenn die Herbeiführung der gesamthaften Nachfolgelösung die einzige Bedingungen für den Rücktritt ist. 18. Gefahren einer öffentlich bekannten Nachfolgediskussion sind nicht an sich, sondern nur bei besonderen Gefahren, die durch eine öffentliche Diskussion ausgelöst werden, so schwerwiegend, dass sie ein berechtigtes Interesse rechtfertigen.
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Sachwortverzeichnis Analogieverbot 44 ff., 157, 160 Anlegerleitbild 45, 96, 138 Anlegerschutz 35, 37 ff., 50, 73 Anteilsinhaber 96, 98, 113 Aufsichtsrat 21, 60, 99, 195, 204 ff., 233, 235, 245 ff. Auskunftsrecht 112 f., 120, 230 ff. Auslegung, – gespaltene Auslegung 46 f. – richtlinienkonforme Auslegung 42 f., 45, 47, 71 f., 81, 121, 141 f., 148, 174, 206, 226 Ausnahmeregelung 80, 86, 88, 232 f. Behavioural Finance 41 Bekanntgabe 30, 35, 63, 80, 87, 126, 150, 165, 167, 207, 225, 238, 243, 246 Berechtigtes Interesse 23, 80 ff., 205 ff. Bereichsöffentlichkeit 63 f., 132, 148, 244 Bestimmtheitsgrundsatz 44 ff., 159 f. Beteiligungsaufbau 238, 240 Betroffenheit (siehe unmittelbare Betroffenheit) Beweislastverteilung 133, 169, 184, 191 Dokumentationspflicht 169 f. Eingriffsbefugnis 199 Einlagenrückgewähr 196 Emittentenbezug 61, 63 Emittentenleitfaden 32 f., 74, 86, 98, 124, 145 f., 187, 209, 212 f., 216 Emittentenverhalten 131, 134 Entscheidung – Anlageentscheidung 19, 36, 39 f., 66, 133, 210, 244
– Befreiungsentscheidung 164 ff., 168, 170 – Prognoseentscheidung 135 – Überprüfungsentscheidung 171 – Vorstandsentscheidung 60, 205, 208, 212 ff., 249 Finanzinstrument 19, 22, 39, 48 ff., 55 ff., 65 ff., 78, 100, 102, 117 f., 128, 134, 144, 151, 174 f., 180, 182 f., 188 ff., 194, 220, 222, 236 Finanzkalender 242 f. Gerüchte 55, 59 f., 64, 130, 133, 145 f. Gesetzgebungsziele 22, 34 ff., 72 Hauptversammlung 110 ff., 218 f., 230 f., 246 hilfsweise Selbstbefreiung 196 ff. Information – konkrete Information 52, 54 ff., 64 f., 68, 76, 130, 146, 222 – Marktinformationen 56, 120, 130 Informationslage, fehlerhafte 132 ff Insiderhandel 30, 35 ff., 56, 64, 76, 86, 92, 110, 125 f., 136, 143 f., 157, 170, 172, 205, 242 Insiderhandelsverbot 22, 26, 37, 53, 56, 58, 62 Interessen – Anlegerinteresse 91, 96 – berechtigtes Interesse 23, 80 ff., 205, 206 f., 212 ff., 225 f., 235, 237, 241, 245, 250 – Geheimhaltungsinteresse 83, 85, 88 ff., 103 ff., 112, 116 ff., 120 ff.,
Sachwortverzeichnis 157, 167, 206, 209, 216 f., 225 f., 237 ff., 249 – Interessenabwägung 21, 123, 129, 143 f., 166 – Interessenträger 94, 98 – Kapitalmarktinteresse 85, 96 f., 120 ff., 129, 157, 170, 217, 228, 241 f. – Stakeholderinteressen (siehe auch Stakeholder) 98 f. Irreführungsgefahr 83, 129 ff., 165 Kenntnisnahme 63, 152, 244 Konzern – Konzernemittent 100 – Konzernmutter 103, 107, 108 – Konzernsachverhalt 101 f., 108 – Konzernstrukturen 94 – Konzernunternehmen 78, 149 Korrektiv 85, 88 Krisensituation 59 Kurserheblichkeit (siehe auch Preiserheblichkeit) 66 f., 118, 217 Lamfalussy-Verfahren 87, 138 f. M&A Transaktionen 221 ff. – Auktionsverfahren 221, 224, 227 f. Marktdaten 56, 62, 76 f., 105 mehrstufige Entscheidungsprozesse 60, 93, 128, 204 ff., 219 f., 235, 249 Öffentlich bekannt 52, 62 ff., 73, 76, 216, 220, 250 Ordnungswidrigkeit 43 ff., 164, 197 ff., 231 organisierter Markt 50 f. Personalveränderung 245 ff. Preisbeeinflussung 55, 66, 69, 223, 164, 228 – Preisbeeinflussungspotential 55 f., 59, 65 f., 69 f., 212 Preiserheblichkeit (siehe auch Kurserheblichkeit) 55, 58, 65 ff.
267
Prognose 53 f., 66, 69 f., 93, 134 f., 210 f. Publizitätsregeln 111, 114 Rechtmäßiges Alternativverhalten 190, 202 f. Rechtsirrtum 186 Regelbeispiel 73, 84, 87, 89 ff., 128, 187, 206, 209, 211, 217, 220, 225 f., 229 Regelpublizität 24, 36 f., 105, 114 f., 119, 242 f. Schaden – ersatzfähiger Schaden 187, 194 – Kursdifferenzschaden 187, 190, 194, 197 – Vertragsabschlussschaden 187 f., 194 Staat – Aufnahmestaat 50 – Drittstaat 49 – Herkunftsstaat 49 f., 236 Stakeholder (siehe auch Stakeholderinteressen) 98 f. Tätigkeitsbereich 70, 73, 75, 83, 101 f., 205 Tochtergesellschaft 100 ff., 220 f. Übernahmeangebot 42, 116, 233 ff. unmittelbare Betroffenheit 70 ff., 102, 104, 108 f. Veröffentlichungspflicht – Entstehen 101, 104, 109, 149, 153, 167, 173, 175, 181, 183, 204 f., 222, 236, 241, 245, 247, 249 Verschulden 184 f., 199 – Auswahlverschulden 154, 185 – Mitverschulden 183 – Überwachungsverschulden 154, 185 – Verschuldenszurechnung 185, 192 verständiger Anleger 39 f., 58, 66 Vertragsverhandlungen 160, 221 f.
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Sachwortverzeichnis
Vertraulichkeit – Gewährleistung der Vertraulichkeit 82 f., 125, 136 ff., 149 f., 154, 158, 166 f., 169 f., 198 Vorabmitteilung 177 f., 246 Vorstand (siehe auch unter Entscheidung für Vorstandsentscheidung) – Rücktritt 245 ff. – Vorstandsermessen 98 Wahrscheinlichkeit – Eintrittswahrscheinlichkeit 57 ff., 163 – hinreichende Wahrscheinlichkeit 54 ff., 241, 248
– überwiegende Wahrscheinlichkeit 92 – Wahrscheinlichkeit der Zustimmung 214, 218, 223 Weitergabe – befugte Weitergabe 159 – unbefugte Weitergabe 155 Wertpapierprospekt 117 Wissenszurechnung 105, 109 Zugänglichmachen 141 f., 151 f. Zugangskontrolle 140, 144 f., 154, 169 Zukünftiges Ereignis 54, 58