Die Problematik der Fusionskontrolle bei Konglomeraten: Eine Untersuchung der rechtlichen Schwierigkeiten und ihrer wirtschaftlichen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung der Einzelmarktbetrachtung und des Marktanteilskriteriums in den §§ 24, 22 GWB [1 ed.] 9783428440900, 9783428040902


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German Pages 277 Year 1978

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Die Problematik der Fusionskontrolle bei Konglomeraten: Eine Untersuchung der rechtlichen Schwierigkeiten und ihrer wirtschaftlichen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung der Einzelmarktbetrachtung und des Marktanteilskriteriums in den §§ 24, 22 GWB [1 ed.]
 9783428440900, 9783428040902

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 29

Die Problematik der Fusionskontrolle bei Konglomeraten Eine Untersuchung der rechtlichen Schwierigkeiten und ihrer wirtschaftlichen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung der Einzelmarktbetrachtung und des Marktanteilskriteriums in den §§ 24, 22 GWB

Von

Heiner Maria Emrich

Duncker & Humblot · Berlin

HEINER MARIA

EMRICH

Die Problematik der Fusionskontrolle bei Konglomeraten

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 29

Die Problematik der Fusionskontrolle bei Konglomeraten Eine Untersuchung der rechtlichen Schwierigkeiten und ihrer wirtschaftlichen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung der Einzelmarktbetrachtung und des Marktanteilskriteriums in den §§ 24,22 G W ß

Von

Dr. Heiner Maria Emrich

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1978 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04090 2

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist als Beitrag zu den Bemühungen u m eine bessere deutsche Fusionskontrolle gedacht. Sie stellt vorhandene Anwendungsmöglichkeiten dar, zeigt Schwächen auf und macht Vorschläge für eine Novellierung. Dabei ergibt sich, daß selbst bei der marktunabhängigen Konzentrationsform des Konglomerats die heute vorgeschriebene Einzelmarktbetrachtung zu richtigen Ergebnissen führen kann. Eine Veränderung des Prinzips und eine Hinwendung zum amerikanischen System ist deshalb nicht nötig. Allerdings muß eine Loslösung vom Begriff der „Marktbeherrschung" erfolgen. Er verhindert die notwendige Erweiterung der Auslegung. Der von der Monopolkommission geäußerte Vorschlag, neue Vermutungstatbestände einzuführen, hätte demgegenüber den Nachteil, nur die aufgezählten Fälle zu erfassen, das Grundproblem aber nicht zu lösen. Die Arbeit hat 1976 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation vorgelegen und wurde danach nur noch geringfügig geändert. Sie entstand auf Anregung von Herrn Prof. Dr. Peter Raisch, dem ich auch für viele wertvolle Hinweise zu Dank verpflichtet bin. München, i m November 1977 Heiner Emrich

Inhaltsverzeichnis Einleitung

19

a) Die Untersuchungsproblematik

19

b) Das Z i e l der Untersuchung

22

c) Die methodischen Schwierigkeiten der Untersuchung

25

d) Der A u f b a u der Untersuchung

26

Teil

I

Das Problem des Konglomerats, seine wirtschaftliche Bedeutung und die rechtliche Erfassung in Deutschland A. Das Konglomerat

als Sonderfall

der Konzentration

29

I. Die marktbezogenen Konzentrationsformen

30

1. Die horizontale Konzentration

30

2. Die vertikale Konzentration

30

I I . Die nicht marktbezogene, konglomerate Konzentration

31

1. Die Abgrenzungstheorien

31

2. Die Diversifikation

33

3. Die „reine" Konglomeration

35

a) Die Begriffsbestimmung

35

b) Die besondere Problematik

37

c) Die Frage der Marktmacht u n d des Marktanteils

40

d) Die Schwierigkeiten i m Rahmen der Fusionskontrolle

41

B. Die Bedeutung

der Konglomeraten

Konzentration

für

die Wirtschaft

I. Die Notwendigkeit einer Darstellung der Konglomerationsentwicklung

43

43

8

Inhaltsverzeinis I I . Die historische Entwicklung 1. Die Konzentrationsbewegung

45 45

a) Die frühe deutsche Konzentration i n ihrem zeitlichen A b l a u f

45

b) Die verschiedenen Stadien der Konzentration

47

2. Die frühe deutsche Konglomeration

49

a) Die Konzerngründer Stinnes, Sichel u n d Castiglioni

49

b) Die V i a g u n d andere Konglomerate

51

c) Die sonstigen Diversifikationstendenzen der deutschen W i r t schaft

53

d) Das Konglomerat als Problem der Wissenschaft

54

I I I . Der heutige Trend 1. Die amerikanische Bewegung

56 56

a) Der Konzentrationsprozeß i n den U S A

56

b) Die Entwicklung zum „Konglomerations-Trend"

57

2. Der Trend i n Deutschland a) Die neueren Konzentrationsvorgänge

59 59

b) Der deutsche Konzentrationsprozeß

61

c) Beispiele deutscher Konglomeration

63

d) Die Stärke der deutschen Konglomeration

65

I V . Die Konglomerationsmotive u n d ihre möglichen W i r k u n g e n auf die zukünftige Entwicklung

67

1. Die wirtschaftlichen Motive der Konglomeration

67

2. Die Fusionskontrolle als M o t i v der Konglomeration

69

3. Die mögliche Entwicklung i n Deutschland

70

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle I . Die Entwicklung zur heutigen Fusionskontrolle

71 71

1. Die Notwendigkeit der historischen Betrachtung

71

2. Die Entwicklung bis zum Jahre 1965

72

3. Der erste Referentenentwurf

74

I I . Das Konglomerat i m geltenden Recht 1. Der zweite Referentenentwurf, der Regierungsentwurf u n d die endgültige Formulierung des Gesetzes

77 77

Inhaltsverzeinis 2. Die überragende Marktstellung als neue F o r m der M a r k t b e herrschung

78

a) Die Marktbeherrschung als Grundlage der Fusionskontrolle

78

b) Das Verhältnis von Marktbeherrschung u n d überragender Marktstellung

80

c) Die Feststellung der überragenden Marktstellung anhand ihrer K r i t e r i e n

84

3. Die Bedeutung des Marktanteils

88

a) Der Gedanke der Ressourcen-Theorie

88

b) Der M a r k t a n t e i l i n T e x t u n d Begründung des Gesetzes

88

4. Die Auswirkungen der MarktbeherrschungenVermutungen

91

a) Die verfassungsrechtliche Problematik

91

b) Die verfassungskonforme Auslegung

93

c) Die möglichen Auswirkungen f ü r die Erfassung v o n Konglomeraten

95

I I I . Die Erfahrungen i m Antitrustrecht als Hinweis auf die praktische Möglichkeit der Kontrolle von Konglomeraten

97

1. Die amerikanische Praxis gegenüber horizontalen u n d v e r t i k a len Zusammenschlüssen

97

2. Die Anwendung des Antitrustrechts auf Konglomerationen . .

99

a) Die Richtlinien des Justizministeriums

99

b) Die Bestrebungen i n der A n t i t r u s t p o l i t i k der F.T.C

100

c) Die Praxis der amerikanischen Gerichte

102

3. Beispiele amerikanischer Verfahren gegen Konglomeration

103

a) Zusammenschlüsse m i t wechselseitigen Lieferbeziehungen . . 103 b) Zusammenschlüsse m i t Auswirkungen auf die potentielle Konkurrenz 105 c) Zusammenschlüsse, die die Marktmacht des einen U n t e r nehmens verstärken 106 I V . Die Möglichkeit der Erfassung von Konglomeraten i m Rahmen der deutschen Fusionskontrolle 107

Teil

II

Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb A. Die Wettbewerbsbeschränkung

als Kriterium

I. Der Begriff des Wettbewerbs 1. Die Funktionen des Wettbewerbs

der Untersuchung

109 109 110

10

Inhaltsverzeinis 2. Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität

111

a) Die Thesen Kantzenbachs

111

b) Die K r i t i k Hoppmanns

113

3. Der Wettbewerbsprozeß

114

I I . Die Wettbewerbsbeschränkung

116

I I I . Der Wettbewerb außerhalb des Marktes

117

I V . Zusammenfassung

119

B. Die wirtschaftlichen

Vorteile der Konglomeration

120

I. Die A u s w i r k u n g e n der Konglomeration auf den technischen F o r t schritt 120 1. Die Forschungsausgaben

121

2. Das Ergebnis der Forschung

123

a) Die Forschungstätigkeit i m Großlabor

123

b) Die Besonderheiten der Forschungstätigkeit i m Konglomerat 125 3. Die A n w e n d u n g der Forschungsergebnisse

126

4. Zusammenfassung

128

I I . Die „economies" der konglomeraten Konzentration

129

1. Die Möglichkeiten der Rationalisierung u n d des Großeinkaufs 129 2. Die Vorteile bei der Werbung

130

a) Die M a r k e n - u n d Massenwerbung

130

b) Die Schwerpunktbildung u n d ihre Folgen

131

3. Die organisatorischen Größenvorteile

133

a) Das Organisationsprinzip i m Konglomerat

133

b) Die Führungsprobleme i m Konglomerat

134

I I I . Die Strukturflexibilität des Konglomerats 1. Die Krisenfestigkeit

136 136

a) Das Standvermögen des Konglomerats

136

b) Die Möglichkeit des Verlustausgleichs

137

c) Die Kapitalbeschaffung i m Großunternehmen

139

d) Die volkswirtschaftlichen Folgen der Risikominderung

140

2. Die Anpassungsgeschwindigkeit

142

a) Die Möglichkeit der flexiblen Reaktion

142

b) Die Anpassungsneigung

145

I V . Zusammenfassung

146

Inhaltsverzeinis C. Die Folgen der wirtschaftlichen für den Wettbewerb

Stärke konglomerater

Unternehmen 147

I. Die Stellung des Konglomerats gegenüber seinen M a r k t p a r t n e r n 147 1. Das Problem der Abhängigkeit v o m Großunternehmen

147

a) Die Gründe der Abhängigkeit

147

b) Die Folgen der Abhängigkeit

149

2. Die Verknüpfung verschiedenartiger Geschäftsbeziehungen —

151

a) Die Möglichkeit v o n Kopplungs- u n d Gegengeschäften

151

b) Die Folgen wechselseitiger Lieferbeziehungen f ü r die Volkswirtschaft 152 3. Die Reziprozität als Strategie

153

a) Die Durchführung einer Reziprozitätspolitik

153

b) Die Möglichkeit wechselseitiger Lieferbeziehungen ohne A n wendung v o n Druck 156 I I . Das Verhältnis des Konglomerats zu seinen Konkurrenten

158

1. Der Verdrängungskampf

158

a) Die Machtmittel des Konglomerates

158

b) Der Preiskampf u n d die Mischkalkulation

160

2. Die Fähigkeit der Verdrängung als Wettbewerbsbeschränkung 162 a) Das Erfolgsrisiko des tatsächlichen Verdrängungskampfes . . 162 b) Die A u s w i r k u n g e n der bloßen Möglichkeit zu aggressivem Verhalten 164 3. Die Wettbewerbserhöhung durch defensive Stärke

165

I I I . Die Folgen der Konglomeration f ü r die potentielle Konkurrenz . . 167 1. Die Beziehung zwischen effektiver u n d potentieller Konkurrenz 167 2. Die Auswirkungen der Konglomeration auf fremde potentielle Konkurrenten 168 a) Die Bedeutung der Konglomeration f ü r absolute M a r k t z u trittsschranken 169 b) Das Anwachsen der oktimalen Unternehmensgröße Werbeanstrengungen des Konglomerats

durch

170

c) Die Fähigkeit zum Preiskampf als Abschreckung potentieller Konkurrenten 171 3. Die Auswirkungen der Konglomeration auf die eigene potentielle Konkurrenz 173 a) Der F o r t f a l l des Konglomerats als potentiellem K o n k u r r e n ten (wing-theory) 173 b) Der F o r t f a l l des Konglomerats als k ü n f t i g e m (deconcentration-theory)

newcomer

174

12

Inhaltsverzeinis 4. Die Verstärkung der potentiellen Konkurrenz durch Konglomerate 176 a) Die Theorie der m u l t i p l e n Konkurrenz

176

b) Die Wettbewerbsverbesserung als Folge stärkerer effektiver Konkurrenz 177 I V . Zwischenergebnis

179

Τ e i1 III

Die wettbewerbsbeschränkende Macht von Konglomeraten und ihre Erfassung in der Fusionskontrolle A. Die Grundlage konglomerater

Macht

181

I. Die möglichen Ursachen einer Machtverstärkung durch Konglomeration 181 1. Die Wealth-Theorie

182

a) Die Auswirkungen der Größe

182

b) Die Auswirkungen der Verflechtung

184

2. Die Marktstellung als Grundlage konglomerater Macht

186

I I . Die Bedeutung der Marktmacht f ü r die Fähigkeit zur Wettbewerbsbeeinflussung 187 1. Die Grundlagen reziproker Beziehungen

187

a) Die Reziprozität ohne Marktmacht

187

b) Die Reziprozität bei monopsonistischer Macht

189

2. Die Grundlage der Macht gegenüber Konkurrenten

190

a) Die Beeinflussung der effektiven Konkurrenz

190

b) Die Veränderung Konkurrenten

der

Schranken gegenüber

potentiellen

3. Die Voraussetzungen einer Wettbewerbsbeschränkung den Fortfall eines potentiellen Konkurrenten a) Die Eintrittsfähigkeit u n d das Eintrittsinteresse

durch

192 194 194

b) Die Bedeutung des potentiellen Konkurrenten als W e t t bewerber 196 I I I . Die Folgerungen f ü r die Fusionskontrolle

197

1. Die Anforderungen des § 22 G W B an das K r i t e r i u m des M a r k t anteils 197 2. Die Möglichkeit positiver u n d negativer Folgen der konglomeraten Macht 199

Inhaltsverzeinis Β. Die Abgrenzung von wettbewerbsschädigenden dernden Konglomeraten

und Wettbewerb s för202

I. Die Bedeutung v o n subjektiven u n d objektiven Faktoren f ü r die Auswirkungen der Konglomeration 202 1. Die M o t i v a t i o n der Unternehmensleitung als Indiz f ü r die A r t der Wettbewerbsbeeinflussung 202 2. Die Bedeutung der M a r k t s t r u k t u r f ü r die Richtung der W e t t bewerbsbeeinflussung 203 I I . Die möglichen K r i t e r i e n zur Bestimmung der Wettbewerbsbeeinflussung 205 1. Die Bedeutung der Marktphase

205

a) Die Gefahren der Konglomeration i n der Expansionsphase 205 b) Die Gefahren der Konglomeration i n der Rezessionsphase . . 206 2. Die Bedeutung der M a r k t f o r m 3. Die Bedeutung nehmens

der

Rangstelle

208 *

des übernommenen

Unter-

210

a) Das Grundprinzip der Beurteilung von Konzentrationen anhand der Rangstelle 210 b) Die Theorie der „ l e a d i n g - f i r m acquisition"

211

4. Die Bedeutung der relativen Höhe des Marktanteils beim übernommenen Unternehmen 213 a) Die Folgerungen aus den bisher untersuchten Theorien

213

b) Die eigene These

214

I I I . Die Auswirkungen konglomerater Zusammenschlüsse bei unterschiedlichem relativem M a r k t a n t e i l des übernommenen U n t e r nehmens 216 1. Das Verhältnis zur effektiven Konkurrenz a) Die allgemeine Betrachtung

216 216

b) Die Übernahme eines relativ marktanteilsschwachen U n t e r nehmens 218 c) Die Übernahme eines relativ marktanteilsstarken Unternehmens 219 2. Die W i r k u n g e n auf die potentielle Konkurrenz

222

a) Die A u s w i r k u n g e n der relativen Höhe des Marktanteils auf die Marktzutrittsschranken 222 b) Der Fortfall des Konglomerats als potentiellem K o n k u r renten bei unterschiedlicher relativer Höhe des Marktanteils 224 3. Die Bedeutung des Marktanteils f ü r die Wettbewerbsbeschränk u n g durch reziproke Beziehungen 227 a) Die grundsätzliche Betrachtung

227

b) Die Abgrenzung der Wettbewerbsbeschränkung v o n einer möglichen Wettbewerbserhöhung 229

14

Inhalts verzeidinis I V . Zwischenergebnis

C. Die Anwendung der Fusionskontrolle bei konglomeraten schlüssen mit wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen

231 Zusammen-

233

I. Die i m Rahmen der Fusionskontrolle bei Konglomeraten zu u n tersuchenden K r i t e r i e n 233 1. Die zur Erfassung der Wettbewerbsbeschränkungen Konglomeration notwendigen K r i t e r i e n 2. Der Vergleich m i t den K r i t e r i e n des § 22 G W B

durch

233 235

I I . Die A n w e n d u n g der Fusionskontrolle der §§ 24, 22 G W B i m k o n kreten F a l l 237 1. Die Voraussetzungen f ü r das Aufgreifen des Zusammenschlusses durch die Kartellbehörde 237 2. Die Eingriffsmöglichkeit bei Zusammenschlüssen m i t A u s w i r kungen auf die effektive Konkurrenz 239 a) Die Untersagungsvoraussetzungen

239

b) Die A n w e n d u n g i n Beispielsfällen aus der amerikanischen Praxis 241 3. Die Erfassung einer Beschränkung der potentiellen Konkurrenz 242 a) Die Verhinderung der Erhöhung v o n Marktzutrittschancen u n d des Fortfalls eines potentiellen Konkurrenten 242 b) Die A n w e n d u n g i n praktischen Beispielsfällen 4. Die Verhinderung wechselseitiger Geschäftsbeziehungen

243 245

a) Die Eingriffsmöglichkeiten gegenüber Konglomerationen m i t Reziprozitätspotential 245 b) Die A n w e n d u n g der §§ 24, 22 G W B i n praktischen Beispielsfällen 248

Ergebnis und rechtspolitischer Ausblick

250

Literaturverzeichnis

254

Abkürzungsverzeichnis AB AER ALJ

A n t i t r u s t Bulletin, New Y o r k American Economic Review A n t i t r u s t L a w Journal

ASU AWD

Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters

BB BGBl. BGHZ

Der Betriebs-Berater Bundesgesetzblatt Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen Bundeskartellamt Der Bundesminister f ü r Wirtschaft Der Bundesminister f ü r Wirtschaft u n d Finanzen Mitteilungen des Bundesministers f ü r Wirtschaft Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Commerce Clearing House Inc. California L a w Review Columbia L a w Review, N e w Y o r k Conservative Political Centre, 32 S m i t h Square, London S W 1 f o u r - f i r m concentration ratio Der Betrieb Deutscher Industrie- u n d Handelstag Deutsches Industrie I n s t i t u t Deutsche Juristen-Zeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Forschungsinstitut f ü r Wirtschaftsverfassung u n d W e t t bewerb e.V., K ö l n F r a n k f u r t e r Rundschau Festschrift Federal Supplement: Cases argued and determined i n the District Courts of the United States Federal Trade Commission Federal Trade Commission Decisions, Findings, Orders and Stipulations The Federal Reporter, Second Series: Cases argued and determined i n the Circuit Courts of Appeals of the United States

BKartA BMW BMWF BMWI BRats-Drs. BT-Drs. CCH CLR CoLR C.P.C. CR4 DB DIHT Dil DJZ FAZ FIW FR FS F.Supp. F.T.C. F.T.C. F. 2d

16

Abkürzungsverzeichnis

GfK. GLJ GRUR

Gesellschaft f ü r Konsum-, M a r k t - u n d Absatzforschung e.V. Georgetown L a w Journal Gewerblicher Rechtsschutz u n d Urheberrecht. Zeitschrift der deutschen Vereinigung f ü r gewerblichen Rechtsschutz u n d Urheberrecht

HB

Handelsblatt

HBR

H a r v a r d Business Review Handwörterbuch der Sozialwissenschaften H a r v a r d L a w Review, Cambridge (Mass.) Hamburger Jahrbuch f ü r Wirtschafts- u n d Gesellschaftsp o l i t i k (Hrsg. H. D. Ortlieb), Tübingen

H.d.S.w. HLR Hmb. Jb. Jb.N.St. JfWS J L a w & Econ.

Jahrbücher f ü r Nationalökonomie u n d Statistik, Stuttgart Schmollers Jahrbuch f ü r Wirtschafts- u n d Sozialwissenschaften, B e r l i n The Journal of L a w and Economics

JuS JZ

Juristische Schulung

KVR Kyklos

Kraftverkehrsrecht

MichLR M S U Business Topics,

Michigan L a w Review Michigan State University Business Topics, East Lansing

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NZZ

Neue Zürcher Zeitung — Fernausgabe

Ordo

Ordo, Jahrbuch f ü r die Ordnung v o n Wirtschaft u n d Gesellschaft. Begr. v o n Walter Eucken u n d Franz Böhm, Düsseldorf — München

Juristenzeitung Internationale Zeitschrift f ü r Sozialwissenschaften

QJE

The Quarterly Journal of Economics

R&D

research and development

1. RefE G W B

Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 20. März 1970

2. RefE G W B

Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen — überarbeitete Fassung — v o m 28. Okt. 1970

RegE G W B

Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. VI/2520 = BRats-Drs. 265/71 Revue d u Marché Comun

RMC St. John's L.Rev. SZ Trade Cases

Saint John's L a w Review Süddeutsche Zeitung Commerce Clearing House Trade Cases; Texts of decisions rendered b y federal and state courts throughout the United States i n cases i n v o l v i n g antitrust, Federal Trade Commission, and other trade regulation l a w problems

Abkürzungsverzeichnis Trade Reg.Rep.

U.S. v. WA wif WK Wpg WRP WuW WuW/E ZfbF ZfGSt ZfhF Z.f.N. ZHR

Commerce Clearing House Trade Regulation Reporter, Transfer Binder, Federal Trade Commission Complaints, Orders, Stipulations, Chicago — New Y o r k — Washington U n i t e d States Supreme Court Reports: Cases argued and determined i n the Supreme Court of the United States versus Weltwirtschaftliches Archiv, Zeitschrift des Instituts f ü r Weltwirtschaft an der Universität K i e l Wettbewerbsinformationen Die Wirtschaftskurve, F r a n k f u r t a. M . Die Wirtschaftsprüfung Wettbewerb i n Recht u n d Praxis Wirtschaft u n d Wettbewerb, Zeitschrift f ü r Kartellrecht, Wettbewerbsrecht u n d Marktorganisation, Düsseldorf WuW-Entscheidungssammlung i m Kartellrecht Schmalenbachs Zeitschrift f ü r betriebswirtschaftliche Forschung, K ö l n — Opladen Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung Zeitschrift f ü r Nationalökonomie Zeitschrift f ü r das gesamte Handels- u n d Wirtschaftsrecht

Einleitung a) Die

Untersuchungsproblematik

Die Fusionskontrolle und ihre Ausgestaltung stellen ein Problem dar, das Juristen und Wirtschaftler seit langer Zeit beschäftigt. Durch die Kartellgesetznovelle des Jahres 19731 und die dabei i n § 24 eingeführte Fusionskontrolle hat der deutsche Gesetzgeber versucht, eine Lösung für alle großen Zusammenschlüsse zu finden 2. Ob i h m das allerdings gelungen ist, erscheint fraglich. Zwar ist der teilweise generelle Widerstand gegen die Fusionskontrolle 3 immer mehr einer zumindest vorsichtigen Zustimmung gewichen 4 , und auch die A r t der Erfassung stellt bei horizontalen und vertikalen Zusammenschlüssen keinen prinzipiellen Streitpunkt mehr dar 5 , bei Konglomeraten jedoch konnte bisher weder hinsichtlich der Notwendigkeit einer Kontrolle noch hinsichtlich ihrer Ausformung eine einhellige Meinung erreicht werden. Schon bei der Frage der Wettbewerbsgefährdung durch konglomerate Zusammenschlüsse zeigen sich extrem auseinanderfallende Ansichten 6 . Eine der Thesen geht dahin, daß Konglomerate wettbewerbs1

Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BGBl. I V. 4. 8.1973. 2 „Der E n t w u r f rückt . . . ausdrücklich v o n der n u r horizontalen Betrachtung . . . ab u n d bezieht die vertikale u n d diagonale Konzentration . . . i n die Beurteilung ein." Bundesregierung, E n t w u r f eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (im folgenden: RegE GWB), Begr. S. 30; vgl. Bundesregierung, Jahreswirtschaftsbericht 1970, Nr. 62, S. 23; Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, Stellungnahme zu den Fragen der Einführung einer Fusionskontrolle (im folgenden: Wiss. Beirat, Stellungnahme), S. 1 f. 3 Die allgemeine Befürwortung der Konzentration vgl. bei Salin, Soziologische Aspekte der Konzentration, S. 26: „Verstärkte Konzentration ist nicht n u r unvermeidbar, sondern verstärkte Konzentration ist wünschbar, ist erforderlich." Ebenda, S. 7 u n d S. 13; Schumpeter, Der Unternehmer i n der Volkswirtschaft v o n heute, S. 316; vgl. auch F A Z Nr. 36 v. 12.2.1971, S. 17. 4 Vgl. z. B. die Stellungnahme des B D I : Bericht der F A Z Nr. 11 v. 13. 3.1973, S. 19; Wirz, Einige Bemerkungen zur Fusionskontrolle, S. 251; vgl. auch allgemein Herrmann, Betriebsgröße u n d Unternehmenskonzentration, S. 103; Günther, V o r w o r t zu: Marktbeherrschung u n d Konzentration, S. 6; C.P.C., Monopole u n d das öffentliche Interesse, S. 81. 6 Vgl. hierzu unten T e i l I , Α. I. β Vgl. die Darstellung von Rowe, i n : National Institute On Conglomerates, S. 1; Celler, Corporation Mergers and the A n t i t r u s t Laws, S. 8; F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 4 f.

2*

20

Einleitung

unschädliche Unternehmen sind, die die privatwirtschaftlichen Vorteile des Großunternehmens m i t den volkswirtschaftlichen Vorteilen kleiner Marktanteile verbinden 7 . Nach dieser Theorie dürfen Konglomerate nicht i n ihrem Aufbau behindert werden. Solche „guten" Gestaltungsarten der ansonsten schlechten Konzentration 8 sind vielmehr als „Unternehmensoptimierung" erwünscht 9 . Eine andere gegenüber Konglomeraten vertretene Ansicht sieht i n ihnen die künftigen Machthaber der Wirtschaft. Sie erwartet, daß die hundert größten Unternehmen sich über alle Märkte ausbreiten und dadurch, obwohl sie nirgends hohe Marktanteile besitzen und auch keinen einzelnen M a r k t beherrschen, doch die Herrscher der Gesamtwirtschaft werden 1 0 . Demgemäß erkennt diese Theorie i n Konglomeraten die neue, gefährliche Form der Konzentration und w i l l sie verhindern 1 1 . Ganz andere Thesen lassen sich aus den neueren statistischen Untersuchungen ableiten. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß konglomerate Zusammenschlüsse weder positive noch negative Wirkungen auf den Wettbewerb haben 12 , und widersprechen damit allen bisherigen Meinungen. Konglomerate wären dementsprechend weder erwünscht noch gefährlich, sondern uninteressant 18 . Solche extremen Ansichten zeigen, daß es bisher noch keine anerkannte Theorie gibt, die den Nachweis der Schädlichkeit oder des N u t zens von Konglomeraten für die Volkswirtschaft erbringt 1 4 . Folgt man 7 Adelmann, The A n t i - M e r g e r Act, S. 243, zit. bei: Narver, Conglomerate Mergers and M a r k e t Competition, S. 118; Kaysen, i n : Economic Concentration, Part 2, S.543; Hruska, Bigness and Diversification, S. 195. 8 C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 30; Kaysen, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 543. 9 Sölter, Das Mischunternehmen i n der Wettbewerbsordnung, S. 156; Neumann, Konglomerate Konzentration u n d der industrielle Monopolisierungsgrad, S. 670; Adelman, Integration and A n t i t r u s t Policy, S. 28; Stocking, Comment of „Edwards, Conglomerate Bigness as a Source of Power", S. 354. 10 Burck, The Merger Movement Rides High, S. 80; Engelen-Kefer, Sumpfblüten des Booms, S. 32; vgl. Neumann, S. 668 ff.; Sölter, Wider die nationale Fusionskontrolle, S. 68. 11 Vgl. Kartte, Fusionskontrolle i n der Marktwirtschaft, S. 108; H u f f Schmid, Die P o l i t i k des Kapitals, S. 69; Mestmäcker, Konzentration u n d Wettbewerb, S. 13. !2 Vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 123 f., S. 127; Goldberg, The Effect of Conglomerate Mergers on Competition, S. 157 f. 13 Die Untersuchungen haben allerdings den Nachteil, keineswegs repräsentativ zu sein. Sie beziehen sich bei der F.T.C, n u r auf neun Konglomerate u n d bei Goldberg n u r auf zufällig erreichbare Daten, wobei er sogar ausdrücklich betont, daß diese Daten gegenüber den nichterreichbaren n u r einen Bruchteil ausmachen. 14 Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße u n d wirtschaftliche Macht, S. 12; Markham, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1270; Stellungnahme des D I H T , zu §§23 u n d 24, I I I , b), abgedr. bei Raisch / Sölter / Kartte, F u sionskontrolle — F ü r u n d Wider; Noncase Guidelines for Conglomerate

Einleitung trótzdem der Ansicht des Gesetzgebers und hält zumindest einen Teil der Konglomerationen für wettbewerbsbeschränkend 15 , so ergibt sich das nächste ungelöste Problem: Worauf beruht die Macht konglomerater Konzerne, oder — i n der Diktion des Gesetzes — was führt bei ihnen zu einer Marktbeherrschung? Ein Teil der Wissenschaftler nimmt an, daß Konglomerate ihre besondere K r a f t allein aus der absoluten Größe und der Ausbreitung über eine Vielzahl von Märkten herleiten 1 6 . Hieraus soll sich eine derartige Beschränkung der Wettbewerbsfähigkeit konkurrierender Einproduktunternehmen ergeben, daß konglomerate Zusammenschlüsse von einer bestimmten Größe und Verzweigung an generell untersagt werden müssen. Die Gegenmeinung 17 behauptet, auch bei der konglomeraten Konzentration komme es i m Endeffekt auf die K r a f t i n einem einzelnen M a r k t an 1 8 . Bestehe dort Marktmacht, so könne sie auf andere Märkte übertragen werden, wodurch letztlich wie bei den übrigen Konzentrationsarten die Marktanteile entscheidendes K r i t e r i u m der Fusionskontrolle seien 19 . Der Gesetzgeber hat sich i n § 22 GWB für keine dieser gegensätzlichen Theorien entschieden. Er w i l l statt dessen i m Wege einer „Gesamtschau" die Frage der Marktbeherrschung und damit der Fusionskontrolle lösen 20 . Zu diesem Zweck sollen nicht nur die ausdrücklich formulierten, sondern alle relevanten Kriterien geprüft werden, wobei allerdings ungeklärt bleibt, welche Kriterien relevant sind 2 1 . Wie sich hieraus deutlich zeigt, besteht gegenüber Konglomeraten eine gewisse „Ratlosigkeit . . . , weil die überlieferten Kriterien der Mergers under Section 7 of the Clayton Act, S. 91: "The conglomerate merger is particularly troublesome because of the relative absence of data revealing its ultimate impact on the economy." is Vgl. RegE GWB, Begr. S. 22 u n d 30. κ* Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness as a Source of Power, S. 334; Adams, i n : Economic Concentration, P a r t i , S.249; Kartte, a.a.O. S. 118; vgl. a u d i Borchert, Wettbewerbspolitische K r i t e r i e n von diversifizierten U n t e r nehmenszusammenschlüssen, S. 258. 17 Es soll hier n u r auf die beiden bedeutendsten Theorien hingewiesen werden. Eine genauere Darlegung der verschiedenen Ansichten erfolgt i m T e i l I I I dieser Arbeit. Vgl. Mueller, The Current Merger Movement, S. 647; Day, Conglomerate Mergers and „ T h e Course of Bigness", S. 539; Borchert, Konglomeration u n d Konzentration, S. 638. 19 Vgl. Markham, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1271; Kaysen, ebenda, Part 2, S. 550. 20 RegE GWB, Begr., S. 22; B M W I , Tagesnachrichten Nr. 6761 v. 28.6.73, S. 4; SZ Nr. 25 v. 8.3.72, S. 25; Mayer-Wegelin, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, zu § 22, ee) S. 49. 21 Vgl. hierz insb. Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 10.

22

Einleitung

Wettbewerbs- und Marktpolitik geradezu über den Haufen geworfen sind" 2 2 . Die bisher angenommene Möglichkeit der reinen M a r k t - und Marktanteilsbetrachtung versagt, weil konglomerate Zusammenschlüsse keine direkten Auswirkungen auf die Anteilsverteilung haben 23 . Neue Kriterien werden aber erst noch gesucht 24 . Dementsprechend ist es kaum denkbar, daß die neue Fusionskontrolle tatsächlich zu einer befriedigenden Lösung des Konglomerationsproblems führt 2 5 . Es stellt sich vielmehr die Frage, ob durch die Regelungen der §§ 24, 22 GWB überhaupt ein Fortschritt erzielt wurde 2 6 oder ob nicht gerade durch sie die Problematik konglomerater Zusammenschlüsse aktueller denn je geworden ist 2 7 . b) Das Ziel der Untersuchung U m zu einer Klärung der bestehenden Probleme beizutragen, soll i m Rahmen der vorliegenden Arbeit untersucht werden: 1. ob und — wenn ja — wie die bestehende Fusionskontrolle zu einer gerechten und praktikablen Lösung der Konglomerationsproblematik beitragen kann und 2. wie die vorhandenen Vorschriften verbessert werden könnten. Z u diesem Zweck w i r d einerseits nachgewiesen, welche konglomeraten Zusammenschlüsse tatsächlich gemäß §§ 24, 22 GWB untersagt werden können, andererseits w i r d geprüft, welche Konglomerationen nach Sinn und Zweck der Fusionskontrolle verhindert werden müßten. Es w i r d also ein Vergleich vorgenommen zwischen den augenblicklich vorhandenen Möglichkeiten und dem angestrebten Idealzustand, so daß sich als Ergebnis sowohl Erfolg und Mißerfolg der geltenden Bestim22 Sölter, Das Mischunternehmen, S. 154; vgl. auch Hammond, G r o w t h through Mergers, S. 788; Borchert, Konglomeration S. 648; Gutowski, S. 3. 23 Petry, Konglomerate Fusion u n d Wettbewerb, S. 548; Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 140; Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 269; Hammond, S. 788. 24 Der sogenannte Stigler Report (Report of Task Force on Productivity and Competition) h ä l t daher ein rechtliches Vorgehen gegen konglomerate Unternehmenszusammenschlüsse für nicht angezeigt. Vgl. Fischer, Neuere Entwicklungen der amerikanischen A n t i t r u s t Politik, S. 337. 25 Z u r rechtlichen Schwierigkeit der Normsetzung u n d -ànwendung bei U n k l a r h e i t über den zugrunde liegenden wirtschaftlichen Problemzusammenhang vgl. Raisch, Normqualität u n d Durchsetzbarkeit wirtschaftlicher Regelungen, S. 161 ff. 26 Vgl. die skeptischen Äußerungen v o n Baur, Rechtliche Fragen der Marktbeherrschung, S. 920; vgl. auch Sandrock, Keine wirksame K o n zentrationskontrolle; Kantzenbach, Die Novellierung der Kartellgesetzgebung, S. 16; Galbraith, Kartellgesetz — bloße Kosmetik, S. 20. 27 Z u dieser Möglichkeit als Folge einer ungleichmäßigen Fusionskontrolle vgl. T e i l I, Β I V , 2. u n d 3.

Einleitung m u n g e n als auch A n s a t z p u n k t e z u i h r e r k ü n f t i g e n Ä n d e r u n g feststellen lassen 2 8 . Vergleichsmaßstab der Untersuchung sind allein die Ziele der W i r t s c h a f t s p o l i t i k . D i e gesellschaftspolitischen A s p e k t e des K o n g l o m e r a t i o n s p r o b l e m s w e r d e n h i n g e g e n n i c h t beachtet. Diese B e s c h r ä n k u n g ist n o t w e n d i g , w e i l i n d e r h e u t i g e n D i s k u s s i o n h ä u f i g soziale u n d p o l i t i s c h e Wertvorstellungen zu einer gefühlsmäßigen B e u r t e i l u n g der K o n g l o meration führen, ohne durch nachweisbare D a t e n erhärtet zu sein29. Sie i s t m ö g l i c h , w e i l d i e g r u n d s ä t z l i c h v o r h a n d e n e gesellschaftspolitische Z i e l s e t z u n g d e r F u s i o n s k o n t r o l l e 3 0 a u f i h r e tatsächliche A u s g e s t a l t u n g i n D e u t s c h l a n d n u r e i n e n sehr g e r i n g e n E i n f l u ß ausgeübt h a t 5 1 . I n s b e sondere b e i d e r M a r k t b e h e r r s c h u n g als d e m E i n g r i f f s k r i t e r i u m d e r F u s i o n s k o n t r o l l e f a n d sie k e i n e n E i n g a n g i n die D e f i n i t i o n 3 2 , v i e l m e h r 28 Hieraus ergeben sich die Haupt-Gliederungspunkte der Arbeit, T e i l l : Darstellung des Ist-Zustandes; T e i l I I : Darstellung des Idealzustandes; T e i l I I I : Vergleich der f ü r den Idealzustand notwendigen Fusionskontrollk r i t e r i e n m i t den K r i t e r i e n des geltenden Rechts. Genauer dazu: unten d). 2» Hruska, S. 195; vgl. auch Rauschenbach, Die Hauptprobleme der K a r t e l l novelle f ü r die Unternehmen u n d ihre Berater, S. 1858, der meint, daß allgemeine Fragen des Wettbewerbs i n wirtschaftswissenschaftlichen u n d juristischen Lehrmeinungen „zu sehr v o l u n t a t i v v o m gewünschten Ergebnis her bestimmt u n d damit der Gefahr totaler Parteilichkeit ausgesetzt sind". Ebenso Posner, Conglomerate Mergers and A n t i t r u s t Policy, S. 530: " . . / a n t i trust economics' is to real economics w h a t alchemy is to chemistry." Vgl. auch Galbraith, Kartellgesetz, S. 20; vgl. Raisch, Mitbestimmung u n d K o alitionsfreiheit, S. 9, u n d seinen generellen Hinweis, „daß vielfach rechtspolitische Meinungen i m Gewände rechtswissenschaftlicher Aussagen v o r gebracht werden". 3° Vgl. Raisch, Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als I n s t r u ment zur Bindung großer wirtschaftlicher Macht, S. 229; vgl. auch ders., Methodische Bedenken gegen Generalklauseln i m Kartellrecht am Beispiel der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, S. 630; Ballerstedt, Das Verhältnis v o n Recht u n d Wirtschaft als Aufgabe der Forschung u n d der Gestaltung, S. 45. 31 Beispiele sind die „Toleranzklauseln" des § 24 Abs. 8 oder die „ M i n i s t e r erlaubnis" des § 24 Abs. 3. Hätte die Gesellschaftspolitik auch die Eingriffsk r i t e r i e n mitbestimmen sollen, so wäre die Festlegung absoluter Größenzahlen, w i e z. B. i m 1. RefE GWB, notwendig gewesen. 32 Vgl. hierzu den zutreffenden Hinweis bei Ballerstedt, S. 44, daß die gesellschaftspolitischen Gefahren einer Unternehmenskonzentration m i t H i l f e des auf solche Vorgänge gar nicht zugeschnittenen Begriffs der M a r k t beherrschung nicht gemeistert werden können. a. A . : Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 159. Wie sehr seine Ansicht allerdings v o n einem Wunschdenken geprägt ist, zeigt seine Darstellung der Eingreifkriterien bei diagonalen Zusammenschlüssen (S. 163). Danach sollen die „reinen Größenkriterien" immer größere Bedeutung erlangen. F ü r Emmerich stehen sie gleichwertig neben dem A u f b a u u n d der Verstärkung beherrschender oder überragender Positionen. Dies ist zwar die logische Folgerung aus einer Gleichstellung wirtschafte- u n d gesellschaftspolitischer Funktionen, w i e sie allerdings dem Gesetz entnommen werden könnte, ist m i r unerklärlich. Auch Emmerich scheint i m übrigen anzunehmen, daß i n der Praxis n u r nach wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten beurteilt werden w i r d . Vgl. S. 159 f.

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Einleitung

beruht diese, wie schon die Fixierung auf einen einzelnen Markt zeigt, rein auf wirtschaftlichen Grundlagen 35 . Die spezielle Ausrichtung der vorliegenden Arbeit auf die deutsche Fusionskontrolle führt außerdem zu einer weiteren Beschränkung: Es soll keine K r i t i k des amerikanischen Antitrustrechts vorgenommen werden 3 4 . Soweit trotzdem auf die amerikanische Entwicklung und auf amerikanische Gerichtsurteile Bezug genommen wird, geschieht dies nur zur beispielhaften Verdeutlichung und zur Darstellung der juristischen Schwierigkeiten, da entsprechende Verfahren, Aufzeichnungen und Statistiken i n Deutschland bisher nicht vorliegen 3 5 . Die rechtliche Prüfung beschränkt sich aber auf das deutsche Recht, seine Entwicklung und seine Besonderheiten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer besonderen Beachtung der Marktanteilsproblematik. Die deutsche Fusionskontrolle legt durch ihre Entscheidung für das K r i t e r i u m der Marktbeherrschung eine Beurteilung anhand des Marktanteils nahe 36 . Seine Bedeutung als alleiniger Bestimmungsfaktor der Marktbeherrschung sollte zwar durch die Änderung der Marktbeherrschxmgsdefinition i n §22 GWB vermindert werden 3 7 , es besteht aber dennoch die Gefahr, daß der Marktanteil auch künftig infolge seiner starken Aussagekraft eine besondere Stellung bei der praktischen Durchführung der Fusionskontrolle innehaben w i r d 3 8 . Dies ist für die vorliegende Untersuchung von herausragender Bedeutung, da die Konglomeration keine hohen Marktanteile voraussetzt 39 . Die Möglichkeit ihrer Erfassung i n der Fusionskontrolle hängt 33 v g l . Reich, Neue Tendenzen des Wirtschaftsrechts, S. 1454; vgl. auch die Darlegungen, wonach die Fusionskontrolle i n ihrer jetzigen Ausgestaltung allein auf dem Wettbewerb, u . d . h . auf einem wirtschaftlichen Prozeß aufbaut. Vgl. RegE GWB, Begr. S. 15, 16; Wiss. Beitrat, Stellungnahme, S.6; Mertens, Konzentration, Konzernprobleme u. Aktienreform, S. 148. 34 F ü r diese Zielrichtung sei auf Frankus, Fusionskontrolle bei K o n g l o meraten, u n d Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen durch konglomerate Unternehmenszusammenschlüsse, verwiesen. 85 Vgl. Griesbach, i n : Ünternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 30, vgl. auch Borchert, Konglomeration, S. 645. 36 Vgl. Bundesregierung, Bericht über Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 59; Bundesregierung, Stellungnahme zu: Bundesamt f ü r gewerbliche Wirtschaft, Bericht über das Ergebnis einer Üntersuchung der Konzentration i n der Wirtschaft (im folgenden: K o n zentrationsenquete), S. 94. »7 Vgl. RegE GWB, Begr. S.22: „Umgekehrt ist es denkbar, daß bei einem relativ niedrigen M a r k t a n t e i l andere Faktoren eine überragende M a r k t stellung begründen." 38 Weyhenmeyer i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, öffentliche A n h ö r u n g v o n Sachverständigen zu dem E n t w u r f eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 53/47 ( i m folgenden: Sachverständigenanhörung). 3» Vgl. oben A n m . 23; vgl. auch Konzentrationsenquete, Anlageband S. 745.

Einleitung deshalb wesentlich von der Stellung des Marktanteils i m Rahmen der Prüfung einer Marktbeherrschung ab. c) Die methodischen Schwierigkeiten

der Untersuchung

I m Verlauf der Untersuchung ergeben sich einige Schwierigkeiten aus der Notwendigkeit, geltende Rechtsnormen an den ihnen zugrunde liegenden wirtschaftlichen Zielsetzungen zu messen und aus dem Ergebnis auf bestehende Verbesserungsmöglichkeiten zu schließen. Die Ableitung verbindlicher Rechtssätze aus wirtschaftlichen Thesen setzt nämlich voraus, daß der zugrunde liegende Problemzusammenhang geklärt ist 4 0 . Das aber ist bei konglomeraten Zusammenschlüssen nicht der Fall. Bei ihnen existieren nur Meinungen und kein geschlossenes System, aus dem sich positive und negative Folgen der Konglomeration eindeutig ablesen lassen 41 . Dementsprechend muß die Konglomerationsproblematik i n dieser Untersuchung umfassend behandelt werden. I m Gegensatz zu w i r t schaftswissenschaftlichen Arbeiten w i r d allerdings nicht der Versuch unternommen, eine Theorie der Konglomeration zu erstellen. Eine derartige Zielsetzung wäre zu komplex und könnte dazu verleiten, zwecks Vollständigkeit der Theorie die für eine juristische Verwertung notwendige Klarheit und Einfachheit vermissen zu lassen 42 . Erstrebt sind statt dessen gesicherte, möglichst empirisch belegbare Ergebnisse, die zur Grundlage unzweideutiger, praktikabler Normen und einer klaren Anwendungspraxis werden können 4 3 . Die hierzu nötigen statistischen Angaben über Konglomerate sind allerdings selten. Auch die wenigen vorhandenen Daten stammen meist aus Untersuchungen, die schon i m Ausgangspunkt erhebliche Schwächen auf weisen 44 . Daher ist eine echte Verifizierung i m Sinne des modernen Empirismus bei manchen Aussagen nicht möglich 45 . Die Untersuchung 40

Vgl. hierzu Raisch, Normqualität, S. 161 ff. Vgl. die verschiedenen oben unter a) dargestellten Ansichten. 42 Dies zeigt sich i n vielen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen. Bei ihnen besteht nicht der Zwang, ein juristisch faßbares Ergebnis zu erzielen. Sie haben vielmehr das Bestreben, alle theoretisch denkbaren E n t wicklungen einzubeziehen, u n d unterscheiden deshalb.teilweise nicht zwischen Erwiesenem, Wahrscheinlichem oder n u r Möglichem. Vgl. als Beispiel Stepic, Die konglomeraten Unternehmenszusammenschlüsse u n d i h r Einfluß auf den Wettbewerb i m Licht des amerikanischen Antitrustrechts, i n seinem Üntersuchungsteil: S. 181 - 229. 43 Als Gegenbeispiel vgl. die Unzahl sich ergebender K r i t e r i e n i n der wirtschaftlichen Untersuchung v o n Haager, Die konglomerate Konzentration als Problem der Wettbewerbspolitik. I h r e Anwendung w ü r d e eine absolute Überforderung jedes Richters u n d damit eine allgemeine Rechtsunsicherheit herbeiführen. 44 Die genaue K r i t i k erfolgt jeweils bei Darlegung u n d Verwertung der statistischen Erhebungen. 41

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Einleitung

muß sich bei ihnen auf eine Uberprüfung der vorgetragenen Meinungen beschränken 46 . Als Folge entsteht ein gewisser Unsicherheitsfaktor, der durch die mögliche Subjektivität einiger Ansichten verursacht w i r d 4 7 . U m ihn auszuschalten, w i r d eine Vielzahl von Einzelpunkten behandelt und dabei versucht, die vorhandenen Thesen möglichst vollständig zu erörtern. Das führt teilweise zu einer etwas breiten A r t der Darstellung, i m Interesse der Objektivität bei den wirtschaftlichen Aussagen und der notwendigen Sicherheit bei den rechtlichen Folgerungen erscheint sie aber unvermeidlich. Insgesamt führt die Arbeit zu Ergebnissen, die zwar nicht voll verifiziert sind, für deren Gültigkeit aber wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Die verschiedenen Einzelaussagen ergeben kein geschlossenes System, aus ihnen folgt aber zumindest eine halbwegs fundierte Hypothese 48 . d) Der Aufbau der Untersuchung Die Gliederung der vorliegenden Arbeit ergibt sich aus den drei Grundfragen, die i n den entsprechenden drei Hauptteilen der Untersuchung beantwortet werden sollen 49 . Teil I Ist die deutsche Fusionskontrolle i n der bestehenden Form überhaupt geeignet, konglomerate Zusammenschlüsse zu erfassen, und welche Bedeutung hat dabei das K r i t e r i u m des Marktanteils? Teil I I Ist eine mögliche Untersagung konglomerater Zusammenschlüsse gerechtfertigt, bzw. welche ihrer Auswirkungen müßten nach der Zielsetzung der Fusionskontrolle verhindert werden und welche nicht? Teil I I I Führt die Fusionskontrolle bei Konglomeraten zu einem gerechten Ergebnis, oder ist sie aufgrund ihrer Betonung des Marktanteils i n der 45 Sie würde voraussetzen, daß „alle Behauptungen intersubjektiv überprüfbar" sind. Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, S. 348; vgl. auch Raisch, Mitbestimmung, S. 12 f. 46 Es erfolgt eine Darstellung von Thesen u n d Antithesen m i t abschließender Ergebnisbildung. 47 Bei ihnen fehlt die schon oben A n m . 29 angesprochene notwendige Unterscheidung zwischen politischem Wollen u n d wissenschaftlich erarbeiteter Zielsetzung. 48 Z u r wissenschaftlichen Haltbarkeit derartiger Hypothesen vgl. Stegmüller, Hauptströmungen, S. 354 f. 49 Vgl. schon oben A n m . 28.

Einleitung vorliegenden Form ungeeignet, die Gefahr der konglomeraten Konzentration abzuwehren? Zu Teil I Bei der Beantwortung der ersten Frage werden zunächst i n A b schnitt A die Besonderheiten konglomerater Zusammenschlüsse und die sich daraus ergebende rechtliche Problematik dargelegt, während A b schnitt Β das Ausmaß der Schwierigkeiten zeigt, das sich aus der großen Bedeutung der Konglomeration für die deutsche Wirtschaft ergibt 5 0 . I n Abschnitt C w i r d dann der i n der Fusionskontrolle enthaltene Versuch einer Problemlösung untersucht, wobei sich ergibt, daß konglomerate Zusammenschlüsse untersagt werden können, wenn hohe M a r k t anteile sich durch die Verbindung mit anderen Machtmitteln zu einer Marktbeherrschung verstärken. Zu Teil I I I m zweiten Teil w i r d vorab eine Definition des Wettbewerbs vorgenommen, da er als Grundlage der Fusionskontrolle den Maßstab für die Schädlichkeit von Konglomerationen darstellt. Danach werden i n Abschnitt Β die betriebswirtschaftlichen Vorteile konglomerater Zusammenschlüsse untersucht, die als Ausgangspunkte konglomerater Macht die Basis für Veränderungen des Wettbewerbs bilden. Bei der Uberprüfung der Wettbewerbsveränderungen gegenüber Konkurrenten und Partnern ergibt sich i n Abschnitt C, daß konglomerate Zusammenschlüsse Auswirkungen sowohl i n positiver als auch i n negativer Richtung haben können. Eine Untersagung ist deshalb nur i n einzelnen, speziell zu ermittelnden Fällen gerechtfertigt. Z u Teil I I I U m die dritte Frage beantworten zu können, werden i n Abschnitt A die Grundlagen der festgestellten Wettbewerbsveränderungen erforscht. Dabei zeigt sich, daß sowohl Wettbewerbsverminderungen als auch -erhöhungen auf hohen Anteilen an irgendeinem M a r k t des Konglomerates beruhen. Die zur alleinigen Erfassung der Wettbewerbsbeschränkungen notwendige Abgrenzung führt i n Abschnitt Β zu dem Ergebnis, daß die besondere Betonung des Anteils auf dem durch den Zusammenschluß gestärkten M a r k t i n § 22 GWB zu Recht besteht 51 . 50 Hierbei werden gleichzeitig die beiden Vorurteile widerlegt, die Konglomeration sei eine typisch amerikanische Erscheinung, so Mestmäcker, Konzentration u n d Wettbewerb, S. 15, u n d die Konglomeration sei eine für Deutschland neue Konzentrationsform, vgl. Sölter, Diversifikative K o n zentration, S. 54; Besters, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/10, u n d bezüglich jeder Konzentrationsform: Diekmann, zit. bei: Jürgensen / Berg, Konzentration u n d Wettbewerb i m Gemeinsamen M a r k t , S. 21. 61 Diese i n bisherigen Untersuchungen nicht vorgenommene Unterscheidung zwischen Anteilen auf dem M a r k t , der durch den Zusammenschluß eine

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Einleitung

Dies w i r d i n Abschnitt C durch den Nachweis bestätigt, daß bei richtiger Auslegung der §§24, 22 GWB zumindest die bedeutendsten der durch konglomerate Zusammenschlüsse entstehenden Wettbewerbsnachteile i m Rahmen der deutschen Fusionskontrolle verhindert werden können, während gleichzeitig mögliche Vorteile der Konglomeration erhalten bleiben. M i t dem abschließenden Hinweis auf mögliche Gesetzesänderungen w i r d ein Weg aufgezeigt, wie das Ergebnis der jetzigen Fusionskontrolle verbessert und den i n Teil I I ermittelten wirtschaftlichen Notwendigkeiten angepaßt werden könnte.

stärkere Stellung erhält, u n d Anteilen auf dem M a r k t , von dem diese Stärkung ausgeht, ist sowohl aus rechtlichen (Prinzip der Einzelmarktbetrachtung) w i e aus wirtschaftlichen Gründen f ü r eine Beurteilung der deutschen Fusionskontrolle v o n außerordentlicher Bedeutung. Genauer zur Notwendigkeit der Unterscheidung: unten T e i l I I I , A . I I I ,

Teil

I

Das Problem des Konglomerats, seine wirtschaftliche Bedeutung und die rechtliche Erfassung i n Deutschland A. Das Konglomerat als Sonderfall der Konzentration Die Konzentration i n der Wirtschaft 1 vollzieht sich auf mehreren Ebenen, die i n unterschiedlicher Weise voneinander getrennt werden können. Einerseits ist eine Gliederung anhand der Konsumreife bzw. der Konsumentennähe denkbar. Zusammenschlüsse von Unternehmen m i t gleicher Entfernung zum Letztverbraucher, ζ. B. von Endproduktherstellern, müßten dann — ohne Rücksicht auf die betroffenen Märkte — als horizontal und solche von Unternehmen m i t unterschiedlicher Konsumentennähe als vertikal angesehen werden 2 . Ebenso ist aber auch eine Abgrenzung anhand der Marktbezogenheit möglich. I n diesem Fall entstünde aus den Zusammenschlüssen a l l der Unternehmen, die — unabhängig von der jeweiligen Produktionsstufe — irgendwie auf dem gleichen M a r k t tätig sind, eine Gruppe 3 und aus den Zusammenschlüssen von Unternehmen ohne Berührungspunkte die andere. Beide Möglichkeiten vereint die allgemein gebräuchliche Unterscheidung i n horizontale, vertikale und diagonale Zusammenschlüsse4.

1 Z u r Schwierigkeit der Definition v o n „Konzentration" vgl.: Lenel, U r sachen der Konzentration, S. 2 - 15; Plan, Unternehmenskonzentration, S. 4 ff.; Gunzert, Was ist Konzentration? 2 So Lenel, Ursachen, S. 145; vgl. auch Adelmann, Integration and A n t i t r u s t Policy, S. 27. 3 Ob sich die Unternehmen auf diesem M a r k t i n horizontaler oder v e r t i kaler Richtung treffen, ist ohne Bedeutung. 4 Häufig werden alle diagonalen Zusammenschlüsse als konglomeriert bezeichnet. So ζ. B. i n den amerikanischen u n d — bis 1973 — auch i n den deutschen Statistiken. Vgl. Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 257 A n m . 1; B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1971, S.46.

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Teil I: Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung I. Die marktbezogenen Konzentrationsformen 1. Die horizontale Konzentration ·

Der Begriff „Konzentration" scheint am ehesten die horizontalen Verflechtungen zu erfassen, da nur diese wirklich Gleichartiges zusammenfügen. Sie verbinden Unternehmen, die sowohl auf dem gleichen Markt als auch auf der gleichen Wirtschaftsstufe tätig sind, die also bisher i n unmittelbarem Wettbewerb miteinander standen 5 , und deren Produkte aus der Sicht des Käufers identisch oder zumindest i n hohem Maße substitutiv sind 6 . Schwierigkeiten der Zuordnung können sich nur bei Zusammenschlüssen m i t substitutiver Produktausweitung ergeben. Hier ist häufig infolge des unterschiedlichen Substitutionsgrades der Waren und Leistungen eine eindeutige Marktabgrenzung nicht möglich, so daß ein breiter Grenzbereich anerkannt werden muß 7 . Läßt sich jedoch eine „funktionelle Austauschbarkeit i m Sinne einer Marktgleichwertigkeit für den Verbraucher" 8 bei den angebotenen Gütern der beiden Unternehmen feststellen, so handelt es sich u m einen horizontalen Zusammenschluß. Bei dieser A r t Konzentration werden die vorhandenen Kapazitäten vereinigt und es bietet künftig statt zweier Wettbewerber nur noch einer auf dem betreffenden Markt an. Daraus folgt eine Konzentrationserhöhung, die sich i n den aufsummierten Marktanteilen beider Unternehmen ausdrückt. Folglich stellen diese das entscheidende K r i t e r i u m zur Beurteilung der horizontalen Konzentration dar 9 . 2. Die vertikale Konzentration Bei vertikalen Zusammenschlüssen verbinden sich Unternehmen, die auf einanderfolgenden Wirtschaftsstufen tätig sind 1 0 . Daher stellt der output des einen den input des anderen Unternehmens dar, und beide können sich durch eine Vereinigung den Absatzmarkt bzw. die Ver« Vgl. G f K , Konglomerate, Spitzenreiter der Fusionswelle, S. 419; C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 30. 6 Narver, Conglomerate Mergers and Market Competition, S. 2. Die Federal Trade Commission unterteilt deshalb i n „direct horizontal acquisition" u n d „substitute product acquisitions". F.T.C., Report on the Merger Movement, S. 33, 35. 7 Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 745; vgl. zu den Schwierigkeiten auch: B M W F , V e r m e r k : Sachlich relevanter M a r k t , v. 13. März 1972; K r o n stein / M i l l e r / Schwartz, Modern American A n t i t r u s t L a w , S. 29 ff. β B K a r t A , Tätigkeitsbericht, 1967, S. 11. 9 Vgl. Merger Guidelines, Nr. 4 - 7 ; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 125 ff. 10 Narver, S. 2 f.; GfK., Konglomerate, S.420.

Α. Das Konglomerat als Sonderfall der Konzentration

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sorgungsquelle sichern 11 . U m zu unterscheiden, von welcher Seite der Vorstoß ausgeht, spricht man von „forward vertical acquisition", wenn i n den Bereich der Weiterverarbeitung eingedrungen wird, und von „backward vertical acquisition", wenn der Vorproduzent übernommen wird12. Durch den Zusammenschluß ändern sich die jeweiligen Marktanteile nicht, denn beide Unternehmen stehen sich vor ihrer Verbindung nicht als Wettbewerber, sondern als Zulieferer und Abnehmer gegenüber 18 . Sie sind allerdings auf dem gleichen M a r k t tätig, so daß der zwischen ihnen sich vollziehende Teil ihrer Geschäftstätigkeit durch die Vereinigung aus dem M a r k t genommen und dem Wettbewerbsdruck entzogen w i r d 1 4 . Das hat zweierlei zur Folge: Erstens w i r d das Gesamtunternehmen auf dem Markt des Endprodukts gestärkt, und zwar umso mehr, je unabhängiger es w i r d und je mehr die Konkurrenten Schwierigkeiten der Rohstoff- bzw. Vorproduktbeschaffung haben oder als Folge des Zusammenschlusses bekommen 15 . Zweitens w i r d auch auf dem Markt des Vorprodukts eine Wettbewerbsminderung erzielt, die i n ihrem Ausmaß von der Größe des absorbierten Marktanteils abhängt 16 . Folglich stellt bei der vertikalen wie bei der horizontalen Konzentration der Marktanteil ein entscheidendes K r i t e r i u m für die Beurteilung i m Rahmen der Fusionskontrolle dar 1 7 . II. Die nicht marktbezogene, konglomerate Konzentration 1. Die Abgrenzungstheorien Gegenüber der horizontalen und vertikalen Konzentration könnte die diagonale und — sofern man beides gleichsetzt 18 — auch die konglomerate Konzentration am leichtesten negativ definiert werden. Sie ist die Form eines Zusammenschlusses, die i n keines der anderen Konzepte 11

C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 30. 12 F.T.C., Report on the Merger Movement, S. 41, 49.

13 Vgl. als Beispiel die Verbindung Thyssen-Rheinstahl: Uebbing, Der Stahlverein ist beisammen, S. 15. 14 Vgl. U.S. v. E.T. D u Pont de Nemours & Co., 353 U.S. 606. 15 Vgl. U.S. v. A l u m i n i u m Company of America, (Alcoa), 233 F.Supp. 718, 728 (1964); U.S. v. Bethlehem Steel Corp., 168 F.Supp. 576, 611 ff. (1958). Vgl. U.S. v. D u Pont de Nemours, 353 U.S. 606; B r o w n Shoe Co. v. U.S., 370 U.S. 331 f. (1962). 17 Merger Guidelines, Nr. 11 u n d 12; Zohlnhöfer, insb. S. 147. ι» Vgl. oben T e i l I, Α., A n m . 4.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

hineingehört 1 9 , da sie weder gleiche Produkte oder Substitute, noch vor- und nachgelagerte Märkte verbindet. Es besteht folglich zwischen den beteiligten Unternehmen weder eine Konkurrenzbeziehung noch ein Käufer-Verkäufer-Verhältnis 2 0 . Statt dessen sind sie auf Märkten tätig, zwischen denen es offensichtlich keinen Zusammenhang gibt. Bei dieser negativen Definition kann der Begriff „Konglomerat" jedoch nur als Sammelbezeichnung und als bedeutungsloser Überwurf verstanden werden, der die Abgrenzungsprobleme verdecken h i l f t 2 1 : " I t means what I choose i t to mean — neither more nor less 22 ." Deshalb w i r d mit den Theorien des Funktions- und des Marktkonzeptes versucht, das Konglomerat positiv zu beschreiben. Das Marktkonzept geht von der Anzahl der belieferten Märkte aus. Solange die sich verbindenden Unternehmen auf unterschiedlichen Märkten anbieten 23 und sich die Zahl ihrer externen Marktbeziehungen durch den Zusammenschluß nicht verändert 2 4 , liegt eine Konglomeration vor. Dabei ist es nicht notwendig, daß Konglomerate i n völlig unzusammenhängenden Bereichen tätig sind, es genügt, daß sie quasi als „industrielle Gemischtwarenläden" 25 i n verschiedenen Branchen arbeiten, auch wenn sich vielleicht die Herstellungs- oder Absatzfunktionen ihrer einzelnen Produkte ähneln. Ausschlaggebend ist die Enge oder Weite der Marktdefinition 2 6 . Sogar bei identischen Gütern kann deshalb eine Konglomeration vorliegen, wenn Produktions- bzw. Vertriebsbereiche geographisch voneinander getrennt sind. I m Verhältnis zu dieser Definition sind die Grenzen nach dem Funktionskonzept enger gezogen. Hier kommt es nicht auf den Markt, sondern auf die verschiedenen innerbetrieblichen Funktionen an 2 7 . Ein Konglomerat liegt daher nur dann vor, wenn Güter hergestellt werden, die weder gleiche Rohmaterialien benötigen, noch i m gleichen Verfahren produziert werden, deren Absatz außerdem auf unterschiedlichen Vertriebswegen erfolgt und die verschiedene Käufer ansprechen 28 . 19 Spethman, i n : Notwendigkeit u n d Gefahr der wirtschaftlichen K o n zentration i n nationaler u n d internationaler Sicht, S. 148; OECD — Glossary of Terms, S. 69. 20 Narver, S. 3; Zohlnhöfer, S. 37; Petry, Konglomerate Fusion, S. 547; Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 257. 21 Vgl. Hruska, S. 192; OECD — Glossary of Terms, S. 69; Edwards, Conglomerate Bigness, S. 332 A n m . 1. 22 Hruska, S. 192. 23 Edwards, i n : Economic Concentration, P a r t i , S.38; Petry, S . 5 4 7 1 24 Narver, S. 3. 25 Engelen-Kefer, Sumpfblüten des Booms, S. 32. 2β Petry, S. 548; Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 210. 27 Vgl. Edwards, i n : Economic Concentration, Part i S. 38. 28 Petry, S. 547.

Α. Das Konglomerat als Sonderfall der Konzentration

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Müßte deshalb nach dem Marktkonzept der Produzent von Kleinwagen und Luxuslimousinen schon als Konglomerat bezeichnet werden, so wäre dies nach dem Funktionskonzept selbst bei einem Hersteller von Automobilen und Flugzeugmotoren noch zweifelhaft, da möglicherweise gleiches Rohmaterial oder ähnliche Fertigungsmethoden verwandt werden könnten. 2. Die Diversifikation Aus der Schwierigkeit der Definition des Begriffs „Konglomerat" ergibt sich die Vielzahl von Benennungen, die teils synonym, teils m i t unterschiedlicher Bedeutung i m Rahmen der diagonalen Konzentration gebraucht werden 2 9 . Meist gehen sie von einer der oben genannten Definitionen aus oder von einer der möglichen Zweckbestimmungen dieser Konzentration und erfassen daher nur einen bestimmten Bereich. Während z.B. die Bezeichnung „Viel-Markt-Konzern" 3 0 nur für das Marktkonzept wirklich zutrifft, w i r d bei der „heterogenen Konzent r a t i o n " 3 1 die Trennung, beim „Querverbindungstrust" 3 2 dagegen die Verbindung betont. Das Wort „Mischkonzern" 3 ® wiederum beinhaltet die Zweckbestimmung der Risikenmischung. Auch der Begriff „Diversifikation" w i r d oft als identisch m i t „Konglomeration" angesehen 34 . Unter i h m verbirgt sich jedoch ein ganzer Fächer verschiedenartiger Unternehmenszusammenschlüsse, ausgehend von einer so nahen Verwandtschaft der Güter, daß die Verbindung praktisch einer Produkterweiterung gleichkommt 3 5 , bis zu einer fast völligen Trennung der Produkte ohne direkte Beziehung zueinander 86 . Bei dieser Begriffsverwendung ist es daher möglich, Konglomerate nach der Stärke ihrer Produktbeziehungen einzuteilen, wobei von dem „degree of node commonality" als Grad der Verwandtschaft oder dem „degree of conglomerateness" als Grad der Unabhängigkeit ausgegangen w i r d 3 7 . 29 Auch die F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 23, bedauert, daß es keine einheitliche Definition des Konglomerats gibt u n d daß folglich die meisten Untersuchungen v o n unterschiedlichen Grundlagen ausgehen. so So Schmidt-Ott, Z u r Anwendbarkeit der A r t . 85, 86 EWG-Vertrag, S. 86, der dies f ü r die beste Übersetzung v o n „conglomerate" hält. 81 GfK., Konglomerate, S. 420. 32 Benisch / Giessler / Günther / Spary, Beobachtungen über Wettbewerbsrecht, S. 14. 33 GfK., Konglomerate, S.420. 34 B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1969, S. 42; Kaysen, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 557. 35 Vgl. das Beispiel i n : OECD-Glossary of Terms, S. 71. 3« Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 259: Narver, S. 4; Turner, Conglomerate Mergers and Section 7 of the Clayton Act, S. 1315. 37 Narver, S. 4 - 6.

3 Emiich

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Ebenso k a n n eine Untergliederung nach der A r t der P r o d u k t v e r bindungen vorgenommen werden. D a n n ergeben sich d r e i T y p e n k o n glomerater Unternehmens Verschmelzungen :

1. solche m i t Produktausweitungen (product extension mergers), 2. solche m i t — geographischer — Marktausdehnung (market extension mergers), und 3. die restlichen ohne Beziehungspunkte, die „pure conglomerate mergers" 3 8 . Trotz der häufigen Anwendung dieser weiten Begriffsbestimmung und der zuletzt genannten Einteilung für konglomerate Zusammenschlüsse und Diversifikationen bleibt eine solche Gleichbehandlung unbefriedigend und w i r d beiden Bezeichnungen nicht gerecht. Diversifikationen 39 haben grundsätzlich einen gleichen Ausgangspunkt. Sie sind geprägt von einer Verbindung der verschiedenen Unternehmensprodukte zueinander 40 . Dabei ist die Produktdifferenzierung durch Varianten ein und desselben Gutes keine Diversifikation, sondern eine Form der horizontalen Ausweitung 4 1 . Ansonsten kann die Verwandtschaft der Produkte jedoch i n einer unendlichen Zahl von A b stufungen vorliegen, von der bloßen Möglichkeit der Verwendung von Kenntnissen i m Produktionsverfahren bis hin zur Ausnutzung der bestehenden Produkte auf anderen Märkten 4 2 . Als Definition wäre deshalb der folgende Satz möglich: Diversifikation ist die „bewußte, gezielte Ausweitung des Leistungsprogramms der Unternehmung auf solche Leistungsbereiche, die für das Unternehmen 88 So die F.T.C.-Einteilung: Vgl. Mueller, The Current Merger Movement, S. 641 ; Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 257 A n m . 1 ; Seidmann, Conglomerates and the F.T.C., S. 22. Ä h n l i c h unterschied bis 1973 das B K a r t A , jedoch ohne geographisch getrennte Märkte. Dadurch entstanden zwei Zusammenschlußgruppen: „organisch-heterogene" u n d „nicht-organisch-heterogene" („sonstige") Zusammenschlüsse. Vgl. Koberstein, Unternehmungszusammenschlüsse, S. 19; GfK., Konglomerate, S. 420; vgl. auch die Tätigkeitsberichte des B K a r t A . Die Bundesregierung zählt allerdings schon i n i h r e m „Bericht zur Änderung des G W B " , S. 65, die Ausdehnung i m Sinne der product extension nicht mehr zur konglomeraten Konzentration! 89 Von: diversificare, diversificatus. Freie Übersetzung: I n verschiedene Richtungen wenden. Vgl. D u Cange, Glossarium mediae et infimae Latinitatis; Klotz, Handwörterbuch der lateinischen Sprache. 40 Vgl. dieses M e r k m a l zur Unterscheidung von Konglomeraten insb. i n Berichten aus der Industrie. F A Z Nr. 30 v. 5.2.70, S. 14 ( L i t t o n Ind.); Houghton, i n : Economic Concentration, P a r t i , S. 178 (Textron); F A Z Nr. 34 v. 10. 2.1971, S. 17 (Oetker). 41 Neumann, S. 673. 42 Vgl. die Darstellung von Edwards, i n : Economic Concentration, P a r t i , S. 40 f.; vgl. als Beispiele deutsche Automobilunternehmen, die m i t ihren Wagen das L e i h - u n d Leasinggeschäft betreiben; vgl. auch General Motors, das größte Unternehmen der Welt, das neben Autos z. B. auch Kühlschränke, Flugzeuge, Radioapparate u n d Lokomotiven herstellt. Lenel, Ursachen, S. 423.

Α. Das Konglomerat als Sonderfall der Konzentration g r u n d s ä t z l i c h n e u sind, aber dennoch i n i r g e n d e i n e m

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Zusammenhang

m i t der bisherigen Leistung stehen"43. 3. Die „reine" Konglomeration a) Die

Begriffsbestimmung

D e r B e g r i f f d e r K o n g l o m e r a t i o n 4 4 h a t d e m g e g e n ü b e r eine andere B e d e u t u n g . W ä h r e n d d i e V e r z w e i g u n g d u r c h D i v e r s i f i k a t i o n auch i n t e r n , also d u r c h d e n N e u a u f b a u v o n P r o d u k t i o n s b e r e i c h e n e r f o l g e n k a n n , bezieht e r sich n u r a u f d i e e x t e r n e A u s w e i t u n g , d. h. a u f d e n Z u s a m m e n s c h l u ß m i t schon bestehenden U n t e r n e h m e n 4 5 . D a h e r e r f a ß t er d i e w e g e n i h r e r schnellen D u r c h f ü h r u n g u n d g r o ß e n W i r k u n g a l l g e m e i n als g e f ä h r l i c h e r angesehene A r t d e r K o n z e n t r a t i o n 4 6 . D i e echte K o n g l o m e r a t i o n i s t aber auch deshalb besonders interessant, w e i l sie das F e h l e n j e g l i c h e r P r o d u k t v e r w a n d t s c h a f t b e i d e n f u s i o n i e r e n d e n U n t e r n e h m e n v o r a u s s e t z t 4 7 . I m Gegensatz z u D i v e r s i f i k a t i o n e n f ü h r t sie d e r e n Z i e l — d i e C h a n c e n w a h r n e h m u n g u n d R i s i k e n m i s c h u n g 43

Gablers Wirtschaft-Lexikon, 7. Auflage 1967, zu: Diversifikation. Conglomerare = zusammenhäufen, vgl. Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch. 45 Sölter, Grundzüge industrieller Kooperationspolitik, S. 237; Mueller, A Theory of Conglomerate Mergers, S. 643. 46 RegE GWB, Begr. S. 18; Z u r Reform des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 20; Schmidt, US-amerikanische u n d deutsche Wettbewerbspolitik gegenüber Marktmacht, S. 367 (im folgenden: Schmidt, W e t t bewerbspolitik) ; vgl. auch Celler, Corporation Mergers, S. 6. Vgl. aber auch die interessanten Darlegungen von Hirsch, Systemfehler i m Konzept der Fusionskontrolle, S. 312 u n d 319 f., der zu Recht die unterschiedliche Bew e r t u n g des internen u n d externen Wachstums als fragwürdig ansieht, u n d daher i n der Beschränkung auf Zusammenschlüsse einen „Systemfehler" der Fusionskontrolle erkennt. Es gibt m. E. keinen Grund, das interne Wachstum gegenüber dem externen f ü r „verdienstvoller" zu halten. Bisher büdete allerdings die externe Vergrößerung das bedeutendere Problem, da ihre betriebswirtschaftlichen Vorteile überwiegen u n d starkes internes Wachstum dementsprechend selten ist. M i t Durchführung einer funktionierenden Fusionskontrolle könnte sich das jedoch ändern. Gerade bei Konglomeraten ergibt sich dann die Gefahr, daß sie infolge allgemeiner wirtschaftlicher Stärke langfristig i n t e r n i n marktbeherrschende Stellungen hineinwachsen. 44

47 Vgl. die Definition von Diversifikation u n d Konglomeration bei Stelzer, i n : Economic Concentration, Part 1, S. 187, 188. Die so eingeengte Konglomeration entspricht den i m Rahmen der weiten Definition (Diversifikation = Konglomeration) als „ r e i n " oder „nicht-organisch-heterogen" bezeichneten „sonstigen" Zusammenschlüssen, den „pure conglomerate mergers". Vgl. oben T e i l l , A . A n m . 38. I n diesem Sinne entscheidet letztendlich auch die F.T.C., die zwar bei Marktausweitungen u n d Produktverwandtschaft von „conglomerates" spricht, sie aber als „subcategories" der horizontal oder vertical mergers verstanden wissen w i l l . Vgl. Harms, Conglomerate Mergers i m Antitrustrecht, S. 867, insbesondere A n m . 25; ebenso Noncase Guidelines, a.a.O. S. 101.

3*

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

— durch, ohne auf Produktähnlichkeiten oder gleiche Märkte Rücksicht zu nehmen, ja sie hat sogar zum Prinzip, Wesensfremdes zu verbinden 4 8 . Deshalb ist die Konglomeration frei von allen Merkmalen der horizontalen oder vertikalen Konzentration und könnte als „Krönung der Diversifikation" bezeichnet werden 4 9 . Das hat zur Folge, daß eine Zusammenfassung einzelner Betriebe keine Konglomeration sein kann. Definiert man „Unternehmung" als die wirtschaftliche Einheit, die auf den Gütermärkten als Anbieter auftritt, und „Betrieb" als die technisch, räumliche Einheit, i n der die Güter hergestellt werden 5 0 , so zeigt sich, daß eine technische Betriebsverflechtung aufgrund der Verschiedenartigkeit der sich vereinigenden Partner 5 1 bei Konglomerationen nicht möglich ist. Ein konglomerater Zusammenschluß ist nur als rechtlich-kaufmännische Verbindung, d. h. als Unternehmenskonzentration denkbar 5 2 . Aus dieser Notwendigkeit einer untechnischen Verbindung folgt der Makel, der oft als konglomerations-typisch angesehen w i r d : Sie gelten als aggressiv 53 . Gefördert w i r d eine solche Ansicht durch die hohe Zahl von Aufkäufen einiger Unternehmen, die teilweise ohne gesunde Basis, ungeachtet aller langfristigen Schwierigkeiten und manchmal sogar gegen den Willen des übernommenen Managements erfolgen, nur um ein schnelles Wachstum und den daraus entstehenden Kursgewinn zu erzielen 54 . Oft reicht den Käuferunternehmen sogar ein mißglückter Ubernahmeversuch, u m große Gewinne zu machen und das eigene Unter48 Celler, Corporation Mergers, S. 3; Sölter, Das Mischunternehmen, S. 157 f.; vgl. auch die Beispiele diversifizierter, aber nicht konglomerater Unternehmen bei Celler, Conglomerate Merger Investigations, S. 188 f. 49 Sölter, Das Mischunternehmen, S. 157 f. Soll der Ausdruck „ K o n g l o merat" nicht benutzt werden, w i r d daher oft von „nonrelated diversification" gesprochen. Vgl. Houghton, i n : Economic Concentration, P a r t i , S. 178. ß® Vgl. Rasch, Deutsches Konzernrecht, S. 39; Lenel, Ursachen, S. 85 A n m . 69; A r n d t , Mikroökonomische Theorie, Bd. I, S. 22 f. Diese Definition gilt aber n u r f ü r Konzentrationsfragen. Vgl. Plan, Unternehmenskonzentration als Instrument der Unternehmenspolitik, S. 6; Kröpff, Das Konzernrecht des Aktiengesetzes 1965, S. 1285. 61 Die T e x t r o n Corp. ursprünglich ein Textilkonzern, betätigt sich heute i n über 70 größeren Produktionskategorien v o m Hubschrauber bis zur Hühnerzucht. Z u r International Telephone & Telegraph Co. gehören z.B. das Autoverleihunternehmen Avis, die American Broadcasting Co., eine Pumpenfabrik, Lebensversicherungen usw. Vgl. Engelen-Kefer, Sumpfblüten des Booms, S. 32; Sölter, Kooperationspolitik, S. 237; Lenel, Ursachen, S. 206; Celler, Corporation Mergers, S. 3 f. 62 Vgl. Gunzert, Was ist Konzentration? S. 97. 53 Vgl. Celler, Conglomerate Merger Investigations, S. 184; Schmidt-Ott, S. 88. δ 4 Vgl. Burck, The Merger Movement, S. 79; Hruska, Bigness and D i v e r sification, S.199.

Α. Das Konglomerat als Sonderfall der Konzentration

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nehmen mit dem — möglicherweise unberechtigten — Geruch von Größe und Macht zu umgeben 55 . „Konglomerat" wurde deshalb für viele zu einem „ d i r t y w o r d " 5 6 , und es entstand die Definition: " A conglomerate is the k i n d of business that services industry i n the same way Bonnie and Clyde serviced banks 5 7 ." Diese auf negative Fälle gegründete Aussage bestimmt heute das gefühlsmäßige Verhältnis gegenüber Konglomeraten 5 8 . Sie kann jedoch nicht Teil der Konglomerations-Definition sein, denn auch bei rein w i r t schaftlich-kapitalmäßigen Zusammenfügungen ergibt sich nicht der zwingende Schluß, daß sie aus aggressiven Beweggründen entstehen 59 . Auch echte Konglomerationen können positive Wirkungen sowohl auf die einzelne Betriebswirtschaft, als auch auf die gesamte Volkswirtschaft haben 60 . Zusammenfassend läßt sich deshalb die konglomerate Konzentration folgendermaßen definieren: Konglomerates Wachstum ist die externe Vergrößerung von Unternehmen i n Produktions- oder Leistungsbereiche hinein, die keinerlei Verbindung zur bisherigen Tätigkeit haben 61 . b) Die besondere Problematik Wie schon erwähnt, w i r d die hier vertretene enge KonglomerationsDefinition bisher sehr wenig verwandt. Der Grund mag i n der weit δ5 Ling-Temco Vought machte ζ. B. bei seinem „stürmischen u n d gewagten" Aufstieg allein zwischen 1962 u n d 1969 18 erfolglose Übernahmeversuche: vgl. Engelen-Kefer, S. 33; Peter Bauer, Der aufhaltsame Aufstieg des M r . Ling. G u l f & Western machte bei den mißglückten Acquisitionsvorhaben v o n Sinclair O ü Corp., Pan American W o r l d A i r w a y s u n d A r m o u r & Co. m i n destens 75 Mio. Dollar Gewinn: Handelsblatt Nr. 54 v. 18.3.1969, S. 12. Der K u r s der L i t t o n Ind. A k t i e stieg aufgrund der ständigen Aufkäufe zwischen 1964 u n d 1967 von 25,25 Dollar auf 114,5 D o l l a r : vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 133. 56 Vgl. Celler, Conglomerate Merger Investigations, S. 189. 57 Vgl. Seidman, Conglomerates and the F.T.C., S. 21; die Bezeichnung „Diversifikation" hat diesen „Geruch" nicht. Vgl. Dirlam, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 747. 58 Vgl. auch Hruska, S. 195. 59 U m dennoch zu einer Erfassung gerade dieser Unternehmensgruppe zu kommen, unterscheidet Schumacher, Konglomerate Konzentration u n d funktionsfähiger Wettbewerb, S. 135, insb. A n m . 2, zwischen einer betriebswirtschaftlichen u n d einer volkswirtschaftlichen Erscheinungsform des konglomeraten Unternehmenswachstums. Die volkswirtschaftliche Konglomeration erfaßt generell die größten hundert Unternehmen. eo Vgl. zur Begründung unten T e i l I I , B. u n d C. I I . 3. bzw. C. I I I . 4. 61 Diese Definition k o m m t der negativen Abgrenzung nahe, die v o n der „ v e r t i k a l e n " u n d der „problemlösungsbezogenen" Konzentration ausgeht u n d so, statt der diagonalen, die horizontale Konzentration w e i t auslegt. Vgl. Spethmann, i n : Notwendigkeit u n d Gefahr der wirtschaftlichen K o n zentration, S. 148; auch das B K a r t A hat sich seit 1973 dieser Definition angenähert. Vgl. insoweit B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1973, Tab. 10, S. 45.

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T e i l I : Das Konglomerat, Bedeutung u n d rechtliche Erfassung

v e r b r e i t e t e n A n s i c h t liegen, echte K o n g l o m e r a t i o n e n k ä m e n i n d e r w i r t schaftlichen P r a x i s n u r selten v o r 6 2 . Es t r i f f t z w a r zu, daß fast n i e a l l e P r o d u k t e eines K o n z e r n s ü b e r h a u p t k e i n e B e z i e h u n g z u e i n a n d e r h a b e n 6 3 . A u ß e r d e m ist d i e E i n s t u f u n g i n eine d e r K o n z e n t r a t i o n s a r t e n selbst b e i d e n e i n z e l n e n Z u s a m menschlüssen n i c h t i m m e r l e i c h t 6 4 . T e i l w e i s e h a b e n sie n e b e n k o n g l o m e r a l e n auch h o r i z o n t a l e u n d v e r t i k a l e A s p e k t e 6 5 . T r o t z dieser S c h w i e r i g k e i t e n l ä ß t sich aber nachweisen, daß es r e i n e K o n g l o m e r a t i o n e n g i b t u n d daß gerade sie z u e i n e m d e r s t ä r k s t e n F a k t o r e n i n n e r h a l b d e r Konzentrationsbewegungen geworden sind66. Dies a l l e i n w ä r e schon A n l a ß genug, k o n g l o m e r a t e Zusammenschlüsse gesondert z u betrachten. H i n z u k o m m t aber, daß i m V e r g l e i c h z u d i v e r s i f i k a t i v e n Zusammenschlüssen d e r a r t i g e U n t e r s c h i e d e b e i d e n G r u n d l a g e n m ö g l i c h e r W e t t b e w e r b s v e r ä n d e r u n g e n v o r l i e g e n 6 7 , daß gerade f ü r eine rechtliche U n t e r s u c h u n g die s t r i k t e T r e n n u n g d r i n g e n d e r f o r d e r lich ist.68. D i v e r s i f i k a t i o n e n g e h e n v o n e i n e r P r o d u k t v e r w a n d t s c h a f t a u s 6 9 . Sie b e n u t z e n ζ. B . gleiche V o r p r o d u k t e , gleiche P r o d u k t i o n s t e c h n i k e n oder β2 Vgl. Hrusoff, Conglomerate Mergers, Joint Ventures, M a r k e t Extensions and Section7 of the Clayton Act. S. 117: "Pure conglomerates are rare . . . ; the more common species is a conglomerate w i t h some horizontal or vertical aspects." Ebenso Haager, S. 11; zum Gegenbeweis vgl. unten T e i l l , B, u n d dort insb. I I I . 1. b. bzw. I I I . 2. d. 63 F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 33; Mestmäcker, K o n zentration u n d Wettbewerb, S. 15; Mueller, The Current Merger Movement, S. 642; Borchert, Konglomeration, S. 655; Edwards, Conglomerate Bigness, S. 331, Anm. 1. Beispielhaft wäre die 3M Company m i t ihren 27 000 Produkten; vgl. Houghton, i n : Economic Concentration, P a r t i , S. 160ff.; vgl. auch die Aufzeichnung der Zusammenschlüsse der Minnesota M i n i n g and Manufacturing Co., ebenda S. 163, u n d der Textron, Inc., ebenda S. 177. 64 Narver, S. 26; vgl. auch Edwards, Conglomerate Bigness, S. 332; Blair, The Conglomerate Merger i n Economics and Law, S. 1398, A n m . 3. 65 Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 210; Narver, S. 3, A n m . 1. 66 Î971 i n A m e r i k a 41 °/o u n d i n Deutschland 25 °/o. Vgl. unten Β . I I . 67 Aus diesem Grunde werden Diversifikationen u n d Konglomerationen teilweise unterschiedlich beurteilt. So hält Andrews, Product Diversification and the Public Interest, S. 103 ff., Zusammenschlüsse m i t Produktverwandtschaft für gut, reine Konglomerate aber f ü r schlecht, während Borchert, Konglomeration, S. 660 f., der umgekehrten Meinung zu sein scheint. es Selbst w e n n ein Zusammenschluß neben rein konglomeraten auch andere Aspekte hat, muß i m Rahmen der juristischen Behandlung eine genaue Trennung vorgenommen werden, so daß praktisch eine Betrachtung aus verschiedenen B l i c k w i n k e l n erfolgt. Day, S. 520, erkennt die Notwendigkeit einer gerart genauen Unterscheidung, w i l l aber gleichzeitig den oben beschriebenen Abgrenzungsschwierigkeiten entgehen. Deshalb unterteilt er nach der Zweckbestimmung i n : technological, managerial, marketing, financial and security expansion. N u r die beiden letzten Typen entsprechen dem pure conglomerate. 6® Vgl. oben das Ergebnis aus Teil I , Α. I I . 2.

Α. Das Konglomerat als Sonderfall der Konzentration

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gleiche Vertriebswege. Auch ihre Stärke folgt nicht aus der Verschiedenartigkeit der Unternehmensvorgänge, sondern aus der irgendwo bestehenden Einheitlichkeit 7 0 . Deshalb besitzen Diversifikationen Elemente der horizontalen oder vertikalen Konzentration 7 1 und erfordern dementsprechend i m Rahmen der Fusionskontrolle keine völlig neuen Beurteilungsprinzipien. Ihre rechtlichen Schwierigkeiten können vielfach durch eine einfache Erweiterung der Marktdefinition beseitigt werden 7 2 , was bei rein konglomeraten Zusammenschlüssen niemals möglich wäre 7 3 . Aus diesem Grunde hätte eine Untersuchung ohne Unterscheidung von Konglomeration und Diversifikation für die juristische Verwertbarkeit erhebliche Schwächen 74 . Sie müßte den „Konglomeraten" gleichzeitig gegensätzliche Eigenschaften wie Verwandtschaft und Fremdartigkeit der Produkte zusprechen und könnte deshalb zu keinem eindeutigen und damit für eine Uberprüfung der Fusionskontrolle verwendbaren Ergebnis führen 7 5 . Auch Turners K r i t i k an Blair ist i n diesem Sinne zu verstehen: " . . . he is making a single judgement about a wide range of situations, including acquisitions involving significant horizontal elements that may yield as great or greater economies of scale as mergers between companies producing the same product 7 6 ." Daher geht die vorliegende Untersuchung nur vom Typ der „echten" oder „reinen" Konglomeration aus. Als Untersuchungsobjekt betrachtet 70 Vgl. die Beispiele bei Hrusoff, S. 117 f.: 1) Procter & Gamble u n d Clorox: " I n this type of union, one of the companies is able to absorb the new product into an already existing marketing structure w i t h l i t t e l extra overhead." 2) General Dynamics u n d L i q u i d Carbonic. 71 Hrusoff, ebenda, spricht deshalb von einem „horizontal-conglomerate" u n d einem „vertical-conglomerate" i m Unterschied zum „pure-conglomerate". 72 Vgl. Noncase Guidelines, S. 101; Emmerich, S. 156: „Die ersteren (Produkt» u n d Markterweiterungszusammenschlüsse, d. Verf.) sind i m Grunde nichts anderes als eine besondere F o r m der horizontalen Zusammenschlüsse; sie sollten deshalb auch w i e diese behandelt werden." Auch das B K a r t A scheint jetzt diese Ansicht zu vertreten, da es seit der Gesetzesnovellierung Produktausweitungen zu den horizontalen Zusammenschlüssen zählt. Vgl. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1973, Tab. 10, S. 45. 73 Emmerich, a.a.O. S. 157 : „Das eigentliche wettbewerbspolitische Problem stellen deshalb die . . . sog. reinen conglomerates dar." 74 Dies zeigt sich deutlich bei den bisher veröffentlichten wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen. 75 Als Beispiel sei n u r auf Haager verwiesen, der nach 189 Seiten U n t e r suchung schreibt: „Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß konglomerate Konzentration nicht gleich konglomerater Konzentration ist." Vgl. aber auch die Untersuchungen, die zur Notwendigkeit von Einzelfallbeurteilungen m i t jeweils unterschiedlichen K r i t e r i e n kommen. Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 271; Gutowski, Konglomerate U n t e r nehmensgröße, S. 35; Wiss. Beirat, Stellungnahme, S. 4. 76 Turner, Conglomerate Mergers and Section 7 of the Clayton Act, S. 1329.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

sie einen bisher auf mehreren Märkten tätigen Konzern, der ein anderes, durch keinerlei Produktverwandtschaft m i t i h m verbundenes Unternehmen aufkauft 7 7 . c) Die Frage der Marktmacht

und des Marktanteils

Der krasse Gegensatz der Konglomeration zu allen anderen Konzentrationsarten findet seinen Niederschlag insbesondere i n dem Problem der Bedeutung des Marktanteils für die Fusionskontrolle. Die Wettbewerbstheorie bezog sich bisher auf das Marktmachtkonzept 78 , nach dem die jeweilige Marktstellung über die Machtstellung entscheidet 79 . Bei konglomeraten Zusammenschlüssen zeigen sich insoweit jedoch keine Veränderungen. Anders als bei marktbezogenen Konzentrationsformen erhöhen sie weder die Marktkonzentration, noch entziehen sie einen Teil ihrer Geschäftstätigkeit dem Wettbewerb auf dem freien M a r k t 8 0 . Ebensowenig schöpfen sie ihre K r a f t aus einer Machtstellung, wie sie bei Zusammenschlüssen m i t verwandten Produkten, d. h. bei Diversifikationen, entstünde 81 . Statt dessen bleiben sowohl die vorhandenen Marktanteile als auch die aus jedem einzelnen M a r k t herrührende K r a f t gleich 82 . Dementsprechend müssen Anhänger des Marktmachtkonzeptes die Ansicht vertreten, daß Konglomerate dem Wettbewerb nicht schaden können8®. Da sich i n ihnen Unternehmen verbinden, die u. U. auf allen Märkten relativ geringe Anteile und somit — nach dem Marktmachtkonzept — auch geringe Macht besitzen, ist diese Konzentrationsform „gut" und stellt für die Wettbewerbspolitik kein Problem dar 8 4 . 77 Beispiele soldier Konglomerationen sind der E r w e r b einer Röntgengerätefabrik durch die Finanzierungsgesellschaft C I T Financial Corporation, der Einstieg des G i n - u n d Whiskykonzerns Distillers i n die Kunststoffproduktion, der A u f k a u f der Reederei Cunard durch Trafalgar House Investments, die Übernahme der Uher Werke (Tonbandgeräte) durch die Familie Toerring-Jettenbach (Landwirtschaft, Schweinezucht, Brauerei). Vgl. Hudson, Risikostreuung, S. 14; West, Die Fusions-Artisten, S. 19; Schnorbus, G r u n d besitzer, Brauer u n d Industrieunternehmen, S. 19. 78 Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 3; Markham, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1270; Neumann, S. 672. 7 ® Vgl. Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S. 199-202; Seraphim, Theorie der allgemeinen Volkswirtschaftspolitik, S. 92 ff. 80 F.T.C., The Merger Movement, S. 59. 81 Borchert, Wettbewerbspolitische K r i t e r i e n , S.268, vgl. Narver, S . 4 f . 82 Petry, S. 548; Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 140. 83 Adelman, zit. bei Narver, S. 118; Kaysen, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 543. 84 C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 30; Neumann, S. 670; Gunzert, Was ist Konzentration? S. 97, sieht die Konglomeration nicht einmal als F o r m der Konzentration an.

Α. Das Konglomerat als Sonderfall der Konzentration

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I m Gegensatz dazu besteht allerdings vielfach i n der Wissenschaft die Meinung, daß eine Gefahr für den Wettbewerb zumindest bei Konglomerationen nicht nur von den Marktanteilen, sondern auch — oder sogar hauptsächlich — von der Größe und der Verflechtung ausgeht 8 5 . Dies beruht auf der Erkenntnis, daß Konglomerate m i t ihren sich insbesondere aus Michschkalkulation und Finanzmacht ergebenden Fähigkeiten andere Aktionsparameter besitzen als Einproduktunternehmen 86 . Die Möglichkeit einer reinen Anteilsbetrachtung w i r d deshalb i n Frage gestellt. Wie soll der Marktanteil bei Konzentrationen, die zwar Größe und Verflechtung ändern, nicht aber die Anteile 8 7 , zu einer gerechten Beurteilung beitragen, und was ist überhaupt „der Marktanteil" bei einem Unternehmen, das auf verschiedenen Märkten jeweils unterschiedliche Anteile hat 8 8 ? Sicher scheint, daß eine Beschreibung der Position auf den einzelnen Märkten durch den jeweils dort vorhandenen Anteil zur Bestimmung konglomerater Macht nicht ausreicht 89 , aber bedeutet das auch, daß die „gewissermaßen klassische Auffassung, daß die wirtschaftliche Macht stets Marktmacht sein muß, unhaltbar" ist 9 0 ? d) Die Schwierigkeiten

im Rahmen der Fusionskontrolle

Die sich aus dieser Problematik für die Fusionskontrolle ergebende Schwierigkeit ist derart tiefgreifend, daß teilweise die Ansicht vertreten wird, man werde sie „auf der Basis der derzeitig gültigen nationalökonomischen Theorie nicht . . . lösen können" 9 1 . I n Amerika gelang es zwar, durch die Antitrust-Gesetze sowohl horizontale als auch vertikale Konzentrationen stark einzudämmen. Auch bei solchen Zusammenschlüssen, die durch Produkt- oder Marktausweitungen Elemente dieser Konzentrationsarten besaßen, ließen sich Parallelen herstellen und Vereinigungen verhindern 9 2 . Bei reinen Konglomeraten wurde jedoch es Petry, S. 548; Ebel, Fusionskontrolle — k e i n Neuland, S. 366; vgl. auch Huffschmid, Die P o l i t i k des Kapitals S. 69. 86 Wiss. Beirat, Stellungnahme, S. 4; Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 745; Edwards, Conglomerate Bigness, S. 331 ff. 87 H i e r i n zeigt sich der Unterschied zwischen der M a r k t - u n d der Gesamtkonzentration. Vgl. Kaysen, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 540. 88 Vgl. Besters, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/10; Schmidt-Ott, S. 92 a, schreibt zwar: „ . . . die Frage nach dem M a r k t anteil eines Conglomerates ist auf andere Weise zu klären", leider aber ohne jede Erklärung. 89 Vgl. Woll, Die Mißbrauchsaufsicht ist eine stumpfe Waffe, S. 23. 90 Gutowski, S. 8; Besters, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/10. 91 GfK., Konglomerate S. 458.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

wegen der Größe der Probleme lange Zeit nicht einmal der Versuch unternommen, die Gesetze auf sie anzuwenden 93 . I n Deutschland führte die Schwierigkeit der Erfassung von Konglomeraten vor Einführung der Fusionskontrolle zu einer heftigen Diskussion. Viele Wissenschaftler waren der Ansicht, daß bei Konglomerationen i n der Regel eine Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht unmittelbar nachgewiesen werden könnte, und sprachen sich deshalb für absolute Kriterien i m Rahmen der Fusionskontrolle aus 94 . Sie wollten konglomerate Zusammenschlüsse von einer bestimmten Größe an für verboten erklären und dachten an die Beschäftigung, den Umsatz oder die Bilanzsumme als Beurteilungsmaßstäbe 95 . Eine solche schematische Einteilung hätte aber den Nachteil, i m Einzelfall möglicherweise zu früh einzusetzen, da Zusammenschlüsse nicht stets und ihrer Natur nach den Wettbewerb beschränken 96 . Deshalb wollte eine andere Gruppe von der Formulierung der amerikanischen Fusionskontrolle i n Section 7 Clayton Act ausgehen 97 und die wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Eingriffskriterium erklären 9 8 . Das hätte gegenüber der heutigen Regelung den Vorteil gehabt, die Marktbeherrschung nicht überprüfen zu müssen und jeden Gedanken an eine Einzelmarktbetrachtung von vornherein auszuschließen 99 . 92 Vgl. Blair, The Conglomerate Merger i n Economics and L a w , S. 1400; Davidow, Conglomerate Concentration, S. 1240, weist darauf hin, daß bei horizontalem u n d v e r t i k a l e m „Überlappen" einiger Produkte durch Aufgabe dieser Produktionen eine Vereinigung möglich gemacht w i r d . 93 GfK., Konglomerate, S. 457; Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 269, Bicks, Corporate Mergers, S. 86. Die 1969 eingeleiteten Verfahren gegen I T T , Ling-Temco-Vought u n d Northwest Ind. waren der erste Versuch. 94 Raisch, Z u r Notwendigkeit einer effektiven Fusionskontrolle, S. 27 f.; Schmidt, Schwerpunkte bei der Novellierung des Kartellgesetzes, S. 32; ders. Wettbewerbspolitik, S. 353 f.; Sandrock, Keine wirksame Konzentrationskontrolle, S. 19; Kantzenbach, Die Novellierung der Kartellgesetzgebung, S. 16. 95 Raisch, ebenda, insb. § 24 Abs. 2 des Alternativentwurfs, S. 40 f.; Schmidt, Beseitigung des Ungleichgewichts, S. 221 u n d 235; Woll, S. 22. 0 e Vgl. Kartte, S. 102; Salin, Konzentration i n nationaler u n d internationaler Sicht, S. X V I . 97 " . . . where i n any line of commerce i n any section of the country the effect of such acquisition may be substantially to lessen competition, or to tend to create a monopoly." 98 So auch der Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. Vgl. D B 1973, S. 1443; F A Z Nr. 166 v. 20. 7.1973, S. 13. 99 Vgl. Schmidt, Schwerpunkte, S. 25; Günther, Probleme der Fusionskontrolle, S. 15; vgl. auch Hoffmann (DIHT), i n : Ausschuß für Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 53/78. Der dort geforderte „nahezu vollständige Ausschluß von Wettbewerb" dürfte aber der alten Marktbeherrschungsauslegung entsprechen.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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Der Gesetzgeber hat jedoch am Begriff der Marktbeherrschung festgehalten. Auch wenn dessen Inhalt neu gefaßt wurde, bleibt deshalb die Notwendigkeit der Betrachtung eines Einzelmarktes bzw. der Ausw i r k u n g verschiedener Kriterien auf diesen Einzelmarkt bestehen 100 . Ob daher die deutsche Fusionskontrolle den speziellen Eigenschaften des Konglomerats und seiner besonderen Stellung unter den Konzentrationsarten gerecht werden kann, erscheint sehr zweifelhaft.

B. Die Bedeutung der konglomeraten Konzentration für die Wirtschaft I. Die Notwendigkeit einer Darstellung der Konglomerationsentwicklung Das Problem der rechtlichen Erfassung von Konglomeraten erhält seine überragende Bedeutung sowohl durch die Stärke der Konzentrationsbewegung insgesamt als auch durch die Zahl der konglomeraten Zusammenschlüsse innerhalb dieser Entwicklung. Beide Phänomene sind schon verschiedentlich untersucht worden 1 . Dennoch ergibt sich die Notwendigkeit einer erneuten Darstellung, da meist der benutzte Konglomerationsbegriff zu weit 2 und der Betrachtungszeitraum zu klein gewählt wurde, u m tatsächlich die Besonderheiten der Konglomeration erkennen zu lassen. Wie schon erwähnt, wurde beispielsweise behauptet, daß es i m Grunde keine reinen Konglomerationen gäbe 3 . Die folgende Untersuchung beweist das Gegenteil. Sie zeigt durch genaue Aufschlüsselung der Daten, daß die reine Konglomeration eine der bedeutendsten Konzentrationsformen der heutigen Zeit darstellt 4 . Außerdem wurde manchmal angenommen, die konglomerate Konzentration sei eine spezifisch amerikanische Erscheinung, die erst i n neuerer Zeit auf Deutschland übergegriffen habe 5 . Grundlage dieser Meinung ist vermutlich die Tatsache, daß es bis heute keine Untersuchung der frühen deutschen Konglomeration gibt. Selbst die wenigen vorhandenen Hinweise auf konglomerate Zusammenschlüsse i n wissenschaftlichen 100 RegE GWB, Begr. S. 29, 30. A m deutlichsten sind w o h l die i n den Tätigkeitsberichten veröffentlichten Daten des B K a r t A . 2 Z u r K r i t i k des weiten Konglomerationsbegriffs vgl. schon oben T e i l l , Α. I I . 3. b). » Vgl. Hrusoff, S. 117; Haager, S. 11. 4 Vgl. hierzu insb. unten T e i l I, B. I I I . 5 Vgl. Mestmäcker, Konzentration u n d Wettbewerb, S. 15. 1

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Abhandlungen der zwanziger Jahre sehen i n ihnen nur mißglückte horizontale oder vertikale Konzernbildungen 6 . U m diesem I r r t u m abzuhelfen, untersucht die vorliegende Arbeit auch die historische Entwicklung der Konglomeration. Dabei stützt sie sich i n Ermangelung systematischer Erhebungen auf Einzelmeldungen und -berichte der damaligen Zeit über bekannte Konzerne und Konzentrationsvorgänge, aus denen sich insgesamt ein B i l d der frühen deutschen Konglomeration ergibt 7 . Es zeigt eindeutig, daß die Konglomeration schon lange einen bedeutenden Faktor der deutschen Wirtschaft darstellt 8 . Sie ist keine einmalige, vielleicht sogar nur vorübergehende Erscheinung, sondern ein Dauerproblem, das dringend einer sachgerechten juristischen Erfassung harrt. Eine Fusionskontrolle ohne spezielle Beachtung der Konglomeration wäre hierfür völlig ungenügend. Zwar scheint das Gesamtbild der Entwicklung den Schluß zuzulassen, daß die Konglomeration eigentlich nur eine späte Phase der Konzentration darstellt, die bei vorhandener starker horizontaler bzw. vertikaler Konzentrationsneigung als zusätzliches Moment auftritt 9 . Andererseits aber zeigt der Zahlenvergleich von konglomeraten und anderen Zusammenschlüssen, daß deren Entwicklung teilweise auch entgegengesetzt verläuft 1 0 . Die Konglomeration kann daher weder als reiner Teilbereich der Konzentration noch als absolute Sondererscheinung angesehen werden. Zum richtigen Verständnis ihrer Bedeutung für die Wirtschaft ist vielmehr die Betrachtung beider Seiten erforderlich. Dementsprechend w i r d i n den folgenden Kapiteln die Entwicklung der Konglomeration bis zu ihrer heutigen Gestalt i n eine Beziehung zum Ablauf der Gesamtkonzentration gesetzt. Zusätzlich w i r d den deutschen Angaben noch das statistische Material aus den Vereinigten Staaten gegenübergestellt, u m damit die Größe der Problematik zu verdeutlichen und außerdem die i n Deutschland bei einer unzureichenden Kontrolle konglomerater Zusammenschlüsse mög• Vgl. Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 315 f.; vgl. auch Flechtheim, Die Strukturwandlungen der Wirtschaft, S. 14; Sombart, Der moderne Kapitalismus, Bd. I I I , 2. Halbbd. S. 829. 7 Hierbei sind insb. die verschiedenen Aufsätze u n d Berichte aus den Zeitschriften „Die Wirtschaftskurve", F r a n k f u r t a. M. u n d „ C a r t e l l - R u n d schau", Wien, zu erwähnen. 8 a. Α.: Sölter, Diversifikative Konzentration, S. 54. 9 So besonders deutlich i n Deutschland i n der Zeit nach dem Ersten W e l t krieg. Vgl. die unten I I 1. b) dargestellte Entwicklung. 10 So ζ. B. i n den U S A Anfang der siebziger Jahre, vgl. unten I I I 1. b). Teilweise sind ähnliche Anzeichen auch i n Deutschland zu erkennen; vgl. unten I I I . 2. d).

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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liehe zukünftige Entwicklung darzustellen 11 . Hierfür erweisen sich — trotz gewisser Schwächen 12 — die amerikanischen Daten als besonders anschaulich, da man sich dort des Problems früher als hier bewußt wurde 1 3 . I I . Die historische Entwicklung 1. Die Konzentrationsbewegung Allgemein wies die bisherige Entwicklung der Unternehmenskonzentration keine einheitliche Tendenz auf. I n den USA läßt sich ein ständiges A u f und A b der Zahl von Zusammenschlüssen erkennen 14 , d.h. die Konzentration vollzog sich i n Form von Wellenbewegungen 15 . I h r erster Höhepunkt lag i m Jahre 1899 m i t 1125 Fusionen, ein zweiter folgte i m Jahre 1929 m i t 1216 Zusammenschlüssen 16 , und dann ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein erneutes Ansteigen der Kurve zu beobachten. a) Die frühe deutsche Konzentration

in ihrem zeitlichen

Ablauf

I n Deutschland nahm die Konzentrationsentwicklung, wenn auch m i t kurzer zeitlicher Verspätung 17 , einen ähnlichen Verlauf. Der Versuch, diese frühe deutsche Konzentration i n Zahlen auszudrücken, scheitert jedoch an der Schwierigkeit mangelnder gesicherter Daten 1 8 . Da eine Pflicht zur Offenlegung von Beteiligungen fehlte, lassen sich Unternehmensverbindungen manchmal nur vermuten 1 9 . Dennoch kann auch i n Deutschland eine Wellenbewegung erkannt werden 2 0 . 11 Vgl. ζ. B. die sich i n dieser Richtung ergebenden Hinweise unten I V . 2. und 3. 12 Vgl. Markham, Survey of the Evidence, S. 144; Sombart, Bd. I I I , 2. Halbbd., S. 845, 849. is Borchert, Konglomeration, S. 645. ι 4 Vgl. Means, i n : Economic Concentration, P a r t i , S. 13f.; F.T.C., Report on the Merger Movement, S. 18; Sombart, Bd. I I I , 2. S. 847; Narver, S. 22. ι 5 Markham, S. 146, 167, sieht dies wegen fehlender Statistiken nicht als erwiesen an: "No one has yet w r i t t e n the " T h r u t h about Mergers" for the 1920's." ie Daten nach: Nelson, Ralph L., Merger Movement i n American Industry, S. 164, 166. 17 Sombart, Bd. I I I , 2. S. 845. is „ U n t e r diesen Umständen versteht es sich v o n selbst, daß alle Versuche, das Ausmaß der Konzernbildung statistisch zu erfassen, fehlschlagen müssen." Wolff, Konzernprobleme, S. 286; vgl. auch Swatek, Unternehmenskonzentration als Ergebnis u n d M i t t e l nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik, S. 107 f. i® Priester, Das deutsche Wirtschaftswunder, S. 350 f. 20 Keiser, Der jüngste Konzentrationsprozeß, S. 136.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Schon um 1900 bildeten sich als Fortsetzung und Weiterführung der Kartellierung Konzerne i n verschiedenen Gestaltungsformen 21 . Die Interessengemeinschaft als vertraglicher Zusammenschluß selbständiger, sonst i n unterschiedlicher Weise verbundener Unternehmen, wurde zur bedeutendsten Konzentrationsart 22 . Neben ihr entstanden auf Beteiligung aufbauende Konzerne wie Kapitalanlage- oder Kontrollgesellschaften 23 oder sogenannte „Banken" 2 4 , die i m Grunde Holdings i m heutigen Sinne waren 2 6 . Nach dieser ersten Zusammenschlußbewegung machte der Erste Weltkrieg durch die starke Indienststellung der ganzen Wirtschaft für die Zwecke des Krieges eine freie Konzernbildung unmöglich 2 6 . I n der auf ihn folgenden Zeit ging aber die Entwicklung i n umso stärkerem Maße voran, so daß 1923 m i t der Verordnung gegen den Mißbrauch w i r t schaftlicher Machtstellungen 27 ein erster Versuch zur rechtlichen Lenkung der Konzentration unternommen wurde. Da dieser jedoch das Konzernproblem „nahezu völlig außer Betracht" ließ 2 8 , konnte er insoweit keine Bedeutung erlangen. Vielmehr verstärkte sich die Konzentration derart, daß Ende 1926 65,1 °/o des deutschen Aktienkapitals i n Konzernen zusammengefaßt w a r 2 9 und nach 1930 sogar etwa 75 °/o aller Aktiengesellschaften untereinander konzernmäßig verbunden gewesen sein dürften 3 0 . Betrachtet man nur die Grundstoffindustrie, so war schon 1926 88,5% des Aktienkapitals i n Konzernen vereinigt 3 1 . 21 v. Beckerath, Kräfte, Ziele u n d Gestaltungen, S. 29, leitete daraus einen Übergang von der K a r t e l l - zur Trustwirtschaft ab. a. Α.: Liefmann, Kartelle u n d Trusts, S. 198; Saitzew, Horizontal u n d vertikal, S. 29; Haußmann, K o n zerne u n d Kartelle, S. 40, 45. 22 Vgl. Emmel, Interessengemeinschaft u n d Kontrollgesellschaft, S. 675, 678ff.; Marquardt, Die Interessengemeinschaft; zur unterschiedlichen Stärke der Bindungen vgl. einerseits Lief mann, Kartelle u n d Trusts, S. 199 (die I G als „Gewinnverteilungskartell"), andererseits: Saitzew, S. 35; Oeser, KonzernArchitektur, S. 239 (die I G als Vorstufe zur Fusion). 23 Vgl. Finanzielle Trustgesellschaften, i n : Cartell-Rundschau 1903, S. 16 ff.; Liefmann, Beteiligungs- u n d Finanzierungsgesellschaften, S. 191 ff. u. 262 ff. 24 Vgl. Gruntzel, Die wirtschaftliche Konzentration, S. 31; Liefmann, ebenda, S. 419 ff. 25 Vgl. K l u g , Konzerne i n der neuen Wirtschaft, S. 11. 26 Haußmann, Konzerne, S. 40 f. 27 Abgedruckt bei: Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 423 ff. 28 Haußmann, Konzerne, S. 42 A n m . 54; vgl. Rosendorff, Die rechtliche Organisation der Konzerne, S. 45 f.; Lief mann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 208. 29 Statistisches Reichsamt, Konzerne, Interessengemeinschaften, S. 13; vgl. auch die Tabelle der Zusammenschlüsse bei Rosendorff, S. 184 ff. so Swatek, S. 112. si Statistisches Reichsamt, S. 13.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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Das dadurch entstandene Problem wurde zwar erkannt 3 2 , jedoch galt die Konzentration als politisch vorteilhaft 3 3 . Daher konnte sie sich auch i m Dritten Reich noch steigern 34 . I m Kriege wurde allerdings das ökonomische Rentabilitätsprinzip dem wehrwirtschaftlichen Nützlichkeitsprinzip geopfert 35 , so daß auf Unternehmerinitiative beruhende Zusammenschlüsse erst nach der Entflechtung durch die Besatzungsmächte wieder vorgenommen werden konnten. b) Die verschiedenen Stadien der Konzentration Betrachtet man den unterschiedlichen Aufbau der innerhalb dieses Zeitraumes entstandenen Konzerne, so lassen sich verschiedene Stadien erkennen. Die Konzentration begann m i t der Bildung einer horizontalen Organisation i n Kartellen und Konzernen als Ausdruck des Strebens nach monopolistischer Marktbeherrschung 36 . Beispiele dafür sind die 1886 zusammengeschlossene „Sprengstoffgruppe" 37 ,1893 das „RheinischWestfälische Kohlensyndikat" 3 8 oder die erste Interessengemeinschaft zwischen der Dresdner Bank und dem Schaffhausenschen Bankverein aus dem Jahre 190339. Auch der Aktienaustausch zwischen den Hoechster Farbwerken und der Firma Leopold Cassella & Co. als Grundstein für die spätere I G Farben gehört zu dieser Bewegung 40 . Nach dem Ersten Weltkrieg beschleunigte sich die Entwicklung, da Kriegs-, Nachkriegs- und Inflationsgewinne zum Ankauf ganzer Unternehmen benutzt wurden 4 1 . Dadurch erhielt die Konzentration erstmals einen kommerziellen und spekulativen Zug 4 2 . Als Folge ergab sich i n horizontaler Richtung eine viele Wirtschaftsbereiche umfassende Vertrustung 4 3 , die sich besonders deutlich bei dem 32 Vgl. die Beratungen des Ausschusses zur Untersuchung der Erzeugungsu n d Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft (im folgenden: EnqueteAusschuß), insbesondere: Flechtheim, Die S t r u k t u r Wandlungen der W i r t schaft. 33 Vgl. die Anweisungen des Leiters der Reichsgruppe Industrie betr. Gruppe/Kartell v. 27.2.35 u n d 1.3.35; Erlaß des Preußischen Wirtschaftsministers v. 12.11.36; Zwangskartellgesetz u n d Gesetz über die Änderung der Kartellverordnung v o m 15. 7.1933. 34 Vgl. Keiser, Die Konzernbewegung 1936 bis 1939; vgl. auch Priester, S. 350 f.; Swatek, S. 109. 35 Priester, S. 40. se Saitzew, S. 25. 37 Liefmann, Kartelle u n d Trusts, S. 200. 38 Löffler, Die moderne Konzernierung, S. 86. 39 Haußmann, Konzerne, S. 40; Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 286. 49 Liefmann, Kartelle u n d Trusts, S. 201. 41 Saitzew, S. 27 f.; Liefmann, ebenda, S. 215; K l u g , Konzerne, S. 7. 42 v. Beckerath, Kräfte, Ziele u n d Gestaltungen, S. 83 f. 43 Haußmann, Konzerne, S. 42.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Zusammenschluß der Oberschlesischen Zementindustrie zur Schlesischen Portlandzement A G 4 4 , dem Zusammenschluß i n der Kaliindustrie 4 5 , oder bei der Mühlenbau-Industrie-AG (Miag) 4 6 zeigt. Alle diese Konzerne waren i n ihren Industriebereichen marktbeherrschend und konnten fast schon Monopolisten genannt werden. Gleichzeitig entstand aber als Reaktion auf die durch den K r i e g hervorgerufenen Schwierigkeiten der Rohstoffsicherung und die sonstigen Marktstörungen eine weitere Konzentrationsart: die vertikale Konzentration 4 7 . Sie entwickelte sich teils rein vertikal, teils gemischt horizontal und vertikal m i t einer derartigen Geschwindigkeit, daß v. Beckerath schrieb 48 : „Vertikale und horizontale Konzentrationen gibt es i n allen großen Industrieländern. Aber nirgendwo ist die vertikale Konzentration so sehr der überwiegende Grundzug der Bewegung wie bei der deutschen Montan- und Eisenindustrie." Beispiel hierfür ist die vereinigte Stahlwerke AG, die vom Kohlenbergbau über die Eisenverarbeitung bis h i n zur Drahterzeugung alle Produktbereiche umfaßte und 1928 den zweitgrößten deutschen Konzern darstellte 49 . Die I G Farbenindustrie AG, die sich 1925 aus den verschiedenen Interessengemeinschaften u m die Hoechster Farbwerke und die Badische A n i l i n - und Sodafabrik zum größten deutschen Konzern entwickelte 6 0 , war ebenfalls gemischt horizontal und vertikal aufgebaut. Auch auf dem Gebiet der Elektrizität trat unter der Führung von einerseits Siemens und andererseits A E G eine starke Konzentrierung ein 5 1 . Beide Unternehmen verbanden sich nicht nur m i t Elektrizitätswerken, Eisen-, Porzellan- oder sogar Glasproduzenten, sondern sorgten durch Angliederung von Eisenbahnen und Kraftfahrzeugherstellern auch für eine Sicherung des Absatzes. A u f diese Weise entwickelten sich i n allen Industriebereichen Unternehmensgebilde, die i n ihrer weiten Verzweigung den Rahmen einer echten horizontalen oder vertikalen Konzentration verließen und dem Konglomerat sehr nahe kamen. 44 Löf fier, S. 76; L i e f mann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 309 f. 45 Liefmann, ebenda, S. 87 f. 4® Liefmann, K a r t e l l e u n d Trusts, S. 195 ff. 47 Saitzew, S. 27 f. 48 v. Beckerath, Kräfte, Ziele u n d Gestaltungen, S. 60 f.; Liefmann, Kartelle u n d Trusts, S. 205, hält es f ü r verfehlt, i m vertikalen Konzern eine neuartige, besondere Konzentrationsform zu sehen. 4» Rosendorff, S. 115 f.; Liefmann, ebenda, S. 306 ff. 50 Vgl. die Aufzählung aller an der A G - G r ü n d u n g beteiligten Unternehmen bei: Lief mann, ebenda, S. 382-389; Bauer, Die I.G. Farbenindustrie. 51 Löffler, S. 76 - 85.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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2. Die frühe deutsche Konglomeration a) Die Konzerngründer

Stinnes, Sichel und Castiglioni

Echte Konglomerate entstanden insbesondere durch die großen Konzerngründer der Nachkriegs- und Inflationszeit: Stinnes, Sichel und Castiglioni, die i n ihren Konzernen teilweise zu einer lediglich finanziellen Vereinigung ganz heterogener Werke übergingen 62 . Herausragendes Beispiel war Hugo Stinnes 63 . Er führte 1920 unter der Obergesellschaft der Rhein-Elbe-Union GmbH die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG m i t der Gelsenkirchener Bergwerks-AG zusammen 54 , verband diese dann m i t dem Siemens-Schukkert-Konzern zur Siemens-Rhein-Elbe-Schuckert-Union G m b H und hatte dadurch eines der mächtigsten wirtschaftlichen Gebilde der damaligen Zeit geschaffen 65 . Diesem organisch aufgebauten Kern der „Dynastie Stinnes" 5 6 stand der sogenannte „Stinnes-Privat-Konzern" 5 7 gegenüber, der die herkömmlichen Aufbauprinzipien nicht mehr beachtete. Insgesamt verband Stinnes u. a. acht Werften und 29 Reedereien m i t einem Imperium i m Verlags- und Zeitungswesen, zu dem angefangen von Wäldern und Sägewerken über Papierfabriken insgesamt 39 Presse- und Verlagsgesellschaften gehörten 58 . „ M a n spricht davon, daß er mehr als hundert Zeitungen unter seiner Kontrolle gehabt haben soll 5 9 ." Stinnes betrieb aber auch Eisenbahnen, hatte die Majorität bei den Loeb-Automobilwerken und war an vier Schuhfabriken beteiligt. Außerdem besaß er drei Baumwoll- und Kokosplantagen sowie mehrere Hotels, z.B. das „ A t l a n t i k " i n Hamburg, die Kuranlagen i n Travemünde, das „Fürstenhof-Carlton-Hotel" i n Frankfurt und das „Esplanade" i n Berlin 6 0 . « Vgl. Lief mann, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 58 f.; Merkel, W i r t schaftslenkung u n d Konzernrecht, S. 105; Gruntzel, S. 14 f. 53 K l u g , Konzerne, S. 43, nennt den Privat-Stinnes-Konzern „ein Konglomerat von sachlich zusammenhanglosen Gesellschaften". m Sombart, Bd. I I I . 2. S. 828; Lief mann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 289 f. w Rosendorff, S. 16; Statistisches Reichsamt, Konzerne u n d Interessengemeinschaften, S. 3. m Vgl. Sombart, Bd. I I I . 2. S. 829. K l u g , Konzerne, S. 43; Lief mann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 303. Diese Unterteilung des Stinnes-Konzerns w u r d e nicht generell vorgenommen. Vgl. Statistisches Reichsamt, S. 3; Sombart, Bd. I I I . 2. S. 827 ff. 58 Vgl. Ufermann / Hüglin, Stinnes u n d seine Konzerne, insb. S. 86; Sombart, Bd. I I I . 2. S. 828 f.; Rosendorff, S. 16; Statistisches Reichsamt, S. 3. β· Ufermann / Hüglin, S. 63. eo Ufermann / Hüglin, S. 60. 4 Emrlch

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Daß diese Vielfalt bei Stinnes zum Prinzip der Unternehmenspolitik geworden w a r 6 1 , zeigt sich i n der handelsgerichtlichen Eintragung der „Aktiengesellschaft Hugo Stinnes für Seeschiffahrt und Uberseehandel". Dort wurde folgender Zweck angegeben 62 : „Seeschiffahrt jeder A r t , einschließlich der Herstellung aller der dazu dienenden Betriebsmittel i m I n - und Auslande, Handel m i t allen Erzeugnissen des Bergbaues, der Hüttenindustrie, der chemischen und elektrischen Industrie, der Landwirtschaft, sowie Handel m i t Waren, Fertigfabrikaten, Halbfabrikaten und Rohprodukten aller A r t , insbesondere m i t Lebens- und Futtermitteln, mineralischen, tierischen und pflanzlichen Oelen, Baumwolle und sonstigen Textilrohstoffen, Häuten, Jute, Holz, Zellulose, Papier und allen Erzeugnissen der weiterverarbeitenden Industrie, ferner der Umschlag und die Lagerung solcher Erzeugnisse, insbesondere soweit sie aus dem Ausland kommen oder ins Ausland gehen. Die Gesellschaft ist auch berechtigt, die Herstellung, Gewinnung und Verarbeitung von Waren, Fertigfabrikaten, Halbfabrikaten und Rohprodukten aller A r t i n eigenen Betrieben vorzunehmen." Bei dieser Zweckbestimmung gab es keinen Produktionszweig und kein Handelsgeschäft, das von der Gesellschaft nicht hätte betrieben werden können. I m Vergleich zum Stinnes-Konzern besaß die u m die Julius Sichel K G a A entstandene Gruppe eine größere innere Geschlossenheit 63 , da Julius Sichel sich hauptsächlich auf den Eisenhandel, die damit verbundene eisenverarbeitende Industrie und die Unternehmen für Eisenkonstruktionen stützte. Gleichzeitig engagierte er sich aber u.a. m i t zwei Fabriken i n der chemischen Industrie, er gründete die internationale Tiefbohrgesellschaft AG, Hermann Rautenkranz, beteiligte sich an der Rohpappenfabrik A G Worms und an einer Uhrenfabrik, kontrollierte die Wertbank A G und drang so i n völlig fremde Industriebereiche vor 6 4 . Die Beispiele zeigen, daß der Sichel-Konzern trotz des geschlossenen Kerns ein echtes Konglomerat darstellte. Camillo Castiglioni war i m Gegensatz zu Stinnes und Sichel nicht hauptsächlich i m deutschen Bereich tätig, er galt vielmehr als der österreichische Stinnes 65 . Dennoch muß sein Konzern auch hier erwähnt 61 H. Stinnes besaß 1924 insgesamt 1535 Unternehmen (2888 Fabriken, 57 Banken, 1 Südsee-Insel). Vgl. Bigler, Hugo Stinnes, S. 81; bei U f e r m a n n / H ü g l i n n i m m t die genaue Darstellung aller Stinnes-Beteiligungen 80 Seiten i n Anspruch. «2 Ufermann / Hüglin, S. 10. Mumme, Konzerne i n Industrie u n d Handel, S. 587; Liefmann, Beteiligungs- u. Finanzierungsgesellschaften, insb. S. 448. « 4 Liefmann, Beteiligungs- u. Finanzierungsgesellschaften, S. 447. 65 Ufermann / Hüglin, S. 78.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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werden, da er neben der österreichischen Papierindustrie und der elektrotechnischen Industrie, ζ. B. der Felten-Guillaume AG, auch an deutschen Montan-, Flugzeug- und Motorenwerken beteiligt w a r 6 6 . Auch Castiglioni war daher einer der Männer, die die Zeit der Inflation durch Bildung von Konglomeraten zu nutzen verstanden. Auch er drang „wahllos i n alle Industrien ein" 6 7 . b) Die Viag und andere Konglomerate Ein Konglomerat ganz anderer A r t stellte die Viag, die Vereinigte Industrieunternehmen AG, dar. Diese „größte und bedeutendste industrielle Holding-Gesellschaft Deutschlands" 68 entstand nicht als das Werk eines einzelnen Mannes, sondern als ein vom Reich aus den Überresten der Kriegswirtschaft zur Bewältigung besonderer industrieller, staatswichtiger Aufgaben zusammengefügter Großkonzern 69 . I n i h m befanden sich als Grundstock die elektrowirtschaftlichen Unternehmungen, ζ. B. die reichseigene Elektrowerke A G und die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk A G 7 0 , die mehr als 60 °/o des gesamten Anlagevermögens der Viag darstellten 71 . I n den weiteren Industriegruppen waren die Aluminiumwerke, der Bereich der Stickstoffindustrie, die Eisen- und Maschinenindustrie und sonstige Beteiligungen, wie Bayerischer Lloyd Schiffahrts-AG oder die Industrieverwaltungsgesellschaften, vereint. Wegen der Vielfalt der Interessen wurde der Viag teilweise die Konzerneigenschaft abgesprochen 72 . Ein solcher Einwand kann jedoch nicht zutreffen, da trotz der selbständigen Entwicklung der einzelnen Unternehmen eine einheitliche Leitung vorhanden w a r 7 3 . Die Viag war daher ein echtes Konglomerat. Dies gilt auch für die Kapitalanlagegesellschaften 74 als die wohl ältesten deutschen Konglomerate: 6

» Ebenda. Ebenda; der gleichfalls als „Unorganisches Gebilde der Inflation" u n d „Konglomerat v o n Aktienpaketen" apostrophierte Springer-Hahn-Konzern erscheint m i r zu sehr auf chemische, pharmazeutische u n d Nähr-Produkte ausgerichtet, als daß er ein echtes Konglomerat genannt werden könnte. Vgl. Schmitt-Schowalter, Die Organisationsform, Bd. I, S. 89 f. es K l u g , Konzerne, S. 33. 69 Haußmann, Konzerne, S. 105. 70 Z u den Beteiligungen vgl. K l u g , Konzerne, S. 3 5 - 4 1 ; Haußmann, ebenda, S. 367; vgl. auch Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 304 f. 7 * K l u g , ebenda, S. 37. 72 Vgl. Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 304. 73 Vgl. Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Trendelenburg, zit. bei: K l u g , K o n zerne, S. 41; vgl. auch S. 33; Haußmann, Konzerne, S. 105, weist darauf hin, daß die Viag ihre Aufgaben „ w i e ein Privatkonzern" ausführte. 74 Vgl. oben T e i l I, B. A n m . 23. 67

4*

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Bei der 1871 vom Schaffhausenschen Bankverein gegründeten A G für rheinisch-westfälische Industrie, die sich z.B. an einer Brauerei, einer Késselfabrik, zahlreichen Bergwerken, einer Zementfabrik, einer Holzwarenfabrik, einer chemischen Fabrik und weiteren anderen Unternehmen beteiligte 7 6 , läßt sich allerdings nicht feststellen, ob eine einheitliche Leitung der Unternehmen bestand. Sie glich w o h l eher einem Fonds als einer Holding. Die 1908 gegründete Handelsvereinigung A G bezweckte jedoch außer der Kapitalanlage auch die Kontrolle und Leitung der m i t diesem Kapital erworbenen Gesellschaften. Sie stand an der Spitze eines Konglomerats, das unter dem Namen „Fürstenkonzern" bekannt wurde, da an i h m mehrere Mitglieder des deutschen Adels beteiligt waren 7 6 . Hauptinteressen des Konzerns waren einerseits die Baugesellschaften, ζ. B. die Berliner Terrain- und Baugesellschaft oder die Boswau & Knauer GmbH, andererseits die Z i n k - und Kohlegruben der Hohenlohewerke AG. Daneben besaß der Konzern aber Beteiligungen an mehreren Reedereien und Hotelgesellschaften und verfügte außerdem über umfangreiche Kaliinteressen 77 . Er war daher ein unorganisches, vom Prinzip der Kapitalstreuung geleitetes Gebilde, d . h . ein Konglomerat. Auch der Osterwerke-Kahlbaum-Schultheiß-Patzenhofer-Konzern war ein Konglomerat. Obwohl sein Kurzname: „Bier-Sprit-Konzern" darauf hindeutet, daß es sich eigentlich u m einen Konzern der Getränkebranche handelte 78 , hat er sich insbesondere nach der Übernahme der Spritusraffinerien i n das Branntweinmonopol i n einer „Mischung aus technisch-betrieblich rationellen Gründen und aus den besonderen Kapitalanlage-Antrieben" 7 9 i n die verschiedensten Richtungen ausgeweitet. Der Konzern beinhaltete schließlich außer den Bier-, Alkoholund den damit zu verbindenden Landwirtschafts- und auch Glasbetrieben sogar die Interessengemeinschaft Schlesischer Zementfabriken, die Th. Flöther Maschinenbau A G und eine Beteiligung i n der chemischen Industrie 8 0 . Auch der Rheinhandel-Konzern läßt sich als Beispiel für die frühe diagonale Ausdehnung deutscher Gesellschaften heranziehen. I n ihm befanden sich neben Kohlegruben, Eisenwerken und der weiterverarbeitenden Industrie auch mehrere Tonfabriken und keramische 75

Vgl. Liefmann, Beteiligungs- u n d Finanzierungsgesellschaften, S. 192 f. 7β Merkel, Wirtschaftslenkung u n d Konzernrecht, S. 105. 77 Vgl. Liefmann, Beteüigungs- u. Finanzierungsgesellschaften, S. 195 -197. 78 Vgl. Liefmann, Kartelle u n d Trusts, S. 205. 7» Lothar Bauer, Der Bier-Sprit-Konzern, S. 100. 80 Vgl. Bauer, ebenda, S. 99 f. (insb. das Schaubild) ; Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 291.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

53

Werke, eine Zigarettenfabrik, Unternehmen der Textilindustrie, eine Ledertreibriemen-Fabrik, ein optisches Werk, Papierfabriken und Verlagshäuser und sogar eine Mineralwassergesellschaft 81 . c) Die sonstigen Diversifikationstendenzen

der deutschen Wirtschaft

Die bisher dargestellten Beispiele früher deutscher Konglomerate stellen keine abschließende Aufzählung dar, sie sollen nur zeigen, daß i n Deutschland die Konglomeration schon seit langem keine unbekannte Erscheinung ist, daß sie vielmehr ein starker Faktor der deutschen Wirtschaft war, und die unterschiedlichsten Unternehmen aus sehr verschiedenen Gründen erfaßte 82 . Eine Tendenz zur Diversifikation und Konglomeration läßt sich sogar bei vielen kleineren Unternehmen und bei den sonst horizontal oder vertikal gegliederten Konzernen erkennen. So war z.B. der Konzern Metallgesellschaft-Scheideanstalt außer an den eigentlichen Betrieben der Gold- und Silber Scheideanstalt auch an der Deutschen Condensmilch und der Trockenmilch Verwertungsgesellschaft beteiligt 8 3 . Der Norddeutschen Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei gehörte die Eisenwerk Delmenhorst A G 8 4 , die Stettiner Schamottefabrik Schloß eine Interessengemeinschaft m i t der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau A G 8 6 , die Handelsgesellschaft deutscher Apotheker A G (Hageda) w a r an einer Druckerei und an einer Automobilfabrik beteiligt 8 6 , die Accumulatoren-Fabrik A G besaß unter anderem eine Ziegeltransport A G 8 7 , und solche Beispiele ließen sich fortsetzen. Auch die AEG als einer der beiden großen Konzerne der elektrotechnischen Industrie ging auf völlig fremde Märkte über und beteiligte sich bei der Papierfabrik G m b H vorm. Br. Kämmerer, Osnabrück 88 . Das gleiche tat die I.G. Farbenindustrie AG, bei der schon i n der handelsgerichtlichen Eintragung der „Betrieb sonstiger gewerblicher Unternehmungen" als Geschäftszweck angegeben w a r 8 9 und die sich m i t ei Vgl. Schmitt-Schowalter, S.86ff. 82 Hierbei ist auch auf die u n f r e i w i l l i g entstandenen Konglomerate h i n zuweisen, die sich z . B . dann bildeten, w e n n Unternehmen ihre zahlungsunfähigen Schuldner i m Rahmen der Zwangsversteigerung übernahmen. Vgl. die Beispiele bei: Liefmann, Beteiligungs- u n d Finanzierungsgesellschaften, S. 69. 83 M i l i n e r , F. Der Konzern Metallgesellschaft-Scheideanstalt. 84 Statistisches Reichsamt, S. 138 f. 85 Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 288. 8β Statistisches Reichsamt, S. 233. 87 Ebenda, S. 113. 88 Statistisches Reichsamt, S. 111. 8» Vgl. Schmitt-Schowalter, Bd. I I , S. 94.

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Teil I: Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

einem wesentlichen A n t e i l an der deutschen Produktions- und Verkaufsgesellschaft der Ford Motor Co. beteiligte 9 0 . d) Das Konglomerat

als Problem der Wissenschaft

Es ist bemerkenswert, daß diese ausgeprägte Konglomeration i n Darstellungen der Konzentrationsbewegung teilweise überhaupt nicht erwähnt wurde 9 1 . Zwar bestand überall die Erkenntnis der durch Verschachtelung gegebenen Möglichkeiten und Gefahren 92 , ebenso wurde berichtet, daß es Konzerne gibt, bei denen die einzelnen Gesellschaften sachlich keinen Zusammenhang haben, deren Zusammenfassung vielmehr hauptsächlich von geldwirtschaftlichen oder spekulativen Gesichtspunkten bestimmt w i r d 9 3 , trotzdem aber versuchte man, diese Konzerne i n das Schema horizontal oder vertikal zu pressen 94 . Dafür mag es zwei Gründe geben. Erstens galt das Konglomerat als ein reines Gebilde der Inflationszeit, als Folge der Flucht i n die Sachwerte 9 5 und damit als „Eintagserscheinung" 96 . Zweitens sah man i n i h m eine „Sammlung", d. h. eine kapitalmäßige Zusammenballung ohne echte einheitliche Unternehmensführung, die folgerichtig nicht einmal als Konzern angesprochen werden konnte 9 7 . Demgemäß wurde erwartet, daß diese unorganischen Verkoppelungen wesensfremder Unternehmungen durch die organisatorischen Schwierigkeiten wieder auseinanderfallen und die nächste Krise nicht überleben würden 9 8 . Es fehlte ihnen die betriebliche und organisatorische Einheit sowie das solidarische Unternehmensinteresse aller beteiligten Personen, ohne das sie als Konzern nicht bestehen konnten 9 9 . Die Ergebnisse der Stabilisierungskrise gaben diesen Erwartungen recht. „Was organisch richtig aufgebaut war, hat sich . . . erhalten, 90

Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S.389. Vgl. die Unterteilungen der Konzerne u n d Beteiligungsformen bei: Saitzew, S. 17 u. 28; L i e f mann, K a r t e l l e u n d Trusts, S. 208 ff.; L ö f fier, S. 13, versteht u n t e r konglomerierten Großunternehmensformen generell durch externe Zusammenschlüsse entstandene Konzerne. 92 Vgl. den Generalbericht des Enquete-Ausschusses. 93 Vgl. K l u g , Konzerne, S. 43; Koberstein, Unternehmenszusammenschlüsse, S. 10; Liefmann, K a r t e l l e u n d Trusts, S. 206; Merkel, S. 105. 94 Vgl. Liefmann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 315 f. 95 K l u g , Konzerne, S. 7; Enquete-Ausschuß, Generalbericht, S. 66 f. Saitzew, S. 32, nannte Konglomerate „Warenhäuser der Sachwerte". m Sombart, Bd. I I I . 2. S. 829. 97 Flechtheim, Die S t r u k t u r w a n d l u n g e n der Wirtschaft, S. 14; L i e f mann, Kartelle, Konzerne u n d Trusts, S. 304. 98 Sombart, Bd. I I I . 2. S.829; Schmitt-Schowalter, B d . I , S.51; vgl. auch Statistisches Reichsamt, S. 4. 99 V.Siemens i n : Enquete-Ausschuß, Generalbericht, S. 83; ebenda, S. 66f.; Saitzew, S. 32. 91

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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unorganische Gebilde sind wieder auseinandergefallen 100 ." Vom StinnesKonzern blieb i m Grunde nur der alte Familienbesitz übrig, alles andere wurde, u m einen Zusammenbruch zu vermeiden, geteilt und veräußert 1 0 1 . Dennoch erkannte die Wissenschaft, daß diese neue A r t der Konzentration nicht nur Negatives beinhalten mußte, sondern daß auch hinter ihr ein Ordnungsprinzip stehen konnte 1 0 2 . Dieses fand sich zunächst i m Prinzip der Kapitalverwertung, d. h. der schnellen Anlage von Gewinnen i n gewinnträchtigen Branchen 1 0 3 , wobei aber die Gefahr bestand, daß aus Industrieunternehmen reine Spekulationsobjekte wurden. Das zweite Prinzip war die Risikominderung. Sie war gerade i n den damaligen Krisenzeiten ein starker Ansporn, die alten Wege der horizontalen und vertikalen Konzentration zu verlassen und K o n j u n k t u r schwankungen (ζ. B. der Eisenindustrie) oder Strukturänderungen (ζ. B. i n der Spritindustrie) auszuweichen 104 . Hinzu kam aber oft — und insbesondere bei Stinnes — der Gedanke der Verwertung von Nebenprodukten. Da Stinnes Wälder für das Grubenholz seiner Kohlenzechen besaß, begann er auch m i t der Papierherstellung. Er kaufte Fabriken und für die Weiterverarbeitung D r u k kereien und Verlage. U m den Transport seines Erzes m i t eigenen Schiffen bewältigen zu können, übernahm er Reedereien, die auch i m allgemeinen Frachtverkehr tätig wurden und später sogar Personen beförderten. Für diese wiederum baute Stinnes Hotels usw. 1 0 5 . Daß sich trotz dieser Prinzipien die damaligen Konglomerate nur so kurze Zeit halten konnten, dürfte i n den Schwierigkeiten der Organisation und Leitung derart weit verzweigter Gebilde gelegen haben, die erst m i t der heutigen Technik der Informationsvermittlung und Datenspeicherung überwunden werden können 1 0 6 . 100 Rosendorff, S. 14; vgl. Haußmann, Konzerne, S. 42. 101 Vgl. die Darstellungen des geschrumpften Konzerns i n : Statistisches Reichsamt, S. 44 f., u. die Darstellung seiner Auflösung: ebenda, S. 4 f. 102 Ufermann / Hüglin, S. 9. los Ufermann / Hüglin, S. 85; vgl. die ausführliche Darstellung bei: v. Beckerath, Kräfte, Ziele u n d Gestaltungen, S. 83 ff. ι 0 4 v. Beckerath, Kräfte, Ziele u n d Gestaltungen, S. 57 f.; Ufermann / Hüglin, S. 84; vgl. auch Liefmann, Beteiligungs- u. Finanzierungsgesellschaften, S. 448 f. los Ufermann / Hüglin, S. 9; v. Beckerath, ebenda S. 68 ff.. ioe v g l . die Bedenken v o n Liefmann, Beteiligungs- u n d Finanzierungsgesellschaften, S. 448 f. Ob die Schwierigkeiten heute tatsächlich ausgeräumt sind, läßt sich nicht m i t Sicherheit sagen. Trotz des „Konglomerationstrends" entwickeln sich nämlich bei einigen Unternehmen durch die Krisen der letzten Zeit wieder Ansätze des „Rückzugs" aus der Diversifizierung. Vgl.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung I I I . Der heutige Trend

Die Beobachtung der Konzentration leidet auch heute noch an der Schwierigkeit, daß Statistiken nicht all das erkennen lassen, was w ü n schenswert wäre 1 0 7 . Dennoch ist es möglich, aus ihnen die Richtung und die ungefähre Stärke der Entwicklung abzulesen. 1. Die amerikanische Bewegung a) Der Konzentrationsprozeß

in den USA

I n den USA hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Wellenbewegung vollzogen. Bis 1968, 1969 stieg die Zahl der gesamten Zusammenschlüsse ständig 1 0 8 . I m Bereich Industrie und Bergbau vermehrten sie sich schon i n den Jahren 1948 bis 1958 u m mehr als das Doppelte, bis 1968 wuchsen sie sogar auf mehr als das Zehnfache 109 . Beschränkt man die Betrachtung auf die sogenannten „großen Zusammenschlüsse" 110 , so zeigt sich der Trend noch deutlicher. Von 1948 bis 1968 steigerte sich ihre Zahl fast u m das 50-fache von 4 auf 192 111 , und der Wert dieser Zusammenschlüsse wuchs dabei von 65 Millionen auf über 12 Milliarden Dollar, also fast u m das 200-fache 112 . Gerade diese Steigerung der Größe fusionierender Unternehmen führte zum Anwachsen der Sorge, m i t der die Konzentrationsbewegung heute betrachtet wird. Es ist die Furcht vor der Übermacht einer kleinen Gruppe von Industrieunternehmen, die sie zu einem „Schreckgespenst" werden läßt 1 1 8 . Eine Untersuchung der 100 größten amerikanischen Unternehmen scheint solche Befürchtungen zu unterstützen. Immer weniger Unterz. B. den Verkauf der Lingner Gruppe (Odol, Dr. Bests Zahnbürsten . . . ) durch die Preussag A G . F A Z Nr. 301 v. 28.12. 73, S. 15. 107 Vgl. die umfassende K r i t i k v o n Lenel, Ursachen, S. 16 ff., der insbesondere die Grundlagen der verschiedenen Erhebungen angreift, z.B. die Betrachtung n u r der größten Zehn, den Maßstab des Umsatzes oder der Eigentumsverhältnisse, die etwas w i l l k ü r l i c h e Gliederung der Wirtschaftszweige usw. Vgl. a u d i B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1972, S. 8. los Vgl. F.T.C., Current Trends 1971, Table 1, S. 8; Nelson, Ralph L ; Merger Movement, S. 3. Die i m folgenden angegebenen Zahlen beziehen sich n u r auf den Bereich manufacturing and mining. m F.T.C., Current Trends, 1971 u n d 1968, Table 2, S. 9; vgl. auch Narver, S. 22; Burck, The Merger Movement Rides High, S. 80. il® "Acquisitions of firms w i t h assets of 10 m i l l i o n Dollar or over." F.T.C., A n n u a l Report 1967, S. 63. m F.T.C., Current Trends, 1968, S. 6; GfK., Konglomerate, S. 453. 112 F.T.C., Current Trends, 1971 and 1968, S. 6; F.T.C., A n n u a l Report 1967, S. 45; Burck, S. 80. us GfK., Konglomerate, S. 453; vgl. auch oben Einleitung, a).

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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nehmen gelingt es, in die Spitzengruppe einzubrechen und den dortigen Unternehmen einen niedrigeren Rang zuzuweisen 114 . Statt dessen vergrößern diese Unternehmen ihre Macht. Entfielen 1948 vom Betriebsvermögen aller Industrieunternehmen 47 °/o auf die größten 200, so hatten 1967 schon die größten 100 den gleichen Prozentsatz erreicht 1 1 5 . M i t diesen Rekordzahlen scheint allerdings u m 1968 der Höhepunkt der Konzentrationsbewegung i n den USA erreicht zu sein, denn seitdem wurden geringere Zusammenschlußzahlen registriert 1 1 6 . Die Abwärtsbewegung w i r d besonders deutlich beim Vergleich der Investitionsausgaben für Unternehmenskäufe von Großunternehmen. Betrafen 1968 44 o/o aller Ausgaben für Neuinvestitionen den Ankauf von Beteiligungen, so waren es 1971 nur noch 8 °/o, obwohl die Ausgaben insgesamt stiegen 117 . Außerdem zeigte sich, daß das Umsatzwachstum gerade bei den größten Unternehmen i n den letzten Jahren geringer war als bei den kleineren 1 1 8 . Daraus jetzt eine abfallende Tendenz der Konzentration herleiten zu wollen, dürfte allerdings verfrüht sein, denn i n einem so kurzen Zeitabschnitt läßt sich nicht erkennen, ob 1969 ein Bewegungsumschwung eintrat oder ob es sich nur u m eine Beruhigung nach der gewaltigen Steigerung von 1967 - 68 handelt. Zumindest befindet sich auch heute noch die amerikanische Wirtschaft i n einem Konzentrationsprozeß, der an Stärke alle Vorkriegswellen übertrifft. b) Die Entwicklung

zum

„Konglomerations-Trend"

Betrachtet man die heutige Konzentrationsbewegung, so zeigt sich, daß sie ihre Richtung gegenüber früheren Wellen verändert hat. Während die „over-all concentration" gestiegen ist, erhöhte sich die Branchenkonzentration nicht i n gleichem Maße. Sie ist teilweise sogar gesunken 1 1 9 . Daraus folgt, daß die amerikanischen Unternehmen i n verstärktem Maße dazu übergegangen sind, auf mehreren Märkten tätig zu werden. Die Statistik zeigt, daß schon zwischen 1954 und 1958 die „ m u l t i industry"-Unternehmen u m 59 °/o zunahmen, während die Gesamtzahl aller Unternehmen sich nur u m 1 3 % steigerte 120 . Daher ist es ihnen 114

Vgl. Collins / Preston, Size Structure of Firms, S. 989, 998 f. n® Seidman, Conglomerates and the F.T.C., S. 22; vgl. auch F.T.C., A n n u a l Report 1967, S. 50. " β F.T.C., Current Trends, 1971, S. 8, 9. il? Ebenda, S. 7 u n d 21. ne F A Z Nr. 153, v. 5. 7. 73, S. 15 (nach Fortune). no Shepherd, Trends of Concentration, S. 201; Neumann, S. 669. 120 Narver, Table 3, S. 15 u n d S. 31.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

möglich, heute i m Konzentrationsprozeß die führende Rolle einzunehmen. I h r Anteil an allen Fusionen stieg von weniger als 40 °/o i m Jahre 1948 auf über 80 °/o i m Jahre 1968 121 . 1971 erreichte er sogar 88 °/o 122 . I n der letzten Zeit ist nun eine weitere Verschiebung der Konzentrationsbewegung eingetreten. Schon ab 1956 zeigte sich die wachsende Tendenz zu „reinen" Konglomeraten, also zu solchen Zusammenschlüssen, die i m Sinne amerikanischer Definition weder „product extension mergers" noch „market extension mergers" darstellen 1 2 3 . Ihre früher bedeutungslose Zahl wuchs i n den Jahren 1963 bis 1966 auf 15 °/o aller Zusammenschlüsse 124 , und 1968 geschah dann der „dramatische Wandel" 1 2 5 , der die echten Konglomerate zum entscheidenden Faktor der Konzentration machte: Das Betriebsvermögen der nichtorganisch-heterogenen Verbindungen erreichte fast die Hälfte des Wertes aller Verschmelzungen 126 . Diese überragende Bedeutung konglomerater Zusammenschlüsse wurde 1971 auch zahlenmäßig unter Beweis gestellt. Nur 8 der 66 „großen" Zusammenschlüsse waren horizontale oder vertikale Verflechtungen, aber 27 Unternehmensverbindungen waren echte Konglomerationen, d. h. 41 °/o 127 . Ein solches, häufig schon als „Konglomerations-Flut" 1 2 8 bezeichnetes, außerordentliches Wachstum sowohl der Anzahl als auch insbesondere der Größe echter Konglomerate konnte nur erreicht werden, w e i l gerade die großen Unternehmen ihre angestammten Märkte verließen. Sie führten nicht nur die meisten Unternehmenskäufe durch, sie verbreiterten auch ihre Basis 1 2 9 und machten dadurch eine mögliche A b lösung aus der Spitzengruppe immer schwieriger 130 . Teilweise gelang es ihnen sogar, ihren Rang i n der Skala der wichtigsten Unternehmen 121 F.T.C., Current Trends, 1968, Table 10, 11, S.18f.; Burck, S.81; G f K , Konglomerate, S. 425; Seidman, S. 23; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 156, spricht dagegen v o n 91 °/o. Narver, S. 27 gibt f ü r 1947 11,3 °/o an u n d Frankus, Fusionskontrolle bei Konglomeraten, S. 28, 21 °/o. 122 F.T.C., Current Trends, 1971, Table 12, S. 23. 123 GfK., Konglomerate, S. 422, zur Unterscheidung vgl. oben T e i l I , Α . I I . 2. 124 F.T.C., A n n u a l Report 1967, S. 63; F.T.C., Current Trends 1968, S. 18 f. 125 F.T.C., Current Trends, 1968, S. 3. ΐ2β 47%. Vgl. F.T.C., Current Trends, 1968, S.3; nach Burck, a.a.O. S.81 u n d GfK., Konglomerate, S. 425, sind die „reinen" Konglomerationen auch zahlenmäßig die stärkste der Gruppen, a. A . F.T.C., Current Trends, 1968, S. 18: 24 °/o. 127 F.T.C., Current Trends, 1971, Table 11, 12, S. 22, 23; vgl. auch F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 20. 128 Burck, S. 79; GfK., Konglomerate, S. 423. 12® Borchert, Konglomeration, S. 637; F.T.C., Report on Industrial Concentration, S. 21; Gort, Diversification and Integration, Table 23, S. 61. i 8 0 Gort, Diversification and Integration, S.3.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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über Jahrzehnte zu halten, obwohl sich i n der gleichen Zeit die Bedeutung der Branchen sehr veränderte 1 3 1 . Daraus folgt, daß sich die Problematik der Konglomeration nicht durch die Zahl der diesem Typ entsprechenden Zusammenschlüsse allein erfassen läßt. Es muß außerdem bedacht werden, daß Konglomerate heute die wichtigsten Positionen der amerikanischen Wirtschaft innehaben 1 3 2 und daß dadurch die Bedeutung dieser Konzentrationsform zusätzlich i n hohem Maße gesteigert wird. Das zahlenmäßige Abflauen der Konzentrationsbewegung insgesamt kann daher die Intensität des Konglomerationsproblems nicht mildern. Schon die Gegenläufigkeit der Bewegungen zeigt, daß die Konglomerierung eigene Untersuchungen erfordert. Selbst wenn die Zahl konglomerater Zusammenschlüsse als Folge der allgemeinen Krisensituation, sinkender Aktienkurse oder wachsender Widerstände gegen die Konglomeration fallen sollte 1 3 3 , so zwingt doch ihre wertmäßige Bedeutung zu weiterer Beobachtung. 2. Der Trend in Deutschland a) Die neueren Konzentrationsvorgänge I n Deutschland zeigen schon die erst kürzlich vollzogenen oder sogar noch i m Gang befindlichen großen Konzentrationsvorgänge, daß von einem Abflauen der Konzentrationsbewegung nicht gesprochen werden kann. Bedeutende Beispiele sind die Verbindungen i n der Stahlindustrie: August Thyssen-Hütte A G m i t Rheinstahl und Mannesmann A G m i t Demag1®4. Durch sie erreichte die Α Τ Η noch vor den Chemiekonzernen Platz 1 und Mannesmann Platz 9 der Rangliste deutscher Unternehmen1®5. Dabei darf nicht vergessen werden, daß beide Unternehmen — trotz der von Brüssel angeordneten teilweisen Trennung 1 3 6 — schon 131 Boyle / McKenna, Size M o b i l i t y of the 100 and 200 Largest U.S. M a n u facturing Corporations: 1919-1964, S. 508 ff., 511 ff. 132 v g l . Narver, S. 10; Gort, Diversification and Integration, S. 27 f. u n d Table 6. 133

Vgl. Engelen-Kefer, Sumpfblüten des Booms, S. 32 f , Das B K a r t A hielt eine Untersagung nicht f ü r gerechtfertigt, denn „Größe allein ist k e i n G r u n d f ü r eine Untersagung". F A Z Nr. 41 v. 18. 2.1974, S. 15; F A Z Nr. 49 v. 27. 2. 74, S. 17. W Vgl. K r u k , Die hundert größten Unternehmen (1975), S. 9; F A Z Nr. 21 v. 25.1.73, S. 14; F A Z Nr. 129 v. 5.6.73, S. 15; Wirtschaftswoche Nr. 16 v. 13.4.73, S. 76. Zwischenzeitlich w u r d e die Α Τ Η von diesem Platz wieder verdrängt, 1976 auf Platz 2 u n d 1977 auf Platz 8. Vgl. auch unten T e i l I, B. A n m . 139. ΐ3β Thyssen darf u. a. n u r noch eine Sperrminorität an den Mannesmannröhren-Werken halten u n d darf dort an keinem Beherrschungsvertrag teilnehmen. Vgl. F A Z Nr. 298 v. 22.12.1973, S. 19. 134

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

durch ihre gemeinsame Tochter, die Mannesmannröhren-Werke AG, miteinander verbunden sind 1 3 7 und daß Thyssen sich außerdem i m Edelstahlbereich sehr stark engagiert 138 . A u f dem ölsektor ist eine nur m i t der „Ministererlaubnis" nach § 24 Abs. 3 GWB durchführbare starke Konzentration eingetreten 139 . Die Veba übernahm nach der Frisia A G 1 4 0 auch die Gelsenkirchener Bergwerks-Gesellschaft und konnte so gleichzeitig Mehrheitsgesellschafterin bei der Erdölversorgungsgesellschaft Deminex und bei der A r a l A G werden 1 4 1 . Dadurch hat der Bund den Weg zu einer deutschen MineralölEinheitsgesellschaft bereitet 1 4 2 . I m Bereich der Chemie hatte sich zuerst die BASF durch Aufkauf von Unternehmen m i t einem Umsatzvolumen von rund 4 Milliarden D M zum größten Chemiekonzern der Welt entwickelt 1 4 3 , dann konnten i h n die Farbwerke Hoechst durch die Übernahme von Roussel Uclaf sogar fast noch übertreffen 1 4 4 . Gleiche Tendenzen lassen sich auch i n völlig anderen Branchen feststellen. So führte die Verbindung Karstadt/Neckermann zu einer Verstärkung der Konzentration i m Einzelhandel 146 . I m Lebensmittelfilialhandel übernahm Tengelmann zunächst die Kaiser's Kaffee-Geschäft AG, dann 76 Filialen der SB-Kauf, 26 Filialen der „Accos"-Kette und über „Kaiser's" auch noch die Carisch-Filialen 1 4 6 . Als Reaktion darauf kaufte die Reichelt G m b H die Otto-Mess-Filialen 1 4 7 , und inzwischen 137 Die genehmigenden Beschlüsse des B K a r t A berufen sich deshalb ausdrücklich auf die Auflagen der Europäischen Kommission. 188 Nach der Übernahme der Edelstahlwerk W i t t e n A G durch die Α Τ Η bestehen zwei mächtige Gruppen: 1) Thyssen m i t D E W u n d Edelwitten, 2) K r u p p m i t den Stahlwerken Südwestfalen. Vgl. Odrich, Die Konzentration beim Edelstahl. 139 Durch die Untersagung des B K a r t A ist dieser Zusammenschluß besonders interessant. Vgl. insb. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1973 S. 68 f.; vgl. auch F A Z Nr. 7 v. 9.1.74, S.3; F A Z Nr. 40 v o m 16.2.1974, S. 21. Die Veba w u r d e dadurch zum größten deutschen Industrieunternehmen m i t 27 M i l l i a r den D M Umsatz. Vgl. K r u k , Die hundert größten Unternehmen (1975 und 1977). 140 v g l . F A Z Nr. 167 v. 21. 7. 73, S. 19. ι « Z u m Werdegang vgl. F A Z Nr. 140 v. 19. 6.1973, S. 14. 142 z u r Zielrichtung der Bundesregierung vgl. Wirtschaftswoche Nr. 49, v. 30.11. 73, S. 22; F A Z Nr. 270, v. 19.11. 73, S. 13. 143 Vgl. Wirtschaftswoche Nr. 14 v. 30. 3. 73, S. 65 ff. 144 Vgl. K r u k , Die hundert größten Unternehmen (1975), S. 9; Wirtschaftswoche Nr. 50, v. 6.12.1974, S. 82. Als Folge der Rezession ist B A S F 1976 tatsächlich hinter Hoechst zurückgefallen. 145 Vgl. dazu B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1976, S. 79 f. ΐ4β v g l . F A Z Nr. 43 v. 20. 2. 73, S. 13 u n d Nr. 144 v. 25. 6.1973, S. 15. Z u den Käufen vor 1973 vgl. Wirtschaftswoche Nr. 13 v. 23. 3.1973, S. 84 f. 147 F A Z Nr. 140 v. 19. 6.1973, S. 14.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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arbeiten auch Rewe, die Leibbrand-Gruppe und die Latscha K G zusammen 1 4 8 . I m Eiscremegeschäft ging die Zahl der Hersteller schon bis 1973 von 34 auf 14 zurück, wobei außerdem die relativ großen zusammenarbeiten, so: Milchhof m i t Moha, Südmilch m i t efa und Langnese m i t Jopa ( = Unilever und Nestle) 149 . Das größte Aufsehen erregte i m Nahrungsmittelbereich aber die Brauereienkonzentration. Zwar gibt es i n Deutschland immer noch 1777 Brauereien gegenüber nur 185 i n den USA, jedoch ist diese Zahl allein i n den zehn Jahren von 1963 bis 1973 u m ca. 400 gesunken, und von den verbliebenen ist nur ein minimaler Teil erwähnenswert 1 5 0 . I m Grunde gibt es heute drei Braugruppen: Branchenführer ist die Gruppe der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel Bank, i n der ζ. B. die Verbindung der Dortmunder Union Brauerei m i t der Schultheiss Brauerei zu einem Konzern von allein schon 20 Brauereien gelang 1 5 1 . A n zweiter Stelle steht die Reemtsma-Gruppe, zu der u. a. Henninger gehört und an dritter Stelle die Oetker-Gruppe m i t Binding und D A B 1 5 2 . Damit scheint allerdings die Konzentration dieser Branche n o d i nicht beendet zu sein, denn Vorstandsvorsitzender Sixtus von der Dortmunder-Union-Schultheiss-Brauerei A G erklärte, man wolle sich keinen „großen Fisch" entgehen lassen 153 . b) Der deutsche Konzentrationsprozeß Wie sehr sich die Konzentration i n Deutschland nach dem Kriege vergrößerte, zeigt die Statistik. 1958 und 1959 gab es jeweils nur 15 gemäß § 23 GWB anzeigepflichtige Zusammenschlüsse, zehn Jahre später hatte sich ihre Zahl schon mehr als verzehnfacht und 1970 m i t 305 Anmeldungen sogar verzwanzigfacht 154 . Danach ließ sich zunächst ein leichter Rückgang erkennen, jedoch beweisen die neuesten Daten, daß die Konzentration wieder i m Steigen begriffen ist. 1974 erfolgten 318, 1975 448 und 1976 sogar 453 Zusammenschlüsse 155 . 148 v g l . F A Z Nr. 300 v. 28.12.1974, S. 14; B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1976, S. 81. 14» F A Z Nr. 159 v. 12. 7.1973, S. 15 u n d Nr. 160 v. 13. 7. 73, S. 14. 150 Böhme, i n Wirtschaftswoche Nr. 15 v. 6.4. 73, S. 78 f. u n d Wirtschaftswoche Nr. 26 v. 22. 6. 73, S. 89. 151 Vgl. F A Z Nr. 262 v. 10.11. 72, S. 19. 152 Wirtschaftswoche Nr. 21 v. 18. 5. 73, S. 103; F A Z Nr. 146 v. 27. 6.73, S. 17. 153 Vgl. F A Z Nr. 133 v. 9. 6. 73, S. 22. 154 B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1971, Tab. 1, S. 39, u n d Tätigkeitsbericht 1970, Tab. 1, S. 34; Wirtschaftswoche Nr. 6 v o m 2.2.73, S. 6. iss B K a r t A , Tätigkeitsbericht, 1975, Tab. 3, S. 123 u n d 1976, Tab. 3, S. 138. Infolge der Gesetzesänderung sind die Zahlen ab 1973 m i t denen v o r dieser Zeit nicht v o l l vergleichbar. F ü r einen Vergleich entsprechend umgerechnete Zahlen siehe B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1975, Tab. 8, S. 152 ff.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Eine Beobachtung nur der „großen Zusammenschlüsse" führt zu dem Schluß, daß sich auch i n Deutschland die Macht der großen Unternehmen immer weiter steigert 1 5 6 . Besonders beunruhigend ist, daß von diesen wiederum gerade die größten m i t einer Bilanzsumme von mehr als einer Milliarde D M die meisten Zusammenschlüsse vornehmen. Hatte 1966 noch die Hälfte aller erwerbenden Unternehmen weniger als eine Milliarde D M Bilanzsumme, so war es 1970 nicht einmal mehr ein Fünftel 1 5 7 , und eine Berücksichtigung des Kreditgewerbes als der „fusionsfreudigsten" Branche 1 5 8 würde das Verhältnis weiter verschlechtern. Diese Sonderstellung der Spitzengruppe war schon i n der Konzentrationsenquete 159 erkannt worden. Dort wurde nachgewiesen, daß innerhalb der 1000 größten Unternehmen der Gesamtindustrie die 50 größten Unternehmen ihren Umsatzanteil vergrößern konnten 1 6 0 . Sie steigerten i h n zwischen 1954 und 1969 von 18 auf 40 °/o 161 , während die restlichen 950 Unternehmen Einbußen hinnehmen mußten, und seitdem hat sich die Entwicklung noch fortgesetzt 162 . Insgesamt ist bis heute nicht zu erkennen, daß die starke Konzentrationsbewegung wieder abflauen könnte. Vergleicht man zudem die deutschen Größenklassen m i t denen der USA, so erscheint es wahrscheinlicher, daß sich die bisherige Entwicklung weiter fortsetzen w i r d 1 6 3 , auch wenn schon heute Deutschland i n der Konzentrationsbewegung an der Spitze der Europäischen Gemeinschaft steht 1 6 4 . ΐδβ v g l . B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1972, Tab. 2 + 3, S. 38. E i n großer Zusammenschluß liegt v o r bei 25 Mio. D M Bilanzsumme des erworbenen Unternehmens. 157 B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1971, Tab. 3, S.42f.; vgl. auch Tätigkeitsbericht 1969, S. 13 u n d 1972, S. 8. 158 F A Z Nr. 245 v. 21.10.72, S. 17; F A Z Nr. 32 v. 7.2.75, S. 11; vgl. auch B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1971, Tab. 3, S. 43 u. 1972, Tab. 4, S. 39. 159 Bundesamt f ü r gewerbliche Wirtschaft, Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration i. d. Wirtschaft, BT-Drs. IV/2320 (im folgenden: Konzentrationsenquete). 160 Konzentrationsenquete, S. 14 f. lei Bundesregierung, Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht 1971, S . I I I ; Konzentrationsenquete, a.a.O. S. 14. 162 Zwischen 1968 u n d 1973 hatten die hundert größten Unternehmen ein Umsatzwachstum von 9 0 % zu verzeichnen, während die Umsatzsteigerung der gesamten Industrie n u r bei 65 °/o lag. K r u k , Die hundert größten U n t e r nehmen (1974), S. 13. 163 Vgl. Diekmann, zitiert bei Jürgensen / Berg, S. 21; ebenso Galbraith, Kartellgesetz. Die größten deutschen Unternehmen stehen zwar heute schon i m Bereich zwischen Platz 11 u n d 20 der Weltrangliste, jedoch stellen die U S A i m m e r noch die w e i t überwiegende Z a h l der dort registrierten U n t e r nehmen. Vgl. K r u k , Die hundert größten Unternehmen (1977). 164 So schon 1972 die Bundesregierung i n ihrer Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht 1971, S. I I I .

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft c) Beispiele deutscher

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Konglomeration

Innerhalb der Konzentrationsbewegung hat jetzt — genau wie vor dem Kriege — die Konglomeration einen bedeutenden Platz eingenommen 1 6 5 . Dies läßt sich schon aus den oben aufgeführten neueren Konzentrationsbeispielen ablesen, da sie großenteils i n Konglomeraten stattgefunden haben. Als Beispiel sollen die Gruppen der Brauindustrie dienen und die Konzerne, i n die sie eingebettet sind 1 6 6 . 1. Die Oetker-Gruppe, mittlerweile auf Platz 43 der Rangliste der größten deutschen Unternehmen, kann als das bekannteste deutsche Konglomerat gelten 1 6 7 , auch wenn sie selbst kein „zufällig gewordenes Konglomerat" sein w i l l , sondern eine „organisch gewachsene, planvoll diversifizierte dynamische Unternehmensgruppe" 168 . Sie hat sich schon 1971 i n der Broschüre: „Eine Idee strahlt aus", selbst vorgestellt, und dabei 150 Oetker-Gesellschaften aufgeführt, zu denen bis heute noch einige hinzugekommen sind 1 6 9 A l l e i n die Braugruppe besteht ohne Minderheitsbeteiligungen aus 32 Unternehmen. Dazu kommen die sonstigen Getränkehersteller, wie beispielsweise die Söhnlein Rheingold K G m i t ihren Beteiligungen, die Noris Weinbrennerei, die Gorbatschow Wodka G m b H oder die über die Dortmunder Actien-Brauerei zur Gruppe gehörende Sinalco A G 1 7 0 . Zusammen m i t der Tiefkühlkost und dem Fisch w i r d diese Unternehmenssparte heute betont, während der ehemalige Kernbereich der Pudding- und Backpulverproduktion selbst i m Nahrungsmittelsektor von Oetker nur noch einen kleinen Teil ausmacht 171 , Oetker betätigt sich neben dem großen Bereich „Essen und Trinken" aber auch i n anderen Branchen. I m Rahmen der Schiffahrt besitzt die Gruppe sechs Reedereien, i n der chemischen Produktion w i r d m i t drei Unternehmen gearbeitet, drei Kleidungsfabriken produzieren für Oetker, außerdem zwei Baugesellschaften und ein Verlag. Daneben besitzt die Gruppe mehrere Banken und Versicherungen, ζ. B. die „Deutscher les v g i # Besters, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/10; Neumann, S. 669. ιββ Siehe oben T e i l I, B. I I I . 2. a). Z u den Beteiligungsverhältnissen bei den größten Brau-Aktiengesellschaften vgl. Wirtschaftswoche Nr. 38 v. 14. 9. 73, S. 56. 167 K r u k , Die hundert größten Unternehmen (1977); vgl. auch Huffschmid, S. 61. les Bericht der F A Z Nr. 34 v. 10. 2. 71, S. 17. 169 ζ. B. die Dortmunder Hansa Brauerei. Vgl. Wirtschaftswoche Nr. 16 V. 13. 4. 73, S. 76 f. 170 v g l . F A Z Nr. 34 v. 10. 2. 71, S. 17. 171 Anders ist es i m Ausland, w o Oetker i n Österreich, der Schweiz, Italien, Dänemark, Holland, Spanien u n d Brasilien Pudding u n d Backpulver herstellt.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Ring"-Versicherungen 172 . Es zeigt sich also, daß die horizontale Konzentration der Brau-Gruppe nur Teil eines großen Konglomerates ist. 2. Die nächstgrößere Gruppe auf dem Brausektor ist die von Reemtsma angeführte 1 7 3 . Insgesamt steht dieser Konzern auf Platz 27 der Rangliste deutscher Unternehmen 1 7 4 . I m Gegensatz zu Oetker beschränkt er sich jedoch auf zwei Produktionsbereiche, die sich auch i n den beiden Führungsgesellschaften widerspiegeln: H. F. & Ph. F. Reemtsma für Tabakwaren (z.B. Ernte 23, Peter Stuyvesant, Atika, Roth-Händle, Reval) und deutsche Brau A G für Bier und andere Getränke 1 7 5 . Ein solches Vorstoßen der Zigarettenhersteller i n den Nahrungsmittelbereich zeigt sich auch bei anderen Unternehmen. Die B.A.T. Cigaretten-Fabrik G m b H (HB, Krone) hat sich z.B. an den WeinkrügerGaststätten beteiligt und hält i n ihrer Holding „Interversa" außerdem Anteile der Horten-Gruppe 1 7 6 . Durch diese Konglomerierungen w i l l man sich gegen Strukturänderungen als Folge der Gesundheits- oder Umweltschutzbewegungen absichern. 3. Die Gruppe der „Bayern-Hypo", die größte der drei Braugruppen, ist eingebettet i n einen Konzern, der als typisch deutsche Variante des Konglomerats angesehen werden kann: der Konzern unter Führung einer B a n k 1 7 7 . Die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank hat sich durch ihre starken Konzentrationsbestrebungen 178 eingegliedert i n die Reihe a l l der Banken, die es fast als Notwendigkeit betrachten, bei guten Industrieunternehmen als Mehrheitsaktionär engagiert zu sein 1 7 9 , u m so die eigene Stabilität zu stärken 1 8 0 . Keine der großen Banken ist von diesem Trend ausgenommen 181 , und daher ist i n Deutschland ein zusätzliches 172 Ebenda. 173 Siehe oben T e i l I , B. I I I . 2. a). Z u den früheren Plänen dieser Gruppe vgl. Ringleb, Die Konzentrationswelle rollt, S. 30. 174 K r u k , Die hundert größten Unternehmen (1975 u n d 1977). 175 F A Z Nr. 166 v. 20. 7. 73, S. 15. ΐ7β F A Z Nr. 195 v. 23. 8. 73, S. 15. 177 Mestmäcker, Konzentration u n d Wettbewerb, S. 15. 178 v g l . Wirtschaftswoche Nr. 1/2 v. 4.1. 74, S. 68 f. i7® „ Z u einer »vollwertigen 4 , einer anerkannt »feinen 4 u n d »universellen 4 B a n k gehören nach ihren (der Bankiers) Vorstellungen n u n einmal industrielle Engagements, gehört tunlichst auch ein Kranz v o n Industriebeteiligungen, den die B a n k dann i m Wege der Konzentration oft noch zu einem festen Ring zusammenschmiedet." K r u k , Ausgerechnet eine Staatsbank, S. 17. 180 K r u k , Die Macht der Banken; Ernstberger, i n : Wirtschaftswodie Nr. 1/2 v. 4.1. 74, S. 70. 181 v g l . Wirtschaftswoche Nr. 19 v. 4. 5. 73, S. 83 ff.; F A Z Nr. 232 v. 7.10. 69, S. 15 („Klasenkampf ") ; zu den Beteiligungen der Banken an Baufirmen vgl. Wirtschaftswoche 38 v. 14.9. 73, S. 68.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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Problem der Konglomerierung entstanden: Die Banken kontrollieren den Zugang zum Kapitalmarkt auch für die Konkurrenten ihrer eigenen Konzerne 1 8 2 . d) Die Stärke der deutschen

Konglomeration

Aus den Beispielen läßt sich erkennen, daß die Konglomeration i n Deutschland einen bedeutenden A n t e i l am Konzentrationsprozeß hat. Auch die Zahlen der Statistik bestätigen dies: Bei den jeweils zehn größten Unternehmen aus 30 Industriegruppen hatte sich schon zwischen 1954 und 1960 der nicht i m Hauptproduktionsbereich erzielte Umsatz von 17,1 °/o auf 23,3 °/o gesteigert 183 . Insgesamt bezog sich der Umsatz 1960 bei reichlich der Hälfte dieser Unternehmen auf zwei oder mehr Industriegruppen. 15 Unternehmen gelang es sogar, i n insgesamt 20 weiteren Gruppen ebenfalls zu den größten Zehn zu gehören 184 . Betrachtet man keine einzelnen Industriebereiche, sondern die „über alle Märkte" größten deutschen Unternehmensverbindungen, so w i r d die Steigerung noch deutlicher. Die größten Fünfzig hatten 1954 i m Durchschnitt Umsätze i n 6,6 Industriegruppen und 1960 i n 7,4 Gruppen. Die nächstgrößten Fünfzig arbeiteten 1954 i n 3,8 Industriegruppen und 1960 i n 4,3 18 *. Daraus ergibt sich zweierlei. Erstens steigt die Konglomeration, und zweitens zeigt sich, daß — genau wie i n den USA — die größten Unternehmen am meisten diversifizieren, dadurch die breiteste Basis haben, und so am wenigsten u m ihre Macht zu bangen brauchen. Über das tatsächliche Ausmaß des Konglomerationswachstums existieren noch nicht sehr lange genaue Daten. Nach den Zahlen des Bundeskartellamtes lassen sich jedoch zwei Entwicklungsphasen erkennen: Bis zur Einführung der Fusionskontrolle spielte i n Deutschland die horizontale Konzentration eine absolut beherrschende Rolle. Ihr mußten i n jedem Jahr zwei Drittel oder fast zwei Drittel aller Zusammenschlüsse zugerechnet werden, wohingegen vertikale Verflechtungen eine geringere Bedeutung hatten 1 8 6 . Die zweite wichtige Zusammenschlußgruppe waren die Diversifikationen, die nach der alten Einteilung des Bundeskartellamtes Zusam182 Mestmäcker, Konzentration u n d Wettbewerb, S. 15; vgl. auch K r u k , Die Macht der Banken. 183 Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 31. 184 Ebenda, S. 30. 185 Ebenda, S. 545. ΐ8β v g l . B K a r t A , Tätigkeitsberichte, insb. 1971, Tab. 5, S. 46 f., u n d 1972, Tab. 5, S. 39. Z u dem Verhältnis v o r dem K r i e g vgl. oben T e i l I . Β . I I . 1. b). 5 Emrich

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

menschlüsse m i t Produktausweitungen und Konglomerationen enthielten 1 8 7 . Ihre Zahl schwankte seit 1967 zwischen der unteren Grenze von 32,5 % aller großen Zusammenschlüsse i m Jahre 1970 und der oberen Grenze von 50 °/o i m Jahre 1968 188 . Daß die Einteilung nicht besonders günstig gewählt war, zeigt ein Vergleich m i t der Bewegung bei den „echten" Konglomeraten. Zusammenschlüsse dieser A r t vermehrten sich von 1966 bis 1971 ständig und ohne Unterbrechung 1 8 9 . Ihre Zahl stieg von 0 auf fast 25 °/o aller Zusammenschlüsse und stellte damit die rapideste und gleichzeitig einzige konstante Steigerung i m Konzentrationsprozeß dar 1 9 0 . Seit Einführung der Konzentrationskontrolle hat sich die Entwicklung etwas gewandelt. Anders als i n A m e r i k a 1 9 1 stellen horizontale Zusammenschlüsse zwar immer noch die Mehrzahl aller Verflechtungen 192 , die vertikale Konzentration hat aber erheblich zugenommen. Sie stieg von weniger als 10 °/o auf ungefähr 25 °/o. Demgegenüber ist die diagonale und konglomerate Konzentration zurückgefallen. Sie betrug i n den letzten Jahren ca. 25 %> bzw. 12 %>193. Die Gründe für diesen Wandel sind leicht zu erkennen. Sie liegen einerseits i n der Fusionskontrolle, die horizontale Zusammenschlüsse sehr erschwert 194 , andererseits i n der allgemeinen Krisensituation, die häufig eine Konsolidierung vorhandener Produktionsbereiche erforderlich macht und dadurch Konglomerationen verhindert 1 9 5 . Insgesamt ist festzustellen, daß sich die Konglomeration nach Jahren hektischer Aufwärtsbewegung heute i n einer ruhigeren Phase befindet 1 9 6 . Allerdings zeigen gleichzeitig die Entwicklungen vor dem Kriege 187 v g l . oben T e i l I, A. A n m . 38. 188 1967 bis 1972: 3 5 % , 5 0 % , 42,6%, 32,5%, 37,8%, 41,9%. Vgl. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1971, Tab. 5, S. 46 f., Tätigkeitsbericht 1972, Tab. 5, S. 39. 1973 waren nach § 23 a. F. ca. 35 %, nach § 23 n. F. ca. 47 % der großen Z u sammenschlüsse diversifiziert. Tätigkeitsbericht 1973, Tab. 7 u n d 10. 18» Ebenda. 1972 erfolgte ein Rückgang u m 1,9%, 1973 blieb der A n t e i l ungefähr gleich. 190 1966 — 0 %, 1967 — 5 %, 1968 — 12,5 %, 1969 — 16,7 % , 1970 — 18,1 %, 1971 — 24,5 %. lei Dort beträgt der A n t e i l der horizontalen Konzentration seit 1961 ca. 11 %. F.T.C., Current Trends, 1971, S. 23. 192 Jeweils ca. 50 %. Vgl. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1975, Tab. 8, S. 152 ff., u n d Tätigkeitsbericht 1976, Tab. 3, S. 138. 193 Ebenda. Die Unterschiede der Zahlenangaben f ü r die Zeit v o r 1973 i n diesen Tabellen gegenüber Angaben i n früheren Tätigkeitsberichten beruhen auf der erfolgten Umrechnung i n „nach § 23 n. F. anzurechnende Zusammenschlüsse". 194 Die unten i n T e i l l , C. I I . insb. unter 3. u n d 4. dargestellte Bedeutung des Marktanteils w i r k t besonders i n dieser Richtung. 195 Vgl. hierzu auch die schon oben T e i l I, Β . I I . 2. d) dargelegten Schwierigkeiten der Konglomerate i n Krisenzeiten u n d oben A n m . 106 i n T e i l I , B.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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und insbesondere vor 1973, daß sie — ζ. B. bei einer Konjunkturwende — erneut einen sehr schnellen und radikalen Aufschwung nehmen könnte. I V . Die Konglomerationsmotive und ihre möglichen Wirkungen auf die zukünftige Entwicklung Für eine Prognose der weiteren Entwicklung ist es notwendig, außer den schon vorliegenden Zahlen auch die Motive konglomerater Zusammenschlüsse zu betrachten, da nur sie Aufschluß darüber geben, ob künftig eine zusätzliche Verstärkung oder eine Verringerung der Konglomerationsbewegung zu erwarten ist 1 9 7 . 1. Die wirtschaftlichen Motive der Konglomeration Ein bedeutendes Motiv für Konglomerationen ist der Risikoausgleich 1 9 8 . Er beruht auf dem unterschiedlichen Verhalten der Märkte i m Zeitablauf. Erstens sind sie abhängig vom Lebenszyklus der einzelnen Produkte 1 9 9 . Während das eine noch i n der Phase der Entwicklung steht, hat das andere große Verkaufserfolge und ein drittes ist schon durch Neuerungen der Technik überholt, so daß seine Produktion eingestellt werden muß 2 0 0 . Zweitens gibt es bei einigen Produkten temporäre Schwankungen oder Saisonzyklen 201 , und drittens verhalten sich die Märkte bei Konjunkturkrisen oder Strukturveränderungen teilweise sogar gegensätzlich 202 . Durch eine Mischung der Produkte und damit der einzelnen Risiken kann nun erreicht werden, daß der Effekt widriger Umstände gemildert w i r d und unvorhersehbare Schwankungen die Gewinnsituation des Es scheint sich — genau w i e auch früher schon festgestellt — eine Wellenbewegung zu entwickeln. 197 Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die vorliegende U n t e r suchung teilweise auch von Meinungen ausgeht, die nicht verifiziert sind. Das g i l t i n besonderem Maße f ü r die nachfolgende Betrachtung der K o n g l o merationsmotive. 198 Das M o t i v des „full-line-selling" u n d der Ausdehnung des Produktionsprogramms f ü h r t n u r zu Diversifikationen. Vgl. dazu F.T.C., Report on Corporate Mergers, S. 50; Penrose, The Theory of the G r o w t h of the F i r m , S. 134 f. i " Als M o t i v w i r k t sich weniger die Abwärtsbewegung selbst, als das Wissen u m ihre Möglichkeit aus. Vgl. Lenel, Ursachen, S. 219. 200 v g l . Sölter, Diversifikative Konzentration, S. 56; z u m Lebenszyklus eines Produkts vgl. Nieschlag / Dichtl / Hörschgen, Absatzwirtschaft, S. 212; Kruber, Unternehmensgröße auf wachsenden Märkten, S. 169 ff.; vgl. auch die Beispiele bei Frankus, S. 40. 201 Hruska, Bigness and Diversification, S. 197; vgl. Frankus, S. 42 f. 202 v g l . Lenel, Ursachen, S. 219 f.

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Gesamtunternehmens nicht mehr radikal verändern können 2 0 8 . Das Unternehmen w i r d insgesamt unabhängiger und standfest, was nichts anderes bedeutet, als daß langfristig die Gewinne maximiert werden. Dabei sinkt das Erfolgsrisiko m i t der Anzahl der übernommenen Unternehmen 2 0 4 . „Der simple Tatbestand der statistischen Normalverteilung" bewirkt, daß die konsequente Konglomerationspolitik betriebswirtschaftlich eine Möglichkeit zur „Unternehmensoptimierung" darstellt 2 0 5 . Die Motive des G e w i n n - 2 0 6 und Größenstrebens 207 führen bei bestimmter Marktlage audi zu einem neuen, speziell i n Richtung der Konglomeration wirkenden Motiv. Sobald der sich i n allen Industriestaaten zunächst vollziehende Marktkonzentrationsprozeß einen bestimmten Reifegrad erreicht hat, finden die Unternehmen kein genügendes Betätigungsfeld mehr i n ihrem ursprünglichen M a r k t 2 0 8 . I h r Spielraum ist eingeschränkt, da eine weitere Vergrößerung ruinöse, i m Erfolg unsichere Verdrängungskämpfe gegen Oligopolisten voraussetzen würde 2 0 9 . Deshalb weichen sie auf andere, möglichst expandierende und gewinnbringende Wirtschaftsbereiche aus 2 1 0 . Diesen Punkt haben die USA schon lange erreicht, nach Meinung vieler Wettbewerbspolitiker sind sie sogar überkonzentriert 2 1 1 . Deshalb 203 Gort, Diversification and Integration, S. 4. 204 Borchert, Konglomeration, S. 642 f., zeigt, daß bei ein bis zwei A u f käufen die 34%ige Chance eines guten Ergebnisses besteht. B e i mehr als fünf Aufkäufen beträgt die Chance dagegen 70%. 205 v g l . sölter, Das Mischunternehmen, S. 156 ff.; vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 201 u n d 219 ff. 2oe Vgl. allgemein Wöhe, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 6; Galbraith, Die moderne Industriegesellschaft, S. 129 ff. Das Prinzip der Gewinnmaximierung f ü h r t auch unmittelbar zur Konglomeration, da es die U n t e r nehmen zwingt, a l l das selbst durchzuführen, was zur Erhöhung der Gewinne beiträgt, d. h. a u d i i n die gewinnträchtigste Branche vorzustoßen. Vgl. Geneen, Concepts of a Conglomerate or a M u l t i - M a r k e t Company: A Businessman's View, S. 5; Frankus, S. 34; Neumann, S. 678; Borchert, Konglomeration, S. 635. 207 Das Größenstreben beruht auch auf dem Wunsch der Unternehmer u n d des Managements, die eigene gesellschaftliche Stellung u n d das persönliche Ansehen zu verbessern. Vgl. Herrmann, S. 105 u n d S. 104, A n m . 1 ; vgl. auch Schmalenbach, Die Aktiengesellschaft, S. 218; Geneen, S. 6; Schmoller, Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre, S. 29; Berle /Means, The modern Corporation and Private Property, S. 112; K a u f er, Nochmals: V o n der Preistheorie zur Wettbewerbstheorie, S. 111; Marris, The Economic Theory of »Managerial* Capitalism, S. 50; Dennis C. Mueller, A Theory of Conglomerate Mergers, S. 644; Richardson, The L i m i t s to a Firm's Rate of Growth, S. 10. 208 Borchert, Konglomeration, S. 636; vgl. auch H u f f Schmid, Die P o l i t i k des Kapitals, S. 61 f.; Schumacher, Konglomerate Konzentration u n d f u n k tionsfähiger Wettbewerb, S. 136. 209 vgl. dazu Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 102 ff. 210 v g l . Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 6. 211 Sölter, Diversifikative Konzentration, S. 53.

Β. Die Bedeutung der Konglomeration für die Wirtschaft

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ist die hohe Zahl von konglomeraten Zusammenschlüssen eine natürliche Folge. Aber auch i n Deutschland „ist der Verdichtungsprozeß inzwischen so weit fortgeschritten, daß die Möglichkeit zu weiteren Zusammenfassungen auf horizontaler Ebene erheblich eingeschränkt i s t " 2 1 2 . Folglich w i r d sich der schon i m Gange befindliche Konglomerationsprozeß m i t der Zeit auch hier noch erheblich beschleunigen 213 . 2. Die Fusionskontrolle als Motiv der Konglomeration Das gleiche Resultat könnte durch eine ungleichmäßige Fusionskontrolle ausgelöst werden. I n den Vereinigten Staaten hat die Antitrustpolitik dazu geführt, daß horizontale und vertikale Konzentrationen m i t einer Schärfe untersucht werden, die jeden Versuch eines Zusammenschlusses praktisch zum Scheitern verurteilt 2 1 4 . Dagegen w i r d die konglomerate Konzentration vergleichsweise glimpflich behandelt 2 1 5 . Noch 1968 erklärte Donald F. Turner: „Grundsätzlich sollen lediglich Zusammenschlüsse von direkten Konkurrenten (horizontale Fusion) oder von Abnehmern und Lieferanten (vertikale Fusion) verfolgt werden 2 1 6 ." Diese Haltung ist zu verstehen als Folge der Marktmachttheorie 2 1 7 . Aber auch wenn heute andere Maßstäbe angelegt werden, bleibt doch die Tatsache, daß Konglomerationen nicht auf Monopole zielen und deshalb bei den Behörden am wenigsten Widerstand erwecken 218 . I n einigen Fällen kann es sogar geschehen, daß Kontrollverfahren selbst den direkten Anstoß zu konglomeraten Zusammenschlüssen geben. Die Schlaf- und Speisewagengesellschaft Pullmann Inc. mußte beispielsweise als Folge eines Gerichtsbeschlusses die von ihr betriebene Waggonbaugesellschaft veräußern. Daraufhin wandte sie sich einer anderen Branche zu und kaufte m i t dem Erlös ein Zulieferunternehmen der chemischen Industrie 2 1 9 . 212 B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1972, S. 7. 213 So auch Huffschmid, S. 61. 214 „Praktisch w i r d . . . die Illegalität horizontaler u n d vertikaler merger m i t Unternehmen von Gewicht unwiderleglich vermutet. Es ist u n w a h r scheinlich, daß sich i n Z u k u n f t noch ein großes amerikanisches Unternehmen auf das Risiko einlassen w i r d , F i r m e n der gleichen Branche oder der V o r oder Nachstufe aufzukaufen." Harms, Conglomerate Mergers, S. 867; vgl. auch Hammond, G r o w t h Through Merger, S. 780; Davidow, Conglomerate Concentration and Sect. 7: The Limitations of the A n t i Merger Act, S. 1237. 215 So Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 269; Bicks, Corporate Mergers, S. 86; vgl. insgesamt hierzu unten C. I I I . 216 Vgl. Engelen-Kefer, Sumpfblüten des Booms, S. 32. 217 Vgl. oben Teü I , A . I I 3. c). 218 Vgl. f ü r England: West, Die Fusions-Artisten, S. 19; vgl. auch Lenel, Ursachen, S.207; Huffschmid, S. 61 f. 2i» Butters / L i n t n e r / Cary, Corporate Mergers, S. 226.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Das Beispiel zeigt, daß die Konglomeration von den Unternehmen i m Hinblick auf die Fusionskontrolle als sichere Politik angesehen w i r d 2 2 0 . Deshalb ist die Antitrustpolitik ein starkes Motiv für konglomerate Zusammenschlüsse 221 . Sie führt teilweise sogar dazu, daß Vereinigungen durchgeführt werden, die i m Endeffekt weniger profitabel sind als solche auf dem gleichen M a r k t 2 2 2 . Dieses Ergebnis ist auch für Deutschland zu erwarten, wenn die Fusionskontrolle konglomerate Verflechtungen nicht m i t gleicher Schärfe erfaßt wie horizontale und vertikale 2 2 3 . Dann w i r d sich ein Ausweichsreservat ergeben 224 , das notwendigerweise eine Konglomerationsflut von gleicher Intensität wie i n Amerika zur Folge hat. Das Problem der konglomeraten Konzentration würde demnach noch dringlicher. 3. Die mögliche Entwicklung in Deutschland Insgesamt zeigt sich, daß die der Konglomeration zugrunde liegenden Motive möglicherweise auch i n Deutschland eine weitere Verstärkung des Trends bewirken. Zwar ist die augenblickliche Krisensituation i n der Wirtschaft eher dazu angetan, eine Konsolidierung der Unternehmen zu fördern und wie vor dem Zweiten Weltkrieg die expansive Konglomeration zu behindern 2 2 5 , dennoch bewirkt jeder neue Konzentrationsfall i n seinem M a r k t eine Stärkung der „Konzentrationssättigung". Die Konglomeration als Ausweichbewegung w i r d deshalb häufiger. Zusätzlich muß bei einer Wende der Konjunktur und einer Verbesserung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation m i t einem wellenartigen Ansteigen konglomerater Zusammenschlüsse gerechnet werden,

220 Dirlam, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 746; Asch, Conglomerate Mergers and Public Policy, S. 63: " . . . for numerous firms, the conglomerate routé to expansion is the safest." 221 Hruska, S. 198; Hammond, S. 780; Sölter, Nationale Fusionskontrolle, S. 84; Huppert, Richtlinien f ü r eine Fusionskontrolle, S. 464. 222 Borchert, Konglomeration, S. 637 f.; vgl. auch F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 39, w o nachgewiesen w i r d , daß die Gewinnrate der übernommenen Unternehmen i m Durchschnitt geringer ist als bei den anderen. 223 v g l . Huffschmid, S. 61 f. Bisher läßt sich nach den Zahlen des B K a r t A n u r eine Verringerung der horizontalen Konzentration erkennen. Die E r fassung der vertikalen Konzentration erfordert aber keine prinzipiell andere Denkweise (vgl. oben T e i l I, Α. 1.2.), so daß eine Verschärfung der K o n t r o l l praxis n u r eine Frage der Zeit sein dürfte. 224 Besters, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/10. 225 Vgl. den Niedergang des Stinnes-Konzerns u n d anderer Konglomerate i n den damaligen Krisenjahren: oben T e i l I, Β . I I . 2. d), oder die ersten Anzeichen einer neuen „De-Konglomeration" : oben T e i l I, B. A n m . 106.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

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da sich die konzentrationsfordernden Impulse einer solchen Zeit hauptsächlich i m „Ausweichsreservat Konglomeration" auswirken werden. Deshalb ist die Frage nach den Fähigkeiten der neuen Fusionskontrolle überaus wichtig. Erfaßt sie konglomerate Zusammenschlüsse nicht oder nicht gleichmäßig oder nicht i m richtigen Ausmaß, dann hat sie ihr Ziel verfehlt und nur die Richtung der Konzentrationsbewegung verschoben. Sie w i r d sich dann als wichtigster Förderer der Konglomeration entpuppen und als zusätzliches Konglomerationsmotiv die schon bestehende Entwicklung verschärfen.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle I. Die Entwicklung zur heutigen Fusionskontrolle 1. Die Notwendigkeit der historischen Betrachtung Die deutsche Fusionskontrolle richtet sich grundsätzlich gegen alle Arten der Konzentration 1 . Dennoch ergibt sich aus den §§ 24, 22 GWB nicht eindeutig, i n welchem Ausmaß jeder einzelne Konzentrationstyp erfaßt wird. Hauptansatzpunkte für die entsprechende Auslegung sind Wortlaut und Bedeutungszusammenhang des Gesetzes2. Sie stellen die Grundlage der folgenden Untersuchung dar. Neben den objektiven Kriterien soll aber auch der subjektive Wille des Gesetzgebers erforscht werden 3 , denn er vermittelt bei neuen Rechtsnormen am ehesten die Möglichkeit, Ziel und Zweck einer Bestimmung zu erfassen 4. Dementsprechend ist bei der Auslegung auch die historische Entwicklung der Fusionskontrolle zu beachten 5 , d. h. es muß auf vor-gesetzliche Ansichten Rückgriff genommen werden, weil sie letztendlich die heutige Gesetzesformulierung bestimmt haben 6 . Nur auf diese 1 RegE GWB, Begr. S. 30; Bundesregierung, Jahreswirtschaftsbericht 1970, Nr. 62, S. 23; Wiss. Beirat, Stellungnahme, S. 1 f. 2 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 301 ff. 3 Z u m Erkenntnisziel der Auslegung u. zum Unterschied von objektiver u n d subjektiver Theorie vgl. Larenz, S. 296 ff. 4 Vgl. ebenda, S. 298: „Der v o n i h r (der objektiven Theorie, d. Verf.) m i t Recht so stark betonte Gesetzeszweck ist doch zunächst einmal der (subjektive) Zweck des historischen Gesetzgebers." 5 Z u r Bedeutung der historischen Betrachtungsweise als Auslegungsmittel vgl. B G H Z 46, 79 f., u n d seine Darstellung der Rechtsprechung. 6 Z u den vor-gesetzlichen Quellen gehören nicht n u r die Gesetzesbegründung u n d eventuelle Sitzungsberichte beratender Kommissionen, sondern die gesamte Entstehungsgeschichte, d. h. auch der vorherige Rechtszustand u n d der Stand der Rechtswissenschaft. Vgl. Larenz, S. 311.

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Weise w i r d die Fusionskontrolle als „geschichtlich gewachsene Erscheinung" begriffen, während eine rein objektive Auslegung — genau wie eine rein subjektive — die Möglichkeiten der Argumentation i n unzulässiger Weise einengen würde. Die vorliegende Untersuchung stellt daher der Textauslegung der §§ 24, 22 GWB eine Darstellung der früheren Gesetzentwürfe und des GWB a. F. voraus. Beides trägt wesentlich zum Verständnis der heutigen Fusionskontrolle bei, da hierdurch eine Entwicklung beschrieben und somit gleichzeitig deren Richtung und deren mögliche Grenzen verdeutlicht werden. 2. Die Entwicklung bis zum Jahre 1965 Die Bemühungen, i n Deutschland eine allgemeine Konzentrationskontrolle einzuführen, reichen weit zurück. Sie beginnen i m Grunde direkt nach dem Kriege m i t den ersten Entwürfen eines deutschen Kartellgesetzes 7 . Auch i n den „Düsseldorfer Leitsätzen" des Jahres 1949 und dann i m „Berliner Programm" der CDU wurde verlangt, ein Widerspruchsrecht des Kartellamtes gegen die wettbewerbsbeschränkende Konzentration einzuführen 8 . Dementsprechend sahen die Entwürfe der Jahre 19529 und 195510 schon eine präventive Fusionskontrolle vor 1 1 . Da sie monopolistisches Verhalten verhindern sollte 1 2 , wurde an eine Kontrolle der Konglomeration aber nicht gedacht. Die Entwürfe gingen vielmehr — wie die heutige Fusionskontrolle — von dem Merkmal der Marktbeherrschung aus, wobei maßgebliche Kriterien die Größe des Marktanteils und die jeweils gegenüberstehende Konkurrenz waren 1 8 . Dieses Merkmal war auch i n dem seit 1957 geltenden GWB a. F. von entscheidender Bedeutung. Zwar hatte sich der Gesetzgeber zu einer 7

1949 der unter F ü h r u n g v o n Dr. Paul Josten verfaßte E n t w u r f , außerdem der E n t w u r f des späteren Kartellamtspräsidenten Dr. Günther. Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaftspolitik, Bericht über den E n t w u r f des GWB, Begr. S. 3 ff. β Vgl. F A Z Nr. 25 v. 30.1.1973, S. 13. 9 E n t w u r f eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 1/3462. i® E n t w u r f eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 11/1158. 11 § 18: „(1) Der Zusammenschluß v o n zwei oder mehreren Unternehmen bedarf der Erlaubnis der Kartellbehörde, sofern er zur Folge haben würde, daß die zusammengeschlossenen Unternehmen i n einem nicht n u r örtlich begrenzten Gebiet f ü r eine bestimmte A r t von Waren oder gewerblichen Leistungen die Stellung eines marktbeherrschenden Unternehmens i m Sinne des § 17 Abs. 1 erlangen würden." 12 BT-Drs. 1/3462, Begr. zu § 17, S. 33, u n d Begr. S. 20. i* BT-Drs. 1/3462, Begr. zu § 18, S. 34.

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Fusionskontrolle nicht durchringen können 1 4 , er wollte aber durch die i n § 22 Abs. 4 geregelte Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zumindest die schädlichen Auswirkungen der Konzentration beseitigen 15 . Infolge der sehr engen Definition der Marktbeherrschung und ihrer äußerst restriktiven Auslegung durch die Mosaiktheorie war die W i r k u n g allerdings gering 1 6 . Konglomerate ohne hohen Marktanteil konnten nie als marktbeherrschend angesehen werden. Sie wurden auch von der Anzeigepflicht des § 23 GWB a. F. nicht betroffen. Da diese Vorschrift auf dem K r i t e r i u m des Marktanteils aufbaute, erfaßte sie konglomerate Zusammenschlüsse nur dann, wenn eines der beteiligten Unternehmen schon vorher 20 °/o Marktanteil oder mehr besaß 17 . Praktisch wurde also nur eine Verbindung ohnehin „marktbeherrschender" Unternehmen m i t Unternehmen anderer Märkte betrachtet 18 . Auch der i n der folgenden Legislaturperiode eingebrachte Antrag der SPD-Fraktion zur Änderung des GWB enthielt insoweit keine Neuerung 1 9 . Er sah zwar eine Fusionskontrolle vor, allerdings m i t den gleichen Kriterien wie die Entwürfe von 1952 und 1955, also nicht bei Konglomeraten. Erst m i t der Konzentrationsenquete und ihren Ergebnissen 20 zeigte sich ein echter Ansatz zur Erfassung konglomerater Zusammenschlüsse. Hier wurde erkannt, daß sie allein durch den Marktanteil nicht zu erfassen sind, daß vielmehr Finanzkraft und Betätigung i n anderen Märkten mitberücksichtigt werden müssen 21 . Dies wirkte sich i m nächsten Fusionskontrollentwurf der SPD-Fraktion aus 22 . Obwohl auch er von der Notwendigkeit einer marktbeherrschenden Stellung ausging, Schloß er — anders als seine Vorgänger — 14 Der Ausschuß f ü r Wirtschaftspolitik fürchtete, „daß die Einführung einer solchen Erlaubnispflicht möglicherweise die v o m volkswirtschaftlichen Standpunkt aus begrüßenswerte Tendenz zur optimalen Betriebsgröße an ihrer vollen Entfaltung hindern könne". Bericht über den E n t w u r f eines GWB, Begr. zu § 18, S. 27. 15 Vgl. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1969, S. 10; C.P.C., Monopole u n d das öffentliche Interesse, S. 80. 16 Vgl. Bundesregierung, Bericht zur Änderung des GWB, S. 63; Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 5; Ausschuß f ü r Wirtschaft, V I . Wahlper., 66. Sitzung, S. 5. 17 B G H , Beschluß v o m 1.10.1970, K V R 2/70; vgl. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1970, S. 25. is Tetzner, Kartellrecht, S. 160. i® E n t w u r f eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, B T - D r s . III/2293. 20 Bundesamt f ü r gewerbliche Wirtschaft, Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration i n der Wirtschaft, BT-Drs. IV/2320. 2 1 Ebenda, Anlageband, S. 745. 22 BT-Drs. IV/2337.

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aus der Möglichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung auf ein Vorliegen der Marktbeherrschung 23 . Daher hätten auch Konglomerate untersagt werden können. Bei der folgenden Kartellgesetzsnovelle des Jahres 1965 wurde allerdings weder die Fusionskontrolle eingeführt noch die enge Marktbeherrschungsdefinition verändert 2 4 . Es zeigte sich vielmehr — wie schon 1957 — eine sehr große Vorsicht des Gesetzgebers, die die ohnehin starke Zurückhaltung der Entwurfverfasser gegenüber Konglomeraten noch bei weitem übertraf 2 5 . Insgesamt läßt sich feststellen, daß sowohl die Vorschriften des GWB a. F. als auch alle Entwürfe der Fusionskontrolle auf dem Merkmal der Marktbeherrschung basieren. Es wurde — außer bei dem letzten SPDEntwurf — sehr eng definiert und m i t der Frage des Marktanteils verbunden. Dementsprechend sah letztlich nur der SPD-Entwurf eine gewisse Abkehr vom reinen Marktanteilsdenken und damit die Möglichkeit einer Erfassung koglomerater Zusammenschlüsse vor. 3. Der erste Referentenentwurf I n den Jahren nach 1965 verstärkte sich der Wille, sowohl konkret an der Fusionskontrolle zu arbeiten als auch ihre Kriterien den tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten der Einfiußnahme anzupassen 26 . Gleichzeitig setzte sich der Gedanke durch, daß die Fusionskontrolle alle Unternehmenszusammenschlüsse, also horizontale, vertikale und konglomerate, erfassen müsse 27 . Die daraus folgenden Bemühungen nahmen am 20. März 1970 m i t dem ersten Referentenentwurf Gestalt an 2 8 . I n § 24 und § 24 a war die Fusionskontrolle vorgesehen 29 , die vom Bundesminister für Wirtschaft 23 §22 Abs. 1: „Soweit ein Unternehmen für eine bestimmte A r t von Waren oder gewerblichen Leistungen keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist, oder soweit es i n der Lage ist, die Gestaltung des Angebots, der Nachfrage oder der Preise auf einem bestimmten M a r k t wesentlich zu beeinflussen, ist es marktbeherrschend i m Sinne dieses Gesetzes." 24 Vgl. die K r i t i k v o n Raisch, Methodische Bedenken, S. 625; vgl. auch Sandrock, Kritische Bemerkungen zum E n t w u r f f ü r die zweite K a r t e l l gesetzesnovelle, S. 215, A n m . 53. 25 Z u r Bedeutung des Unterschiedes i n den Ansichten von Gesetzgeber u n d Entwurfverfasser f ü r die Auslegung eines Gesetzes vgl. Larenz, S. 308 ff. 26 Vgl. Wiss. Beirat, Stellungnahme, S. 3; vgl. auch Sandrock, Kritische Bemerkungen, S. 216. 27 Wiss. Beirat, Stellungnahme, S. 1 u n d 2; Bundesregierung, Jahreswirtschaftsbericht 1970, S. 23. 28 Der Bundesminister f ü r Wirtschaft, Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (im folgenden 1. RefE GWB). 29 § 24 bezog sich auf die nachträgliche Auflösung, § 24 a auf die A n ordnung der Unterlassung des Zusammenschlusses bei vorheriger Anmeldung.

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durchgeführt werden sollte und die Konglomerate gleich mehrfach erfaßt hätte. Die schnellste und eindeutigste Möglichkeit einer Kontrolle war m i t § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 c gegeben. Diese Vorschrift wandte sich direkt gegen Konglomerate 3 0 und bestimmte, daß eine Verbindung von Großunternehmen m i t mindestens 10 000 Beschäftigten oder einer Milliarde D M Umsatz m i t anderen Unternehmen, die auf einem anderen Markt einen Anteil von 40 °/o besäßen, aufgelöst werden könnte. „Der Entwurf knüpft(e) daher an eine Kombination von absoluter Größe und Marktanteil an 3 1 ." Er wollte große Unternehmen daran hindern, sich durch „diagonalen (konglomeraten) Zusammenschluß m i t Unternehmen, die bereits einen Marktanteil von 40 vom Hundert oder mehr haben, i n deren M a r k t ,einzukaufen 4 " 3 2 . Gleichzeitig Schloß er jedoch durch seine Formulierung die Verbindung absolut großer Konzerne m i t relativ kleinen Unternehmen ausdrücklich von der Kontrolle aus. Der hier interessierende Typ des nicht marktanteilsstarken Konglomerats wäre deshalb durch diese Norm nicht erfaßt worden. Bei einem solchen Sachverhalt hätte jedoch die Vorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 eingreifen können 3 3 . M i t ihrer ersten Alternative machte sie die Auflösung eines Zusammenschlusses abhängig von dem Entstehen oder der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Damit ging sie von dem gleichen Merkmal aus wie vorher schon das GWB i m Anhörungsverfahren über einen Unternehmenszusammenschluß nach § 24 und wie die Mißbrauchsaufsicht nach § 22 Abs. 4. Sie behielt auch deren alte Marktbeherrschungsdefinition i m wesentlichen bei 3 4 , so daß m i t diesem Begriff die schon bestehenden Schwierigkeiten der praktischen Durchführung übernommen worden wären. Die enge 80 „ . . . 2. w e n n ein beteiligtes Unternehmen zu einem Z e i t p u n k t innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Zusammenschluß mindestens 10 000 Beschäftigte oder i n dem letzten v o r dem Zusammenschluß endenden Geschäftsj a h r Umsatzerlöse von mindestens 1 M i l l i a r d e Deutscher M a r k hatte u n d . . . c) ein anderes beteiligtes Unternehmen für eine andere A r t v o n Waren oder gewerblichen Leistungen einen M a r k t a n t e i l v o n mindestens 40 v o m Hundert hat." si 1. RefE GWB, Begr. zu § 24, S. 92. 32 Begr. zu § 24, S. 93. 33 1. w e n n durch den Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stell u n g i m Sinne des § 22 Abs. 1 oder 2 entsteht oder verstärkt w i r d oder auf andere Weise die Voraussetzungen für einen wesentlichen Wettbewerb beseitigt werden . . . " 34 I n § 22 sollte als Abs. 1 Satz 2 eingefügt werden: „ E i n Unternehmen ist insbesondere marktbeherrschend i m Sinne des Satzes 1, soweit es die E r zeugung oder die Marktverhältnisse für eine bestimmte A r t von Waren oder gewerblichen Leistungen beeinflussen kann, ohne auf Wettbewerber wesentlich Rücksicht nehmen zu müssen." Allerdings w i r d i n der Begründung wieder von der Marktbeherrschung als dem Fehlen wesentlichen Wettbewerbs gesprochen. Vgl. Begr. zu §24, S. 94.

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Auslegung hätte nicht nur ganz allgemein eine Anwendung erschwert 36 , sie hätte sie für Konglomerate sogar unmöglich gemacht 36 . Aus diesem Grunde sah § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ein zweites Eingriffskriterium vor, das direkt auf die konglomerate Konzentration zielte 37 . Es forderte statt der Marktbeherrschung eine Beseitigung der Voraussetzungen für einen wesentlichen Wettbewerb auf andere Weise 38 und erkannte damit an, daß die durch den Zusammenschluß entstehende Unternehmensmacht nicht nur aus der Stellung auf einem Markt, sondern auch auf mehreren herrühren kann. Allerdings zeigt die bisherige restriktive Rechtsprechungspraxis m i t ihrer für die Feststellung fehlenden Wettbewerbs akzeptierten Mosaiktheorie 39 , daß diese Vorschrift eng ausgelegt werden muß 4 0 . Wegen der Eigenarten des Zusammenschlusses marktanteilsschwacher Unternehmen hätte deshalb bei Konglomerationen ohne hohe Marktanteile eine Beseitigung der Voraussetzungen wirksamen Wettbewerbs nicht festgestellt werden können 4 1 . Eine mögliche starke Beeinträchtigung aber hätte, wenn sie nachgewiesen worden wäre, nicht ausgereicht, u m ein derartiges Konglomerat aufzulösen 42 . Auch aus der Begründung des Entwurfs ergibt sich, daß bei der zweiten Alternative von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. RefE GWB nur an den Fall gedacht war, wo eine „bereits vorhandene starke Stellung auf einem bestimmten M a r k t auch ohne Erhöhung dieses Marktanteils weiter verstärkt w i r d " 4 3 . Die interessantere Möglichkeit eines konglomeraten Zusammenschlusses ohne hohen Marktanteil und ohne bereits vorhandene starke Marktstellung sollte demnach nicht erfaßt werden. Daraus folgt, daß beide auf Konglomerationen zielenden Tatbestände des §24 Abs. 1 l . R e f E GWB von der gleichen Grundlage ausgingen, wobei Satz 1 Nr. 2 c gegenüber Satz 1 Nr. 1 nur dadurch eine Anwendungserleichterung brachte, daß er sowohl für die Größe als auch für den Marktanteil einen festen Rahmen setzte. Der 1. RefE GWB sah i n jedem Fall eine Einzelmarktbetrachtung vor, wobei er für die 35 Vgl. zu den Schwierigkeiten: Bundesregierung, Bericht zur Änderung des GWB, S. 63; Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 5. »6 Vgl. Sandrock, Keine wirksame Konzentrationskontrolle, S. 19. 37 l . R e f E GWB, Begr. zu §24, S.91 u n d 93. 38 Die Formulierung erinnert an die amerikanische Regelung i n See. 7 Clayton A c t : " . . . may be substantially to lessen.competition . . . " 3® Vgl. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1971, S. 11; vgl. auch unten I I . 2.b). 40 Vgl. Petry, S. 560. 41 Mestmäcker, Konzentration u n d Wettbewerb, S. 15. Nach K a r t t e S. 109, zielt diese Vorschrift auf eine „Häufung marktstarker Positionen auf einer Reihe v o n interdependenten Märkten." 42 Mestmäcker, Konzentration und Wettbewerb, S. 15; Petry, S. 560, 4 3 l . R e f E GWB, Begr. zu §24, S. 94 (Hervorhebung v o n mir).

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Auflösung von Konglomeraten forderte, daß die aus der absoluten Größe des einen Unternehmens stammende Stärke die starke Machtstellung des anderen Unternehmens erhöhte, die schon vor dem Zusammenschluß bestanden hatte 4 4 . A u f marktanteilsschwache Konglomerate hätte die Fusionskontrolle nicht angewandt werden können. I L Das Konglomerat im geltenden Recht 1. Der zweite Referentenentwurf, der Regierungsentwurf und die endgültige Formulierung des Gesetzes Als Folge der K r i t i k gegenüber dem l . R e f E GWB entstand beim Bundeswirtschaftsministerium am 28.10.1970 eine überarbeitete Fassung 45 , die zur Grundlage des heutigen Gesetzes wurde. Aus ihr entwickelte sich i n einem offenen Verfahren unter Anhörung von Sachverständigen 46 ein Regierungsentwurf 47 , der nach der Bundestagswahl 1972 i n unveränderter Form als SPD-FDP-Entwurf wieder eingebracht 4 8 , vomBundestag aber auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht verabschiedet wurde. Erst nach erneuter Änderung durch den Ausschuß für Wirtschaft entstand die endgültige Formulierung 4 9 , die am 4. 8.1973 i m Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Vergleiche der heutigen Fassung m i t der Fassung des 2. RefE GWB zeigen, daß das Prinzip beibehalten wurde. Die Änderungen der für diese Untersuchung interessanten Bestimmungen sind großenteils redaktioneller A r t . So wurden zur Klarstellung die beiden Alternativen möglicher Marktbeherrschung nebeneinander i n Nr. 1 und 2 des ersten Absatzes aufgeführt 5 0 und die i n ihren Anteilsangaben herabgesetzten Marktbeherrschungsvermutungen 51 wurden, u m die Trennung von den Eingriffskriterien zu verdeutlichen, i n den Abs. 3 verwiesen 62 . 44 Lenders fordert deshalb i n seiner K r i t i k des 1. RefE G W B eine speziell auf Konglomerationen zugeschnittene Vorschrift. Vgl. Wettbewerb u n d Unternehmerinitiative, S. 15. 45 Der Bundesminister f ü r Wirtschaft, Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen — überarbeitete Fassung — (im folgenden: 2. RefE GWB). 4β Ausschuß f ü r Wirtschaft, öffentliche Anhörung v o n Sachverständigen zu dem E n t w u r f eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, V I . Wahlperiode, 53. u n d 54. Sitzung (im folgenden: Sachverständigenanhörung). 47 BRats-Drs. 265/71 (im folgenden: RegE GWB). 48 BT-Drs. 7/76. 4 ® Ausschuß f ü r Wirtschaft, A n t r a g zu dem v o n den Fraktionen der SPD, F D P eingebrachten E n t w u r f eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 7/696. 50 Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6. 51 F ü r einen Marktbeherrscher w u r d e der maßgebliche M a r k t a n t e i l von

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Außerdem wurde i n § 24 Abs. 1 eine Abwägungsklausel eingeführt, die es ermöglicht, grundsätzlich zu untersagende Zusammenschlüsse zuzulassen, wenn die Unternehmen nachweisen, daß Wettbewerbsverbesserungen die entstehenden Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen 53 . Noch i m RegE GWB war statt dessen die sogenannte „WirzSchaukel" 54 vorgesehen, die es erstens genügen ließ, wenn die Nachteile der Marktbeherrschung aufgewogen wurden, und die zweitens eine Beweislastverschiebung nicht ausdrücklich formulierte 5 5 . Insgesamt sind diese Änderungen für die Fusionskontrolle bei Konglomeraten unbedeutend und werden deren Auswirkungen kaum beeinflussen. Deshalb ist es möglich, i m Rahmen der Gesetzesauslegung den zweiten Referentenentwurf, den Regierungsentwurf und das Gesetz gemeinsam zu untersuchen, u m m i t ihnen die Intention des Gesetzgebers zu verdeutlichen 56 . 2. Die überragende Marktstellung als neue Form der Marktbeherrschung a) Die Marktbeherrschung

als Grundlage

der Fusionskontrolle

M i t dem 2. RefE GWB verlassen die Entwürfe i n ihrer Formulierung die Richtung, die der l . R e f E GWB gegenüber Konglomeraten zunächst eingeschlagen hatte. Er war m i t dem Merkmal der Beseitigung der Voraussetzungen für einen wesentlichen Wettbewerb — zumindest dem reinen Wortsinn nach — von dem Prinzip der Kontrolle einer Marktbeherrschung abgegangen 57 . Das Gesetz greift nun i n § 24 wieder 40 °/o auf 33 1/3 °/o gesenkt u n d f ü r das marktbeherrschende Oligopol w u r d e n auch Marktanteilsvermutungen eingeführt. Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlperiode, 5. Sitzung, S. 5 f. 62 Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6. ß» Vgl. hierzu Rohling, Die Fusionskontrolle nach dem neuen K a r t e l l gesetz, S. 1590. Vgl. dazu Wirz, Einige Bemerkungen zur Fusionskontrolle, S. 2541; Schmidt, Beseitigung des Ungleichgewichts, S. 219; ders., Wettbewerbspolitik, S. 352. 56 § 24 Abs. 1 G W B n. F. formuliert ausdrücklich: „ . . . es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach, daß . . . " D a m i t soll außer der Beweislast w o h l auch die Beweisführungslast bei den Unternehmen liegen. So: Rohling, S. 1590. Z u r Frage der Verwendung solcher Elemente der Dispositionsmaxime vgl. insb. Baur, Rechtliche Fragen der Marktbeherrschung, S. 917; vgl. auch unten C. I I . 4. Z u r Möglichkeit, frühere Entwürfe u n d deren Begründung sowie rechtspolitische Äußerungen vor, während u n d nach dem Gesetzgebungsverfahren f ü r die Feststellung des Rechtsgedankens eines Gesetzes heranzuziehen, vgl. Raisch, Z u den grundsätzlichen Aufgaben der Rechtswissenschaft, S. 502, 504; vgl. auch Rauschenbach, Die Hauptprobleme der Kartellnovelle, S. 1858, der meint, daß die Ausschußberichte „ f ü r die A n wendungspraxis . . . fast so interessant sein (dürften) w i e der Gesetzestext selbst". 57 § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. RefE G W B ; vgl. dazu oben C. 1.3.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

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auf die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung als einzigem Untersagungskriterium zurück 58 . Daraus läßt sich deutlich erkennen, daß die dem Konglomerat Konzentrationstyp widersprechende Einzelmarktbetrachtung nicht beibehalten werden soll, sie w i r d i m Verhältnis zum l . R e f E GWB gar betont 5 9 . Der eine Ansatz für eine denkbare Änderung der trachtungsrichtung wurde gestrichen, so daß sich die Möglichkeiten Einwirkung auf Konglomerate verringert haben 60 .

als nur soBeder

Heute n i m m t der Begriff der Marktbeherrschung i n der Fusionskontrolle eine Schlüsselposition ein 6 1 . Grundsätzlich bezeichnet er die Stellung eines Unternehmens auf dem M a r k t 6 2 , und drückt daher nicht die eigentlich bei Konglomeraten gefürchtete absolute Größe aus 63 . Als Anknüpfungspunkt wettbewerbspolitischer Maßnahmen beruht er vielmehr auf der Vorstellung, „daß es das Monopol und die dem Monopol sich nähernden Marktstellungen sind, die . . . der Überwachung bedürfen" 6 4 . Darauf wurde auch i n den Beratungen des Wirtschaftsausschusses hingewiesen 65 . A u f dieser „Assoziierung des Monopolphänomens" 66 beruht die Schwierigkeit, die bisher bei der Anwendung des Begriffs „Marktbeherrschung" zu verzeichnen war. Schon 1929 war dieses Merkmal bei der Beurteilung von Kartellen umstritten, und Isay / Nipperdey forderten den Austausch gegen die Bezeichnung „Marktbeeinflussung" 67 . Dennoch wurde es ins GWB eingeführt und i n § 22 m i t „keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt" definiert. 68 „ I s t zu erwarten, daß durch einen Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung entsteht, oder verstärkt w i r d , . . 5» Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, V I . Wahlper., 67. Sitzung, S. 5; RegE GWB, Begr. S. 29, 30: „Der Begriff Marktbeherrschung hebt also i m m e r auf einen bestimmten M a r k t ab." 60 Vgl. v a n Delden u n d Peschel, i n : Ausschuß für Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 53/59, 60. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 351 f., ist der Ansicht, daß sich die Eingriffskriterien gegenüber dem 1. RefE G W B a l l gemein verschlechtert haben. ei Baur, S. 915; Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff nach § 22 GWB, S. 46: „Die Fusionskontrolle steht u n d f ä l l t m i t der Entscheidung über die M a r k t beherrschung." 62 Decker, Bedürfen die Vorschriften des 3. Abschnittes des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über „Marktbeherrschende Unternehmen" (§§ 22 - 24 GWB) einer Novellierung? S. 118. es Bundesregierung, Bericht über Änderungen des Gesetzes gegen W e t t bewerbsbeschränkungen, S. 59. 64 Bundesregierung, Stellungnahme zur Konzentrationsenquete, S. 94, u n d Bericht zur Änderung des GWB, S. 68. es v g l . Heuß, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/11. 66 Ebenda; ebenso Möschel, Der Oligopolmißbrauch i m Recht der W e t t bewerbsbeschränkungen, S. 168. 67 Isay / Nipperdey, Die Reform des Kartellrechts, S. 37 f.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Der Begriff erwies sich jedoch als nicht praktikabel, da sich Marktbeherrschungen zumeist nicht feststellen ließen 88 . Deshalb wurde wiederholt, auch von der Bundesregierung darauf hingewiesen, daß der „Anknüpfungspunkt Marktbeherrschung" viel zu hoch sei 69 , und daß er insbesondere eine Erfassung der unterhalb dieser Schwelle operierenden Konglomerate unmöglich mache 70 . Auch aus den Erfahrungen m i t § 6 b EStG 7 1 ergab sich, daß eine Verwendung dieses Begriffes nicht zu empfehlen wäre, da ansonsten die Fusionskontrolle „aller Wahrscheinlichkeit nach wirkungslos sein" würde 7 2 . Insgesamt gesehen bestand daher Einigkeit, daß das Erfordernis der Marktbeherrschung insbesondere wegen der bisherigen engen Auslegung zu ungünstigen Auswirkungen führen mußte 7 3 . b) Das Verhältnis von Marktbeherrschung und überragender Marktstellung Der Gesetzgeber hielt trotz allem i n §24 GWB an der Marktbeherrschung als Voraussetzung der Untersagung eines Zusammenschlusses fest. Dabei wurde zwar die Definition geändert und die überragende Marktstellung als neue Form der Marktbeherrschung i n das Gesetz aufgenommen, gleichzeitig wurde aber betont, daß dies keine Erweiterung sein solle 74 . Es sei vielmehr nur eine Konkretisierung des unpraktikablen Begriffs beabsichtigt 75 . Teilweise wurde sogar darauf 68 Bundesregierung, Bericht zur Ä n d e r i m g des GWB, S. 63; Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 5; Ausschuß f ü r Wirtschaft, V I . Wahlperiode, 66. Sitzung, S.5. β» Bundesregierung, Bericht zur Änderung des GWB, S. 67, u n d Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht des B K a r t A , 1967, S. 3; Sandrode, Keine w i r k same Konzentrationskontrolle, S. 19; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 349 f. 70 M a r k e r t betont dies als Erfahrung aus zwei Jahren Fusionskontrolle, vgl. F A Z Nr. 133 v. 12.6.1975, S. 8; ebenso Sandrock, Keine wirksame Konzentrationskontrolle, S. 19; vgl. a u d i Schmidt, Beseitigung des U n gleichgewichts, S. 214 f. 71 § 6 b EStG bestimmt, daß der beim Verkauf v o n Anteilen an K a p i t a l gesellschaften entstandene Gewinn v o n den Kosten f ü r den E r w e r b v o n A n t e i l e n an Kapitalgesellschaften abgezogen werden kann, sofern der E r w e r b unter Berücksichtigung der Veräußerung volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist. Das Bundeskartellamt gibt dabei gutachtliche Stellungnahmen zu den wettbewerblichen Gesichtspunkten ab. 72 Ebel, Fusionskontrolle — kein Neuland, S. 366; so auch Schmidt, Beseitigung des Ungleichgewichts, S. 219. 73 Vgl. Stellungnahme der A S U zu den Änderungsvorschlägen des B M W v o m 15.1. 70, abgedr. bei Raisch / Sölter / Kartte, Fusionskontrolle — F ü r u n d Wider, S. 201; vgl. auch Sölter, Das Mischunternehmen, S. 188 f. 74 Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, V I . Wahlper., 66. Sitzung, S. 5, u n d 62. Sitzung, S. 6; Manager-Magazin, A p r i l 1973, S. 5; vgl. auch die Arbeitsunterlage des B M W F , „Problemkatalog zur Beratung der §§22 bis 24 b der K a r t e l l novelle" v. 28. 2. 72, S. 1 (im folgenden: B M W F , Problemkatalog). 75 Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 5; Manager-Magazin, A p r ü 1973, S.5.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

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hingewiesen, daß die neue Definition auch eine Einschränkung sei und Wege aufzeige, sich von der Vermutung der Marktbeherrschung frei zu machen 76 . Wollte man diesen Darstellungen folgen, so hätte sich an der Definition des Begriffs ..Marktbeherrschung" nichts geändert, außer daß er jetzt nicht nur negativ als Fehlen wesentlichen Wettbewerbs umschrieben wäre, sondern auch positiv als „überragende Marktstellung" 7 7 . Demgemäß wäre seine Anwendung befreit von der Schwierigkeit, die Mosaiktheorie benutzen zu müssen 78 , dabei alle nur denkbaren Formen des Wettbewerbs auf ihr Vorhandensein durchzuprüfen und i m Endeffekt doch durch Wettbewerbsspuren i n irgendeinem Bereich des Marktes eine Beherrschung nicht nachweisen zu können 7 9 . Der neue Begriff der „überragenden Marktstellung", der eigentlich nur das Merkmal „keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt" verdeutlichen soll 8 0 , ist aber gekennzeichnet durch eine einseitige Verteilung der Einflußmöglichkeiten 81 . Damit genügen für seine Ausfüllung schon Vorsprünge, die einem Unternehmen i m Wettbewerb eine gewisse Unabhängigkeit beim Einsatz seiner Aktionsparameter verleihen 8 2 . Er erfaßt also auch Unternehmen, die i m Sinne der bisherigen Definition noch einem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind 8 3 , und geht somit über den alten Marktbeherrschungsbegriff hinaus 8 4 . Das hat zur Folge, daß die „überragende Marktstellung" keine Konkretisierung der Marktbeherrschung mehr ist, sondern ein zusätzlicher, verschärfender Tatbestand 85 . 7 « Vgl. Peschel, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 53/43. 77 Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 5; derselbe, V I . Wahlper., 66. Sitzung, S. 5, u n d 7. Wahlper., 4. Sitzung, S. 15; Manager-Magazin, A p r i l 1973, S. 19; Knöpfte, Die marktbeherrschende Stellung nach der Neufassung des GWB, S. 1181, h ä l t dies nicht f ü r möglich, da die entscheidende Frage der Entmachtung des Unternehmens durch Wettbewerb nicht umgangen werden könne. 78 Vgl. dazu Baur, Rechtliche Fragen der Marktbeherrschung, S. 916. 7» Vgl. B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1970, S. 11; Ausschuß f ü r Wirtschaft, V I . Wahlper., 62. Sitzung, S.6; B M W F , Problemkatalog, S. 3; Kirschstein, Marktmacht u n d ihre Kontrolle, S. 39 f. Z u r dadurch erfolgenden Bevorzugung weitgestreuter Konglomerate gegenüber absolut kleineren Unternehmen auf spezialisierten M ä r k t e n vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 223 f. m i t Hinweisen auf Barnickel, Abuse of Power b y Dominant Firms, S. 228 ff., u n d Edwards, The Changing Dimensions of Business Power, S. 237 ff. so 2. RefE GWB, Begr. S. 79. 81 RegE GWB, Begr. S. 22. 82 Vgl. 2. RefE GWB, Begr. S. 80. 83 So: B M W F , Problemkatalog, S. 2; Kirschstein, S. 80. So auch Möschel, S. 169; Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff, S. 56: „Jede erkennbare Hemmung der Wettbewerber w ü r d e ausreichen . .

β Emrlch

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Es fragt sich, i n welchem Verhältnis dieser neue Tatbestand zu der anderen Alternative der Marktbeherrschung steht. Betrachtet man das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs als schwere und die überragende Marktstellung als leichtere Form einer Marktbeherrschung 86 , dann ist die erste Alternative sinnlos, da sie ohnehin von der zweiten m i t umfaßt w i r d 8 7 . Baur versucht deshalb, dem § 22 GWB eine neue Gesamtkonzeption zu unterstellen. Er sieht i n dem Fehlen wesentlichen Wettbewerbs eine Lage, „ i n der es dem geschützten Personenkreis nicht möglich ist, sich den als mißbräuchlich zu bewertenden Aktionen eines oder mehrerer Unternehmen zu entziehen", während er als überragende Marktstellung bezeichnet „den Vorsprung eines Unternehmens . . . , der wettbewerbliche Tätigkeit von Newcomers und Außenseitern als wenig wahrscheinlich, weil wenig erfolgversprechend erscheinen läßt . . ." 8 8 . Dies bedeutet, daß Baur bei der ersten Alternative aus der Tatsache mißbräuchlicher Maßnahmen auf eine Marktbeherrschung schließen w i l l 8 9 , und i m zweiten Fall aus dem Vorhandensein großer Marktstärke. Eine derartige Unterscheidung befriedigt allerdings nicht. Sie läßt keinen Grund erkennen, warum aus der Möglichkeit eines Mißbrauchs zwar auf eine Marktbeherrschung, nicht aber auf einen großen Verhaltensspielraum, und das heißt: auf eine überragende Marktstellung 9 0 , geschlossen werden könnte. Demnach w i r d auch bei dieser Auslegung die erste Alternative von der zweiten m i t umfaßt. Eine andere Unterteilung nimmt Knöpfle vor 9 1 . Seiner Meinung nach umschreibt § 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB eine Machtposition gegenüber den jeweiligen Marktpartnern, während die Kriterien der Nr. 2 teilweise auf die Position gegenüber den Partnern, teilweise auf die Macht gegenüber den Konkurrenten zielen 92 . Soweit sie die Beziehung zu den 85 Vgl. Gleiss / Bechtold, Das neue Kartellgesetz, S. 1146; Stellungnahme des D I H T , vgl. Bericht der F A Z v. 18.12.70; Ebel, Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 1580. 8 6 So ergibt es sich beispielsweise aus den Gesetzesbegründungen. Vgl. oben, insb. A n m . 82 u n d 83. 87 So m i t Recht: Baur, Rechtliche Fragen der Marktbeherrschung, S. 919. 88 Ebenda, S. 920. 89 So, w e n n auch n u r indirekt, i n den v o n Baur als Beispiel angegebenen Fällen. Vgl. Registrierkassen-Entscheidung, W u W / E B G H 1238 ff.; Sportartikelmesse-Fall, Β G H Z 52, 65; Handpreisauszeichner-Fall, K G , W u W / E O L G 995 ff. 90 Vgl. RegE GWB, Begr. S. 21. Vgl. zu diesem Rückschluß (Marktverhaltenstest) auch Ebel, Novellierung des GWB, S. 1581. 9 * Knöpfle, Die marktbeherrschende Stellung, S. 1177 ff. 92 Schranken f ü r den M a r k t z u t r i t t beseitigen den potentiellen Wettbewerb u n d begründen eine Machtposition gegenüber Marktpartnern, hohe M a r k t anteile geben ein Indiz dafür. Die Finanzkraft, der Zugang zu Beschaffungs-

C. Das Konglomerat i n der deutschen Fusionskontrolle

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P a r t n e r n b e t r e f f e n , s i n d sie, nach K n ö p f le, schon i n N r . 1 z u p r ü f e n 9 3 u n d i n s o w e i t sinnlos, w ä h r e n d K r i t e r i e n , d i e das V e r h ä l t n i s z u r K o n k u r r e n z b e t r e f f e n , d e r S y s t e m a t i k des § 22 G W B w i d e r s p r e c h e n u n d w e g e n d e r sich daraus e r g e b e n d e n w i l l k ü r l i c h e n U n g l e i c h b e h a n d l u n g gegen A r t . 3 A b s . 1 G G v e r s t o ß e n 9 4 . B e i dieser A u s l e g u n g w i r d jedoch übersehen, daß d i e M a c h t gegenü b e r d e n K o n k u r r e n t e n eine Z w i s c h e n s t u f e a u f d e m W e g z u r M a c h t gegenüber d e n A b n e h m e r n d a r s t e l l t 9 5 . B e t r a c h t e t m a n d a h e r d i e ü b e r ragende M a r k t s t e l l u n g als e i n M i n u s gegenüber d e m f e h l e n d e n W e t t b e w e r b , so erscheinen die K r i t e r i e n n i c h t als s y s t e m w i d r i g 9 6 . Sie s t e l l e n d a n n eine rechtliche E r f a s s u n g a u f n i e d r i g e r e r S t u f e d a r . I n s g e s a m t zeigt sich deshalb, daß das M e r k m a l d e r M a r k t b e h e r r schung v o n d e m n e u e n B e g r i f f d e r ü b e r r a g e n d e n M a r k t s t e l l u n g v o l l a u s g e f ü l l t w i r d , so daß h e u t e M a r k t b e h e r r s c h u n g i m S i n n e v o n M a r k t m a c h t i n t e r p r e t i e r t w e r d e n k a n n 9 7 . Das K r i t e r i u m „ f e h l e n d e r w e s e n t l i c h e r W e t t b e w e r b " i s t d e m g e g e n ü b e r b e g r i f f l i c h enger u n d w i r d v o n der überragenden Marktstellung m i t umfaßt 98. u n d Absatzmärkten u n d die Verflechtung m i t anderen Unternehmen erhöhen jedoch die Wettbewerbsfähigkeit, sie verstärken also den Wettbewerb u n d w i r k e n sich positiv f ü r die M a r k t p a r t n e r aus. Vgl. Knöpfle, Die m a r k t beherrschende Stellung, S. 1178 f. 93 Das ist richtig, jedoch sind die Anforderungen i n Nr. 2 geringer. Vgl. schon oben, insb. A n m . 83 u n d 84. »4 Vgl. Knöpfle, Die marktbeherrschende Stellung, S. 1181: „ W i r d die M i ß brauchsaufsicht an K r i t e r i e n geknüpft, die eine Machtposition gegenüber den Konkurrenten, nicht aber gegenüber den M a r k t p a r t n e r n begründen oder verstärken, so besteht kein Sinnzusammenhang zwischen Tatbestand u n d Rechtsfolge." 95 Knöpfle schreibt auf S. 1180: „Das Unternehmen w ü r d e . . . unter eine Mißbrauchsaufsicht zum Schutze der Verbraucher . . . gestellt, w e i l es die Möglichkeit hat, diesen ein besonders günstiges Angebot zu unterbreiten (oder stark Werbung zu treiben). Das wäre selbstredend sachfremd; . . . " E r übersieht dabei, daß das „günstige" Angebot i n einem Preiskampf auf die Dauer die Auswahlmöglichkeit der Verbraucher vermindern könnte, ohne daß dann eine Eingriffsbefugnis besteht. Vgl. zur „überoptimalen Wettbewerbsintensität": Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 102; vgl. auch RegE GWB, Begr. S. 21, u n d für die wichtige Unterscheidung von „wesentlichem" u n d „ w i r k s a m e m " Wettbewerb: Ebel, Die Novellierung des GWB, S. 1580. 96 Unglücklich ist n u r die Gleichstellung der Begriffe „Marktbeherrschung" u n d „überragende Marktstellung". Der letztere beinhaltet gerade keine Marktbeherrschung i m alten Sinne. 97 Vgl. Sandrock, Die zweite Kartellnovelle, S. 106 f., der deshalb der Formulierung „überragende Marktstellung" zustimmt. Vgl. a u d i Möschel, S. 169, der von einem „Gefährdungssachverhalt" spricht, a. A. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 374: „Das A d j e k t i v »überragend 4 stellt wiederum so hohe Beweisanforderungen an die Kartellbehörde, daß es sich bei der Einführung dieser Legaldefinition n u r u m eine Scheinnovellierung handelt." 9 ® Daß die fehlende L o g i k bei zwei A l t e r n a t i v e n ohne w i r k l i c h e n U n t e r schied nicht gegen diese Auslegung spricht, zeigen die bisherigen Merkmale der Marktbeherrschung — „ohne Wettbewerber" bzw. „Fehlen wesentlichen *

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung c) Die Feststellung der überragenden anhand ihrer Kriterien

Marktstellung

Die neue Definition der Marktbeherrschung legt den Verdacht nahe, daß der Begriff „überragende Marktstellung" i n seiner weiten und unbestimmten Fassung" nur konstruiert wurde, u m den Zusammenschluß zu nicht marktbeherrschenden Unternehmen dennoch als Entstehung einer Marktbeherrschung untersagen zu können 1 0 0 . Dieser Gedanke w i r d verstärkt durch das scheinbare Fehlen einer Beziehung zur Frage des Wettbewerbs 1 0 1 , so daß teilweise gefolgert wurde, das K r i terium der „überragenden Marktstellung" sei m i t einer freien Marktwirtschaft nicht zu vereinbaren 1 0 2 . Ganz abgesehen davon, daß das Fehlen einer Verbindung zum Wettbewerb und das Unterstellen der Großunternehmen unter eigene Rechtsregeln noch nicht als Verstoß gegen die Marktwirtschaft angesehen werden k a n n 1 0 3 und daß das Prinzip wirtschaftlicher Nützlichkeit gerade bei dem „Öffentlichkeitsbezug" großer Unternehmen nicht alleinige Grundlage ihrer Kontrolle sein muß 1 0 4 , zeigt sich schon i m Gesetz die mangelnde Berechtigung dieses Vorwurfs. Das Gesetz erläutert die „überragende Marktstellung" anhand von fünf Kriterien: Marktanteil, Finanzkraft, Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, Verflechtung m i t anderen Unternehmen und tatsächliche und rechtliche Schranken für den M a r k t z u t r i t t 1 0 5 . Diese Kriterien sind der Wettbewerbstheorie entnommen und zeigen damit die Verbindung zwischen der überragenden Marktstellung und möglichen Wettbewerbsbeschränkungen 106 . Sie konnten allerdings nicht selbst i n Wettbewerbs" — bei denen das erste auch i m zweiten enthalten ist. Vgl. Ebel, Novellierung des GWB, S. 1580. »β Deringer, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/35, bezweifelt deshalb die P r a k t i k a b i l i t ä t des Begriffs. Vgl. auch Baur, Rechtliche Fragen der Marktbeherrschung, S. 920; Rittner, Thesen zur K a r t e l l novelle, S. 318. 100 v g l . Hoffmann (DIHT) u n d Lehmann (Bundesverband deutscher B a n ken), i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 53/37 u n d 53/52. 101 Rittner, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/31; vgl. auch Gleiss / Bechtold, S. 1146. 102 vgl. Baur, Rechtliche Fragen, S. 918 (mit Literaturangaben). los Reich, Neue Tendenzen des Wirtschaftsrechts, Fusionskontrolle — I n vestitionskontrolle, S.1454. 104 Raisch, Effektive Fusionskontrolle, S. 24; Ballerstedt, Das Verhältnis von Recht u n d Wirtschaft, S. 45, erklärt sogar, daß Gesichtspunkte gesamtwirtschaftlicher Zweckmäßigkeit „als solche f ü r eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Normierung ungeeignet sind". 105 § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB. loo Baur, Rechtliche Fragen, S. 919; vgl. dazu aber auch Knöpfle, Die marktbeherrschende Stellung, S. 1178 f.; vgl. oben T e i l I , C. I I . 2. b) insb. A n m . 95.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

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die Definition der Marktbeherrschung aufgenommen werden, da ihre Aufzählung nicht vollständig ist und durch weitere Kriterien ergänzt werden kann 1 0 7 . Der nicht sehr glückliche, „schillernde Ausdruck überragende Marktstellung" 1 0 8 ist deshalb nur als Uberbegriff für die wettbewerbspolitischen Kriterien und als Bindeglied zum Merkmal der Marktbeherrschung zu verstehen. Aus dieser Verbindung folgt eine sich gerade für die Beurteilung von Konglomeraten ergebende Schwierigkeit. Die Kriterien — und m i t ihnen der Gedanke der Notwendigkeit einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die die Stellung i m M a r k t bezeichnen 109 — sind insbesondere eingeführt worden, u m auch konglomerate Zusammenschlüsse einer Fusionskontrolle unterziehen zu können 1 1 0 . Schon i m RegE GWB wurde ausgeführt: „(Er) rückt m i t alledem ausdrücklich von der nur horizontalen Betrachtung der Marktbeherrschung ab und bezieht die vertikale und diagonale Konzentration als gleichwertige M i t t e l zur Erlangung oder Verstärkung marktbeherrschender Macht i n die Beurteilung ein 1 1 1 ." Aus dem Begriff der „überragenden Marktstellung" ergibt sich jedoch, daß dieser Tatbestand immer i m Hinblick auf einen bestimmten M a r k t ausgelegt werden muß 1 1 2 . Er setzt voraus, daß die durch den Zusammenschluß gesteigerte Einflußmöglichkeit auf einem speziellen M a r k t feststellbar ist 1 1 3 , und geht damit wie der Marktbeherrschungsbegriff vom Monopolgedanken aus 1 1 4 . Für Konglomerate bedeutet dies, daß zwar das Vorliegen der K r i terien i m Gesamtunternehmen zu untersuchen ist, daß aber die überragende Marktstellung auf dem M a r k t festgestellt werden muß, auf dem sich auch die Auswirkungen des Zusammenschlusses zeigen 115 . 107 Außerdem b e w i r k t die Beschränkung auf wenige K r i t e r i e n eine V e r ringerung der Schwierigkeiten u n d damit eine leichtere Durchführbarkeit von Fusionskontrolle u n d Mißbrauchsaufsicht. Vgl. Baur, Rechtliche Fragen, S. 919. 108 Knöpfle, Die marktbeherrschende Stellung, S. 1177; vgl. auch Schmidt u n d Rittner, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 53/54 u n d 54/31. 109 v g l . Ausschuß f ü r Wirtschaft, V l . W a h l p e r . , 66. Sitzung, S . 7 f . ; B M W I , Tagesnachrichten Nr. 6761 v. 28. 6.1973, S. 3. no B M W I , Tagesnachrichten Nr. 6761 v. 28.6.1973, S. 3. m RegE GWB, Begr. S. 30. H« Gleiss / Bechtold, S. 1146. us RegE GWB, Begr. S. 30 u. 29; Ausschuß f ü r Wirtschaft, V l . W a h l p e r . , 67. Sitzung, S. 5. Wenn Emmerich, S. 116, schreibt, daß sich die überragende Marktstellung nicht mehr auf einen bestimmten M a r k t bezieht, dann drückt er sich damit zumindest sehr mißverständlich aus. 114 Heuß, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/11. 115 So m i t Recht: Reich, S. 1453; Mayer-Wegelin, zu § 22, 1. d.): „Gemeinsam

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Selbst ein Monopolunternehmen könnte also ohne Untersagungsmöglichkeit m i t einem anderen Unternehmen verbunden werden, solange sich auf dessen Markt keine überragende Stellung ergibt 1 1 6 . Allerdings läßt sich die überragende Marktstellung, und das war der maßgebliche Gedanke für die Einführung unterschiedlicher Kriterien, nur i m Rahmen einer Gesamtschau bei Beobachtung aller relevanten Umstände beurteilen 1 1 7 . I n welcher Form diese Gesamtschau erfolgen soll, geht jedoch an keiner Stelle klar aus dem Gesetz hervor 1 1 8 . Der Text scheint zunächst eine Prüfung aller Kriterien zu fordern 1 1 9 . Einmütigkeit herrscht aber insoweit, als kein kumulatives Vorliegen der Kriterien vorausgesetzt w i r d 1 2 0 , denn dieses hätte die Feststellung einer Marktbeherrschung unmöglich gemacht 121 . Ansonsten sind die Meinungen sehr unterschiedlich 122 . I m Ausschuß für Wirtschaft forderte der Abgeordnete Mertes für seine Fraktion, es solle i n das Gesetz aufgenommen werden, daß die Kriterien sowohl einzeln als auch i n ihrem Zusammenhang zu berücksichtigen seien 123 , da schon ein einzelnes K r i t e r i u m für die Feststellung der Marktbeherrschung ausreiche 124 . Obwohl auch die Begründungen des Gesetzes und der Entwürfe immer wieder auf die Bedeutung des einzelnen Kriteriums hinweisen 1 2 5 , läßt sich eine solche Auslegung jedoch m i t dem Gedanken der Gesamtwürdigung nicht vereinbaren 1 2 6 . Deshalb stehen die verschiedenen Versuche einer Erläuterung meist unter dem Motto: Einzeln, aber nicht isoliert 1 2 7 . ist ihnen (den Kriterien, d. Verf.), daß sie sich auf die Stellung i m relevanten M a r k t auswirken müssen. Aber sie brauchen sich nicht daraus herzuleiten." ne N u r w e n n der k a u m denkbare F a l l einträte, daß die beherrschende Stellung des Monopolunternehmens durch die K r a f t des anderen U n t e r nehmens zusätzlich verstärkt würde, ließe sich eine Untersagung begründen. ι " KegE GWB, Begr. S. 22; B M W I , Tagesnachrichten Nr. 6761 v. 28. 6. 73, S. 4; SZ Nr. 25 v. 8. 3.72, S. 25. ne Darauf wies schon i n den Beratungen der Vertreter des B M J hin. Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 9 f. il» Vgl. Reich, S. 1451. 120 RegE GWB, Begr. S. 22; Raisch u n d Kantzenbach, i n : Ausschuß für Wirtschaft, Sachverständigenanhörung; Ausschuß f ü r Wirtschaft, U n t e r richtung, S. 5; derselbe, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 7, 9, 10. 121 Es hätte sich eine neue Mosaiktheorie herausgebildet. Vgl. auch Baur, Rechtliche Fragen, S. 919. 122 Vgl. dazu Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 7 - 12. 123 Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. S i t j u n g , S. 7. 124 E b e n d a , S . 8.

125 Vgl. RegE GWB, Begr. S. 22. 126 v g l . insoweit auch die m i t Recht zweifelnde Bemerkung bei Rinck, Wirtschaftsrecht, Ergänzung zur 3. Aufl., S. 10.

C. Das Konglomerat i n der deutschen Fusionskontrolle

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Das b e d e u t e t einerseits, daß b e i d e r U n t e r s u c h u n g e i n e r ü b e r r a g e n den Stellung grundsätzlich alle K r i t e r i e n geprüft w e r d e n 1 2 8 , wobei nicht n u r die angegebenen, s o n d e r n auch a l l e a n d e r e n die S t e l l u n g i m M a r k t beeinflussenden F a k t o r e n z u b e r ü c k s i c h t i g e n s i n d 1 2 9 — sofern sie n e b e n d e n f o r m u l i e r t e n K r i t e r i e n ü b e r h a u p t eine B e d e u t u n g h a b e n 1 3 0 . A n d e r e r s e i t s k a n n aber v o n diesen u n t e r s u c h t e n K r i t e r i e n u n t e r U m s t ä n d e n e i n einzelnes die ü b e r r a g e n d e M a r k t s t e l l u n g b e g r ü n d e n 1 3 1 , w e n n gerade v o n i h m d e r ü b e r r a g e n d e V e r h a l t e n s s p i e l r a u m g e b i l d e t w i r d . I n diesem F a l l d ü r f e n die r e s t l i c h e n K r i t e r i e n jedoch e i n e r solchen B e u r t e i l u n g n i c h t entgegenstehen, sonst ist d i e ü b e r r a g e n d e S t e l l u n g des U n t e r n e h m e n s n i c h t gesichert u n d k a n n f o l g l i c h n i c h t als Marktbeherrschung gewertet werden 132. Insgesamt besteht d a h e r f ü r d i e K a r t e l l b e h ö r d e d i e N o t w e n d i g k e i t e i n e r recht s c h w i e r i g e n A b w ä g u n g 1 3 3 . K o n k r e t e s l ä ß t sich d e n K r i t e r i e n n i c h t e n t n e h m e n , es besteht v i e l m e h r d e r Z w a n g z u e i n e r g e n a u e n Einzelfallbeurteilung 134.

127 Vgl. RegE GWB, Begr. S. 22; Ausschuß für Wirtschaft, Unterrichtung, S. 5; ders., 7. Wahlper., 5. Sitzung, S . U . *28 Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 5; ders., 7. Wahlper., 5. S i t zung, S. 8, 9, 12. 129 Die angegebenen K r i t e r i e n sind insoweit n u r beispielhaft. Vgl. E m merich, S. 116. Dies ergibt sich aus der Einfügung „insbesondere" i n § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Vgl. dazu Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 10; Mayer-Wegelin, zu §22, ee) S. 49. 130 K a r t t e meint, daß die fünf genannten K r i t e r i e n alle Möglichkeiten umfassen. Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 10. 31 * Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 9; RegE GWB, Begr. S. 22; B M W I , Tagesnachrichten v. 26.6.73, S. 4; Mayer-Wegelin, zu § 22 1. c.). 132 RegE GWB, Begr. S. 22; vgl. auch B M W F , Problemkatalog. 133 Vgl. Monopolkommission, Anwendung u n d Möglichkeiten der M i ß brauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen seit I n k r a f t t r e t e n der Kartellgesetznovelle, S. 26: „ B e i der Feststellung, ob eine marktbeherrschende Stellung vorliegt, zeichnen sich die gleichen Schwierigkeiten ab, w i e sie i m Zusammenhang m i t der Mosaiktheorie entstanden sind, . . . " Vgl. Fack, Das Skelett der Fusionskontrolle: „ . . . lauter unbestimmte Rechtsbegriffe, die die Gerichte endlos beschäftigen werden." Ebenso Hort, M a r k t macht u n d Mißbrauch, S. 15. W e i l eine vorbeugende Fusionskontrolle „nicht i n brauchbare Bestimmungen m i t einem praktikablen Verfahren gekleidet werden kann", hält v. Brunn, F ü r ein besseres Wettbewerbsgesetz, S. 151, ohnehin n u r eine nachträgliche Kontrolle f ü r möglich. 134 Praktisch ist § 22 G W B eine der Normen, von denen Raisch, N o r m qualität, S. 162, sagt, daß „die klassifikatorischen Elemente, der »Kern', außerordentlich klein, der Randbereich aber sehr w e i t u n d i n seiner Grenzziehung unscharf ist".

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T e i l I : Das Konglomerat, Bedeutung u n d rechtliche Erfassung

3. Die Bedeutung des Marktanteils a) Der Gedanke der Ressourcen-Theorie Die Frage der Bedeutung einzelner Kriterien hat für diese Untersuchung besonderes Gewicht beim Problem des Marktanteils. Wie oben dargelegt, führt die Konglomeration zu einer hohen Gesamtkonzentration, ohne notwendigerweise auf irgendeinem M a r k t durch hohe Anteile i n Erscheinung zu treten. Deshalb ist insbesondere das nicht marktanteilsstarke Konglomerat Objekt der vorliegenden Untersuchung. Ergibt sich nun, daß i m Rahmen der Prüfung einer überragenden Marktstellung der hohe Marktanteil eine besondere Bedeutung hat und daher ohne sein Vorliegen keine Marktbeherrschung festgestellt werden kann, so entfällt für einen Teil der konglomeraten Zusammenschlüsse von vornherein die Möglichkeit der Untersagung. Grundsätzlich stellt die Einführung der Kriterien für eine überragende Marktstellung eine Abkehr vom Gedanken der Marktanteilsbetrachtung dar 1 3 5 . Statt dessen soll m i t der sogenannten RessourcenTheorie 1 3 6 die Stärke eines Unternehmens gegenüber seinen Konkurrenten untersucht werden. Diese kann sich insbesondere i n der Möglichkeit zur Entwicklung verschiedener Marktstrategien zeigen, bei denen das Unternehmen nicht nur auf die Aktionsparameter Preis oder Qualität angewiesen ist, sondern ζ. B. auf Grund seiner Verflechtungen oder der Möglichkeit zur einseitigen Gestaltung von Geschäftsbedingungen einen großen Verhaltensspielraum h a t 1 8 7 . Daraus folgt, daß der Marktanteil seine alte Bedeutung als einziger Indikator wirtschaftlicher Macht verloren hat. Selbst bei einem geringen, bzw. relativ niedrigen Marktanteil soll die Möglichkeit der Feststellung einer überragenden Marktstellung bestehen, wenn sie sich aus den anderen Kriterien, ζ. B. der Finanzkraft eines großen Konzerns, ergibt 1 3 8 . Fraglich ist jedoch, ob sich dieser Wunsch der Väter der Fusionskontrolle auch i n der Praxis durchsetzen kann. b) Der Marktanteil

in Text und Begründung

des Gesetzes

Die Voraussetzungen für eine tatsächliche Aufgabe der Marktanteilsbetrachtung sind denkbar ungünstig. Schon früher wurde darauf hingewiesen, daß die Beobachtung des Marktanteils zwar allein nicht iss Das ist „der wichtigste Aspekt des neuen § 22". Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S.6; Ebel, Novellierung des GWB, S. 1580; Emmerich, S. 116. 13« Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, ebenda, S. 12; SZ Nr. 25 v o m 8.3. 72, S. 25. 137 v g l . dazu die ausführlichen Darstellungen des RegE GWB, Begr. S. 22 f. 138 RegE GWB, Begr. S. 22; Gruner, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. W a h l per., 4. Sitzimg, S. 15.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

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ausreiche, daß er aber ein wichtiges K r i t e r i u m für die Beurteilung einer Marktstellung sei 1 3 9 . Während der Beratungen zur Fusionskontrolle wurde dann i n der Sachverständigenanhörung sogar von einer „Priorität" des Marktanteils gegenüber den anderen Kriterien gesprochen 140 . Dieser Gedanke hat sich auch i m Gesetzestext niedergeschlagen. Vergleicht man § 22 Abs. 1 Satz 2 2. RefE GWB m i t § 22 Abs. 1 Nr. 2 der endgültigen Fassung, so hat sich neben einer unbedeutenden Umstellung des Satzes nur das Folgende geändert: Während i m 2. RefE GWB alle fünf Kriterien gleichwertig nebeneinanderstanden 141 , heißt es heute: „ . . . , hierbei sind außer seinem Marktanteil . . . (die anderen Kriterien) . . . zu berücksichtigen 142 ." Eine ähnliche Formulierung gebraucht der Wirtschaftsausschuß i n seiner Erklärung, „daß neben dem Marktanteil das Vorliegen eines einzigen Faktors eine überragende Marktstellung begründen könne" 1 4 3 . Damit w i r d der Marktanteil aus der Reihe der anderen Kriterien herausgehoben. Er erhält eine Sonderstellung 144 . Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich das gleiche Bild. Obwohl von der Möglichkeit geringer Marktanteile sprechend 146 , führt der Entwurf dort die nachstehenden Beispiele einer diagonalen Konzentration an: 1. Eine Unternehmung, die auf einer Reihe von interdependenten M ä r k ten marktstarke Positionen besitzt und dadurch auf einem M a r k t einen überragenden Verhaltensspielraum hat, 2. ein auf Grund seiner M a r k t anteile marktbeherrschendes Unternehmen, dessen Stellung durch die Erhöhung der Finanzkraft weiter verbessert w i r d 1 4 6 . Beide Beispiele gehen aus von auf Marktanteilen gegründeten marktstarken Positionen, die dann durch Ressourcen aus anderen Märkten verstärkt werden. Dabei w i r d es sogar für nötig erachtet, ausdrücklich 139 Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 746. 140 v g l . Weyhenmeyer, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 53/47. 141 „ E i n Unternehmen ist insbesondere keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt, w e n n es als Anbieter oder Nachfrager dieser A r t von Waren oder gewerblichen Leistungen auf G r u n d seines Marktanteils, seiner Finanzkraft, seines Zugangs zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, v o n Verflechtungen m i t anderen Unternehmen oder v o n rechtlichen oder t a t sächlichen Schranken f ü r den M a r k t z u t r i t t eine i m Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat." 1 4 2 Hervorhebung v o n m i r . 143 Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 9 (Hervorhebung von m i r ) ; vgl. auch ebenda, S. 12. 144 Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff, S. 50, spricht v o n einer „ V o r klammerung", weshalb der M a r k t a n t e i l i m m e r zu berücksichtigen sei. i « Vgl. RegE GWB, Begr. S. 22. ι « Ebenda, S. 30.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

darauf hinzuweisen, daß bei Marktanteilen unter 50 % auch eine überragende Marktstellung bestehen kann, „wenn . . . das restliche Angebot zersplittert i s t " 1 4 7 . Die gleiche enge Auslegung zeigt sich i n den erklärenden Beispielen des Bundeswirtschaftsministeriums 148 . Alle Fälle, i n denen eine Untersagung für möglich gehalten wird, gehen ausnahmslos von hohen bzw. relativ hohen Marktanteilen aus 1 4 9 . Insoweit entsprechen sie dem, was sich auch schon beim 1. RefE GWB ergab 1 5 0 : Die Bedeutung des Marktanteils w i r d betont. Folgen einer solchen A r t der Darstellung zeigen sich i n den Berichten über die Kartellgesetznovelle, i n denen oftmals eine Abkehr von der Marktanteilsbetrachtung nicht zu entdecken ist 1 5 1 . Teilweise w i r d die Gesetzesformulierung sogar so mißverstanden, daß die Gesamtschau zusätzlich zur Marktanteilsbetrachtung vorzunehmen sei 1 5 2 . Hier scheinen die neuen Kriterien also eher als Bestätigung des durch Marktanteilsbetrachtung gewonnenen Ergebnisses aufgefaßt zu werden. Dies war zwar nicht die Intention der Verfasser des Gesetzes 153 . Es entspricht aber wohl dem Willen eines großen Teils der das Gesetz beschließenden Politiker, da sie noch i n der letzten Phase der Beratungen den Antrag einbrachten, die Kriterien wieder aus dem Entwurf zu streichen und die überragende Marktstellung nur durch Marktanteile zu erklären 1 5 4 . Eine weitere Unterstützung erfährt die Bedeutung des Marktanteils aus dem Begriff der überragenden Marktstellung. Dieser beinhaltet, daß — außer i m Falle des Oligopoltatbestandes — nur ein Unternehmen eine überragende Marktstellung haben kann 1 5 5 . „Es ist also ausgeschlossen, ein Unternehmen etwa auf Grund seines Marktanteils, ein anderes etwa auf Grund seiner Finanzkraft auf demselben M a r k t als 147 RegE GWB, Begr. S. 23. Besonders verwunderlich ist dieser Hinweis wegen der MarktbeherrschungsVermutung von 33 1/3 °/o bzw. v o n 40 % i m 2. RefE GWB. 148 v g l . B M W F , Problemkatalog, S.4; B M W F , Beispielsfälle zu §24 ff. der Kartellgesetznovelle; Manager-Magazin, A p r i l 1973, S. 19. 149 Vgl. auch die Beispiele bei Ebel, Wettbewerbspolitische Aspekte, S. 3 - 6 (teilweise identisch m i t den Beispielsfällen des B M W F ) . «o Vgl. das Ergebnis von T e i l I , C. 1.3. 151 Vgl. Wirz, Einige Bemerkungen, S.251, zu §22 Abs. 1 Nr. 2: „ . . . dann bezieht er weitgehend auch solche Unternehmen ein, die neben einem hohen Marktanteil über starke Finanzkraft . . . verfügen." (Hervorhebung v o n mir.) 152 So: F A Z Nr. 69 v. 22. 3. 73, S. 15; F A Z Nr. 113 v. 16. 5.1973, S. 17. iss Vgl. dazu oben T e i l I, C. I I . 3. a). 154 A n t r a g der SPD-Fraktion: vgl. Jens, i n : Ausschuß für Wirtschaft, 7. Wahlper., 4. Sitzung, S. 16; F A Z Nr. 68 v o m 21. 3.1973, S. 17. iss Vgl. Gleiss / Bechtold, a.a.O. S. 1146.

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beherrschend anzusehen 156 ." I m Rahmen der Kontrolle eines Zusammenschlusses wäre es aber wohl zu optimistisch zu erwarten, daß ein Konglomerat m i t niedrigerem Marktanteil gegenüber einem womöglich erheblich marktanteilsstärkeren anderen Unternehmen als beherrschend angesehen würde 1 5 7 . Insgesamt folgt daher sowohl aus dem Gesetz selbst als auch aus Begründungen und Beratungsunterlagen, daß das Gesetz zwar von der alleinigen Marktanteilsbetrachtung abgeht und i m Rahmen der Ressourcen-Theorie auch andere Kriterien der Unternehmensmacht berücksichtigt, wichtigstes K r i t e r i u m bleibt aber dennoch der Marktanteil. Das Neue an der jetzigen Marktanteilsbetrachtung liegt nur darin, daß nicht mehr allein der absolute, sondern auch der relative Marktanteil untersucht w i r d 1 5 8 . Die zusätzlichen Kriterien zeigen, daß es auf das Kräfteverhältnis i m Markt ankommt 1 5 9 , d.h. auf den Vorsprüng gegenüber den Konkurrenten und nicht nur auf die absolute Höhe des Marktanteils 1 6 0 . 4. Die Auswirkungen der Marktbeherrschungsvermutungen a) Die verfassungsrechtliche

Problematik

Die Marktbeherrschungsvermutungen i n § 22 Abs. 3 GWB, nach denen bei Vorliegen eines Marktanteils von 33V3 °/o, bzw. i m Oligopol von 50 oder 662/3 °/o, das Bestehen einer Marktbeherrschung vermutet w i r d 1 6 1 , sind ein weiteres Indiz für die Bedeutung des Marktanteils. I h r eigentlicher Sinn liegt i n der Umkehrung der Beweislast, so „daß die Kartellbehörde sich darauf beschränken kann, die Voraussetzungen der Vermutung nachzuweisen" 162 . Wie unsicher sich allerdings alle Beise Ebenda, S. 1147. 157 F ü r eine derartige Auslegung ist die Vorschrift nicht konkret genug. „ V o m Grad der Konkretisierbarkeit des Tatbestandes einer N o r m (hängt aber) die prinzipielle A r t u n d Weise ihrer Durchsetzbarkeit ab . . . " Vgl. Raisch, Normqualität, S. 164. 158 Dörinkel, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/ 38; Gleiss / Bechtold, a.a.O. S. 1147; vgl. auch Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff, S. 51. Wie die bisherige u n d die noch folgende (unten 4.) U n t e r suchung zeigt, hat sich die erstrebte rein relative Betrachtung noch nicht durchsetzen können. 1 5 0 So auch bei der Prüfung der Finanzkraft: vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6. 160 Vgl. Kantzenbach, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/55. iei Wegen des fehlenden Bezugs zur Stärke der Konkurrenz m i t Recht kritisch: Kirschstein, S. 82. io 2 So: RegE GWB, Begr. S. 24; Mayer-Wegelin, zu §22, 3. a), schreibt daher ohne weitere Überlegung: „Die Beweislast kehrt sich um."

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teiligten bei dieser Vorschrift hinsichtlich ihrer verfassungsmäßigen Zulässigkeit waren und sind, zeigen die vielen Versuche einer Auslegung und Erklärung 1 6 3 . Grundsätzlich besteht i m GWB die Offizialmaxime. Durch die Vermutungen w i r d jedoch einem Beteiligten ein Teil der Sachaufklärung aufgebürdet und so dem Untersuchungsprinzip zuwider gehandelt 1 6 4 . Außerdem können die Vermutungen gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des A r t . 103 Abs. 2 GG — nulla poena sine lege — verstoßen, da Verfügungen, bei denen eine Zuwiderhandlung gemäß § 38 GWB als Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld nach sich zieht, u. a. auch auf § 22 GWB gestützt werden können 1 6 5 . I n der Erkenntnis solcher Schwierigkeiten erklärte der Wirtschaftsausschuß, die Kartellbehörde habe „von Amts wegen allen substantiiert vorgetragenen Einwänden nachzugehen" 166 . M i t dieser Formulierung hat er jedoch, wie sich aus der Notwendigkeit eines substantiierten Vortragens ergibt, das Problem nur unwesentlich abgeschwächt 167 . I m Grunde heißt auch dies, die Behörde könnte sich m i t der Feststellung der Vermutungsbasis begnügen 168 . Es ist zwar denkbar, daß durch die Einführung von Merkmalen der Verhandlungsmaxime ein sonst vom Untersuchungsprinzip beherrschtes Verfahren zu einem Mischsystem umgewandelt w i r d 1 6 9 , dennoch müßten i n diesem konkreten Fall — schon wegen der oben dargestellten sehr weitgehenden Folgen — klare Gründe dafür gegeben sein 1 7 0 . Da sie nicht dargelegt werden, gilt der allgemeine Grundsatz, daß eine Umkehrung der Beweisführungslast nicht m i t dem Untersuchungsprinzip vereinbar ist 1 7 1 . les v g l . Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6; Baur, Rechtliche Fragen, S. 916 ff.; Rohling, S. 1589; Gleiss / Bechtold, S. 1147. 164 Z u r Offizialmaxime vgl. §51 ff. G W B ; dazu Rechtsausschuß, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, Anlage 1, S. 14; Ausschuß f ü r Wirtschaft, ebenda, S. 6. 165 Vgl. Raisch, Effektive Fusionskontrolle, S.26, A n m . 57; Rohling, S. 1589; vgl. auch Gleiss / Bechtold, S. 1147. Z u r allgemeinen Problematik der m i t hohem Bußgeld sanktionierten Verfügungen des GWB, die auf sehr vagen Merkmalen aufbauen. Vgl. Raisch, Normqualität, S. 167 ff., insb. S. 169. lee Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6. 167 So m i t Recht: Baur, Rechtliche Fragen, S. 916, A n m . 13; ebenso Möschel, S. 176. les Vgl. die deutliche Stellungnahme v o n Baur, Rechtliche Fragen, S. 917 f., A n m . 30; a. A . Gleiss / Bechtold, S. 1147. 16® Vgl. Ebel, Novellierung des GWB, S. 1582; Baur, Rechtliche Fragen, S. 917, m i t weiteren Nachweisen; vgl. als Beispiel auch die Abwägungsklausel i n § 24 Abs. 1 GWB. Dazu vgl. oben T e ü I , C. I I . 1. insb. A n m . 55. 170 Nach Rittner, Thesen zur Kartellnovelle, S. 318, entbehren die V e r mutungen ohnehin eines hinreichenden wettbewerbspolitischen Grundes. 171 Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6 u n d Anlage 1, S. 14; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 364; vgl. auch Bettermann,

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Es bleibt die Möglichkeit einer Umkehrung der materiellen Beweislast, der Beweisfolgelast 172 . Sie würde bewirken, daß i n Zweifelsfällen nach Ausschöpfung aller Untersuchungsmöglichkeiten auf Grund der Unfähigkeit, die Einwendungen der Unternehmen zu beweisen oder zu widerlegen, auf die Vermutungen zurückgegriffen werden könnte 1 7 3 . Aus der Formulierung des Wirtschaftsausschusses: „Lassen sich diese Gegengründe nicht feststellen, so ist davon auszugehen, daß Marktbeherrschung i m Sinne des Gesetzes vorliegt" 1 7 4 , ergibt sich eindeutig, daß eine solche Auslegung beabsichtigt ist. Sie w i r d auch i n der Literatur vertreten 1 7 5 . Gleiss / Bechtold weisen aber zu Recht darauf hin, daß „wen die Last des Zweifels, des non liquet, trifft, . . . K e r n der rechtsstaatlichen Problematik von Vermutungen i n straf- und verwaltungsrechtlichen Eingriffstatbeständen" ist 1 7 6 . Gerade i n einem Fall, wo trotz unwiderlegter Einwendungen eine Verbotsverfügung und sogar ein sich darauf berufender Bußgeldbescheid ergehen kann, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit m i t A r t . 103 Abs. 2 GG 1 7 7 . b) Die verfassungskonforme

Auslegung

Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, daß bei reinen Ordnungswidrigkeiten die Anforderungen an die Bestimmtheit des Gesetzes geringer sind als bei Strafvorschriften 1 7 8 . Begründet w i r d dies m i t der Möglichkeit, eventuelle Härten der Vorschrift schon durch die Ermessensausübung mildern zu können 1 7 9 . Deshalb sollen i m Ordnungswidrigkeitenrecht „Vermutungen" zulässig sein, wenn sie erstens i m Bereich des Tatsächlichen liegen, d . h . einen typischen Geschehensablauf zur Grundlage haben 1 8 0 , und wenn zweitens die strafauslösende Zuwiderhandlung als solche genügend bestimmt ist 1 8 1 . Die Beweislast i m Verwaltungsprozess, S. E 42 ff.; a. A . Emmerich, S. 119: „(sonst) hätte sich durch die Einführung der Vermutungen überhaupt nichts geändert." 172 Daß die Beweisfolgelast i n Verfahren m i t Untersuchungsmaxime umgekehrt werden kann, ist heute gesicherte Auffassung. Grunsky, S. 366. 173 v g l . Gleiss / Bechtold, S. 1147; Baur, Rechtliche Fragen, S.917. Es ist v o n A m t s wegen zu erforschen, „ob das Gegenteil der vermuteten Tatsache ermittelt werden k a n n ; w e n n das nicht gelingt, ist die Entscheidung auf G r u n d der Vermutungsnorm zu treffen". Rosenberg, Die Beweislast, S. 224. 174 Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6. 175 Vgl. Baur, Rechtliche Fragen, S.917; Rohling, S. 1589. 17« Gleiss/Bechtold, S. 1147. 177 Vgl. Scholz, Konzentrationskontrolle u n d Grundgesetz, S. 96 f. 178 BVerfGE 9, 171. π® BVerfGE 9, 172. 180 BVerfGE 9, 170 f.; vgl. auch Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 184. lei BVerfGE 9, 170.

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Ein zusätzlicher Grund für Beweiserleichterungen liegt vor, wenn die Beweisführung für die Behörde ungleich schwieriger ist als für den einzelnen Bürger bzw. das Unternehmen 1 8 2 , weil der Beweisgegenstand i n deren wirtschaftlich-betrieblicher Sphäre liegt 1 8 8 . Daraus ergibt sich für § 22 Abs. 3 GWB folgendes: Erstens ergeht ein Bußgeldbescheid nur bei Zuwiderhandlungen gegen eine unanfechtbar gewordene Verfügung des Bundeskartellamtes 184 . Zweitens entspricht es einem Erfahrungssatz 185 , daß Unternehmen m i t 33Vs °/o Marktanteil den M a r k t beherrschen 186 , und drittens liegen eventuelle Gegengründe i n der Sphäre der sich vereinigenden Unternehmen und können wesentlich leichter von ihnen als vom Bundeskartellamt benannt werden. Demnach sind die Marktbeherrschungsvermutungen als verfassungskonforme „tatsächliche Vermutungen" anzusehen 187 . Sie haben damit aber nicht die Wirkung einer echten Umkehrung der Beweislast 188 . Vielmehr entsprechen die „Vermutungen" einem primafacie-Beweis 189 und unterliegen der freien Beweiswürdigung 1 9 0 . Es genügt, wenn das Unternehmen die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Sachlage dartut, wenn es also Tatsachen aufführt, aus denen sich echte Zweifel am Bestehen der Marktbeherrschung ergeben 191 . Ein Gegenbeweis ist hingegen nicht nötig 1 9 2 . 182 BVerfGE 9, 171. iss Scholz, S. 97. ι 8 4 Vgl. Möschel, S. 178. 185 Scholz, S. 94, spricht hierbei v o n „gesetzgeberischen Tatsachenerwartungen". ΐ8β v g l . auch Möschel, S. 178. Möschel folgert daraus, daß sich ein belastender Verwaltungsakt „gemäß §22 Abs. 5 G W B nicht gegen einen Vermutungstäter, sondern gegen einen Gefährdungstäter" richtet. ι» 7 Vgl. hierzu Scholz, S. 98. i 8 8 So Ule, S. 184; ebenso Tietgen, Beweislast u n d Beweiswürdigung i m Z i v i l - u n d Verwaltungsprozeß, S.63ff.; B F H , U r t e i l v. 14.10.54, B B 1954, S. 1020; a. A . allerdings das B V e r w G i n DVB1 1956, S. 337, das w ö r t l i c h von einer U m k e h r u n g der Beweislast spricht. ι 8 » Ule, S. 184. ι»« Tietgen, S. 64 f.; ähnlich w o h l auch Raisch, Unternehmensrecht 2, S. 214: „ . . . w e n n keine Gründe dagegen sprechen, kann eine marktbeherrschende Stellung bejaht werden", (Hervorhebung von mir) i m Gegensatz z u m A u s schuß für Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6: „ . . . so ist davon auszugehen, . . . " ιοί So auch B V e r w G E 20, 232. Das B V e r w G f ü h r t zwar weiter aus, die objektive Beweislast treffe den Bürger, dabei bezieht es sich allerdings n u r auf den Nachweis der ernsthaften Möglichkeit Es kehrt also die Beweisfolgelast nicht um. ι 9 2 Deshalb ist bei bestehenden Zweifeln ein Rückgriff auf die V e r m u t u n gen nicht möglich. „Jede Behauptung, welche die ernsthafte Möglichkeit eines nicht gewöhnlich liegenden Sachverhalts dartut, löst die volle Beweislast (der Behörde) aus." Tietgen, S. 63; vgl. auch Ule, S. 185. Auch Scholz, S. 98, setzt die Grenzen der „Vermutungs"-Ausübung sehr eng: „Zulässig k a n n eine Bestrafung . . . überhaupt n u r dann sein, w e n n die behördlichen E r -

C. Das Konglomerat i n der deutschen Fusionskontrolle

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D e s h a l b h a b e n die „ V e r m u t u n g e n " b e i v e r f a s s u n g s k o n f o r m e r A u s l e g u n g n u r eine einzige B e d e u t u n g : Sie s i n d A u f g r e i f k r i t e r i e n 1 9 3 , d i e d e n A n s t o ß z u e i n e r U n t e r s u c h u n g geben, b e i d e r d a n n das K a r t e l l a m t a l l e b e k a n n t w e r d e n d e n r e l e v a n t e n Tatsachen z u b e r ü c k s i c h t i g e n h a t 1 9 4 , u m festzustellen, daß d e m h o h e n M a r k t a n t e i l , v o n d e m d i e Tatsachene r w a r t u n g e i n e r M a r k t b e h e r r s c h u n g ausgeht, k e i n e U m s t ä n d e e n t g e genstehen, aus d e n e n sich das F e h l e n d e r ü b e r r a g e n d e n M a r k t s t e l l u n g ergibt195. c) Die möglichen

Auswirkungen

für

die Erfassung

von

Konglomeraten

B e i e i n e r solchen A u s l e g u n g b e r g e n d i e M a r k t b e h e r r s c h u n g s v e r m u t u n g e n des § 22 G W B j e d o c h eine G e f a h r f ü r d i e E r f a s s u n g v o n Konglomeraten i m Rahmen der Fusionskontrolle. W i e L e n e l schon w ä h r e n d d e r S a c h v e r s t ä n d i g e n a n h ö r u n g d a r l e g t e , k ö n n t e es zu e i n e r U m k e h r u n g d e r V e r m u t u n g e n k o m m e n i n d e r Weise, daß k e i n V e r f a h r e n e i n g e l e i t e t w i r d , solange das „ A u f g r e i f k r i t e r i u m " d e r V e r m u t u n g n i c h t e r f ü l l t i s t 1 9 6 . Insbesondere k o n g l o m e r a t e , m a r k t anteilsschwache Zusammenschlüsse w ü r d e n d a d u r c h v o n d e r F u s i o n s k o n t r o l l e ausgeschlossen 1 9 7 .

mittlungen ihrerseits eine hohe Wahrscheinlichkeit der tatsächlich m a r k t beherrschenden Stellung ergeben haben u n d der betreffende Unternehmer sich weigert, den Gegenbeweis anzutreten, obwohl dies nach Lage der Umstände u n d billigerweise von i h m erwartet werden durfte." 193 Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff, S. 42, lehnt i m Rahmen der Fusionskontrolle selbst dies ab, da sich die Aufgreifkriterien gesondert aus § 24 G W B ergäben u n d da die Anmeldepflichten des § 23 schon die U n n ö t i g keit weiterer Aufgreifkriterien deutlich machten. Demnach sind die V e r mutungen „verfahrensspezifische Regelungen f ü r § 22", d. h. für die M i ß brauchsaufsicht. 194 Dabei ist es gleichgültig, auf welche A r t u n d Weise sie bekannt werden. Eine Bekanntmachung durch das Unternehmen ist nicht Voraussetzung der Beachtung. Allerdings hat das Unternehmen eine Mitwirkungspflicht. Vgl. Lanzenberger, Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt, S. 79; a. A . Möschel, S. 183: Das Bundeskartellamt bleibt verpflichtet, „diesen konkret vorgetragenen Hinweisen, aber n u r diesen, dann seinerseits nachzugehen". Ebenso Emmerich, S. 119. 195 So Rechtsausschuß, Anhang 1 zu: Ausschuß für Wirtschaft, U n t e r richtung, S. 14; Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 5. Sitzung, S. 11; Gleiss / Bechtold, a.a.O. S. 1147; ebenso Bundesregierung, Stellungnahme zu: B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1973, S . I I . Das B K a r t A selbst drückt sich auf S. 6 v o r sichtiger aus: „Die Bedeutung der widerlegbaren Marktbeherrschungsvermutungen . . . ist insbesondere i n ihrer Eigenschaft als A u f greif ta tbestände zu sehen." (Hervorhebung von mir.) Ähnlich: B M W I , Tagesnachrichten v. 28.6.1973, S. 4. Sehr v i e l weiter gehend, u m nicht zu sagen: konträr, die Auslegung des Wirtschaftsausschusses i n : Unterrichtung, S. 6. Es ist u n verständlich, daß er sich dabei auf den Rechtsausschuß beruft. im Ausschuß für Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/16. 197 Ebenda.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Zwar hat der Bundesrat i n Kenntnis dieser Sachlage darauf hingew i r k t , daß die Vermutungen i n einem gesonderten Abs. 3 zusammengefaßt wurden, u m so klarzustellen, daß ihr Vorliegen keine Voraussetzung für das Vorliegen der Marktbeherrschung ist 1 9 8 . Ebenso hat der Wirtschaftsausschuß darauf hingewiesen, daß die Vermutungen nicht die Funktion eines Kriteriums erfüllen, daß vielmehr „ i m Einzelfall eine marktbeherrschende Stellung auch dann gegeben sein kann, wenn die Vermutungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind" 1 9 9 . Den Normalfall stellt dies aber nicht dar 2 0 0 . Deshalb darf die psychologische W i r k u n g einer solchen Vorschrift nicht übersehen werden 2 0 1 . Immerhin handelt es sich bei den Vermutungen um die einzig konkreten und leicht nachprüfbaren Merkmale des § 22 G W B 2 0 2 . Werden sie zudem noch als Aufgreiftatbestände t i t u liert, so ist es nicht verwunderlich, wenn i n der Praxis Zusammenschlüsse, die die Voraussetzungen der Vermutungen nicht erfüllen, nicht untersagt werden 2 0 8 . Verbindet man diese Schwierigkeit m i t der sich schon aus Text und Begründung ergebenden engen Auslegung der Marktbeherrschung und bedenkt zusätzlich, daß sich die gesamte Vorschrift aus dem Gedanken der Verhinderung des Monopols entwickelt h a t 2 0 4 , dann zeigt sich, wie schwierig es i n einem Kontrollverfahren sein wird, den Zusammenschluß zu einem Konglomerat zu verhindern, das auf keinem M a r k t hohe Marktanteile hat, auch wenn es auf Grund seiner absoluten Größe m i t erheblichen sonstigen Machtmitteln ausgestattet ist 2 0 5 .

Stellungnahme des Bundesrates zu §22, Anhang zu RegE GWB, B T Drs. VI/2520; vgl. auch Ausschuß f ü r Wirtschaft, 7. Wahlper., 4. Sitzung, S. 16. i»9 Wirtschaftsausschuß, Unterrichtung, S. 6 (Hervorhebung von m i r ) ; vgl. auch Kirschstein, S. 83. 200 Rinck, S. 10, sieht deshalb darin eher eine theoretische Möglichkeit. Vgl. auch Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff, S.51: „Unternehmen m i t . . . einem M a r k t a n t e i l unter einem D r i t t e l . . . sollten davon ausgehen können, daß sie nicht v o n vornherein als marktbeherrschend qualifiziert werden." 201 Vgl. als Beispiel die Formulierung i n F A Z Nr. 255 v. 1.11.73, S. 17: „Das ,Eingriffskriterium 4 liegt nach §22 bei 33°/o." 202 v g l . a u c h w i r z , Der Marktbeherrschungsbegriff, S. 52. Lieberknecht, i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/41, sieht deshalb i n der A u f f ü h r u n g der Vermutungen einen „Verstoß gegen die Gesetzeslogik". 2 3 Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 353 u n d 365, weist auf die Möglichkeit hin, daß durch die Formulierung: „ w e n n zu besorgen ist, daß . . . " i n §24 G W B eine generelle Beweiserleichterung f ü r das E i n g r i f f s k r i t e r i u m hätte geschaffen werden können. Sie hätte keine solche Nebenwirkungen gehabt. 204 v g l . Reich, Neue Tendenzen des Wirtschaftsrechts, S. 1452; vgl. auch oben T e i l I , C. I I . 2. a). 205 I m Ergebnis gleich: Sölter, Nationale Fusionskontrolle, S. 57 f.; vgL auch Möschel, S. 182, der v o n einem „Festschreibeffekt" spricht.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

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Π Ι . Die Erfahrungen im Antitrustrecht als Hinweis auf die praktische Möglichkeit der Kontrolle von Konglomeraten Z u r Veranschaulichung der Schwierigkeiten, die sich auf Grund der Formulierungen des GWB bei der praktischen Durchführung einer Kontrolle konglomerater Zusammenschlüsse i n Deutschland ergeben, soll auf die Erfahrungen des Antitrustrechts zurückgegriffen werden. Zwar läßt sich die amerikanische Kontrollpraxis schon wegen der unterschiedlichen Ausgangspunkte nicht direkt auf deutsche Verhältnisse übertragen, sie ist aber auf Grund der besseren Fundierung durch wirtschaftliche Untersuchungen 206 am ehesten geeignet, ein B i l d der tatsächlichen Probleme abzugeben 207 . 1. Die amerikanische Praxis gegenüber horizontalen und vertikalen Zusammenschlüssen Grundlage der amerikanischen Fusionskontrolle ist See. 7 Clayton Act i n der Form des Celler-Kefauver Act aus dem Jahre 1950 208 , wodurch jeder Zusammenschluß verboten wird, der auf irgendeinem M a r k t m i t Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zur Folge hat. I n horizontaler Richtung hat sich auf dieser Basis eine sehr harte Anwendungspraxis ergeben. Grundlegend sind zwei Entscheidungen. I m Philadelphia Bank Case 209 wurde formuliert, daß ein Zusammenschluß zu untersagen ist, wenn dadurch ein Marktanteil von 30 °/o entsteht, insbesondere wenn außerdem die beiden größten i m M a r k t vertretenen Konzerne insgesamt mehr als 59 °/o erhalten 2 1 0 . I m Brown Shoe case 211 ließ der Supreme Court wesentlich kleinere Marktanteile genügen. Das Unternehmen errang nur 7,2 % des gesamten Schuh-Fachhandels und 2,3 °/o des Schuh-Einzelhandels 212 . Dies war absolut gesehen wenig, das Gericht stellte jedoch einen Vergleich an m i t der Konkurrenz, die aus marktanteilsmäßig nicht benennbaren, regional beschränkten Geschäften bestand 213 . I n deren Geschäftsbereich, 206 v g l . Griesbach, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 30: „ W i r wissen praktisch an Tatsachen i n Europa oder i n der Bundesrepublik nichts." 207 Die Erfahrungen m i t dem Wettbewerbsschutz, insbesondere der Fusionskontrolle, sind i n anderen Ländern u n d i n der E G bisher so kurzfristig, daß sie „uninteressant sind". Vgl. C.P.C., Monopolies and Mergers, S. 52 - 57. 208 Vgl. zur Formulierung oben T e i l I, B. A n m . 97. Vollständiger Abdruck i m Anhang zu: Kronstein / M i l l e r / Schwartz, Modern American A n t i t r u s t L a w . 209 U.S. v. Philadelphia National Bank, 374 U.S. 321 (1963). 210 Ebenda, S. 364, 365. 211 B r o w n Shoe Co. v. U.S., 370 U.S. 294 (1962). 2 12 Ebenda, S. 345. 213 Vgl. die auf einzelne Städte bezogene Tabelle. S. 347 ff. 7 Emrich

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

den einzelnen Städten, erreichten Brown und Kinney zusammen teilweise über 40 °/o Marktanteil 2 1 4 . Daher wurde die überregionale Brown Shoe Co. i m Verhältnis zu ihren Konkurrenten zu groß, sie war ein Marktanteilsriese 2 1 5 . Die amerikanische Praxis der Kontrolle horizontaler Fusionen liegt zwischen diesen beiden Entscheidungen 216 . Je nach Konzentrationsgrad des Marktes reicht ein mehr oder weniger großer Marktanteil aus, u m den Zusammenschluß zu untersagen 217 . I m Rahmen der vertikalen Konzentration ist das Verfahren U.S. v. Du Pont de Nemours & Co. 2 1 8 grundlegend. D u Pont mußte sich von General Motors trennen, weil es auf einem M a r k t 6 8 % der von General Motors benötigten Vorprodukte lieferte 2 1 9 . Da außerdem die Käufe von General Motors ungefähr die Hälfte der Nachfrage auf dem relevanten M a r k t ausmachten, wurde durch den Zusammenschluß immerhin ein Drittel des Marktes absorbiert 2 2 0 . Das Verfahren gegen die Brown Shoe Co. bildet auch hier das andere Extrem. Das Gericht betonte nämlich, daß die Verbindung einer überregionalen Geschäftskette 221 m i t einem großen Schuhhersteller einen ausschließenden Effekt für die unabhängigen regionalen Verkäufer auf dem Zwischenmarkt habe 2 2 2 und einen zusätzlichen, stärkenden Effekt für das Gesamtunternehmen auf dem Endmarkt 2 2 3 . Som i t stützte sich die Argumentation nicht nur auf horizontale Aspekte. Die Entscheidungen zeigen und werden darin von den Richtlinien des Justizministeriums unterstützt 2 2 4 , daß es auch bei vertikalen Konzen214 s. 343. 215 Insgesamt zweiter Platz i n der Branche. K i n n e y w a r die größte u n abhängige Schuhhandelskette, B r o w n einer der führenden Hersteller. Vgl. S. 331. 216 28,3 °/o, w e n n die größten vier 76°/o kontrollieren, 25°/o w e n n die größten sechs 70 °/o kontrollieren usw. Vgl. U.S. v. A l u m i n i u m Co. of Amerika, 377 U.S. 278 (1964); U.S. v. Continental Can Co., 378 U.S. 461 (1964). F ü r weitere Beispiele vgl. Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 125 -146. 217 Vgl. dazu auch die Marktanteilsangaben der Merger Guidelines, Nr. 5 u. 6 (deutsche Übersetzung i n W u W 1969, S. 94 ff.). Nach diesen Richtlinien des Justizministeriums ist der M a r k t a n t e i l das entscheidende K r i t e r i u m (vgl. Nr. 4), i n Ausnahmefällen ζ. B. neues Patent, kommen allerdings andere K r i t e r i e n hinzu (Nr. 8). 218 353 U.S. 586 (1957); vgl. auch 366 U.S. 316 (1961). 21» 353 U.S. 596. 220 v g l . dazu auch Bicks, Corporate Mergers, S. 80 f. 221 K i n n e y stores, bestehend aus 350 Geschäften. Vgl. 370 U.S. 297. 222 Ebenda, S. 331 f. 223 Ebenda, S. 332. 224 Merger Guidelines, Nr. 12, 13. Eine Anfechtung des Zusammenschlusses soll erfolgen bei 1 0 % M a r k t a n t e ü des Lieferunternehmens u n d 6 % Nachfrage-Marktanteil des Käuferunternehmens auf dem Zwischenmarkt oder

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trationen grundsätzlich auf die sich i n Marktanteilen ausdrückende Macht auf dem Zwischen- oder die Stärkung des Marktanteils auf dem Endmarkt ankommt 2 2 5 . 2. Die Anwendung des Antitrustrechts auf Konglomerationen a) Die Richtlinien

des Justizministeriums

Daß sich See. 7 Clayton Act auch gegen konglomerate Zusammenschlüsse richtet, ist durch die Änderung des Jahres 1950 eindeutig gek l ä r t worden 2 2 6 . Das Justizministerium hat deshalb i n seinen Richtlinien versucht, die Bestimmung durch praktikablere Kriterien auch für diese Konzentrationsart wirkungsvoll werden zu lassen 227 . Es hat die Zusammenschlüsse i n drei Gruppen eingeteilt, je nachdem welche Beeinträchtigung des Wettbewerbs es jeweils für möglich hält: „mergers involving potential entrants, mergers creating danger of reciprocal buying" und „mergers which entrench market power" 2 2 8 . Gehört ein Zusammenschluß i n eine der Gruppen, erfüllt er also die qualitativen Bedingungen 2 2 9 , so sind i n den Richtlinien genaue M a r k t anteile angegeben, bei deren Vorliegen das Justizministerium ein Verfahren einleiten w i l l . Ist eines der beteiligten Unternehmen ein potentieller Neuanbieter 2 3 0 , dann entsprechen die quantitativen Bedingungen i n etwa denen bei horizontaler Konzentration 2 3 1 , besteht die Gefahr wechselseitiger Lieferbeziehungen 232 , so ähneln sie denen der vertikalen Konzentration 2 3 3 . Bei Zusammenschlüssen zur Festigung der Marktmacht geht das Justizministerium davon aus, daß sie nur dann vorliegen, wenn ein führendes bei 2 0 % M a r k t a n t e ü des Lieferunternehmens auf dem Zwischenmarkt u n d 10 °/o M a r k t a n t e i l des Käuferunternehmens auf dem Endmarkt. 225 v g l . zur vertikalen Konzentration auch Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik, S. 146 - 156, u n d seine Beispiele. 22 6 Kronstein / M i l l e r / Schwartz, S. 55; Celler, Conglomerate Merger I n vestigations, S. 187. 227 vgl. Seidman, Conglomerates and the F.T.C., S. 22; Markert, Die Richtlinien, S. 377. 228 Merger Guidelines, Nr. 17. 229 So: Schmidt-Ott, Z u r Anwendbarkeit der A r t . 85, 86 E W G Vertrag, S. 89. 230 Z u r Erläuterung der i n diesem F a l l möglichen Wettbewerbsbeschränkungen vgl. unten T e i l 2, C. I I I . 231 Vgl. Merger Guidelines, Nr. 18. Auch hier werden je nach M a r k t s t r u k t u r Anteile angegeben. z.B. ist über 25°/o generell m i t einem Verfahren zu rechnen. 232 v g l . dazu unten Teü 2, C. I. 233 Hier sieht das M i n i s t e r i u m eine Gefahr, w e n n das „ i n die Zange genommene" Unternehmen 15°/o M a r k t a n t e i l hat, da das Konglomerat sich diesen A n t e i l sichern könnte. Vgl. Merger Guidelines, Nr. 19.

7*

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Unternehmen auf einem relativ konzentrierten M a r k t übernommen w i r d 2 3 4 . Es untersucht also wiederum die Marktanteile 2 3 5 . Eine Befragung amerikanischer Unternehmen über ihre Reaktion auf die „Merger Guidelines" 2 3 6 hat allerdings gezeigt, daß die amerikanische Wirtschaft diese A r t der Kontrolle nicht fürchtet. Während nur drei der befragten Unternehmen eine starke Einschränkung der Konglomeration für möglich hielten, erwarteten 55 überhaupt keine Auswirkungen oder höchstens geringe Einschränkungen 237 . Das Justizministerium ist sich dieser W i r k u n g bewußt. Es wies schon i n den Richtlinien darauf hin, daß deren Kriterien unvollständig sind, da es bei „diversifizierten Zusammenschlüssen" neuartige Probleme gebe, „die noch nicht so umfassend und anhaltend untersucht worden sind, wie diejenigen der horizontalen und vertikalen Zusammenschlüsse" 238 . Deshalb w i l l es jetzt, u m grundsätzlich alle möglicherweise wettbewerbsschädlichen Zusammenschlüsse zu erfassen, zusätzlich alle Zusammenschlüsse angreifen, an denen eines der 200 größten amerikanischen Industrieunternehmen beteiligt ist 2 3 9 . b) Die Bestrebungen

in der Antitrustpolitik

der F.T.C .

Die zweite auf Einhaltung der See. 7 Clayton Act achtende Instanz, die Federal Trade Commision 2 4 0 , sähe ebenfalls gerne die Eingriffs234 Ebenda, Nr. 20. Die Übersetzung i n W u W 1969, S. 94 ff. (S. 109), entstellt den Sinn, da sie „acquisition of a leading f i r m " m i t „Übernahme durch ein führendes Unternehmen" übersetzt. Es müßte „Übernahme eines führenden Unternehmens" heißen. 235 v g l . Arceda, i n : The Merger Guidelines (Panel Discussion), S. 877: "The Guidelines depend almost entirely on the market shares." Wenn Schmidt-Ott, S. 90, schreibt, f ü r die Verfolgung v o n Konglomeraten reiche ein erheblich niedrigerer A n t e i l als bei monopolistischen Zusammenschlüssen, u n d w e n n er i n A n m . 87 anführt, bei Konglomeraten reichten 8 %, „während Monopole erst bei mindestens 6 8 % verfolgt würden", (ebenso: Benisch/ Giessler / Günther / Spary, Beobachtungen über Wettbewerbsrecht, S. 13) so gibt das ein unzutreffendes Bild. Konglomerate u n d Monopole sind nicht vergleichbar. Bei Vorliegen einer oligopolistischen M a r k t f o r m k a n n aber auch ein horizontaler Zusammenschluß von insgesamt n u r 8 % M a r k t a n t e i l verfolgt werden. So ausdrücklich: Merger Guidelines, Nr. 5. 23β Durchgeführt von der National Economic Research Associates, Inc. (NERA). 237 Reaktion der amerikanischen Unternehmen, W u W 1969, S. 664. 238 Merger Guidelines, Nr. 20. 239 vgl. dazu Fischer, Neuere Entwicklungen, S. 336; Adler, Frontier Issues i n Merger Doctrine, S. 118 f. Der (m. E. untaugliche) Versuch einer juristischen Absicherung w i r d i n dem Aufsatz: Noncase Guidelines, S. 107 ff., u n t e r nommen. Dabei w i r d das Tatbestandsmerkmal v o n See. 7 Clayton A c t : „ . . . tend to create a monopoly . . . " auf die Gesamtwirtschaft bezogen, so daß große Konglomerate als Oligopolisten angesehen werden müßten. 240 Z u r Zielsetzung u n d zu den Aufgaben vgl.: Federal Trade Commission Act, i n Auszügen abgedruckt i m Anhang von: Günther, Probleme der F u sionskontrolle; vgl. auch Kronstein / M i l l e r / Schwartz, S. 163 f.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

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kriterien erweitert. Das ergibt sich aus den fünf „Faktoren", die sie zur Beurteilung von konglomeraten Zusammenschlüssen i m Falle von Procter & Gamble 2 4 1 entwickelt hat: "(1) The relative disparity i n size and strength between Procter and the largest firms of the bleach industry; (2) the excessive concentration i n the industry at the time of the merger, and Clorox's dominant position i n the industry; (3) the elimination, brought about by the merger, of Procter as a potential competitor of Clorox; (4) the position of Procter i n other markets; and (5) the nature of the 'economies' enabled by the merger 2 4 2 ." Hier zeigt sich eine Richtung, die sowohl beim Justizministerium als auch bei der F.T.C, immer größeren Anklang findet. Es w i r d versucht, weniger eine Wettbewerbsbeschränkung nachzuweisen, als vielmehr betriebswirtschaftliche Vorteile, die ohne „sozialen Nutzen" sind 2 4 3 . Insbesondere w i r d auf die Werbevorteile hingewiesen, die das Unternehmen jetzt hätte 2 4 4 , oder die bessere finanzielle Grundlage, die durch die Vereinigung entstanden sei 2 4 5 . Noch weiter geht der Versuch, bei Konglomeraten die Größe des Gesamtunternehmens als K r i t e r i u m gelten zu lassen. "Disparity of size, . . . , has importance i n a merger case . . . 2 4 e . " Diese neue Bewegung w i l l die Erhöhung der Gesamtkonzentration m i t einem Unwerturteil versehen 247 , so daß letztendlich große Konglomerate keinerlei Zusammenschlüsse mehr vornehmen könnten 2 4 8 . Begründet w i r d das m i t einer gesamtwirtschaftlichen Bedrohung durch die Vereinigung industrieller Ressourcen i n den Händen weniger Mammutunternehmen 2 4 9 : "What could be more deadening to competition than a basic restructuring of American industry 2 5 0 ." Konsequent durchgeführt leitet eine solche Ansicht zu einem neuen Wettbewerbsverständnis, das R i l l 2 5 1 als „social competition" bezeichnet und das i n den Versuch der Verhinderung jeglicher Größe mündet. 241 Trade Reg.Rep. § 16.673 (1963). 242 Trade Reg.Rep. §16.673 S. 21.558 (1963). 243 v g l . Harms, Conglomerate Mergers i m Antitrustrecht, S. 876. 244 v g l . F.T.C, v. Procter & Gamble, Trade Reg.Rep. § 16.673 S. 21.579 (1963), u n d 358 F. 2d 80 f. (1966); vgl. auch General Foods Corp., Trade Reg.Rep. § 16.612 (1963) u n d Trade Reg.Rep. § 16.842 (1964). 245 v g l . U.S. v. I T T , 1969 Trade Cases §72.943, S. 87.645 u n d 87.653. 24β F.T.C, v. Procter & Gamble, Trade Reg.Rep. § 16.673 S. 21.582. 247 vgl. U.S. v. Northwest Ind. Inc., 1969 Trade Cases §72.853, S. 87.171 f.; U.S. v. I T T , 1969 Trade Cases §72.943, S. 87.657; U.S. v. Ling-Temco-Vought, Inc., 1970 Trade Cases §73.227, S. 88.867. 248 Vgl. die Ansicht von Justizminister Micheli bei: Fischer, Neuere E n t wicklungen, S. 336. 24» GfK., Konglomerate, S. 457 f. 250 Celler, Conglomerate Merger Investigations, S. 187.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung c) Die Praxis der amerikanischen

Gerichte

Soweit die Argumentation der F.T.C, betriebswirtschaftliche Vorteile betrifft, steht sie i m Gegensatz zu den m i t dem Wettbewerb angestrebten Zielen, da Kostenvorteile und eine finanziell gesunde Unternehmensstruktur auch zu Preissenkungen führen können. Außerdem ist sie inkonsequent, da jetzt ansonsten rechtfertigende Vorteile ausreichen sollen, u m Konglomerationen für illegal zu erklären 2 5 2 . Die Gerichte haben demgemäß gegenüber allen Beweisvereinfachungen energischen Widerstand geleistet 253 . Sie haben i m Gegenteil darauf hingewiesen, daß die Wahrscheinlichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung nachgewiesen werden müsse und betriebswirtschaftliche Vorteile insoweit den Anforderungen nicht genügen 254 . Zum Argument der absoluten Größe stellten sie fest: "There may be very good reasons indeed to l i m i t the growth of this country's largest corporations, particularly through mergers and acquisitions . . . The law as i t now stands, however, makes the adverse effect on competition the test of validity and u n t i l Congress broadens the criteria, the Court must judge proposed transactions on that standard 2 5 5 ." Deshalb wurde auch der i m Rahmen der sogenannten „Bignessp o l i t i k " 2 5 6 häufig als Gefahr der Konglomeration angeführte Aufkauf eines Unternehmens i m M a r k t relativ kleiner Firmen durch ein großes Konglomerat noch nicht als ausreichende Begründung für gerichtliche Gegenmaßnahmen angesehen 257 . Insgesamt zeigt sich, daß weder Justizministerium noch Federal Trade Commission bisher m i t ihren neuen Versuchen zum Ziel kommen konnten. „Die Wahrheit ist, daß kein Zusammenschluß aufgelöst wurde allein auf der Basis der Finanzkraft des übernehmenden Unternehmens oder, u m einen kleinen, unabhängigen Konkurrenzfaktor zu er251 R i l l , The T r e n d t o w a r d Social Competition under Section 7 of the Clayton Act, S. 893 ff. 252 v g l . Harms, Conglomerate Mergers, S. 876. 253 Der Supreme Court wandte sich gegen derartige Tests. Vgl. Procter & Gamble v. F.T.C., 358 F. 2d 84; U.S. v. I T T , 1969 Trade Cases §72.943, S. 87.657 f.; vgl. auch die Ansicht von Elman, bei: R i l l , S. 900 f. 254 "We f i n d i t difficult to base a finding of illegality on discounts i n advertising . . . the fact t h a t a merger may result i n economies is no reason to condemn it." 358 F. 2d 81; vgl. auch U.S. v. I T T , 1969 Trade Cases § 72.943. S. 87.645 u n d 87.654. 255 U.S. v. Northwest Ind. Inc., 1969 Trade Cases § 72.853, S. 87.175. Eine Abschwächung dieser Ansicht vgl. allerdings i n U.S. v. Continental Can Co., 378 U.S. 441, 458 (1964). 25β v g l . Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 260 u n d 269. 257 v g l . Harms, Conglomerate Mergers, S. 871 u n d 875.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

103

halten 2 5 8 ." Statt dessen entsprechen die oben angegebenen weiten Richtlinien des Justizministeriums immer noch der tatsächlichen Praxis 2 5 9 , d. h. die Marktanteile haben ihre Bedeutung behalten 2 6 0 . Auswirkungen der „Bignesspolitik" lassen sich nur insoweit erkennen, als i m Vergleich zu großen Konzernen eine „freundlichere Haltung" gegenüber kleinen, unabhängigen Unternehmen besteht 2 6 1 . Dabei führt das Mißtrauen gegenüber wirtschaftlicher Macht zu einer „Sorge u m die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des sogenannten kleinen Mannes" 2 6 2 . Trotzdem bleibt aber die Hilflosigkeit gegenüber Konglomeraten 2 6 3 auf Grund des nötigen Nachweises einer m i t Wahrscheinlichkeit starken Wettbewerbsbeschränkung erhalten 2 6 4 . Konglomerate Zusammenschlüsse werden nur dann erfolgreich bekämpft, wenn gleichzeitig bestimmte Marktanteilsvoraussetzungen von ihnen erfüllt werden 2 6 5 , und folglich sind sie die einzigen Konzentrationen, die die Antitrustgesetze überdauern können 2 6 6 . 3. Beispiele amerikanischer Verfahren gegen Konglomeration Die folgenden Beispiele sollen die amerikanische Praxis erläutern. Sie werden i m weiteren Verlauf der Untersuchung auch dazu benötigt, einzelne Probleme anhand konkreter Sachverhalte zu verdeutlichen 2 6 7 . a) Zusammenschlüsse mit wechselseitigen

Lieferbeziehungen 268

I m Fall der Consolidated Foods Corporation erwarb dieses Großunternehmen der Nahrungsmittelindustrie und des Lebensmitteleinzelhandels m i t Gentry Inc. einen Produzenten von Zwiebel- und Knob258 Hammond, G r o w t h through Mergers, S. 784 (Übersetzung von mir). 259 Daß sie auch i n Gerichtsverfahren Beachtung finden, zeigt der Streit i m Verfahren U.S. v. Northwest Ind. Inc., 1969 Trade Cases §72.853, S. 87.165, über die Frage, ob die Anteilsangaben der „Guidelines" erreicht würden. 260 v g l . Petry, S. 558 f.; vgl. auch Narver, S. 99. 261 R i l l , S. 893. 262 C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 52. 263 Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 271. 264 Ebenda, S. 269. 265 v g l . Davidow, Conglomerate Concentration and Sect. 7 : The Limitations of the A n t i - M e r g e r - A c t , S. 1270, der erklärt, daß L i t t o n trotz seiner A u f käufe keine Gefahr läuft, m i t der A n t i t r u s t - P r a x i s i n K o n f l i k t zu geraten, da das Unternehmen vermeidet, horizontal oder v e r t i k a l zu stark engagiert zu sein. Diese Unternehmenspolitik zeigt sich jetzt bei den meisten Konglomeraten. Vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 120. 266 Geneen, Concepts of a Conglomerate or a M u l t i - M a r k e t Company, S. 10. 267 Ä h n l i c h genau untersuchte deutsche Beispiele gibt es leider noch nicht. 268 3 80 U.S. 592 (1965).

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

lauchpulver 2 6 9 . Es bevorzugte daraufhin diejenigen seiner Lieferanten, die wiederum von Gentry kauften 2 7 0 . Da Consolidated Foods eine große Käufermacht hatte und Gentry eines der beiden größten Unternehmen einer Vier-Unternehmen-Industrie w a r 2 7 1 , sah das Gericht eine Verletzung von See. 7 Clayton Act für gegeben an 2 7 2 . Die General Dynamics Corporation wurde verurteilt 2 7 3 , weil sie nach der Übernahme der L i q u i d Carbonic Corporation versuchte, ihre Kaufkraft für das andere Unternehmen einzusetzen 274 . Dabei ergab die Sachverhaltsaufnahme, daß erstens General Dynamics das größte Rüstungsunternehmen der Vereinigten Staaten w a r 2 7 6 , daß zweitens L i q u i d Carbonic der größte Hersteller von Kohlendioxyd w a r 2 7 6 und daß drittens 75 °/o der Lieferanten von General Dynamics potentielle Kunden von L i q u i d Carbonic waren 2 7 7 . Auch i m Verfahren gegen Northwest Industries 2 7 8 zeigt die Begründung, daß es nicht nur auf den Nachweis möglicher wechselseitiger Beziehungen ankommt 2 7 9 , sondern ebenfalls darauf, daß die Marktanteile groß genug sind, um m i t ihnen Druck ausüben zu können 2 8 0 .

2β» Ebenda, S. 593. 270 v g l . s. 594 ff. 271 Vgl. S. 595. Insgesamt w u r d e f ü r Gentry ein M a r k t a n t e ü v o n 32 θ /ο angenommen. (28 % bzw. 51 °/o.) 272 v g l . S. 600: "We do not go so far as to say t h a t any acquisition, no matter how small, violates § 7, i f there is a probability of reciprocal buying. . . . B u t where, as here, the acquisition is of a company that commands a substantial share of a market, a finding of probability of reciprocal buying b y the commission, . . . , should be honored, i f there is substantial evidence to support i t . " 278 U.S. v. General Dynamics Corp., 258 F.Supp. 36 (1966); vgl. auch 246 F.Supp. 156 (1965). 274 "The purpose of the (special sales-)programm was succinctly stated b y Senior Vice-President C.R. Mac Bride to be 'to aid the L i q u i d Carbonic sales picture v i a General Dynamics' reciprocal leverage." 258 F.Supp. 43. 275 So Narver, S. 98; vgl. auch 258 F.Supp. 39. 27β So 246 F.Supp. 159; nach 258 F.Supp. 39 ca.40°/o A n t e i l . 277 258 F.Supp. 39. 278 U.S. v. Northwest Industries Inc., 1969 Trade Cases § 72.853, S. 87.150. 27® Daß diese Strategie durchgeführt wurde, zeigt sich i n einem M e morandum der M a r k e t i n g - A b t e i l u n g v o n Velsicol (Northwest Ind.) an die Verkaufsabteüung m i t dem T i t e l : „Käufer-Lieferanten-Beziehungen" u n d einer Liste der 50 größten Lieferanten u n d ihrer Gegenkäufe. 1969 Trade Cases § 72.853, S. 87.169. 280 Beispielsweise w u r d e bei kaustischer Soda (einem Produkt v o n V e l sicol) durch den Zusammenschluß m i t Goodrich die Northwest Ind. zum zweitgrößten Produzenten i n der „ i n l a n d w a t e r w a y area". Ebenda, S. 87.155.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle b) Zusammenschlüsse mit Auswirkungen

auf die potentielle

105

Konkurrenz

Unter dem Gesichtspunkt potentieller Konkurrenz sind die „MolkereiFälle" interessant 281 . Die Foremost Dairies Inc. 2 8 2 hatte zwischen 1951 und 1955 52 Firmen der Milchwirtschaft übernommen. Von zehn Unternehmen mußte sie sich wieder trennen 2 8 3 . Als Grund wurde unter anderem eine Beeinträchtigung der potentiellen Konkurrenz angegeben, da das große, überregionale, i m Verhältnis zur Konkurrenz sehr starke Unternehmen auf den untersuchten regionalen Teilmärkten jeweils die „leading independent f i r m " aufkaufte 2 8 4 . Die E l Paso Natural Gas Co. 2 8 6 schränkte den potentiellen Wettbewerb ein, indem sie die Pacific Northwest Pipeline Corp. übernahm, die schon den Versuch unternommen hatte, i n ihren M a r k t einzudringen 2 8 6 . Da E l Paso der einzige nichtstaatliche Gaslieferant m i t über 5 0 % Marktanteil i n Californien w a r 2 8 7 und Pacific Northwest wiederum das einzige überstaatlich bedeutende Gaslieferunternehmen westlich der Rocky Mountains 2 8 8 , lag darin eine Verletzung des Clayton Act. I m Fall der General Motors Corp. lag die Einschränkung der potentiellen Konkurrenz darin, daß General Motors als großer Autohersteller selbst potentieller Konkurrent für den M a r k t geländegängiger Baumaschinen gewesen war und durch die Übernahme des größten Baumaschinenproduzenten, der Euclid Road Machinery Co., diesen Wettbewerb ausschaltete 289 . Ähnlich lag der Sachverhalt i m Verfahren gegen die Ekco Products Co. 2 9 0 . Ekco kaufte als einer der größten Hersteller von Einrichtungen für den Lebensmittelhandel die Mc Clintock Manufacturing Co. und die Blackman Stamping & Manufacturing Co., zwei Hersteller von Einrichtungen für den Fleischhandel m i t zusammen 98 °/o Marktanteil 2 9 1 . Auch 281 Bei der hier vertretenen Konglomerats-Definition hätten sie schon zu den horizontalen Zusammenschlüssen gezählt werden müssen. Eine weitere M a r k t d e f i n i t i o n u n d eine Behandlung des Falles nach den i m B r o w n Shoe Co.-Verfahren entwickelten Grundsätzen (vgl. T e i l I , C. I I I . 1.) hätte u. U. aber auch bei dem M a r k t a n t e i l v o n n u r 3,4%, w i e es Foremost Dairies bei Betrachtung des nationalen Marktes hatte, ein Eingreifen möglich gemacht. 282 Trade Reg.Rep. § 15.877 (1962). 283 Bei neun dieser Unternehmen allerdings aus vorwiegend horizontalen Gründen. Vgl. W ü l a r d F. Mueller, The Current Merger Movement, S. 637 f., 645 f. 2 »4 Trade Reg.Rep. § 15.877, S. 20.689 (1962). 28 * U.S. v. E l Paso N a t u r a l Gas Co., 376 U.S. 651 (1964). 28 e Ebenda, S. 654. 28 7 Ebenda, 652. 288 Ebenda, 658 f. 28 » Vgl. 1960 Trade Cases § 69.665. 2 »o Vgl. Ekco Products Co. v. F.T.C., 347 F. 2d 745 (1965). 291 Ebenda, S. 746 f. McClintock hatte allein einen M a r k t a n t e ü v o n 83,3 %.

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Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

hier wurde also ein Zusammenschluß m i t sehr hohem Marktanteil angegriffen. c) Zusammenschlüsse, die die Marktmacht des einen Unternehmens verstärken Der bedeutendste Fall ist das Verfahren gegen die Procter & Gamble Co. 2 9 2 . Diese hatte als führendes Unternehmen der Seifen- und Waschmittelindustrie den bedeutendsten Produzenten flüssiger Wäschebleiche „Clorox" übernommen 2 9 3 . A u f Grund der Produktnähe war es dabei für Procter, das ohnehin einen der größten Werbeetats der amerikanischen Industrie hatte 2 9 4 , möglich, seine Werbekraft für Clorox einzusetzen, wodurch sich dessen Marktanteil von ca. 49 °/o i n dem sonst nur von relativ kleinen Unternehmen beschickten M a r k t noch zusätzlich erhöhte 2 9 5 . Ähnlich interessant ist der Reynold Metals case 296 . Hierbei wurde Arrows Brands, Inc., m i t 33 °/o Marktanteil der größte Produzent von Dekorationsfolien für den Blumenhandel 2 9 7 , von seinem Lieferanten der Aluminium-Rohfolien, Reynold Metals, aufgekauft. Da der Zusammenschluß unter vertikalen Gesichtspunkten nicht besonders wichtig w a r 2 9 8 , wurde er unter dem Blickwinkel der finanziellen Stärkung von Arrows durch den m i t 40 °/o Marktanteil führenden Hersteller von A l u m i n i u m folien 2 9 9 untersucht und Reynolds dementsprechend verurteilt. Tatsächlich ergab sich, daß der Marktanteil von Arrows i n zwei Jahren um 18,9 % gestiegen w a r 3 0 0 . Einer der wenigen „pure conglomerate mergers", der Zusammenschluß der Union Carbide Corporation m i t der Visking Corp. 3 0 1 , mußte wieder entflochten werden 3 0 2 , weil durch die Stärke von Union Carbide die schon bestehende Marktmacht von Visking zusätzlich gesteigert wurde. Visking hatte 60 °/o Marktanteil und war das führende Unternehmen auf dem M a r k t für synthetische Wurstpellen 3 0 3 . 292 3 86 U.S. 568 (1967). 293 386 U.S. 570 f. 294 Ebenda, 573. 295 Ebenda, 578. 29β 309 F. 2d 223 (1962). 297 Ebenda, S. 225. 298 Z u r schwierigen Frage der Marktabgrenzung vgl. 309 F. 2d 227 ff. 299 Ebenda, S. 225. 300 Ebenda, S. 230. soi v g l . Trade Reg.Rep. § 15.503, S. 20.367 - 20.374 (1961). 302 Trade Reg.Rep. § 16.638, S. 21.523 (1963). 303 Trade Reg.Rep. § 15.503, S. 20.374 (1961). Die gleiche Tendenz zeigt sich i m Verfahren U.S. v. I T T wegen der Übernahme v o n G r i n e l l Corp., dem größten Hersteller automatischer Sprinkler-Anlagen i n den USA, vgl. 1969 Trade Cases § 72.943, S. 87.637 f.

C. Das Konglomerat in der deutschen Fusionskontrolle

107

Zusammenfassend zeigt sich, daß die amerikanische Praxis, obwohl sie nicht an das Merkmal der Marktbeherrschung und damit an eine Marktbetrachtung gebunden ist, die Marktanteilsverteilung, d. h. die relative Größe des Marktanteils gegenüber der Konkurrenz als wichtigstes K r i t e r i u m der Wettbewerbsschädlichkeit von konglomeraten Zusammenschlüssen ansieht 3 0 4 . Konglomerate werden nur verurteilt, wenn außer den qualitativen K r i t e r i e n 3 0 5 auch das quantitative K r i t e r i u m des Marktanteils erfüllt ist. Außerdem ergehen die meisten Urteile gegenüber solchen Zusammenschlüssen, die i m Rahmen einer engen Konglomerats-Definition ohnehin als horizontal oder vertikal zu qualifizieren wären 3 0 6 . Bei echten Konglomerationen werden noch schärfere Maßstäbe angelegt. Dies beruht auf der Sorge der Gerichte, einen wirklichen Nachweis der Wettbewerbsschädigung bei einem Zusammenschluß völlig unzusammenhängender Unternehmen nicht führen zu können 3 0 7 . IV. Die Möglichkeit der Erfassung von Konglomeraten im Rahmen der deutschen Fusionskontrolle Für die deutsche Fusionskontrolle bei Konglomeraten kann sich insgesamt keine günstige Prognose ergeben. Das amerikanische Beispiel zeigt die ungeheure Schwierigkeit, echte Konglomerate zu erfassen. Solange daher die deutsche Fusionskontrolle von einer ähnlichen Grundlage ausgeht und auf ähnlich unbestimmten Kriterien aufbaut, „ist der Fall völlig hoffnungslos" 3 0 8 . Konglomerate ohne hohe M a r k t anteile können nicht untersagt werden. Für die deutsche Fusionskontrolle ergibt sich als weiteres Problem, daß sogar das Gesetz dem Richter eine Prüfung der Marktbeherrschung vorschreibt und dabei durch die Formulierung des Textes und der Begründung dem Marktanteil eine besondere Bedeutung zumißt 3 0 9 . Hinzu kommt, daß die bisherige restriktive Auslegung der M a r k t beherrschung durch die Mosaiktheorie nicht von heute auf morgen überwunden werden kann 3 1 0 . Gerade die während der Vorarbeiten zum 304 w i e stark das K r i t e r i u m des Marktanteils selbst neueste Bestrebungen i m Antitrustrecht bestimmt, zeigt der sog. „Concentrated Industries A c t " . Vgl. Keyes, The Proposed Concentrated Industries A c t : A Critique. Vgl. auch Schmidt, Beseitigung des Ungleichgewichts, S. 216. 305 v g l . oben Teil I, C. I I I . 2. a). 306 " . . . only conglomerates i n v o l v i n g big companies w i t h the slightest product overlap w i l l be destroyed." Hrusoff, S. 119. 307 v g l . Davidow, S. 1272. 308 Kantzenbach, Die Novellierung der Kartellgesetzgebung, S. 16. 309 v g l . oben T e i l I, C. I I . 3. b).

108

Teil I : Das Konglomerat, Bedeutung und rechtliche Erfassung

Gesetz häufige Betonung der Notwendigkeit einer zurückhaltenden Praxis 3 1 1 läßt keine weite Auslegung des immer noch gleichen, wenn auch neu definierten Begriffes erwarten® 12 . Deshalb sind die Möglichkeiten einer umfassenden Kontrolle aller Konglomerate i n Deutschland eher noch schlechter als i n Amerika 3 1 3 . Die Fusionskontrolle muß sowohl vom Wortsinn des GWB als auch von der praktischen Durchsetzungsmöglichkeit her bei konglomeraten Zusammenschlüssen genau wie bei den anderen Konzentrationsarten vom Marktanteil als dem wichtigsten Indiz der Marktbeherrschung ausgehen. Daraus sollte zwar nicht gefolgert werden, daß allgemein „bei diesen Zusammenschlüssen eine Kontrolle i n absehbarer Zeit nicht stattfindet" 3 1 4 , es ergibt sich aber doch, daß nur Fusionen zwischen einem anteilsstarken und einem auf andere Weise mächtigen Unternehmen von ihr erfaßt werden. Bei dieser juristischen Wertung des Marktanteils scheint ein Widerspruch zur wirtschaftlichen Definition der Konzentrationsform des Konglomerats zu bestehen, da die Konglomeration ihrem Wesen nach unabhängig ist von der jeweiligen Höhe der Marktanteile. Es muß also untersucht werden, ob bei einem konglomeraten Zusammenschluß, der nicht i m Rahmen der Fusionskontrolle untersagt werden kann, dennoch die Möglichkeit wirtschaftlicher Folgen besteht, die eigentlich durch die Fusionskontrolle verhindert werden sollen. Das bedeutet für die weiteren Teile dieser Arbeit: Es muß geprüft werden, ob Konglomerate schon dann wettbewerbsbeschränkend w i r ken, wenn die jeweiligen Marktanteile noch keine große Bedeutung haben, oder anders ausgedrückt, es sind die maßgeblichen Kriterien zu ermitteln, die bei Konglomerationen eine Wettbewerbsbeschränkung herbeiführen und die daher Grundlage der Fusionskontrolle sein müßten.

» 1 0 Vgl. die Darstellung der Entwicklung oben T e i l l , C. I. su Vgl. Schmidt, i n : Ausschuß für Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 53/54; vgl. a u d i oben T e ü I , C. I I . 2. b). 312 Vgl. Petry, S. 560. 313 Vgl. hierzu auch die Ansicht von Markert, F A Z Nr. 133 v. 12.6.1975, S. 8. 314 So aber: Reich, S. 1453.

Teil

II

Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb A. Die Wettbewerbsbeschränkung als Kriterium der Untersuchung I. Der Begriff des Wettbewerbs Die Prüfung, wann eine Konglomeration den Wettbewerb beschränkt, setzt voraus, daß der Begriff des Wettbewerbs geklärt ist. Eine einheitliche, allgemein anerkannte und womöglich sowohl Juristen als auch Wirtschaftswissenschaftler befriedigende Definition des Wettbewerbs gibt es allerdings nicht 1 . Obgleich zahlreiche Untersuchungen sich m i t diesem Thema befaßt haben 2 , existiert immer noch eine Unzahl verschiedener Meinungen 3 . Die Schwierigkeit — insbesondere für den Juristen — liegt darin begründet, daß er für klare und eindeutige Normen eine feste wissenschaftliche Grundlage benötigt 4 , während die Erkenntnisse der Nationalökonomie als „der juristischen Auffassung vorgegebener Disziplin" 5 fortschreiten 6 . Demgemäß gibt es juristische Versuche, zumindest für die Rechtsanwendung eine begriffliche Festlegung des Wettbewerbs zu 1 Schon der Ausschuß f ü r Wirtschaftspolitik schrieb i m Bericht über den E n t w u r f eines GWB, I.E. I I I . , daß eine „Legaldefinition des Begriffs .Wettb e w e r b ' " nicht möglich sei. Vgl. auch die interessante „Blütenlese" von Äußerungen zu Grundproblemen des Wettbewerbs bei Sölter, Das Rätsel Wettbewerb, S. 464 ff. 2 Zuletzt Schmidt i n seiner Habüitationsschrift: US-amerikanische u n d deutsche Wettbewerbspolitik gegenüber Marktmacht. s Vgl. Raisch, Das GWB, S. 230; Baur, Das Tatbestandsmerkmal „ W e t t bewerb", S. 98 f.; Hoppmann, Z u m Problem einer wirtschaftspolitisch praktikablen Definition des Wettbewerbs, S. 28. E d w a r d S. Mason stellte fest, „es gäbe so viele Definitionen des funktionsfähigen Wettbewerbs w i e es funktionsfähige Nationalökonomen gibt". Vgl. auch Sölter, Das Rätsel Wettbewerb, S. 459. 4 Vgl. hierzu schon oben: Einleitung, c). » Vgl. Hoppmann, Z u m Problem, S. 10; zum „Spannungsfeld von w i r t schaftswissenschaftlichem Begriff u n d Rechtsbegriff" vgl. auch Schmidt-Ott, S. 47 f. β Lukes, Z u m Verständnis des Wettbewerbs u n d des Marktes i n der D e n k kategorie des Rechts, S. 214.

110

T e i l I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

u m g e h e n u n d n u r aus d e r j e w e i l i g e n N o r m d i e r e l e v a n t e n A s p e k t e z u ermitteln7. I n der v o r l i e g e n d e n U n t e r s u c h u n g i s t e i n d e r a r t i g e s V o r g e h e n n i c h t m ö g l i c h . D a g e p r ü f t w e r d e n soll, ob d i e F u s i o n s k o n t r o l l e d e n i h r vorgegebenen Z w e c k e r f ü l l t , m u ß v i e l m e h r e i n a l l g e m e i n e r A n s a t z z u r Wettbewerbsdefinition gefunden werden. 1. Die Funktionen des Wettbewerbs A l l e heutigen Wettbewerbstheorien 8 bauen auf dem Prinzip der D y n a m i k a u f 9 . Sie e r k e n n e n i m W e t t b e w e r b n i c h t m e h r e i n e n Z u s t a n d des G l e i c h g e w i c h t s oder d e r V o l l k o m m e n h e i t , s o n d e r n e i n e n Prozeß d e r F o r t e n t w i c k l u n g , d e r „ f u n k t i o n s f ä h i g " , „ e f f e c t i v e " oder „ w i r k s a m " e r halten werden soll10. D a b e i z e i g t sich d i e D y n a m i k zunächst i n der Z w e c k b e s t i m m u n g , d. h . i n d e r V i e l z a h l d e r W e t t b e w e r b s f u n k t i o n e n 1 1 , d i e sich a l l e r d i n g s a u f vier Grundrichtungen zurückführen lassen12: 1. e i n gutes M a r k t e r g e b n i s (was u n t e r a n d e r e m p r o d u k t i v i t ä t s o r i e n t i e r t e n F a k t o r e i n s a t z u n d technischen F o r t s c h r i t t b e i n h a l t e t ) 1 3 , 2. e i n Schutz d e r K o n t r o l l i n s t a n z W e t t b e w e r b (ζ. B . gegen Z e r s t ö r u n g durch Macht)14, 7

Vgl. Baur, Das Tatbestandsmerkmal „Wettbewerb", insb. S. 117. Z u den Bedingungen des früher vertretenen vollkommenen Wettbewerbs vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 21 ff., vgl. auch Oesterreich, Die E n t wicklung der Theorie der Wettbewerbspolitik, S. 88; Haerry, Die Intensität des Wettbewerbs, S. 26; zum Konzept des sog. monopolistischen Wettbewerbs bzw. der unvollkommenen Konkurrenz vgl. Schumpeter, Kapitalismus, S. 131 ; vgl. auch Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 10; Borchardt / F i k e n t scher, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherrschung, S. 11; Hauptvertreter dieser Theorie waren E. S. Chamberlin u n d J. Robinson. 9 Vgl. als grundlegendes W e r k : Clark, Competition as a Dynamic Process. 10 Die einzelnen Bezeichnungen sagen dabei nichts aus über die U n t e r schiedlichkeit der Theorien. Sie werden vielmehr häufig identisch gebraucht. Vgl. zu den unterschiedlichen Theorien: Poeche, Workable Competition, S. 20 ff. 11 Z u den Funktionen vgl. Clark, Competition, S. 63 ff.; Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 16 f. ; Kaysen / Turner, A n t i t r u s t Policy, S. 11 ff. ; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 32. Wenn auch alle A u t o r e n unterschiedliche Funktionen aufführen, so zeigt sich doch bei einer genaueren Untersuchung, daß es sich i m Prinzip u m die gleichen Funktionen handelt, die n u r v e r schieden gegliedert u n d m i t unterschiedlichen Wertmaßstäben versehen werden. 12 Vgl. Kaysen / Turner, S. 11 - 18, 44; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 32. 13 Entspricht i n etwa den Funktionen I I bis V bei Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 17, bzw. den Funktionen 3 - 7 bei Clark, Competition, S. 70 bis 82. 14 Entspricht F u n k t i o n 2 bei Clark, Competition, S. 66 ff. Bei Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 16, ergibt sich dies als Folge aus den ökonomischen Funktionen, stellt aber keine eigene F u n k t i o n dar. 8

Α . Die Wettbewerbsbeschränkung als Untersuchungskriterium 3. e i n Schutz v o r u n l a u t e r e m V e r h a l t e n d e r M a r k t t e i l n e h m e r

111 (z.B.

vor möglicher Übervorteilung) 16 u n d 4. eine B e g r e n z u n g sozialer M a c h t ( z . B . z u m Schutz selbständiger, eigenverantwortlicher Unternehmerexistenzen) 16. D i e W e t t b e w e r b s f u n k t i o n e n u n d m i t i h n e n d i e B e t r a c h t u n g des a n g e s t r e b t e n M a r k t e r g e b n i s s e s s i n d a l l e r d i n g s f ü r d i e F e s t s t e l l u n g , ob w i r k s a m e r W e t t b e w e r b besteht, n i c h t v e r w e n d b a r 1 7 . H i e r z u m ü ß t e e i n V e r g l e i c h s m a ß s t a b v o r l i e g e n , d e r anzeigt, i n w i e w e i t d i e Z i e l e e r r e i c h t w e r d e n . I m k o n k r e t e n F a l l f e h l t aber m e i s t d i e M ö g l i c h k e i t , das w e t t bewerbsgerechte E r g e b n i s o b j e k t i v f e s t z u l e g e n 1 8 , da es k e i n e d e r f ü r einen performance-test nötigen vergleichbaren Unternehmen gibt19. D e m e n t s p r e c h e n d k ö n n e n d i e W e t t b e w e r b s f u n k t i o n e n selbst n i c h t z u r E r m i t t l u n g v o n W e t t b e w e r b s v e r b e s s e r u n g e n oder -Verschlechterungen herangezogen w e r d e n . 2. Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität a) Die Thesen

Kantzenbachs

K a n t z e n b a c h g e h t i n s e i n e m sehr u m s t r i t t e n e n K o n z e p t d e r o p t i m a l e n W e t t b e w e r b s i n t e n s i t ä t 2 0 d a v o n aus, daß d i e F u n k t i o n e n des W e t t b e w e r b s i n d e r M a r k t f o r m des w e i t e n O l i g o p o i s a m b e s t e n v e r w i r k l i c h t 15

Vgl. Funktionen 10 u n d 1 bei Clark, Competition, S. 86 f. u n d S. 63 ff. Bei Kantzenbach dürfte dies i n F u n k t i o n I m i t enthalten sein. 16 Kaysen / Turner, S. 17 f., fassen dies sehr w e i t auf u n d schließen ausdrücklich politische Macht m i t ein. Clark, Competition, S. 85 f., spricht dagegen ausdrücklich von „business freedom". Bei Kantzenbach, Die F u n k tionsfähigkeit, S. 16, ist die Verhinderung v o n Ausbeutung durch Marktmacht eine Folge von F u n k t i o n I (Einkommensverteilung). Z u r Kontroverse u m die sehr umstrittene Frage, ob der Schutz v o r einer auf wirtschaftlicher K r a f t beruhenden politischen Macht ein Ziel des Wettbewerbs ist, vgl. u. a. die Aufsätze von Kantzenbach u n d Kaufer unter dem T i t e l „Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität" u n d Hoppmann, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, alle i n Jb.N.St., Bd. 181. m. E. kann eine generelle V e r hinderung jeglicher, also auch politischer Macht, selbst w e n n sie gesellschaftspolitisch erwünscht ist, nicht Ziel des Wettbewerbs sein, da sie u. U. dem Ziel möglichst hoher ökonomischer Effektivität zuwiderläuft. Z u diesem K o n f l i k t vgl. Schmidt, Neuere Entwicklungen i n der Wettbewerbstheorie unter Berücksichtigung wachstumspolitischer Zielsetzungen, S. 724 f. A u f die I n k o m p a t i b i l i t ä t der Ziele hat insb. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 14, hingewiesen. Vgl. auch Giersch, Aufgaben der S t r u k t u r p o l i t i k , S. 76. 17

So i m Ergebnis auch Hoppmann, Workable Competition, S. 170 f. !» Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 61 f. Z u r Problematik eines hypothetischen Marktergebnistests vgl. Hoppmann, Workable Competition, S. 177 f. ι» Kaysen / Turner, S. 53 f. 20 Die Verfechter der gegensätzlichen Meinungen sind insb. Erhard Kantzenbach — oder auf amerikanischer Seite Clark — u n d Erich Hoppmann. Die i m folgenden angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

würden 2 1 . Bei dieser nicht zu kleinen, aber auch nicht zu großen Anzahl von Konkurrenten sei die Wettbewerbsintensität optimal. Deshalb könnten am ehesten sowohl betriebswirtschaftliche als auch volkswirtschaftliche Vorteile realisiert werden. Einerseits hätten alle Unternehmen die Möglichkeit, die einzelwirtschaftlich günstigste Größe zu erreichen und dadurch „economies of scale" wahrzunehmen 2 2 , andererseits müßten sie die erlangten Einsparungen als Folge der hohen Wettbewerbsintensität 28 an die Gesamtwirtschaft weitergeben. Weder i m Polypol noch i m engen Oligopol soll nach Kantzenbach ein gleiches Ergebnis denkbar sein. I m Polypol sei der Wettbewerbsdruck zu gering, da sich Maßnahmen eines einzelnen Marktteilnehmers zu wenig auf die Lage der Konkurrenten auswirken könnten 2 4 . I m engen Oligopol hingegen soll infolge zu großer Abhängigkeit der Unternehmen vom Verhalten ihrer Konkurrenten eine übermäßige Interdependenz herrschen 25 . Dort müßten entweder Machtkämpfe m i t der Absicht der Monopolisierung des Marktes 2 6 oder — was auf Grund der besseren Erfolgsaussichten wahrscheinlicher i s t 2 7 — Absprachen zwischen den Unternehmen über eine Strategie „gemeinsamer Gewinnmaximierung" erwartet werden 2 8 . Dementsprechend müßte die Wettbewerbspolitik nach dieser Theorie alle Entwicklungen gutheißen und zulassen, die letztendlich zur M a r k t form des weiten Oligopois führen. Selbst gewisse „Marktunvollkommenheiten" wären hinzunehmen, wenn durch sie der „optimale Kompromiß" erreicht werden könnte 2 9 .

21 S. 49. Kantzenbach spricht von einem „optimalen Kompromiß". Vgl. S. 129; vgl. auch ders., Konzentration, S. 180 f. 22 S. 54 - 66. 23 I h r M e r k m a l ist die schnelle Abfolge vorstoßender u n d verfolgender Wettbewerbshandlungen. Vgl. S. 38. 24 Vgl. S. 43. Der Polypolist ist v o m M a r k t abhängig, u n d nicht v o m Verhalten eines einzelnen Konkurrenten. Vgl. S. 88. 2 « S. 45 u n d 87. 23 S. 45 u n d 102; vgl. auch Schmidt, Neuere Entwicklungen, S. 714. 27 Vgl. S. 104; vgl. auch Günther, Wettbewerbspolitik, S. 112; Schmidt, Z u m Begriff, S. 128. 28 S. 45 u n d 104 f.; Schmidt, Neuere Entwicklungen, S. 713; z u m Konzept der spontanen Verhaltenskoordinierung i m Oligopol vgl. Fellner, Competition among the Few. I m engen Oligopol muß zwischen effektiver u n d potentieller Wetttbewerbsintensität unterschieden werden. Da dort die I n terdependenz a m größten ist, ist auch die potentielle Wettbewerbsintensität sehr groß. Absprachen beseitigen jedoch die Gefahr durch den Konkurrenten, so daß die effektive Wettbewerbsintensität sinkt. Vgl. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 90 f. 2 ® Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 46, 48; vgl. auch Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 29.

Α. Die Wettbewerbsbeschränkung als Untersuchungskriterium b) Die Kritik

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Hoppmanns

Schärfster K r i t i k e r solcher A n s i c h t e n i s t H o p p m a n n . E r v e r s t e h t W e t t b e w e r b als letztes Z i e l u n d n i c h t als M i t t e l ö k o n o m i s c h e n E r f o l ges 3 0 . D a h e r u n t e r s c h e i d e t er n u r z w i s c h e n d e r „ M ö g l i c h k e i t " u n d d e r „ U n m ö g l i c h k e i t " v o n W e t t b e w e r b 3 1 , w ä h r e n d es eine o p t i m a l e W e t t b e w e r b s i n t e n s i t ä t seiner A n s i c h t nach n i c h t geben k a n n 3 2 . F ü r i h n f o l g t aus d e m P r i n z i p d e r U n s i c h e r h e i t des W e t t b e w e r b s e r g e b n i s s e s 3 3 , daß dessen U b e r p r ü f u n g u n d B e w e r t u n g n i c h t n u r i m k o n k r e t e n F a l l , s o n d e r n ganz a l l g e m e i n ausgeschlossen i s t 3 4 . „ D e n n w o w i r d i e Tatsachen, d i e w i r m i t H i l f e dieses V e r f a h r e n s entdecken w o l l e n , n i c h t schon v o r h e r k e n n e n , k ö n n e n w i r auch n i c h t feststellen, w i e w i r k s a m es z u r Entdeckung aller relevanten Umstände f ü h r t , die h ä t t e n entdeckt w e r den können35." Dieser V e r z i c h t a u f j e g l i c h e F o r m d e r U b e r p r ü f u n g d e r T h e o r i e a n h a n d d e r P r a x i s 3 6 u n d d i e daraus folgende definitionsgemäße U n m ö g lichkeit, durch empirische Untersuchungen die Thesen Hoppmanns zu e r h ä r t e n oder d e n Gegenbeweis a n z u t r e t e n , w i r k t a l l e r d i n g s u n b e f r i e d i g e n d 3 7 . Das g i l t u m s o m e h r , als B e t r a c h t u n g e n d e r W i r t s c h a f t d i e T h e o r i e K a n t z e n b a c h s z u u n t e r s t ü t z e n scheinen 3 8 . T a t s ä c h l i c h l ä ß t sich 3° Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S.28 u n d 360; Kantzenbach, Das Konzept, S. 196 ff. 31 I n den „Ausnahmebereichen", w o die Wettbewerbsfreiheit zu stark eingeschränkt ist, soll nach Hoppmann Wettbewerb „nicht möglich" sein. I n diesen Fällen sind daher staatliche Maßnahmen erlaubt. Vgl. ders., Z u m Problem, S. 32 u n d 35 f., u n d Workable Competition, S. 172. 32 Hoppmann, Neue Wettbewerbspolitik, S. 410 f. 33 Vgl. hierzu auch oben das Ergebnis aus T e i l I I , Α. 1.1., wonach i m Einzelf a l l dem konkreten Ergebnis kein Idealergebnis gegenübergestellt werden kann, da es ein v o l l vergleichbares Unternehmen, das m i t Sicherheit w i r k samem Wettbewerb ausgesetzt ist, nicht gibt. 34 Hoppmann, Neue Wettbewerbspolitik, S. 409 ff. Dies beruht auch auf dem Ziel der Handlungsfreiheit des einzelnen, denn „Freiheit bedeutet, daß man so oder so handeln kann, wobei das Ergebnis ungewiß ist". (S. 412) „Der Marktprozeß ist als historischer Prozeß i n Richtung auf die Z u k u n f t offen." (S. 413). 35 Ebenda, S.410; ders., Fusionskontrolle, S. 22; Hayek, S. 4; vgl. auch Röpke, Jochen, Eine Wettbewerbspolitik des ,Als-ob* f ü h r t zu behördlicher W i l l k ü r , S. 14. 3β Vgl. die K r i t i k von Raisch, das GWB, S. 230 f.; vgl. auch Bain, F u n k tionsfähiger Wettbewerb i m Oligopol, S. 37, der erklärt, daß die Frage nach dem Zusammenhang v o n M a r k t s t r u k t u r u n d Funktionsfähigkeit des W e t t bewerbs n u r empirisch beantwortet werden kann. 37 Vgl. Stegmüller, Hauptsrömungen, S. 346: „Es ist unmöglich, durch reines Nachdenken u n d ohne eine empirische Kontrolle (mittels Beobachtungen) einen Aufschluß über die Beschaffenheit u n d über die Gesetze der w i r k l i c h e n Welt zu gewinnen." Es ist daher verständlich, daß sich der Gesetzgeber nicht den Ansichten Hoppmanns anschloß. E r muß sich „nicht an modellplatonischen Theorien, sondern an der Empirie" orientieren. Vgl. Raisch, Das GWB, S. 232. 8 Emrich

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

oft i n weiten Oligopolen ein starker Wettbewerb und gleichzeitig ζ. B. ein großer Fortschritt i m Bereich der Technik feststellen 39 . Deshalb kann der generellen Ablehnung des Konzepts der optimalen Wettbewerbsintensität nicht zugestimmt werden. Es ist allerdings ebensowenig möglich, die Thesen Kantzenbachs zur Grundlage der nachfolgenden Untersuchung zu machen. Sie setzen voraus, was erst noch überprüft werden muß: die Bedeutung des M a r k t anteils. Deshalb w i r d sich erst aus dem Ergebnis dieser Arbeit ablesen lassen, ob das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität und die besondere Situation des Konglomerats i n Einklang zu bringen sind oder nicht. 3. Der Wettbewerbsprozeß Da also weder aus den Funktionen des Wettbewerbs noch aus der Höhe der Wettbewerbsintensität Kriterien für die Beurteilung der Konglomerationsfolgen entwickelt werden können, müssen sich diese aus dem Wettbewerbsprozeß selbst, d. h. aus seinen Struktur- und Verhaltensmerkmalen ergeben 40 . Grundlegend für den Wettbewerbsprozeß ist das Prinzip von Vorstoß und Verfolgung 4 1 . Der Wettbewerber bemüht sich, „durch Inaussichtstellen möglichst günstiger Geschäftsbedingungen" 42 einen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern zu erlangen 43 . Diese wiederum trachten i n der Verfolgungsphase danach, den Vorsprung zu beseitigen und ihre Konkurrenten nun ihrerseits zu überflügeln, d . h . selbst i n eine Vorstoßphase einzutreten 44 . Dadurch entsteht sowohl ein „schöpferischer, initiatorischer oder innovatorischer" als auch ein „imitatorischer Wettbewerb" 4 5 . »8 Vgl. Bain, Funktionsfähiger Wettbewerb, insb. S. 46; vgl. auch Schlecht, zit. bei Poeche, Workable Competition, S. 31. 3 ® Auch w e n n dadurch k e i n echter Nachweis geführt werden kann, so spricht das Ergebnis zumindest nicht gegen die Thesen von Kantzenbach. So w o h l auch Raisch, Das GWB, S. 232. Z u r Schwierigkeit eines Nachweises vgl. auch Bain, Funktionsfähiger Wettbewerb, S. 35. 40 Vgl. Hoppmann, Fusionskontrolle, S. 48. 41 Bundesregierung, Stellungnahme zu: B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1967, S. 2; Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 32 ff.; Hoppmann, Z u m Problem, S. 38 ff. 42 Vgl. die Wettbewerbsdefinition v o n Borchardt / Fikentscher, S. 15. 43 Z u m M e r k m a l des „Strebens" nach Geschäftsverbindungen vgl. Knöpfle, Z u m Wettbewerb, S. 160. 44 Vgl. Hoppmann, Z u m Problem, S. 41 f. Die Vorgänge entsprechen dem, was bei A r n d t einerseits als „individualisierender" u n d andererseits als „generalisierender Wettbewerbsstrom" bezeichnet w i r d . Vgl. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 35. 43 Hoppmann, Z u m Problem, S. 41 f., u n d Workable Competition, S. 163 ff.

Α. Die Wettbewerbsbeschränkung als Untersuchungskriterium

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Er führt zu einer fortgesetzten, sich i n den verschiedenen Dimensionen des Wettbewerbs, wie Preiswettbewerb, Qualitätswettbewerb oder Innovationswettbewerb 4 6 , ausdrückenden Verbesserung der jeweiligen Leistung 4 7 , die allerdings zum Ziel hat, eine objektiv höhere Gegenleistung zu bewirken 4 8 . Deshalb ist eine „kapitalistische Wirtschaftsgesinnung" 49 , d . h . der Wille zur Gewinnmaximierung, Voraussetzung des Wettbewerbsmechanismus 60 . Der Anreiz eines höheren Gewinns für den Vorstoßenden und die Verlustdrohung für den Überflügelten stellen die treibende K r a f t des Wettbewerbs dar 6 1 . Ein solcher, anonymer Wettbewerbsdruck 62 setzt ein Mindestmaß an Ungewißheit voraus 63 . Kein Marktteilnehmer darf sich sicher sein, m i t welchem Verhalten Konkurrenten auf Aktionen reagieren und wie die Marktpartner solche Bemühungen aufnehmen werden 6 4 . N u r aus der Möglichkeit eines Vorsprungs und dem Risiko einer falschen Entscheidung 6 6 ergibt sich die Motivation für die notwendige Rivalität unter den Marktteilnehmern 6 6 . Insoweit ist daher der Wettbewerb ein Entdeckungsverfahren 67 und die Offenheit des Ausgangs ist für i h n charakteristisch. Stünde hingegen das Ergebnis des Marktprozesses von vornherein fest, wäre Wettbewerb sinnlos 68 . 46 Vgl. Schumacher, a.a.O. S. 140; Hoppmann, Z u m Problem, S. 41; MeyerCording, Die Grundbegriffe des Wettbewerbsrechts, S. 464. 47 B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1959, S. 13; Haerry, Die Intensität des W e t t bewerbs, S. 19, spricht v o m „ Z w a n g zur Leistungssteigerung". Knöpfle, Z u m Wettbewerb, S. 162, weist allerdings zutreffend darauf hin, daß nicht jeder Wettbewerber ständig „vorwärtsstürmt". Dennoch f ü h r t auch dort der Vorsprung i n i t i a t i v e r K o n k u r r e n t e n auf die Dauer z u m Z w a n g größerer Leistung. 48 Haerry, S. 1 3 1 ; B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1959, S. 13; Meyer-Cording, S. 462. 49 Vgl. Schumacher, S. 141. β® Vgl. Meyer-Cording, S. 463. 51 „ D i e Bedrohung durch den K o n k u r r e n t e n ist der gewaltige Motor . . . " Haerry, S. 19. Insoweit ist der Wettbewerb ein „finanzieller Sanktionsmechanismus". Vgl. Schumacher, S. 141; vgl. auch B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1959, S. 13. Als „Auslesemechanismus" b e w i r k t er die Eliminierung weniger erfolgreicher Unternehmen. Vgl. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 151. 62 Vgl. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 58 f. 53 Haerry, S. 14; Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S. 3. 5 4 Vgl. Schumacher, S. 140. 55 B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1959, S. 13. 5« Z u r R i v a l i t ä t vgl. Narver, S. 117; Röpke, S. 32 f.; vgl. auch MeyerCording, S. 462 ff.; Haerry, S. 13 f., fordert sogar „das Erkennen bestimmter persönlicher Gegner"; a. A . Hoppmann, Z u m Problem, S. 41, A n m . 55, der ein „Rivalitätsbewußtsein" nicht voraussetzt. Ä h n l i c h Clark, Competition, S. 13, der darauf hinweist, daß die R i v a l i t ä t i n d i r e k t u n d unbewußt sein kann. 57 Vgl. Hayek, S. 3. Die „wohltätige W i r k u n g " des Wettbewerbs zeigt sich darin, „daß er gewisse Absichten vereitelt u n d gewisse Erwartungen enttäuscht". 58 Ebenda; Borchert, Konglomeration, S. 634.

8*

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T e i l I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

I I . Die Wettbewerbsbeschränkung Die für die weitere Untersuchung notwendigen Kriterien der Wettbewerbsbeschränkung 59 ergeben sich unmittelbar aus den Elementen des Wettbewerbsprozesses 60 . Wie schon dargelegt, ist Hauptmerkmal des Wettbewerbs das Prinzip von Vorstoß und Verfolgung 6 1 . Demgemäß w i r d der Wettbewerb durch Konzentration eingeschränkt, wenn als Folge des Zusammenschlusses ein Vorstoß nicht mehr lohnend bzw. eine Verfolgung nicht mehr möglich ist. Dies setzt einen Wegfall der Ungewißheit voraus, d. h. eine zu große Sicherheit hinsichtlich des Erfolges bzw. Mißerfolges möglicher A k t i o nen der einzelnen Bewerber 6 2 , wobei die Auswirkungen sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfragerseite entstehen können. Die fehlende Ungewißheit der sich zusammenschließenden Unternehmen bedeutet für deren Konkurrenten und Partner eine Änderung der Gegebenheiten 6 ^, da ihre „Freiheit i n der Auswahl von Alternativen, ihre Ausweichmöglichkeit und die Chance, sich anderen Angeboten zuzuwenden" beeinträchtigt w i r d 6 4 . Das zusammengeschlossene Unternehmen hingegen erlangt durch die Änderung der Faktoren die Fähigkeit zu unabhängigem Handeln. Damit läßt sich die Frage nach einer Wettbewerbsbeschränkung durch Konzentration auf die Untersuchung der Möglichkeit zu einem von den Handlungen anderer Marktteilnehmer unabhängigen Verhalten 6 5 oder — i n den Begriffen von Haerry 6 6 — zu aktiver oder reaktiver Planung δ9 Die Fusionskontrolle bezweckt keine Verstärkung des Wettbewerbs, sondern die Verhinderung einer Beschränkung. Vgl. Sölter, Das Mischunternehmen, S. 191; Hoppmann, Z u m Problem, S. 10: „ I n der praktischen W e t t bewerbspolitik . . . normiert m a n den Wettbewerb n u r indirekt oder negativ." Vgl. auch Jochen Röpke, S. 14; Wirz, Der Marktbeherrschungsbegriff, S. 45. 60 „ U n t e r Wettbewerbsbeschränkung sind m. E. die Maßnahmen zu v e r stehen, die das als Wettbewerb charakterisierte Verhalten einschränken." Meyer-Cording, S. 469. ei Vgl. oben T e i l I I , Α . 1.3. 62 Knöpfle, Der Rechtsbegriff „Wettbewerb" u n d die Realität des W i r t schaftslebens, S. 222, spricht v o n einer Beseitigung oder Verringerung der „wirtschaftlichen Erfordernisse, Risiken oder Chancen". 63 Lukes, S. 211. 64 Meyer-Cording, S. 472 u n d 470; vgl. auch Lukes, S. 223 f. 65 Wenn Borchardt / Fikentscher, S. 72, schreiben: „Es k o m m t also darauf an, ob das Unternehmen selbst die Tatsache einer Alleinstellung subjektiv berücksichtigt", dann g i l t das f ü r die Frage der Fusionskontrolle n u r bedingt, denn schon die tatsächliche Möglichkeit unabhängiger Handlungen b e w i r k t ein entsprechendes Verhalten der Marktgegenseite. Vgl. dazu Bordiert, W e t t bewerbspolitische Kriterien, S. 260; vgl. auch Schmidt, Z u m Begriff, S. 130 ff. 66 Haerry, Die Intensität des Wettbewerbs, S. 19; vgl. auch Röper, Ansätze

Α. Die Wettbewerbsbeschränkung als Untersuchungskriterium

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reduzieren. Berücksichtigt ein Unternehmer die Verhaltensweisen seiner Konkurrenten, handelt er also unter dem Druck ihrer Bedrohung 6 7 , dann ist der Wettbewerb nicht eingeschränkt. Kann er es sich aber erlauben, die Aktionen und Reaktionen der anderen Marktteilnehmer nicht i n seine Pläne m i t einzubeziehen, so beschränkt diese Möglichkeit den Wettbewerb 6 8 . Folglich liegt eine Wettbewerbsbeschränkung durch Konzentration immer dann vor, wenn die Abhängigkeit der sich vereinigenden Unternehmen von den Aktionen und Reaktionen der anderen Marktteilnehmer vermindert w i r d 6 9 . Dies kann sich äußern i n den Möglichkeiten der Preisgestaltung, i n der Verhandlungsstärke, i n der Erlangung von Vorsprüngen gegenüber den Konkurrenten oder auch i n der Verminderung von technischen oder strategischen Fortschritten bei den anderen M a r k t teilnehmern. I I I . Der Wettbewerb außerhalb des Marktes Bei der Betrachtung des Wettbewerbs und seiner Beschränkung muß allerdings zusätzlich beachtet werden, daß auf den Wettbewerb nicht nur Faktoren aus dem jeweiligen eng umgrenzten Produktmarkt einw i r k e n können. „ M i t dem Hineinwachsen der nationalen Märkte i n übernationale Wirtschaftsgemeinschaften ändert sich . . . die Situation 7 0 ." Auch wenn grundsätzlich der deutsche M a r k t als relevant anzusehen ist, müssen dennoch Konkurrenten außerhalb der räumlichen Grenzen i n die Beurteilung des Wettbewerbs m i t einbezogen werden 7 1 . Ebenso zeigt sich, daß durch die gegenständliche Abgrenzung des Marktes oft nur ein Teil des Wettbewerbs erfaßt w i r d 7 2 . Da die Anzahl der Produkte ständig zunimmt, ergibt sich die Möglichkeit der Umstelzu einer wirklichkeitsnahen u n d dynamischen Theorie der Monopole u n d Oligopole. S. 249. β7 Haerry, S. 19. es Vgl. Borchardt / Fikentscher, S. 73. β» Vgl. hierzu auch die Erläuterung des RegE GWB, Begr. S. 21, zur „überragenden Marktstellung", w o auf die Größe des „Verhaltensspielraumes" u n d auf die „gewisse Unabhängigkeit beim Einsatz seiner A k t i o n s parameter" hingewiesen w i r d . 70 Tetzner, S. 163. 71 Vgl. RegE GWB, Begr. S. 18, 22, 28. Allgemein zur Problematik des Territorial-Markt-Konzeptes vgl. Edwards, The Changing Dimensions of Business Power, S. 240 f. 72 Zur Problematik des „relevanten Marktes" vgl. Kaufer, Die Bestimmung von Marktmacht, dargestellt am Problem des relevanten Marktes i n der amerikanischen A n t i t r u s t p o l i t i k ; vgl. auch Edwards, The Changing Dimensions, S. 242.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

lung des Angebots bzw. des Ausweichens auf andere Produkte 7 3 . Deshalb gewinnt m i t fortschreitender wirtschaftlicher Entwicklung „der Wettbewerb zwischen den (verschiedenen) Erzeugnissen immer mehr an Bedeutung" 7 4 . Diese i n der Theorie häufig vernachlässigte Tatsache 76 führt dazu, daß ein Unternehmen i n der Regel m i t wenigen Konkurrenten i n enger oligopolistischer Interdependenz steht, daneben aber m i t einer großen Zahl i n polypolistischem, heterogenem Wettbewerb 7 6 . Man spricht von sogenannten „chain oligopolies". Außer den Ausformungen der effektiven Konkurrenz hat aber auch die potentielle Konkurrenz 7 7 eine große Bedeutung. Sie w i r k t i n hohem Maße wettbewerbsverstärkend, da die Unternehmen bei ihrem Verhalten auch solche „Konkurrenten" berücksichtigen müssen, die zwar noch nicht auf dem M a r k t tätig sind, m i t deren Marktbeitritt aber jederzeit zu rechnen ist 7 8 . A l l e i n deren Vorhandensein hat eine „heilsame W i r k u n g " 7 9 . Es muß insbesondere bei der Preispolitik m i t eingerechnet werden, da hohe Gewinne die potentiellen Konkurrenten veranlassen würden, den M a r k t zu betreten, seine Kapazität zu erweitern und so Stellung und Gewinne der alten Anbieter zu verschlechtern 80 . Gerade i n hochkonzentrierten Märkten m i t der Tendenz zu konzentrierten A k tionen der Oligopolisten ist deshalb die Erhaltung dieser Wettbewerbsform wichtig 8 1 . Ein weiterer Aspekt der potentiellen Konkurrenz entsteht durch die steigende Zahl von Konglomeraten. Teilweise w i r d angenommen, daß sich damit eine neue Form des Wettbewerbs entwickelt hätte: die m u l 78 Vgl. Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 13; Meyer-Cording, S. 466. 74 C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 18; vgl. auch Clark, Z u m Begriff, S. 158 u n d 172. 75 Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 13. ™ Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 140 A n m . 1; C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 21 : „ B e i dem gegenwärtigen Stand unserer Wirtschaft k a n n m a n fast sagen, daß jedes Produkt i n Wettbewerb m i t allen anderen Produkten steht." Z u r Abgrenzung v o n reinem u n d heterogenem Oligopol vgl. Borchardt / Fikentscher, S. 13 f.; vgl. auch Sölter, Das Rätsel Wettbewerb, S. 524. 77 Clark, Competition, S. 14, spricht v o n „latenter Konkurrenz". 78 Frankus, S. 78; Petry, S. 554; vgl. auch Gutowski, Konglomerate U n t e r nehmensgröße, S. 14, der darauf hinweist, daß bei jeder Investition bedacht werden muß, ob während der Dauer der K a p i t a l b i n d u n g möglicherweise neue Anbieter den M a r k t betreten. 70 W i l l a r d F. Mueller, Merger Policy i n the D a i r y Industry, S. 85. 80 F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 136; W ü l a r d F. Mueller, Merger Policy, S. 86; Turner, S. 1364; Clark, Competition, S. 113; Kaufer, Die Bestimmung, S. 8 f.

ei W ü l a r d F. Mueller, The Current Merger Movement, S. 638; vgl. auch ders., Merger Policy, S. 90.

Α. Die Wettbewerbsbeschränkung als Untersuchungskriterium

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tiple Konkurrenz 8 2 . Sie soll die potentielle Konkurrenz a l l der großen Unternehmen darstellen, die jederzeit i n jeden gewinnbringenden M a r k t einbrechen könnten8®. Multiple Konkurrenz ist demnach der Wettbewerb aller diversifizierten Großunternehmen untereinander. Insgesamt erhalten die dargestellten Wettbewerbsformen eine besondere Bedeutung durch den Umstand, daß sie keine Marktgrenzen kennen. Daraus folgt, daß die Untersuchung möglicher Wettbewerbsverminderungen nicht auf einzelne Märkte beschränkt werden darf, vielmehr sind denkbare Veränderungen außerhalb dieser Bereiche i n die Prüfung m i t einzubeziehen. Das widerspricht nicht den oben zur Wettbewerbsbeschränkung ermittelten Kriterien, da die Frage der Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit eines Unternehmens von den Aktionen oder Reaktionen anderer Unternehmen nicht auf bestimmte Märkte bezogen ist. Die Betrachtung hat sich vielmehr immer auf alle von einem Zusammenschluß betroffenen Märkte zu erstrecken. I V . Zusammenfassung Für die nächsten Kapitel besteht nach den bisherigen Ergebnissen folgende Aufgabe: Es ist nachzuweisen, inwieweit und unter welchen Bedingungen durch konglomerate Zusammenschlüsse regelmäßig 84 fremde Unternehmen eine stärkere Abhängigkeit und die sich vereinigenden Unternehmen eine größere Unabhängigkeit beim Einsatz ihrer Aktionsparameter erlangen 85 . Hierbei muß festgestellt werden, von welchem Zeitpunkt ab die Neutralisierung solcher Veränderungen „nicht mehr dem M a r k t überlassen werden kann, sondern zur Aufgabe des Rechts w i r d " 8 6 . Deshalb sind die Auswirkungen der Konglomeration sowohl i n positiver als auch i n negativer Hinsicht zu prüfen, da erst ihre Gegenüberstellung zeigt, ob sich per Saldo eine Wettbewerbsbeschränkung ergibt, die eine Untersagung des Konzentrationsvorganges erfordert 8 7 . 82 Neumann, S. 668 ff., insb. S. 679; vgl. auch Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 270. 83 Vgl. auch Carlston / Treece, A n t i t r u s t and the Consumer Interest, S. 799 f.; zur K r i t i k der Theorie vgl. unten T e i l I I , C. I I I . 4. a). 84 Die Regelmäßigkeit der Beschränkung ist Voraussetzung f ü r die U n t e r sagung eines Zusammenschlusses. Ansonsten müßte die Mißbrauchsaufsicht eingreifen. Vgl. Borchardt / Fikentscher, S. 43 f. 85 Es muß allerdings wieder auf das Fehlen gesicherter Daten hingewiesen werden. "There is a serious 'information gap'." F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 13. 86 Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen i m Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 8. Vgl. zu diesem „quantitativen Element" auch Meyer-Cording, S. 472; vgl. auch Emmerich, S. 162.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

Beginnen muß die Untersuchung m i t einer Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Vorteile konglomerater Zusammenschlüsse, da sie die Grundlage einer größeren Unabhängigkeit i m Handeln, und damit einer möglichen Beschränkung des Wettbewerbs darstellen 88 .

B. Die wirtschaftlichen Vorteile der KonglomeratioD I. Die Auswirkungen der Konglomeration auf den technischen Fortschritt Als großer Vorteil der Konzentration w i r d vielfach ihre Auswirkung auf den technischen Fortschritt angesehen1. Man behauptet, daß die Innovationsanstrengungen der Unternehmen m i t ihrer Größe, ihren Gewinnen und ihrer Macht wachsen 2 und fügt bei Konglomeraten außerdem noch hinzu, daß sie aufgrund ihrer Unternehmensstruktur besonders innovationsfreudig seien*. Die Gegenmeinung vertritt die Ansicht, daß bei Großunternehmen eher die Möglichkeit von Widerstreben gegenüber Neuerungen, von fehlgeleiteten Investitionen oder überhöhten Kosten besteht 4 und daß zur Verwirklichung kapitalintensiver Forschung auch „Partnerschaften" zwischen selbständigen Unternehmen möglich seien 6 . Für beide Thesen besteht die Schwierigkeit der Überprüfung darin, daß sich technischer Fortschritt nicht messen läßt. Deshalb müssen seine einzelnen Faktoren betrachtet werden. Ansatzmöglichkeiten sind die Forschungsausgaben, ihre Ergebnisse und deren Anwendung 6 .

87 Petry, S. 556; vgl. auch Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 268; Günther, Probleme, S. 6 f. 88 Vgl. Davidow, S. 1257 f. ι Vgl. Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 267. 2 Schumpeter, Kapitalismus, S. 134 ff.; Salin, Soziologische Aspekte, S. 14; Z u r Beform des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 8; vgl. auch Lenel, Die Bedeutung der großen Unternehmen f ü r den technischen F o r t schritt, S. 4 f.; Marbach, Die Wirtschaftskonzentration, S. 185 f.; Galbraith, American Capitalism, S. 92 f. 3 Vgl. Richard R. Nelson, The Simple Economics of Basic Scientific Research, S. 303, 305. 4 C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 22. 5 Nieschlag, Die moderne Absatzwirtschaft i m L i c h t der Konzentration, S. 202. 6 Die Forschungsergebnisse entsprechen dem potentiellen, ihre Anwendung dem realen technischen Fortschritt. Vgl. J ü t t n e r - K r a m n y , Z u r Bedeutung der Unternehmensgrößen f ü r den technischen Fortschritt, S. 9.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

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1. Die Forschungsausgaben Grundsätzlich kann man davon ausgehen, daß Großunternehmen mehr für den technischen Fortschritt aufwenden als ihre kleineren Konkurrenten 7 . So zeigte sich, daß i n den USA von ca. 15 500 Unternehmen m i t eigenen Forschungsabteilungen die größten sieben 2 0 % des gesamten Forschungspersonals beschäftigten und 26 % der Ausgaben für R & D tätigten 8 . Die entsprechenden Zahlen für andere Länder lassen das gleiche erkennen 9 . Auch bei diversifizierten Unternehmen soll generell gelten, daß ihr A n t e i l an den Forschungsausgaben höher ist als bei anderen Firmen 1 0 . Kantzenbach weist jedoch zu Recht darauf hin, daß solche Zahlen nicht den nötigen Aussagewert haben, da die Relativziffern zu den Umsatzanteilen fehlen 11 . Betrachtet man diese, so vereinigten ζ. B. 1955 die größten vier der von Scherer i m Rahmen der Hearings vor dem Senatsausschuß untersuchten Unternehmen 19,9 % der Umsätze auf sich, aber nur 9,7 % der Beschäftigten für die Forschung 12 . Aus anderen Untersuchungen ergibt sich ähnliches 13 . Folglich kann man nicht davon ausgehen, daß die Forschungsausgaben immer i n Relation zur Unternehmensgröße wachsen 14 . Außerdem muß der Begriff „Forschungsausgaben" kritisch betrachtet werden. I n vielen Fällen w i r d aus steuerlichen oder anderen Gründen etwas als Forschungsausgabe ausgewiesen, was i m Grunde nicht dorth i n gehört 1 5 . Und auch m i t den tatsächlich auf Neuerungen zielenden Ausgaben w i r d oft keine echte Forschung angestrebt, sondern eher eine 7 Vgl. Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 774. Nach Hamberg, Size of F i r m , Oligopoly, and Research, S. 70, können 2/3 der Unterschiede, nach Bordiert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 267, die Hälfte durch die Größe erklärt werden. β Vgl. Kaysen, The Corporation, S. 86. 9 Vgl. Muttelsee, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 231 f. 10 So Bordiert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 266 f., unter Berufung auf Merkham, Testimoney before the Sub-Committee on the Judiciary, S. 2 f. I n der F.T.C.-Studie, Conglomerate Merger Performance, w i r d diese Ansicht nicht bestätigt. 11 Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 234. 12 Scherer, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1195; vgl. auch ders., F i r m Size, M a r k e t Structure, Opportunity and the Output of Patented Inventions, S. 1103 f. 13 Vgl. Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 97: „ I m V e r hältnis zu ihrem Umsatz sind . . . die Ausgaben der mittelgroßen U n t e r nehmen f ü r Forschung u n d Entwicklung höher." 14 Stillerman, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1082; Mansfield, I n dustrial Research and Development Expenditures, S. 334; J ü t t n e r - K r a m n y , S. 60 f. 15 Novick, bei Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 97; vgl. auch Herrman, S. 95; ebenso Lenel, Die Bedeutung, S. 12 f.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

Weiterentwicklung oder sogar nur eine Umgestaltung 16 . Bestes Beispiel dieser Richtung sind die amerikanischen Automobilfirmen, deren innovatorische Kreativität sich lange Zeit weitgehend i m Styling erschöpfte 17 . Beachtet man nur die auf echten technischen Fortschritt entfallenden Ausgaben, so zeigt sich, daß sie zwar i n manchen Fällen eine absolute Höhe erreichen, die von kleineren Unternehmen nicht mehr bewältigt werden könnte 1 8 . Die daraus gezogene generelle Folgerung, heute sei jede Neuerung sehr kompliziert und kostspielig 19 , so daß nur noch Großunternehmen — und damit auch Konglomerate — zum technischen Fortschritt beitragen könnten 2 0 , vermag allerdings nicht zu überzeugen. Es läßt sich vielmehr nachweisen, daß die Kosten der Forschung je nach ihrer A r t , ihrem Zweck und ihrer Durchführung sehr unterschiedlich sind und daher zumindest teilweise auch von kleineren Unternehmen bewältigt werden können 2 1 . Zusätzlich muß beachtet werden, daß die Kosten für die eigentliche Erfindung oft relativ gering sind, hohe Ausgaben entstehen erst bei der Vervollkommnung bis zur Produktionsreife 22 . Deren Notwendigkeit muß aber wenigstens dann angezweifelt werden, wenn die Entwicklung möglicherweise überstürzt und ohne sorgfältige Planung vorangetrieben wird, u m vor den Konkurrenten auf dem M a r k t zu sein und sie eventuell sogar durch ein Patent von der Produktion auszuschließen 25 . Selbst i n den Fällen, wo sich ein hoher Entwicklungsaufwand nicht umgehen läßt, folgt daraus noch nicht die generelle Notwendigkeit einer Bearbeitung durch Großunternehmen. Oft können auch kleinere Unternehmen die nötigen M i t t e l für die Vervollkommnung einer als gut 16 Blair, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1133; vgl. auch J ü t t n e r K r a m n y , S. 12 ff.; Hamberg, Invention i n the I n d u s t r i a l Research Laboratory, S. 99 ff.; vgl. auch die Zahlen bei Novick, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1244; Günther, Probleme, S.4; ebenso Richard R. Nelson, S. 297. 17 Vgl. Nader, Unsafe at any Speed, S. 211. 18 Vgl. Jewkes / Sawers / Stillerman, The Sources of Invention, S. 202; Lenel, Ursachen, S. 95. 19 Galbraith, American Capitalism, S. 91. 20 Salin, Soziologische Aspekte, S. 6. Auch J ü t t n e r - K r a m n y , S. 76 f., 89, ist i m Grunde dieser Ansicht, w e n n sie auch nicht verkennt, daß es A u s nahmen bzw. Branchenunterschiede gibt u n d daß die Persönlichkeit des Forschers oft wichtiger ist als seine Kapitalausstattung. 21 Mansfield, Size of F i r m , M a r k e t Structure and Innovation, S. 568; Lenel, Ursachen, S. 90; Scherer, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1189; ders., M a r k t s t r u k t u r , K n o w - h o w f ü r das M a r k e t i n g u n d die technologische Lücke, S. 166 f.; Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 224; J ü t t n e r - K r a m n y , S. 68 f., 79. 22 Vgl. Schlaifer, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1235; vgl. auch die Beispiele bei Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 22, 24, 202, 391. 28 Lenel, Ursachen, S. 97; ders., Die Bedeutung, S. 23 f.; ebenso J ü t t n e r K r a m n y , S. 84.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

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erkannten Erfindung beschaffen 24 . Deutliche Beispiele sind die Einführung neuer Technologien oder die Herstellung von Produkten m i t besonders komplizierter und teurer Technologie durch kleine und mittlere Unternehmen 2 5 . 2. Das Ergebnis der Forschung a) Die Forschungstätigkeit

im Großlabor

I m Rahmen der Forschungstätigkeit liegt der Vorteil der Großunternehmen i n ihren Großlaboratorien und der dort möglichen besseren Arbeitsteilung. Hinzu kommt, daß bei gleichzeitiger Bearbeitung mehrerer Vorhaben diese sich gegenseitig befruchten können 2 6 . I n der Praxis zeigen sich allerdings auch negative Auswirkungen 2 7 . Häufig führt die Größe der Forschungsabteilung zu Bürokratisierungstendenzen 28 , aufgrund derer dann die Verbindung zu Produktion und Kunden verloren geht. Es fehlt der i m Kleinbetrieb vorhandene Überblick über ihre Erfordernisse 29 . Gleichzeitig verschlechtert sich auch die Zusammenarbeit m i t der Unternehmensleitung 30 , die meist über die Durchführung von Forschungsvorhaben zu entscheiden hat 3 1 . Als Folge werden vorhandene Möglichkeiten verkannt und falsche Entscheidungen gefällt 3 2 , so daß die Organisation der Großbetriebe zu einem Hindernis für die Forschung wird 3 ®.

24 So Lenel, Ursachen, S. 96; vgl. auch seine Beispiele i n : Die Bedeutung, S. 14f.; vgl. auch Spethmann, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 238 f. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß es Forschungsbereiche gibt, i n denen die enormen Summen tatsächlich n u r von Großunternehmen oder nicht einmal v o n diesen aufgebracht werden können (Beispiel: Airbus). Vgl. J ü t t n e r - K r a m n y , S. 89. 25 Vgl. Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 42 f. 23 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 100; J ü t t n e r - K r a m n y , S. 93 f. 27 Scherer, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1190. 2 ® Ebenda, S. 1192; Lenel, Die Bedeutung, S. 20 f.; Novick, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1251; Lenel, Ursachen, S. 101. 29 Schmookler, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 12621 30 Vgl. Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 138; vgl. zu dieser Problematik auch Schlaifer, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1235; Hamberg, I n vention, S. 109. 31 Erfolge der Forschung sind daher „weitgehend eine Managementfunktion". H B Nr. 116 v. 20. 6. 72, S. 12. 32 Vgl. Lehmann, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1322; Hamberg, Invention, S. 109. 33 Gerken, Das Zwielicht der Forschung, S. 82 f., weist darauf hin, daß selbst die i m Großbetrieb vorgenommene Grundlagenforschung immer zielgerichtet ist, da ein „Themenplan" vorgegeben w i r d . Sie ist deshalb „ d i r e k t auf intentionale Fehlprognosen steuerbar". Kruber, Unternehmensgrößen, S. 60, h ä l t diese Schwierigkeiten f ü r weniger gravierend.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

Sie erschwert zudem die Arbeit fähiger Erfinder. Zwar üben bessere Bezahlung und größere Sicherheit i n Großunternehmen eine starke Anziehungskraft auf sie aus 34 , der dortige mehr bürokratische und auf teamwork zielende Arbeitsstil widerspricht aber oft ihrer Mentalität 3 5 . Dementsprechend versuchen sie, dem möglichen Konflikt aus dem Wege zu gehen und bleiben häufig selbständig oder arbeiten i n einem Kleinbetrieb 3 6 . Das statt dessen von der Großindustrie bevorzugte Forschungsteam kann die einzelne Erfinderpersönlichkeit aber nicht ersetzen 37 . Untersuchungen zeigen vielmehr, daß seine Rolle i m allgemeinen überschätzt w i r d 3 8 . Auch die Forschungsergebnisse bestätigen das. So ist beispielsweise i n der früher fast ausschließlich aus dem Großunternehmen Alcoa bestehenden amerikanischen Aluminiumindustrie nur eine von drei wichtigen Erfindungen für die Aluminiumherstellung gemacht worden 8 9 . I n der Schwerindustrie wurde weder das Sauerstoffblas-Verfahren noch das kontinuierliche Walzen und i n der Automobilindustrie weder die hydraulische Bremse noch die automatische Kupplung von den Großunternehmen entwickelt 4 0 . Selbst bei den Produktionsverfahren des Erdöls stammen die sieben wichtigsten Erfindungen nicht aus den Forschungslaboratorien der Erdölkonzerne, obwohl diese zu den größten der Welt gehören 41 . Insgesamt sind über die Hälfte aller bedeutenden Erfindungen der letzten Zeit unabhängigen Erfindern zu verdanken 4 2 . 34 So Lenel, Ursachen, S. 98; Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 775; ebenso J ü t t n e r - K r a m n y , S. 94 f., m i t Beispielen; a. A. Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 99. 35 Vgl. Gotta, Der Mann, der Erfindungen auf die Beine h i l f t ; De Simone, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1112; Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 190; vgl. Hamberg, Invention, S. 109; Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 83. 36 z.B. arbeiten v o n den 225 erfolgversprechendsten amerikanischen Forschern n u r vier i n den Laboratorien der Industrie. Vgl. Hamberg, Invention, S. 108. 37 Vgl. die Extremmeinung: „Teams do not t h i n k ; corporate institutions do not have ideas", bei Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 94. Vgl. auch Lenel, Die Bedeutung, S. 17. 38 Vgl. A r t h u r W. Lewis, Die Theorie des wirtschaftlichen Wachstums, S. 102 f.; vgl. auch den Bericht von De Simone, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1097 ff.; Lehmann, ebenda, S. 1312; Novick, ebenda, S. 1243; Cooper, ebenda, S. 1306; vgl. auch Klaue / Lampe / M a r k e r t / Petry / Reiniger, S. 18. 39 Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 169; nach Hamberg, Invention, S. 98, sogar n u r eine v o n sieben! 40 Stillerman, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 10831; Günther, Probleme, S. 3; Hamberg, Invention, S. 106. 41 Enos, I n v e n t i o n and Innovation i n the Petroleum Refining Industry, S. 1481 ff. 42 Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 82; vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 105; Hamberg, Invention, S. 99, spricht von 7 0 % ; ebenso Günther, Probleme, S. 3; Schmidt, Beseitigung des Ungleichgewichts, S. 210.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

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Ein Vergleich dieser Ergebnisse m i t den Forschungsanstrengungen der Großunternehmen führt zu dem Schluß, daß der hohe Aufwand i n keiner Relation zum herbeigeführten Erfolg steht 4 3 . Großunternehmen scheinen für den gleichen Erfolg mehr aufwenden zu müssen als Kleinunternehmen 44 . b) Die Besonderheiten

der Forschungstätigkeit

im Konglomerat

Konglomerate könnten allerdings eine Sonderstellung einnehmen. I m Gegensatz für Einproduktunternehmen, für die das Risiko zu groß ist 4 5 , können sie Grundlagenforschung betreiben 46 , wobei aufgrund der Flexibilität der Forschungsrichtung bessere Ergebnisse als sonst zu erwarten sind 4 7 . Bisher gibt es jedoch keine empirische Untersuchung, die nachweist, daß konglomerate Zusammenschlüsse tatsächlich zu verstärkter Grundlagenforschung führen. Sie scheinen vielmehr überhaupt keine Veränderung der Forschungstätigkeit zu bewirken 4 8 . Selbst das könnte allerdings als Vorteil der Konglomerate anzusehen sein. Behalten sie nämlich die dezentralisierte Forschung i n den einzelnen Unternehmensbereichen bei, so vermeiden sie organisatorische Hemmnisse, erweitern jedoch gleichzeitig ihre Kapitalgrundlage. Sie vereinigen also die Uberschaubarkeit eines kleinen Labors m i t der starken finanziellen Ausrüstung durch den Großbetrieb 49 . Gleichzeitig begeben sie sich aber gerade der Vorteile, m i t denen die Notwendigkeit von Großunternehmen begründet w i r d 5 0 : der Möglichkeit zur Vereinigung von Spezialisten verschiedener Fachrichtungen i n 43 Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 224; vgl. Jürgensen / Berg, S. 85; vgl. auch H B Nr. 116 v. 20. 6.1972, S. 12; Celler, Corporation Mergers, S. 8. 44 Cooper, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1296; Spencer M . Smith, ebenda, S. 1339; vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 104; Mansfield, Industrial Research, S. 336; Scherer, F i r m Size, S. 11031, 1121. 45 Z u r Frage des Risikos vgl. J ü t t n e r - K r a m n y , S. 85 ff. 43 Markham, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1273; vgl. a u d i Lenel, Ursachen, S. 103; J ü t t n e r - K r a m n y , S. 94. 47 Richard R. Nelson, S. 303; vgl. auch S. 299. Außerdem ist zu bedenken, daß jede Erfindung die Chance zu einer weiteren Erfindung oder F o r t entwicklung steigert, w e n n auch möglicherweise i n einem anderen Produktionsbereich. Vgl. Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 121 ff. 48 Vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, insb. S. 54. 4» Dies betont insb. Woroniak, Industrial Concentration i n Eastern Europe, S. 268. Auch Albach, Fusionskontrolle u n d Preisbildung v o n Unternehmen, S. 7, betont den V o r t e i l einer Verbindung von fortschrittlichen K l e i n u n t e r nehmen m i t der Finanzmacht eines Großkonzerns. Fraglich ist jedoch, ob dieser Vorteil von Dauer ist. Nach Aufnahme i n ein Konglomerat könnte das bisher innovatorische Kleinunternehmen auf G r u n d der neugewonnenen Sicherheit zur Unternehmenspolitik eines Großunternehmens übergehen. ßo Vgl. Lenel, Ursachen, S. 101.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

großen Laboratorien m i t dem Ziel der Durchführung grundlegender Forschungsvorhaben 51 . Insgesamt zeigt sich daher, daß die Forschungsergebnisse weder durch die Größe der Unternehmen noch durch ihre Verzweigung verbessert werden. Es entsteht vielmehr der gegenteilige Eindruck, der auch durch die Untersuchungsergebnisse der Federal Trade Commission unterstützt wird52. 3. Die Anwendung der Forschungsergebnisse I m allgemeinen w i r d nur ein geringer Prozentsatz der Forschungsvorhaben tatsächlich i n der Produktion verwertet, statistisch gesehen ca. 1 °/o bis 3 W 3 . Die Wahrscheinlichkeit ist umso geringer, je weniger die Erfindung i n die ursprüngliche Produktionsrichtung paßt 5 4 . Hier könnte die Konglomeration eine Lösung bringen, da jede Verbreiterung des Produktionsprogramms die Fähigkeit erhöht, Forschungsergebnisse i m eigenen Unternehmen wirtschaftlich auszuwerten 6 5 . Allerdings ist die Steigerung bei einer einzelnen Übernahme so minimal 6 6 , daß sie i m Rahmen einer Untersuchung der Fusionskontrolle außer Betracht bleiben muß. Notwendig wäre statt dessen ein funktionierender Erfindungsmarkt, der bisher aber nicht existiert 6 7 . Zwar werden teilweise zwischen Großunternehmen Lizenzen getauscht 68 , generell läßt sich jedoch ein m i t der Unternehmensgröße wachsender Widerstand gegen Erfindungen „von außen" erkennen 59 . Die Schwierigkeiten von Organisation und Management hemmen die Anwendung fremder Technologien 60 . 01

Vgl. hierzu auch Hamberg, Invention, S. 103 ff. Vgl. Celler, Corporation Mergers, S. 8; Hamberg, Invention, S. 115; Scherer, F i r m Size, S. 1114, 1116; F.T.C., Conglomerate Merger Performance, ζ. B. S. 54 u n d 75. 53 So K i n g , i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 217. 54 Vgl. Richard R. Nelson, S. 299. 55 Vgl. Markham, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 1273; vgl. auch Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 121 ff.; Kantzenbach, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 274. 5® Wie gering die Erfindungsverwertung ansteigt, zeigt Crawford Greenewald, Präsident bei E.I. d u Pont de Nemours & Co. E r beziffert die Z a h l der kommerziell genutzten Erfindungen selbst i n diesem stark diversifizierten Konzern n u r auf 5°/o. Vgl. Frankus, S. 107; vgl. auch Borchert, Konglomeration, S. 644. 57 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 94; Gotta, S. 28. 58 Vgl. Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 779 ff.; Haager, Die k o n glomerate Konzentration als Problem der Wettbewerbspolitik, S. 134. 60 Lenel, Ursachen, S. 94; ders., Die Bedeutung, S. 18. Sogenanntes „N.I.H.(Not Invented Here)-Prinzip": vgl. Blair, i n : Unternehmensgröße u n d W e t t bewerb, S. 83. 52

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

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Hinzu kommt, daß bei Großunternehmen gerne der natürlichen Tendenz zur Abwehr von Neuerungen nachgegeben w i r d 6 1 . Es ist das Sicherheitsgefühl, das Wissen u m die eigene Stärke, das zu einem Mangel an Schwung und Initiative führt 6 2 . Bei Konglomeraten gilt das auch. Zwar besitzen sie nicht notwendig marktstarke Positionen, aber die Ausbreitung über viele Märkte gibt ihnen eine derartige Standfestigkeit, daß sie sich auch ohne dauernde Pionierleistungen behaupten können 6 3 . Eine Untersuchung der F.T.C, hat sogar ergeben, daß Ausgaben für neue Betriebsstätten und Materialausrüstungen, wie sie für die Einführung von Neuerungen nötig wären, bei den Unternehmen nach Aufnahme i n ein Konglomerat durchschnittlich u m mehr als ein D r i t t e l sinken 6 4 . Insgesamt läßt dies den Schluß zu, daß kleine Unternehmen 6 5 den technischen Fortschritt schneller einführen als große 66 . Sie besitzen die dafür nötige Fähigkeit 6 7 und haben außerdem den nötigen Verwertungswillen, da sie unter einem größeren Innovationszwang stehen als Großunternehmen 6 8 . Die Tatsache, daß diese den überwiegenden Teil aller Patente halten 6 9 , steht einer solchen Aussage nicht entgegen. Wie sich bei der Konzen60 Vgl. allgemein zu den Schwierigkeiten der Unternehmensorganisation u n d - l e i t u n g unten T e i l I I , Β . I I . 3. 61 So Romney (ehem. Präsident der American Motors Corp.) zit. bei: Jürgensen / Berg, S. 101; C.P.C., Monopole u n d das öffentliche Interesse, S. 76; Gotta, S. 28; a. A . Mansfield, The Speed of Response of F i r m to N e w Techniques, S. 309 f., der die Schnelligkeit der A n w e n d u n g grundsätzlich als v o n der Größe abhängig ansieht. β2 Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 219; vgl. auch Hamberg, Invention, S. 102 A n m . 19. «3 Vgl. dazu unten T e ü I I , B. I I I . 64 Die Ausgaben gingen v o n 530 Mio. Dollar i m Jahr v o r dem A u f k a u f auf 334 Mio. Dollar i m Jahr nach dem A u f k a u f zurück. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 72 f. es „ K l e i n " bedeutet i m Rahmen der Fusionskontrolle: weniger als 500 Mio. D M Jahresumsatz, vgl. § 24 Abs. 8 Nr. 1 GWB. Die kleinen U n t e r nehmen sind deshalb absolut gesehen oft recht groß u n d haben finanziell keine Schwierigkeiten, neue Erfindungen anzuwenden. Vgl. Jürgensen / Berg, S. 108. 66 Vgl. die Beispiele, insb. aus dem Elektronikbereich, bei Blair, i n : U n ternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 42 f. 67 Nach Spethmann, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 238 ist ihre Fähigkeit sogar größer als die der Großunternehmen. ββ Vgl. Jürgensen/Berg, S. 108 u n d S. 100 f.; vgl. auch Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 123; vgl. auch die Beispiele bei Jewkes / Sawers / Stillerman, S. 219 A n m . 2, u n d bei Hamberg, Invention, S. 106 f. β» Der G r u n d hierfür mag auch i m „Schneeballeffekt" des Patentbesitzers liegen. Da der Besitzer vieler Patente wegen einer Kollision u . U . die E i n führung einer neuen, fremden Erfindung verhindern könnte, w i r d i h m diese oft v o n vornherein überlassen. Vgl. Lenel, Die Bedeutung, S. 22; ebenso Haager, S. 135.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

trationsenquete zeigte, werden von den Patenten der Großunternehmen nur 10 °/o bis 25 % w i r k l i c h genutzt 70 . Der Rest stärkt die Stellung der anmeldenden Unternehmen, indem er sie vor einer möglichen Verwertung durch die Konkurrenten schützt 71 . 4. Zusammenfassung Insgesamt läßt sich sagen, daß die Ausbreitung des technischen Fortschritts nicht nach bestimmten Regeln erfolgt 7 2 und daher auch nicht nur auf Großunternehmen oder nur auf Kleinunternehmen gestützt werden kann 7 3 . Es läßt sich nicht feststellen, daß Großunternehmen ein Ansporn der Forschungstätigkeit sind 7 4 . Selbst bei einer Vermehrung ihrer Anstrengungen ist nicht sicher, ob damit eine Intensivierung des Wettbewerbs erreicht werden soll oder vielleicht das Gegenteil 75 . Die Relation von A u f w a n d und Ertrag scheint bei Großunternehmen schlechter zu sein. Zwar haben Konglomerate unter Umständen bessere Möglichkeiten der praktischen Verwertung von Forschungsergebnissen, jedoch fehlt bei ihnen der direkte Zwang zur Einführung von Neuerungen, wie er bei kleineren Unternehmen besteht. Deshalb zeigt sich, daß häufig Kleinunternehmen die größeren Innovationsleistungen erbringen 7 6 . Echte Beweise gibt es allerdings weder für die These: "Innovation may w e l l be a most appropriate role for the small producer 7 7 ", noch für die Behauptung, daß Großunternehmen die Initiatoren des Fortschritts sind 7 8 . I m allgemeinen scheint vielmehr bei solchen Aussagen der Stand70 Konzentrationsenquete, S. 23 f., u n d Anlageband, S. 778. B e i kleinen u n d mittleren Unternehmen ist der Prozentsatz i n der Regel höher. Vgl. auch Günther, Probleme, S. 2. 71 Lenel, Ursachen, S. 98, u n d Die Bedeutung, S. 22; Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 777; Kruber, Unternehmensgrößen, S. 59; Haager, S. 1321; vgl. auch U.S. v. A l u m i n i u m Company of America, 148 F. 2d 416 (1945), wonach Alcoa die neuen Patente aufkaufte, durch die i h r M a r k t a n t e i l v o n 90 °/o hätte gefährdet werden können. 72 „Es gibt heute noch keine Theorie des technischen Fortschritts, die befriedigende Erklärungen über seine Ursachen u n d W i r k u n g e n liefern könnte." H B Nr. 116 v. 20. 6. 72, S. 12. 73 Vgl. J ü t t n e r - K r a m n y , S. 119; Scherer, M a r k t s t r u k t u r , S. 162, ist der Ansicht, daß Konzentration höchstens eine Folge erfolgreicher Innovation ist. 74 Hamberg, Size of F i r m , Oligopoly and Research, S. 74; Scherer, F i r m Size, S. 1122. 75 Vgl. auch Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 268. 76 Jürgensen / Berg, S. 108. 77 So Edwards, Dynamics of the United States Automobile Industry, S. 256, zit. nach Jürgensen / Berg, S. 100. 78 Vgl. hierzu Jürgensen / Berg, S. 91 f., insb. den Hinweis auf die Schwierigkeiten statistischer E r m i t t l u n g e n i n A n m . 1, S. 91; vgl. auch Lenel, Die Bedeutung, S. 9.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

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punkt des Untersuchenden eine große Rolle zu spielen 79 . Ein brauchbarer Hinweis läßt sich vielleicht den Untersuchungen der F.T.C, entnehmen. Hiernach brachte i n den Jahren nach einer Konglomeration nur weniger als ein Viertel der beobachteten Unternehmen neue Produkte auf den Markt, wobei diese wiederum nur teilweise Bedeutung i m Sinne wirklichen Fortschritts hatten 8 0 . Daraus folgt insgesamt, daß der technische Fortschritt weder eine Begründung für noch gegen die Konglomeration darstellt. Er ist deshalb für die Frage der Fusionskontrolle bei Konglomeraten irrelevant. I I . Die „economies" der konglomeraten Konzentration 1. Die Möglichkeiten der Rationalisierung und des Großeinkaufs Der zweite Ausgangspunkt für eine besonders starke Stellung der Konglomerate könnte i n den Kostenvorteilen der Größe liegen. Diese „economies of scale" beruhen auf der Tatsache, daß die verschiedenen Einzelprozesse i n einem Unternehmen sehr unterschiedliche Kapazitäten haben, die erst dann optimal ausgenutzt werden, wenn das kleinste gemeinsame Vielfache erreicht ist 8 1 . Demgemäß wirken economies konzentrationsfördernd, allerdings vor allem i n horizontaler Richtung 8 2 . Für die konglomerate Konzentration 8 3 haben sie eine geringere Bedeutung, da bei der Verschiedenartigkeit der hergestellten Güter i m Bereich von Produktion und Vertrieb keine economies zu erwarten sind 8 4 . Denkbar sind diese i m Rahmen des Einkaufs. Hier steigt die Konzessionsbereitschaft der Verkäufer m i t der Gesamtmenge des abgenommenen Gutes 85 , so daß Konglomerate unter Umständen „Konzernrabatte" beanspruchen können 8 6 . Als Beispiel gilt der Fall des RWE, das 7» Jürgensen / Berg, S. 88 ff. 80 So F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 75. ei Vgl. Penrose, S. 71; Schumacher, S. 136; Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 56; vgl. auch Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S. 151. 82 Lenel, Ursachen, S. 218; vgl. auch ders., Die Notwendigkeit, S. 22. Selbst bei einem Zukauf gleichartiger Betriebe ist allerdings nicht sicher, daß sich economies ergeben. " . . . there is no general agreement among economists as to whether or to w h a t extent the m u l t i p l a n t f i r m is more economical." Bain, Barriers to N e w Competition, S. 83. 83 Bei Diversifikationen sind economies abhängig v o m Grad der V e r wandtschaft. Vgl. Petry, S. 556; Schumacher, S. 136; Frankus, S. 106. 84 So ausdrücklich Petry, S. 556; vgl. auch Blair, The Conglomerate Merger, S. 1406; Lenel, Ursachen, S.47. 85 Vgl. Jürgensen / Berg, S. 78. Teilweise w i r d sogar angenommen, daß derartige Vorteile allein auf G r u n d der absoluten Größe eines Unternehmens gewährt würden. Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness, S. 339. 83 Allgemein zur Problematik solcher Rabatte vgl. A r n d t , Nachfragemacht u n d Konzentration, S. 23; vgl. auch Telser, Abusive Trade Practices, S. 501.

9 Emrich

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

bis 1945 den Ruhrkonzernen Mengenrabatte von 15 bis 18 °/o einräumte, abhängig von der insgesamt von allen Konzerngesellschaften verbrauchten Strommenge 87 . Heute scheinen derartige Möglichkeiten jedoch gering zu sein. Konglomerate halten es meist nicht einmal für nötig, ihren Einkauf zu zentralisieren 88 . Die Begründung mag i n der Tatsache zu suchen sein, daß auch „kleine" Unternehmen schon so attraktiv sind für ihre Zulieferer, daß sie ohne eine weitere Vergrößerung die „economies of largescale buying" ausnutzen können 8 9 . I m Einkauf vermögen daher genau wie bei Produktion und Vertrieb die Vorteile der Konglomeration nicht zu überzeugen 90 . 2. Die Vorteile bei der Werbung a) Die Marken-

und Massenwerbung

I m Rahmen der Werbung können economies durch verschiedene Maßnahmen entstehen. Einerseits kann die Werbung für mehrere Produkte i m Sinne einer Markenwerbung zusammengefaßt werden 9 1 . Dadurch ergibt sich sowohl eine Verringerung der Kosten als auch eine Verbesserung der Wirksamkeit 9 2 , und außerdem ist es möglich, bei einer Produktionsausdehnung verwandte Produkte ohne große Mehrkosten i n das bestehende Werbeprogramm zu übernehmen 93 . Reine Konglomerate besitzen allerdings nicht das für eine solche Zusammenfassung nötige „Gesamtunternehmens-Image", welches i n Form eines „goodwill" ausgewertet werden könnte. Schon die Tätigkeit i n vielen unterschiedlichen Märkten steht dem entgegen 94 . Hinzu kommt, daß den Kunden die umfassende Belieferung durch ein einziges Großunternehmen oft gerade nicht zum Bewußtsein kommen soll, da 87 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 198. 88 Vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 55. 8® Jürgensen / Berg, S. 80 ff. m i t Nachweisen; ebenso F A Z Nr. 28 v. 2.2.73, S. 14 (Bericht über BMW). Z u r Bezeichnung „ k l e i n " vgl. § 24 Abs. 8 G W B u n d schon oben T e i l I I , B. A n m . 65. 90 Vgl. auch Solomon, The Concentric Merger and Section 7 of the Clayton Act, S. 572. 91 Die Produktdifferenzierung durch Markenwerbung ist die gefährlichste aller Differenzierungsmöglichkeiten der unten bei b), insb. A n m . 104 u n d 105, angesprochenen A r t . Durch solche Differenzierungen können Gewinnsteigerungen bis zu 50 °/o entstehen. Vgl. Comanor / Wüson, Advertising, M a r k e t Structure and Performance, insb. S. 437; vgl. auch Borden, The Economic Effects of Advertising, S. 850. 92 Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 261. 9 « Ebenda; ebenso Sundhoff, Werbung als Faktor der Konzentration, S. 428; als Beispiel vgl. F.T.C, ν. Procter & Gamble Co., 386 U.S. 578 (1967); vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 276; Telser, Advertising and Competition, S. 557. m GfK., Konglomerate, S. 426; Turner, S. 1331; vgl. auch Sundhoff, S.428f.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

131

hierdurch ein Negativ-Image entstehen könnte 9 5 . Deshalb ist die Frage der Markenwerbung für die weitere Untersuchung irrelevant. Economies ergeben sich aber auch ohne Markenzusammenfassung allein aus dem Prinzip des Mengeneinkaufs. Selbst die Häufung verschiedenartiger Werbung führt teilweise zu günstigeren Konditionen 9 6 , so daß auch Konglomerate ihre Werbung verbilligen könnten. Bestes Beispiel ist das Fernsehen. Seine Werbesekunden werden nicht nur m i t der Länge der Sendung billiger, es gewährt zusätzlich auch Konzernrabatte 9 7 . Allerdings w i r d diese Möglichkeit von Konglomeraten kaum genutzt 9 8 . Genau wie beim Einkauf anderer Waren scheinen sie den erreichbaren Vorteil gering einzuschätzen und nehmen die notwendige Zentralisierung der Werbung nicht vor 9 9 . Deshalb ist der Aspekt der economies bei Konglomeraten auch i m Bezug auf die Massenwerbung weniger interessant. b) Die Schwerpunktbildung

und ihre Folgen

Bedeutsamer ist die Möglichkeit der Schwerpunktbildung 1 0 0 . Ein Unternehmen wie Unilever kann beispielsweise seine Werbeaufwendungen vorzugsweise für Margarine oder für Seife oder für eine andere Produktgruppe einsetzen. Dadurch hat es die Fähigkeit, auch kostenintensive Werbeträger wie Rundfunk und Fernsehen zu benutzen 1 0 1 , während seine Konkurrenten das für eine gute Wirksamkeit notwendige Mindestmaß an Umfang und Dauer u. U. nicht bezahlen können 1 0 2 . 95 Dies zeigt sich auch bei den verschiedenen Zigaretten- oder Waschmittelmarken. Die Werbung soll bei ihnen gerade verschleiern, daß es sich i m Grunde u m einige wenige Anbieter handelt. Vgl. Loewenheim, Warenzeichen u n d Wettbewerbsbeschränkung, S. 6; vgl. z u m Negativ-Image auch schon oben T e i l I , Α . I I . 3. a). 96 Vgl. Frankus, S.102f.; Sundhoff, S.418f.; Lenel, Ursachen, S.272; Nieschlag, S. 203; Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 495. I m F a l l v o n Clorox (vgl. oben T e i l I, C. I I I . 3. c) w u r d e n Rabatte v o n 33°/o gewährt, während sich das Unternehmen v o r der Übernahme durch Procter & Gamble m i t 6 % hatte begnügen müssen. Vgl. Harms, Conglomerate Mergers, S. 872; Telser, Abusive Trade Practices, S. 500. 97 Eine Sendung v o n 60 Sekunden kostet j e Sekunde etwa 2 9 % weniger als eine solche v o n n u r 15 Sekunden. Zusätzlich gewährten 1961 vier v o n sieben Gesellschaften f ü r Werbung i m R u n d f u n k u n d vier der acht Gesellschaften f ü r Werbung i m Fernsehen Konzernrabatte. Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 498 ff. 9 ® Vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 68. 99 Das k a n n auch a m Prinzip der Dezentralisierung u n d den dadurch entstehenden Führungsschwierigkeiten liegen. Vgl. unten T e i l I I , Β . I I . 3. 109 Vgl. Haager, S. 168. Auch seine auf S. 71 f. angeführten Beispiele sind darauf zurückzuführen. Vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 277. 101 Sundhoff, S. 420; Nieschlag, S.203. M u n d o r f / Rinsche, Finanzwirtschaftliche Aspekte werbungsbedingter Konzentration, S. 11, sprechen deshalb v o n

9*

132

T e i l I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

H i n z u k o m m t , daß d e r E r f o l g d e r W e r b u n g m i t z u n e h m e n d e m A u f w a n d ü b e r p r o p o r t i o n a l s t e i g t 1 0 3 . G r o ß u n t e r n e h m e n — insbesondere K o n g l o m e r a t e — h a b e n deshalb v o r i h r e n k l e i n e r e n K o n k u r r e n t e n e i n e n V o r s p r u n g , d e n diese k a u m e i n h o l e n k ö n n e n . E r w i r d zusätzlich v e r g r ö ß e r t , w e n n d i e U n t e r n e h m e n i m R a h m e n e i n e r S u g g e s t i v w e r b u n g 1 0 4 d u r c h D i f f e r e n z i e r u n g a n sich h o m o g e n e r W a r e n g r u p p e n f ü r d i e eigenen P r o d u k t e T e i l m ä r k t e a u f b a u e n 1 0 5 . H i e r d u r c h schalten sie d e n L e i s t u n g s w e t t b e w e r b aus u n d f ü h r e n e i n e n r e i n e n W e r b u n g s w e t t b e w e r b d u r c h 1 0 6 , d e m K l e i n u n t e r n e h m e n n i c h t gewachsen sind. I n s g e s a m t z e i g t sich, daß d e r besondere E r f o l g i n t e n s i v e r W e r b u n g eine E r h ö h u n g d e r o p t i m a l e n U n t e r n e h m e n s g r ö ß e z u r F o l g e h a t 1 0 7 , u n d s o m i t eine V e r s t ä r k u n g d e r K o n z e n t r a t i o n 1 0 8 . E r i s t v o l k s w i r t s c h a f t l i c h negativ zu bewerten u n d müßte verhindert werden. A l l e r d i n g s i s t z u beachten, daß K o n g l o m e r a t e i h r e n E r f o l g d u r c h eine S c h w e r p u n k t b i l d u n g e r z i e l e n 1 0 9 . Solange k e i n e besonderen F i n a n z „ E x k l u s i v w e r b u n g " i m Gegensatz zur „offenen Werbung", die allen möglich ist. 102 v g l . Nieschlag, S. 203; vgl. auch Sundhoff, S.425; Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S. 172 f. io» Konzentrationsenquete, S. 21; Sundhoff, S.419; M u n d o r f / Rinsche, S. 60. 104 Sombart, Bd. I I I , 2., S. 559 ff., spricht insoweit v o n „Suggestionskonkurrenz". 105 v g l . hierzu Jürgensen / Berg, S. 139 ff.; Loewenheim, S. 67 u n d 269. Die dabei entstehenden Präferenzen der Käufer machen die Nachfrage relativ unempfindlich gegen Preisschwankungen. Eine Preisherabsetzung l o h n t sich daher nicht, u n d Kostenersparnisse werden nicht weitergegeben. loo Sombart, Bd. I I I , 2., S. 561 : „ I h r (der Suggestionskonkurrenz) eigentlicher Sinn besteht j a darin, Käufer gerade auch zu finden ohne Leistung." Vgl. auch B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1972, S. 11; Bieler, Gedanken zur Tiefenpsychologie u n d zum Grundsatz der Sachlichkeit der Werbung, S. 530; Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S. 215, 216 ff. 107 Vgl. hierzu insb. Sundhoff, S. 415; Bain, Industrial Organisation, S. 173; a. A . Telser, Advertising, S. 557, der die Steigerung der optimalen U n t e r nehmensgröße bestreitet. Vgl. aber die Beispiele der amerikanischen Z i garetten» u n d Zahnpastehersteller bei Groß, Small Business i m großen M a r k t , S. 37; Borden, S. 555 f. Grundlage der höheren optimalen U n t e r nehmensgröße ist der bei erfolgreicher Werbung zunehmende Unterschied zwischen der produktionsminimalen u n d der gewinnmaximalen A u s b r i n gungsmenge. los „Die Hauptursache der Konzentration ist die Werbung." Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 191; vgl. auch Sundhoff, S. 423; M u n d o r f / Rinsche, S. 55 ff.; Streißler, Die gesamtwirtschaftlichen Funktionen der Werbung, S. 275; M a n n / Henning / Meehan, Advertising and Concentration: A n E m pirical Investigation; a. A . Telser, Advertising, S. 558 u n d 546, der aus dem m i t wachsender Konzentration sinkenden Werbeaufwand pro Stück den falschen Schluß zieht, daß die Konzentration nicht i n Korrelation z u m Werbeaufwand stehe. loo D a m i t steht ihnen also die a m ehesten zur Produktdifferenzierung führende u n d somit gefährlichste A r t der Werbung, die M a r k e n - bzw.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

133

reserven vorhanden sind, müssen den Werbungsvorsprüngen i n einem Unternehmensbereich also Nachteile bei anderen Produkten gegenüberstehen. Deshalb ist die Gefährlichkeit der Werbung i m Konglomerat i n starkem Maße eine Frage der Möglichkeit zur Kapitalverschiebung 11 0 . 3. Die organisatorischen Größenvorteile a) Das Organisationsprinzip

im Konglomerat

I n organisatorischer Hinsicht ist als Folge von Unternehmenszusammenschlüssen eine Umlenkung der Leitungskapazitäten und damit ein besserer Einsatz der Führungskräfte denkbar 1 1 1 . Es kann sich eine Verringerung des Managements bei gleichzeitiger besserer Auslastung ergeben 112 . Konglomerate haben allerdings aufgrund der Unterschiedlichkeit ihrer Produktionszweige Probleme, die eine Straffung der Verwaltung unwahrscheinlich werden lassen 113 . Es müssen sehr viele Konzeptionen und Vorstellungen aufeinander abgestimmt werden, u m einen Gesamtplan und eine Einheitlichkeit des Unternehmens zu erhalten 1 1 4 . Deshalb wächst die Zahl der notwendigen Kontakte und Entscheidungsprozesse 115 . M i t diesem Wachstum ergibt sich das Problem möglicher Bürokratisierungstendenzen 116 und — als Folge — mangelnder Beweglichkeit 1 1 7 . Konglomerate können steuerungstechnisch inflexibel sein, w e i l die Verbindung zwischen Unternehmensbasis und -leitung durch zu viele Instanzen und Kompetenzen behindert w i r d 1 1 8 . U m dem zu begegnen, haben Konglomerate ausnahmslos den Weg der Dezentralisierung eingeschlagen. Sie haben die funktionale FühGesamtunternehmenswerbung, nicht zur Verfügung. Sie bleibt „ f u l l - l i n e selling" betreibenden bzw. horizontal oder v e r t i k a l strukturierten U n t e r nehmen vorbehalten. 110 Vgl. dazu unten T e i l I I , B. I I I . 1. b) u n d zu den Grundlagen des Verlustausgleichs T e i l I I I , A . dieser Arbeit. m Gort, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 676 f. 112 Schumacher, S. 136; Edwards, The Changing Dimensions, S. 255. 113 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 216; ebenso Gaelweiler, Sind Divisions Lebensretter? S. 4. 114 v. Beckerath, Der moderne Industrialismus, S. 57; Wiedenfeld, Kartelle u n d Konzerne, S. 31. 115 Sidow, Der bewegliche Moloch, S. 1261. ne Lenel, Ursachen, S. 343 f. u n d S. 61; Wiedenfeld, S. 31 f.; v. Beckerath, Der moderne Industrialismus, S. 57; W i l l y O. Wegenstein (Unternehmensberater), SZ Nr. 56 v. 8.3.1972, S. 25; vgl. auch Solomon, The Concentric Merger and Section 7 of the Clayton Act, S. 572. 117 Vgl. dazu unten T e i l I I , B. I I I . 2. ne GfK., Konglomerate, S. 430; vgl. auch Sölter, Das Mischunternehmen, S. 162; Jürgensen / Berg, S. 117.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

rungsstruktur m i t ihrer „zentralistisch-bürokratischen Entscheidungshierarchie" zugunsten einer divisionalen Organisationsform aufgegeben 119 . Dabei gingen sie von der Erkenntnis aus, daß das Unternehmen ein System m i t verschiedenen Untersystemen ist 1 2 0 . Die Verlagerung der Verantwortung auf eine möglichst niedrige Stufe hat den Vorteil, daß sich Großkonzerne i n eine Reihe von mittleren Unternehmen verwandeln 1 2 1 . Da außerdem die einzelnen Operationsbereiche verschiedenen Märkten zugeordnet sind 1 2 2 , ergibt sich insgesamt die Möglichkeit schnellerer und vor allem besserer Entscheidungen 123 . b) Die Führungsprobleme

im Konglomerat

Der Erfolg einer derartigen Unternehmensstruktur ist aber abhängig vom Zusammenspiel der einzelnen Bereiche m i t der Konzernspitze. Diese übt nämlich — trotz der Selbständigkeit der Divisions — eine Koordinierungsfunktion aus 1 2 4 . Sie beschäftigt sich m i t Langfristplanung, während die Tagesarbeit delegiert w i r d 1 2 5 . Dabei entstehen Reibungsprobleme 126 , die sowohl auf Bürokratisierungstendenzen als auch auf der unterschiedlichen Zielsetzung von Zentrale und profit centers beruhen. U m sie zu lösen, brauchen Konglomerate ein funktionstüchtiges Informations-, Kontroll- und Steuerinstrument 1 2 7 und eine fähige Unternehmensleitung 1 2 8 . Sie sind dementsprechend „aufwendiger i m Bezug auf qualifizierte Führungskräfte" als andere Unternehmen 1 2 9 . u» Gaelweiler, S.4; GfK., Konglomerate, S.427; vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 344; F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 44. 120 Gaelweiler, S.4. 121 James J. L i n g (LTV), zit. bei: Peter Bauer, S. 35. Sie arbeiten häufig als „ p r o f i t centers". Vgl. Harrmann, Divisionale oder funktionale A u f b a u organisation, S. 538; Klee, Planung u n d V e r w i r k l i c h u n g leistungsorientierter Führungsorganisation, S. 2382. 122 Es gibt a u d i die Möglichkeit der Einteüung nach Regionen, wobei aber „die marktorientierte Lösung die optimale darstellt". Danert, zit. nach Harrmann, S. 538. 123 Sidow, S. 1262; Gaelweiler, S.4. 124 Klee, S. 2382; vgl. auch F A Z Nr. 265 v. 13.11.1973, S. 15, u n d die dortigen Hinweise auf die straffe Unternehmensführung bei Sperry Rand. 125 Harrmann, S. 538. 12« Vgl. auch F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 10; Wiedenfeld, S. 32. 127 Vgl. Harrmann, S. 540; GfK., Konglomerate, S. 433. Nach Geneen, S. 7, werden hierfür teüweise bis zu 2 0 0 0 Spezialisten benötigt. 128 vgl. Lenel, Ursachen, S. 334; vgl. a u d i das Beispiel K r u p p , i n : K r u k , Das Führungs-Debakel bei K r u p p ; vgl. auch Richardson, S. 10; Penrose, S. 44 ff. 129 Gaelweüer, S.4; ebenso Harrmann, S.539.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

135

Hierin liegt ein Problem, das nach Ansicht insbesondere europäischer Experten nicht zu überwinden ist. Für sie gilt die Spezialisierung als Vorteil: „ W i r haben . . . gegenüber den Amerikanern . . . die Stärke, . . . daß w i r von unseren Geschäften i m Detail mehr verstehen 1 3 0 ." Auch bei Preussag hat man sich deshalb von so bekannten Produkten wie Odol, Fissan oder Dr. Bests Zahnbürsten getrennt und damit die „verhängnisvolle Zersplitterung" beendet 131 . Dies zeigt, daß die Leitungsprobleme i m Konglomerat nur schwer zu lösen sind 1 3 2 . Man braucht dazu viele hervorragende Führungspersönlichkeiten 13 ®. Daß Unternehmen sie jedoch als Folge einer Konglomeration erhalten, läßt sich nicht nachweisen. Vielmehr ergibt die Statistik, daß sich an der Unternehmensspitze i n der Regel überhaupt nichts ändert 1 3 4 . Meist hat das alte Management sogar schon während der Übernahmeverhandlungen eine „Bestandsgarantie" erhalten 1 3 6 . Dementsprechend läßt sich die These nicht belegen, daß Konglomerationen grundsätzlich zu einer Straffung der Verwaltung und einer Verbesserung der Unternehmensleitung führen. Allerdings gibt es auch keinen Beweis der generellen Überlegenheit kleiner Unternehmen 1 3 6 . Beide Fälle sind denkbar, aber keiner kann als Begründung für oder gegen die Fusionskontrolle herangezogen werden. Insgesamt gesehen scheinen „economies" den Konglomeraten weniger Vorteile zu bringen als gemeinhin angenommen 137 . Selbst die tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten der Werbung werden von den Konglomeraten kaum genutzt 1 3 8 . Folglich ist generell weder ein positiver noch ein negativer Effekt zu erkennen 1 3 0 . 130 Tacke (Vorstandsvorsitzender der Siemens AG), A k t u e l l e unternehmerische Wettbewerbsperspektiven, S. 30. « ι Vgl. Bericht der F A Z Nr. 301 v. 28.12.1973, S. 15. 132 Manche Unternehmen muß ten deshalb ihre divisionale S t r u k t u r wieder aufgeben u n d kehrten zur zentralen Organisation zurück. Harrmann, S. 545. iss v g l . Lenel, Ursachen, S. 330 ff. 134 F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 59. N u r 9,5 % des Managements wechselt unmittelbar nach einer Übernahme. 13 s Ebenda, S. 58. Die übernehmende F i r m a benötigt den „ g o o d w i l l " des Managements der anderen F i r m a bei Übernahmeverhandlungen. 136 Vgl. Jürgensen / Berg, S. 115 f.; Sieber, S. 82; vgl. auch Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S. 152; Busse v o n Cölbe, Verwaltungs- u n d Vertriebskosten wachsender Industrieunternehmen, S. 314. 137 So auch Lorie / Halpern, Conglomerates: The Rhetoric and the Evidence, S. 156: "Over the past ten years there have been hundreds of conglomerate mergers. The absence of a single w e l l documented case of economies of scale resulting from conglomeration w h i c h led to significant monopoly power should do something to calm the fearful." Ebenso Solomon, S. 572; Haager, S. 149. 138 Vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 68.

136

Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb ΙΠ. Die Strukturflexibilität des Konglomerats 1. Die Krisenfestigkeit a) Das Standvermögen

des Konglomerats

Als Vorteil der Großunternehmen und insbesondere der Konglomerate gilt, daß sie Krisenjahre besser überstehen können 1 4 0 . So stieg ζ. B. 1967 der Umsatz der zehn größten deutschen Unternehmen u m 2,5 °/o, während der gesamte Industrieumsatz gleichzeitig u m 1,9 °/o sank 1 4 1 . Ebenso konnte Alfa Romeo als Teil des staatlichen Istituto per la Ricostruzione Industriale (IRI), der größten italienischen Firmengruppe, ohne Schwierigkeiten die fünfziger Jahre überstehen, obwohl Alfa Romeo lange Zeit m i t Verlust arbeitete 1 4 2 . Die große Chance der Konglomerate liegt i n ihrer Möglichkeit, die Risiken zu mischen 143 . Wie oben schon dargelegt, sind alle Produkte — und damit auch die Unternehmen — einem gewissen A u f und A b unterworfen 1 4 4 . Sie werden von den unterschiedlichsten Schwankungen getroffen, seien es Produktzyklen, Saisonschwankungen, K o n j u n k t u r schwankungen oder Strukturänderungen 1 4 5 . Verbindet nun ein Unternehmer Produkte oder Produktionsprozesse sehr verschiedener A r t , so vermindert er damit die von den negativen Umständen i n einer Produktionssparte ausgehenden Folgen für das Gesamtunternehmen 146 . Während Einproduktunternehmen Existenzschwierigkeiten bekommen, w i r d i m Konglomerat nur ein Teil des Konzerns betroffen. Die K r a f t des anderen Teils bleibt erhalten oder w i r d zumindest weniger geschwächt 147 . Folglich verringert sich i m Konglomerat das Unternehmensrisiko 1 4 8 . is» Ebenda, S. 85. Auch die Tatsache, daß die Unternehmensgewinne bei Konglomeraten nicht höher sind als bei ihren jeweiligen Konkurrenten, spricht dafür, daß es keinen generell positiven Effekt durch economies gibt. Vgl. ebenda, S. 40; m i t gleichem Ergebnis F A Z Nr. 62 v. 14. 3.1974, S. 14 (nach einer Studie des H a r v a r d Business Review). i « Vgl. Jürgensen / Berg, S. 158; vgl. auch oben T e ü l , B . I V . l . 141 Vgl. Huffschmid, S. 46. Es gibt allerdings auch Gegenbeispiele. So ging 1958 der Umsatz der fünfzig größten amerikanischen Unternehmen u m 8,2 °/o zurück, während gleichzeitig der durchschnittliche Rückgang n u r 3,6 °/o betrug. Lenel, Ursachen, S. 222 A n m . 204. 14ä v g l . Jürgensen / Berg, S. 158. 143 Sölter, Diversifikative Konzentration, S. 56. 144 Vgl. dazu oben T e i l l , B . I V . l . ; vgl. auch Frankus, S.41. 146 vgl. Frankus, S. 42 f. 146 Gort, Diversification and Integration, S. 4; Lenel, Ursachen, S. 219 ff. 147 v g l . Lenel, Ursachen, S. 201. 14« Sölter, Das Mischunternehmen, S. 157 f., u n d ders., Diversifikative Konzentration, S. 56.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration b) Die Möglichkeit

137

des Verlustausgleichs

Die Konglomeration bietet zusätzlich den Vorteil des sogenannten Mischkalkulationsspielraumes 149 . Durch die Tätigkeit i n verschiedenen Märkten ergibt sich die Möglichkeit, w i l l k ü r l i c h Ressourcen aus dem einen i n einen anderen Markt zu transferieren 150 . Deshalb können Gewinne aus dem Absatz eines Produktes zur Kompensation von Verlusten bei anderen Erzeugnissen eingesetzt werden 1 5 1 . Etwaige Konjunkturschwankungen werden ausgeglichen, und das Gesamtunternehmen w i r d durch die interne Subventionierung 1 5 2 praktisch krisensicher gemacht 153 . Als Folge ist das Konglomerat nicht mehr darauf angewiesen, die Deckung seiner Kosten bzw. die Erwirtschaftung eines möglichst großen Gewinnes bei jedem einzelnen Produkt durchzusetzen 154 . Statt dessen kann es sich am „totalen" Unternehmenserfolg orientieren 1 5 5 und dabei u. U. auch Verluste i n einem Produktionszweig hinnehmen. Grundlage dieser Unternehmenspolitik ist zum Teil die A r t der Kostenrechnung. Bei dem traditionellen Verfahren der Vollkostenrechnung werden die fixen Gemeinkosten auf die einzelnen Kostenträger des Unternehmens aufgeteilt. Dadurch läßt sich immer erkennen, ob ein Produkt Gewinn erwirtschaftet oder nicht. Allerdings sind die Zurechnungsprobleme für Mehrproduktunternehmen derart groß, daß sich eine gewisse W i l l k ü r nicht vermeiden läßt 1 5 6 . Deshalb w i r d heute weitgehend auf eine Verteilung der Gemeinkosten verzichtet 1 5 7 . I m Rahmen der Teilkostenrechnung werden für das jeweilige Produkt nur die direkt zurechenbaren Kosten ermittelt 1 5 8 . Die Differenz zwischen diesen Kosten und dem Produkterlös, der sogenannte Deckungsbeitrag, gibt an, wieviel das Produkt zur Deckung der nicht zurechenbaren Gemeinkosten und des Unternehmensgewinns 14® Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 123. 150 v g l . Edwards, The Changing Dimensions, S. 253. 151 Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness, S. 350; Kantzenbach, Die F u n k tionsfähigkeit, S. 123. 152 Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 211. 153 A r n d t , Aufgaben u n d Gefahren der Konzentration f ü r den freien U n ternehmer, S. 464. 154 Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 211; Schumacher, S. 149; Stützel S. 932. iss vgl. auch Kruber, Bemerkungen, S. 225. 156 Kruber, Bemerkungen, S. 224 f.; vgl. auch Seidenfus, M e h r p r o d u k t unternehmen, S. 212; Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2, S. 357. 157 Kruber, Bemerkungen, S. 225. 158 Daher: "direct costing".

138

T e i l I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

b e i t r ä g t 1 5 9 . D e r tatsächliche P r o d u k t g e w i n n l ä ß t sich j e d o c h n i c h t feststellen160. Dadurch entsteht die Möglichkeit v o n „Verzerrungen der Preiskalkul a t i o n dieser ( M e h r p r o d u k t - ) U n t e r n e h m e n , gemessen a n der K a l k u l a t i o n e i n e r E i n p r o d u k t u n t e r n e h m u n g " 1 6 1 . W ä h r e n d e i n Preis, d e r n u r d i e d i r e k t zurechenbaren K o s t e n deckt, b e i V o l l k o s t e n r e c h n u n g als v e r l u s t b r i n g e n d angesehen w i r d , erscheint er b e i T e i l k o s t e n r e c h n u n g ( i m M e h r p r o d u k t e n u n t e r n e h m e n ) als l o h n e n d , w e i l er e i n e n p o s i t i v e n D e k kungsbeitrag b r i n g t 1 6 2 u n d somit zur Kapazitätsauslastung beiträgt 163. Selbst b e i n e g a t i v e m D e c k u n g s b e i t r a g , w e n n also d e r „ U n t e r k o s t e n v e r k a u f " 1 6 4 k l a r z u e r k e n n e n ist, w i r d a b e r i m M e h r p r o d u k t u n t e r n e h m e n die P r o d u k t i o n m ö g l i c h e r w e i s e n i c h t eingestellt. D a d i e U n t e r n e h m e n s l e i t u n g n u r a m E r f o l g des ganzen U n t e r n e h m e n s u n d n i c h t a m G e w i n n des e i n z e l n e n Erzeugnisses i n t e r e s s i e r t i s t 1 6 5 , sieht sie u . U . sog a r d i e P r o d u k t i o n eines V e r l u s t b r i n g e r s insgesamt als n u t z b r i n g e n d an166. D e r E i n w a n d , eine d e r a r t i g e S u b v e n t i o n i e r u n g k ö n n t e b e i U n t e r nehmen m i t divisionaler S t r u k t u r nicht v o r k o m m e n 1 6 7 , ist unzutreffend. *ββ Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 212; Kruber, Bemerkungen, S.225. U m festzustellen, welches der Mindestpreis eines Gutes ist, w i r d oft ein sog. „Solldeckungsbeitrag" festgesetzt. Vgl. Schneider, Kostentheorie u n d verursachungsgemäße Kostenrechnung, S. 694. Da die tatsächlichen (nicht direkt zurechenbaren) Kosten aber unbekannt u n d nicht zu ermitteln sind (vgl. Kruber, Bemerkungen, S. 226), ergibt sich bei dieser Festsetzung automatisch eine, w e n n auch unbeabsichtigte, interne Subventionierung (unconscious subsidy). Vgl. Edwards, The Changing Dimensions, S. 255. Schumacher, S. 148. Vgl. ebenda, S. 146. Z u m Problem von Rentabilität u n d Rentabilitätsvergleich bei unterschiedlicher Kostenrechnung vgl. K r u b e r , Bemerkungen, S. 226. ies Nicht der absolute Deckungsbeitrag ist entscheidend, sondern der „spezifische", der als Maß der „Ergiebigkeit" aussagt, w i e stark ein Engpaß oder ein Kostengut ausgenutzt w i r d . Vgl. Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 212. „ I n einem nach Rentabilitätsgesichtspunkten geführten M e h r p r o d u k t unternehmen w i r d die Erzeugung eines Gutes so lange ausgedehnt, w i e es i m Rahmen eines unter Berücksichtigung der Kapazitäts- u n d Absatzbedingungen des Unternehmens erstellten »optimalen Fertigungsprogramms* dazu beiträgt, den Deckungsbeitrag zu erhöhen." K r u b e r , Bemerkungen, S. 226; Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 20. I m N o r m a l f a l l w i r d der „Unterkostenverkauf" so verstanden, daß die d i r e k t zurechenbaren Kosten noch gedeckt sind. Vgl. Gutenberg, Grundlagen, Bd. 2, S. 358. Es handelt sich also i m Sinne der Deckungsbeitragsrechnung u m keinen Unterkostenverkauf, ies vgl. Blair, S. 1407. 166 Dies liegt i n dem Unterschied von M a r k t r e n t a b i l i t ä t u n d betriebswirtschaftlicher Rentabilität begründet. z.B. k a n n bei komplementären Gütern (full-line-selling) die Produktion des Gutes A den Absatz des Gutes Β fördern, so daß der Mehrgewinn bei Β den Verlust bei A überwiegt. Vgl. Schumacher, S. 148 u n d 146; vgl. auch Gutenberg, Grundlagen, Bd. 2, S. 357 f.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

139

Selbst wenn die einzelnen Divisions als profit centers arbeiten und daher auf einen Gewinn ihrer Produkte bedacht sein müssen, kann eine Weisung der Zentrale die Aufrechterhaltung auch unrentabler Produktionen herbeiführen 1 6 8 . c) Die Kapitalbeschaffung

im

Großunternehmen

Genau wie die interne Subventionierung betriebswirtschaftlich gesehen ein M i t t e l zur Unternehmensoptimierung darstellt 1 6 9 , so gehört auch der Zugang zum Kapitalmarkt i n diesen Bereich 170 . Er w i r d bei Konglomeraten nicht mehr von den Divisions vorgenommen, sondern zur Erlangung besserer Konditionen zentral gesteuert 171 . Dadurch ist es den vereinigten Unternehmen leichter möglich, billiges Fremdkapital zu erhalten 1 7 2 , obwohl sich eigentlich an ihrer Leistungsfähigkeit nichts geändert hat. Sie können sich einerseits durch die Ausgabe von Obligationen oder A k t i e n zusätzliches Geld beschaffen. Dabei sind die Höhe des Grundkapitals und die Größe des Unternehmens von Vorteil 1 7 3 . Aber auch das breite Produktionsprogramm w i r k t sich zugunsten großer Konglomerate aus 1 7 4 . Ihnen werden schneller Kredite gewährt, da nicht wie beim Einproduktunternehmen m i t plötzlichen Verlusten durch A b satzschwierigkeiten oder andere Krisen zu rechnen ist 1 7 5 . Die erzielte Risikominderung erhöht also die Kreditwürdigkeit 1 7 6 . Selbst i n schlechten Zeiten braucht ein Großunternehmen Liquiditätsschwierigkeiten kaum zu fürchten, da sich gezeigt hat, daß die öffentliche Hand notfalls die Risiken großer Unternehmen übernimmt 1 7 7 . Es ιβ7 v g l . Adler, Frontier Issues, S. 125; Geneen, S. 13; Backman, Conglomerate Mergers and Competition, S. 100. ιββ vgl. auch Klee, S. 2382; Harrmann, S.538. 169 vgl. Sölter, Das Mischunternehmen, S. 156. 170 vgl. Schlecht, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 23. 171 Vgl. F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 53 ire Die Betonung liegt sowohl auf leicht als auch auf billig. Vgl. K ü l l m e r , Betriebswirtschaftliche Probleme konglomerierter Unternehmen, S. 2358; Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 81; Turner, Conglomerate Mergers and Section 7 of the Clayton Act, S. 1338; vgl. auch Kruber, U n t e r nehmensgrößen, S. 47 f., u n d seine Darstellung der unterschiedlichen Zinshöhe. i™ Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 78; Lenel, Ursachen, S. 294; Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 81. Vgl. Turner, S. 1338. 1 7 4 Dies w i r k t sich natürlich auch i n den Kreditkosten aus. 1 7 5 Vgl. Petry, S. 552; ebenso Blair, i n : Unternehmensgröße u n d Wettbewerb, S. 81. 1™ K ü l l m e r , S. 2358; Turner, S. 1338. 1 7 7 Vgl. das Beispiel K r u p p , w o der Staat Risiken v o n mehreren 100 Mio. D M übernommen hat. Bei Großunternehmen ist außerdem selbst i n Krisen-

140

Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

gilt beinahe als Axiom, daß der Staat derartige Unternehmen nicht insolvent werden lassen kann 1 7 8 . Zusätzlich w i r d die Kapitalbeschaffung oft durch eine enge Verbindung der Führungsspitzen von Bank und Großindustrie erleichtert 1 7 9 . Häufig sind beide sogar identisch, da sich die Banken an den Unternehmen beteiligt haben 1 8 0 . Deshalb ist die Erlangung von Fremdkapital für große Konglomerate keine Schwierigkeit 1 8 1 . Als Folge haben Großunternehmen und insbesondere Konglomerate insgesamt einen wesentlich höheren Verschuldungsgrad als der Durchschnitt. I n Deutschland erhielten sie 1956 beispielsweise ca. 90 °/o aller Bankkredite, Darlehen, öffentlichen M i t t e l oder Wertpapiererlöse, während sie gleichzeitig nur für 50 % des gesamten Umsatzes verantwortlich waren 1 8 2 . Und nach einer amerikanischen Untersuchung ist der Anteil der Konglomerate an langfristigen Verbindlichkeiten ungefähr doppelt so groß wie bei vergleichbaren anderen Unternehmen 1 8 3 . d) Die volkswirtschaftlichen

Folgen der Risikominderung

Die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung und des internen Verlustausgleichs zeigen, daß das Unternehmensrisiko durch Konglomeration vermindert werden kann. Deshalb stellen sie einen Weg zur Unternehmensoptimierung dar und sind betriebswirtschaftlich zu begrüßen 1 8 4 . Volkswirtschaftlich ist die Bewertung schwieriger 185 . Auch wenn ein Konglomerat Konjunkturschwankungen gegenüber weniger anfällig ist, so ergibt sich der gesamtwirtschaftliche Vorteil erst dann, wenn

zeiten m i t nicht-staatlicher Hilfe zu rechnen. Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness, S. 348. 178 „Großbetriebe genießen den V o r t e i l der latenten Staatsgarantie." ASU, zit. nach Haager, S. 141; Lenel, Ursachen, S. 344 ff. Z u r „Überlebenswahrscheinlichkeit" der Unternehmen bei unterschiedlicher Größe vgl. auch Albach, Z u r Theorie des wachsenden Unternehmens, S. 12 f. 179 Kruber, Unternehmensgrößen, S. 48; Lenel, Ursachen, S. 286. 180 Vgl. zu diesen Gefahren: Edwards, Conglomerate Bigness S. 349. lei v g l . das Beispiel der Ling-Temco-Vought Inc., die zum E r w e r b der doppelt so großen Wilson & Co. ohne Schwierigkeiten Kredite erhielt, F r a n kus, S. 102; weitere Beispiele bei Lenel, Ursachen, S. 284. 182 Nach dem Geschäftsbericht der Industriekreditbank f ü r 1956/57. Vgl. Lenel, Ursachen, S. 296. 183 K ü l l m e r , S. 2358. 184 Vgl. Sölter, Das Mischunternehmen, S. 156. Ling, The Conglomerate and Antitrust, S. 19, hält deshalb die Konglomeration sogar f ü r eine unbedingte Notwendigkeit. 185 vgl. die gegensätzlichen Ansichten von Lenel, Ursachen, S. 419, u n d Marbach, S. 87 ff.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

141

die Folgen der Schwankungen für die gesamte Wirtschaft gemildert werden 1 8 6 . Beim Konglomerat besteht jedoch die Möglichkeit, daß seine Standfestigkeit erst den Zusammenbruch der kleinen, spezialisierten Unternehmen hervorruft 1 8 7 . Arbeitet es auf einzelnen Märkten m i t Verlust 1 8 8 , so bedeutet dies eine Krisenverstärkung und eine Chancenverschlechterung für die Konkurrenz 1 8 9 . Die Milderung der Konjunkturfolgen für das Konglomerat stellt sich damit als Verringerung des Leistungswettbewerbs d a r 1 9 0 und müßte folglich verhindert werden. Außerdem ist auch eine Abschwächung der Konjunkturschwankungen für ganze Industriezweige nicht unbedingt als positiv zu bewerten 1 9 1 . Der Zweck des Wettbewerbs besteht darin, unrentabel arbeitende F i r men oder nicht gefragte Güter auszusondern 192 . Insoweit stellt jede Krise einen notwendigen Reinigungsprozeß dar, und jede zu starke Verringerung des Risikos fällt den Steuerungskräften des Marktes i n den A r m 1 9 3 . Daher ist eine Produktionserweiterung durch Konglomeration nur dann volkswirtschaftlich zu begrüßen, wenn sie die Möglichkeit zur Anpassung an einen Strukturwandel schafft und auf diese Weise dazu beiträgt, die gesamtwirtschaftlichen Kosten gering zu halten 1 9 4 . Ansonsten kann sie wettbewerbsschädigend w i r k e n 1 9 5 . „ A n die Stelle des Risikos, über welches der Markt . . . funktioniert, t r i t t (dann, d. Verf.) die finanzielle und vertragliche Mischkonzernverbindung 196 ." Dies führt letztlich zu der schon i n der Einleitung erwähnten „Herrschaft der Konglomerate" 1 9 7 . Die Fluktuation innerhalb der hundert ΐ8β Vgl. hierzu Hruska, S. 201. 187 Lenel, Ursachen, S. 227 f. 188 vgl. A r n d t , Aufgaben, S. 461. 189 Lenel, Ursachen, S.214. 190 Ebenda, S. 211; Kruber, Bemerkungen, S.224. ιοί Lenel, Ursachen, S. 228. 192 Clark, Competition as a Dynamic Process, S. 81. D e m steht der Zweck der Konglomeration genau entgegen: die Unterstützung der Produkte u n t e r einander. Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness, S. 350. 193 Kantzenbach, i n : Notwendigkeit u n d Gefahr der wirtschaftlichen K o n zentration, S. 149. „Etwaige Vorteile . . . (der Verminderimg von Krisenfolgen, d. Verf.) dürften . . . durch den Nachteil verminderter Reagibilität des volkswirtschaftlichen Produktionsapparats bei weitem übertroffen werden." Wiss. Beirat, Gutachten, Nr. 9, S. 19; vgl. auch Petry, S. 555. 194 Jürgensen / Berg, S. 109; Lenel, Ursachen, S.202. 195 Das Konglomerat ist „gegen die finanziellen Sanktionen des Marktes immunisiert". Schumacher, S. 149; ebenso Edwards, Conglomerate Bigness, S. 350. „Die Auslesefunktion des Wettbewerbs w i r d außer K r a f t gesetzt." Petry, S. 555. 196 Schmidt-Ott, S. 91. 197 Vgl. Neumann, S. 668 ff, u n d oben Einleitung, a).

142

Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

größten Unternehmen n i m m t immer mehr ab, so daß bisher schon starke Unternehmen i m Verhältnis zu ihren Konkurrenten noch mächtiger werden 1 9 8 . Deshalb müßte i n einem solchen Fall die Fusionskontrolle eingreifen. 2. Die Anpassungsgeschwindigkeit Eine Gefährdung der Konkurrenten als Folge der Krisenfestigkeit des Konglomerats setzt voraus, daß das Konglomerat seine Fähigkeiten nutzt und tatsächlich langsamer auf Konjunkturschwankungen reagiert als andere Unternehmen 1 9 9 . Dies geschieht dann, wenn es seine Produktion nicht verkleinert und so versucht, den unrentablen Unternehmensbereich „durchzuschleppen" 200 . Denkbar ist ein solches Vorgehen, wenn sich entweder gegenüber einer schnellen Anpassung praktische Schwierigkeiten ergeben oder wenn der Anpassungswille fehlt 2 0 1 , w e i l Konglomerate nicht m i t gleicher Dringlichkeit wie Einproduktunternehmen eine Reaktion auf Ä n derungen der Strukturverhältnisse erfordern 2 0 2 . a) Die Möglichkeit

der flexiblen

Reaktion

Wie sich schon oben ergeben hatte, w i r d die Anpassungsfähigkeit eines Großunternehmens durch Reibungen i m Verwaltungsbereich stark behindert 2 0 3 . Gerade die schlechte Überschaubarkeit des breiten Produktionsprogramms kann bei Konglomeraten dazu führen, daß die Krise eines Produktionszweiges nicht erkannt und dieser folglich durchgeschleppt w i r d 2 0 4 . Daran ändert auch die Aufteilung i n marktbezogene profit centers nicht viel 2 0 6 , denn es ist nicht zu erwarten, daß die Manager der unVgl. Neumann, S. 679 f. ι»« Dies behauptet Borchert, Konglomeration, S. 635; vgl. auch Schumacher, S. 149; Kruber, Bemerkungen, S.223f. «oo Nach Baumol, Business Behavior, Value and Growth, S. 48, ist dies häufig der Fall, da sich die Unternehmen nicht a m Gewinn, sondern a m Umsatz orientieren. 201 Z u dieser Unterscheidimg vgl. Kantzenbach, Das Konzept, S. 218. so ζ Kruber, Bemerkungen, S. 224; Lenel, Ursachen, S. 346: „ W e r i n schlechten Zeiten auf öffentliche H i l f e rechnen kann, ist eher geneigt, die Chancen höher als die Risiken zu veranschlagen." 2 °3 Vgl. oben T e i l I I , Β . I I . 3. Die vielfach erwähnte technische Schwierigkeit der Umstellung einer Großproduktion beruht allerdings nicht auf der Konglomeration. Vgl. dazu K r u k , Die Großen sind anfälliger, S. 17; „ M i n i ist T r u m p f " , i n SZ v. 20.4.72. 204 Vgl. Kaplan, B i g Enterprise i n a Competitive System, S. 210. 205 a. Α. w o h l Sidow, S. 1262. Es muß allerdings unterschieden werden zwischen der Anpassung innerhalb eines einzelnen Produktionszweiges u n d der eventuellen Notwendigkeit zur völligen Aufgabe dieser Produktion. N u r

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration

143

rentabel arbeitenden Divisions auf die Auflösung ihres eigenen Arbeitsplatzes hinarbeiten. Die Schwierigkeit, schnell zu entscheiden und auf Veränderungen zu reagieren, ist deshalb bei Konglomeraten für die Konzernzentrale besonders groß 2 0 6 . Andererseits haben Konglomerate den Vorteil, daß sie schon auf mehreren Märkten vertreten sind. Sie sind folglich besser über die Verhältnisse i n anderen Produktbereichen und über deren Entwicklungsaussichten unterrichtet 2 0 7 und benötigen entsprechend weniger Zeit für eine Umstrukturierung. Volkswirtschaftlich kann aber auch diese Möglichkeit nicht als rein positiv angesehen werden. Für Einproduktunternehmen entsteht nämlich gleichzeitig ein „information loss" 2 0 8 . Während sie selbst relativ genau über ihren Gewinn und damit die Aussichten i n der Branche berichten, w i r d i n konglomerierten Unternehmen meist nur unvollkommen auf einzelne Produktionsbereiche eingegangen 209 . "Their presentation can best be discribed as a masterpiece of non-information 2 1 0 ." Dadurch geht m i t wachsender Konglomeration die Kenntnis von hohen oder niedrigen Gewinnen und somit das Signal für Marktzutritt oder Produktionsaufgabe verloren 2 1 1 . Folglich verringert sich die Anpassungsflexibilität für Einproduktunternehmen, während sie für breitgestreute Konglomerate steigt. Keine solchen Nebenwirkungen jhat die Möglichkeit der Konglomerate, schneller als andere Unternehmen eine notwendige Kapitalumschichtung vorzunehmen 212 . Während diese zunächst eine neue Produktion aufbauen müssen, brauchen Konglomerate nur den Investitionsschwerpunkt zu verlagern 2 1 3 . Außerdem können sie das dazu benötigte Kapital aus dem eigenen Unternehmen ziehen 214 , d. h. sie können i h r Produki m zweiten F a l l werden die Manager versuchen, ihre Division — u n d d a m i t sich selbst — von anderen Produkten „durchschleppen" zu lassen. 2oe v g l . ebenda, S. 1261. 207

Giersch, Aufgaben der S t r u k t u r p o l i t i k . Vgl. hierzu F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 129 ff. G u l f & Western kaufte beispielsweise zwischen 1965 u n d 1968 eine Reihe von U n ternehmen auf, die teüweise führend i n ihrer Branche waren. Nach dem A n k a u f w u r d e n von diesen Unternehmen keine Daten mehr bekanntgegeben. 209 Jedes Unternehmen hat eine andere Informationspraxis. White Consolidated unterteilt beispielsweise überhaupt nicht i n Branchen; L T V kennt insgesamt fünf Gruppen, allerdings auch n u r bei den Unternehmen, die nicht i m vollen Eigentum v o n L T V stehen; G u l f & Western t e i l t i n 41 P r o duktgruppen ein, wobei diese jedoch weder m i t irgendeiner offiziellen E r hebung, noch m i t den früheren Unternehmen übereinstimmen u n d daher eher V e r w i r r u n g stiften als informieren. F.T.C., ebenda, S. 148 ff. 210 Ebenda, S. 170 (über White Consolidated). 211 Vgl. ebenda, S. 129 ff. u n d 189. 212 Vgl. hierzu a u d i Sölter, Das Mischunternehmen, S. 161. 213 Giersch, Aufgaben der S t r u k t u r p o l i t i k , S. 70. 208

144

Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

tionsprogramm aus dem Erlös der laufenden Geschäfte regenerieren 215 . Das ist um so leichter, je größer das Gesamtunternehmen und je breiter das Produktionsprogramm ist 2 1 6 . Die Kapitalumschichtung „innerhalb der gegebenen Gesellschaften selbst" 2 1 7 hat zudem den Vorteil, auf keine äußeren Widerstände zu stoßen, wie beispielsweise auf eine steuerliche Belastung bei Ausschüttung aus einer Gesellschafts zwecks Reinvestition i n einer anderen 2 1 8 . Der Kapitalfluß bewegt sich vielmehr unmittelbar von Märkten m i t geringen Wachstumschancen zu solchen, bei denen ein größerer Aufschwung zu erwarten ist 2 1 9 . Daher erfüllen Konglomerate — i m Gegensatz zu Einproduktunternehmen — das volkswirtschaftliche Ziel des Kapitaleinsatzes gemäß den Käuferpräferenzen i n optimaler Weise 2 2 0 . Ihre „innere" Finanzierung muß insoweit der normalen Finanzierung vorgezogen werden 2 2 1 . Insgesamt zeigt sich, daß die These, Einproduktunternehmen könnten wegen ihrer kurzen Verwaltungswege schneller auf K o n j u n k t u r änderungen reagieren, „nur eine halbe Wahrheit" darstellt 2 2 2 . Schon die Möglichkeit der schnellen Kapitalumschichtung gibt dem Konglomerat eine gute Anpassungsflexibilität. Außerdem ist zu bedenken, daß der Zwang zur Aufgabe der Fertigung bei „reinrassigen" Unternehmen den Ruin bedeuten kann 2 2 3 . Versuchen sie jedoch wegen dieser „Faktorunbeweglichkeit i m Sinne von ,barriers to e x i t ' " 2 2 4 die Krise durchzustehen, so stellt das „Durchschleppen" genau wie beim Konglomerat ein M i t t e l zum ruinösen Wettbewerb dar. Die Beweglichkeit des Konglomerates ist deshalb vorteilhafter 2 2 5 . Sie erleichtert das Ausscheiden aus einem M a r k t und verbessert damit die Struktur des Wirtschaftsbereichs 226 . 214 Stützel, S. 921. 2>i5 Sölter, Diversifikative Konzentration, S. 56. 216 Ebenda; vgl. auch Sidow, S. 1261. 217 Stützel, S. 921. 218 Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 124; Stützel, S. 922. 21» Neumann, S. 677; Gort, Diversification and Integration, S. 140. Die schnelle Anpassungsmöglichkeit b e w i r k t Kostenersparnisse, da die Reibungsverluste gering gehalten werden. Vgl. Frankus, S. 104. 220 v g l . dazu die Tabelle bei Gort, Diversification and Integration S. 141. 221 Gort, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 676; Spethmann, i n : N o t wendigkeit u n d Gefahr . . . , S. 148; a. A . Lenel, Ursachen, S. 215 f., da eine Kapitalumschichtung über den freien M a r k t die Z a h l der selbständigen Existenzen erhöht. 222 Sölter, Kooperationspolitik, S. 237. 223 Ebenda. 224 Tolksdorf, Ruinöse Wettbewerbsprozesse, S. 288. 22ß Ebenda; vgl. auch die Gedanken von Sidow, S. 1262. 226 Ebel, Fusionskontrolle, S. 366.

Β. Die wirtschaftlichen Vorteile der Konglomeration b) Die

145

Anpassungsneigung

Aus der Fähigkeit, sich schnell an veränderte Verhältnisse anzupassen, kann noch nicht geschlossen werden, daß Konglomerate tatsächlich flexibel reagieren. Ob sich die Unternehmensleitung dazu genötigt sieht, hängt grundsätzlich vom Druck des Wettbewerbs ab, d.h. von der Stärke der möglichen Sanktionen auf eine Nicht-Anpassung 227 . A l l e r dings ist diese gerade bei einem Konglomerat weniger groß als bei anderen Unternehmen 2 2 8 . Dennoch hat sich gezeigt, daß immer häufiger Unternehmensverkäufe zum Zweck der Anpassung vorgenommen werden 2 2 9 . Es finden Verschiebungen zwischen Großkonzernen statt 2 3 0 , und die Federal Trade Commission konnte sogar feststellen, daß ca. 50 Produktklassen i n der Zeit von 1963 bis 1969 ganz aus dem Produktionsprogramm der Konglomerate verschwunden sind 2 3 1 . Daraus läßt sich eine Respektierung des Wirtschaftlichkeitsgesetzes ablesen 232 . Die Konglomeration w i r d nicht als M i t t e l zur Erhaltung möglichst vieler Produktionssparten i n einem Unternehmen angesehen, sondern als M i t t e l zur Gewinnmaximierung 2 3 3 . Deshalb werden ζ. B. bei „Textron" Divisions, die weniger als 2 5 % Ertrag bringen, ohne viel Aufhebens abgestoßen 234 . Auch bei L T V gelten selbst traditionsreiche Firmen als Sammlungen von Vermögenswerten, die auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt werden können 2 3 6 . Insgesamt zeigt sich darin eine Änderung der Anschauung. Genau wie Expansionspläne bei Verschlechterung der Bedingungen leicht umgestoßen werden 2 3 6 , wechseln die Unternehmen ebenso schnell ihre Produktionsgebiete 237 . Deshalb w i r d neben der Investition die Devesti227 vgl. Giersch, Aufgaben, S. 70; Jürgensen / Berg, S. 118; Kantzenbach, Das Konzept, S. 218. 228 vgl. oben T e i l I, B . I V . l . u n d T e i l I I , B . I I I . l . a ) ; vgl. auch Lenel, U r sachen, S. 346. 229 v g l . F A Z Nr. 282 v. 5.12. 72, S. 13, zum Geschäftsbericht der Interfinanz; Anders, Auch „Desinvestitionen" müssen geplant werden; Stelzer, S. 29. 230 Als Beispiel vgl. F A Z Nr. 59 v. 10.3.73, S.21 ( L i t t o n Ind. u n d Nestlé); vgl. auch Sölter, Das Mischunternehmen, S. 161. 231 F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 112. 232 Sölter, Das Mischunternehmen, S. 160. 233 v g l . Loescher, i n : Economic Concentration, Part 3, S. 835. 234 Woroniak, S. 269; vgl. auch Anders, S. 13; vgl. a u d i zur „target rate of r e t u r n " u n d zu den „planned profits": B a l d w i n , The Motives of Managers, Environmental Restraints, and the Theory of Managerial Enterprise, S. 240 u n d 244 ff. 235 Peter Bauer, Der aufhaltsame Aufstieg des M r . Ling, S. 35; ebenso Sölter, Das Mischunternehmen, S. 161; vgl. auch Celler, Corporation Mergers, S. 4. 23« GfK., Konglomerate, S. 426. 10 Emiich

146

Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

tion immer mehr zum selbstverständlichen Bestandteil der Planung 2 3 8 . Bei Konglomeraten, denen ohnehin der Ruf des Vorwärtsdrängens vorausgeht 239 , w i r d die Entflechtung sogar zum zweitwichtigsten Merkmal der Unternehmënspolitik 2 4 0 . Es ist also falsch, den Konglomeraten vorzuwerfen, sie würden unrentable Betriebe durchschleppen. Vielmehr nutzen sie meist die ihnen eigene Fähigkeit zur flexiblen Reaktion 2 4 1 . Wenn dennoch Produktionen durch schlechte Zeiten „hindurchgezogen" werden, so zeigt sich manchmal später, daß diese Entscheidung volkswirtschaftlich richtig war, da die Kapazitäten wieder benötigt werden 2 4 2 . I V . Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich folgendes B i l d der Vorteile einer Konglomeration. Durch Größe und Produktionsbreite haben Konglomerate hervorragende Möglichkeiten der Finanzierung, und zwar aufgrund ihrer Fähigkeit sowohl zur Gewinnverschiebung i m eigenen Unternehmen als auch zur Beschaffung von Fremdkapital. Daher können Verluste einzelner Produktionssparten ohne Schwierigkeiten ausgeglichen werden. Die Ansicht, konglomerierte Unternehmen neigten deshalb dazu, unrentable Produktionen durchzuschleppen, ist allerdings nicht richt i g 2 4 3 . Trotz der großen Probleme i m Verwaltungsbereich nutzen Konglomerate meist die durch Informations- und Kapitalvorsprung gegebene Möglichkeit, schneller als andere Unternehmen auf Änderungen der Wirtschaftsstruktur zu reagieren. Technische oder verwaltungsmäßige Vorteile und economies of scale entstehen i m Konglomerat nicht oder nur i n unbedeutendem Maße. N u r auf dem Gebiet der Werbung sind Vorsprünge gegenüber der 2 37 v g l . Gort, i n : Business Week ν. 22.5.71, S. 40, zit. bei Sölter, Diversifikative Konzentration, S. 59. 2»8 Anders, S. 13; vgl. auch Kaplan, S. 210; Turner, S. 1348. 239 v g l . Celler, Conglomerate Merger Investigation, S. 190. 240 sie haben „ t h e willingness to »rethink 1 — and to ,step up to change' ". Geneen, S. 7. I n diesem Lichte betrachtet erhält auch die Z a h l der U n t e r nehmenskäufe ein anderes Gesicht, da ein großer T e i l n u r Verkäufe eines Konzerns an einen anderen Konzern darstellen. Sie sind also (gesamt-) konzentrationspolitisch neutral. Vgl. Stelzer, S. 29. 241 Vgl. Sölter, Das Mischunternehmen, S. 160. 242 v g l . dazu K r u k , Mehr Selbstvertrauen der Papiermacher, S. 13. Als Beispiel dient die Papierbranche. Vgl. auch Kruber, Unternehmensgrößen, S. 87 f. 243 Dies bezieht sich n u r auf ein ungewolltes „Durchschleppen". Z u r M ö g lichkeit, zur Verdrängung von Konkurrenten bewußt m i t unrentablen Preisen zu arbeiten, vgl. unten T e i l I I , C. I I .

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

147

Konkurrenz denkbar. Sie sind jedoch geringer als bei großen horizontal oder vertikal strukturierten Unternehmen. Damit zeigt sich, daß die Vorteile der Konglomeration hauptsächlich i m Bereich der Finanzierung liegen. Der auf diesem Gebiet mögliche Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern bringt teilweile volkswirtschaftliche Vorteile, andererseits stellt er aber auch die Grundlage konglomerater Macht dar und ist somit die Basis möglicher Wettbewerbsbeschränkungen. Aufgabe des nächsten Abschnitts ist es deshalb, die daraus entstehenden denkbaren Folgen für den Wettbewerb zu untersuchen und aus dem Ergebnis Schlüsse auf die Notwendigkeit und die Ansatzpunkte der Fusionskontrolle bei Konglomeraten zu ziehen 244 .

G. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke konglomerater Unternehmen für den Wettbewerb Beschränkungen des Wettbewerbs können sich durch einen konglomeraten Zusammenschluß i n drei Richtungen ergeben 1 : 1. gegenüber Zulieferern oder Abnehmern, die als Vertragspartner jetzt einem stärkeren Unternehmen gegenüberstehen, 2. gegenüber den Konkurrenten, für die das Konglomerat möglicherweise zu mächtig wird, 3. als Beschränkung der potentiellen Konkurrenz. I. Die Stellung des Konglomerats gegenüber seinen Marktpartnern 1. Das Problem der Abhängigkeit vom Großunternehmen a) Die Gründe der

Abhängigkeit

Die Frage des Verhältnisses zwischen Zulieferern oder Abnehmern und Großunternehmen beinhaltet grundsätzlich das Problem der A b hängigkeit 2 . Es kommt darauf an, ob die kleineren Vertragspartner i n 244 Die Tatsache möglicher privatwirtschaftlicher Vorteile allein k a n n nicht als Grundlage eines gesetzlichen Vorgehens gegen die Konglomeration v e r w a n d t werden. Vgl. auch Turner, S. 1339. 1 I m Grunde handelt es sich n u r u m eine Zweiteilung, da die Beschränk u n g der potentiellen u n d der effektiven Konkurrenz auf der gleichen Ebene stattfindet. Vgl. hierzu auch Knöpfle, Die marktbeherrschende Stellung. S. 1177. Eine Dreiteilung erscheint aber wegen der großen Bedeutimg u n d der speziellen Probleme der potentiellen Konkurrenz ratsam. Vgl. hierzu oben T e i l I I , A . I I I . 2 Nieschlag, S. 200 f.

1

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

der Lage sind, unabhängig zu entscheiden und auch den Willen des Großunternehmens zurückzuweisen, ohne dadurch ihre Existenz aufs Spiel zu setzen3. Positiv w i r k t sich für sie aus, daß große Unternehmen auf die Elastizität angewiesen sind, die sich aus dem Zukauf bei selbständigen Lieferanten ergibt 4 . Sie benötigen eine breite Zubringerindustrie, die sich speziell auf ihre Wünsche und Notwendigkeiten einstellen kann 5 und i n kleiner Serie produziert, was bei Eigenherstellung i m Großunternehmen ein Mehrfaches kosten würde®. Deshalb können Kleinunternehmen als Partner von Großkonzernen gut verdienen 7 , und die Vorteile, die sie ihren Großabnehmern gewähren, haben teilweise den Charakter von Werbekosten 8 , durch die eine langfristige Produktionsplanung und eine gleichmäßige Kapazitätsauslastung erreicht werden soll. Andererseits aber tragen die kleinen Zulieferer das höhere Risiko 9 . Schon aus der unterschiedlichen Größe läßt sich ablesen, daß die Erhaltung eines bestimmten Geschäftsvolumens für sie wichtiger ist als für den großen Kunden 1 0 . Wenn beispielsweise ein Konzern wie Siemens einen seiner 30 000 Zulieferer streicht 11 , so kann er zur Eigenfertigung übergehen 12 oder andere Unternehmen m i t der Herstellung beauftragen 1 3 . Er hätte sogar die Möglichkeit, den Produktionsbereich einzuschränken oder ganz aufzugeben, ohne daß für das Gesamtunternehmen negative Folgen erwartet werden müßten 1 4 . Bei dem Zulieferer hingegen, der möglicherweise mehr als 50 °/o seines Umsatzes m i t diesem Geschäft verlöre 1 5 , könnte der Entzug des s Ebenda. Gross, S. 47. Die hier angesprochene Elastizität ist rein technischer N a t u r u n d darf daher nicht m i t der oben i n T e i l I I , B. I I I . angesprochenen organisatorischen Anpassungsflexibilität verwechselt werden. s Rausch, zit. bei Herrmann, S. 110; Kaplan, S. 178; Gross, S. 49. β Gross, S. 48. 7 M i t Recht schreibt allerdings Lenel, Ursachen, S. 181 : „Das können auch Angestellte." 8 Vgl. ebenda, S. 198. » Ebenda, S. 181; a. A. w o h l Rausch, zit. bei Herrmann, S. 110, der Z u lieferer u n d Großunternehmen n u r als „Verbündete" sieht. 10 Huffschmid, S. 69. 11 Nach einer Untersuchung der deutschen Delegation bei U N I C E hatte A E G 1965 ebenfalls 30 000 Zulieferer, K r u p p : 23 000, Daimler-Benz: 18 000, Bayer: 17 500, B A S F : 10 000, Opel: 7 500, vgl. Huffschmid, S.70. 12 Vgl. insb. Kaplan, S. 178. Der große Käufer hat dadurch die Stellung eines mitkonkurrierenden Verkäufers. ι 3 Edwards, Conglomerate Bigness, S. 338; ebenso Lenel, Ursachen, S. 178. 1 4 Jürgensen / Berg, S. 82. 1 5 I m Rahmen der Automobilindustrie liefern 12 °/o bis 15 °/o der Zulieferer 4

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

149

Auftrags das Ende der Unternehmerexistenz bedeuten 16 . Folglich w i r d er sich den Wünschen des Konzerns beugen, i h m eine bevorzugte Behandlung zukommen lassen und so den Wettbewerb verfälschen 17 . b) Die Folgen der

Abhängigkeit

Da große Konzerne kleinen Unternehmen ihre eigenen Zielsetzungen aufzwingen können 1 8 , werden sie gegenüber Händlern möglicherweise eine Ausschließlichkeitsbindung durchsetzen. A u f diese Weise sichern sie sich selbst einen festen Absatz 1 9 , während die gebundenen Händler alle Risiken der Lagerhaltung, der Beschäftigung und eventueller Kredite übernehmen müssen und gleichzeitig noch von ihren Lieferanten inspiziert werden 2 0 . Praktisch ergibt sich eine vertikale Integration 2 1 , die für den Bindenden den großen Vorteil hat, m i t geringerem Risiko und geringeren Kosten belastet zu sein als ein echter Zusammenschluß 22 . Ähnlich stellt sich das Verhältnis großer Konzerne zu den Zulieferern dar. Auch hier w i r d häufig das Risiko auf den kleinen Partner abgewälzt 2 3 . Er muß ständig lieferbereit sein, während der Konzern sich Zeit und Menge der jeweiligen Abnahmen vorbehält und teilweise sogar zu plötzlichen Modelländerungen berechtigt ist 2 4 . Zusätzlich werden „Tributzahlungen" verlangt, die als „Rabatte" deklariert sind, obwohl weder Mengenersparnisse vorliegen noch bar gezahlt w i r d 2 5 . mehr als 50 °/o ihres Umsatzes an ein Unternehmen, das die Vorprodukte auch selbst herstellen könnte. Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 164 f. « Vgl. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 94. 1966 lieferte ζ. B. eine Gesellschaft an Neckermann 66 000 Tischkühlschränke, 1967 k a m k e i n A u f trag, 1968 meldete die Gesellschaft K o n k u r s an. Vgl. Huffschmid, S. 71 ; vgl. auch A r n d t , Aufgaben, S. 466. 17 Huffschmid, S. 69. I n Zeiten der Hochkonjunktur werden bei zu geringen Kapazitäten z.B. zuerst die Großkunden beliefert, damit sie nicht v e r loren gehen. Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness, S. 338; ders., The Changing Dimensions, S. 257. 1 8 Huffschmid, S. 71 A n m . 5. Vgl. C.P.C. Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 23. 20 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 393 ff. H i n z u kommt, daß i m Falle der V e r tragslösung für den Gebundenen meist hohe Umstellungskosten durch die E n t w e r t u n g von Investitionen entstehen, während er keinen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bindenden hat. 21 „Die Ausschließlichkeitsbindung ist eine F o r m der vertikalen Integration von Untenehmen, die je nach ihrer Gestaltung mehr oder weniger stark von anderen Formen, etwa der Fusion oder dem E r w e r b einer Beteiligung abweichen." Lenel, Ursachen, S. 391. 22 V g l . e b e n d a , S . 3 9 3 u n d

182.

23 Ebenda, S. 179 f. 24 Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 165. 25 A r n d t , Aufgaben, S. 467; ders., Nachfragemacht, S. 23; Lenel, Ursachen, S. 197.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

Manchmal setzt der mächtige Abnehmer auch den Preis seiner Lieferanten selbst fest 26 . Z u diesem Zweck kontrolliert er deren Kalkulationsunterlagen und verlangt Z u t r i t t zu ihrer Buchhaltung 2 7 . Es gibt sogar Fälle, wo er die Produktion überwacht 2 8 . Insgesamt zeigt sich, daß der abhängige Zulieferer keine bessere Stellung hat als ein vertikal integriertes Unternehmen 2 9 . Teilweise ist sein Vertrag nur Vorstufe zur tatsächlichen Übernahme 8 0 . Daraus folgt, daß die durch Konzentration entstehende Macht der großen Unternehmen und die Abhängigkeit ihrer kleinen Geschäftspartner volkswirtschaftlich negativ zu bewerten ist und i m Rahmen der Fusionskontrolle verhindert werden muß. Allerdings hat die Abhängigkeit ihre Ursachen i n der wertmäßigen Höhe des Geschäftsvertrages und der unterschiedlichen Bedeutung dieses Abschlusses für Zulieferer und Abnehmer. Auch wenn manche Konglomerate daher die Möglichkeit einer derartigen Machtausübung besitzen 81 , so stellt die Abhängigkeit der Vertragspartner doch keine konglomerats-spezifische Form der Wettbewerbsbeschränkung dar. Sie beruht vielmehr großenteils auf der horizontalen Ausdehnung 8 2 und w i r d insoweit durch die konglomerate Konzentration nicht verändert 8 8 . Deshalb kann die Abhängigkeit von Zulieferern und Abnehmern selbst nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein. Sie ist n u r als Ausgangspunkt für eine andere, auf der bestehenden Abhängigkeit aufbauende und durch die Konglomeration ausgelöste Form der Wettbewerbsbeschränkung von Interesse. ®e A r n d t , i n : Sachverständigenanhörung» 54/9; ders., Aufgaben, S.467. Z u den Methoden bei den Preisverhandlungen vgl. die sehr anschauliche D a r stellung aus dem Geschäftsbericht der Interfinanz G m b H & Co. f ü r 1965, zit. bei Lenel, Ursachen, S. 181 f., A n m . 102. 27 Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 746; vgl. auch A r n d t , Nachfragemacht, S. 23. 2« A r n d t , i n : Ausschuß f ü r Wirtschaft, Sachverständigenanhörung, 54/9. 2» „Eine Ausbeutung des Verbrauchers verbietet die Konkurrenz, f ü r das Personal sorgen die Gewerkschaften, so daß n u r eine Ausbeutung der Lieferanten zur Gewinnerzielung möglich erscheint." Ausspruch des Vorstandsvorsitzenden einer Kaufhaus A G , zit. nach A r n d t , Nachfragemacht. Vgl. auch Rittner, Die Ausschließlichkeitsbindung i n dogmatischer u n d rechtspolitischer Betrachtung, S. 117. so Lenel, Ursachen, S. 181, bringt das Beispiel des Papierlieferanten einer chemischen Fabrik. Diese verlangte eines Tages ohne ersichtlichen G r u n d die Mayorität seiner A k t i e n m i t der Drohung, den Lieferanten zu wechseln. Der Papierfabrikant gab nach u n d verkaufte. si Insbesondere durch ihre Möglichkeit, die jeweilige P r o d u k t i o n einzuschränken. 32 Vgl. auch Rittner, Die Ausschließlichkeitsbindungen, S. 117. 33 Solomon, S. 571; a. A . w o h l Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S.265.

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

151

2. Die Verknüpfung verschiedenartiger Geschäftsbeziehungen a) Die Möglichkeit

von Kopplungs-

und Gegengeschäften

Je größer der Umfang eines Konglomerates ist und je weiter es sich über die Märkte hinweg ausdehnt, u m so eher können m i t den bisherigen Geschäftspartnern Kontakte auf anderen Märkten entstehen. Diese Grundlage könnte ein Konglomerat zu Kopplungsverkäufen nutzen, indem es den Verkauf einer eingeführten Ware vom zusätzlichen Kauf anderer Güter abhängig macht 8 4 . Dabei w i r d die Anwendung von Zwang nicht notwendig sein 85 . Häufig dürfte schon eine Rabattgewährung die gewünschte W i r k u n g haben 86 . Voraussetzung ist allerdings, daß der Abnehmer die bisher gekaufte Ware tatsächlich benötigt und dabei nicht oder nur zu schlechteren Bedingungen auf andere Lieferanten ausweichen kann 8 7 . Zudem müßte er das m i t dieser Ware verkoppelte Produkt ebenfalls verwenden können, was normalerweise nur bei einer gewissen Produktverwandtschaft, etwa beim full-line-selling 8 8 , der Fall ist 8 9 . Folglich sind die Möglichkeiten größerer Kopplungsverkäufe bei echten Konglomeraten, die nur unverbundene Waren liefern, relativ gering 4 0 . Bedeutender für die Frage einer Wettbewerbsbeschränkung und som i t für die Notwendigkeit der Fusionskontrolle ist die Fähigkeit der Konglomerate zu sogenannten „wechselseitigen Liefergeschäften" oder „reciprocal dealings" 41 . Da bei jedem konglomeraten Zusammenschluß die Möglichkeit wächst, daß Zulieferer eines Konzernunternehmens gleichzeitig potentielle Abnehmer eines anderen sind 4 2 , kann das 34 Sog. „tie-in-selling". Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness, S. 340. 35 E i n solcher F a l l könnte i m Rahmen der Mißbrauchsaufsieht verhindert werden. 36 v g l . Petry, S.551; Lenel, Ursachen, S.210. 37 Ferguson, T y i n g Arrangements and Reciprocity: A n Economic Analysis, $. 554. 38 vgl. Day, S. 526. Auch Edwards, Conglomerate Bigness, S. 340, spricht von einer „given class of buyers". Petry, S. 551, setzt Kopplungsverkäufe u n d full-line-selling fälschlicherweise gleich. so Ferguson, S. 555; vgl. auch Telser, Abusive Trade Practices, S. 490. 4 0 Vgl. den F a l l U.S. v. I T T , 1969 Trade Cases § 72.943, S. 87.643 f., der zeigt, welche Schwierigkeiten der gleichzeitige Verkauf von Feuer-Versicherungen u n d automatischen Sprinkler-Anlagen macht, obwohl sogar eine gewisse Produktnähe vorhanden ist. 41 Vgl. Hausmàn, Reciprocal Dealing and the A n t i t r u s t Laws, S. 873; zur allgemeinen Definition der Reziprozität vgl. Stocking / Mueller, Business Reciprocity and the Size of Firms, S. 74 £ ; Hinnegan, Potential Reciprocity and the Conglomerate Merger: Consolidated Foods revisited, S. 632 f. 42 Petry, S.551; Frankus, S.67; Fischer, Konglomerate Konzentration, S. 572; Schumacher, S. 144; Edwards, The Changing Dimensions, S. 258; Stocking / Mueller, S. 76.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

Konglomerat nach dem Prinzip des: „Kaufst Du bei mir, kauf' ich bei D i r " 4 3 , die Abnahme von Waren des Geschäftspartners von dessen Gegengeschäften abhängig machen 44 . Dementsprechend w i r d ein Zulieferer, u m den Kunden nicht zu verlieren, etwa benötigte Vorprodukte bei i h m beziehen. Das Konglomerat sichert sich also seinen Absatz, ohne auf dem freien M a r k t große Anstrengungen unternehmen zu müssen 45 . b) Die Folgen wechselseitiger Lieferbeziehungen für die Volkswirtschaft Die wechselseitigen Liefergeschäfte haben für Konglomerate den entscheidenden Vorteil, daß die vom Wettbewerb bestimmten Kriterien Preis und Qualität irrelevant werden 4 6 . Was zählt, ist nur noch die eigene Naöhfragemacht 47 . Sie bestimmt, ob die Geschäftspartner beim Konglomerat einkaufen oder nicht. Dadurch w i r d der Geschäftspartner praktisch zu einem „Anhängsel" des Konglomerates 48 . Ein Aufkauf des „Zweigbetriebes" ist, wenn auch möglich, so doch nicht notwendig 4 9 , w e i l dieser ohnehin nicht mehr frei entscheiden kann. Er ist durch den „Zangengriff" des Konglomerates vertikal i n die Konzernstruktur eingegliedert. Der Wettbewerb w i r d deshalb durch das Konglomerat außer K r a f t gesetzt. Da es sich „aus dem gesamten Marktgebiet der Volkswirt« Vgl. Hinnegan, S. 632. 44 Vgl. U.S. v. Northwest Ind. Inc., 1969 Trade Cases § 72.853, S. 87.168. Hierbei ist auch ein Dreiecksverhältnis möglich: A k a u f t von B, w e i l C, der guter Käufer von A ist, an Β mehr verkaufen w i l l . Vgl. Hinnegan, S. 632. Grundsätzlich wäre Reziprozität auch i n der F o r m denkbar, daß ein Konglomerat dringend benötigte Waren n u r verkauft, w e n n dafür andere Produkte, evtl. zu günstigeren Bedingungen, an das Konglomerat verkauft werden. Diese F o r m w i r d jedoch i m folgenden nicht erwähnt, da sie erstens seltener v o r k o m m t u n d zweitens zu gleichen Ergebnissen führt. Vgl. z.B. L o r i e / Halpern, Conglomerates: The Rhetoric and the Evidence, S. 152. 45 Vgl. Mertens, S. 151. 4β Petry, S. 551; Hausman, S. 874, 879; a. Α. Ferguson, S. 570; Liebeier, The Emperor's New Clothes: W h y is Reciprocity anticompetitive?, S. 545 ff . ; Posner, Conglomerate Mergers and A n t i t r u s t Policy, S. 530. Sie bestreiten, daß Konglomerate bei reziproken Beziehungen einen höheren Preis durchsetzen können. Dies ist meines Erachtens jedoch allein eine Frage der vorhandenen Macht. Vgl. dazu unten T e i l I I I , Α. I I . 1. I m übrigen sind die K r i t e r i e n Preis u n d Qualität zumindest insoweit außer K r a f t gesetzt, als das Konglomerat bei gleichen Leistungen w i e die K o n k u r r e n t e n seinen Absatz zu deren Lasten erhöhen kann. Es k a n n „expand sales w i t h o u t resorting to price competition". Stocking / Mueller, S. 93. Diese Fähigkeit ist ungleich gefährlicher als die Möglichkeit einer Preiserhöhung. Vgl. ebenda, S. 94. 47 Vgl. Fischer, Konglomerate Konzentration, S. 572. 48 Vgl. Mertens, S. 151; Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 265; Edwards, i n : Economic Conentration, P a r t i , S.44: " . . . small firms become satellits of their largest customers . . . " 49 a. Α.: Borchert, ebenda, der davon ausgeht, daß als Endziel das U n t e r nehmen aufgekauft werden soll.

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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schaft autarke Bereiche" herausschneidet 50 , kann eine flexible Steuerung der Produktionsfaktoren nach ihren produktivsten Einsätzen nicht mehr erfolgen 51 . Statt dessen hat das Konglomerat die Möglichkeit, seinen Marktanteil ohne Rücksicht auf etwaige Konkurrenten zu erhöhen 52 und dabei eventuell leistungsfähigere Wettbewerber aus dem Markt zu vertreiben 5 3 . Außerdem w i r d der Markt zu Lasten der übrigen Marktteilnehmer verengt. Sie werden von potentiellen Abnehmern getrennt 5 4 , was gleichzeitig die weitere Folge einer Erhöhung der Marktzutrittsschranken hat 5 5 . Letztlich führen reziproke Lieferbeziehungen daher zu einem A n steigen der Konzentration des betreffenden Marktes 5 6 , unter Umständen verbunden m i t steigenden Endpreisen und schlechterer Qualität 5 7 . Ihre Möglichkeit muß deshalb immer dann durch die Fusionskontrolle verhindert werden, wenn sie i m Rahmen der Geschäftspolitik eines Konglomerates strategisch genutzt werden könnte. 3. Die Reziprozität als Strategie a) Die Durchführung

einer Reziprozitätspolitik

Das tatsächliche Vorkommen reziproker Lieferbeziehungen m i t ihrer Gefahr für den Wettbewerb w i r d teilweise heftig bestritten. So kam der Stigler Report zu dem Ergebnis: "The economic threat to competition from reciprocity is either small or non-existent 5 8 ." Begründet w i r d diese Ansicht meist m i t der divisionalen Struktur konglomerater Konzerne 59 . Da die Leiter der einzelnen profit-centers so Mertens, S. 151. si Vgl. Frankus, S. 70. 52 Dies ist der wichtigste G r u n d f ü r Reziprozitäts-Strategien. Vgl. insoweit Stocking / Mueller, S. 93 f. Bei F M C beispielsweise konnte durch Reziprozität i m chemischen Bereich der Umsatz u m 15 °/o erhöht werden. Hausman, S. 878. 53 Petry, S. 551. 54 Sog. Abschließungs- oder Abschlußeffekt (reciprocity foreclosure). Vgl. Schumacher, S. 144; Mertens, S. 151; Hrusoff, S. 129; Turner, S. 1389. 55 Petry, S. 551; Fischer, Konglomerate Konzentration, S. 572; vgl. auch Stocking / Mueller, S. 93 f.; Hausman, S. 879 f. 56 Vgl. Petry, S.551; Hausman, S. 880. 57 Auch w e n n m a n m i t Liebeier, Posner u n d Ferguson annimmt, daß Konglomerate ihren Preis nicht als direkte Folge der Reziprozität erhöhen können (vgl. oben Teil I I , C. A n m . 46), so ist doch als Folge der durch Reziprozität ermöglichten Marktanteilserhöhung eine Preissteigerung denkbar. 58 Report of the Task Force on Productivity and Competition, zit. nach Adler, Frontier Issues, S. 123; vgl. auch Backman, S. 101. 59 Teilweise w i r d das Vorkommen reziproker Geschäfte bei echten Konglomeraten sogar generell bestritten. Vgl. Noncase Guidelines, S. 103. Schon eines der ältesten Verfahren beweist aber das Gegenteil: Waugh Equipment Co., 15 F.T.C., 247 (1931).

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

— bei I T T sind das ca. 200 60 — für Gewinn und Verlust ihrer Division verantwortlich sind 6 1 , richten sie ihre Entscheidungen nur nach deren speziellen Bedürfnissen aus 62 . Dies gilt u m so mehr, als die persönlichen Fähigkeiten der Manager allein nach der Entwicklung ihrer Division beurteilt werden. Sie haben folglich keine Veranlassung, ein anderes profit-center zu unterstützen 63 . Trotzdem ist es verfehlt, hieraus die Unmöglichkeit reziproker Geschäftspraktiken herzuleiten 64 . Immerhin sind die Divisions nur Teil eines unter einheitlicher Leitung stehenden Konzerns 65 , und selbst „ i n dezentralisierten Konzernen bleibt stets ein hohes Maß von Informationsaustausch und Abstimmung" 6 6 . Auch wenn die Manager der Divisions daher allein das Wohl ihres profit-center beachten, so müssen sie doch den Anweisungen der Zentrale Folge leisten, die das Wohl des Gesamtunternehmens i m Auge hat 6 7 . Vielfach w i r d deshalb von amerikanischen Unternehmen darauf hingewiesen, daß ihre Geschäftsleitung ein striktes Antireziprozitätsprogramm durchführt 6 8 . Dies mag zutreffen, und ein derartiger Sachverhalt muß auch i n entsprechenden Verfahren berücksichtigt werden 6 9 . Allerdings ist i m Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu beeo Geneen, S. 13. ei Vgl. oben T e i l I I , B. I I . 3. 62 Adler, Frontier Issues, S. 125; vgl. insb. auch U.S. v. Northwest Ind. Inc., 1969 Trade Cases § 72.853, S. 87.171. «s v g l . Geneen, S. 13; Backman, Conglomerate Mergers and Competition, S. 100; "Such managers do not readily cooperate w i t h policies which w i l l not help their o w n performance." 64 H o w a r d T. Lewis, The Present Status of Reciprocity as a Sales Policy, S. 312, weist schon 1938 darauf hin, daß die Aussagen der Geschäftsleute h i n sichtlich reziproker Geschäfte nachweislich nicht m i t ihren Handlungen übereinstimmen. «s Vgl. dazu oben Teil I I , B . I I . 3 . b ) ; vgl. auch allgemein die zu A r t . 85 E W G V u n d zur „intra-enterprise conspiracy doctrine" geäußerten Gedanken bei Harms, Konzerne i m Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S.148 ff., S. 160 f. ; Treeck, Konzerninterne Vereinbarungen i m EWG-Kartellrecht, S. 367 f.; Funck, Konzerneinheit u n d Kartellverbot, S. 47 ff.; Huber, Konzerninterne Vereinbarungen i m EWG-Kärtellrecht nach der Kommissionsentscheidung i m F a l l Christiani & Nielsen, S. 429 ff. 66 Treeck, S. 368. Selbst w e n n u. U. eine Koordinierung nicht gelingt, so ist sie doch bezweckt. Vgl. Huber, Z u r kartellrechtlichen Problematik der Z u sammenfassung von Konzernunternehmen unter einer einheitlichen L e i t u n g i m Sinne des §18 A k t G , S. 2291, insb. S. 230. 67 Vgl. Harrman, S. 540; a. A . Hinnegan, S. 649. 68 Vgl. 1969 Trade Cases §72.853, S. 87.171; 1969 Trade Cases §72.943, S. 87.646; 242 F.Supp. 525 f.; vgl. auch Adler, Frontier Issues, S. 125. es a. Α.: A m m e r , Realistic Reciprocity, S. 121: " N o large company m a k i n g industrial products can have a 'no reciprocity' police and have i t literally. Its salesman are almost sure to get preference w h e n calling on the company's suppliers . . . " Ebenso W i l l a r d F. Mueller, zit. bei Geneen, S. 13.

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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achten, daß die Antireziprozitätspolitik solcher Unternehmen erst eine Folge der allgemeinen Antireziprozitätsrechtsprechung ist. Für die Uberprüfung der deutschen Fusionskontrolle muß sie daher außer Betracht bleiben. Statt dessen sind einige empirische Untersuchungen von großem Interesse. Bei den amerikanischen Konzernen zeigte sich beispielsweise, daß mehr als die Hälfte besondere, m i t sogenannten „trade-relationmen" besetzte Abteilungen unterhält 7 0 , deren einziger Zweck es ist, das Produktionsprogramm auf die Möglichkeit von Gegengeschäften h i n zu untersuchen 71 . Ähnliches ergeben die verschiedenen Gerichtsverfahren 72 . I m Fall des Zusammenschlusses der General Dynamics Corporation m i t der L i q u i d Carbonic Corporation wurde festgestellt daß der Präsident von L i q u i d Carbonic für die Vereinigung m i t der Möglichkeit wechselseitiger Lieferbeziehungen geworben hatte. "Liquid's management would have at its disposal the entire purchasing power of General Dynamics' other Divisions for reciprocal business purposes . . . the advantage of this reciprocity would be of unlimited value i n getting a load on our plants 7 8 ." Nach dem Zusammenschluß organisierte er ein „Special-sales-program", m i t dem die Kapazität all der Lieferanten von General Dynamics genutzt werden konnte, die gleichzeitig potentielle Abnehmer von L i q u i d Carbonic waren 7 4 . Auch der Consolidated Foods Corp. wurde nachgewiesen, daß sie m i t ihrer Nachfragemacht versuchte, durch Gegengeschäfte den Umsatz der von ihr aufgekauften Firma Gentry zu steigern 75 . Unter anderem fand sich ein Brief von Gentry an den Präsidenten von Consolidated m i t folgendem Inhalt: " I would frankly say that i t would help us i m measurably if i t could be told to this company that if they don't feel our merchandise is good enough for them, then frankly speaking, their merchandise is not good enough for us 7 6 ." 70 Es gab f ü r sie spezielle Ausbildungsseminare u n d sogar eine Berufsvereinigung. Vgl. McCreary / Guzzardi, A Customer Is À Company's Best Friend, S. 180; Hausman, S. 879; Hinnegan, S. 633 f. I n Deutschland besitzen fast alle Konzernunternehmen sog. Gegengeschäftskarteien. Vgl. Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 747. 71 Z u r „philosophy of trade relation" vgl. McCreary / Guzzardi, S. 182; K a u f er, Nochmals: V o n der Preistheorie zur Wettbewerbstheorie, S. 104; W i l l i s o n (Director, Trade Relation, Jones & Laughlin), zit. bei Hausman, S. 875; H o w a r d T . Lewis, S. 311. 72 Vgl. außer den angeführten Verfahren auch Waugh Equipment Co., 15 F.T.C. 232 (1931); Mechanical Mfg. C., 16. F.T.C. 67 (1932). 73 246 F.Supp. 161 (1965); vgl. auch 258 F.Supp. 42 (1966). 74 Es handelte sich u m 75 °/o der Lieferanten. 258 F.Supp. 39. Die u n m i t t e l bar dadurch bewirkte Umsatzsteigerung betrug 33 °/o, während der Gesamtumsatz n u r u m 7 °/o stieg. Davidow, S. 1265. 7» 380 U.S. 594 ff. (1965).

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

I m Verfahren gegen die Northwest Ind. ergab sich, daß sowohl Northwest und B. F. Goodrich als auch deren Geschäftspartner von der Bedeutung reziproker Beziehungen überzeugt waren 7 7 . So hatte die Marketing» Abteilung von Velsicol — einer hundertprozentigen Tochter von Northwest — eine Liste erstellt, i n der die 50 größten Zulieferer aufgeführt waren und wo unter der Uberschrift „Customer Supplier Relations" die Verkaufsabteilung aufgefordert wurde, auf die Möglichkeit von Gegengeschäften zu achten 78 . Insgesamt zeigt sich also, daß reziproke Lieferbeziehungen nicht nur möglich sind, sondern auch häufig von großen Konzernen strategisch genutzt werden 7 9 . Teilweise sind sie sogar ein integrierter Bestandteil konglomerater Unternehmenspolitik geworden 80 . Befragungen haben insoweit ergeben, daß 51 °/o der Einkäufer und 49 °/o der Verkäufer Reziprozitätspraktiken anwenden 81 . b) Die Möglichkeit wechselseitiger Lieferbeziehungen ohne Anwendung von Druck Solange reziproke Lieferbeziehungen m i t Druck durchgesetzt werden, ist eine Fusionskontrolle zur Verhinderung dieser Strategie nicht notwendig. Sie wäre vielmehr unverhältnismäßig, da auch i m Rahmen der Mißbrauchsaufsicht nach § 22 Abs. 4 GWB gegen derartige Handlungsweisen vorgegangen werden könnte. Bei der Entstehung von Gegengeschäften muß aber unterschieden werden zwischen „reciprocity" und „reciprocity effect" 8 2 . Hierbei handelt es sich einmal um die durch Druck, durch Vereinbarung oder sonst auf andere Weise herbeigeführte Wechselseitigkeit der Geschäfte 83 , während der reciprocity effect auf der natürlichen Tendenz jedes Unternehmens beruht, bei dem zu kaufen, der auch bei i h m selbst kauft 8 4 . ™ F.T.C. I n i t i a l Decision, No. 7000, Dec. 29. 1961, zit. bei Hausman, S. 874. 77 Vgl. 1969 Trade Cases §72.853, S. 87.162 u n d 87.168 ff. 7 ® Ebenda, S. 87.169. ™ F ü r zusätzliche Beispiele vgl. McCreary / Guzzardi, S. 181 ; Stocking / Mueller, S. 7 9 - 9 3 ; A m m e r , S. 117. so 10 °/o bis 2 5 % des Inlandverkaufs werden i m Rahmen reziproker Beziehungen abgewickelt. Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 747; ähnliche Ergebnisse bei Hinnegan, S. 633. 81 Ammer, S. 116. Nach Hausman, S. 874, werden je nach Industriebereich zwischen 78 °/o u n d 100 °/o der F i r m e n Reziprozitätspraktiken an. 2 β Vgl. Adler, Frontier Issues, S. 125; ebenso Stelzer, S. 27. 83 Vgl. Hinnegan, S. 632. 84 Der reciprocity effect setzt also — zumindest theoretisch — keine gewollte Ausnutzung der Nachfragemacht voraus. Vgl. Adler, Frontier Issues, S. 125 f. Vgl. aber auch die ebenda zit. gegenteilige Ansicht von Kestenbaum, wonach es i m m e r einen Anstoß durch das Konglomerat gibt. Ä h n l i c h w o h l

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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I n der Tat w i r d es für Konglomerate häufig nicht notwendig sein, auf die Möglichkeit von Gegengeschäften oder auf die Fähigkeit zur Ausübung von Druck hinzuweisen 85 . "The matter can be left to its suppliers' imaginations 8 6 ." Diese wissen, daß ihr Kunde hofft, sie w ü r den sich durch eigene Käufe für das gute Geschäft erkenntlich zeigen 87 . Folglich werden sie i m Interesse der Sicherung und Erweiterung ihres eigenen Absatzes — auch ohne direkten Anstoß — zu Gegengeschäften übergehen 88 . Aus dieser Sachlage ergibt sich, daß es nicht ausreicht, allein die Reziprozitätspraktiken zu verhindern. Schon ihre Möglichkeit w i r k t wettbewerbsbeschränkend 89 und muß unterbunden werden. Deshalb kann nur das „potential for reciprocity" K r i t e r i u m der Illegalität sein 9 0 oder m i t anderen Worten: Es muß i m Rahmen der Fusionskontrolle die Entstehung von Unternehmensstrukturen verhindert werden, bei denen sich die Möglichkeit wechselseitiger Lieferbeziehungen eröffnet 91 . Dementsprechend sind auch i n den amerikanischen Antitrustverfahren die zur Reziprozität führenden strukturellen Verhältnisse Maßstab der Beurteilung 9 2 . Eine tatsächliche oder beabsichtigte strategische N u t zung, wie sie i n allen oben erwähnten Fällen vorlag 9 3 , ist hingegen nicht notwendig. I m Verfahren gegen die Ingersoll-Rand Company sah das Gericht beispielsweise gänzlich von einem derartigen Nachweis ab 9 4 . Es begrünauch Petry, S. 551, da er n u r zwischen Zwang u n d freiwüliger Basis u n t e r scheidet. Edwards, Conglomerate Bigness S. 342, weist darauf hin, daß beide Fälle praktisch k a u m getrennt werden können. 85 Hinnegan, S. 632. 86 Stelzer, S. 27. 87 Vgl. Frankus, S. 67; Konzentrationsenquete, Anlageband, S. 747. Day, S. 530, spricht von „psychological reciprocity". Der gute K u n d e hat einen sog. „purchase credit", der fast w i e eine normale Forderung angesehen w i r d . Vgl. Hausman, S. 875. 88 Turner, S. 1390; Fischer, Konglomerate Konzentration, S. 572; Edwards, The Changing Dimensions, S. 257. 89 E i n Beispiel des indirekten Drucks zeigt die J. M . Huber Corp. Sie v e r gab ihre Kaufaufträge genau nach dem Verhältnis der Käufe durch die entsprechenden Firmen. Vgl. Hausman, S. 877 f. ®o So auch Frankus, S. 73; vgl. auch Turner, S. 1389 f., der insb. darauf h i n weist, daß i m Gegensatz zu Kopplungsverträgen „the dangers of reciprocity effects . . . cannot be subjected to direct legal control". «ι Turner, S. 1390. »2 Vgl. als Beispiele F.T.C, ν. Consolidated Foods Corp., 380 U.S. 592 (1965) insb. 595; U.S. v. General Dynamics, 246 F.Supp. 159 (1965); 258 F.Supp. 39 (1966); vgl. auch 1969 Trade Cases § 72.853, S. 87.173; 1969 Trade Cases § 72.943, S. 87.648. 93 Vgl. oben Teü I I , C. 1.3. a). 94 218 F.Supp. 530 (1963); 320 F. 2d. 509 (1963); 1963 Trade Cases §70.802, S. 78.211.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

dete sein U r t e i l allein m i t der Fähigkeit zur Entfaltung reziproker Praktiken 9 5 . "The mere existence of this purchasing power might make its conscious employment toward this end unnecessary; the possession of the power is frequently sufficient, as sophisticated businessmen are quick to see the advantages i n securing the goodwill of the possessor 96 ." Aus dieser Erkenntnis folgt die Notwendigkeit, i m Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu prüfen, ob die deutsche Fusionskontrolle alle konglomeraten Zusammenschlüsse erfaßt, bei denen sich die Möglichkeit zur Ausnutzung von Reziprozitätspraktiken ergibt. Es müssen deshalb die für Reziprozitätspraktiken erforderlichen strukturellen Verhältnisse festgestellt und m i t den Eingriffskriterien der §§24, 22 GWB verglichen werden. Π . Das Verhältnis des Konglomerats zu seinen Konkurrenten I n der Macht des Konglomerats gegenüber seinen Konkurrenten liegt die zweite Richtung einer möglichen, i m Rahmen der Fusionskontrolle zu verhindernden Wettbewerbsbeschränkung durch konglomerate Zusammenschlüsse. Zwar scheint es zunächst, als würde durch eine Konglomeration die Marktstellung der beteiligten Unternehmen i n keiner Weise geändert 97 . Die Anteile, die Kapazitäten und selbst die Firmennamen bleiben gleich 98 . Dennoch ist offensichtlich, daß die Unternehmen nach der Vereinigung einen anderen Machtfaktor darstellen als jedes einzelne von ihnen vorher. Macht aber bedeutet: Fähigkeit den anderen zu verdrängen oder i h n zumindest i n seiner Entfaltungsmöglichkeit einzuschränken 99 . 1. Der Verdrängungskampf a) Die Machtmittel

des Konglomerats

Die besondere Stärke von Konglomeraten äußert sich gegenüber den Konkurrenten auf sehr verschiedene Weise. Sie w i r k t indirekt, wenn Konglomerate durch reziproke Beziehungen Abnehmer an sich binden und so den Handlungsspielraum ihrer Konkurrenten vermindern 1 0 0 . Diese Möglichkeit wurde schon i m vorigen Kapitel besprochen 101 . »5 1963 Trade Cases § 70.802, S. 78.223. 9« 218 F.Supp. 552. 97 Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 263. 98 Vgl. Lanzilotti, M u l t i p l e Products and Oligopoly Strategy, S. 466, der nachweist, daß eine Übernahme ohne Beibehaltung des Firmennamens p r a k tisch einem Neueintritt i n den M a r k t gleichkäme. 9« Vgl. v. Beckerath, Kräfte, Ziele u n d Gestaltungen, S. 56. im Die B i n d u n g eines Abnehmers zielt zwar i n erster L i n i e auf die A b nahme eigener Produkte, gleichzeitig hat sie aber auch den Zweck, K u n d e n

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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Direkt zeigt sich die Macht, wenn Konglomerate entweder m i t Druck bestimmte Handlungen erzwingen wollen oder durch einen scharfen Konkurrenzkampf Wettbewerber zu verdrängen suchen. Dabei ist allerdings die Fähigkeit, ζ. B. durch Drohung m i t einem Prozeß und seinen immensen Kosten auf finanzschwache Konkurrenten einzuwirken 1 0 2 , weder konglomerats-spezifisch noch kann sie überhaupt als normale Auswirkung eines Zusammenschlusses angesehen werden. Sie ist demnach für die Fusionskontrolle irrelevant 1 0 3 . Statt dessen hat die Fähigkeit der Verdrängung als Machtmittel gegenüber Konkurrenten eine besondere Bedeutung. Sie ergibt sich zum Teil aus den schon früher erwähnten Werbevorteilen 1 0 4 . Da diese dem Konglomerat einen konzentrierten Einsatz auch teurer Werbemedien ermöglichen, vertreiben sie auf die Dauer selbst leistungsfähigere Konkurrenten aus dem M a r k t 1 0 5 . Unterkostenpreise haben derartige Folgen i n noch stärkerem Maße 1 0 8 . Sie bedeuten für Einproduktunternehmen eine Aushöhlung ihrer Kapitalkraft und damit letztlich ihren R u i n 1 0 7 . Konglomerate hingegen können auf einzelnen Märkten als Folge der Ressourcenverschiebung größere M i t t e l einsetzen als dort erwirtschaftet werden 1 0 8 . Dementsprechend haben sie die Möglichkeit, u . U . monate- oder sogar jahrelang auf eine volle Kostendeckung zu verzichten 1 0 9 . Sie besitzen die Kraft, von den K o n k u r r e n t e n fernzuhalten. Vgl. Lenel, Ursachen, S. 398; vgL z u m Ausschließungseffekt auch schon oben T e i l I I , C. 1.2. b). ιοί Oben T e ü I I , C. 1.2. 102 Vgl. Haager, S. 135 u. das dortige Beispiel eines Patentprozesses m i t seinen Folgen. F ü r eine derartige Drohung ist ein tatsächlicher Prozeßgrund nicht notwendig, denn selbst bei sicherem Ausgang ist das finanzielle Risiko eines durch alle Instanzen vorgetragenen Prozesses so groß, daß manches kleine Unternehmen davor zurückschreckt. Vgl. auch A r n d t , Aufgaben, S. 468. io» I h r e Verhinderung ist eine Aufgabe der Mißbrauchsaufsicht. 104 v g l . oben T e i l I I , B. I I . 2. Sonstige Vorteüe durch economies of scale, w i e sie z.B. Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S.266, als M i t t e l zum Verdrängungskampf anführt, werden hier nicht erwähnt, da sie i m reinen Konglomerat eine relativ geringe Rolle spielen. Vgl. insb. oben T e ü I I , Β . I I . 1. u n d 3. io® Als charakteristisches Beispiel vgl. Clorox u n d seine durch den Einsatz des Werbeetats von Procter & Gamble ermöglichte Umsatzsteigerung. 386 U.S. 568 (1967); vgl. auch oben T e ü I , C. I I I . 3. c) u n d T e i l I I , B. A n m . 96. ιοβ Als Preisunterbietung durch Unterkostenpreise soll nicht n u r gelten: " k n o w i n g l y pricing below m a r g i n a l cost . . . for the purpose of disciplining or removing particular rivals . . S o Elzinga, Predatory Pricing: The Case of the Gunpowder Trust, S. 225. Unterkostenpreise liegen auch dann vor, w e n n die zurechenbaren Produktkosten gedeckt sind, die Stückkosten i m Sinne der Vollkostenrechnung aber nicht. Vgl. dazu oben T e i l I I , B. I I I . 1. b). 107 "Hence the diversified f i r m can outspend, out-dare and outloose its r i v a l . " Edwards, The Changing Dimensions, S. 253. 108 Vgl. Edwards, Conglomerate Bigness, S. 350; Kantzenbach, Die F u n k tionsfähigkeit, S. 123.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

sich ihre Konkurrenten unterzuordnen bzw. ein anpassendes Verhalten von ihnen zu fordern 1 1 0 , und können sogar durch Kombination ihrer Machtmittel wie Schwerpunktwerbung und selektiver Preisunterbietung einen umfassenden Verdrängungskampf führen, der auf die bewußte Zerstörung von Wettbewerber und Wettbewerb hinausläuft 1 1 1 . b) Der Preiskampf

und die Mischkalkulation

Die Möglichkeit, allein aus dem Vorliegen von Unterkostenpreisen auf einen ruinösen Preiskampf und auf die Absicht der Verdrängung von Konkurrenten zu schließen, ist allerdings sehr umstritten 1 1 2 . Als Sortimentskalkulation ist der Preisausgleich durchaus anerkannt und üblich. Er ist geradezu ein „Kennzeichen der Preispolitik von Handelsunternehmen" geworden 1 1 3 , die auf diese Weise versuchen, i m Preis höher liegende Waren zusammen m i t Niedrigpreisangeboten abzusetzen 1 1 4 . „Sortimentskalkulation bedeutet (insoweit) simultane Preispolit i k m i t allen Waren unter Ausnutzung der zwischen ihnen bestehenden Nachfrageinterdependenzen 115 ." Eine Wettbewerbswidrigkeit kann dabei aus zwei Gründen nicht angenommen werden. Z u m einen muß der kalkulatorische Ausgleich — und das heißt auch Unterkostenpreise — als zulässiges M i t t e l des Wettbewerbs gebilligt werden, solange die freie Preisbildung eine Grundlage unserer Wirtschaftsordnung darstellt 1 1 6 . Z u m anderen ergibt sich auch aus dem anerkannten Prinzip der Gewinnmaximierung, daß das Bestreben, ein optimales Ergebnis, d. h. den höchsten Gewinn, nicht nur für einzelne Waren, sondern für die gesamte Unternehmung zu erzielen, legitim sein muß 1 1 7 . 109 v g l . oben T e i l I I , B. I I I . 1.; Stützel, S. 932; Kruber, Bemerkungen, S. 223; Haager, S. 64. no Diese „Disziplinierung" ist meist leichter möglich als eine Verdrängung. Vgl. Haager, S.64f. m Vgl. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 123; vgl. auch C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 23, w o berichtet w i r d , daß teilweise sogar spezielle Tochtergesellschaften als Kampfgesellschaften gegründet wurden. u 2 Vgl. die umfassende Darstellung der Problematik bei Albach, Z u r Sortimentskalkulation i m Einzelhandel, S. 13 ff.; vgl. auch Turner, S. 1340 f. us Ruberg, Kostenprinzip u n d Wertprinzip bei der K a l k u l a t i o n i m E i n zelhandel, S. 203. 114 Es k a n n auch so sein, daß durch Konkurrenzdruck notwendige, die Kosten nicht deckende Preise durch Gewinne bei anderen Produkten ausgeglichen werden müssen. Vgl. Ruberg, S. 203; vgl. auch Telser, Abusive Trade Practices, S. 494; Gutenberg, Grundlagen, Bd. I I . S. 357; Edwards, The Changing Dimensions, S. 253. 115 Albach, Z u r Sortimentskalkulation, S. 38, vgl. auch S. 40; Edwards, The Changing Dimensions, S. 254. ne Albach, ebenda, S. 39, vgl. auch A n m . 53.

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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Diese Argumentation kann für das Konglomerat allerdings nicht gelten. I m Gegensatz zum Einzelhandelsgeschäft haben bei i h m die Produkte keine Beziehung zueinander. Deshalb erfolgt der Preisausgleich nicht innerhalb eines einheitlichen Leistungsbereiches und gegenüber einem einheitlichen Kundenkreis 1 1 8 . Vielmehr fallen bevorteilte und benachteiligte Kunden typischerweise auseinander, und die jeweilige Marktmacht r ü h r t von völlig fremden Unternehmenssparten her 1 1 9 . Anders als i m Rahmen der Sortimentskalkulation setzt das Konglomerat daher beim Verdrängungskampf M i t t e l ein, die i n keinem Zusammenhang zu seinen Leistungen i n dem betreffenden M a r k t stehen 120 . Es benutzt seine Stellung auf anderen Märkten, um einen Konkurrenten außer Gefecht zu setzen, während dieser keine entsprechenden Möglichkeiten hat 1 2 1 . "(He) finds himself faced w i t h the competition of a division immune from the market test of its efficiency and from penalty for inefficiency 1 2 2 ." Folglich w i r d er auf Dauer unterliegen und den M a r k t verlassen müssen, während das Konglomerat sein Ziel einer langfristigen Gewinnmaximierung erreicht 1 2 3 . Wenn Sölter i n diesem Zusammenhang von einem positiven „Kapitalwettbewerb" spricht und i h n als „Leistungswettbewerb, jedoch . . . gewissermaßen i n ,Vorleistungen'" qualifiziert 1 2 4 , so kann dem nicht zugestimmt werden. Sofern der Stärkere den Tüchtigeren m i t Hilfe ruinöser Konkurrenz aus dem M a r k t vertreibt und dadurch eine bessere Marktstellung erlangt 1 2 5 , ist dies keine „Leistung" i m volkswirtschaftlichen Sinne. Es handelt sich vielmehr u m eine „Fehlleitung von Kapital" und eine Vernichtung volkswirtschaftlicher Produktionskräfte 1 2 6 . Sie führt zu einer Abhängigkeit des finanzschwächeren vom kapitalstarken Konkurrenten 1 2 7 und muß deshalb verhindert werden. 117 Gutenberg, Grundlagen, Bd. I I . S. 358; vgl. auch Albach, Z u r Sortimentskalkulation, S. 22. ne Vgl. hierzu Turner, S. 1350. ne Vgl. Kruber, Bemerkungen, S. 223. 120 Diese Argumentation zeigt, daß „Unterkostenpreise" dann nicht als Kampfpreise angesehen werden dürfen u n d l e g i t i m sind, w e n n als Folge der dadurch größeren Verkaufs- u n d Produktionsmenge eine Kostensenkung pro Stück zu erwarten ist, die auch bei niedrigen Preisen einen G e w i n n ermöglicht. Vgl. auch Adelman, The Α & Ρ Case: A Study i n A p p l i e d Economic Theory, S. 241 f.; ebenso Turner, S. 1341. 121 "The large company is i n a position to h u r t w i t h o u t being h u r t . " E d wards, Conglomerate Bigness, S. 335; GfK., Konglomerate, S. 456. m» Stelzer, S. 28. 123 Vgl. Mertens, S. 149; Lenel, Ursachen, S.327; Stützel, S.932. 124 v g l . sölter, Das Mischunternehmen, S. 159. 125 Vgl. A r n d t , Aufgaben, S. 465. 126 Mertens, S. 149; Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 2161; vgl. auch Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 259. ι ^ 7 Vgl. Sombart, Bd. 3, 2. Halbbd., S. 834, u n d sein Z i t a t aus dem Report on Dyes and Dyestuffs; ebenso Edwards, Conglomerate Bigness, S. 338. 11 Emrich

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb 2. Die Fähigkeit der Verdrängung als Wettbewerbsbeschränkung a) Das Erfolgsrisiko

des tatsächlichen

Verdrängungskampfes

Daß der Preiskampf als M i t t e l zur Verdrängung von Konkurrenten tatsächlich eingesetzt wird, hat sich i n mehreren Antitrustverfahren gezeigt. So wurde z.B. i n dem oben erwähnten Prozeß gegen die Reynold Metals Co. festgestellt, daß die von ihr übernommene A r r o w Brands Inc. fast ein Jahr lang die Preise nur knapp über oder sogar unter den eigenen Herstellungskosten gehalten hatte 1 2 8 . Die Umsätze ihrer Konkurrenten sanken aus diesem Grunde u m bis zu 47 °/o 129 . I n anderen Fällen zeigte sich die Durchführung eines Preiskampfes weniger deutlich. Z u m Beispiel wurde bei United Shoe 1 3 0 die Preisherabsetzung dadurch kaschiert, daß neue, wertvollere Fabrikationsmaschinen produziert wurden, während der alte Preis bestehen blieb 1 3 1 . Die beliebteste Methode zur Verdeckung tatsächlicher Produktverbilligungen ist das Rabattsystem 132 . Es hat den Vorteil, den Eindruck eines durch Menge oder Zahlungsweise gerechtfertigten Preisnachlasses zu erwecken, während tatsächlich — insbesondere bei Gesamtumsatzrabatten — meist keine Kostenvorteile für den Verkäufer bestehen 133 . Auch hierbei w i r d also die Stellung auf anderen Märkten dazu verwandt, unliebsame Konkurrenten „aus dem Wege zu räumen" 1 3 4 . Trotz dieser Beispiele darf aber nicht der Schluß gezogen werden, daß konglomerate Zusammenschlüsse notwendigerweise zu einem Verdrängungskampf führen müßten 1 3 5 . Vielmehr spricht einiges für die Ansicht, daß Preiskämpfe nur selten oder sogar fast nie auftreten 1 3 6 . 128 309 F. 2d. 223, 229 (1962). ι«« Ebenda, S. 230. 130 U.S. v. U n i t e d Shoe Machinery Corp., 110 F.Supp. 295 (1953). isi 110 F.Supp. 326, 327. 132 V g l Lenel, Ursachen, S. 211 f. 133 Vgl. dazu insb. die Erwiderung zu Heinz Schade, Wenn der Große den Kleinen schluckt, bei Lenel, Ursachen, S. 212. 134 Vgl. dazu B K a r t A , Tätigkeitsbericht 1968, S. 20; f ü r weitere Beispiele v o n Preiskämpfen vgl. Lanzilotti, Pricing Objectives i n Large Companies, S. 935. iss vgl. Fischer, Wettbewerbsbeschränkungen, S. 165; a. A . w o h l Seidenfus, Mehrproduktunternehmen, S. 213. V o n besonderem Interesse f ü r diese Frage sind die Untersuchungen zweier als Prototypen f ü r Preiskämpfe v e r schrieener Unternehmen i n : McGee, Predatory Price Cutting: The Standard O i l (N.J.) Case, u n d Elzinga, Predatory Pricing: The Case of the Gunpowder Trust. ΐ3β . . the belief that predatory pricing is a l i k e l y consequence of . . . conglomerate merger is w h o l l y unverified by any careful studies." Turner, S. 1340; Backman, i n : Economic Concentration, P a r t i , S. 587 f.; Davidow, S.1256.

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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Der Grund hierfür liegt einmal i n der divisionalen Struktur von Konglomeraten, die eine derartige Politik — wenn auch nicht verhindert — so doch erschwert 157 . Z u m anderen ist es sehr fraglich, ob die aus einem Preiskampf resultierenden Profite w i r k l i c h größer sind als solche, die ohne Kampf erreicht werden können 1 8 8 . Dies w i r d von vielen Wissenschaftlern bestritten. Mc Gee schreibt sogar i n seiner Untersuchung des "Standard Oil case" 1 3 9 : " I n some respect i t is to bad that standard did not employ predatory price cutting to achieve its monopoly position. I n doing so i t would surely have gotten no greater monopoly power than i t achieved i n other ways, and during the process consumers would have bought petroleum products for a great deal less money." Bestes Argument gegen den teuren Verdrängungskampf ist die Möglichkeit des Marktzutritts durch neue Anbieter 1 4 0 . Ausscheidungskämpfe haben nämlich nur dann einen Sinn, wenn sie zu einer dauerhaften Monopolstellung führen, i n der die früheren „Verluste" wieder aufgeholt werden können 1 4 1 . Bei niedrigen barriers to e n t r y 1 4 2 besteht jedoch die Gefahr, daß neue Konkurrenten den M a r k t betreten, sobald der „Monopolist" seine Preise erhöht, u m an den dann möglichen Gewinnen teilzuhaben 1 4 8 . Diese Tendenz w i r d zusätzlich verstärkt, wenn potentielle Konkurrenten annehmen, daß der „Monopolist" durch den vorangegangenen Preiskampf geschwächt und ein Marktzutritt deswegen besonders erfolgsversprechend sei 1 4 4 . Daher w i r d eine Politik nach dem Prinzip: "let us h i t somebody over there because we have some money i n some other department" i n vielen Fällen zu keinem Erfolg führen 1 4 5 . Es ist vielmehr wahrschein137

Stelzer, S. 29. ® Lorie / Halpern, S. 155. 139 McGee, S. 168. " o Lorie / Halpern, S. 156. 1 4 1 Wiss. Beirat, Gutachten, S. 21, Nr. 14; Frankus, S. 57; Turner, S. 1340, 1341 f. 142 Z u den „barriers to e n t r y " u n d zu der Frage, w a n n sie durch die Konglomeration erhöht werden, vgl. unten T e i l I I , C. I I I . 2. 143 Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 11; vgl. auch L o r i e / Halpern, S. 156; Davidow, S. 1256; Adelmann, T h e Α & Ρ Case, S. 242 ff. Elzinga, S. 236 ff., konnte sogar nachweisen, daß vor Auflösung des G u n powder Trust, als dieser sich aufgrund seiner monopolistischen Stellung bemühte, die Preise hochzuhalten, mehr unabhängige K o n k u r r e n t e n den M a r k t neu betraten als später, w o der Wettbewerb „wiederhergestellt" war. ι 4 4 v g l . Elzinga, S. 240. 145 Backman, i n : Economic Concentration, Part 1, S. 587; Gutowski, Z u dem Buch von Hans Otto Lenel, Ursachen der Konzentration unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse ( i m folgenden: Gutowski, B e sprechung) S. 176. 13

1

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

licher, daß die Unternehmen versuchen, sich m i t der Konkurrenz zu einigen, oder i h r ein günstiges Übernahmeangebot machen 146 . Dies zeigt, daß die tatsächliche Durchführung einer aggressiven Preispolitik den Ausnahmefall darstellt und daß sie folglich nicht die Notwendigkeit einer Fusionskontrolle begründen kann. Sollte dennoch ein Konglomerat m i t Unterkostenverkäufen einen Preiskampf beginnen, so müßte die Mißbrauchsaufsicht des § 22 Abs. 4 GWB eingreifen. b) Die Auswirkungen

der bloßen Möglichkeit

zu aggressivem Verhalten

Die Konglomerierung kann jedoch auch ohne tatsächlichen Verdrängungswettbewerb wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben. Grundlage dafür ist der psychologische Faktor einer Erwartungshaltung der Konkurrenten i m Bezug auf die Handlungen des Konglomerats 1 4 7 . Sie erkennen das große Potential, die Fähigkeit zur Verschiebung von Ressourcen und damit die Macht i n einem möglichen Preiskampf und richten ihr Verhalten danach aus 1 4 8 . Entweder versuchen sie, ihre eigene Stellung zu stärken. Sie schließen sich zusammen oder suchen Beistand bei einem branchenfremden Großkonzern 1 4 9 und führen so eine Gegenkonzentration herbei. Oder aber — und das ist wahrscheinlicher — sie respektieren aus Angst vor denkbaren Vergeltungsmaßnahmen des Konglomerats „ f r e i w i l l i g " 1 6 0 dessen besondere Stellung, ordnen sich unter und erkennen unter Umständen das Konglomerat als Branchen- bzw. Preisführer an 1 5 1 . I n diesem Falle ist es für das Konglomerat gar nicht mehr nötig, tatsächlich eine Maßnahme zu ergreifen 1 5 2 . Selbst Drohungen sind überflüssig. Statt dessen gilt der Grundsatz: „Man braucht die Macht nicht mehr zu benutzen, wenn man sie schon hat 1 5 3 ." Das Konglomerat kann unter Umständen den gesamten M a r k t ohne Verdrängung — d. h. ohne Kosten — unter die eigene Kontrolle bringen 1 5 4 . Lorie / Halpern, S. 155; Telser, Abusive Trade Practices, S. 495; vgl. auch Geneen, S. 15. 147 Narver, S.83; Blair, S. 1415. 148 Blair, S. 1415 f.; Davidow, S. 1257. 149 Vgl. Lenel, Ursachen, S. 241. 150 Sölter, Das Mischunternehmen, S. 179, spricht — m. E. zu positiv — von einer „spontanen Zustimmung". isi Petry, S.550; vgl. auch 2. RefE GWB, Begr. S. 86. 152 Frankus, S. 58; Lenel, Ursachen, S. 210. 153 Mestmäcker, Wie groß darf ein Unternehmen werden?, S. 15; Edwards, i n : Economic Concentration, P a r t i , S.44: "Most small rivals can be coerced by their o w n imaginations." 154 Petry, S.550. Der weitere V o r t e ü liegt i n der schweren Nachweisbarkeit einer Wettbewerbsschädigung bei reiner nicht abgesprochener Preisführerschaft. Vgl. Sölter, Das Mischunternehmen, S. 178 (zum Verfahren U.S. v. U.S. Steel Corp.).

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

165

Zusammenfassend ergibt sich deshalb, daß schon allein die Fähigkeit zur Verdrängung entweder eine Unterwerfung unter die größere Macht des neuen Konkurrenten oder eine Erhöhung der Marktkonzentration herbeiführt. Beides beschränkt den Wettbewerb und kann nur dadurch verhindert werden, daß Zusammenschlüsse, die die Möglichkeit ruinöser Preiskämpfe eröffnen, i m Rahmen der Fusionskontrolle untersagt werden 1 5 5 . 3. Die Wettbewerbserhöhung durch defensive Stärke Neben der Möglichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung muß aber auch die Möglichkeit einer Wettbewerbsbelebung als Folge der Konglomeration gesehen werden 1 5 6 . Es gibt Märkte, i n denen sich eine gewisse Form der Verständigung eingespielt hat 1 5 7 , bei der jeder „Wettbewerber" den Bereich und die K r a f t des anderen akzeptiert, ohne i h n anzugreifen. I n diesen mangels unternehmerischer Initiative trägen M ä r k t e n 1 5 8 kann das Auftauchen des „neuen", von anderen Managern kontrollierten Unternehmens einen „frischen W i n d " m i t sich bringen, der den alten modus vivendi zerstört und die Verkrustungen des Marktes beseitigt 1 5 9 . Grundlage dafür ist die finanzielle Stärke des Konglomerats, die m i t der Übernahme eines neuen Unternehmens auch diesem zugute k o m m t 1 6 0 . Die „tiefen Taschen" des Konzerns verschaffen i h m eine Stellung, die seine Macht weit über die K r a f t der Marktanteile hinauswachsen läßt und sogar größere Konkurrenten zur Rücksichtnahme zwingt 1 6 1 . Daher kann er durch Anwendung neuer Technologien oder durch Einführung anderer Managementmethoden eine expansivere Politik betreiben 1 6 2 und stellt dann ein wettbewerbsförderndes Element der Unsicherheit i n dem bisher ruhigen M a r k t dar 1 6 3 . 155 i m Ergebnis stimmt dies m i t den Begründungen i n A n t i t r u s t - V e r f a h r e n überein. Vgl. F.T.C, ν. Procter & Gamble Co., 1967 Trade Cases §72.061, S. 83.801 f. ΐ5β v g l . Celler, Corporation Mergers, S. 4. Teilweise w i r d sogar angenommen, daß eine Wettbewerbsverstärkung die normale Folge der Konglomerat i o n ist. Vgl. C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 35. is? Blair, S. 1417. iss C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 35. 159 Blair, S. 1418; Stelzer, S.33f. 160 Falls sich economies ergeben sollten, so stärken auch sie das erworbene Unternehmen u n d zwingen die Konkurrenten zu größeren wettbewerblichen Anstrengungen; vgl. Turner, S. 1352 f. ιοί Vgl. Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 260 u. 264. 162 GfK., Konglomerate, S. 443, sieht diesen „unternehmerischen Wagem u t " gerade bei Konglomeraten als typenspezifisch an. Vgl. auch B l a i r , S. 1418; Stelzer, S. 32.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

Besonders i n vorher von einem oder von mehreren Großunternehmen beherrschten Märkten hat diese neue Wettbewerbsmöglichkeit große Bedeutung 1 6 4 . Dort verleiht die Verzweigung des Konzerns über eine Vielzahl heterogener Produkte der übernommenen kleinen Unternehmung eine starke defensive Macht 1 6 6 . Sie w i r d i n die Lage versetzt, eine unabhängige Politik zu betreiben und „wächst aus ihrer untergeordneten Rolle eines Preisnehmers heraus i n eine gleichberechtigte Stellung . . , " 1 6 6 . Deshalb müssen die Konkurrenten ihre Handlungen m i t i n die eigene Planung einbeziehen 167 . Trotz Erhöhung der Gesamtkonzentration verstärkt sich also der Wettbewerb. I n manchen Fällen ist eine solche, durch Übernahmen herbeigeführte Kräftigung die einzige Möglichkeit, das Unternehmen als Wettbewerber zu erhalten 1 6 8 . Droht es z.B. i m Konkurrenzkampf gegen mächtigere Konkurrenten zu unterliegen, so besteht die Überlebenschance „ n u r i n einer wettbewerbsbeschränkenden Fusion" 1 6 9 . Praktisch w i r d dann das Konglomerat zum neuen, „unwillkommenen Wettbewerber" 1 7 0 . Auch die Übernahme durch ein anderes, kleines Unternehmen kann nicht immer als Ausweg angesehen werden. Oft scheitert diese Möglichkeit an dem Problem des für die Anfangszeit notwendigen Kapitals 1 7 1 . Sind außerdem die barriers to entry sehr hoch, so kann der Blair, S. 1417; Frankus, S. 98; vgl. auch die i n C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S 35, aufgeführten Beispiele. Die neue Stärke des bisher kleinen Unternehmens zwingt auch dessen K o n k u r r e n t e n zu aggressiverem Wettbewerb, da sie sonst ihre Marktanteile verlieren. Vgl. F.T.C., v. Procter & Gamble, 1967 Trade Cases § 72.061, S. 83.805. 164 v g l . C.P.C., Monopole u n d Unternehmenszusammenschlüsse, S. 2 1 1 ; vgl. auch U.S. v. Penn-Olin Chem. Co., 1963 Trade Cases § 70.762, S. 78.079. " s Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit, S. 124; Stelzer, S. 32: " . . . they (die großen Konkurrenten, d. Verf.) f i n d i t harder to b r i n g a m u l t i - p r o d u c t company . . . to its knees i n a dispute t h a n a m a m m o t h b u t almost single product company." Vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 327. !ββ Borchert, Wettbewerbspolitische Kriterien, S. 260. 167 " . . . an oligopolistic f i r m always has to guess about w h a t someone else w i l l do i n resonse to its move. B u t i t has to w o r r y an a w f u l lot more i f one or more of its rivals are large, h i g h l y diversified firms . . . " Loescher, i n : Economic Concentration, Part 2, S. 841. 168 Als Beispiel vgl. die unbestätigte Geschichte der Findus-Übernahme. „Findus u n d sein großer K o n k u r r e n t Unüever trugen auf dem englischen M a r k t f ü r Feinfrosterbsen einen Preiskampf aus, durch den Findus i n finanzielle Bedrängnis geriet . . . Als Retter i n der N o t erschien . . . Nestlé." Lenel, Ursachen, S. 425. lee w i s s Beirat, Stellungnahme, S. 7. I n diesem Falle dürfte die Qualifizier u n g als „wettbewerbsbeschränkende Fusion" allerdings falsch sein. Vgl. auch M i l l e r , Concentration, Competition and Monopoly: A Guideline Prosposal for Horizontal Merger Policy, S. 882. M i l l e r weist besonders darauf hin, daß die technischen Kapazitäten eines Unternehmens weitergenutzt werden, während sie sonst möglicherweise vernichtet würden. " ο Vgl. Stelzer, S. 31 f. " 1 Vgl. Neumann, a.a.O., S. 677.

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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Ankauf durch ein finanzstarkes Konglomerat sogar notwendig sein zur Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse 172 . Daraus folgt zusammenfassend, daß die Konglomeration gegenüber den jeweiligen Konkurrenten sehr unterschiedliche Wirkungen haben kann. Die Stärkung des aufgekauften Unternehmens kann einerseits zu einer Vermehrung des Wettbewerbs führen, sie kann aber auch dem Unternehmen eine solche Machtfülle geben, daß die Möglichkeit eines Verdrängungskampfes besteht. I n diesem Falle macht die Verringerung des Wettbewerbs eine Untersagung des Zusammenschlusses i m Rahmen der Fusionskontrolle erforderlich. Es ist deshalb zu untersuchen, welches die entscheidenden Grundlagen einer derartigen, wettbewerbsbeschränkenden Macht sind und inwieweit sie von den Kriterien der §§ 24, 22 GWB erfaßt werden. I I I . Die Folgen der Konglomeration für die potentielle Konkurrenz 1. Die Beziehung zwischen effektiver und potentieller Konkurrenz Die dritte Möglichkeit einer Einschränkung des Wettbewerbs durch konglomerate Konzentration besteht i n einer Verminderung der potentiellen Konkurrenz. Schon früher wurde dargelegt, daß diese Form einer Konkurrenzbeziehung große Bedeutung für die Intensität des Wettbewerbs hat 1 7 3 . Gerade auf Märkten m i t geringem Wettbewerbsdruck durch effektive Konkurrenten bestimmt die Furcht vor einem newcomer die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Unternehmen, so daß sich deren Macht „umgekehrt proportional zur Höhe der Wahrscheinlichkeit des Markteintritts" verhält 1 7 4 . 172 Vgl. McDaniel ( L i t t o n Ind.), zit. bei Campbell / Shepherd, Leading F i r m Conglomerate Mergers, S. 1361, A n m . 2; Lenel, Ursachen, S. 245; vgl. auch die ausführliche Darstellung der Schwierigkeiten kleiner Unternehmen, i n M ä r k t e m i t großen Unternehmen einzudringen, bei Neumann, S. 668 - 681. Wenn Celler, zit. bei Kronstein / M i l l e r / Schwartz, S. 51, erklärt, daß die Übernahmen meist zur Stärkung des Konglomerats u n d nicht zur Stärkung des übernommenen Unternehmens dienten, so mag das zutreffen. Die u m gekehrte Möglichkeit darf aber trotzdem nicht übersehen werden. Zusätzlich muß auch die allein aus der Möglichkeit einer eventuellen Übernahme herrührende W i r k u n g auf den Wettbewerb bedacht werden. So folgern Gort / Hogarty, New Evidence on Mergers, S. 183, aus ihrer statistischen U n t e r suchung: " . . . t h e oportunity to sell out eventually on reasonable terms is an inducement to invest, and the foreclosure of such opörtunities may raise the cost of capital to these firms thus m a k i n g entry i n t o new markets more difficult." its v g l . dazu oben Teil I I , Α . I I I . Die Notwendigkeit einer Erhaltung der potentiellen Konkurrenz ergibt sich auch aus dem wirtschaftlichen Prinzip eines freien, selbständigen Unternehmertums, denn w e n n die Chance einer unternehmerischen Betätigung gegeben sein soll, muß zumindest die M ö g lichkeit des Neueintritts i n einen M a r k t bestehen. Vgl. Raisch, Das GWB, S. 232.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

Wie schnell die potentielle zur effektiven Konkurrenz werden kann, zeigt der deutsche Nutzfahrzeug-Markt. Lange Jahre war er als Beispiel für eine von Großkonzernen „durchgeschleppte", ohne eine Konzentration aber unrentable Produktionsrichtung angeführt worden 1 7 5 . Nachdem „endlich" die Konzentration vollzogen war, tauchten die großen ausländischen Hersteller Fiat, Daf, Volvo und Scania auf dem deutschen M a r k t auf und wiesen so nach, daß der M a r k t doch für mehrere Hersteller Platz hat 1 7 6 . Hieraus läßt sich zweierlei erkennen. Einerseits besteht durch die schnelle Umwandlungsmöglichkeit eine enge Verwandtschaft von potentieller und effektiver Konkurrenz, andererseits dürfen beide K o n k u r renzarten aber nicht gleichgesetzt werden 1 7 7 . Die potentielle Konkurrenz ist vielmehr eine A r t Vorstadium und übt einen geringeren Druck aus. Für die Höhe der Produktpreise ist das von großer Bedeutung. Selbst wenn sie zu niedrig sind, u m potentielle Konkurrenten zum Markteint r i t t zu reizen, liegen sie möglicherweise dennoch über den Preisen, die sich bei lebhaftem effektiven Wettbewerb auf dem M a r k t einspielen würden 1 7 8 . 2. Die Auswirkungen der Konglomeration auf fremde potentielle Konkurrenten Grundsätzlich hängt die Stärke der potentiellen Konkurrenz und damit die Größe ihrer W i r k u n g auf den Wettbewerb ab von der Höhe der Marktzutrittsschranken. Diese ergibt sich aus dem Aufwand, "which must be borne by a f i r m which seeks to enter an industry, but is not borne by firms already i n the industry" 1 7 9 , und sie wächst ζ. Β . durch

ι 7 4 Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße, S. 14; Turner, S. 1364 f. T u r n e r weist zusätzlich darauf hin, daß auch eine Erhöhung der Kapazität, verbunden m i t einer möglichen Preisminderung, von der potentiellen K o n kurrenz mitbestimmt w i r d , da die Produzenten versuchen werden, keine Kapazitätslücken f ü r newcomers offen zu lassen. 175 v g l . A r n d t , Aufgaben, S. 464 f. 176 Vgl. Lingnau, Umbruch a m Nutzfahrzeug-Markt: „Das Wettbewerbsvacuum, das m i t dem übermächtigen Erstarken der Daimler-Gruppe a m deutschen M a r k t entstanden ist, saugt unvermeidlich neue Anbieter an." 177 Freitag, Wirksamer Wettbewerb u n d potentielle Konkurrenz, S. 303. 178 Vgl. W ü l a r d F. Mueller, Merger Policy, S. 87. E i n Maßstab f ü r die B e deutung der potentiellen Konkurrenz ist „the largest percentage b y w h i c h established sellers can persistently elevate their prices above the minimized or competitive average costs of production and distribution . . . w i t h o u t inducing new sellers to enter the industry". Bain, I n d u s t r i a l Organisation. S. 237. 179 Stigler, The Organisation of Industry, S. 67; Bain, Barriers, S. 3, spricht von „ . . . advantages of established sellers i n an industry over potential entrant sellers". Vgl. auch Schumacher, S. 145.

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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eine Steigerung der optimalen Unternehmensgröße oder durch eine Versperrung des Zugangs zu Rohstoffen, Patenten und Ähnlichem 1 8 0 . a) Die Bedeutung der Konglomeration für absolute Marktzutrittsschranken I m Vergleich zur horizontalen und vertikalen Konzentration ist bei konglomeraten Zusammenschlüssen die Gefahr des Aufbaus absoluter, d. h. auch m i t hohem Kapitaleinsatz nicht zu überwindender M a r k t zutrittsschranken gering 1 8 1 , denn ein Ausschluß potentieller Konkurrenten von Rohstoffen oder Patenten ist normalerweise nicht zu erwarten 1 8 2 . Allerdings folgt aus der schon untersuchten Möglichkeit reziproker Beziehungen 183 eine Nebenfolge für die potentielle Konkurrénz. Die Bindung möglicher Geschäftspartner an das Konglomerat läßt für eintrittswillige Unternehmen einen Teil ihrer potentiellen Abnehmer entfallen 1 8 4 . Dementsprechend sind newcomers von vornherein i n ihrer Wettbewerbsfähigkeit stark eingeschränkt, was letztendlich bedeutet, daß sie den M a r k t erst gar nicht betreten 1 8 6 . Eine ähnliche W i r k u n g kann sich aus der A r t und Weise der Berichterstattung i m Konglomerat ergeben. Wie oben schon dargelegt, informieren Konglomerate meist nur sehr unvollkommen über ihre A k t i v i täten auf den einzelnen Märkten 1 8 6 . Dadurch verursachen sie für außenstehende Unternehmen ein information-loss, das es diesen erschwert, die Chancen eines Marktzutritts richtig zu beurteilen 1 8 7 . Es könnte folglich eine Situation entstehen, i n der Konglomerate unerkannt über180 Vgl. Ausschuß f ü r Wirtschaft, Unterrichtung, S. 6; Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S. 174. Die erste Alternative k a n n zusätzlich i n „economies" u n d „preferences of buyers" unterteilt werden. Vgl. Bain, ebenda; H a m mond, S. 789 f.; f ü r weitere Unterteilungen vgl. Bain, Barriers, S. 16. Da economies bei Konglomerationen n u r i n geringfügigem Maße entstehen (vgl. T e i l I I , B. II.), w i r d hier n u r unterschieden zwischen absoluten M a r k t zutrittsschranken, die durch großen Kapitaleinsatz nicht überwunden w e r den können (vgl. Bain, Funktionsfähiger Wettbewerb, S. 41), u n d finanziellen Marktzutrittsschranken durch starke Werbung u n d Preisunterbietungen. 181 Vgl. auch Bain, Barriers, S. 214. is* E i n Ausschluß der Konkurrenten von Patenten wäre zwar denkbar bei konglomeratem Wachstum m i t dem Ziel der Auswertung eines als Nebenprodukt der Forschung i n anderen Gebieten erlangten Patentes. Eine solche Durchsetzung des technischen Fortschritts ist allerdings erwünscht. Vgl. oben T e i l I I , Β . I. 3. 183 v g l . oben T e i l I I , C. 1.2. b) u n d 3. 184 v g l Petry, a.a.O. S. 551; Fischer, Konglomerate Konzentration, S. 572; vgl. auch Stocking / Mueller, S. 93 f.; Hausman, S. 879 f. 185 Vgl. Jürgensen / Berg, S. 66. 186 Vgl. hierzu oben T e i l I I , B. I I I . 2. a); F.T.C., Conglomerate Merger Performance, S. 148 f is? F.T.C., ebenda, S. 129 ff.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

normale Profite erzielen und demgemäß den sofortigen Marktzutritt eines potentiellen Konkurrenten nicht zu fürchten brauchen 188 . Allerdings darf diese W i r k u n g nicht überbewertet werden, w e i l eine echte Informationssperre erst dann eintritt, wenn ein M a r k t vollkommen von Konglomeraten durchsetzt ist. Ein derartiger Zustand wurde jedoch bis heute noch nicht erreicht. Es zeigt sich daher, daß absolute, den Marktzutritt neuer Wettbewerber generell verhindernde Schranken — außer durch reziproke Beziehungen — bei konglomeraten Zusammenschlüssen nicht erwartet werden müssen. Bedeutsamer für die potentielle Konkurrenz ist vielmehr die mögliche Erhöhung des Finanzbedarfs für newcomers und die sich daraus ergebende Erschwerung des Marktzutritts 1 8 9 . b) Das Anwachsen der optimalen Unternehmensgröße durch Werbeanstrengungen des Konglomerats Obwohl konglomerate Zusammenschlüsse grundsätzlich keine Steigerung der technischen Mindest-Betriebsgröße hervorrufen 1 9 0 , können sie doch die optimale Unternehmensgröße erhöhen und damit den Kapitalbedarf etwaiger newcomers verändern. Grundlage hierfür sind die oben dargestellten Vorteile großer Unternehmen i m Bereich der Werbung gegenüber kleineren Konkurrenten 1 9 1 . Konglomerate haben die Fähigkeit, ihre Kräfte schwerpunktmäßig einzusetzen und dabei auch sehr teure Werbemedien zu benutzen 1 9 2 . Schon allein dadurch muß ein potentieller Konkurrent m i t hohen Einführungskosten rechnen 193 . Außerdem haben sich manche Unternehmen m i t Suggestivwerbung und systematischer Produktdifferenzierung Käuferpräferenzen geschaffen 194 . Ihre Strategie der „Markeninflation" deckt den M a r k t zusätzlich ab 1 9 5 , so daß ein newcomer zunächst keine M a r k t lücke findet. Er muß erst die Zugangsschranken m i t großem Kapitaleinsatz überwinden 1 9 6 . «s Ebenda, S. 189 u n d 137. 18» Vgl. Lenel, Ursachen, S. 244. Die Erhöhung des Kapitalbedarfs w i r d i n ihrer W i r k u n g noch zusätzlich gesteigert, da newcomers erst m i t einem langsamen Anlaufen v o n Gewinnen rechnen können. Vgl. Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S. 239 f. ι»» Vgl. oben T e i l I I , Β . 1.4. 191 Vgl. oben T e i l I I , Β . I I . 2. 192 Vgl. oben T e ü I I , Β . I I . 2. b). 193 Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S. 239. 194 Freitag, S. 300, spricht sogar von einem „Meinungsmonopol". Vgl. auch oben T e i l I I , B . I I . 2 . b ) . 195 Lenel, Ursachen, S.277f. 19« " . . . product differentiation is the source of the highest barriers to entry . . . " Narver, S. 120; ebenso Bain, I n d u s t r i a l Organisation, S.248-253;

C. Die Folgen der wirtschaftlichen Stärke für den Wettbewerb

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Dementsprechend läßt sich die „zugangshemmende W i r k u n g der Konsumentenreklame" an der Erhöhung des Aufwands für die Einführungsreklame und an der Steigerung der optimalen Unternehmensgröße durch den Einfluß der Reklamekosten ablesen 197 . Sie macht „das Eindringen i n Märkte, die von wenigen Großunternehmen unter Einsatz der modernen MassenWerbemittel beherrscht werden . . . . . häufig so gut wie unmöglich . . , " 1 9 8 . Schon 1949 erklärte i n diesem Sinne ein Produzent von Margarinemaschinen, daß die Margarineherstellung i m Grunde redit b i l l i g sei. Teuer werde erst die zur Durchsetzung gegenüber eingeführten Marken notwendige Reklame 1 9 9 . Zusätzlich zeigt der Versuch von Purex, auf dem M a r k t der m i t Procter & Gamble verbundenen Firma Clorox vorzudringen, die besondere Schwierigkeit der Überwindung eines diversifizierten Unternehmens 2 0 0 . Trotz anfänglicher Erfolge schaffte es Purex nicht, sich gegen die Werbemacht von Procter & Gamble endgültig durchzusetzen 201 . Dementsprechend wandte es sich dann anderen M ä r k ten zu. c) Die Fähigkeit zum Preiskampf als Abschreckung potentieller Konkurrenten Auch die Möglichkeit eines Preiskampfes w i r k t sich negativ auf die Marktzutrittsschranken aus. A l l e i n die Gefahr, daß ein newcomer schon bei seinem Marktzutritt m i t Preisunterbietungen, evtl. sogar Unterkostenpreisen konfrontiert w i r d 2 0 2 , erhöht sein Risiko derart, daß ein Marktzutritt — außer von Mehrproduktunternehmen — praktisch unmöglich gemacht wird. Für die Frage, ob die dabei notwendige Voraussetzung, der Wille einen Verdrängungskampf durchzuführen, tatsächlich vorhanden ist, vgl. auch Lenel, Ursachen, S. 245. Freitag, S. 300, geht davon aus, daß potentielle Konkurrenten eine „Sicherheitsspanne" einkalkulieren müssen. * 9 7 Lenel, Ursachen, S. 278 u n d 245. ι» 8 Nieschlag, S. 204. 199 Report of the Federal Trade Commission on Changes i n Concentration i n Manufacturing (im folgenden: F.T.C., Report on Changes), S. 96; Borden, S. 555. 200 Auch unter diesem Aspekt ist das Verfahren gegen Procter & Gamble interessant. 386 U.S. 568 (1967) = 1967 Trade Cases § 72.061. 201 Nach einer Anfangssteigerung auf 33 °/o fiel der M a r k t a n t e i l von Purex wieder auf 7 % zurück. 1967 Trade Cases §72.061, S. 83.803 (Fußnote); vgl. auch ebenda S. 83.805. so« v g l . als Beispiel die Geschäftspolitik v o n A & Ρ i n U.S. v. New Y o r k Great A t l a n t i c and Pacific Tea Co., Inc., 67 F.Supp. 668 (1946): " I t m i g h t be necessary for us to operate unprofitably for several weeks . . . reducing our line of 10 °/o several weeks p r i o r to the time the competitor plans to open, so that people i n the community w i l l be impressed w i t h our l o w prices . . . " F ü r weitere Beispiele dieser P o l i t i k vgl. ebenda, S. 664 ff.

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Teil I I : Die Auswirkungen der Konglomeration auf den Wettbewerb

gilt i m Prinzip das oben Gesagte 203 . Gegenüber der potentiellen Konkurrenz kommt aber hinzu, daß Konglomerate eine A r t „Drohstrategie" durchführen könnten. Grundlage für diese Politik ist die Sorge, daß ein rein defensives Auftreten gegenüber neuen Anbietern weitere potentielle Konkurrenten auf diesem oder auf anderen Märkten dazu veranlassen könnte, die scheinbare Schwäche auszunutzen 204 . W i r d statt dessen m i t Preiskampf und Verdrängung ein Exempel statuiert, so müßte das abschreckend w i r k e n 2 0 5 . Die Verluste während des Preiskampfes könnten „wie Investitionen zur Sicherung seiner (des Konglomerats, d. Verf.) Position auf den übrigen Märkten betrachtet werden" 2 0 6 . Daraus folgt, daß ein Verdrängungsversuch von Neuanbietern bei Konglomeraten wahrscheinlicher ist als bei anderen Unternehmen. Aber auch ohne den tatsächlichen Willen zur Durchführung eines Verdrängungskampfes hat schon die bloße Tätigkeit negative Folgen für die potentielle Konkurrenz 2 0 7 . Es genügt die Annahme, ein Konglomerat könnte sich newcomers unterordnen bzw. sie verdrängen wollen, um potentielle Konkurrenten von ihrem Vorhaben abzuhalten 2 0 8 . Deshalb darf sich ein Konglomerat allein aufgrund seines „Einschüchterungspotentials" 2 0 9 darauf verlassen, daß ihm seine dominierende Stellung nicht streitig gemacht w i r d 2 1 0 . Insgesamt folgt aus diesen Überlegungen, daß ein konglomerater Zusammenschluß die Schwierigkeiten eines Marktzutritts vergrößert 2 1 1 , wenn das gestärkte Unternehmen durch den Einsatz seiner Werbemittel oder durch seine Fähigkeit zur Verdrängung die finanziellen Anforderungen für einen Marktzutritt erhöht. Das gleiche gilt, wenn es potentielle Partner der potentiellen Konkurrenten durch Reziprozität „aus dem Wettbewerb zieht". I n beiden Fällen müßte der Zusammenschluß i m Rahmen der Fusionskontrolle verhindert werden. 2 °3 Vgl. oben T e i l I I , C. I I . 2. 2