Die politische Stadt: Berlin, Madrid und das politische Feld 9783839443682

The capitals Berlin and Madrid from the spatial perspective of the political players. An inside view at places of practi

266 78 9MB

German Pages 356 Year 2018

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Table of contents :
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Vorwort
1. Einleitung
2. Forschungsstand und theoretischer Rahmen
3. Arbeitsthesen der Untersuchung: Überlegungen zum Verhältnis von Feld und Raum
4. Methoden: Qualitative Fallstudien und ihr Vergleich
5. Die politische Stadt
6. Die politische Stadt Berlin
7. Die politische Stadt Madrid
8. Die politischen Städte Berlin und Madrid im Vergleich
9. Fazit und Ausblick
10. Literatur
11. Anhang
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Die politische Stadt: Berlin, Madrid und das politische Feld
 9783839443682

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Christian Rosen Die politische Stadt

Urban Studies

Christian Rosen (Dr. phil.), geb. 1984, lehrt und forscht am Fachgebiet Entwerfen und Städtebau der Technischen Universität Darmstadt. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der GoetheUniversität Frankfurt am Main tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung, Raumtheorie, politischen Soziologie sowie qualitativen Methoden der Sozialforschung.

Christian Rosen

Die politische Stadt Berlin, Madrid und das politische Feld

D.30

© 2018 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagkonzept: Leonie Plänkers und Christian Rosen Umschlagabbildung: www.geofabrik.de Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4368-8 PDF-ISBN 978-3-8394-4368-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt Abbildungsverzeichnis | 9 Vorwort | 11 1. Einleitung | 15 1.1 Problemstellung der Arbeit | 15 1.2 Entwicklung der Fragestellung | 19 1.3 Grundlage der Arbeit | 22 1.4 Aufbau der Arbeit | 24 2. Forschungsstand und theoretischer Rahmen | 29

2.1 Zentrale Erkenntnisse der Elitenforschung | 31 2.1.1 Die Anfänge der Elitenforschung | 34 2.1.2 Funktionseliten | 37 2.1.3 Repräsentation durch Eliten | 39 2.1.4 Eliten und Klassen | 41 2.1.5 Professionalisierung, Rekrutierung und Karriere | 43 2.1.6 Eliten-Netzwerke | 45 2.1.7 Sozialisation | 46 2.1.8 Eliten vergleichen | 49 2.1.9 Zusammenfassung | 50 2.2 Politische Felder bei Bourdieu | 51 2.2.1 Feld, Kapital und Illusion | 53 2.2.2 Herrschaft, Macht, Repräsentation und Klasse | 57 2.2.3 Habitus, Praxis und Geschmack | 61 2.2.4 Zusammenfassung | 64 2.2.5 Vorüberlegungen zu politischen Feldern | 65 2.3 Zentrale Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Raumforschung | 69 2.3.1 Die Stadt als Forschungslabor | 71 2.3.2 Raum als gebaute Realität | 73 2.3.3 Soziale Prozesse und ihre Abhängigkeit von Raum | 75 2.3.4 Die Produktion von Raum | 78

2.3.5 Städte vergleichen | 82 2.3.6 Zusammenfassung | 83 2.4 Raum bei Bourdieu | 84 2.5 Vorüberlegungen zum sozialwissenschaftlichen Raum | 89 3. Arbeitsthesen der Untersuchung: Überlegungen zum Verhältnis von Feld und Raum | 93

3.1 Politischer Raum | 94 3.2 Produktion politischer Orte | 94 3.3 Feldspezifische Qualitäten politischer Orte | 95 3.4 Anordnung und Aufbau politischer Orte | 98 3.5 Wirkung politischer Orte | 99 4. Methoden: Qualitative Fallstudien und ihr Vergleich | 103

4.1 Methodologisches: Vorüberlegungen zu qualitativer Forschung | 104 4.1.1 Theorie der Praxis bei Bourdieu | 104 4.1.2 Ethnographische Forschungspraxis als Ausgangspunkt | 106 4.2 Ansatz der Arbeit: Der Vergleich qualitativer Fallstudien | 112 4.3 Methodisches: Forschungspraxis, Auswertung und Verschriftlichung | 113 4.3.1 Teilnehmende Beobachtung | 113 4.3.2 Interviews und Gespräche | 116 4.3.3 Protokolle und Feldnotizen | 118 4.3.4 Dokumente und Pläne | 119 4.3.5 Auswerten und triangulieren | 120 4.3.6 Vergleichen | 122 4.3.7 Verschriftlichen | 123 4.4 Materialsammlung | 124 4.5 Zusammenfassung | 125 4.6 Exkurs: Erfahrungen mit wissenschaftlicher Arbeit in nationalen politischen Feldern | 126 5. Die politische Stadt | 131

5.1 Stadt als physisch-räumlicher Ausschnitt für ein nationales politisches Feld | 131 5.2 Fallbeschreibung I: Berlin | 133 5.3 Fallbeschreibung II: Madrid | 138 5.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Fälle: Begründung der Auswahl | 142

6. Die politische Stadt Berlin | 145

6.1 Politischer Raum | 145 6.1.1 Aufbau des Feldes | 146 6.1.2 Interaktion im Alltag der Feldteilnehmer | 153 6.1.3 Funktionsweisen des Feldes | 157 6.2 Produktion politischer Orte | 163 6.2.1 Die Anwesenheit und Arbeit an einem Ort | 163 6.2.2 Interaktion als Produktionsprozess | 165 6.2.3 Soziale Produktion und Konstruktion bleibender Orte | 169 6.3 Feldspezifische Qualitäten politischer Orte | 171 6.3.1 Politische und nicht-politische Orte | 171 6.3.2 Bleibende und temporäre Orte | 172 6.3.3 Nutzungsart politischer Orte | 178 6.3.4 Wahrnehmung politischer Orte | 182 6.4 Anordnung und Aufbau politischer Orte in Berlin | 184 6.4.1 Aufbau des politischen Berlins | 185 6.4.2 Nähe und Entfernung von politischen Orten | 189 6.4.3 Räumliche Wertigkeit politischer Orte | 196 6.4.4 Aufbau politischer Orte | 198 6.5 Wirkung politischer Orte | 202 6.5.1 Vertrauen und Intimität durch Nähe | 203 6.5.2 Repräsentation und Wertschätzung durch die Investition in den politischen Ort | 205 6.5.3 Einfluss politischer Orte auf den Aufbau und die Dynamik des Feldes | 207 6.6 Zwischenfazit: Die politische Stadt Berlin | 210 7. Die politische Stadt Madrid | 215

7.1 Politischer Raum | 215 7.1.1 Aufbau des Feldes | 216 7.1.2 Interaktion im Alltag der Feldteilnehmer | 223 7.1.3 Funktionsweisen des Feldes | 227 7.2 Produktion politischer Orte | 232 7.2.1 Die Anwesenheit und Arbeit an einem Ort | 233 7.2.2 Interaktion als Produktionsprozess | 235 7.2.3 Soziale Produktion und Konstruktion bleibender Orte | 238 7.3 Feldspezifische Qualitäten politischer Orte | 241 7.3.1 Politische und nicht-politische Orte | 241 7.3.2 Bleibende und temporäre Orte | 242

7.3.3 Nutzungsart politischer Orte | 247 7.3.4 Wahrnehmung politischer Orte | 250 7.4 Anordnung und Aufbau politischer Orte in Madrid | 252 7.4.1 Aufbau des politischen Madrids | 253 7.4.2 Nähe und Entfernung von politischen Orten | 257 7.4.3 Räumliche Wertigkeit eines politischen Ortes | 260 7.4.4 Aufbau politischer Orte | 261 7.5 Wirkung politischer Orte | 268 7.5.1 Vertrauen und Intimität durch Nähe | 268 7.5.2 Repräsentation und Wertschätzung durch Investition in den politischen Ort | 270 7.5.3 Einfluss politischer Orte auf den Aufbau und die Dynamik des Feldes | 272 7.6 Zwischenfazit: Die politische Stadt Madrid | 274 8. Die politischen Städte Berlin und Madrid im Vergleich | 279

8.1 Vergleich vorhandener Kategorien | 279 8.1.1 Politischer Raum | 280 8.1.2 Produktion politischer Orte | 284 8.1.3 Feldspezifische Qualitäten politischer Orte | 287 8.1.4 Anordnung und Aufbau politischer Orte | 292 8.1.5 Wirkung politischer Orte | 296 8.2 Das politische Feld und die politische Kultur | 299 Exkurs: Korruption in Spanien und Deutschland | 300 8.3 Die politische Stadt und ihre Gestalt und Geschichte | 304 9. Fazit und Ausblick | 313 10. Literatur | 327

10.1 Print | 327 10.2 Online-Medien | 345 11. Anhang | 349

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Teilnehmer der qualitativen Interviews nach Akteursgruppe Quelle: eigene Darstellung Abbildung 2: Sozialraum des politischen Feldes von Berlin I, Quelle: eigene Darstellung Abbildung 3: Sozialraum des politischen Feldes von Berlin II, Quelle: eigene Darstellung Abbildung 4: Physischer Raum des politischen Feldes von Berlin, Quelle: eigene Darstellung Abbildung 5: Foto eines Hauseinganges in Berlin I, Quelle: eigene Foto-Aufnahme Abbildung 6: Foto eines Hauseinganges in Berlin II, Quelle: eigene Foto-Aufnahme Abbildung 7: Sozialraum des politischen Feldes von Madrid I, Quelle: eigene Darstellung Abbildung 8: Sozialraum des politischen Feldes von Madrid II, Quelle: eigene Darstellung Abbildung 9: Touristischer Stadtplan Madrids, Quelle: https://es.slideshare.net/madriderasmus/mapa-turstico-demadrid, 12.06.2017 Abbildung 10: Innenhof des Kongresskomplexes in Madrid, Quelle: eigene Foto-Aufnahme Abbildung 11: Verteilung von Lobbybüros in Berlin, Quelle: Lobby Control: Lobby Planet Berlin, https://www.morgenpost.de/berlin/article205692331/Wo-die-Wirt schaft-in-Berlin-die-Politik-beeinflusst.html, 12.06. 2017

Vorwort

Diese Arbeit beschäftigt sich mit nationalen politischen Akteuren, ihrer Produktion von politischen Orten und der Bedeutung, welche diese Orte für ihr Handeln spielen. Dabei wurden 45 Abgeordnete, Lobbyisten, Journalisten, Ministerialbeamte, Parteifunktionäre, Diplomaten und weitere Funktionsträger in Interviews befragt, ihre politischen Orte besucht und die dort vollzogenen Praktiken beobachtet sowie immer wieder neue Dokumente gesammelt und ausgewertet. Untersuchungsorte und -gegenstände waren dabei die europäischen Hauptstädte Berlin und Madrid und deren nationale politische Felder. Ich hatte die Gelegenheit, in beiden Städten jeweils mehrere teilweise mehrmonatige Feldforschungsaufenthalte zu verbringen, um mir einen Zugang zu den Akteuren aufzubauen und einen möglichst umfangreichen Einblick in ihre Praxis zu erlangen. Gearbeitet habe ich dabei qualitativ, explorativ und interpretativ. Dies führt dazu, dass sich in dieser Arbeit trotz stetiger Objektivierungsbemühungen auch viel von meiner eigenen subjektiven Sichtweise auf die räumlichen Praktiken innerhalb nationaler politischer Felder wiederfinden lässt. Jedoch halte ich bei dieser Form der Forschung derartige Problematiken für unvermeidbar und habe in der Folge stets versucht darauf zu achten, Deskription und Interpretation sichtbar voneinander zu trennen, so, dass sich jeder Leser eine eigene Meinung aus dem zugegebenermaßen zwangsweise bereits selektiv ausgewählten- Material bilden kann. Auf diese Art können aus dem gesammelten und ausgewerteten Korpus heraus hoffentlich auch ganz neue Fragestellungen entstehen, welche auf den hier vorgestellten Erkenntnissen aufbauen. Möglich geworden ist diese Arbeit nur aufgrund der Bereitschaft meiner Interviewpartner, mir einen Teil ihrer kostbaren Zeit zu schenken und mich, ein Stück weit auch über den professionellen Tellerrand hinaus, an der Wirklichkeit des Politikbetriebs teilhaben zu lassen. Ihnen möchte ich daher zu allererst meinen Dank aussprechen.

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Entstehen konnte diese Dissertation weiterhin sicherlich nur deshalb, weil mir gerade in meinem vorangegangenen Studium zur richtigen Zeit Menschen Wege aufgezeigt haben, die für mich neue Erkenntnisse und neue Möglichkeiten der persönlichen und professionellen Weiterentwicklung eröffneten. Neben vielen Studienfreunden und den guten wie auch schlechten Dozierenden und Professoren, haben mir in dieser Zeit vor allem Dr. Johanna Hoerning und Prof. Dr. Marion Reiser geholfen, die richtigen, richtungsweisenden Entscheidungen zu treffen. Ihnen möchte ich daher sehr danken. Diese Entscheidungen und aus ihnen resultierende Möglichkeiten führten auch beruflich zu einer für das Verfassen meiner Dissertationsschrift glücklichen Ausgangslage. Ich konnte die letzten sechs Jahre am Lehrstuhl für politische Soziologie und Staatstheorie von Prof. Dr. Jens Borchert an der Goethe-Universität Frankfurt als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein. Nicht nur, dass ich in dieser Zeit viel über Forschung, universitäre Lehre und Hochschulpolitik lernen konnte und mir mit der sozialwissenschaftlichen Elitenforschung ein gänzlich neues Thema erschlossen habe. Vielmehr hatte ich mit Prof. Borchert stets einen aufmerksamen, geduldigen und wenn nötig auch kritischen Kommentatoren und Ratgeber für meine Arbeit an der Dissertation und darüber hinaus. Ich kann sicherlich ohne Übertreibungen behaupten, dass ich in diesen Jahren so viel gelernt habe, wie nie zuvor und möchte Prof. Borchert für den großen Anteil, den er an dieser Tatsache hat, danken. Ein weiterer großer Dank geht zudem an Prof. Dr. Sybille Frank, die mir bereits nach dem Einreichen meiner Diplomarbeit im Kolloquium Stadtforschung die Möglichkeit bot, trotz neuer eigener Schwerpunkte, den Kontakt zu der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung aufrechtzuerhalten und sich in der Folge auch bereiterklärte, die Zweitbetreuung und -Begutachtung dieser Arbeit zu übernehmen. Die letzten sechs Jahre waren für mich alles andere als ruhig oder gar eintönig. Die Dissertation brachte nicht nur einige temporäre Umzüge zu Forschungszwecken, Reisen zu Kongressen und Workshops sowie eine Menge Schreibarbeit mit sich. Vielmehr führte sie mich auch mit vielen weiteren neuen Kollegen aus der Wissenschaft zusammen, von denen ich heute viele auch als Freunde bezeichnen darf. Neben zahlreichen anderen möchte ich vor allem Dr. Sebastian Biba, Dr. Johannes Lejeune, Claudia Hülsken, Dr. Martina Neunecker, Dr. Christina Maags sowie meinen neuen Kollegen Dr. Philipp Erbentraut und Vicente Pons Marti danken. Vor allem natürlich deshalb, weil sie immer ein offenes Ohr hatten, mir mit Rat und Tat zur Seite standen und mich in schwierigen Zeiten motivierten. Zudem geht ein großer Dank an Friederike Alm und Cle-

Vorwort | 13

mens Schubert, die mich in der Aufarbeitung von hunderten Seiten Feldforschungsmaterial tatkräftig unterstützt haben. Auch außerhalb der Universität hatte ich glücklicherweise zahlreiche wichtige Menschen, die mir neue inhaltliche Impulse gaben und mir oft genug auch darüber hinaus halfen, Kraft und Motivation zu finden, um Probleme zu lösen und neue Ideen zu entwickeln. Ihnen allen möchte ich dafür danken, insbesondere aber Dr. Cord Drögemüller und Axel Ernesto Ruíz, die mir in verzweifelten Situation Halt gaben und darüber hinaus oft für den richtigen und nötigen Ausgleich sorgten sowie Dr. Eva Seidlmayer, die mir seit meiner Jugend immer wieder die Augen für Neues öffnet und so bis heute stets meinen Horizont erweitert. Den letzten und wichtigsten Dank möchte ich meinen Eltern Helga und Dietmar Rosen aussprechen, für die Unterstützung, die ich erfahren habe, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren.

1 Einleitung

1.1 PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT Politik wird an Orten gemacht. In unseren westlichen Demokratien stimmen in Parlamenten Abgeordnete über Gesetzesvorhaben ab, sie laden Interessenvertreter in ihre Büros ein, sie treffen Journalisten zu einem Interview in einem Restaurant oder Café. Den politischen Orten, welche sie dabei nutzen, wird im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs mal mehr, mal weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Der Umbau des Berliner Reichstags nach der Wiedervereinigung war beispielsweise eines von vielen Symbolen für die Wiedervereinigung der vormals zwei deutschen Staaten. Bereits die Verschleierung des Gebäudes hatte zuvor für viel Aufmerksamkeit der Medien und großes Interesse in der Bevölkerung gesorgt. Der Umzug des Parlamentes nach der Renovierung und dem Umbau im Jahr 1999 läutete die endgültige Verwirklichung des Hauptstadtbeschlusses vom 20. Juni 1991 ein. In dessen Folge baute und renovierte die Bundesrepublik eine große Anzahl von Gebäuden in der neuen (alten) Hauptstadt. Bürogebäude für die Abgeordneten mussten errichtet werden, repräsentative Sitze für Bundeskanzler und Bundespräsidenten wurden eingerichtet, die Ministerien wurden mit ihrem Hauptsitz oder ihrem Nebensitz von Bonn nach Berlin verlegt und auch die Bundesländer richteten Vertretungen in der Stadt ein. Doch damit war der Wiederaufbau der Hauptstadt noch nicht abgeschlossen. Nicht nur, dass bis heute neue Gebäude die vorhandenen Strukturen ergänzen, um den wachsenden Platzbedarf der politischen Institutionen zu decken. Auch andere politische Akteure haben sich in großer Anzahl in Berlin niedergelassen, teilweise um den Politikbetrieb zu beobachten, aber auch um aktiv an ihm teilzunehmen. Am Ufer der Spree wird dies heute schnell sichtbar. Dort findet sich neben Reichstag und Parlamentarischer Gesellschaft das Hauptstadtstudio der ARD mitsamt Niederlassungen sämtlicher regionaler TV- und Radioprogramme der Sendergruppe. Unter den Linden liegt das Hauptstadtstudio des ZDF, ebenfalls in einer großen,

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wenn auch etwas weniger prominent gelegenen Immobilie. Zusätzlich dazu haben die großen Zeitungen und Zeitschriften des Landes entweder ihre Redaktionen nach Berlin verlegt oder sind im Begriff dies zu tun, wie der Axel Springer Verlag mit seinem neuen Campus im Zentrum der Stadt, oder sie haben zumindest Dependancen in der Hauptstadt eingerichtet, um nah am politischen Geschehen der Hauptstadt dran zu sein. Auch die Interessenvertreter haben sich in der Stadt angesiedelt. NGOs, Verbände und Unternehmen unterhalten in der Stadt große Repräsentanzen oder kleinere Büros. Direkt an das Brandenburger Tor grenzend hat so beispielsweise die in Frankfurt ansässige Commerzbank mit dem Haus Sommer eine besonders prominente Immobilie angemietet. Hier finden nicht nur Tagungen der Bank statt und die im Berliner Politikbetrieb bekannten parlamentarischen Frühstücke und Abende, auf denen Vorträge gehört werden, vor allem aber Kontakte geknüpft und Positionen ausgetauscht werden. Die Räumlichkeiten können auch extern angemietet werden. Selbst der ehemalige US-Präsident Obama war hier bereits zu Gast, um sich in das goldene Buch der Stadt Berlin einzutragen. Entlang des Boulevards Unter den Linden, welcher am Brandenburger Tor beginnt, finden sich noch viele weitere politische Repräsentanzen die teils auch der Öffentlichkeit Zutritt zu Showrooms ihrer Angebote bieten, wie einige große Autohersteller und amerikanische Unternehmen der digitalen Industrie aber auch die Europäische Union, die sich hier ihren Bürgern präsentiert. Teils handelt es sich aber auch um reine Büros, in denen der Kontakt zur Politik gepflegt wird. Um den Boulevard herum haben sich unzählige Verbände, NGOʼs und weitere Interessenvertreter angesiedelt. Außerdem finden sich Kommunikationsberater, Anwälte, Restaurants und Cafés in der direkten Umgebung, von denen viele vor allem mit dem Politikbetrieb ihren Verdienst machen. Diese Ansammlung von Orten, die konkret mit der nationalen Politik und ihren Akteuren verknüpft ist, entstand innerhalb von etwas mehr als 25 Jahren. Es bildete sich eine eigene kleine Stadt in der Stadt, die Stadt für den nationalen Politikbetrieb und seine Akteure oder, wie ich sie in dieser Arbeit nenne, die politische Stadt. Die beschriebene Entwicklung in Berlin ist vor allem interessant, weil sich die Veränderungen im Stadtbild und der Nutzung des städtischen Raums aufgrund der kurzen Zeitspanne seit der Wiedervereinigung und des Hauptstadtbeschlusses sehr gut nachverfolgen lassen. In anderen europäischen Hauptstädten wie Paris oder London aber auch in Madrid, dem neben Berlin zweiten Untersuchungsfall dieser Arbeit, ist dies nicht so einfach und augenscheinlich nachzuverfolgen. Hier hat sich die städtebauliche Struktur über Jahrhunderte stetig weiterentwickelt und auch ihre Hauptstadtfunktion üben diese Städte schon seit langer Zeit aus. In Madrid ist fast das komplette Zentrum der Stadt in seiner Archi-

Einleitung | 17

tektur und zu einem großen Teil auch in seiner Nutzung über Jahrhunderte gewachsen. Hier gab es keine Zerstörung großer Mengen an Bausubstanz und keine Teilung der Stadt, die zu einer dauerhaften Aufgabe spezifischer zentralstaatlicher Funktionen führte. Das Stadtzentrum mit seinen repräsentativen Plätzen und den großen Boulevards ist gefüllt mit repräsentativen Bauten, welche zum Teil über hundert Jahre hinweg die gleiche Funktion erfüllten und erfüllen. Das Edifico Telefónica beispielsweise ist seit dem Jahr 1930 Sitz des zunächst staatlichen Telekommunikationskonzerns und auch heute noch repräsentatives Aushängeschild der Weltmarke Telefónica. Der Altbau des Kongresses erfüllt seine Funktion als Sitz des spanischen Parlamentes fast ohne Unterbrechung seit 1850, das Außenministerium ist im Palacio de Santa Cruz, einer schlossähnlichen Residenz aus dem Jahr 1629, untergebracht. Dieses Gebäude erfüllt seit seiner Fertigstellung die Aufgabe als Arbeitsplatz staatlicher Bediensteter, wenn auch im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Funktionen. Neue Gebäude für die politischen Institutionen sind im Stadtzentrum wiederum in den Jahren seit dem Beginn des demokratischen Übergangs aus der Franco-Diktatur im Jahr 1975 fast nicht hinzugekommen. Die bauliche Entwicklung der politischen Stadt erscheint daher in jedem Fall weniger sichtbar, vielleicht aber auch weniger dynamisch zu sein. Aus dieser unterschiedlichen Wahrnehmung der Entwicklung beider politischer Städte leiten sich zunächst zwei Fragen ab. Zum einen die nach der Nutzung der beschriebenen politischen Orte. Zwar wissen wir von der Existenz all der eingangs beschriebenen Gebäude. Wir wissen, wann sie gebaut wurden und wer sie heute nutzt. Wir wissen auch, welche offizielle Funktion sie innerhalb des nationalen Politikbetriebes wahrnehmen. Wenig wissen wir jedoch darüber, ob und wie diese Orte einen Einfluss auf das Handeln ihrer Nutzer ausüben. Macht es einen Unterschied, ob alles wie in Berlin von neuem geplant und teilweise auch gebaut wurde oder ob sich der Politikbetrieb in einer gewachsenen Struktur vollzieht, wie ich es kurz für den Fall für Madrid beschrieben habe? Wir sehen am Beispiel Berlin, dass es nicht nur die Abgeordnetenbüros und Ministerien sind, die neu in die Stadt gekommen sind. Vielmehr zeigt das Beispiel sehr gut, wie vielseitig die verschiedenen Orte sind, die durch den Umzug der Hauptstadt entstanden sind. Lobbyisten laden zu Veranstaltungen in ihre Repräsentanzen oder angemietete Lokalitäten, sie treffen sich in Cafés und Restaurants und auch jeder Arbeitsplatz eines Akteurs hat einen spezifischen Aufbau und ist damit von anderen zu unterscheiden. Hat dies einen Einfluss auf das Handeln politischer Akteure? Ebenso wenig wissen wir zu der zweiten Frage, die sich aus dieser Beschreibung ergibt. Hat es einen Grund, dass sich die politische Stadt Berlin auf die Art

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herausgebildet hat, wie ich es zu Beginn beschrieben habe oder ist die Anordnung und der Aufbau der Orte, an denen die politischen Akteure tätig sind nicht von Belang? Interessant ist dies vor allem im Vergleich zu Hauptstädten wie Madrid, die schon lange ihre Hauptstadtfunktion ausfüllen und bei denen der Entstehungs- und Entwicklungsprozess der politischen Stadt dadurch weniger leicht nachvollziehbar ist. Der Zusammenhang zwischen den Orten, an denen Politik gemacht wird und den politischen Akteuren ist aber noch ein anderer als nur der bisher beschriebene. Denn Orte sind auf zweierlei Art das Produkt menschlichen Handelns. Zum einen in ihrer baulichen Gestalt, zum anderen in ihrer sozialen Produktion, also der Herstellung spezifischer Bedeutungen für einen Ort. Beides ist dabei jedoch das Ergebnis sozialen Handelns, der Praxis eines jeden Akteurs. Auch über diese Praxis der Herstellung wissen für den Fall der politischen Akteure einiges. Wir können, vor allem seit der Digitalisierung weiter Bereiche unseres Lebens, die Terminkalender der Abgeordneten online verfolgen. Sehen, wann sie sich mit wem an welchem Ort treffen. Wir kennen auch viele der Themen, über die sich die politischen Akteure untereinander verständigen, ebenso sind uns die offiziellen Positionen zu diesen Themen oft bekannt. Wenig wissen wir aber über die tatsächliche räumliche Praxis der Akteure an spezifischen Orten. Welche Bedeutung hat für sie das eigene Büro, warum treffen sie sich mit Gesprächspartnern außerhalb von diesem Büro? Macht es einen Unterschied für ihre Interaktion, ob ein Arbeitsgespräch dort oder in einem Restaurant, einer Bar oder einem Café stattfindet? Warum mieten Lobbyisten teure „Eventlocations“ an, um dort ihre Veranstaltungen auszurichten? Kurz zusammengefasst: Wie produzieren politische Akteure Orte gemäß ihren Vorstellungen und Bedürfnissen? Es ist also sinnvoll, den Zusammenhang zwischen Raum und Akteur in beide Richtungen führend zu untersuchen. Akteure schaffen Orte entsprechend ihrer Vorstellungen und Vorlieben und nutzen diese auch dementsprechend. Gleichzeitig übt der Ort, an dem eine soziale Interaktion stattfindet, immer auch einen Einfluss auf die Handelnden aus. Er bildet den Rahmen einer Handlung und ist damit mehr als ein Teil einer nur temporären Interaktion. Diese Arbeit beschäftigt sich mit diesem beidseitigen Zusammenhang. Ich bin überzeugt, dass gerade das Handeln politischer Akteure stark von räumlichen Arrangements beeinflusst ist und werde darlegen, dass sich mit diesem Forschungsgegenstand bis heute in den Sozialwissenschaften niemand ausführlich auseinandergesetzt hat. Relevant ist das Thema dabei nicht nur, weil noch keine relevanten Forschungserkenntnisse vorliegen. Vielmehr liegt auf der Hand, dass wir mit den Akteuren des nationalen Politikbetriebs in westlichen Demokratien

Einleitung | 19

eine besonders einflussreiche gesellschaftliche Gruppe vor uns haben, deren kontinuierliche Praxis im Beschluss von Gesetzesvorhaben mündet, welche in den meisten Fällen wiederum Relevanz für alle Bürger eines Staates haben können. Ebenso sind sie auch eine besonders prominente Gruppe. Sie repräsentieren die Bevölkerung und stehen daher unter besonderer Beobachtung. Ihre Praxis zu verstehen, muss daher ein zentrales Anliegen der Forschung sein. Auf der anderen Seite ist die Nutzung von Raum, insbesondere städtischem Raum, von ebenso großem Interesse. Wie spezifische soziale Gruppen, differenziert beispielsweise nach Ethnie, Geschlecht, Alter, Einkommen oder Ausbildung einen Einfluss auf die Gestaltung von Orten in den Städten ausüben, wurde in der Forschung dabei schon oft untersucht. Wie die kleine aber wahrscheinlich durchaus einflussreiche Gruppe der politischen Akteure aber Orte produziert und wie diese Orte umgekehrt Einfluss auf die Akteure ausüben, auch dazu ist bislang nichts bekannt. Für beide Teildisziplinen der sozialwissenschaftlichen Forschung, die Elitenforschung und die Stadt- und Raumforschung, ergibt sich daher ein relevanter Erkenntnisgewinn. Wo sich das Forschungsvorhaben verortet, welche thematisch naheliegenden Arbeiten es bereits gibt und wie in der Folge die Fragestellung lautet, möchte ich nun im nächsten Abschnitt behandeln.

1.2 ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG Bezüglich des Themas dieser Arbeit ist im wissenschaftlichen Diskurs bisher wenig publiziert worden. Eine Ausnahme bildet im Bereich der Beschäftigung mit politischen Akteuren in den Sozialwissenschaften, der Elitenforschung, die Arbeit Richard F. Fennos. Fenno (1978; 1988; 1996; 2003; 2007) beschäftigt sich mit Abgeordneten des US-amerikanischen Kongresses und später auch des Senats. Er untersucht in ethnographischen Studien, wie sich deren Handeln und ihre Strategien zwischen ihrer Arbeit in den Wahlkreisen und im Parlament in Washington D.C unterscheiden. Als zentrales Ergebnis seiner 30-jährigen Forschungstätigkeit lässt sich festhalten, dass es verschiedene Typen Politiker gibt, die je nach den Bedingungen in ihrem Wahlkreis mehr oder weniger erfolgreich bei Wahlen abschneiden. Dementsprechend kann auf der einen Seite nicht jeder Typ Politiker in jedem Wahlkreis gleichermaßen erfolgreich sein, auf der anderen Seite, und dies ist für diese Arbeit besonders interessant, passen die Akteure ihre Strategien, ihr Auftreten den Anforderungen vor Ort an. Die Typen, die er dabei bildet sind zumeist selbsterklärend. So steht beispielsweise der „popular local boy“ dem „political leader“ gegenüber.

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Fenno stellt fest, das Handeln politischer Akteure ist von spezifischen sozialen Umständen abhängig, die an bestimmten Orten, den Wahlkreisen vorherrschen. Der Ort wird dabei als eine Art Behälter gedacht. So beinhaltet ein Wahlkreis eine konkrete Anzahl an Wählern mit ebenso konkreten wie unterscheidbaren Vorlieben und Vorstellungen bezüglich ihrer politischen Vertreter in Washington. Der Ort wird damit von seinen Nutzern, den Wählern, produziert, mit Inhalt gefüllt. Dieses Konzept von Raum und seiner Bedeutung bleibt dabei jedoch leider sehr statisch. Zwar wird deutlich, dass sich die politischen Akteure den Gegebenheiten eines Ortes anpassen müssen, um erfolgreich zu sein. Die Produktionsprozesse an sich bleiben aber weitestgehend unbeachtet, zumal sie für die Praxis der Abgeordneten keine weitere Rolle zu spielen scheinen. Es zählt vielmehr der Ist-Zustand und sich daraus für den Kandidaten ergebenen Konsequenzen. Für Fenno liegt das Augenmerk auf der Sozialisation und den selbstformulierten Zielen der Kongressabgeordneten, den daraus folgenden Karrierestrategien und der unterschiedlichen Praxis an beiden Orten, Wahlkreis und Hauptstadt, mit deren Hilfe sie ihre Ziele zu erreichen versuchen. Wie gesagt wird allerdings bereits hier deutlich, dass die Wähler spezifische Orte, in diesem Fall Wahlkreise mit spezifischen Bedeutungen produzieren. Politiker müssen diese zuerst verstehen und dann auch in Form von politischen Programmen und Verhaltensformen übernehmen. Der Wahlkreis in seiner Bedeutung entsteht also zunächst durch das Handeln der Wähler, übt in der Folge aber auch einen Einfluss auf die Praxis des Politikers aus. Es zeigt sich zugegebenermaßen, dass Fenno den Zusammenhang zwischen Orten in ihrer sozialen Produktion und der Praxis der Akteure nicht in den Mittelpunkt seiner Arbeit rückt. Allerdings wird bei ihm bereits gut sichtbar, dass eine Betrachtung dieses Zusammenhangs hilfreich ist, um sowohl den Prozess der Ausformulierung Der Wünsche und Bedürfnisse der Wähler, aber auch die Strategien der politischen Akteure besser zu verstehen. Einen zweiten nützlichen wissenschaftlichen Beitrag, diesmal aus der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung, liefert Magaret E. Farrar mit ihrer Arbeit „Building the Body Politic. Power and Urban Space in Washington, D.C.“ (2008). Farrar untersucht anhand dreier zeitgeschichtlich bedeutender Perioden die bauliche Entwicklung der US-amerikanischen Hauptstadt Washington, D.C. und die politischen Diskurse, die damit einhergehen. Sie beleuchtet dabei genauer gesagt einerseits die Planungsprozesse im Kontext der politischen Debatten ihrer jeweiligen Zeit, gleichzeitig beschäftigt sie sich aber auch mit der Bedeutung der gebauten Realität der Hauptstadt als Spiegelbild dieser Diskurse. Ähnlich wie bereits bei Fenno wird in ihren Ausführungen deutlich, dass Orte das Ergebnis von sozialen Produktionsprozessen sind. Farrar sieht diese in den

Einleitung | 21

Debatten und Absprachen der politischen Akteure, welche schließlich den Rahmen für konkrete Planungen setzten. Gleichzeitig stellt aber auch sie fest, dass Orte ebenfalls eine Bedeutung aus der Zeit ihrer baulichen Herstellung transportieren. So spiegeln sich der Wunsch nach Ordnung und Repräsentativität in den Monumenten und Architekturen der Gebäude, die im Zuge des Senate Park Commission Plans von 1902 errichtet wurden, während sie um die Jahrtausendwende ein zunehmendes Sicherheitsstreben in den Plänen der politischen Entscheidungsträger bezüglich der Weiterentwicklung der Washington Mall erkennt. Wichtig ist für diese Arbeit, dass Farrar die dauerhafte Gestaltung eines politischen Ortes, zum Beispiel der Bau eines Museums oder die Errichtung eines Monumentes beschreibt, welche zu der Einschreibung spezifischer Charakteristika in diesen Ort führt. So können Teile der Diskurse um die Errichtung aber auch spezifische Bedeutungen zu einem späteren Zeitpunkt noch immer von Besuchern eines Ortes abgelesen werden. Sie werden auf diese Art zu mehr als bloßen Behältern sozialer Interaktionen, sie senden vielmehr Botschaften an ihre Nutzer aus, wie die von Farrar beschriebene Repräsentativität oder ein erhöhtes Sicherheitsgefühl. Die zwei vorgestellten Beispiele helfen, sich dem beabsichtigten Gegenstand dieser Arbeit zu nähern. Wenn wir aber den nationalen Politikbetrieb und die Bedeutung von Raum, oder spezifischer, politischen Orten, näher betrachten möchten, muss zunächst einmal geklärt werden, welche Orte für die politischen Akteure von Bedeutung sind und warum. Wir müssen außerdem ihre Praxis untersuchen, um aufzudecken, wie sie diese produzieren und zu welchem Zweck. Schließlich müssen wir eruieren, ob es einen Einfluss spezifischer Orte auf das Handeln der Akteure gibt und wenn ja, wie sich dieser bemerkbar macht. Ich konnte aufzeigen, dass sich im Rahmen dieser Arbeit mehrere Fragen stellen. Zusammenfassen lassen sich diese allgemein zunächst einmal unter der übergeordneten Fragestellung dieser Arbeit: Wie ist die Beziehung zwischen dem sozialen Raum und dem physischen Raum eines nationalen politischen Feldes?

Auf die Bedeutung des Feldbegriffes werde ich später noch ausführlich eingehen. Zunächst meine ich damit den Politikbetrieb und seine Akteure. Unter dem sozialen Raum verstehe ist die Dynamiken und sozialen Prozesse, welche jedwede gesellschaftliche Gruppierung kennzeichnen: ihre Interaktionsformen, ihre Hierarchisierungen, Inklusions- und Exklusionsbestrebungen, wie auch die individuellen Voraussetzungen und Eigenschaften der Akteure selbst. Mit dem phy-

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sischen Raum meine ich die eingangs erwähnten Orte, an denen Gesellschaft durch Produktionsprozesse erfahrbar und durch gebaute Realität dauerhaft sichtbar wird. Ich werde also in dieser Arbeit einen möglichst umfangreichen Blick auf die Praxis der politischen Akteure, später auch Feldteilnehmer genannt, werfen, um herauszufinden, wie diese Beziehung zwischen sozialem und physischem Raum sich darstellt. Um dies systematisch, wie auch konzeptionell schlüssig und in einer reflektierten Art durchzuführen, benötige ich einen theoretischen wie auch methodischen Rahmen. Diese Grundlagen der Arbeit werde ich im folgenden Abschnitt näher vorstellen.

1.3 GRUNDLAGE DER ARBEIT Diese Arbeit ist aufgrund der bisher fehlenden theoretischen sowie empirischen Erkenntnisse zu ihrem eigentlichen Gegenstand explorativ angelegt. Nichts desto trotz werde ich einen theoretischen Rahmen schaffen, der, aufbauend auf Erkenntnissen der sozialwissenschaftlichen Forschung aus den Bereichen der Elitenforschung und Stadt- und Raumforschung, ermöglicht, Vorannahmen zu formulieren, mit denen ein Einstieg in die Feldforschung auf produktive Weise gelingen kann und ein Anschluss an vorhandene Forschungen erleichtert wird. Zudem ist es nötig, grundlegend über die Verwendung von Methoden nachzudenken, um auch hier einerseits ein erfolgreiches Handeln im Feld sicherzustellen. Anderseits soll aber auch das Risiko einer überproportional großen subjektiven Prägung der Ergebnisse durch mich als Verfasser durch einen Reflexionsprozess der verschiedenen Stadien der Arbeit wo möglich vermieden, zumindest aber der Leser ermächtigt werden, die Position und die erlebten Situationen des Verfassers nachvollziehen zu können. Für explorative Forschungsvorhaben eignen sich qualitative Zugänge in besonderem Maße. Diese Arbeit wird sich zudem mit der Praxis einer spezifischen sozialen Gruppe, nämlich den politischen Akteuren auf nationaler Ebene beschäftigen, zu denen ich als Autor dieser Arbeit nicht gehöre. Aufgrund des Fehlens von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu der räumlichen Praxis dieser kann ich dementsprechend nur auf der mir von den Akteuren beschriebenen Wahrnehmung ihrer Realität aufbauen und diese mithilfe des theoretischen Rahmens interpretieren. Qualitative interpretative Verfahren stehen somit im Zentrum der Auswertung des gewonnenen Materials. Im Prozess der Erhebung, wie auch in der Verschriftlichung werde ich zudem auf ethnographische Forschungsmethoden zurückgreifen. In der Erhebung habe ich so die Möglichkeit, auch Ereignisse

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neben den, im Zentrum meiner Arbeit stehenden Interviews, aufzuzeichnen. Hierzu gehören Beobachtungsprotokolle, Dokumente und Fotographien. In der Verschriftlichung möchte ich die Feldforschung zudem einer reflexiven Betrachtung unterziehen, welche vor allem meine Rolle im Forschungsprozess untersucht und Besonderheiten aufdeckt, die das vergleichende Design dieser Studie mit sich bringt. Die Entscheidung, der Fragestellung mit einem Vergleich zweier Fälle, nämlich den politischen Feldern und Orten in Berlin und Madrid zu begegnen, macht dabei aus zweierlei Gründen Sinn. Zum einen lässt sich bei einer qualitativen explorativen Arbeit zwar keinesfalls der Anspruch auf allgemeingültige Repräsentativität erzeugen. Trotzdem können Erkenntnisse, die in beiden Fällen gleichermaßen gewonnen werden durchaus mit der Annahme belegt werden, dass es sich um Charakteristika handelt, die auch bei weiteren Forschungen zu anderen Fällen zutage treten. Hier bieten sich Anschlussforschungen an. Zum anderen stellen gerade die Unterschiede, die zwischen den beiden Studien zutage treten die besonders interessanten Ergebnisse dar. Sie werden herangezogen, um im weiteren Verlauf der Arbeit Ursachenforschung zu betreiben, auch um Anhaltspunkte zu identifizieren, welche Faktoren für die spezifische Entwicklung einer politischen Stadt, ihrer physisch-räumlichen wie auch sozialen Realität, bedeutend sind. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung dieser Arbeit ist zudem der theoretische Rahmen. Hier werde ich zunächst die beiden zentralen wissenschaftlichen Diskurse vorstellen, welche meiner Ansicht nach hilfreich sind, um die Fragestellung zu bearbeiten. Zum einen birgt die Elitenforschung alle nötigen Hilfsmittel, um den sozialen Raum der nationalen politischen Felder beschreiben und später analysieren zu können. Ich bediene mich hierbei sowohl der Klassiker dieser sozialwissenschaftlichen Teildisziplin, wie auch neueren Ansätzen, welche sich spezifischer einzelnen Forschungsinteressen innerhalb dieser Teildisziplin widmen. Die gewonnenen Ergebnisse werde ich dann der Theorie politischer Felder von Pierre Bourdieu gegenüberstellen. Bourdieu liefert meines Erachtens nach nicht nur eine der vollständigsten Soziologien zur Erklärung von Gesellschaft, seine Ausführungen zum Politikbetrieb fügen sich zudem beinahe nahtlos in diese Soziologie ein und ermöglichen es somit nicht nur, das Verhalten der Feldteilnehmer, also der politischen Akteure zu interpretieren, sondern auch ihre Beziehung zu den Menschen außerhalb des Feldes, den Laien, in den Blick zu nehmen. Bourdieu bildet damit den Ausgangspunkt meiner Überlegungen zum sozialen Raum der politischen Akteure, welchen ich versuchen werde mit den Erkenntnissen anderer relevanter Veröffentlichungen aus dem Bereich der Elitenforschung in Beziehung zu setzen.

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Für den Bereich des physischen Raums und seiner Produktion durch soziale Interaktion liefert Bourdieu deutlich weniger in diese Arbeit integrierbare Thesen. Zwar gibt er mit dem Terminus des angeeigneten physischen Raums erste Hinweise darauf, wie er das Verhältnis von sozialer Produktion und dem Einfluss von Orten auf soziale Prozesse andererseits bewertet, jedoch habe ich für diesen Teil des theoretischen Rahmens der Arbeit die Ausführungen Bourdieus deutlich umfangreicher ergänzen müssen, als dies im Elitendiskurs der Fall war. Hierzu wurden die Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung herangezogen, insbesondere dabei die Ausführungen von Markus Schroers. Dieser hebt in seiner Arbeit insbesondere die gegenseitige Beeinflussung von sozialer Produktion von Orten und der gleichzeitigen Rückwirkung gebauter Strukturen auf eben jene Produktionsprozesse hervor. Auch Bourdieu argumentiert meiner Meinung nach in diese Richtung, ohne jedoch seine Ausführungen explizit genug zu machen, um ihn hier alleinig ins Zentrum rücken zu können. Insgesamt besteht der theoretische Rahmen dieser Arbeit so aus der Zusammenführung von Bourdieus Erkenntnissen zu politischen Feldern und dem angeeigneten physischen Raum mit den sozialwissenschaftlichen Diskursen zu Eliten und Raum. Diese Ausführungen bilden in Form der anschließenden Vorüberlegungen zu dem Zusammenhang beider Gegenstände die theoretische Grundlage dieser Arbeit. Diese wiederum bildet, im Rahmen des explorativen Designs, eine Grundstruktur, um mein Forschungsinteresse für die Gespräche mit den Feldteilnehmern in spezifische Gesprächsgegenstände gliedern und somit greifbar machen zu können. Zudem stelle ich so sicher, dass die gewonnenen Erkenntnisse in den theoretischen Diskurs eingeordnet werden können und einen produktiven Beitrag zu seiner Weiterentwicklung leisten.

1.4 AUFBAU DER ARBEIT Der Aufbau dieser Arbeit leitet sich direkt von der Logik des mehrstufigen Forschungsprozesses ab. Beginnen werde ich in Kapitel 2 mit dem Forschungsstand in den zwei relevanten Teildisziplinen der Sozialwissenschaften, der Elitenforschung und der Stadt- und Raumforschung sowie dem daraus resultierenden theoretischen Rahmen. Dabei werde ich in Kapitel 2.1. zentrale Erkenntnisse der ersteren zeitgeschichtlich aber auch bezüglich ihrer Forschungsinteressen ordnen, um herauszufinden, welche Aspekte entscheidende Relevanz zum Verständnis des sozialen Raums von nationalen politischen Eliten haben. Dieser Teil erfüllt damit ebenfalls die Funktion eines Überblicks über den entsprechenden

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Forschungsstand. Anschließend stelle ich im Kapitel 2.2. den Ansatz des politischen Feldes von Pierre Bourdieu vor. Ich halte diesen für am besten geeignet, um die zuvor beschriebenen Erkenntnisse der Elitenforschung in einem geschlossenen Theoriemodell zu vereinigen. In Kapitel 2.3. werde ich abschließend die zentralen Erkenntnisse aus der Bearbeitung der Elitenforschung und von Bourdieus politischem Feld in Form von Vorüberlegungen zusammenfassen. Analog zu diesem Vorgehen werde ich im Kapitel 2.4. den wissenschaftlichen Diskurs in der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung hinsichtlich von Anhaltspunkten zur Beschreibung und Erklärung von politischen Orten und der Produktion von physischem Raum im Allgemeinen untersuchen. Dieser Abschnitt dient erneut einerseits der Literaturschau bezüglich des Forschungsstandes, wie auch der Aufstellung des theoretischen Rahmens. In einem zweiten Schritt in Kapitel 2.5. stelle ich anschließend Bourdieus Konzept des angeeigneten physischen Raums vor, um dieses, ergänzt durch einige Gedanken aus dem vorherigen Abschnitt als zentralen Ausgangspunkt für die Anstellung von Vorüberlegungen zum physischen Raum und Orten zu machen (Kapitel 2.6.). Als Abschluss des theoretischen Rahmens werde ich in Kapitel 3 die zuvor aufgeführten Vorüberlegungen in Verbindung miteinander setzen, um Arbeitsthesen zu formulieren, welche die Beantwortung der zentralen Fragestellung erleichtern sollen. Dabei stellen sie zum einen die grundlegende Gliederung der geführten Gespräche mit den Feldteilnehmern dar, zum anderen dienen sie in der Folge auch als systematisierende Elemente des Aufbaus der beiden Fallstudien und des anschließenden Vergleichs in dieser Arbeit. Im anschließenden Kapitel 4 möchte ich den methodisch-konzeptionellen Rahmen dieser Arbeit besprechen. Dabei soll zunächst ein methodologischer Teil Klarheit über die mit der Verwendung spezifischer Methoden verknüpften Anliegen informieren (4.1.) und anschließend meine spezifische methodologische Positionierung im Rahmen dieser Arbeit dargelegt werden (4.2.). Anschließend werde ich die verschiedenen methodischen Aspekte besprechen. Dabei sollen zunächst die unterschiedlichen Datenquellen und die Generierung des Materials vorgestellt werden. Hierzu zähle ich Teilnehmende Beobachtungen, Interviews und Gespräche, Protokolle und Feldnotizen sowie Dokumente und Pläne. Zudem werde ich meine Auswertungstechniken beschreiben sowie meine Vorstellungen eines gelungenen Fallvergleichs und meine Gedanken zur Verschriftlichung der Forschungserkenntnisse, also der Entstehung dieser Arbeit (4.3.). Anschließend möchte ich die Materialsammlung vorstellen, um so einen Überblick über den Korpus zu gewährleisten, welcher die Entstehung der einzelnen Fallstudien möglich gemacht hat (4.4.).

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Abschließend möchte ich in Kapitel 4.5. eine Methodenkritik anstellen, welche den Prozess der Feldforschung ebenso umfasst wie die anschließende Analyse und Verschriftlichung. Dies geschieht vor dem Hintergrund der ethnographischen Praxis der Reflexion der Rolle des Forschenden und des Ablaufes eines Forschungsprozesses und soll vor allem dem Leser helfen, die ihm präsentierten Ergebnisse besser einzuordnen. Das Kapitel 5 beschäftigt sich sodann zunächst noch einmal ausführlich damit, warum Hauptstädte sich besonders für die Untersuchung der Fragestellung dieser Arbeit eignen und in welchem Verhältnis sie zu ihren jeweiligen nationalen politischen Feldern stehen. Anschließend werde ich die beiden Fälle, Berlin (5.2.) und Madrid (5.3.) jeweils einzeln vorstellen und dabei vor allem auf die Entwicklung der Städte als Hauptstädte eingehen. In einem gesonderten Kapitel (5.4.) werden dann die Unterschiede und Gemeinsamkeiten aus der Beschreibung der beiden Fälle diskutiert, um herauszuarbeiten, warum sich diese besonders gut für einen Vergleich eignen. Die Kapitel 6 und 7 behandeln anschließend die beiden separaten Fallstudien dieser Arbeit. Sie sind identisch aufgebaut und analog zu den eingangs als Ergebnis des theoretischen Rahmens aufgestellten Arbeitsthesen strukturiert. So gliedert sich die Berlinstudie in ein Kapitel zum politischen Raum (6.1.) in dem das nationale politische Feld in der Stadt als Sozialraum beschrieben wird. Es folgt das Kapitel 6.2., welches sich mit der Produktion politischer Orte als physisch-räumliche Manifestation spezifischer Bedeutungen für die Feldteilnehmer beschäftigt. Anschließend beschäftige ich mich mit den feldspezifischen Qualitäten politischer Orte, das heißt den von den politischen Akteuren wahrgenommenen und genutzten Aspekten dieser (6.3.) bevor ich anschließend auf den Aufbau der politischen Stadt, die Anordnung der politischen Orte und deren Aufbau zu sprechen komme (6.4.). In diesem Kapitel geht es explizit auch um Qualitäten des Raumes, jedoch hier um die physisch-räumlichen Muster, welche nicht primär durch einzelne soziale Produktionsvorgänge der Feldteilnehmer hervorgebracht werden. Das Kapitel 6 endet, wie auch Kapitel 7 mit der Wirkung politischer Orte auf das jeweilige nationale politische Feld der Hauptstadt Berlin (6.5.) und Madrid (7.5.). Beide Fallstudien beende ich mit einem zusammenfassenden Zwischenfazit. Es schließt sich das Kapitel 8 an, in welchem der zentrale Vergleich der beiden Studien vorgenommen wird. Hierzu wird zunächst erneut, analog zu den einzelnen Fallstudien, die Gliederung aus den Arbeitsthesen dieser Arbeit übernommen (8.1). Ergänzt wird der Vergleich jedoch um zwei weitere Kapitel, welche, aufbauend auf den Erkenntnissen der vorhandenen Kategorien, versuchen, Erklärungsansätze für zuvor beschriebene Unterschiede im Verhältnis von sozia-

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lem und physischen Raum des nationalen politischen Feldes in beiden Städten zu finden. Kapitel 8.2. setzt sich dabei mit der Entwicklung des politischen Feldes und der politischen Kultur auseinander, während es im abschließenden Kapitel 8.3. um die Gestalt der politischen Stadt und ihre städtebauliche Entwicklung geht. Das letzte inhaltliche Kapitel bildet das Fazit (9.), in welchem ich die zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammenfasse, theoretische und empirische Implikationen als Erkenntnisse aus der Arbeit vorstelle sowie einen Ausblick auf offen gebliebene Fragen sowie mögliche Anschlussforschungen gebe.

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In diesem Kapitel werden die theoretischen Voraussetzungen zur Bearbeitung der Fragestellung der Arbeit gelegt. Dies geschieht in Form schwerpunktesetzender Überblicke über die beiden sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen der Elitenforschung und der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung. Damit möchte ich auf der einen Seite den Forschungsstand beider Bereiche vorstellen, andererseits eigene Überlegungen zu relevanten Phänomenen bezüglich meiner Fragestellung herausarbeiten. Obwohl ich diese Arbeit explorativ angelegt habe, halte ich den zugegebenermaßen umfangreichen theoretischen Diskurs daher für gerechtfertigt. Zunächst werde ich in Kapitel 2.1. die Ursprünge der modernen Elitenforschung vorstellen und anschließend ihre Entwicklung sowie Ausdifferenzierung nachzeichnen. Daran schließt sich ein Überblick über andere sozialwissenschaftliche Forschungsfelder an, in denen für die Elitenforschung relevante Erkenntnisse gewonnen wurden. Stetig soll dabei der Blick auf den Begriff der politischen Eliten fokussiert sein. In einem zweiten Schritt (2.2.) untersuche ich, wie Pierre Bourdieus Soziologie und insbesondere seine Arbeit zum politischen Feld den Forschungsgegenstand der politischen Eliten behandelt. Bourdieu bietet sich meiner Ansicht nach in besonderem Maße an, um zentrale theoretische Ausgangspunkte für diese Arbeit zu erarbeiten, da er die verschiedenen Ansätze der zuvor vorgestellten Forschungsrichtungen in seiner Soziologie aufgreift, miteinander in Beziehung setzt und damit den umfassendsten konzeptionellen Ansatz zur Beschreibung und Untersuchung von politischen Eliten bereit hält. Anschließend wird es das Ziel sein, anhand des politischen Feldes Bourdieus eine Sammlung von Vorannahmen zu politischen Feldern zu entwerfen, die im weiteren Forschungsprozess erstens eine Identifikation von Feldteilnehmern, schon vor Eintritt in das Feld, erlaubt. Zweitens sollen strukturelle Funktions-

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weisen, individuelle Handlungslogiken sowie die übergeordneten Machtstrukturen innerhalb des Feldes bereits im Voraus sichtbar gemacht werden. Diese Erkenntnisse sollen bei der Formulierung der zentralen Arbeitsthesen dieser Arbeit nützlich sein und während der empirischen Erhebungsphase das gezieltere Hinterfragen von Aussagen ermöglichen. Um diesen konzeptionellen Schritt möglichst kohärent mit der vorgestellten vorhandenen Forschungsliteratur zu Eliten gestalten zu können, sollen die Vorüberlegungen an geeigneten Stellen um Erkenntnisse der Elitenforschung ergänzt werden (2.3). Im nächsten Kapitel soll dieser Vorgang mit dem Forschungsstand der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung wiederholt werden. Auch hier werde ich versuchen, in einem Überblick die Entwicklung der Teildisziplin vorzustellen und im Rahmen dessen vor allen die Vorstellungen von Raum und deren Entwicklung nachzeichnen. Dabei bedient sich die Forschung in einem großen Maße interdisziplinärer Ansätze, welche neben der Soziologie und Politikwissenschaft vor allem in der Humangeographie und Planungswissenschaft zu finden sind. (2.4.). Auch Bourdieu stellt in einigen seiner Werke Thesen zur Bedeutung der Kategorie Raum auf, jedoch steht der Raum nicht im Zentrum des Erkenntnisinteresses seiner Werke. Lediglich ein Aufsatz Bourdieus zum angeeigneten physischen Raum bildet hier die Ausnahme und für diese Arbeit die Grundlage für die weitere Auseinandersetzung, während einige andere Beiträge zumindest am Rande die Entwicklung von Bourdieus Raumverständnis nachzeichnen lassen (2.5.). Dies führt dazu, dass Bourdieu in diesem Bereich an einigen Stellen zu ergänzen ist, um auch hier eine Sammlung von Vorüberlegungen erstellen zu können, welche den Einstieg in den Feldforschungsprozess ermöglicht (2.6.). Hierzu werde ich, wie schon zuvor für den Bereich der Elitenforschung, die Erkenntnisse der Diskurse aus der gesamten Teildisziplin nutzen. Für mich steht dabei außer Frage, dass es sinnvoll ist, analog zum ersten Teil der Theorie, Bourdieu auch hier in das Zentrum der Auseinandersetzung zu rücken. Einerseits, um die Vorteile der hervorragend aufeinander abgestimmten Theorie Bourdieus nutzbar zu machen. Andererseits ergibt sich durch die konsequente Anwendung von Bourdieus Konzepten die Möglichkeit einer Weiterentwicklung seiner Theoriemodelle durch einen Praxistest seiner Begriffe von politischem Feld und Raum.

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2.1 ZENTRALE ERKENNTNISSE DER ELITENFORSCHUNG Die Elitenforschung ist ein komplexes und vielseitiges wissenschaftliches Feld, was vor allem durch einen sich wandelnden Forschungsgegenstand, die Eliten und ein sich wandelndes und zunehmend differenzierendes Forschungsinteresse begründet ist. Der Gegenstand wandelt sich nicht nur deshalb, weil mit fortschreitender Zeit ein kontrollierter Austausch etablierter Machtzirkel stattfinden kann, zum Beispiel aufgrund von Überalterung der bestehenden Eliten. Die Nachrücker können dann mit teilweise anderen Motivationen, Vorstellungen und nach anderen Rekrutierungsregeln in das Feld eintreten und zudem innerhalb einer Elite unterschiedlich agieren. Es spielt außerdem eine Rolle, dass komplett neue Eliten entstehen können oder bereits existierende Gruppen an Einfluss gewinnen und in der Folge ein Teil der alten Elite ausgeschlossen werden kann. Beides ist von der Entwicklung von Gesellschaften abhängig. Ein gutes Beispiel für neue Akteure ist der zunehmende Einfluss international tätiger Unternehmen auf nationalstaatliche wie auch supranationale politische Eliten. So wird häufig der Vorwurf laut, die Politik lasse sich ihren Kurs diktieren, entweder wegen mangelnder eigener Ressourcen zum Entwickeln von politischen Lösungen oder aufgrund der Abhängigkeit gegenüber des Wohlwollens der Unternehmen, welche über Investitionsentscheidungen oder direkter, per Parteispenden über den Erfolg der Politik mitbestimmen. Deutlich wird dabei, wie die Akteure der bereits bestehenden ökonomischen Eliten als teilweise neue, zumindest jedoch deutlich gestärkte Eliten im Feld der Politik auftreten. Auch das Argument des differenzierteren Forschungsinteresses klingt in diesem Beispiel bereits an. Betrachtet man die Arbeiten im Bereich der Elitenforschung im zeitlichen Verlauf, sind einerseits Verschiebungen von Schwerpunkten zu beobachten. So führt gesellschaftlicher Wandel nicht nur zu neuen oder veränderten Eliten, sondern auch zu neuen Fragen, die an diese gerichtet werden. Die Messung des Einflusses der Unternehmensvertreter auf die Politik kann hierfür ein Beispiel sein. Andere Beispiele gesellschaftlicher Veränderungen mit Auswirkungen auf die Elitenforschung sind das Ende der Sowjetunion oder auch der Prozess der deutschen Wiedervereinigung. Neue Fragestellungen, die sich hieraus ergeben, behandeln vor allem die Formation einer neuen politischen Elite bzw. die Zusammenlegung von zuvor zwei separaten politischen Eliten. Andererseits lassen sich nicht alle neu entstandenen und entstehenden Forschungsbereiche nur aus dem gesellschaftlichem Wandel heraus erklären. Zu beobachten ist vielmehr eine zunehmende Differenzierung der Fragen, aufbauend auf den Erkenntnissen der Klassiker der Forschung und zunehmend auch unter

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Bezugnahme auf andere Teilbereiche der Sozialwissenschaften. Nicht zuletzt diese Arbeit versucht unter Hinzunahme der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung einen innovativen Beitrag zur Elitenforschung zu leisten. Was diese hingegen bisher nicht leisten kann oder will, ist eine einheitliche Definition des Begriffs Elite selbst. Einigkeit besteht scheinbar einzig bei der Tatsache, dass es sich um einen (oder mehrere, hier fängt die Uneinigkeit schon an) Personenkreis handelt, dessen Mitglieder eine Art von statuslegitimierenden Auswahlprozess durchlaufen haben und in der Folge Teil einer Minderheitengruppe sind (Bude 2000: 9 ff.). Wird nun diese Definition herangezogen, können wir eine Vielzahl elitärer Gruppen auf verschiedensten Ebenen sozialer Interaktion identifizieren. Beispiele können lokale Eliten, wie die Stadtregierung einer Kommune oder nationale Eliten, wie die Besten einer Sportart im Land, beispielsweise eine Fußballnationalmannschaft sein. Internationale Eliten, wie erfolgreiche Schauspieler in Hollywood, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den Elitenstatus aufgrund ihrer Leistungen in vielen verschiedenen Staaten besitzen. Der Fall Hollywood ist auch deshalb interessant, weil die Rekrutierung der Elitenmitglieder zwar auf die US-amerikanische Gesellschaft und mit Los Angelas sogar auf einen ganz spezifischen Ort konzentriert ist, jedoch immer wieder auch Menschen aus anderen Ländern in diesem Bereich und an diesem Ort erfolgreich sind und so Teil dieser internationalen Elite werden. Eliten müssen zudem keinesfalls immer anhand ihres Berufes und/oder besonderer Fähigkeiten wegen entstehen. Das Wort Elite kommt zum Beispiel häufig dort zum Einsatz, wo es um große ökonomische Unterschiede geht. Die „oberen 10.000“ oder neuerdings die „reichsten 2% der Bevölkerung“ werden oft genannt, um eine quantifizierbare Grenze zwischen der breiten Masse der Bevölkerung mit kleinem oder mittlerem Einkommen und eben denen zu ziehen, für die Geld keine Rolle mehr spielt und die so auch mehr Möglichkeiten der Machtakkumulation haben. Von Elite wird jedoch auch gesprochen, um ein letztes Beispiel zu nennen, wenn innerhalb einer Organisation (ein Unternehmen, eine Behörde, eine Schule) einige Mitglieder von der Mehrheit aus unterschiedlichen, fallspezifischen Gründen als eine elitäre Gruppe wahrgenommen werden und in der Folge ebenfalls über überdurchschnittliche Machtressourcen verfügen. Beispiele wären hier „der Chef“ oder „der Lehrer“. Nachdem wir nun anhand einer ersten, sehr allgemeinen aber auch konsensfähigen Definition versucht haben, beispielhaft verschiedene Eliten zu identifizieren, kann festgehalten werden, dass der Begriff Elite im allgemeinen Gebrauch in den verschiedensten Zusammenhängen verwendet wird. Eine bereits deutlich umfangreichere, wissenschaftliche Definition liefert, aufbauend darauf, nun Hoffmann-Lange:

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„Der sozialwissenschaftliche Elitebegriff bezeichnet Personen bzw. Personengruppen, die über wichtige Machtressourcen verfügen, die es ihnen erlauben, Einfluss auf gesellschaftlich bedeutsame Entscheidungen zu nehmen. […] Ihr Einfluss kann sich auf die Kontrolle unterschiedlicher Machtressourcen gründen: u.a. auf die mit politischen Ämtern verbundene formale Gesetzgebungsbefugnis, die Verfügungsgewalt über Kapital, die Fähigkeit zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung, aber auch auf persönliche Qualifikationen wie Expertentum und Verhandlungsgeschick.“ (Hoffmann-Lange, 1992: 83)

Im Gegensatz zu der zuvor aufgestellten allgemeineren Definition wird der Fokus nun weniger auf den Status der Elite als allgemeine Minderheit gelegt, sondern auf die inhaltlichen Gemeinsamkeiten und Handlungsmöglichkeiten. Damit legt sich Hoffmann-Lange auch fest: Es gibt verschiedene Eliten, die über verschiedene Handlungsressourcen ihren Status gewinnen und aufrecht zu erhalten suchen. Diese Definition ist vor allem deshalb hilfreich, weil durch die Benennung dieser Qualitäten, wie der Verfügungsgewalt über Kapital oder der Mobilisierung der öffentlichen Meinung, nun auch ein mögliches inhaltliches Ziel genannt wird, welches das Identifizieren der Mitglieder einer Elite theoretisch möglich und eine Grenzziehung zu Außenstehenden ein Stück weit einfacher macht. Eine derartige Definition erscheint vor allem dann als Orientierungspunkt hilfreich, wenn wir in einem nächsten Schritt den Blick auf die Vielzahl an Fragen der Elitenforschung werfen, welche Wasner zusammengetragen hat. Geforscht wird zur Identifikation der Eliten, ihrem sozialen Hintergrund, dem Karriereverlauf, persönlichen Merkmalen und Qualifikationen, ihrer Art des Denkens oder elitenspezifischen Denkmustern, der Elitenzirkulation, also dem Austausch von Eliten, zu Elitentypen, ihrer Arbeitsweise und Kommunikation, ihrer Repräsentativität, der Repräsentativität ihrer Interessen und der Legitimität und dem Prestige der Eliten (Wasner 2004: 23-27). Betrachten wir nun diese zentralen Fragen der Elitenforschung und setzen sie in Bezug zu beiden allgemeinen Definitionen des Elitenbegriffs, können drei grobe Forschungsbereiche identifiziert werden, die mit Hilfe der Definitionen bereits umschrieben, jedoch nicht vollständig erklärt werden (können). Erstens, die Frage nach den Funktionsweisen einer Elite als Gruppe oder sozialer Einheit: Hier geht es um Voraussetzungen, um das System zu organisieren, innerhalb dessen sich die Akteure bewegen. Es sollen institutionalisierte Regeln innerhalb der Elite erklärt und die benötigten Ressourcen, um erfolgreich agieren zu können, beschrieben werden. Zweitens, die Frage nach Machtverhältnissen, zwischen der Elite und dem Rest der Bevölkerung, wie auch den Machtverhältnissen innerhalb der Elite: Zwar vertritt nicht jede Elite automatisch die Interessen an-

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derer, erfüllt also nicht zwingend den Aspekt der Repräsentation, jedoch sind Machtdynamiken gerade im Kontext politischer Eliten von großer Bedeutung, schließlich werden von ihnen Entscheidungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung getroffen. Die Herrschaft durch Eliten, betrachtet aus dem inneren der Elite heraus, ist mindestens genauso interessant. Es stellt sich schließlich die Frage, ob Entscheidungen stets im Einklang getroffen werden oder Gegenstand von Auseinandersetzungen sind. Drittens, die Handlungslogiken der Mitglieder der Elite: Hier soll die Motivation der einzelnen Akteure dafür, Teil einer Elite zu sein, untersucht werden. Außerdem stehen die individuellen Handlungen der Elitenteilnehmer und ihre Bedeutung für das Bestehen und die Entwicklung der jeweiligen Elite im Vordergrund. In den folgenden Abschnitten werde ich versuchen, systematisch Forschungsansätze und -erkenntnisse der Elitenforschung so darzustellen, dass ein möglichst klares Bild vom Forschungsstand bezüglich der drei identifizierten Kategorien erkennbar wird. Vorgehen werde ich dabei jedoch asynchron zu diesen, um die Weiterentwicklung theoretischer Konzepte und den Beitrag anderer Teildisziplinen der Sozialwissenschaften deutlicher herausstellen zu können. Ziel soll es dabei weiterhin sein, den eingangs erwähnten Katalog von Vorüberlegungen zur Beschreibung politischer Eliten zu erstellen. Vor Beginn sei darauf hingewiesen, dass die Weiterentwicklung einer Theorie der Elitenforschung spätestens seit den 50er Jahren international deutlich ins Stocken geraten ist1, weshalb in dieser Arbeit zunächst den Klassikern viel Raum eingeräumt wird. Erst recht spät werde ich umfangreich auch auf neuere Arbeiten eingehen, die zumeist ein anderes zentrales Erkenntnisinteresse aufweisen und trotzdem einen Beitrag zur Elitenforschung leisten konnten. 2.1.1 Die Anfänge der Elitenforschung Als die Klassiker der Eliteforschung werden zumeist die Arbeiten von Mosca, Pareto und Michels anführt. Ihre Hauptwerke erscheinen um die Jahrhundertwende zwischen 1896 und 1911 vor dem Hintergrund der Industrialisierung in Europa. Es kommt in dieser Zeit durch die zunehmende Massenproduktion in den neu entstehenden Fabriken und durch immer schneller eintretende technische Innovationen zur Entstehung vieler Arbeitsplätze für größtenteils ungebildete Arbeitskräfte in den Städten. Dies führt zu einem enormen Wachstum dieser und insgesamt zu einer zunehmenden Urbanisierung, zunächst in England, später 1

Daloz (2010:26) spricht gar von den 1920er Jahren und verkennt dabei die Wichtigkeit der amerikanischen Beiträge rund um Autoren wie Dahl und Hunter in den 50er Jahren.

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auch in Zentraleuropa. Zusätzlich lässt eine verbesserte medizinische Versorgung die Lebenserwartung der Menschen ansteigen, was das Bevölkerungswachstum weiter antreibt.2 In diesem Umfeld entwickelt das etablierte Bürgertum zunehmend eine Angst vor der Masse der in die Städte strömenden Menschen. Es wird nicht nur steigende Kriminalität befürchtet, die Angst betrifft vor allem auch die potentielle Gefahr eines Umsturzes der herrschenden Ordnung (Hartmann 2008: 15). Bereits 1895 liefert der Franzose Le Bon diesen Ängsten eine wissenschaftliche Grundlage, indem er im Falle einer erfolgreichen Revolution der Massen als Resultat einen „primitiven Kommunismus“ als folgende Regierungsform befürchtet (LeBon 1964[1895]: 2 ff.). Mosca, der wohl prominenteste Kopf der frühen Elitenforschung, stellt derartige revolutionäre Szenarien nicht in den Vordergrund seiner Arbeit. Stattdessen legt er den Fokus auf die Einteilung der Gesellschaft in zwei Klassen, nämlich der herrschenden und der beherrschten. Er stellt fest, dass erstere die Macht monopolisiert, um die zweite zu führen, sich gleichzeitig aber auch von ihr versorgen zu lassen (Mosca 1950[1895]: 52 f.). Die Mitglieder der herrschenden Klasse haben zudem den Vorteil, dass sie durch ihre geringere zahlenmäßige Größe einen hohen Organisationsgrad aufweisen, dem die Masse der Beherrschten nichts entgegenzusetzen hat (ebd.: 134.). Ökonomischen Wohlstand sieht er seinerzeit als den entscheidenden Faktor dafür, Teil der herrschenden Klasse zu sein oder zu ihr aufzusteigen (ebd.: 58). Mosca weist zudem auf die Konflikthaftigkeit der beschriebenen Einteilung der Gesellschaft hin. Da die Herrschaftspositionen nicht direkt vererbbar sind, führen gesellschaftliche Veränderungen immer wieder zu einer Neubewertung und als Folge oft Umbesetzung der herrschenden Klasse, was zu einem stetigen Kampf der etablierten Herrschenden mit neuen Kräften führt (ebd.: 64 f.). Diese Dynamik zwischen den beiden Klassen nimmt auch Pareto in den Blick. Während sein Verständnis einer Unterteilung der Gesellschaft in Herrschende und Beherrschte in vielen Punkten den Vorstellungen Moscas ähnelt, 3 liefert er bezüglich der Unterscheidung und Mobilität zwischen beiden Gruppen, die er teilweise auch als Elite und eliteferne Bevölkerung bezeichnet eine differenziertere Beschreibung. Aufbauend auf einem System von Prädispositionen 2

Vgl. hierzu die ausführlichere Beschreibung der Voraussetzungen zur Entstehung der Werke von Mosca, Pareto und Michels bei Hartmann (2008).

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Pareto nimmt innerhalb der von ihm identifizierten zwei Gruppen noch weitere Unterscheidungen vor, beispielsweise in die herrschende und nicht-herrschende Elite. Es handelt sich hierbei jedoch um Zwischenschritte, welche die in der Folge beschriebenen Vorgänge nicht verändern (Pareto: 1962: 192 ff.).

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menschlichen Handelns, den Residuen, erklärt Pareto diese Dynamik als „Zirkulation“ oder „Kreislauf der Eliten“.4 Von den Residuen sind die ersten beiden entscheidend hierfür. Während das Residuum der Klasse I den Instinkt der Kombination beschreibt, also die Fähigkeit zu Neugier, neuen Ideen aber auch Skepsis dem Alten gegenüber, beschreibt die Klasse II, die Persistenz der Aggregate, die Stabilität der Dinge aber auch eine Haltung von Trägheit bei ihrem Inhaber (Pareto 1955[1916]: 64-89). Nimmt nun in der Elite die Fähigkeit zu Neugier und Skepsis ab und gleichzeitig die Trägheit zu, kommt es zu Angriffen auf die bestehenden Hierarchien aus der Masse der Bevölkerung, in der sich ebenfalls Menschen befinden, die über ein großes Potential des Klasse I Residuums verfügen. Diese Angriffe führen in der Folge zu einem Austausch von Teilen der Elite. (Pareto 1962[1916]: 167-222). Auch Michels beschäftigt sich intensiv mit dem Verhältnis von Elite und Nicht-Elite. In seinem „ehernen Gesetz der Oligarchie“ beschreibt er zunächst die Unentbehrlichkeit der Organisation in der Demokratie (Michels 1989[1911]: 24). Er stellt jedoch direkt im Anschluss fest: „Wer Organisation sagt, sagt Tendenz zur Oligarchie. Im Wesen der Organisation liegt ein tief aristokratischer Zug.“ (Ebd.: 25) Dieses Problem untersucht Michels anhand politischer Parteien, bei denen er konstatiert, dass sie mit wachsender Größe und Dichte stets Tendenzen zur Oligarchie entwickeln (ebd.: 26). Zwar erkennt er an, dass Demokratie für die Durchsetzung der Interessen der Arbeiterklasse sinnvoll ist, jedoch stellt er gleichzeitig fest, dass verschiedene Defizite diesen Gewinn zunichtemachen. Er spricht in diesem Zusammenhang von technisch-administrativen, psychologischen und intellektuellen Ursachen. Erstere beziehen sich die Unmöglichkeit der direkten Einbeziehung aller Menschen in Entscheidungen und damit einhergehend die Delegation der eigenen Stimme und, in der Folge, die Herausbildung beruflicher Führer. Diese bedeuten für Michels das Ende der Demokratie (ebd.: 35 f.). Die psychologische Ursache sieht Michels in der Trägheit der Menschen begründet, die zu einer Neigung der Delegation von Aufgaben und Entscheidungen führt. Dies wiederum begünstigt erneut ein professionalisiertes Führertum, wobei diese Führer eine dauerhafte Position und damit den Machterhalt anstreben (ebd. 42 ff.). Zuletzt nennt er die intellektuelle Ursache, welche durch die dauerhafte Delegation der Entscheidungen an die berufsmäßigen Führer resultiert. Diese eignen sich dadurch spezielle Erfahrungen an, die sie wiederum in Macht umwandeln können.

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Je nach Übersetzung wird entweder von Zirkulation (Pareto 1962[1916]: 151) oder Kreislauf (Pareto 1955[1916]: 224) gesprochen. Beide Werke unterscheiden sich zudem in den jeweils übersetzen Teilen des Originals.

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Allen drei Ansätzen sind trotz vielfältiger Unterschiede nun einige zentrale Aussagen gemein. Die wichtigste hierbei ist sicherlich die Einteilung von Gesellschaften in Eliten und Masse, in Herrschende und Beherrschte. Ebenfalls gemeinsam haben alle drei die Vorstellung von einer deutlich kleineren Elite, die über die Masse herrscht. Sie setzen sich zudem mit den Austauschbeziehungen zwischen beiden Gruppen auseinander und stellen fest, dass durchaus Auf- und Abstiege möglich sein können. Nur sind die Voraussetzungen hierfür unterschiedlich (Delegation bei Michels, Neugier und Skepsis versus Trägheit bei Pareto und ökonomischer Wohlstand bei Mosca), schließlich geht es bei allen um Machtgewinne und -verluste und um zu verteilende und zu verteidigende Privilegien. Gerade diese Binnenlogik und gleichzeitige Abgrenzung nach außen ist im Rahmen dieser Arbeit für die Betrachtung politischer Felder von höchster Aktualität. 2.1.2 Funktionseliten Woran es den sogenannten Klassikern der Eliteforschung unter anderem fehlt, ist eine Differenzierung der Eliten. Zwar schreibt Pareto in seinen Arbeiten bereits über Leistungsträger in verschiedenen Tätigkeitsbereichen die für ihn die Elite bilden, diese bilden jedoch im Laufe der Arbeit ein homogenes Feld (Pareto (1955[1916]: 222). Vor dem Hintergrund der faschistischen Regime in Italien und Deutschland werden die Ansätze der sogenannten Klassiker in den 50er Jahren ohnehin zunehmend kritisch gesehen, nicht zuletzt, weil gerade Michels aber auch Pareto und (deutlich weniger) Mosca mit dem faschistischen Regime in Italien in Verbindung gebracht werden. Es entwickeln sich im deutschen wie USamerikanischen Kontext neue Forschungsansätze, die vor allem die Organisation und Funktion der Eliten in den Blick nehmen. Bereits zuvor, 1935, lassen die Ideen Mannheims eine neue Betrachtungsweise von Eliten erkennen. So unterscheidet dieser drei Typen, die politischen und organisierten Eliten, die intellektuellen und künstlerischen und die moralischen und religiösen Eliten (Mannheim 1967[1935]: 96). Diese Gruppen wachsen nun in demokratischen Massengesellschaften immer weiter und werden dabei automatisch weniger exklusiv. Die Auswahl der Eliten erfolgt zunehmend über das Leistungsprinzip, Geburt und Besitz treten in den Hintergrund (ebd.: 101 ff.). Auch im deutschen Nachkriegsdiskurs werden Eliten zunehmend in der Mehrzahl wahrgenommen. Stammer spricht so von verschiedenen sozialen oder politischen Einflussgruppen und Gruppen, die selbst politische Führungsaufgaben wahrnehmen (Stammer 1965: 71). Auch Dahrendorf unterscheidet teilweise

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in seinen Arbeiten zwischen verschiedenen Teil-Eliten, den Funktionseliten, welche er außerdem als miteinander konkurrierend beschreibt (Dahrendorf 1961: 179). Im amerikanischen Diskurs veröffentlicht in dieser Zeit Dahl eine vielbeachtete Arbeit. Er beginnt seine umfangreiche Studie über die Herrschaftselite der Stadt New Haven und deren Stadtpolitik mit einer Einteilung der lokalen Eliten in „Patricians“, „Entrepreneurs“, „Ex-plebes“ und „New Men“, widmet sich in der Folge jedoch hauptsächlich den Entscheidungsstrukturen, die in einer einzigen aus diesen Gruppen zusammengesetzten städtischen Elite zustande kommen (Dahl 2005[1965]: 11 ff.).5 Im weiteren Verlauf der Arbeit kommt er, ähnlich wie bereits Pareto vor ihm, zu der Einschätzung, dass auch die Elite selbst noch einmal hierarchisch gegliedert ist. Er unterscheidet hierbei zwischen den „Subleaders“ und „Leaders“ (ebd.: 169 ff.). Dahl differenziert Eliten erstmals anhand zweier Kriterien (Herkunft/Selbstverständnis und Entscheidungsmacht) und lässt damit die Multidimensionalität des Elitenbegriffs erkennen. Es ist zudem die erste empirische Fallstudie, die in den theoretischen Elitendiskurs nachhaltig Eingang findet. Keller stellt in der amerikanischen Forschung einen weiteren wichtigen Entwicklungsschritt dar. Sie prägte den Begriff der „strategic elites“, der strategischen Eliten. Sie entwickelt dabei in Anlehnung an Parsons AGIL-Schema zur Ordnung des sozialen Raums ein eigenes Modell zur Strukturierung der Gesellschaft und ihrer Eliten.6 Voraussetzungen für ihre Überlegungen sind dabei folgende Entwicklungen: das Wachstum der Bevölkerung, eine größere Arbeitsteilung, eine größere formelle Organisation und dessen sozialen Implikationen und das Wachstum der moralischen Diversität (Keller 1963: 66 ff.). Keller geht in der Folge von dem Vorhandensein und dem kontinuierlichen Entstehen gesellschaftlicher Subsysteme aus, welche unterschiedliche Ziele verfolgen. Sie stellt fest: „Whereas all elites are important in some social and psychological context, only some are important for society as a whole.“ (Keller 1963: 20) Um diese Eliten von eben jenen zu unterscheiden, die keine Bedeutung für die gesamte Ge5

Auch neuere Arbeiten konzentrieren sich auf lokale Entscheidungsstrukturen und die dort agierenden Akteure, Stone (1989) untersucht so beispielsweise die längerfristige Entwicklung der Elite in der US-amerikanischen Stadt Atlanta.

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So verweist Keller unter anderem auf Parsons Werke The Social System (1952) und Structure and Process in Modern Societies (1960) (Keller 1963: 104). Unter dem AGIL Schema versteht Parson darin die Grundfunktionen, die ein System zur Selbsterhaltung erfüllen muss: Anpassung an wechselnde äußere Bedingungen, die Fähigkeit, Ziele zu definieren, die Fähigkeit zur Kohäsion und Inklusion sowie die Fähigkeit des Systems, grundlegende Strukturen aufrechtzuerhalten.

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sellschaft haben, benennt sie vier Funktionsgebiete, in denen die strategischen Eliten zu verorten sind. Sie orientiert sich auch hier an Parsons. Die politischen Eliten sind so für die Benennung kollektiver Ziele und die Entscheidung über die einzusetzenden Mittel zuständig (Goal Attainment), Wirtschaft, Militär und Wissenschaft stellen ihrerseits eben diese Mittel zur Erreichung der Ziele bereit (Adaption). Auf der anderen Seite stehen geistliche, philosophische und ethische Eliten, die den moralischen Rahmen für die Gesellschaft konstruieren (Integration). Schlussendlich sorgen Künstler, Schriftsteller, Filmstars und Sportler für die Passung der eigenen Moral in die Gruppenmoral (Pattern Maintenance und Tension Management) (Keller 1963: 91 ff.). Keller trennt damit klar zwischen verschiedene Eliten und stellt gleichzeitig Verbindungen in ihren Handlungsressourcen und Zielen heraus. Es zeigt sich, dass nach Kriegsende eine intensive Auseinandersetzung mit der Zusammensetzung von Eliten einsetzt, die zu einer differenzierteren Wahrnehmung beiträgt und in der Folge das Ergebnis hat, dass heute im wissenschaftlichen Diskurs zumeist von verschiedenen Eliten anstelle einer einzelnen Elite oder herrschenden Klasse gesprochen wird. Nichts desto trotz wird gerade mit Blick auf die jüngste Geschichte deutlich, dass Funktionseliten und strategische Eliten nicht immer ideal sind, um die Elitenkonfiguration eines Staates zu beschreiben. Field und Higley (1983) stellen daher fest, dass eine Unterteilung in drei Typen sinnvoll für eine adäquate Beschreibung ist. So sprechen sie von Konsensuseliten, wie in den USA und Großbritannien. Diese entsprechen den Funktionseliten oder strategischen Eliten. Unvollständig vereinigte Eliten existierten beispielsweise in den Verlierermächten des 2. Weltkriegs in den 50er Jahren und ideologisch geeinten Eliten, wie in faschistischen Regimen, entsprechen am ehesten den Vorstellungen der Klassiker der Elitenforschung. Für heutige westliche Gesellschaften, so stellen sie abschließend fest, sei es entscheidend, dass keine Teileliten feindliche Angriffe zusammen mit Teilen der Nicht-Elite organisieren (ebd.: 51). Hilfreich sind die vorgestellten Werke im Kontext dieser Studie vor allem, um ein erweitertes Verständnis über die Zusammensetzung politischer Felder zu erlangen. Bereits an dieser Stelle lässt sich belegen, dass ein Blick auf Parteien und Berufspolitiker zu kurz greift, um politische Eliten umfassend untersuchen zu können. 2.1.3 Repräsentation durch Eliten Ein weiterer Schwerpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist das Verhältnis der Eliten zum Rest der Bevölkerung. Bei den anfangs besprochenen Klassikern besteht ihr Zweck in der Organisation und Beherrschung der Massen,

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welche hierzu selbst nicht in der Lage sind, folgt man Mosca, Pareto und Michels. Eine demokratische Legitimation oder der Gedanke einer Repräsentation bestimmter Teile der übrigen Bevölkerung wird nicht mitgedacht. Der Diskurs wandelt sich aber spätestens einige Jahrzehnte später mit den Veröffentlichungen von Autoren wie Mannheim, welche die Auswirkungen demokratischer Strukturen auf die Eliten stärker in den Fokus nehmen. Der sich abzeichnende Streit über ihre Rekrutierung, sei es nach Herkunft oder Vermögen oder aber nach Leistung in bestimmten Bereichen, führt so nicht nur zur Entstehung der Konzepte zu Funktionseliten und strategischen Eliten, sondern stellt zunehmend auch die Frage nach dem Repräsentationsprinzip der Eliten gegenüber der Bevölkerung in den Fokus der Forschung. Während bei Mannheim so beispielsweise noch als Voraussetzung für eine gelungene Repräsentation das Vorhandensein von Teil-Eliten und der freie Zugang zu diesen als ausreichend erachtet werden, kritisieren andere, wie Mills, die noch immer geschlossenen Rekrutierungszirkel der Mächtigen, in denen, ähnlich wie bereits bei Pareto beschrieben, die gleichen Kreise stets aufs neue die einflussreichen Positionen innerhalb der Gesellschaft besetzten. Stammer (1965: 82) sieht wiederum Eliten als Mittler zwischen Volk und Staatsführung, da Sie nicht nur die Staatsführung bestimmen, sondern diese auch kontrollieren. Aus heutiger Perspektive ist zunächst festzuhalten, dass ein allgemein gültiger Repräsentationsbegriff nicht gefunden ist. Ryden stellt fest: „Representation means different things to different people, and different things in different contexts.“ (Ryden 1996: 13) Den bis heute prominentesten Versuch, das Prinzip der Demokratie mit dem der Repräsentation zu verknüpfen, unternimmt jedoch Pitkin (1969). Ihr Ausgangspunkt ist die Aussage, dass Repräsentation bedeutet: „[...] making present in some sense of something which is nevertheless not present literally or in fact.“ (Ebd.: 8-9) Buchstein (1997: 411 ff.) fast weiterhin die drei normativen Bedeutungsebenen von Repräsentation bei Pitkin zusammen: erstens, eine formalistische, in der es um die Verpflichtung der Repräsentanten geht, beispielhaft die Autorisierung durch die Wähler oder die Rechenschaftspflicht gegenüber diesen. Zweitens, die „Standing-for“ oder deskriptive Perspektive, der die Darstellung des Repräsentationsaktes zugrunde liegt. Hier handelt es sich um symbolische oder deskriptive Repräsentation, jedoch nicht um eine Handlung. Pitkin stellt fest, es gehe um „not an activity but a state of affairs, not an acting for others, but a ‚standing for‘“ (Pitkin 1967: 102). Drittens benennt Buchstein die „Acting-For“ oder handlungsorientierte Perspektive, die substantielle Repräsentation oder, nach Pitkin, die „nature of the activity itself, what goes on during representing, the substance or content for acting for others, as distinct from its external and formal trappings“ (ebd.: ll4). Dabei wird von vielen

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die Priorität der „acting-for“ Perspektive in der Forschung thematisiert (Patzelt 1993: 27; Phillips 1995: 227). Pitkin spricht dabei immer wieder auch das Dilemma zwischen den Konzepten Demokratie und Repräsentation an (zuletzt: Pitkin 2004).7 So verlieren große Teile der Bevölkerung durch die Delegation ihrer Stimme an Repräsentanten ihre direkte Beteiligungsmöglichkeit, jedoch erscheint dieser Vorgang in großen gesellschaftlichen Zusammenhängen wie Nationalstaaten unausweichlich, um entscheidungsfähig zu sein. Eine konzeptionelle Gliederung des Repräsentationsbegriffes scheint gerade deshalb nötig, um die Vorgänge in diesem Delegationsprozess untersuchen zu können. Vor allem dann, wenn nicht alle Dimensionen der Repräsentation erfüllt werden, kann Kritik an der Demokratie laut werden. Field und Higley weisen daher darauf hin, dass in Demokratien Eliten zwar unvermeidlich seien, dies jedoch zum Preis nicht mehr sichergestellter Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Verhaltensfreiheit der Bürger (Field/Higley 1983: 86). Hierath stellt Ähnliches fest. „Die explizite Willensartikulation wird in den repräsentativen Demokratien der Gegenwart durch die zunehmende Differenzierung der Gesellschaft erschwert.“ (Hierath 2001: 70). Dadurch wird den repräsentierenden Eliten die Aufgabe zuteil, „zur Koalitionsbildung, zum Interessenausgleich und zur Kompromissfindung, also zur politischen Integration der Gesellschaft, fähig (zu) sein.“ (Herzog 1993: 15). Der Repräsentationsgedanke an sich ist kein zentraler Aspekt dieser Arbeit. Wichtig ist er trotzdem, stellt er doch einen wichtigen Beitrag dar, um die Handlungslogiken der Eliten besser verstehen zu können. Wiedergewählt zu werden, ist so zum Beispiel ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Karriere, was die Frage ebenso erfolgreicher Repräsentation relevant werden lässt. 2.1.4 Eliten und Klassen Während sich die Funktions- und strategischen Eliten größtenteils auf die Position zurückziehen, dass durch die Repräsentation der gesellschaftlichen Teilsysteme ein Zustand der gerechten Vertretung von Interessen erreicht ist, kritisiert Hartmann (2008: 73) diese Einschätzung:

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Während sich Pitkin auf die Idee der Repräsentation in Demokratien konzentriert beschäftigen sich andere Arbeiten schwerpunktmäßig ebenfalls mit anderen Repräsentationsformen. Pócza (2014) gibt hier einen guten Überblick in den Repräsentationsgedanken von der Monarchie bis zur Demokratie.

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„Er (der Ansatz der Funktionseliten) greift das Verhältnis von Eliten und Klassen in der Mehrzahl der Arbeiten zwar auf, vertieft es aber bei weitem nicht so gründlich, dass die Machtunterschiede zwischen den Eliten der einzelnen Gesellschaftsbereiche, ihre Fundierung in der Sozialstruktur und die Rolle der verschiedenen Klassen und Schichten der breiten Bevölkerung in diesem Prozess wirklich erklärt werden können.“

Mit dieser Kritik lässt sich auch schon bei den Klassikern ansetzen. Nicht nur, dass sich diese nur marginal der Nicht-Elite und ihrem Verhältnis zur Elite gewidmet haben, die Mehrzahl hielt erstere sogar für eine Gefahr. Auch Mannheim konstatiert später, dass durch ein zunehmendes Gewicht der Irrationalität der Massen, die Konstanz der Politik gefährdet sei (Mannheim 1967[1935]: 114 f.). Lasswell (1948) stellt fest, dass es Aufgabe der Eliten sein müsse, die Massen zu manipulieren. Zusammen mit Kaplan kommt er zu dem Schluss: „As the power potential of the mass increases, allocation moves initially in the direction of autocracy.“ (Lasswell/Kaplan 1967[1950]: 221). Diese Angst vor einer Herrschaft der Massen und damit einhergehend einem Kontrollverlust für die Eliten, bleibt lange eine vielvertretene Position in der Elitenforschung. Als einer von wenigen Elitenforschern seiner Zeit nimmt Mills einen anderen Blickwinkel auf das Verhältnis von Eliten und Nicht-Eliten ein. Für ihn ist zunächst einmal die Voraussetzung der allgemeinen Zugänglichkeit von Elitepositionen für die gesamte Bevölkerung nicht gewährleistet. Er widerspricht damit den meisten Vertretern der Funktionseliten. Er geht stattdessen von einer Machtelite aus, welche größtenteils aus den Entscheidern der Bereiche Politik, Wirtschaft und Militär besteht (Mills 1959[1956]: S. 24). Mills stellt fest, dass Angehörige aller drei Gruppen gemeinsam in einer herrschenden Klasse, der Machtelite, agieren. Dies vor allem mit dem Ziel des eigenen Machterhalts und der Aufrechterhaltung der eigenen Privilegien gegenüber der restlichen Bevölkerung. Er stellt fest: „As the institutional means of power and the means of communication that tie them together have become steadily more efficient, those now in command of them have come into command of instruments of rule quite unsurpassed in the history of mankind.“ (Ebd.: 23)

Er macht mit der Wahl des Begriffs Machtelite ebenfalls deutlich, dass es ihm bei der Ressource Macht nicht zwingend um institutionell festgelegte Entscheidungsstrukturen geht, sondern vielmehr um die Ausübung von Macht gegenüber

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der beherrschten Klasse, getreu der Definition von Weber. 8 Auch innerhalb der Machtelite findet zwischen den drei genannten Feldern ein stetiger Austausch und Kampf statt. Vor allem die zunehmende Macht der Wirtschaft nennt Mills hier als Beispiel (ebd. 148 ff.). In die gleiche Richtung zielt auch Hunter in seinem Werk Community Power Structure (1953). In seiner „Regional City“ sind es vor allem einflussreiche Geschäftsleute, die den Kurs der Stadt bestimmen. Sie bilden ein geschlossenes System der Macht (ebd.: 233).9 Die besondere Bedeutung bzw. wachsende Macht ökonomischer Eliten betonen in diesem Kontext auch andere Autoren (Hoffmann-Lange 1992; Phillips 2003). Dieser Vorstellung einer alleinigen herrschenden Klasse stellt sich Dahl jedoch entgegen. Zwar konstatiert auch er, dass es eine spezifische Gruppe einflussreicher Personen in seinem empirischen Beispiel, New Haven, gibt, trotzdem seien immer andere Individuen involviert und einflussreich, je nachdem in welchem stadtpolitischen Themengebiet Entscheidungen anfallen. 10 Dass dieses Kapitel nun mit dem Begriff Klasse überschrieben wird, ist keine Verlegenheitslösung. Vielmehr zeichnen sich Arbeiten wie die von Mills und Hunter dadurch aus, dass einerseits die automatische Legitimation der Eliten als Repräsentanten und auch Herrschende kritisch hinterfragt wird, andererseits die Idee von strategischen oder Funktions-Eliten als automatischem Garanten zugänglicher „fairer“ Eliten abgelehnt wird. Vielmehr werden Herrschaftsverhältnisse beschrieben, die über Machtressourcen innerhalb spezifischer Personenkreise (oft auch über Generationen) verbleiben. Diese Herrschaftsverhältnisse, auch innerhalb politischer Felder, spielen auch für das Studium heutiger Eliten eine wichtige Rolle. 2.1.5 Professionalisierung, Rekrutierung und Karriere Mit der zunehmenden Professionalisierung politischer Arbeit beschäftigt sich zunächst Weber (1994[1919]). Dieser differenziert nicht nur zwischen hauptund nebenberuflichen Politikern, sondern fragt auch nach der Motivation für das 8

Für Weber ist Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ (Weber 1980[1928]: 28).

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Beide (Mills und Hunter) wählen so auch nicht zufällig den Begriff der „Power Structure“ beziehungsweise „Power Elite“, sondern wollen dezidiert die Macht-Ausübung der Eliten in den Vordergrund stellen. Bei beiden liegt dabei der Machtbegriff Webers zugrunde:

10 Dahl untersucht die kommunalpolitischen Politikfelder Stadtentwicklung, städtisches Schulwesen und politische Nominierungen (Dahl 2005[1965]).

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politische Engagement. Borchert stellt daran anschließend fest, dass verschiedene Faktoren entscheidend für die Entwicklung einer politischen Klasse sind (Borchert 1999, 2003a). Er untersucht dabei nicht nur die Rahmenbedingungen, unter denen sich diese entwickelt, sondern auch die Prozesse innerhalb der politischen Klasse, welche zu der Entstehung des Berufes Politiker führen. (Borchert 2003b: S. 2). Seine Überlegungen schließen dabei an einige ältere Arbeiten an, welche die besondere soziale Dynamik und komplexen Voraussetzungen politischer Klassen erkannten (Burdeau 1975). Borchert nimmt zudem eine systematische Unterscheidung zwischen politischen Eliten und Klassen vor, indem er erstere als eine Zuschreibung begreift, die sich über den Inhalt, politische Macht auszuüben, identifizieren lässt. Zweite, die politischen Klassen, treten als wahrnehmbare Akteure auf, statt für die Politik zu leben, leben sie vor allem auch von ihr (Borchert 2003b: S. 3 f).11 Ausgehend von der Entstehung des Berufsbildes Politiker stellt sich nun die Frage nach den Karrierewegen und -möglichkeiten für diese. Fenno stellt in Studien zum Vergleich des Alltags von Kongressabgeordneten im Wahlkreis und in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. beispielsweise fest, dass Mandatsträger im Kongress im Vergleich zum Wahlkreis komplett unterschiedliche Handlungsmuster verfolgen sowie damit ein spezifisches Verständnis einer Repräsentation der Wählerinteressen in Washington verbinden (Fenno 1978, 1988, 2003, 2007). Entscheidend ist es für ihn dabei unter anderem, welchen Typ Menschen die Politiker im Wahlkreis verkörpern müssen, um ihr Mandat zu gewinnen und welcher Typ in Washington gefragt ist, um dort erfolgreich zu agieren. Für Fenno steht fest: Eine Qualität eines potentiellen Mandatsträgers muss es sein, die Erwartungshaltung an seine Person sowohl im Wahlkreis, wie auch in Washington erfüllen zu können und dementsprechend sein Verhalten und seine politischen Botschaften anzupassen. Abseits von diesen spezifischen Fertigkeiten der Berufspolitiker und den Ansprüchen der Wähler sind es, der Forschung folgend, oft organisationsstrukturelle Gründe, die eine erfolgreiche politische Karriere ermöglichen. Wann also jemand für ein Amt nominiert wird, hängt vor allem auch von Strukturen ab, die sich innerhalb von Organisationen (in der Forschung ist es oft die Parteienlandschaft, die hier exemplarisch herangezogen wird) gebildet haben und die feste Verfahrensregeln und oft auch eine spezifische Reihenfolge vorsehen (Reiser 2011, Detterbeck 2011, Fischer/Kaiser 2011, Schlesinger 1991). Diese Mechanismen haben die Berufspolitiker natürlich vor Augen und planen ihre Karriere entsprechend (Best/Jahr/Vogel 2011, Roberts 1988). Frantz spricht in diesem 11 Borchert differenziert damit einen bereits von Weber oder Bourdieu erkannten Dualismus verschiedener Motive für die Übernahme eines politischen Mandats weiter aus.

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Kontext die für den deutschen Fall bekannte „Ochsen-Tour“ an, welche allein durch den gewählten Begriff schon einen Hinweis auf den hohen Grad an Standardisierung in parteiinternen Nominierungsverfahren und die negative Konnotation des mit der Tour verbundenen Aufwands gibt (Frantz 2011). Studien haben zudem gezeigt, dass auch eine berufliche Tätigkeit abseits der Politik für die spätere Tätigkeit als Berufspolitiker relevant sein kann. Bereits Dahrendorf (1965: 277 ff.) stellt mit Blick auf die Abgeordneten des Deutschen Bundestags fest, dass bestimmte Berufe dort besonders stark vertreten sind. Zweifellos sagt dies zunächst einmal nichts über den konkreten Selektionsprozess aus, schließlich könnten beispielsweise Juristen, eine der größten Berufsgruppen im Parlament, auch einfach mehr Interesse an politischen Ämtern haben und deshalb stärker unter den Kandidaten repräsentiert sein. Ein interessantes Indiz ist es trotzdem, dass bestimmte Berufsgruppen offensichtlich sehr erfolgreich dabei sind, sich politische Ämter zu sichern. In neueren Studien wird zudem deutlich, dass sich an diesen Repräsentationsverhältnissen nichts Maßgebliches geändert hat (Hartmann 2004). Karrieren und Berufe können aber auch unter Betrachtung von Sozialisationsaspekten von Bedeutung sein, worauf ich im entsprechenden Kapitel (2.1.7.) noch eingehe. Dieser Professionalisierungsdiskurs hilft nun vor allem, ein Verständnis für die Motivationen zu erlangen, welche heute zu der Entscheidung führen, sich für eine politische Karriere zu entscheiden. 2.1.6 Eliten-Netzwerke Auch Netzwerke haben eine große Bedeutung für die erfolgreiche Sozialisation einzelner Akteure innerhalb einer Elite. Dabei kommt es vor allem auch auf jene Kontakte an, die im Laufe der Jahre entstehen und dabei nicht nur den Sozialisationsprozess maßgeblich mitgestalten, sondern auch hilfreiche dauerhafte Bindungen im Sinne einer erfolgreichen Entwicklung der eigenen Laufbahn darstellen. Bereits Mills stellt hierzu die Bedeutung von institutionellen Strukturen wie Schulen oder Clubs heraus (Mills 1956[1959]: S. 3 ff.). Die Funktionsweise dieser Netzwerke innerhalb der Eliten ist ebenfalls von Relevanz für die Elitenforschung. So stellt Mayntz zunächst fest, dass Netzwerke durch das Vorhandensein verschiedener autonomer Akteure und der Fähigkeit dieser, gemeinsam koordiniert zu handeln, gekennzeichnet sind (Mayntz 1997: 246). Zwei grundlegende Ansätze für politische Eliten stellen hierbei einerseits „subgovernments“ dar, bei denen die engen Kooperationsbeziehungen zwischen politischen Entscheidungsträgern und privaten Interessengruppen im Vordergrund stehen, welche wiede-

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rum aus feststehenden Eliten rekrutiert werden (Carter 1964). Andererseits „issue networks“, welche Akteurskonstellationen über kurze oder längere Zeit, je nach inhaltlicher Zielsetzung, beschreiben, bei denen immer wieder neue Akteure die Möglichkeit bekommen, in konkreten Feldern in den Politikbetrieb einzutreten (Heclo 1978). Zwischen beiden Extremen gibt es eine Vielzahl weiterer Forschungen, welche sich mit der Funktionsweise und den Rekrutierungsmechanismen derartiger politischer Netzwerke auseinandersetzen (Jordan 1990, McCool 1989/1990, Ripley/Franklin 1984). Mills weist zudem darauf hin, dass die Qualität sozialer Beziehungen ebenfalls von Bedeutung ist und führt in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen formellen und informellen Begegnungen ein (Mills 1956[1959]: 64). Er beschreibt zudem das Vertrauen, auf welchem das Funktionieren von Elitennetzwerken seiner Meinung nach beruht (ebd.: 69). Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf Leuschner, welcher interessante Einsichten in den Prozess des Entstehens informeller politischer Netzwerke liefert, welche er als politische Freundschaften konzipiert. Leuschner kann in seiner Arbeit auch verdeckte Sozialisationsmechanismen aufzeigen, welche den Zugang zu Netzwerken steuern und so entweder Zutritt zu ihnen gewähren oder aber auch verwehren (Leuschner 2011). Netzwerke müssen dabei keinesfalls dauerhaft von Bestand sein, sondern sind in vielen Fällen thematisch oder zeitlich begrenzt. Sie können auch gleichzeitig für eine neue Art der Zusammenarbeit von Staat und Gesellschaft stehen und mobilisieren dabei das politische Kapital der nicht professionalisierten Akteure (Kenis/Schneider 1991). Die in der Folge entstehenden Koalitionen werden im Rahmen der Governanceund Policy Regimes-Forschung untersucht (Benz 2004, Grote/Gbipki 2002, Mayntz 2004). Gerade bei der Policy Regimes-Forschung stehen hierbei einzelne Akteure und die Bildung von längerfristigen Koalitionen im Vordergrund (Janning (2004/2006). Die Interessen und Ressourcen, diese Interessen auch durchzusetzen, spielen hierbei eine zentrale Rolle. Netzwerke spielen zusammengefasst eine wichtige Rolle, um heute die Formierung und Hierarchien innerhalb von Eliten möglichst genau beschreiben zu können. 2.1.7 Sozialisation Einen wichtigen Beitrag für die Elitenforschung stellt zudem die Frage der Bedeutung von Sozialisationsprozessen für den Aufbau und die Funktion von Eliten dar. Es scheint weitestgehend klar, dass in demokratischen westlichen Gesellschaften Herkunft und Vermögen oder die Klassenzugehörigkeit nicht mehr automatisch zu einer Einteilung in Elite oder Nicht-Elite führen. Weniger eindeutig erscheint allerdings die Bewertung, inwieweit sie nicht trotzdem zumin-

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dest einen Einfluss auf die Rekrutierung von Eliten haben. Dahl stellt hierzu fest, dass verschiedene Ressourcen zu Vorteilen führen, um auf strategisch günstige Positionen bei Entscheidungsfindungsprozessen in New Havens Stadtpolitik zu gelangen. Er nennt unter anderem Einkommen sowie den ausgeübten Beruf und stellt fest, dass höheres Einkommen und ein Beruf im Bereich „professional, business and white collar“ (Dahl 1965: 282) für eine erfolgreiche politische Betätigung vorteilhaft sind. Das bestimmte Berufsfelder in der Politik stärker vertreten sind als andere, lassen auch Dahrendorf (1965), Best und Vogel (2011) oder die Ergebnisse der Mannheimer (Hoffmann-Lange 1992) und Potsdamer (Bürklin/Rebenstorf et al. 1997). Elitestudien für Deutschland erkennen. Doch auch der materielle Wohlstand beziehungsweise die ökonomischen Ressourcen spielen für die Eliten-Rekrutierung eine Rolle. Beginnend mit der Wahl der richtigen Kontakte, bestimmt durch den Besuch prestigeträchtiger Schulen und Universitäten, Clubs und anderer Freizeitangebote, erfolgt eine erste Auslese. Die hierbei entstehenden Netzwerke sind dabei nicht gleichzusetzen mit den politischen Entscheidungsfindungsnetzwerken, die bereits beschrieben wurden. Sie sind aber trotzdem nützlich, um zu eben jenen bereits Kontakte aufzubauen, die später bei den ausschlaggebenden Entscheidungen mitzubestimmen haben.12 Die Angebote sind dabei selbst nicht zwingend immer mit der Zahlung von Schulgeld, Studiengebühren oder Mitgliedsbeiträgen verbunden, jedoch sind die Zugangschancen mit entsprechenden Mitteln deutlich verbessert. 13 Wichtige Kriterien können so auch der richtige Wohnort oder anders formuliert, die richtige Nachbarschaft sein,14 außerdem helfen Statussymbole bei der Distinktion und Präsentation als Elitenmitglied. Daloz verweist hierzu auf die Bedeutung von Statusgütern wie Immobilien, Autos, Mode, Speisen und Getränken, welche bei richtiger Auswahl die Zugehörigkeit zur Elite symbolisieren und auch nach außen hin erkennbar machen können (Daloz 2010: 61 ff.). Wichtig für die Forschung ist dabei jedoch nicht nur die Frage, wer sich den Luxus leisten, also die ökonomischen Ressourcen direkt aufbringen kann, son12 Bereits Mills weist bei seinen Arbeiten zur Power Elite auf diesen Effekt hin (Mills (1959[1956]: 30 ff.). Auch Dahl verweist auf die Bedeutung guter Schulen für das Eintreten in die lokale Elite New Havens (Dahl 1965: 282). 13 Vgl. hierzu Hartmann (2008: 109 ff.), der nationale Bildungssysteme und die Elitenrekrutierung in Frankreich, Großbritannien, den USA, Japan und Deutschland vergleicht. Er kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass ökonomischer Wohlstand den Zugang zu den Eliteninstitutionen deutlich erleichtert. 14 Auch Dahl stellt in New Haven fest, dass der Wohnort und der direkte Kontakt zu Nachbarn, die ebenfalls der lokalen Elite zugehörig sind, für die eigene Position von Vorteil sind (Dahl 1965: 282).

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dern auch, wer in der Lage ist, die Symbole des Reichtums und somit der Distinktion auch erkennen und deuten zu können. Dies wird vor allem dann relevant, wenn wir uns die Aufstiegsgeschichten von Menschen anschauen, die nicht aus einer bestehenden Elite kommen und somit in vielen Fällen auch nicht über die ökonomischen Mittel verfügen, um sich alle genannten Statussymbole einfach käuflich aneignen zu können. Auf der anderen Seite stehen wiederum eben jene, die keine Geldsorgen haben aber trotzdem nicht Teil der Elite sind, da sie in die falschen Güter investieren oder anders formuliert, nicht den richtigen Geschmack haben. Daloz zeigt sehr deutlich, dass die Kenntnis eines vorhandenen gemeinsam geteilten Geschmacks innerhalb der Elite Grundvoraussetzung ist, um ökonomisches Kapital erfolgreich einzusetzen oder aber mit weniger ökonomischem Kapital erfolgreich einen Aufstieg zu vollziehen. Er verweist dabei auf die Studien der Lynds (1929; 1937) sowie Warner (1953; 1959), die die symbolische Bedeutung materieller wie auch immaterieller Güter für Eliten untersuchen. Besonders wichtig ist dabei das Ergebnis, dass die Frage der Elitenzugehörigkeit eben nicht mehr direkt über die Faktoren der vorhandenen Macht und den Wohlstand geklärt wird, sondern sich zunehmend an „lifestyles“, also Lebensstilen orientiert (Daloz 2010: 30), also gerade an spezifischen Geschmäckern und den daraus resultierenden Konsumentscheidungen bezüglich der von Daloz aufgezählten Lifestyle-Güter. Ein weiteres zu untersuchendes Phänomen neben materiellen Gütern und der Fähigkeit, ihre Qualität zu bewerten, sind inkorporierte Güter der Elitendistinktion. Anschießend an das bereits gesagte, lässt sich zunächst feststellen, dass die gemeinsame Sozialisation in der Nachbarschaft, den Schulen, Universitäten und Clubs zur Entwicklung eigener Umgangsformen führt. Auch das direkte Umfeld, das Elternhaus, die erweiterte Familie und enge Freunde können eine Motivationsgrundlage bilden, um Ziele zu definieren oder Verhaltensweisen zu adaptieren. Diese können außerdem in einem sozialen Umfeld ausprobiert werden, welches dem sozialen Raum der Eliten bereits sehr nahekommt, um so die eigene zukünftige soziale Rolle bereits früh zu definieren. Was Goffman (2003[1959]) also als ein hinter und ein auf der Bühne bezeichnet, das Spielen und Ausprobieren unterschiedlicher Rollen, geschieht auch im Kontext der sozialen Distinktion stetig. Je nach Erfolg des schauspielerischen Aktes werden Verhaltensweisen von den Akteuren beibehalten, modifiziert oder verworfen. Dabei spielen beispielsweise selbstsicheres Auftreten und die Körpersprache im Allgemeinen, sprachliche Ausdrucksweise, gute Manieren und ein entsprechendes Äußeres eine Rolle (Daloz 2010: 81 ff.). Ein letzter interessanter Punkt der im Zusammenhang mit Sozialisationsprozessen angesprochen werden sollte, ist die Frage nach nicht messbaren oder de-

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finierbaren Qualitäten, die Eliten aufweisen. Der Begriff des Charismas ist hierbei zentral. Bereits Michels und Weber arbeiten mit dem Begriff, wobei letzterer die Bedeutung des Charismas als eine von drei möglichen Begründungen der Legitimität von Herrschaft hervorhebt.15 Er schreibt: „die Autorität der außeralltäglichen persönlichen Gnadengabe (Charisma), die ganz persönliche Hingabe und das persönliche Vertrauen zu Offenbarungen, Heldentum oder anderen Führereigenschaften eines einzelnen: ‚charismatische‘ Herrschaft, wie sie der Prophet oder – auf dem Gebiet des Politischen – der gekorene Kriegsfürst oder der plebiszitäre Herrscher, der große Demagoge und politische Parteiführer ausüben.“ (Weber 1919 [1994]: 37).

Charisma ist also eine Eigenschaft, die eher eine Zuschreibung von außen bedeutet, ausgelöst durch besondere Handlungen des Inhabers. Dies klingt zunächst einmal logisch und widerspricht nicht den bereits beschriebenen Sozialisationsprozessen von Eliten. Relevant wird es, wenn wir einen Blick auf neuere Definitionen des Charisma-Begriffs werfen. So verweist beispielsweise Grande (2000: 127 ff.) darauf, dass für ihn der bereits vergangenen Epoche der Verhandlungsdemokratie nun die Mediendemokratie folgt, in der es eben nicht mehr um Verhandlungsgeschick und den Weg zum Kompromiss sowie Intimität und Vertrauen geht, sondern heute viel mehr die Inszenierung des Politikers im Vordergrund steht. Charisma wird so zu einer Qualität die mit telegenem Auftreten und der Fähigkeit des guten Verkaufens eines „Produkts Politiker“ gleichgesetzt wird. Das Wissen über die Veränderung dieser Praktiken und ihre Bedeutung für das Handeln und die Funktionsweise von Eliten ist dabei auch für diese Arbeit von Bedeutung. 2.1.8 Eliten vergleichen Innerhalb der Sozialwissenschaften hat die vergleichende Forschung eine prominente Stellung. Wie Borchert und Lessenich feststellen, entwickelte sich vor allem mit der vergleichenden Politikwissenschaft aber auch innerhalb der Makrosoziologie eine zunehmende Tendenz, gesellschaftliche Phänomene mit Hilfe von Vergleichen zu erforschen (Borchert/Lessenich 2012a: S. 12 f.). Während auf die Methoden und Vorteile dieser in Kapitel 4.3. eingegangen wird, ist es hilfreich, bereits jetzt zu erwähnen, welche Bedeutung Borchert und Lessenich 15 Die anderen beiden sind die „Autorität des ewig gestrigen“, welche Weber als die „traditionale“ Herrschaft beschreibt und die „Herrschaft kraft Legalität“ also dem Glauben an die Kompetenz der Herrschenden (Weber 1919[1994]: 37).

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der Komparatistik für die Sozialwissenschaften zusprechen. So kommt diese sowohl zur Erforschung von Staat und Demokratie wie auch von Kapitalismus zum Einsatz (Borchert/Lessenich 2012c: 285 ff.). Die Elitenforschung bewegt sich zwischen diesen drei Gegenständen. Sie findet sich in Fragen der Repräsentation im Bereich Demokratie, in Fragen der Machtdiskurse auch als Teil des Forschungsgegenstandes Kapitalismus und nicht zuletzt durch die Funktionen, die politische Eliten im Dienste des Staates ausführen, auch in diesem Bereich wieder. Gerade diese umfassende Verknüpfung der Elitenforschung mit den zentralen Gegenständen der vergleichenden sozialwissenschaftlichen Forschung zeigt, dass es sinnvoll ist, auch zur Erforschung von Eliten ein vergleichendes Design heranzuziehen. Der Vergleich kann dabei explizit sein. Im deutschsprachigen Raum wird er häufig bei der Untersuchung der politischen Eliten von West- und Ostdeutschland praktiziert (Bertram/Kollmorgen 2001, Best 2010). Abseits dieses Themas werden aber auch nationale Eliten entlang der Achse zeitgeschichtlicher Entwicklung oder aber die Eliten unterschiedlicher Nationalstaaten miteinander verglichen (Daloz 2007a, Edinger 2010, Higley/Pakulski 2012, Tonkin 2002, Rowlands 2002). Aber auch implizit ist die Eliteforschung nicht frei von vergleichenden Elementen. Gerade in Beiträgen über die nationalen Eliten von Ländern, die nicht das Heimatland eines Autors sind, sind die Beobachtungen und Bewertungen stets auch durch die Wahrnehmungen und Deutungsmuster, die der Autor in seinem Heimatland gesammelt hat, beeinflusst. Dabei wird die jeweilige Perspektive mit wachsenden kulturellen Unterschieden zunehmend interessanter, da der Blick ein komplett anderer sein kann, als ihn ein mit den jeweiligen Eliten und ihren Eigenheiten sozialisierter lokaler Forscher haben könnte (Daloz 2013: 11 ff.).16 Diese Arbeit versteht sich dabei ein ein expliziter Vergleich zweier nationaler politischer Felder. 2.1.9 Zusammenfassung Betrachten wir nun die verschiedenen Forschungsfelder und Fragestellungen der Elitenforschung, zeigt sich, dass bereits umfangreich in allen drei anfangs erwähnten zentralen Bereichen, der Frage nach Funktionsweisen der Elite, nach den Machtverhältnissen zwischen Elite und Bevölkerung sowie innerhalb der 16 Die Beiträge im Sammelband „Elite Cultures“ sind ein gutes Beispiel für Arbeiten, in denen der Blickwinkel des Forschenden auf die Eliten „fremder“ Länder explizit mitgedacht und produktiv für vergleichende Beobachtungen genutzt wird (Shore/Nugent 2002).

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Elite und den Handlungslogiken der Elitenmitglieder geforscht wurde. Gerade der zweite Punkt ist bereits seit den Klassikern der Elitenforschung mit Mosca und Pareto von zentraler Bedeutung gewesen. Doch mit der Zeit gewannen auch Fragen nach der institutionellen Struktur und der damit einhergehenden Professionalisierung der Politik an Bedeutung. Weber lieferte hier den Ausgangspunkt mit seinen Ausführungen zur Professionalisierung der Politik. Mit der Frage der Repräsentation einher ging außerdem das zunehmende Interesse an den Eigenschaften und Motivationen der Elitenmitglieder, was sich nicht zuletzt in den zunehmend empirischen Arbeiten der 50er Jahre, beispielsweise bei Dahl wiederspiegelt. Dieser untersucht in seiner Fallstudie zu New Haven auch die Ressourcen der dortigen politischen Eliten sowie das Verhältnis einzelner Elitenmitglieder zueinander. Ihn interessiert zudem auch die eigentliche Praxis der Politik, nämlich auf welche Weise Kompromisse zwischen einzelnen Akteuren zustande kommen. Weitere wichtige Erkenntnisse liefern später auch andere Teildisziplinen der Sozialforschung, wie die Netzwerkforschung und Sozialisationsforschung, welche das Individuum und seine persönlichen Ressourcen bzw. deren Aneignung in den Vordergrund rücken. Es wird deutlich, dass bereits ein großes Repertoire an Erkenntnissen zu Eliten existiert. Viele Forschungsfragen können damit beantwortet oder zumindest weitergehend bearbeitet werden. Woran es innerhalb der theoretischen Auseinandersetzung bisher vor allem fehlt, ist ein Theorie, die sämtliche Teilbereiche der Elitenforschung behandelt, in der die einzelnen Teile, die Frage nach Machtverhältnissen, der Funktionsweise von Eliten und ihrer Handlungslogiken zusammenhängend und auf einander Bezug nehmend bearbeitet werden können. Diesem Anspruch kommt meiner Meinung nach die Gesellschaftstheorie Pierre Bourdieus und im Speziellen seine Konzeption des politischen Feldes am Nächsten. Im Folgenden soll also anhand zentraler Begriffe Bourdieus versucht werden, politische Eliten in Form politischer Felder zu beschreiben, um so die Erkenntnisse der Elitenforschung in einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammenzuführen.

2.2 POLITISCHE FELDER BEI BOURDIEU Die Erkenntnisse Pierre Bourdieus soziologischer Arbeit sind eng verknüpft mit seinen biographischen Stationen, seinem familiären Hintergrund, seinem beruflichen Werdegang inklusive Forschungsaufenthalten, seiner Arbeit an der Universität und seinem politischen Engagement. Zunächst soll also ein kurzer Über-

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blick helfen, die anschließend vorgestellten zentralen Begrifflichkeiten Bourdieus und die zentralen dahinterstehenden Konzepte im Rahmen dieser Arbeit richtig zu kontextualisieren. Pierre Bourdieu wird am 1. August 1930 in Denguin, einem kleinen Dorf in der französischen Provinz Béarn in den Pyrenäen geboren. Seine Großeltern sind in der Landwirtschaft tätig, wie auch seine Eltern, bis sein Vater sich entscheidet, als Briefträger zu arbeiten. Später wird dieser Leiter eines Postamtes. Die Distanz, die er durch den beruflichen und sozialen Wandel gegenüber seinem Vater, Bourdieus Großvater, und Bruder aufbaut, die weiterhin in der Landwirtschaft aktiv blieben, ist für Bourdieu stets gegenwärtig. Bourdieu berichtet später jedoch auch davon, dass es seinem Vater stets ein Anliegen gewesen sei, seine Familie auf dem Hof nach Möglichkeit zu unterstützen und seinen Sohn auf diese Art lehrte, die kleinen Leute zu achten und ihre Interessen zu unterstützen (Bourdieu 2002: 96 f.). Sein Vater ist es dann auch, der Bourdieu auf ein Gymnasium schickt, welches den ersten Schritt für Bourdieus akademische Karriere einleitet. Diese Karriere ist außerordentlich erfolgreich. Bourdieu wechselt noch in seiner Schulzeit in ein anderes Gymnasium nach Paris. Er studiert später an der prestigeträchtigen École normale supérieure (ENS), wo er 1954 seinen Abschluss in Philosophie macht. Er beginnt eine Dissertation in Philosophie, bricht aber ab, arbeitet für ein Jahr als Lehrer in Auvergne und tritt dann, 1955 seinen Militärdienst in Algerien an. Hier führt er während und nach seinem Militärdienst erste ethnologische Feldforschungen durch. Er beschreibt diese Zeit später als „eine gleichzeitig intellektuelle und affektive Wandlung“ (Bourdieu 2002: 67 f.). Ebenfalls bereits in Algerien lernt Bourdieu Raymond Aron kennen, dessen Assistent er 1960 an der Sorbonne wird. Die Disziplin Soziologie ist zu diesem Zeitpunkt in Frankreich an den Universitäten noch nicht etabliert. So erhält Bourdieu, empfohlen von Aron, 1961 eine Stelle als akademischer Rat für den Lehrbetrieb in Soziologie an der philosophischen Fakultät in Lille (Fröhlich/Rehbein 2009: 5). 1964 wird Bourdieu zum directeur dʼétudes der Ecole practique des Hautes Etudes gewählt, wieder mit der Unterstützung Arons, mit dem zusammen er zudem die Leitung des Zentrums übernimmt. Es entwickelt sich eine lebendige Forschergruppe, die umfangreich publiziert, ab 1979 teilweise über eine eigene Zeitschrift, Actes de la recherche en sciences sociales. 1981 wird Bourdieu an den Lehrstuhl für Soziologie an das Collège de France berufen, 1985 wird er zum Direktor sowohl des Centre de sociologie européenne (CSE) als auch des École des Hautes Études en Sciences Sociales

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(EHESS) ernannt. Im gleichen Jahr erarbeitet er zudem für die Regierung von Staatspräsident François Mitterrand Vorschläge für eine Reform des Bildungssystems. Vor allem in späteren Jahren ist Bourdieu auch politisch aktiv. Er engagiert sich für Arbeitnehmerrechte und zeigt sich kritisch gegenüber der Globalisierung und der damit einhergehenden neuen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, oft kritisch als Neoliberalisierung bezeichnet. Nach seiner Antrittsvorlesung am Collège de France sagt Bourdieu „man könne sich die symbolische Macht zu Eigen machen (diejenige zum Beispiel, die einem die akademische Auszeichnung verleiht), um die symbolische Macht zu bekämpfen […]“ (Bourdieu nach Fröhlich/Rehbein 2009: S. 7). 2.2.1 Feld, Kapital und Illusion Als einer der ersten verwendet Kurt Lewin den Begriff des Feldes außerhalb der Physik und überträgt diesen auf die Sozialwissenschaften, indem er die Kräfteverhältnisse beschreibt, die auf Menschen im sozialen Raum einwirken (Vester 2002). Bourdieu entwickelt seinen Feldbegriff um 1970 nach eigener Aussage in Anlehnung an die Religionssoziologie Webers (Bourdieu 1992: 36). Die Grundannahme ist dabei, dass die Gesellschaft nicht nach einheitlichen Regeln die gleichen Ziele verfolgt. Bourdieu geht bei seiner Konzeption des sozialen Raums als Schauplatz sämtlicher sozialer Interaktionen daher nicht von einem einheitlichen Konstrukt aus, sondern beschreibt Teilbereiche, die sozialen Felder, welche eigenständige Funktionsweisen und Ziele haben. Diese Felder füllen teilweise parallel, teilweise aber auch einander überschneidend den sozialen Raum (Fröhlich/Rehbein 2009: 99 f.). Bourdieu ist sich in dieser Hinsicht mit den Vertretern der Systemtheorie einig, welche ebenfalls eine vollumfängliche Erklärung sozialer Prozesse in komplexen Gesellschaften zu liefern versuchen (Luhmann: 2006), lehnt aber eine funktionale, kohärente und selbstregulierende Konzeption der Systeme, also eigenlogische Strukturen, ab. Er verweist stattdessen auf den Charakter der sozialen Felder als Kräftefeld und Machtstruktur innerhalb des gesamten sozialen Raums (Bourdieu/Wacquant 1996: 133 f.). Für Bourdieu ist die Anzahl existierender Felder nicht festgelegt, es kann vielmehr so viele unterschiedliche Felder geben, wie es in der Gesellschaft unterschiedliche Interessen gibt (Bourdieu 1992: 111). Er sagt: „Analytisch gesprochen wäre ein Feld als ein Netz oder eine Konfiguration von objektiven Relationen zwischen Positionen zu definieren“ (Bourdieu/Wacquandt 1996: 127). Dieses Verhältnis von Akteurspositionen zueinander ist wiederum Grund für stetige Machtkämpfe innerhalb der hierarchisch organisierten Felder. Denn Felder

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funktionieren grundsätzlich ähnlich wie Spiele. Es gibt ein festgelegtes Ziel, Regeln, nach denen gespielt wird und einen Einsatz der gemacht werden muss. Der Glaube daran, dass sich der Einsatz lohnt und das Ziel, das Gewinnen des Spiels, ebenfalls lohnenswert ist, bezeichnet Bourdieu dabei als Illusio. Jedes Feld hat, analog zu Zielen und Regeln, auch seine eigene Illusio. Bourdieu: „Die Menschen müssen den Glauben an den Einsatz haben sowie die Einsätze und die Regeln kennen.“ (Bourdieu 1993: 10 f.). Durch die stetige Wiederholung der sozialen Kämpfe innerhalb des Feldes wird dieses dabei immer aufs Neue legitimiert und in seiner Struktur reproduziert (Bourdieu 1985: 73). Wenn Bourdieu nun von der „Struktur der Distribution der Macht“ (Bourdieu 1996: 127) spricht, so sind mit dieser Macht explizit soziale Ungleichheit und Herrschaft angesprochen. Felder sind also hierarchisch aufgebaut. Sie strukturieren so den sozialen Raum, wobei Bourdieu das Verhältnis von Herrschaft in einzelnen Feldern und seinen Beobachtungen zu Klassen, also den gesamtgesellschaftlichen Konflikten, nicht weiter aufschlüsselt. Um die Ressourcen zu beschreiben, die für die Kämpfe in den Feldern benötigt werden, führt Bourdieu den Kapitalbegriff ein. Dieser hat seine Ursprünge bereits in der griechischen Philosophie des 5. Jahrhunderts vor Christus, als Kapital die Tierherde bezeichnet und der Zins deren Vermehrung bedeutet. Im 18. Jahrhundert wird Kapital durch den Ökonomen Adam Smith als Ressource konzipiert, welche ein Wirtschaftsobjekt zur Generierung von Gewinnen einsetzt. In der Soziologie ist es David Hume, der den Kapitalbegriff zuerst mit sozialen Beziehungen, vor allem Machtbeziehungen verknüpft, bevor Karl Marx im Kapital einen Schlüsselindikator für die Erklärung sozialer Beziehungen und die Entstehung sozialer Klassen erkennt (Fröhlich/Rehbein 2009: 134). Bourdieus Kapitalbegriff nimmt all diese Dimensionen auf. Für Bourdieu ist Kapital dabei zunächst einmal ein Produktionsfaktor, der ungleich auf die Mitglieder einer Gesellschaft verteilt ist und prinzipiell handelbar ist. Ziel ist es für den einzelnen, das eigene Kapital in den bereits erwähnten sozialen Kämpfen zu mehren, um die eigene Position im sozialen Raum, wie auch in den sozialen Feldern zu verbessern. Bourdieu erklärt weiter: „Das Kapital ist eine der Objektivität der Dinge innewohnende Kraft, die dafür sorgt, dass nicht alles gleich möglich oder gleich unmöglich ist. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene Verteilungsstruktur verschiedener Arten und Unterarten von Kapital entspricht der immanenten Struktur der gesellschaftlichen Welt, d.h. der Gesamtheit der ihr innewohnenden Zwänge, durch die das dauerhafte Funktionieren der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestimmt und über der die Erfolgschancen der Praxis entschieden wird.“ (Bourdieu 1992: 50)

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Dabei kann für Bourdieu jede Art von Handlung der Akkumulation von Kapital dienen, es ist somit auch Grundlage sozialen Handelns. Für Bourdieu gibt es verschiedene Formen von Kapital. Er unterscheidet drei Grundformen, denen er später eine vierte zur Seite stellt. Diese durchziehen sein gesamtes Werk. Zusätzlich gibt es eine große Zahl von spezifischen Kapitalsorten, die aus den Grundformen abgeleitet sind und nur in spezifischen Feldern zum Einsatz gebracht werden bzw. einen nutzbaren Wert haben. Bourdieu entwickelt die Grundformen vor allem aus seinen empirischen Beobachtungen gesellschaftlicher Phänomene. Aus seiner Arbeit in Algerien leitet er später über den Begriff der Ehre das symbolische Kapital ab. Für Bourdieu handelt es sich um eine Art Kredit, der seinem Träger zugeschrieben wird, etwa durch einen guten Namen oder den Ruf, einen guten Geschmack zu haben (Bourdieu 1987: 245). Später entwickelt er aus seinen Arbeiten zum französischen Bildungssystem erste Teile seines Begriffes des kulturellen Kapitals. So besteht das inkorporierte kulturelle Kapital aus erlernten Fähigkeiten, die unter anderem in Laufe einer Bildungslaufbahn angeeignet werden (Bourdieu 1992: 56). Das objektivierte kulturelle Kapital bezeichnet wiederum Objekte wie Bücher, Kunstwerke oder andere Gegenstände. Ihr ökonomischer Wert wird durch ihre anerkannte kulturelle Bedeutung ermittelt. Die dritte Form kulturellen Kapitals ist die des institutionalisierten. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Bildungstitel und andere gesellschaftlich zumeist durch Institutionen legitimierte Zuschreibungen kulturellen Kapitals. Zusätzlich zu symbolischem und kulturellem Kapital zählen für Bourdieu noch ökonomisches und soziales Kapital bzw. Sozialkapital. Ersteres bezeichnet Produktionsmittel und wird oft in Form von Geld und Eigentum sichtbar (Bourdieu 1992: 50 ff.). Zweites bezeichnet das Netz sozialer Beziehungen und ihre Qualität und Nutzbarkeit für den erfolgreichen sozialen Kampf innerhalb der Felder. Allen vier Kapitalsorten ist zunächst einmal gemeinsam, dass sie bis zu einem gewissen Grad in jede andere Form konvertierbar sind, dass ihre Aneignung Zeit benötigt und sie deshalb für den einzelnen Akteur ein knappes Gut sind. Doch es gibt auch Unterschiede. So ist beispielsweise ökonomisches Kapital problemlos von einer Person auf eine andere übertragbar, inkorporiertes kulturelles Kapital hingegen nicht. Soziales Kapital ist prinzipiell grenzenlos vermehrbar, objektiviertes kulturelles Kapital nicht. Wichtig sind in diesem Zusammenhang vor allem die Wechselkurse, zu denen die verschiedenen Kapitalsorten untereinander getauscht werden können. Dieser Frage nimmt sich Bourdieu in einer Vielzahl unterschiedlicher Fallstudien an, welche er in spezifischen Feldern durchführt (Bourdieu 1976; 1988; 1997a; 2000).

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Eines der von Bourdieu am umfangreichsten beschriebenen Felder ist das politische Feld. Auch in diesem rahmt eine feldspezifische Illusio als Voraussetzung für die Existenz des Feldes die Handlungen der Teilnehmer. Bourdieu sagt sogar: „Das politische Spiel kennt keinen größeren Imperativ als diese grundsätzliche Einwilligung in das Spiel selbst, Illusio, involvement, commitment, die Investition in das Spiel, die gleichzeitig ein Produkt des Spiels und die Bedingung für das Funktionieren des Spiels ist.“ (Bourdieu 2010: 54) Gespielt wird dabei unter Einsatz von Kapital durch die einzelnen Feldteilnehmer. Allgemein ist es in sozialen Feldern Ziel der Akteure, erfolgreich zu agieren. Im politischen Feld ist erfolgreich, wessen Meinung als kompetent wahrgenommen wird und sich schlussendlich im Diskurs auch behaupten kann, was wiederum durch den Einsatz von politischem Kapital gewährleistet werden soll. Hierzu ist zunächst einmal ein entsprechender Fundus an Wissen über die Regeln des Feldes ausschlaggebend. Erst durch das Erlernen dieses „spezifischen Wissens (Theorien, Problemstellungen, Konzepte, historische Traditionen, ökonomische Gegebenheiten etc.)“ (Bourdieu 2010: 50) erhält der Feldteilnehmer auch seinen Zugang zum politischen Feld. Hier kommt dann das spezifische politische Kapital zum Einsatz. Dieses sieht Bourdieu einerseits in inkorporiertem und institutionalisiertem kulturellem Kapital, also Bildung und Bildungstiteln, im sozialen Kapital, also dem Aufbau und Erhalt sozialer Kontakte professioneller wie privater Natur, welche innerhalb des politischen Feldes nützlich sein können und dem Aufbau eines guten Rufes, also der Entstehung und Pflege symbolischem Kapitals. Andererseits beschreibt Bourdieu, ähnlich dem Charisma-Begriff Max Webers, das heroische oder prophetische Kapital, als „[…] das Produkt einer in einer Krisensituation vollzogenen inaugurierenden Handlung […]“, also das Vollziehen denkwürdiger, innovativer Handlungen. Da diese Handlungen erst durch ihre Bewertung durch andere und die darauffolgende Zuschreibung einer Eigenschaft ihres Inhabers wirklich existent werden, ist davon auszugehen, dass es sich bei dem heroischen oder prophetischen Kapital um eine Unterform des symbolischen Kapitals handelt. Zusätzlich zu diesen persönlichen Voraussetzungen eines jeden Feldteilnehmers bedarf es jedoch auch des delegierten Kapitals. Bourdieu sagt, dass innerhalb von politischen Feldern zunächst die Gründung von Institutionen nötig ist, welche wiederum die Teilnehmer des Feldes mit Aufgaben betrauen. Ein Beispiel wäre hier die Nominierung von Kandidaten durch Parteien für eine anstehende Wahl oder das Benennen eines Unternehmensvertreters für die Aufgabe des Lobbyings. Durch das von einer Institution ausgesprochene Vertrauen in die politische Arbeit des Feldteilnehmers entsteht diese weitere besondere Art des symbolischen Kapitals.

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Als Summe all dieser verschiedenen Kapitalformen ist das politische Kapital für Bourdieu ein „Kredit“, den die Menschen ihrem Repräsentanten zugestehen, ihm Machtbefugnisse erteilen. Doch Bourdieu sagt auch, dass es sich um ein „labiles“ Kapital handelt, welches nur durch ständige Arbeit bewahrt werden kann (Bourdieu 2010: 74). 2.2.2 Herrschaft, Macht, Repräsentation und Klasse Bourdieus Gesellschaftstheorie ist stark gekennzeichnet von Analysen der Herrschaftsverhältnisse (Wayand 1998, Schwingel 1993, Fröhlich/Rehbein 2009). Er entlehnt dabei seinen Machtbegriff sowohl den Arbeiten Webers wie auch Marx. Kritik übt er jedoch auch an den Definitionen beider. So argumentiert er gegen Marx, dass dieser eine in der gelebten Legitimität von Herrschaftsverhältnissen, sowohl bei Herrschenden wie auch Beherrschten, gewisse „Komplizenschaft“, verkenne (Bourdieu 1987: 248). An Weber kritisiert er gleichzeitig, den Erkenntnissen Marx folgend, dass Macht eben nicht auch gegen Widerstände durchzusetzen sei, da diese überhaupt erst vorhanden sein könne, wenn durch symbolische Macht ein Widerstreben erst gar nicht entstehen kann. Bourdieus Definition symbolischer Herrschaft ist weiterhin nicht einheitlich definierbar. Er verwendet den Terminus vielmehr in verschiedenen Kontexten unter unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Die Gemeinsamkeiten fasst Krais (1993: 232 f.) zusammen als den Blickwinkel sozialschwacher Akteure, welche sich in die Rolle ressourcenreicher Akteure hineinzuversetzen versuchen. Ihnen wird in der Anerkennung ihrer eigenen Position dabei die Grundstruktur der Gesellschaft vor Augen geführt, welche sie zu der Erkenntnis führt, dass sie den sozial stärkeren Akteuren unterlegen sind und sich deshalb dem bestehenden Herrschaftssystem unterwerfen. Symbolische Herrschaft bedeutet, so schreiben Krais und Gebauer (2002: 10), „Formen und Modi der Herrschaft, die über Kultur, über die Sichtweisen der Welt, über die Selbstverständlichkeiten unseres Denkens und damit über jene gesellschaftlichen Institutionen vermittelt sind, die Kultur produzieren.“ Für Bourdieu sind Herrschaft und Macht zunächst Makrobegriffe, die aufs Engste mit seinen Konzeptionen von sozialem Raum und Feld, von Habitus und Kapital verbunden sind und auf verschiedensten Ebenen zutage treten. Bereits in seiner Zeit in Algerien befasst er sich mit Formen der kolonialen Herrschaft (Bourdieu 2009: 53 ff.) sowie der männlichen Herrschaft (ebd.: 103 ff.), später kommt der allgemeine und übergeordnete Begriff der herrschenden Klasse hinzu (Bourdieu 1982). Für Bourdieu sind kulturelle Ausdrucksformen, der Geschmack und seine ökonomische Verwertbarkeit Ausdruck der Zugehörigkeit

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und Möglichkeit der Abgrenzung der herrschenden Klasse zugleich. Gerade in kapitalistischen Gesellschaften spielt zudem die Austauschbarkeit von kulturellem in ökonomisches Kapital eine wichtige Rolle, zumal über dieses verstärkt Klassenkämpfe ausgetragen werden. Wichtig ist zudem Bourdieus Verständnis der herrschenden Klasse als einer nicht nur aus politischen und wirtschaftlichen Entscheidern bestehenden sozialen Gruppe. Für Bourdieu sind es viel mehr die jeweils führenden Persönlichkeiten sämtlicher gesellschaftlich relevanter Bereiche, die eine gemeinsame Herrschende Klasse bilden (ebd.: 439 ff.). Eine besondere Bedeutung nehmen für Bourdieu auch in Bezug auf Herrschaft Institutionen und Organisationen ein. Diese sind zunächst einmal selbst hierarchisch strukturiert und bilden so die Klassenlage ab, sie legitimieren als feststehende Strukturen jedoch vor allem auch die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, indem sich ein Funktionsträger innerhalb der Organisation stets auf die institutionalisierten Verhältnisse berufen und damit seine Macht legitimieren kann. Bourdieu beschreibt Institutionen daher auch als „entlastende Herrschaftsstabilisatoren“ (Bourdieu 1987: 239). Für Bourdieu ist außerdem von Bedeutung, dass diese festen sozialen Strukturen nicht allein für die Aufrechterhaltung von Herrschaft und Macht verantwortlich sind, sondern die alltägliche Reproduktion der Verhältnisse durch Handlungen der Akteure entscheidend ist, um eine soziale Ordnung aufrechtzuerhalten. Auch innerhalb von Bourdieus politischem Feld spielt Macht zudem eine zentrale Rolle. Zunächst einmal wird sie als Ressource gehandelt. Genauer gesagt geht es innerhalb des Feldes um die Macht, Diskurse zu bestimmen, also eigene Einstellungen erfolgreich gegen andere Teilnehmer durchsetzen zu können (Bourdieu 2010: 46). Legitim wird Macht dadurch, dass sich die unterlegenen Feldteilnehmer den im politischen Feld vorherrschenden Regeln unterwerfen und den Modus der Machtgenerierung über die Bestimmung politischer Diskurse auch akzeptieren. Hier spielt die bereits erwähnte Illusio eines Feldes eine zentrale Rolle. Grundvoraussetzung ist dabei außerdem, dass die politischen Diskurse auch verstanden werden und es den Akteuren möglich ist, eine eigene Meinung zu vertreten, um damit aktiv an den stattfindenden Diskussionen partizipieren zu können (Bourdieu 1982: 641). Dies ist ein sehr voraussetzungsvolles Unterfangen und auch wenn Bourdieu verneint, dass sich eine Teilnahme allein durch den Erwerb von Bildungstiteln bzw. den Eintausch anderer Kapitalsorten für eben jene ermöglicht, spielt eben dieses kulturelle Kapital doch eine wichtige Rolle, um die erforderlichen Fähigkeiten zu erlangen und sich die benötigte Kompetenz anzueignen sowie die entsprechende sozialen Kontakte und Netzwerke zu etablieren (Bourdieu 1982: 640).

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Bourdieu stellt zudem fest, dass sich über die ungleiche Verteilung des politischen Kapitals in der Gesellschaft zwangsläufig auch eine Art der Zensur herausbildet, denn die Anzahl möglicher produzierbarer politischer Produkte wird beschränkt. Der Zugang zum Feld ist, wie beschrieben, limitiert und die mit dem meisten politischen Kapital ausgestatteten Akteure, zumeist Mitglieder der herrschenden Klasse, beanspruchen die entscheidenden Positionen für sich (Bourdieu 2010: 46). In der Folge sind die Beherrschten nicht nur nicht im politischen Feld vertreten, auch die politischen Produkte, die aus ihren Meinungen und Bedürfnisse hergestellt werden, sind weniger stark und vielfältig repräsentiert. Die Herrschenden wiederum sind innerhalb des Feldes bestrebt, ihre eigenen Produkte den Laien lediglich so zu präsentieren, dass sie sich ihrer Unterstützung sicher sein können. Macht hat im politischen Feld jedoch noch eine zweite entscheidende Funktion. Die Teilnehmer des politischen Feldes übernehmen die Rolle von Experten, ihre Aufgabe liegt in der Vertretung der Meinung der Laien, welche sie im Feld repräsentieren (Bourdieu 2010: 71). Die Rolle der Feldteilnehmer bezeichnet Bourdieu in diesem Zusammenhang auch als die des Produzenten. Produziert werden dabei politische Programme, die sich auch in Meinungen, Kommentaren, konkreten Konzepten oder Ereignissen wiederspiegeln können. Die Konsumenten, also die Laien oder Beherrschten bzw. der am Geschehen des Feldes nicht direkt beteiligte Rest der Bevölkerung, wählen unter den angebotenen Produkten das für sie am passendsten erscheinende aus. Die Feldteilnehmer wiederum müssen ihre Programme der gewünschten Zielgruppe anpassen, was je nach Entfernung zu der sozialen Realität dieser zunehmend schwieriger wird (Bourdieu 2001: 68 f.). Auch für den Akt der Repräsentation spielt die Organisation eine entscheidende Rolle. Denn für Bourdieu ist die Vielzahl an Aufgaben im Kontext der Erstellung politischer Programme nur durch die Einrichtung von klaren Strukturen, der Verteilung von Aufgaben und der Einrichtung zentraler Anlaufstellen möglich (Bourdieu 1992: 176). Erst aus diesen Organisationen heraus werden Einzelne mit dem Mandat betraut, im politischen Feld für die Organisation aktiv zu werden. Auf diese Art kommt das bereits erwähnte delegierte Kapital zum Zuge, da die Organisation bestrebt ist, den geeignetsten, also durchsetzungsstärksten Kandidaten ins Rennen zu schicken und dieser durch das ihm ausgesprochene Vertrauen zusätzlich gestärkt im Feld agieren kann. Abschließend lässt sich sagen, dass Macht innerhalb des politischen Feldes eine zweifache Bedeutung hat. Einerseits wird über die Ressource Macht der Inhalt bzw. auch das Ziel des politischen Feldes bestimmt, nämlich die Diskursmacht, auf der anderen Seite verfügen die Feldteilnehmer über die Macht der

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Repräsentation von Nicht-Teilnehmenden im Feld. Der zweite Punkt führt zudem zu einer weiteren Besonderheit des politischen Feldes: Denn durch die ständige Rückgebundenheit an die Laien, welche die politischen Produkte des Feldes mittragen müssen und somit den Repräsentationsakt legitimieren, kann sich das politische Feld trotz zunehmender Professionalisierung und somit auch wachsender Distanz zu den Laien nie vollends verselbstständigen (Bourdieu 2010: 106). Es bleibt vielmehr stets an die Legitimierung durch die Laien gebunden. Bourdieus Klassenbegriff liegt zu diesen Vorstellungen zunächst einmal quer. Er hat innerhalb seines Werkes je nach Kontext verschiedene Bedeutungen. Anders als Marx und Weber sind für ihn dabei grundsätzlich ökonomische Kriterien nicht allein ausschlaggebend. Ebenso wenig ist eine objektive Zuschreibung der Klassenzugehörigkeit möglich oder sinnvoll. Trotzdem erkennt Bourdieu an, dass moderne Gesellschaften sich primär als Klassengesellschaften kennzeichnen lassen, er bevorzugt dabei jedoch eine relationale Zuschreibung der Zugehörigkeit. Zwar stellt auch Bourdieu fest, dass Einkommensungleichheiten die soziale Position beeinflussen und damit auch Gruppenbildungsprozesse befördern, dies sei aber vor allem ein statistischer Zusammenhang, kein kausaler (Bourdieu 1982: 585). Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass auch andere Umstände, wie der Lebensstil, ethnische Zugehörigkeit oder ähnliches die Klassenzugehörigkeit beeinflussen, was durch die alleinige ökonomische Begründung in den Hintergrund gedrängt werde. Relational wird Bourdieus Klassenbegriff dabei durch die Fokussierung auf das Individuum beziehungsweise seine Wahrnehmung der sozialen Realität. So können sich Menschen selbst anhand verschiedener Kriterien auch unterschiedlichen Klassen zuordnen, diese quasi für ihre subjektive Realität erschaffen. Auf diese Art entstehen laut Bourdieu klassifizierende Klassen, also Gemeinschaften von Individuen, die gleiche oder ähnliche Bewertungen über die Klassenzugehörigkeiten der Menschen als Grundlage ihres sozialen Denkens verwenden (Bourdieu 1982: 730). Bourdieu geht neben dieser subjektiven Entstehung von Klassen jedoch durchaus auch von einer objektiv erkennbaren Klassenstruktur aus. Sie besteht aus dem Bürgertum, Kleinbürgertum und dem Proletariat. Interessant ist dabei vor allem seine Vorstellung der Unterscheidung zwischen den ersten beiden. So geht Bourdieu davon aus, dass in der herrschenden Klasse, dem Bürgertum, vor allem ökonomische Faktoren eine Rolle zum Machterhalt spielen, während das Kleinbürgertum, die Beherrschten vor allem über kulturelles Kapital verfügen (Bourdieu 1982). Hier wird erneut deutlich, warum Bourdieu in seiner Argumentation die Bedeutung von Einkommensungleichheiten für die Klassengesellschaft zwar relativiert, jedoch nicht bestreitet.

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Bourdieus Aussagen zum Klassenbegriff stehen in einem unklaren Verhältnis zu den Strukturen des politischen Feldes. Einerseits zeigt sich Vergleichbares, wie die Existenz der Herrschenden und der Beherrschten bzw. Laien außerhalb des politischen Feldes, andererseits scheint die Entstehung der Klassen, ihre Aufgabe und Aufrechterhaltung sowie ihre Rekrutierungsmechanismen nicht mit denen einzelner Felder oder explizit dem politischen Feld zu korrespondieren. Wie sich beispielsweise die Position des einzelnen in der Klassengesellschaft auf die eigene mögliche Rolle innerhalb des politischen Feldes auswirkt, wird nicht systematisch herausgearbeitet. Bourdieus Klassenbegriff ist auf die Gesamtheit der Gesellschaft bezogen, das politische Feld bildet, wie auch jedes andere Feld, nur einen Teilbereich sozialer Interaktionsprozesse ab. Deutlich wird Bourdieu in diesem Zusammenhang nur, wenn es um die Arbeit der Teilnehmer des politischen Feldes geht. Er stellt fest, dass es je nach Zusammensetzung des politischen Feldes Aufgabe der Feldteilnehmer ist, neue Wählergruppen innerhalb der Gruppe der Laien zu gewinnen. Dies geschieht über die bedürfnisgerechte Herstellung neuer politischer Produkte (Bourdieu 2010: 62 f.). Auf diese Weise beeinflusst der soziale Raum und damit auch die vorherrschende Klassengesellschaft über Bourdieus Konzept von Repräsentation auch die Zusammensetzung des politischen Feldes. 2.2.3 Habitus, Praxis und Geschmack Der Begriff des Habitus erfreut sich innerhalb der Sozialwissenschaften schon früh einer großen Beliebtheit. So nutzen ihn im früher 20. Jahrhundert bereits Max Weber, Alfred Schütz, Marcel Mauss, Norbert Elias, Maurice Merlau-Ponty und Edmund Husserl um die mentalen Einstellungen der Menschen als Habitualität zu beschreiben (Fröhlich/Rehbein 2009: 111). Für Bourdieu ist der Habitus ein System von verinnerlichten Gewohnheiten, die durch Lernen entstehen und in bestimmten Situationen als Reaktion eine Handlung veranlassen (Bourdieu 1976: 189 f.). Der Habitus ist dabei inkorporiert, also Teil des Körpers und nicht Teil des Bewussten, er ist „Leib gewordene Geschichte“ (ebd.: 200). Er wird durch die Erfahrungen eines Menschen, die er im Laufe seines Lebens durch soziale Interaktion sammelt, gebildet. Es sind also äußere Reize, regelmäßige wie unregelmäßige Ereignisse, die ihn formen. Dabei treffen neue Erfahrungen stets auf einen bereits vorhandenen, vorgeprägten Habitus und werden diesem entsprechend transformiert aufgenommen. Bourdieu sagt, dass der Mensch in drei Viertel seiner Handlungen ein Automat ist (Bourdieu 1982: 740), stellt damit aber auch implizit klar, dass nicht sämtliche Handlungen lediglich automatische voreinstudierte Reaktionen auf einen Reiz sind. Dem Habitus kann vielmehr hier

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die bewusste freie Entscheidung entgegenstehen, auch wenn die Frage offenbleibt, inwieweit auch hier der Habitus die Entscheidungsmöglichkeiten prädeterminiert. Vermittelt werden dem einzelnen die für die Ausbildung der Habitus nötigen Erfahrungen entweder durch die Beobachtung und Nachahmung in der Familie und dem sonstigen sozialen Umfeld oder aber durch das Erlernen in hierfür spezifisch gestalteten sozialen Situationen und Institutionen, allen voran in der Schule. Während der erste Fall von Bourdieu bereits bei den Kabylen in Algerien beobachtet wird, führen ihn seine Untersuchungen zum Schulsystem in Frankreich zu dem Schluss, dass dieses vor allem der Reproduktion klassenspezifischer Habitus dient, also bewusst Unterschiede zwischen verschiedenen Klassen manifestiert (Bourdieu 1970: 139). Hinzu kommt außerdem, dass jeder Habitus in einem individuell einzigartigen Verhältnis zu jedem Feld steht. Für Bourdieu hat der Habitus dabei „Gestalt, Funktion und Geltung ausschließlich in einem spezifischen Feld, in der Beziehung zu einem Feld, das selbst, wie Bachelard in Bezug auf das physikalische Feld erläuterte, ‚ein Feld von potentiellen Kräften‘, ‚eine dynamische Situation‘ darstellt, in der Kräfte sich nur in der Beziehung mit bestimmten Dispositionen äußern.“ (Bourdieu 1982: 164)

Für das politische Feld führt Bourdieu in diesem Zusammenhang an vielen Stellen die Bedeutung des Besuchs spezifischer Bildungseinrichtungen an, die ihren Schülern neben dem im Feld benötigten Habitus auch direkt die in der Zukunft nötigen sozialen Kontakte, also soziales Kapital vermitteln. 17 Zudem sind für Bourdieu gerade rhetorische Fertigkeiten, „wie die Beherrschung eines bestimmten Jargons und einer bestimmten politischen Rhetorik, der Rhetorik des Tribuns, die unerlässlich im Verhältnis zu den Laien ist, oder der Rhetorik der politischen Debatte, die im Verhältnis der Professionellen untereinander gebraucht wird.“ (Bourdieu 2010: 50 f.) ausschlaggebende Fertigkeiten, die sich auch als Teil des Habitus im Körper des Feldteilnehmers manifestieren. Auch an dieser Stelle bleibt jedoch das Verhältnis des klassenspezifischen Habitus zur erfolgreichen Interaktion in spezifischen Feldern schwammig, wohl aber ist für Bourdieu klar, dass es einen Klassenhabitus gibt, der je nach sozialem Umfeld ausgebildet wird (Bourdieu 1976: 180). So ist es in der Folge auch 17 Bourdieu geht bei seinen Aussagen zur Bedeutung spezifischer Bildungsinstitutionen für den erfolgreichen Verlauf politischer Karrieren vom Beispiel Frankreich aus, wo noch heute ein großer Teil des zukünftigen politischen Spitzenpersonals an wenigen Hochschulen gemeinsam studiert (Bourdieu 2004; Hartmann 2008)

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der Habitus der herrschenden Klasse, zu der innerhalb des sozialen Raums auch ein Großteil der Teilnehmer des politischen Feldes gehört. Dieser dient zudem als Norm für den Rest der Gesellschaft, da er Erfolg in der größeren Anzahl der sozialen Felder verspricht. Jedwede Handlung an sich, die der einzelne zur Produktion und Reproduktion des Habitus vollzieht, bezeichnet Bourdieu als Praxis. Hier wird der inkorporierte Habitus sichtbar. Denn für Bourdieu laufen eine Vielzahl der Handlungen, wie erwähnt, automatisch ab. Es wird ein eingeübtes Schema automatisch abgespielt, ohne dass der einzelne die bewusste Kontrolle hat (Bourdieu 1982: 727). Limitiert ist die Praxis dabei einerseits durch die Möglichkeiten des Körpers an sich, anderseits durch die Summe der im Laufe des Lebens habitualisierten Handlungsmöglichkeiten. Praxis und Habitus sind somit außerdem die zentralen Dimensionen der sozialen Kämpfe im politischen Feld. Denn während die feldspezifischen Spielregeln einerseits in den Habitus durch konkrete Handlungen, also die Praxis einfließen, ist der Habitus andererseits außerdem ein Speicher bereits erlernter Praktiken, die durch den Einsatz von Kapital erworben wurden. Ein Beispiel hierfür könnte eine bessere Ausdrucksweise nach dem Besuch eines Rhetorikkurses sein, welche in Rededuellen oder Ansprachen einen Vorteil in Form von größerem Wissen oder mehr Routine darstellt, was den Kontrahenten ohne vorherigen Kursbesuch zum Nachteil werden kann, da ihnen die entsprechenden Handlungsoptionen nicht gelehrt wurden. Ebenfalls mit dem Habitus und der Praxis hängt bei Bourdieu der Begriff des Geschmacks zusammen. In ihm drückt sich die auf Basis des Habitus in der Praxis vollzogene Bewertung der sozialen Realität aus. Für Bourdieu wird durch den individuellen Geschmack die „Umwandlung der Dinge in distinkte und distinktive Zeichen“ (Bourdieu 1982: 284) vollzogen, „durch ihn geraten die Unterschiede aus der physischen Ordnung der Dinge in die symbolische Ordnung signifikanter Entscheidungen“ (Bourdieu 1982: 284). Beispiele für Geschmacksurteile finden sich nach Bourdieu bei vielen Alltagssituationen und sind auch von außen als Beobachter sichtbar. So lässt sich anhand der Inneneinrichtung, der bevorzugten Speisen oder auch Kleidung leicht der Geschmack eines Menschen ablesen (Bourdieu 1982: 138). Für Bourdieu ist dabei jedoch nicht nur der Moment der eigenen Distinktion bedeutend, vielmehr spiegelt sich im Geschmack die Stellung des einzelnen im sozialen Raum wieder und damit einhergehend auch die Klassenzugehörigkeit (Bourdieu 1982: 322). Dabei werden durch die geschmacksorientierten Entscheidungen der handelnden Individuen die Klassenunterschiede und somit auch die Herrschaftsverhältnisse stets aufs Neue reproduziert.

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2.2.4 Zusammenfassung Bourdieu entwickelte im Laufe seiner wissenschaftlichen Laufbahn ein theoretisches Modell zur Erklärung der Gesellschaft, welches geschickt vermittelt zwischen strukturalistischen Ansätzen, welche dem einzelnen de facto keine, vom inkorporierten Habitus unabhängigen Entscheidungsmöglichkeiten überlassen und gesellschaftliche Zwänge in das Zentrum rücken und pluralistischen Ansätzen, welche das Individuum als in seiner Entscheidung frei begreifen und die gesellschaftliche Struktur dabei nur als Rahmen wahrnehmen. Konzepte, wie die des Habitus verdeutlichen dies. So ist dieser einerseits ein Abbild der verinnerlichten Gesellschaft und deren gängiger Normen, welche den einzelnen in seinen Handlungen wie einen Automaten handeln lassen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Reize, die nicht unbewusst einfach nach erlernten Mustern mit Handlungen beantwortet werden. Natürlich ist dabei auch Bourdieu bewusst, dass nur durch bewusste Auseinandersetzung mit einem Reiz und den entstehenden Handlungsmöglichkeiten als Reaktion darauf gesellschaftliche Zwänge nicht verschwinden. Sie limitieren vielmehr schon alleine unsere Möglichkeiten, über alternative Antworten nachzudenken. Trotzdem ermöglicht die Praxis es, vorhandene Handlungsspielräume aktiv zu gestalten, nicht nur um der freien Entscheidung wegen, sondern auch, um die Verhältnisse innerhalb sozialer Felder durch die Veränderung der Praxis beeinflussen zu können. Auf diese Art sieht Bourdieu auch die Möglichkeit, Herrschaftsverhältnisse nicht nur zu reproduzieren, sondern auch zu verändern. Das politische Feld ist dabei eine zentrale Handlungsarena. Bourdieu stellt die besondere Bedeutung dieses Teils des sozialen Raums heraus, indem er einerseits auf seine Exklusivität eingeht und. damit einhergehend. die Wichtigkeit der dort verhandelten Themen, andererseits aber auch das besondere Abhängigkeitsverhältnis der Feldteilnehmer von der Unterstützung durch die Laien betont. Die Akteure sind dabei von der Ansammlung ausreichender Mengen politischen Kapitals abhängig, welches sie von klein auf sammeln. Ihre Sozialisation trägt so auch dazu bei, dass sie in die Illusio des Feldes einwilligen und bereit sind, sich den Spielen dort und den damit verbundenen Positionsgewinnen und -verlusten innerhalb der vorherrschenden Hierarchien, auszusetzen.

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2.2.5 Vorüberlegungen zu politischen Feldern Im folgenden Abschnitt werde ich nun den Versuch unternehmen, die zentralen Forschungserkenntnisse der Elitenforschung und der Ausführungen Pierre Bourdieus zu politischen Feldern zusammenzuführen. Die entstehende Zusammenfassung, eine Art Katalog zentraler Vorüberlegungen bezüglich der Fragestellung, soll es möglich machen, diese in einem zweiten Schritt mit den Ausführungen zum Forschungsgegenstand Raum zu kombinieren und als Ergebnis Arbeitsthesen zu formulieren. Diese sollen wiederum in den Feldforschungsprozess einführen und diesen durch eine Vorstrukturierung erleichtern. Wie bereits ersichtlich wurde, greift Bourdieu in seinen Arbeiten fast sämtliche Gegenstände der Elitenforschung auf, was für die Aufstellung der folgenden Thesen sehr hilfreich ist, da ich in der Folge im wissenschaftlichen Raum Bourdieus bleiben und sein Vokabular übernehmen kann. Ich werde jedoch auf die entsprechenden Diskurse innerhalb der Elitenforschung verweisen, auch um die Anschlussfähigkeit meiner Vorüberlegungen und damit später auch dieser Arbeit an die verschiedenen Forschungsrichtungen zu verdeutlichen. 1. Disposition/Motivation: Als Grundvoraussetzung für eine Teilnahme im politischen Feld steht die Ansicht des Individuums, dass diese sinnvoll ist. Hierzu ist nicht nur die Fertigkeit erforderlich, die politischen Diskurse und ständigen Machtkämpfe innerhalb des Feldes verstehen zu können und sich gegen Mitbewerber durchzusetzen. Vielmehr beschreibt Bourdieu mit dem Begriff der Illusio eine grundsätzliche Disposition der Feldteilnehmer: den Glauben an den Sinn des Spiels. Wie bereits in den Klassikern der Eliteforschung beschrieben, geht es dabei natürlich auch um die Vorteile, die eine erfolgreiche Teilnahme für die Beteiligten haben kann. Während es dabei beispielsweise für Mosca vor allem um den Ausbau und den Erhalt der eigenen Macht geht, sucht Bourdieu die Begründung eher in einem System sozialer Regeln, welches in jedem Feld unterschiedlich zusammengesetzt ist und entsprechend des Habitus und des vorhandenen Kapitals seines Inhabers mehr oder weniger attraktiv erscheint. Die Sozialisationsforschung zeigt uns schließlich, dass die Wahrnehmung von erstrebenswerten und weniger erstrebenswerten beruflichen wie privaten Werdegängen stark beeinflusst ist von dem, was uns in unserem Umfeld vorgelebt wird. Dieses Konzept steht auch bei Bourdieus Illusio im Vordergrund. Diese vermittelt dem einzelnen Akteur, worum es sich lohnt zu kämpfen, wofür es sich lohnt, seinen Spieleinsatz zu tätigen. Die dahinterstehenden Wertvorstellungen sieht Bourdieu dabei dem Habitus eingeschrieben, welcher das Produkt individueller Sozialisation ist.

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2. Repräsentation: Das Verhältnis von Feldteilnehmern zum gesamten sozialen Raum zeichnet sich, wie beschrieben, bei Bourdieu durch einen Experten-LaienGegensatz aus. Dies spiegelt sich auch in den Forschungen der Repräsentationsforschung. Um in Abgrenzung zu den Laien Teil der Elite zu sein, muss sich ein Feldteilnehmer selbst als Experte im politischen Feld begreifen, um bewusst in den Kampf um das politische Kapital und die Diskurshoheit einzusteigen. Hierzu ist das Erfüllen des zuvor vorgestellten Kriteriums 1 notwendig. Bourdieu beschreibt den Akt der Repräsentation anschließend: „Bevollmächtigter - Minister, Mandatsträger, Delegierter, Sprecher, Abgeordneter, Parlamentarier - ist, wer ein Mandat, einen Auftrag oder eine Vollmacht besitzt, um die Interessen einer anderen Person oder einer Gruppe zu repräsentieren - ein vieldeutiges Wort -, das heißt darzustellen, sichtbar zu machen, zur Geltung zu bringen.“ (Bourdieu 2010: 23). Ähnlich wie schon Pitkin beschreibt Bourdieu damit auch verschiedene Qualitäten der Repräsentation, welche, auch wenn Bourdieu dies in seinem Zitat nicht anklingen lässt, nicht zwingend alle gleichzeitig erfüllt sein müssen. So bedeutet ein Interesse darzustellen schließlich nicht zwingend, es auch durchsetzen zu wollen oder zu können. Wichtig ist es aber festzuhalten, dass eine gegenseitige Abhängigkeit von Experte und Laien besteht, durch die Ausübung des Repräsentationsaktes auf der einen, der Wahl der Repräsentanten durch die Laien auf der anderen Seite. 3. Delegation: Im Sinne des delegierten Kapitals bedarf es bei Bourdieu einer institutionellen Einbettung als Legitimation des Teilnehmers im Feld. Als politische Institutionen begreife ich hierbei bspw. Parlamente, Parteien, Ministerien, politische Vertretungen von Unternehmen/Verbänden/NGOʼs oder Medien. Durch die zunehmende Professionalisierung, so stellen bereits die Klassiker der Eliteforschung fest, kommt es zu einer wachsenden Organisation der Feldteilnehmer, welche sich, vor allem zum Zwecke der besseren Aufgabenteilung bedingt durch eine stetig zunehmende Menge und Vielfalt dieser, beispielsweise in Parteien zusammenschließen. Diese Parteien, so argumentiert Bourdieu weiter, entwickeln eine eigene Dynamik, welche zum Ergebnis hat, dass die Institution Partei nun Entscheidungen trifft und die Delegierten in das politische Feld entsendet oder zur Wahl aufstellt. Damit spricht sie ihnen das Vertrauen aus, die entsprechenden Tätigkeiten erfolgreich ausführen zu können. Die zunehmende Komplexität der Gesellschaft, welche zu einer scheinbaren Aufteilung und Vervielfältigung von Eliten in verschiedene Bereiche führt, beschreibt die Elitenforschung der 50er und 60er Jahre mit Konzepten wie den Funktions- oder strategischen Eliten. Sie verdeutlichen, dass der Fokus der Forschung sich abwendet von einer bloßen Zweiteilung von herrschende Klasse und Beherrschte und stattdes-

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sen zunehmend einzelne gesellschaftliche Bereiche ihre eigenen Führungspositionen etablieren. Dieser Prozess verläuft parallel zu der von Bourdieu beschrieben Delegation durch die im Zuge der Differenzierung geschaffenen Institutionen. Dabei möchte ich natürlich nicht behaupten, dass es nicht schon vor den entsprechenden Arbeiten verschiedene Eliten gab, wohl aber, dass es sich um einen Entwicklungsprozess handelt, der zudem zu einer Professionalisierung der Feldteilnehmer führt. 4. Professionalisierung: Mit der Delegation geht in den meisten Fällen die Professionalisierung der politischen Tätigkeit auch für den einzelnen einher. Weber beschreibt bereits früh, wie konkrete politische Berufsbilder entstehen und die Tätigkeit in den meisten Fällen zu einer wichtigen oder sogar der einzigen Erwerbsquelle für den Feldteilnehmer wird. Die Feldteilnehmer leben nicht mehr zwingend nur für, sondern in vielen Fällen auch von der Politik. Er weist aber gleichzeitig auf die Probleme hin, die aus dieser Professionalisierung entstehen. Borchert nimmt hierzu eine systematische Unterscheidung zwischen politischen Eliten und der politischen Klasse vor, zwischen denen, die maßgeblich an den politischen Diskursen teilnehmen und diese mitbestimmen und anderen, die vor allem von der Institutionalisierung und den dabei geschaffenen Erwerbsmöglichkeiten leben. Die Professionalisierung ist trotzdem für die zunehmende Komplexität politischer Felder, die Fülle an Aufgaben und das benötigte Knowhow für die Gestaltung politischer Diskurse von zentraler Bedeutung. Auch Bourdieu stellt fest, dass ohne die Professionalisierung politischer Aufgaben einerseits die Attraktivität der entsprechenden Positionen deutlich geringer ist, andererseits aber auch die Möglichkeit der Bewerber, das nötige Kapital zu akkumulieren, um im Feld teilzunehmen, nicht gegeben ist. Die Professionalisierung hängt so also direkt mit der Schaffung einer Illusio zusammen, welche die Teilnahme im Feld attraktiv erscheinen lässt. 5. Ressourcen: Bourdieu beschreibt verschiedene Arten politischen Kapitals, durch die sich der Inhaber innerhalb des politischen Feldes an den Kämpfen um die Diskurshoheit beteiligen kann. Für ihn zählen die vorgestellten Kapitalarten des delegierten Kapitals, des sozialen Kapitals, das heroische/prophetische Kapital und das ökonomische und kulturelle Kapital. Bourdieu stellt fest: „Die Konzentration des politischen Kapitals in den Händen einer kleinen Zahl wir umso weniger behindert, ist also desto wahrscheinlicher, je weniger die einfachen Parteimitglieder über die für eine aktive Teilnahme an der Politik notwendigen materiellen und kultu-

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rellen Instrumente, das heißt vor allem freie Zeit und kulturelles Kapital, verfügen.“ (Bourdieu 2010: 45)

Es zeigt sich, dass durch die Professionalisierung der Unterschied zwischen „professionellen“ Feldteilnehmern und Laien noch zugenommen hat, dass die Menge des politischen Kapitals immer ungleicher verteilt wird. Bereits die Sozialisationsforschung zeigt uns zudem, wie soziale Voraussetzungen, wie der Besuch der richtigen Schule, die richtigen Bildungsabschlüsse sowie ein guter Geschmack Sorge dafür tragen, in sozialen Situationen angemessen und erfolgreich zu handeln. Gerade auch die richtige Auswahl sozialer Kontakte und deren Pflege helfen zudem, als soziales Kapital kumuliert, erfolgreich innerhalb des Feldes zu agieren. 6. Positionierung: Das politische Feld Pierre Bourdieus ist von Machtkämpfen um die Diskurshoheit gekennzeichnet. Feldteilnehmer setzen hierzu ihr politisches Kapital ein, um sich in der hierarchischen Organisation des Feldes bestmöglich zu positionieren. Das Gewinnen eines Kampfes kann zu einem Aufstieg führen, der Verlust jedoch auch zu einem Abstieg und gegebenenfalls zu einem Ausscheiden aus dem politischen Feld. Dieses ist relational gegliedert, die Position des einzelnen ergibt sich immer erst im Verhältnis zu einem anderen Feldteilnehmer. Netzwerke spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die Forschung hierzu hilft uns zu verstehen, wie Beziehungen innerhalb des politischen Feldes aufgebaut werden und nutzbar gemacht werden können. Auch die Ziele von sozialen Kontakten und ihre Dauer kann so untersucht werden. Nur durch den Vergleich mit anderen Akteuren und der Bewertung durch diese kann zudem auch der Feldteilnehmer selbst seine eigene Position bestimmen und sein Handeln danach ausrichten. 7. Grenzen: Eine letzte wichtige Frage ist, wer eigentlich Teil eines politischen Feldes ist und wer nicht. Die Klassiker der Elitenforschung sehen entweder vererbte Führungspositionen oder Parteien beziehungsweise Abgeordnete in Parlamenten die zentralen Akteure des politischen Spiels. Gehen wir von Bourdieus Ziel des Feldes, die Macht über politische Diskurse zu erlangen, als eigentlichem Gegenstand dieses Spiels aus, so kommen all jene in Frage, welche in der Lage sein können, das Kapital aufzubringen, um in den Kampf um die Diskursmacht einzusteigen und daran auch ein Interesse haben. Dies variiert natürlich von Staat zu Staat, ist so beispielsweise vom politischen System abhängig. Für die westliche Welt lässt sich jedoch festhalten, dass eben nicht nur politische Eliten im Sinne von Berufspolitikern innerhalb des Feldes tätig sind. Vielmehr gestal-

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ten eine Vielzahl weiterer Akteure die Diskurse aktiv mit. Aktiv bedeutet dabei für mich, dass sie als sichtbar im Feld wahrgenommen werden und zwar von den übrigen Feldteilnehmern und ihnen natürlich auch ein Einfluss auf das Geschehen zugestanden wird. Wird Bourdieu also in seinen Annahmen zum politischen Feld ernst genommen, so gehören neben den Berufspolitikern in den Parteien und Parlamenten eben auch anderen mit in das politische Feld. Akteure können Lobbyisten sein, welche versuchen, den Gesetzgebungsprozess gezielt in ihrem Sinne zu beeinflussen. Oder Medienvertreter, die einerseits die Nähe zu den politischen Entscheidern suchen, um eine qualitätsvolle Berichterstattung zu ermöglichen, andererseits aber auch selbst als politische Akteure auftreten, indem sie politische Inhalte positiv oder negativ bewerten oder mehr oder weniger prominent ihrem Publikum, den Laien, präsentieren. Auch andere Gruppen oder Einzelpersonen sind vorstellbar. Die Kriterien zur Bewertung des Innen und Außen des Feldes sind am Ende vor allem von den Feldteilnehmern selbst zu bestimmen, da sie über den Einfluss einzelner Akteure auf die Diskurse im Feld als Insider den besten Überblick haben. Mit den sieben herausgearbeiteten Kriterien versuche ich, die Ideen Bourdieus unter Hinzuziehung der Erkenntnisse der Eliteforschung zu sortieren und zu systematisieren, ohne dabei ihren Zusammenhang zu verschweigen. Sie machen es vielmehr möglich, durch das Erforschen der tatsächlichen Vorgänge, ein Bild von den Vorgängen innerhalb eines politischen Feldes zu bekommen. Das Verstehen der verschiedenen Dimensionen des politischen Feldes wird in der Folge zentral sein, um auch sein Verhältnis zum Raum erörtern zu können. Aufbauend auf den Voraussetzungen aus diesen sieben Vorüberlegungen lassen sich zudem nun Personengruppen identifizieren, die zunächst einmal, dem wissenschaftlichen Diskurs und speziell Bourdieus Arbeiten folgend, zentrale Teilnehmer politischer Felder sind und daher für die Rekrutierung einer ersten Phase der Feldforschung mit qualitativen Interviews in Frage kommen, worauf ich in Kapitel 4.3. noch näher eingehen werde.

2.3 ZENTRALE ERKENNTNISSE DER SOZIALWISSENSCHAFTLICHEN RAUMFORSCHUNG Die sozialwissenschaftliche Raumforschung hat in den etwas mehr als hundert Jahren ihres Bestehens eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. Sie entwickelte sich von der Beschreibung einer bloßen physischen Größeneinheit oder

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geographischen Gegebenheit hin zu dem eigentlichen Gegenstand eines Forschungsinteresses, welches Raum sowohl in seiner sozialen wie auch physischen Dimension begreift und darauf aufbauend nach seiner Bedeutung für die Gesellschaft fragt. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in vielen anderen Bereichen der Sozialwissenschaften die Bedeutung von Raum für die Erklärung sozialer Phänomene oftmals unbedacht bleibt beziehungsweise sinnvolle Verknüpfungen zwischen den Teildisziplinen ausbleiben. Auch in der Elitenforschung fehlen dementsprechend Schritte hin zum einem reflektierten Verständnis der Bedeutung des Raums für die zentralen Fragestellungen innerhalb des Feldes. Zwar werden räumliche Arrangements durchaus wahrgenommen, Staaten und Territorien sind beispielsweise Gegenstand vielfältiger Forschungen und auch Parlamente und Parteizentralen werden als zentrale Sammelpunkte der Feldteilnehmer politischer Felder benannt. Jedoch bleiben beide Beispiele zumeist lediglich ein Rahmen für die Forschung, ihre Bedeutung bleibt unhinterfragt. Wenn wiederum beispielsweise Leuschner in seiner Arbeit zur Entstehung und Vertiefung politischer Freundschaften auf die Wichtigkeit räumlicher Arrangements hinweist, um die Entstehung persönlicher Beziehungen innerhalb des politischen Feldes zu erklären, stellt er fest: „Eine ausführliche räumliche Beschreibung der Orte und ihrer zeitlichen Nutzung würde eine ethnographische Untersuchung erfordern, […].“ (Leuschner 2011: 220) Dort, wo also bereits das Verständnis für die Bedeutung des Raums eingesetzt hat, fehlt es häufig an den Kapazitäten, sich diesem Problem im Rahmen spezifischer Fragestellungen anzunehmen. In der Folge werde ich nun den Versuch unternehmen, die Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Raumforschung nachzuzeichnen und dabei gezielt eben jene Forschungsstränge herauszugreifen, welche für die Fragestellung nach der Beziehung von sozialem Raum zu physischem Raum am geeignetsten sind. Dabei soll der Begriff der Raumforschung weit gefasst werden und Raum sowohl in seiner sozialen wie physischen Dimension gedacht werden und zudem auch die sozialwissenschaftliche Stadtforschung miteinbezogen werden. Dazu soll bei Bedarf auch auf Nachbardisziplinen wie die Planungswissenschaft und die Humangeographie zurückgegriffen werden, um ein vollständiges Bild der Bedeutung von Raum für die Sozialwissenschaften und später im Speziellen, das politische Feld, zu ermöglichen.

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2.3.1 Die Stadt als Forschungslabor Als Beginn der aktiven sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Raum kann heute Georg Simmels Aufsatz „Die Großstädte und das Geistesleben“ (Simmel 1993[1903]) gelten.18 Simmel stellt darin fest, dass die Bewohner der großen Städte in der Industrialisierung vermehrt einer Reizüberflutung ausgesetzt sind, ausgelöst durch die immer komplexere Arbeitsteilung und Individualisierung des einzelnen. Im Vergleich zu ländlichen Gemeinschaften bedeutet dies für jeden zunächst einmal mehr Freiheiten, da die soziale Kontrolle in den Großstädten durch das zunehmend anonyme Zusammenleben und die breitere Akzeptanz anderer Lebensentwürfe größer wird. Gleichzeitig verändert sich jedoch auch die Wahrnehmung der Großstädter bezüglich ihrer Umgebung. Sie nehmen soziale Reize weniger schnell bewusst wahr, sie reagieren auf sie in der Konsequenz mit automatisierten Handlungen, sie werden blasiert gegenüber ihrer Umgebung und reserviert gegenüber anderen Menschen, da, Simmel folgend, der Mensch nicht in der Lage ist, eine unbestimmt große Zahl sozialer Reize zu verarbeiten und individuelle Reaktionen zu erzeugen. Simmels Verständnis von Raum ist bereits von den Gedanken der Beziehung zwischen sozialem Raum und physischen Raum geprägt. Er stellt fest, dass durch die gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit, vor allem der zunehmenden Bedeutung der Geldwirtschaft, in den Großstädten etwas passiert, was es anderenorts, also vor allem auf dem Land, nicht gibt. Für ihn ist die Großstadt der Ort, an dem Innovationen, wie eben die genannte Geldwirtschaft, am schnellsten Eingang in den Alltag finden und soziale Veränderungen als Folge dieser Innovationen am frühesten zu beobachten sind. In den Arbeiten der Chicagoer Schule der Humanökologie in den 1920er Jahren wird, anschließend an die Überlegungen Simmels, erstmals das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt auch in empirischen Studien untersucht. Beflügelnd wirkt dabei die rasante Entwicklung der Stadt Chicago als Wirkungsstätte

18 Während Simmels „Die Großstädte und das Geistesleben“ heute weithin als Gründungsschrift einer sozialwissenschaftlichen Befassung mit der Stadt gilt und auch Einfluss auf die spätere Chicagoer Schule hatte, nicht zuletzt durch Parks Studium bei Simmel, lassen sich viele von Simmels Thesen bereits Ende des 19. Jahrhunderts bei Emile Durkheim finden. Bilder, wie die der Stadt als Innovationsmotor (Durkheim 1992[1893]: 332 f.) oder als Ort sich verändernder sozialer Beziehungen (ebd.: 361) tauchen also nicht zum ersten Mal im Diskurs auf. Jedoch wird Simmels Schrift, vielleicht auch wegen ihres exklusiven Bezugs auf „das Städtische“ und der damit einhergehenden zusammenhängenden Betrachtungsweise bevorzugt rezitiert.

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der zahlreichen Wissenschaftler,19 ähnlich wie zuvor Berlin für Simmel. Es wurde die Stadt, ein Stadtteil, eine Nachbarschaft oder ein anderer räumlicher Rahmen im städtischen Kontext als Untersuchungseinheit konzipiert, innerhalb dessen das Verhalten von Menschen oder sozialen Gruppen abhängig von ihrer Umgebung untersucht wurde (Wirth 1928; Trasher 1927). Städte wurden so zu Laboratorien für die Beobachtung menschlichen Verhaltens sowie gesellschaftlicher Veränderungen, wie es bereits zuvor Simmel in seinem Aufsatz zu „Die Großstadt und das Geistesleben“ festgestellt hatte. Chicagoer Wissenschaftler wie Park und vor allem Burguess entwerfen in ihren Arbeiten zudem systematische Modelle städtischer Realitäten. Sie ordneten verschiedene Nutzungen idealtypisch auf fiktiven Stadtplänen nebeneinander an, um die Interdependenzen von Wohnsiedlungen, Gewerbe, Industrie, Versorgung usw. aufzuzeigen. Durch die räumliche Unterteilung in verschiedene Formen von Wohnsiedlungen, die oftmals über ökonomische und sozialstrukturelle Faktoren erfolgte, differenzieren sie ihre Modelle weiter. Bestimmte Nutzungen, so stellen sie fest, liegen oft räumlich nebeneinander, andere schließen sich jedoch auch aus (Park 1983; Burguess 1967). Erstmals konnte in diesen Untersuchungen anhand abstrakter Modelle, aber vor allem auch an den empirischen Studien gezeigt werden, wie abhängig soziale Gruppen von räumlichen Arrangements, gerade im hoch differenzierten städtischen Kontext, sind. Doch die Arbeiten der Chicagoer Schule gingen noch weiter. Ähnlich den Befunden Simmels sprach beispielsweise Park oft von einem „state of mind“ als spezifischem Geisteszustand der Stadtbewohner. Hierbei stand bei ihm jedoch vor allem die Neuorganisation von Gemeinschaften, beispielsweise in Form segregierter Nachbarschaften im Vordergrund. Park geht dabei von der Entstehung neuer sozialer Gruppen aufgrund der Diversifizierungstendenzen in den modernen Großstädten aus. Segregation im Bereich der Wohnnutzung geht dem zufolge oft auf Basis ethnischer Zugehörigkeit oder der Einkommenshöhe des Haushaltes vonstatten. Chicago erscheint zudem nicht zuletzt aufgrund der allgemein hin großen Sichtbarkeit seiner rasanten Mobilisierung interessant. Der Bau imposanter Hochhäuser als Symbole der erstarkenden Dienstleistungsbranche wie auch die Konstruktion riesiger Industrieparks in ausgewiesenen Zonen in den Randgebieten der Stadt bieten sich für die Forscher an, um die fortschreitende Modernisierung als physisch-räumliches Ereignis zu verorten und in diesen Zonen ihre sozialen Konsequenzen zu erforschen (Hennig 2012). Sie sind zudem weithin 19 Die bekanntesten Vertreter der „Chicago School of Social Ecology“ sind sicherlich Ernest Burgess, Robert E. Park und Louis Wirth. Eine gute Übersicht über die Arbeiten findet sich bei Deegan (2007).

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sichtbare Zeichen für neue Nutzungsformen in der Stadt und lassen oft auch Grenzen zwischen den verschieden genutzten Teilbereichen der Stadt besser erkennen. Louis Wirth, als ein später Vertreter der Chicago School ergänzte diese Erkenntnisse mit allgemeinen Betrachtungen von Verstädterung. Für ihn stellte sich die Frage der Grenze zwischen Stadt und Land. Er kommt zu dem Ergebnis, das drei Faktoren für die Bemessung entscheidend sind. Es muss eine gewisse Größe, also räumliche Ausdehnung, Bevölkerungsdichte und Heterogenität der Bevölkerung anhand sozialer Indikatoren vorliegen (Wirth 1974[1938]). Auch wenn diese Definition umstritten ist (Lindner 2007; Neckel 1997), bleibt sie bis heute die am meisten verbreitete sozialwissenschaftliche Definition zur Unterscheidung von Stadt und Land. 2.3.2 Raum als gebaute Realität Den Zusammenhang zwischen der Planung und Gestaltung von Raum als gebauter Realität auf der einen, und sozialen Faktoren auf der anderen Seite, nehmen vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Wissenschaftler verschiedener Disziplinen in den Blick. Als Kritik an der zu dieser Zeit sowohl in Europa wie auch den USA vorherrschenden Stadtplanung erscheinen Werke wie Alexander Mitscherlichs „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ (1965) oder Jane Jacobs „The Death and Life of Great American Cities“ (1961). Ihre Kritik richtet sich vor allem an die Tendenzen einer zunehmenden funktionalen Teilung der Städte, welche getreu der Charta von Athen die Suburbanisierung und damit einhergehend die zunehmende Segregation unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zur Folge hat.20 Doch auch in anderen Bereichen zeigt sich in den Jahrzehnten nach Verabschiedung der Charta ein Umdenken in der Stadtplanung. Im Zuge der funktionalen Trennung innerhalb der Städte entstehen nicht nur verdichtete Bürostadtteile, auch die Suburbanisierung und damit die Idee der Trabantenstädte gewinnt zunehmend an Popularität. Auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen wünschen sich vor allem Haushalte mit höheren Einkommen eine geringere Dichte und in der Folge mehr eigenen Wohnraum, mehr Natur und mehr Sicherheit. Doch auch die städtische Planung bleibt nicht untätig und versucht in dieser 20 Die Charta von Athen wird 1933 auf dem CIAM, dem „Internationalen Kongress für neues Bauen“ verabschiedet. Sie entstand unter der Federführung von Le Corbusier und enthält als zentrale Forderung die funktionale Gliederung und ganzheitliche Planung der Städte als Reaktion auf die zunehmenden sozialen Spannungen in den von wachsender Überbevölkerung geplagten europäischen Städten (Le Corbusier 1962).

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Zeit, entsprechend des Ansatzes ganzheitlicher Entwicklung, moderne Großraumsiedlungen außerhalb der Innenstädte zu etablieren, um die weniger privilegierten gesellschaftlichen Gruppen am Aufschwung und den neuen städtebaulichen Idealen teilhaben zu lassen. Spätestens mit Beginn des neuen Jahrtausends setzt jedoch ein Umdenken in der Stadtplanung ein. Die zunehmende Segregation, gefördert durch die Stadtentwicklungsplanung verschärft soziale Probleme gerade in den Großraumsiedlungen. Auch wenn in Deutschland Zustände wie beispielsweise in den französischen Vorstädten ausbleiben, wo große Unzufriedenheit in Kriminalität umschlägt und dadurch verstärkt, eine immer größere Kluft zu den besser situierten sozialen Gruppen hervorruft (Wacquant 2004), werden auch hierzulande die Vorteile einer Durchmischung verschiedener sozialer Gruppen als Gegenentwurf der bisherigen Ideale der Stadtplanung angesehen und als Ziele erfolgreicher Stadtentwicklung formuliert. Der Kritik von Mitscherlich und Jacobs folgend, werden Büroquartiere in Westeuropa vielerorts zunehmend um Wohngebäude ergänzt oder Umnutzungen durchgeführt. Wenn neue Stadtviertel entstehen, was aufgrund klammer Kassen und nicht mehr allerorts wachsender Einwohnerzahlen nicht selbstverständlich ist, dann wird nicht nur auf eine geeignete Nutzungsmischung, sondern eben auch eine soziale Durchmischung Rücksicht genommen. Die Frage nach Stadtentwicklungskonzepten und den Ideen die dahinterstehen, ist im Kontext dieser Arbeit interessant, da die städtebauliche Geschichte beider Fälle, die zu behandeln sind, Berlin und Madrid, gänzlich unterschiedlich ist. Interessant ist es daher gerade im Fall Berlin zu sehen, welche Vorstellungen einer neuen bundesdeutschen Hauptstadt dort verwirklicht wurden und wie sich diese Vorstellungen von dem unterscheiden, was eine, in ihrer Funktion als Hauptstadt, über Jahrhunderte gewachsene Metropole Madrid in dieser Frage auszeichnet (vgl. Kapitel 5). Die Frage zentraler Stadtplanungskonzepte jener Zeit, in der der Hauptstadtumzug vorbereitet wurde, ist daher für ein Verstehen des heutigen Zustands von großer Bedeutung. Stadtentwicklung ist zudem auch immer als eine Politik des Interessenausgleichs zwischen all jenen Gruppen zu verstehen, welche den entsprechenden Raum nutzen möchten. Ein viel diskutiertes Beispiel in diesem Kontext beschreibt Richard Florida mit seinen Arbeiten zur „Creative Class“ (Florida 2003). Ausgehend von einem Wettbewerb der Städte unter den Rahmenbedingungen einer globalisierten Welt stellt er fest, eine spezifische Gruppe von Stadtbewohnern, die creative class, nehme zunehmend großen Einfluss auf die Entscheidungen der Stadtentwicklungspolitik. Floridas Konzeptualisierung der creative class als homogene soziale Gruppe ist dabei zwar wenig überzeugend

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und läuft schlussendlich auf die höherqualifizierten und besser ausgebildeten Bevölkerungsgruppen hinaus,21 interessant bleibt jedoch der Punkt, dass spezifische Teile der Bevölkerung in der Stadtplanung und in der Stadtpolitik im Allgemeinen besondere Berücksichtigung finden. So argumentiert Florida, dass die Mitglieder seiner creative class durch ihre höheren Einkommen mehr Steuern zahlen und zudem die Attraktivität der Städte für Unternehmen erhöhen, welche nach besonders qualifizierten Arbeitskräften suchen. Auf der anderen Seite stelle sie jedoch auch sehr hohe Anforderung an die städtische Politik und expliziter auch die gebaute Realität der Städte. Sie wünschen sich eine Stadt mit einer für sie hohen Aufenthaltsqualität. Dies wiederum, so stellt Florida fest, geht einher mit der Benachteiligung anderer, weniger vermögender sozialen Gruppen, welche um die Nutzung städtischer Räume mit der creative class konkurrieren. Hieraus entsteht, so Florida, ein verstärkter Handlungsdruck für die städtische Politik, um jene Hochqualifizierten dauerhaft an die Stadt zu binden und gleichzeitig für einen angemessenen sozialen Ausgleich zu sorgen. Mit welchen Erwartungshaltungen globale „Business-Eliten“ dabei auf die Realitäten unterschiedlicher Städte im globalen Kontext treffen, welche Probleme sie erfahren und wie sie ihre eigene Rolle wahrnehmen, zeigt Lars Meier in seiner Untersuchung des Alltags deutscher Finanzmanager in London und Singapur. Seine Ausführungen legen nahe, dass weltweit in den globalen Finanzzentren durchaus Anstrengungen unternommen werden, vergleichbare Standards anzubieten beziehungsweise aufzubauen, um einkommensstarke Bevölkerungsgruppen an sich zu binden. Dabei zeigt sich, dass die globale Elite weltweit ähnliche Standards einfordert, was vor allem außerhalb des europäischen und amerikanischen „Westens“ zu weitaus größeren Anstrengungen führt und wachsende Ungleichheit befördern kann (Meier 2009). 2.3.3 Soziale Prozesse und ihre Abhängigkeit von Raum Wie nun schon bekannt ist, wird Raum von verschiedenen sozialen Gruppen genutzt. Auf welche Art, ist höchst unterschiedlich, offensichtlich ist jedoch, dass unterschiedliche soziale Gruppen auch unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was eine gute Nutzung städtischen Raums ist. Auf der theoretischen Ebene stellt David Harvey fest, dass Raum einer von drei Faktoren ist, der, zusammen mit Zeit und Geld zu Macht führt. Alle drei Ressourcen sind dabei untereinander konvertierbar, wobei für Harvey Geld die entscheidende Währung bleibt. Durch die Konvertierbarkeit wird so deutlich, wer die Kontrolle über Raum übernehmen kann. Eben jener Teil der Bevölke21 Zur Kritik an Floridas Ansatz: Markusen 2006

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rung, der über Geld und Zeit verfügt. (Harvey 1991) In Harveys Arbeit führt diese Art des Denkens zu einer Reduzierung von Raum auf vermarktbaren Boden, einem Produkt, welches unter sozialen Akteuren gehandelt wird.22 Auch bei Lefêbvre, wie Harvey im Kontext der Kapitalismuskritik zu verorten, ist die Konzentration von Macht durch soziale Praxis Teil des Erkenntnisinteresses. Er spricht dabei von Praktiken der Zentralität, welche sich an konkreten physischen Orten konzentrieren können, über kurze Zeit aber auch langfristig. Die modernen Geschäftsviertel in den Innenstädten sind ein prominentes Beispiel dieser dauerhaften Machträume. Demonstrationen oder Streiks sind Beispiele temporärer Machträume (Lefêbvre 1991). Lefêbvre formuliert in diesem Kontext das „Recht auf Stadt“ (Lefêbvre 1996), indem er die klassische europäische Stadt der vorindustriellen Zeit für gestorben erklärt und heute von einer funktional geteilten und sozial segregierten Stadt ausgeht, in der ganze soziale Gruppen in die Peripherie abgeschoben werden und nun um Zentralität im räumlichen wie auch politischen Sinne kämpfen. Es lässt sich festhalten, dass die Stadt als Ort umkämpft ist und verschiedene soziale Gruppen in diesem Kampf mit unterschiedlichen Interessen und Ressourcen involviert sind. Wie die bereits vorgestellten Klassiker, nutzen nun auch jüngere Beiträge der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung konkrete Räume als Untersuchungseinheiten, innerhalb derer sie soziale Prozesse zu beobachten und erklären versuchen. Ihr Blickwinkel ist dabei häufig von den Verfahren der Chicagoer Schule inspiriert, es wird jedoch zumeist davon abgesehen, die Untersuchungsräume als von der Außenwelt klar abgetrennte oder sogar isolierte Container zu konzipieren, wie dies zuvor oft Ausgangspunkt oder Ergebnis der Forschungen war. Im Vordergrund stehen stattdessen die handelnden Akteure und soziale Phänomene wie soziale Exklusion, (räumliche) Segregation, Gentrification, Gated Communities, die Nutzung von öffentlichem Raum oder die Verknappung von Wohnraum.23 Zwar sind auch diese Phänomene an konkreten Orten innerhalb der Stadt 22 Auch Anthony Giddens weist auf die Bedeutung von Raum als Machtressource hin. Für ihn geht das Vermögen der Umgestaltung, also Kontrolle der gesellschaftlichen Verhältnisse (capability) (Giddens 1979: 68) unmittelbar auf die Verfügungsgewalt über drei Faktoren zurück. Neben der Produktion und Reproduktion des Körpers und der Organisation der Lebenschancen, ist dies die Organisation von Raum und Zeit, welche Giddens gemeinsam denkt (Giddens 1988: 316). Räume sind dabei, ähnlich wie für Lefêbvre aber eher als Produkte sozialer Verhältnisse zu verstehen, als „[…] Verknüpfung von Kontexten in Raum und Zeit“ (ebd.: 424). 23 Die Literatur zu diesen Phänomenen ist vielfältig und umfangreich. Klassiker zum Thema Exklusion sind sicherlich Becker (1963) und Whyte (1955). Zu dem recht neuen sozialwissenschaftlichen Phänomen der Gentrifizierung empfehlen sich Friedrichs

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verortet, jedoch finden gemäß des theoretischen Diskurses nun verstärkt Einflüsse von außerhalb Berücksichtigung bei der Erklärung der Ursachen. Beispielhaft hierfür ist die Studie Wacquants zu sozialer Ausgrenzung in den Vororten von Paris und Chicago, welche den Zusammenhang von Wohnort und Einkommen, Chancen am Arbeitsmarkt bis hin zum Heiratsmarkt aufzeigt (Wacquant 2004). Wacquant stellt unter anderem fest, dass beide Orte durch ihre hohe Konzentration an sozial abgehängten Bewohnern einen spezifischen, schlechten Ruf genießen. Dieser verhindert nicht nur den Zuzug anderer sozialer Gruppen, sondern führt auch zu einem Teufelskreislauf für die Bewohner. Zwar geschieht die Exklusion in beiden Städten anhand unterschiedlicher Motive (Ethnie in Chicago, Zugehörigkeit zur Unterschicht in Paris), jedoch zeigt Wacquant in beiden Städten auf, wie der schlechte Ruf des Viertels für seine Bewohner eine stetige Benachteiligung bewirkt und Aufstiegschancen erschwert. Beispielhaft hierfür schildert er, wie allein der Absender eines Bewerbungsschreibens aus dem französischen Banlieu die Chancen einer Einstellung massiv einschränkt. Mit einem Blick in den Bereich der Stadt- und Wirtschaftsgeographie kann nun versucht werden zu entschlüsseln, welche stadtpolitischen Entscheidungsstrukturen in den letzten Jahrzehnten zu den beschriebenen prekären Verhältnissen geführt haben und welche weitergehenden Entwicklungen zu beobachten sind. Harvey stellt so fest, dass sich durch den zunehmenden Wettbewerb zwischen Städten die Strukturen und Prozesse des Regierens verändert haben. Den Grund für diesen neuen aufkommenden Wettbewerb sieht er in der Krise des Keynesianismus und dem Entstehen neuer marktliberaler Strukturen. So müssen sich Städte einerseits nach außen hin als homogene, starke Akteure präsentieren, bilden aber andererseits in der Realität und Innenperspektive eine heterogene, konflikthafte und nie dauerhafte Akteurskonstellation (Harvey 1989). Was aktuelle Forschungen in der Tradition Harveys weiter in den Vordergrund rücken, ist die kritische Begleitung der wirtschaftlichen Globalisierung sowie deren soziale Konsequenzen und den entstehenden Handlungsdruck für die Stadtregierungen (Heeg/Rosol 2007; Peck/Tickell 2002). Räumliche Muster wie Standorte gewinnen hierbei große Bedeutung als Vermarktungsinstrument bei der sukzessiven Aufwertung zentraler Lagen, wie bereits bei Florida beschrieben, um im Städtewettbewerb bestehen zu können (Heeg 2008; Meier 2009). So wird auch der Wettbewerb unterschiedlicher sozialer Gruppen zur Nutzung städtischer Räume verschärft. Als Beispiel lassen sich Erkenntnisse der „Global City“ Forschung anführen, welche einen Erklärungsversuch für die Entwicklung von Städten, die in der wirtschaftlichen Globalisierung zu zentralen (1996) und Holm (2006) zu den Gated Communities Glasze (2001; 2012). Diese Phänomene sind nicht Teil des direkten Erkenntnisinteresses dieser Arbeit.

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Knotenpunkten avanciert sind, liefern (Sassen 2006). Sassen geht dabei der Frage nach, wie bestimmten Städten wirtschaftliche Kontroll- und Kommandofunktionen zukommen und welche Auswirkungen dies auf die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Kriterien wie Qualifizierung und ökonomischen Ressourcen hat. In den Global Cities kommt es zu einer Polarisierung lokaler Arbeitsmärkte, was wiederum zu einer Vergrößerung der Einkommensdisparitäten aber auch zu einer räumlichen Aufteilung der Städte, in, grob gesagt, arme und reiche Gebiete, führt. Spannend ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Frage, inwieweit auch das politische Feld einen Einfluss auf diese Ausbildung von Disparitäten hat und inwieweit sie den Konflikt um die Nutzung von Räumen erschwert. 2.3.4 Die Produktion von Raum Abseits dieser bereits sehr konkreten Studien zum Verhältnis von sozialem zu gebautem Raum in den Städten stellt sich grundsätzlich die Frage, wie wir Räume überhaupt definieren und wie ihr Entstehen erklären können. Im Zentrum dieser Diskussion stehen die Begriffe des absoluten und relativen Raums. Ersteres Konzept orientiert sich dabei an Erkenntnisse der Physik (Newton 1963; Jammer 1960) und geht von einem von Menschen unabhängigen Vorhandensein des Raums aus. Dieser existiert schlicht und einfach und wird in der bereits vorgegebenen Form auch von Menschen genutzt. Wir finden diese Vorstellung von Raum im Containerkonzept der frühen Stadtsoziologie aber auch in vielen Ansätzen der Stadtplanung und des Städtebaus, die bereits den ungestalteten Raum als fertiges Produkt betrachten, welches im Idealfall entsprechend der Vorstellungen der Planer und Politiker genutzt werden soll. Raum existiert unabhängig vom Handeln. Das relativistische Konzept steht hingegen für einen Raumbegriff, welcher den Raum erst durch den Prozess einer sozialen Konstruktion durch Menschen entstehen lässt. Auch dieses Konzept hat seinen Ursprung in der Physik (Leibnitz 1904; Hamm 1982), wo der Raum als Beziehungsverhältnis von materiellen Körpern verstanden wird. Ein Raum kann also sozialwissenschaftlich gewendet nur existieren, wenn er auch als ein solcher gedacht oder benannt wird, er wird erst durch das Handeln eines Menschen existent und fassbar. Dem folgend erlangen Räume auch erst durch soziale Interaktionen ihre Bedeutung im gesellschaftlichen Kontext und müssen zu ihrem Erhalt durch stetige soziale Praxis diese auch immer wieder aus neue reproduzieren. Während in den Sozialwissenschaften bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Simmel auf die soziale Dimension von physischem Raum hinweist (Simmel 1995; 1997[1904]), findet dies allerdings zunächst keinen Eingang in die empiri-

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sche Raumforschung24. Dies wird spätestens mit dem neuentdeckten Interesse an der Kategorie Raum hierzulande im Rahmen des Spatial Turns 25 auch mit reichlich Kritik bedacht (Läpple 1991; Stichweh 1998; Löw 2001). Die Vorwürfe adressieren vor allem, dass bereits Simmel nicht den Schritt geht, Raum als das Produkt sozialer Handlungen zu benennen. Diese durchaus berechtigte Kritik führt allerdings zu dem Fehlurteil, Simmel betrachte Raum lediglich als den längst nicht mehr zur Definition geeigneten Container. Vielmehr stellt er selbst fest: „Wir schauen nicht den Raum der Dinge als ein Objekt an, sondern das eben heißt Anschauen, dass wir Empfindungen in die eigentümliche, nicht zu beschreibende, nur zu erlebende Ordnung bringen, die wir Räumlichkeit nennen.“ (Simmel 1997[1904]: 80). Simmel denkt den Raum also tatsächlich nicht als Resultat menschlichen Denkens und Handelns, stellt aber gleichzeitig fest, dass es sich nicht um ein begrenzbares Gefäß handelt, in dem soziale Handlungen einfach stattfinden, sondern um eine eigene abstrakte Dimension, die nur durch eigene Empfindungen und vielleicht auch deren Deutungen erlebbar wird. Damit geht Simmel bereits einen Schritt in die Richtung eines neuen Raumverständnisses. Erst mit Henri Lefêbvre kann allerdings in den 70er Jahren ein Raumbegriff etabliert werden, welcher der Begrenzung auf einen Container gänzlich entwächst und stattdessen darauf verweist, dass Raum dynamisch durch soziale Interaktion produziert und auch reproduziert wird. Lefêbvre stellt fest, dass dies in dreidimensionalen Prozessen geschieht, Erstens auf der materiellen Ebene im Zuge von einer alltäglichen Praxis, zweitens in ideologisch-institutionellen Prozessen, in denen durch kognitive Leistung Repräsentationen der individuellen Realität auf Räume übertragen werden und drittens durch imaginär affektive Prozesse, durch die komplexe Symbolisierungen und Imaginationsräume entstehen (Lefêbvre 1991). Aus seinen Arbeiten geht weiterhin hervor, dass über die Reproduktion des Raums über das Wiederholen sozialer Praxis durchaus auch Veränderungen der Bedeutungen durch Veränderungen der räumlichen Praxis sozialen Handelns erreicht werden können. Im deutschsprachigen Kontext richtet sich der Fokus zunehmend darauf, ein Raumverständnis zu entwickeln, welches zwischen den Positionen des absoluten 24 Zum Beispiel im Kontext der Chicago School, die ansonsten an vielen Stellen Bezug auf Simmels Arbeiten, vor allem allerdings auf „Die Großstädte und das Geistesleben“ nimmt. 25 Unter Spatial Turn wird heute die verstärkte Hinwendung der Sozialwissenschaften ab Ende der 80er Jahre zu einem erweiterten Verständnis des Raums verstanden. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung, wachsender Globalisierung und der neuen Bedeutung des Lokalen (Lassau 2008).

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und relativistischen Raums zu vermitteln mag. Eine Definition, die eben dieses versucht, entwickelt, im Anschluss an den französischen Diskurs, Dieter Läpple. Vier Komponenten sind dabei für ihn entscheidend. So stellt er fest, dass Raum erst durch (1) gesellschaftliche Strukturen entsteht sowie (2) institutionalisierte und normative Regulationssysteme als gestaltendes Element vorhanden sind. Raum weist aber eben auch eine (3) eigene materielle Erscheinungsform auf, welche die gesellschaftlichen Ordnungen abbildet und weiterhin (4) räumliche Zeichen-. Symbol- und Repräsentationssysteme aufweist. „Ein gesellschaftlicher Raum ist demensprechend aus dem gesellschaftlichen Herstellungs-, Verwendungs- und Aneignungszusammenhang seines materiellen Substrats zu erklären, in dem diese vier schematisch unterschiedenen Komponenten miteinander in Beziehung gesetzt werden.“ (Läpple 1991: 43)

Später greift auch Martina Löw in ihrer Raumsoziologie das Thema auf und versucht anhand ihrer Konzepte von spacing und Synthese zwischen beiden Positionen zu vermitteln (Löw 2001). Das spacing, angelehnt an Giddens Vorstellungen einer Raumproduktion durch konkretes Handeln, verknüpft sie dabei mit der Fähigkeit der Menschen zu Vorstellungs- und Erinnerungsprozessen, welche die Wahrnehmung und Deutung von Räumen ermöglichen, der Synthese. Dieses neue, relationale Raumkonzept beschreibt Löw als „(An-)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten“ (ebd: 271). Sie spricht im Ergebnis von einer Dualität von Raum, welche durch die Konstruktionsleistung der Akteure bei gleichzeitigem Vorhandensein von Strukturen, welche ihrerseits wiederum das Produkt von Praktiken eben jener Akteure sind. Markus Schroer stellt fest, dass das Konzept des (Raum-)Containers trotzdem weiter populär ist, weil mit ihm Auswirkungen räumlicher Arrangements auf handelnde Akteure einfach beschrieben werden können. Dies ist jedoch nicht zu verurteilen, schließlich biete dieses Konzept auch Vorteile. So ist es immer dann produktiv zu nutzen, wenn die Fragestellung beispielsweise den Bereich der Herrschaftsverhältnisse und Machtstrukturen berührt. Dies vor allem deshalb, weil im absoluten Raum diesbezüglich Ausschließlichkeit vorherrscht. Schroer (2006: 175) stellt fest, dass jeweils nur ein Akteur oder Gegenstand einen Raum beherrschen beziehungsweise besetzen kann. Kommt nun ein zweiter Gegenstand hinzu, kann dieser denselben Raum nicht mehr belegen, kommt ein zweiter Akteur hinzu, kann es zu einem Konflikt um den spezifischen Raum kommen. Im heutigen sozialwissenschaftlichen Raumdiskurs wird diese Betrachtungsweise tendenziell eher abgelehnt mit dem Verweis auf die Gefahr eines

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Raumdeterminismus, also der Annahme, der Raum an sich habe eine natürliche Bedeutung, die über die soziale Konstruktion hinausgehe. Bevorzugt wird das relationale Konzept vor allem deshalb, weil es die Handlungsmöglichkeiten der Akteure betont und dadurch den Raum als Produkt sozialen Handelns formbar und dynamisch macht. Diese Kritik erscheint Schroer jedoch unberechtigt, denn der absolute Raum kann durchaus zu einem spezifischen Erkenntnisgewinn führen und muss zudem nicht zwingend die Ideen relationalem Raumdenkens verneinen. Sein erstes Beispiel bezeichnet er als vorstrukturierte Räume (ebd.: 176). Damit gemeint sind Räume wie Kirchen, Behörden oder Seminarräume. Diese Räume haben eine Symbolwirkung für die sozial handelnden Akteure. Soziale Regeln herrschen in diesen Räumen bereits vor, ohne dass sie bei Betreten zwingend neu erzeugt werden müssen. Dies widerspricht dabei nicht der Tatsache, dass durch das Hineintreten eines Akteurs nicht automatisch eine soziale Handlung, nämlich die Auseinandersetzung mit den dort vorherrschenden Regeln, stattfindet. Entscheidend ist jedoch, dass die Regeln vorhanden und in den Raum, unabhängig von sozialen Handlungen eingeschrieben sind. Schroers zweites Beispiel, die Handlung bestimmter Akteure in diesen mit Bedeutungen bestückten Räumen, verstärkt sein zentrales Argument. Bestimmte Handlungen spezifischer Akteure werden durch ihren Vollzug in bestimmten Räumen in besonderem Maße erlebbar oder erhalten erst durch ihren räumlichen Rahmen ihre Bedeutung (ebd.). Die Vorlesung des Professors im Hörsaal am Pult vor der Tafel, die Messe des Priesters an der Kanzel, dies sind Beispiele für Räume, die Handlungen vorstrukturieren, sowohl auf der Seite des Priesters und Professors, wie auch auf der Seite der Studierenden und Gläubigen. Zwar stimmt Schroer in der Folge zu, dass Räume bestimmte Bedeutungen nur über die Produktion in gesellschaftlicher Interaktion erlangen. „Diese Bedeutungen und Wertigkeiten aber, die Individuen bestimmten Orten und Räumen attribuieren, werden nicht in jeder Situation immer wieder aufs Neue vorgenommen. Vielmehr entlasten vorgegebene räumliche Arrangements gerade von umfangreichen Situationsdefinitionen, weil die Bedeutungen und Wertigkeiten für die Akteure bereits in sie eingeschrieben sind.“ (Ebd.: 177)

Eine Konzeption von Raum, den konzeptionellen Gedanken Schroers folgend, ermöglicht daher die Auseinandersetzung und Deutung der Gestalt von Dingen wie auch Räumen selbst. Die Größe eines Raumes, das Licht, das Material von Möbeln, der Ausblick aus dem Fenster, all dies kann in die Deutung eines Raums und die Deutungen der Handlungen von Akteuren einfließen.

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Es geht Schroer also nicht nur darum, wie ein Raum hergestellt wird, sondern auch darum, zu berücksichtigen, was der Raum selbst vorgibt (ebd.: 178). Darin ist er sich auch mit Löw und Läpple einig. 2.3.5 Städte vergleichen Der Vergleich von Städten ist sicherlich eine der populärsten Bereiche der Stadtforschung. Ihr Begriff und Gegenstand muss hierbei jedoch zunächst stark ausgeweitet werden. Denn der Teil der Forschung, welche sich fast täglich in den Medien wiederfindet, verhandelt zunächst fast ausschließlich quantitative Statistiken. Einwohnerzahlen, wirtschaftliche Stärke, touristische Attraktivität, Kriminalitätsstatistiken, die Verteilung von Armut und Reichtum oder kulturelle Besonderheiten einzelner Städte sind in der vergleichenden Perspektive von großem öffentlichem Interesse. Sie sind natürlich Teil der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Städten, verbleiben aber zumeist in einer deskriptiven Form beziehungsweise werden von Akteuren außerhalb des eigentlichen Forschungskontextes gedeutet. Aber auch wenn wir uns den Kernbereich der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung anschauen, die Beschäftigung mit sozialen Phänomenen, ist der Vergleich von großer Bedeutung. Es wird eine große Themenbandbreite angeboten, welche von der Analyse politischer Entscheidungen und Prozesse (Mattissek 2008; van Ijperen 2004; Barbehön 2015), über die sozialwissenschaftliche Analyse städtischer Entwicklungen in verschiedensten Bereichen (Radtke 2013; Liedhegener 2016; Hoerning 2016), bis hin zu dem Vergleich spezifischer sozialer Gruppen, ihrer Bedürfnisse und Forderungen an die Städte (Florida 2008; Schröder 2014) reicht. Er hilft dabei, Gemeinsamkeiten zur Formulierung allgemeiner Erklärungsansätze herauszuarbeiten oder aber, Unterschiede als spezifisches Forschungsinteresse zu identifizieren. Ein besonderes Augenmerk legt die Stadtforschung seit dem Erscheinen des ersten Sammelbandes zur „Eigenlogik der Städte“ von Berking und Löw (2008) auf die Stadt als Gegenstand selbst, ihre soziale Produktion, die daraus resultierende Materialisierung in Form der gebauten Stadt, ihr Images und spezifische Eigenheiten, die daraus resultieren. Die Arbeiten führen zu einem Überdenken der Beziehung von der Produktion von Raum auf der einen Seite und der Wirkung von Raum auf der anderen, zumal sie sich als Kriterien des Vergleichs eben beiden Perspektiven annehmen und damit die Stadt erneut als räumlich begrenzbares Konstrukt begreifen, dessen Inhalt aber als historische und kontinuierliche Produktion spezifischer Bedeutungen für den Raum verstehen. Der Ansatz wurde kontrovers diskutiert (Kemper/Vogelpohl 2011) und kontinuierlich

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konzeptionell wie auch in seiner Zielgruppenausrichtung erweitert (Löw/Terizakis 2011; Frank/Gehring/Griem/Haus 2014). Auch dadurch wurde der Vergleich zu einem immer relevanteren Thema innerhalb der sozialwissenschaftlichen Stadtforschung. 2.3.6 Zusammenfassung Wir haben es in der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung mit verschiedenen Konzeptualisierungen von Raum zu tun. Verbunden damit ist oft ein unterschiedliches Erkenntnisinteresse. Geht es bei Simmel vor allem darum, gesellschaftliche Veränderungen seiner Zeit, der Jahrhundertwende in Berlin inklusive der einsetzenden Industrialisierung, zu erklären, wie den zunehmenden Einfluss der Geldwirtschaft und neue Prozesse der Individualisierung, so ist im Rahmen der Chicagoer Schule bereits die Frage nach Exklusion, räumlicher Segregation und kollektiven Auf- und Abstiegschancen im Vordergrund. Die Globalisierung und Digitalisierung belebt diesen Diskurs um die Bedeutung von Raum aufs Neue und versucht die Frage nach seiner Bedeutung in einer scheinbar von weniger Grenzen durchzogenen und näher zusammenrückenden Welt zu beantworten. Bereits mit Simmel beginnt allerdings auch der Diskurs über die soziale Herstellung von Raum. Er sieht dabei bereits früh, dass Raum mehr ist als ein Container, der Inhalte für jeden Akteur gleichermaßen sichtbar und deutbar beherbergt, mehr als der absolute Raum. Er ist etwas, was durch die Sinne des Menschen individuell wahrgenommen und aktiv verarbeitet werden muss. In den 70er Jahren gewinnt diese Auseinandersetzung international wieder an Bedeutung. Mit Lefêbvre, Harvey und Läpple wurden Beispiele aufgezeigt, die auf die Bedeutung sozialer Prozesse für die Konstruktion und auch dauerhafte Reproduktion von Räumen verweisen. Mit Löw, Läpple und Schroer liegen nun abschließend Versuche vor, die Idee einer vorhandenen absoluten Materialität des Raums mit der Prämisse, dass dieser in Handlungen durch Akteure konstruiert wird, zu verknüpfen. Dies erscheint zunächst unmöglich, jedoch gelingt es Löw mit der Dualität des Raumes, den Konflikt zu überwinden. So wird Raum in Handlungen produziert, welche gleichzeitig von räumlichen Arrangements beeinflusst werden. Diese Arrangements haben ihrerseits jedoch nur durch die Praktiken des Anordnens und Positionierens bestand, sind also selbst Produkte der handelnden Akteure. Den für diese Arbeit am produktivsten nutzbaren Ansatz bietet Schroer. Auch bei ihm ist Raum das Produkt von Akteurshandlungen. Er versucht es allerdings zu vermeiden, die Bedeutung des Raums als natürlichem Gegenstand

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komplett zu negieren und ordnet diese stattdessen produktiv in das Verständnis eines relationalen Raums ein. Dies hat den entscheidenden Vorteil, dass die verschiedenen Konzeptualisierungen von Raum zusammengeführt werden können, ohne ihre eigenständigen Qualitäten zu verlieren. So verbleiben die Wahrnehmung und Konstruktion von Raum und die daraus resultierenden Handlungen bei dem individuellen Akteur. Ein zusätzlicher Aspekt wird jedoch, dass der gegebene Raum zu einem mit Symbolen aufgeladenen Ort werden kann, der die Konstruktionsprozesse und in der Konsequenz auch die Handlungen der Akteure beeinflusst. Schroer wiederspricht damit keineswegs Löw, die ebenfalls eine gegebene räumliche Ordnung nicht verneint, er konkretisiert lediglich den Einfluss dieser Ordnung auf die Konstruktionsprozesse der Akteure.

2.4 RAUM BEI BOURDIEU Bourdieus Auseinandersetzung mit Raum beginnt implizit bereits früh in seinem Werk. In seinen Studien zum Leben im französischen Béarn analysiert er die Verteilung des Bodens anhand erbrechtlicher Strategien (Bourdieu 1987) und stellt damit fest, dass Raum ungleich verteilt ist und zudem in Besitz genommen werden kann. Schon davor widmet er sich in seinen, auf ethnographische Forschungen gestützten Untersuchungen über die kabylische Gesellschaft der symbolischen Aufteilung im kabylischen Haus und Dorf (Bourdieu 1976). Auch dabei geht es ihm um Herrschaft, spezieller, einerseits die Herrschaft des Mannes über die Frau in traditionellen Gesellschaften aber auch, andererseits, um die geschlechtsspezifische Raumaneignung und -aufteilung im kabylischen Haus. Deutlich wird dabei bereits früh, dass Bourdieu davon ausgeht, dass nur ein Mensch gleichzeitig Kontrolle über einen Raum ausüben kann. Gemein ist diesen frühen Arbeiten Bourdieus, dass sie keine expliziten Überlegungen oder gar Konzeptualisierungen des Raumes enthalten, sondern diesen vielmehr als einen Bedeutungen tragenden Behälter begreifen, wie wir ihn aus der frühen Stadtforschung kennengerlernt haben und nur implizit tiefere Bedeutungen des Raums aufzufinden sind. Der Behälter-Raum ist jedenfalls für ihn naturgegeben. Er wird sodann aber von einem Menschen in Besitz genommen und von ihm mit Bedeutungen gefüllt. In Bourdieus Ausführungen zur Konzeptualisierung des Habitus finden sich erstmals konzeptionelle Überlegungen über einen Zusammenhang zwischen der materiellen Gestalt der Dinge und der sozialen Konstruktion ihrer Bedeutungen. Am Beispiel der zeitgeschichtlichen Veränderung verschiedener Kulturgüter, im Besonderen der Architektur von Sakralbauten in verschiedenen Stilepochen, er-

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klärt Bourdieu, inwieweit der Habitus als verbindendes Element zwischen Individuum und Struktur dient. Für ihn ist die sich verändernde Architektur der Kirche dabei sichtbares Ergebnis einer durch den Habitus geleiteten Arbeit der Künstler der jeweiligen Epoche. Er unterscheidet dabei, anschließend an Panofsky, zwischen einer primären und einer sekundären Sinnschicht (Bourdieu 1974: 127 f.). In der primären Sinnschicht werden die faktuellen und expressiven Wahrnehmungen zusammengefasst, das was für den Künstler in Worte zu fassen und bewusst beschreibbar ist. In der sekundären Sinnschicht bedarf es hingegen der Kontextualisierung der Wahrnehmung des Künstlers. Wie kommt dieser zu seinen Assoziationen und, im Kontext der sich durch künstlerische Schöpfung verändernden Architektur, wie wirkt sich die Dynamik des Feldes der Kunst auf die Einstellungen des Künstlers, auf seinen Habitus aus? Auch wenn Bourdieus Erkenntnisinteresse zu diesem Zeitpunkt weiterhin nicht explizit dem Verhältnis von sozialem und physischem Raum gilt, so zeigt sich hier bereits, dass ihm die Abhängigkeit beider Raumarten voneinander durchaus bewusst ist. So beeinflusst der Habitus, als inkorporierte Form des Wissens über den sozialen Raum und die eigene Position in diesem, die Wahrnehmung und Haltung des Künstlers, die sich wiederum mit der Realisierung architektonischer Entwürfe der Kirche auch in den physischen Raum einschreibt und erlebbar wird. Explizit beginnt Bourdieu mit der Erarbeitung eines Raumbegriffs in dem zunächst auf Deutsch veröffentlichten Aufsatz „Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum“ (Bourdieu 1991), der später in abgewandelter Form auf Französisch erscheint und in dieser Version dann wiederum ins Deutsche zurückübersetzt wird (Bourdieu 1997b). Hier untersucht Bourdieu nun explizit das Verhältnis von sozialem und physischem Raum: „Der Ort, topos, kann zum einen in absoluten Begriffen definiert werden als eine Stelle, an der ein Akteur oder ein Gegenstand situiert ist, ‚seinen Platz hat‘, existiert, kurz: als Lokalisation, zum anderen in relativer, relationaler Sicht als Position, als Stellung innerhalb einer Rangordnung.“ (Bourdieu 1991: 26)

Bourdieu sieht dabei den sozialen Raum als ein Koordinatensystem, in dem die sozialen Felder und die Feldteilnehmer sowie ihre individuellen Positionen und Relationen zueinander abgebildet sind. Dieser soziale Raum schreibt sich nun in den physischen Raum ein: „Der soziale Raum ist nicht der physische Raum, realisiert sich aber tendenziell auf mehr oder minder exakte und vollständige Weise innerhalb desselben.“ (Ebd.: 28) Die soziale Realität, wie Bourdieu sie im sozialen Raum mit seinen unterschiedlichen Feldern und durch die Positionierung der Akteure in diesen Feldern beschreibt, findet sich also auch im physischen Raum

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wieder. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der entstehende angeeignete physische Raum auch den sozialen Raum abbildet, oder wie Bourdieu zum Akteur schreibt, „[…] hervorragende Indikatoren für seine Stellung im sozialen Raum […]“ (ebd.: 26) bereitstellt. Dabei soll jedoch nicht vergessen werden, dass jeder Akteur einen Punkt im sozialen Raum einnimmt und gleichzeitig einen Standpunkt im physischen Raum okkupiert. Für ihn ist Raum weiterhin im sozialwissenschaftlichen Zusammenhang nur als angeeigneter Raum zu konzipieren, denn nur in bewohnter oder zumindest bekannter Form wird er auch mit einer sozialen Bedeutung versehen. Bourdieu nennt den physischen Raum an sich daher lediglich eine Abstraktion der physischen Geographie (ebd.: 28) und eine Verkennung der Tatsache, dass Raum eben nur in einem Akt sozialer Konstruktion entstehen kann. Er distanziert sich damit an dieser Stelle von den Vorstellungen eines absoluten, natürlichen Raummodells und dem damit einhergehenden einfachen Behälter. Gleichzeitig stellt Bourdieu fest, dass der physische Raum nicht nur Rückschlüsse auf die Position eines jeden einzelnen im sozialen Raum zulässt, sondern diese sogar aktiv beeinflussen kann. So gibt es für Bourdieu keine nichthierarchisierten Räume, was der Wahrnehmung der Akteure jedoch durch den sogenannten Naturalisierungseffekt oftmals entgeht. Denn durch „[…] die dauerhafte Einschreibung der sozialen Realitäten in die physische Welt […]“ (ebd.:27) werden physisch-räumliche Muster wie Grenzen oder Qualitäten von Räumen durch diesen Effekt als naturgegeben und unveränderbar beurteilt, obwohl sie das Produkt sozialer Produktionsprozesse sind und damit alles andere als unumstößlich. So findet sich kaum eine Komponente der sozialen Wirklichkeit, in der symbolische Gewalt so direkt sichtbar wird, wie im angeeigneten physischen Raum. In ihm sind soziale Bedeutungen eingeschrieben, die nicht nur die Handlungsoptionen der Akteure beeinflussen, sondern eben auch Zugehörigkeiten und Ausschlüsse vorstrukturieren. Ein exklusiver Club oder Empfang könnten Beispiele sein, wo sich an einen konkreten Ort soziale Regeln und Ausschlüsse durch die Art des sozialen Ereignisses einschreiben. Innerhalb der sozialen Felder verfügen die Akteure nun über umkämpftes Kapital, welches sie einsetzen, um für sich selbst Positionsgewinne zu generieren (vgl. Kapitel 2.2.1.). Im physischen Raum manifestieren sich an Orten (bei Bourdieu Standorten) in diesem Kontext auf der einen Seite Güter und Dienstleistungen, auf der anderen Seite Akteure. Durch die Verteilung beider Komponenten im Raum entsteht dabei ein weiteres Element zum Verständnis des Kampfes um Kapital und den damit verbundenen Kämpfen um Positionsgewinne

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innerhalb des sozialen Raums. Bourdieu spricht von einer doppelten räumlichen Verteilung der Akteure (ebd.: 29). Entscheidend ist hier die Dimension der Nähe und Entfernung der Akteure zu Zentralorten, welche eine herausgehobene Stellung im physischen Raum besitzen. Dort zu finden sind oft seltene Güter und Dienstleistungen, welche wiederum von den Spitzen sozialer Felder hergestellt werden. Der Wettbewerb um den Besitz beziehungsweise die Okkupierung dieser Räume ist aufgrund der Seltenheit der dort produzierten Güter groß. Oft, so stellt Bourdieu fest, überlappen sich die sozialen Felder auch in ihrer Repräsentation im physischen Raum (ebd.:29), womit er das zuvor aufgestellte Prinzip, dass nur ein Akteur einen Raum besetzen kann zumindest in Frage stellt. Sein Verständnis dieser Überlappung bleibt jedoch vage. So finden sich im Zentrum von Paris die Spitzen verschiedener Felder, und zwar jene, die über das hierfür nötige ökonomische Kapital verfügen und deren produzierte Güter einen exklusiven Geschmack bedienen. So ist aus dem Kulturbetrieb die Galerie- und Modeszene ebenso präsent wie Unternehmen aus anderen Bereichen. Auch verschiedene Nutzungen, allen voran die Wohnnutzung, sind in Paris nach ihrem ökonomischen Kapital segregiert. Im Zentrum können sich nur jene Akteure eine Wohnung leisten, die über das entsprechende ökonomische Kapital verfügen (ebd.: 30). Die Nachfrage nach einer Nähe zu den zentralen Orten führt also zu einer Steigerung des Kapitaleinsatzes, der zu leisten ist, um in ihrer Nähe zu wohnen. Durch diese Bündelung verschiedener hierarchisch organisierter Teile der sozialen Felder, entlang verschiedener Nutzungsmuster, lässt sich eine Qualifizierung des Raums beobachten. Der Raum gewinnt einen Ruf, der ihn für bestimmte Nutzungen attraktiver, für andere weniger attraktiv werden lässt (ebd. 27). Neben ökonomischem Kapital, so stellt Bourdieu fest, bedarf es außerdem, vor allem in den exklusivsten Räumen, sozialem Kapital, um Zugang gewährt zu bekommen. Auch dieses Kapital sieht Bourdieu vom physischen Raum beeinflusst, wenn er von einem Clubeffekt spricht und diesen durch die dauerhafte Zusammenfassung von Akteuren in bestimmten Räumen erklärt (ebd.: 32). Die schicken Viertel einer Stadt oder Luxuswohngebiete sind für ihn hier Beispiele, wo durch den Clubeffekt soziales Kapital akkumuliert werden kann. Für Bourdieu ergeben sich durch diese kapitalabhängige Nutzung des Raums weiterhin verschiedene potentielle Profite für die Akteure. Er spricht dabei von Raumprofiten (ebd.: 31). Diese unterteilt er auf der einen Seite in Situationsrenditen, welche sich aus der Ferne oder Nähe zu erwünschten beziehungsweise unerwünschten Gütern oder Dienstleistungen ergeben und den Positions- und Rangprofiten, welche sich auch als Verfügungs- oder Raumbelegungsprofite darstellen können. Diese be-

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schreiben den Besitz von physischem Raum als Kapital. Beide Renditearten lassen sich in Bourdieus System der Kapitalarten transferieren, in Form von ökonomischem (dem Wert eines Raumes als Grundstück), kulturellem (der Nähe zu angesehenen kulturellen Gütern) oder sozialem (der Nähe zu Akteuren mit einer hohen Position in einem oder mehreren Feldern) Kapital. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass es eine klare Reihenfolge der beschriebenen Prozesse zum Verhältnis von sozialem und physischem Raum gibt: Zuerst schreiben sich die sozialen Prozesse in den physischen Raum ein, danach kann dieser auf die sozialen Felder zurückwirken (ebd.: 32). Der Habitus macht das Habitat, dieses wirkt auf den Habitus zurück. Eine gegenseitige Beeinflussung und Veränderung ist damit eine zentrale Erkenntnis von Bourdieus Raumtheorie. Die Aussagen, die Bourdieu nun zur Bedeutung von physischem Raum für politische Felder im Speziellen tätigt, bleiben sehr allgemein. Abgesehen davon, dass wir jedoch davon ausgehen können, dass seine Ausführungen zum Verhältnis von physischem und sozialem Raum im Allgemeinen auch Gültigkeit für das politische Feld haben, stellt er allerdings zumindest die Relevanz räumlicher Grenzen für die Entwicklung von politischen Diskursen heraus. Er verweist hierzu beispielhaft auf das Gewicht der kommunistischen Partei in verschiedenen räumlichen Kontexten. Die daraus entstehenden unterschiedlichen marxistischen Traditionen verweisen auf politische Diskurse, die innerhalb des räumlichen Musters Staat organisiert werden, und verschiedene (nationalstaatlich organisierte) politische Felder auf ihre je eigene Weise beeinflussen. Diese Unterschiede sieht er in den „spezifischen Traditionen des politischen Raums“ (Bourdieu 2010: 61) begründet. Bourdieu liefert damit zunächst eine Begründung und eine inhaltliche Unterscheidungsgrundlage für das Existieren unterschiedlicher politischer Felder an verschiedenen Orten. Gleichzeitig stellt er aber auch fest, warum eine solche Unterteilung mindestens auf nationalstaatlichem Niveau sinnvoll ist. Für Bourdieu ist der räumliche Behäler Staat Grundlage für die Produktion und Reproduktion von Grenzen zwischen politischen Feldern, in denen Diskurse über ähnliche Themen auf unterschiedliche Art geführt werden. Es zeigt sich, dass hier der sozial konstruierte physische Raum (der Staat mit seiner Grenze), den sozialen Raum mit strukturiert, in dem er verschiedene Felder mit den gleichen Aufgaben nebeneinander bestehen lässt. Konkreter lässt sich die Bedeutung für Raum in Bourdieus Arbeiten zum politischen Feld noch in seinen Überlegungen zum Akt der Delegation finden. So stellt er fest, dass es für das Funktionieren repräsentierender politischer Organisationsformen „[…] eine Art Zentralstelle mit ständigem Personal, ein Büro samt allem, was zu einer entsprechenden bürokratischen Organisationsform

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[…]“ (Bourdieu 2010: 25) braucht. Dass diesem zentralen Raum der Repräsentation eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt, erklärt Bourdieu unterteilt in zwei Akte: Im ersten gründen einzelne Individuen gemeinsam das Büro als zentrale Anlaufstelle ihrer Organisation, Bourdieu meint hier eine politische Partei, im zweiten Akt benennt das mittlerweile professionalisierte Büro die Kandidaten für die eigentliche Aufgabe der Repräsentation, der Kandidat wird aufgestellt (Bourdieu 2010: 25). Das Büro selbst ist dabei nicht in die eigentliche Aufgabe der Repräsentation mit einbezogen, sondern lediglich mit der Auswahl eines geeigneten Bewerbers beschäftigt. Wieder bezieht sich Bourdieu auf die Einschreibung sozialer Hierarchien in den Raum. Die Gründung des Büros ist dabei zunächst einmal ein sozialer Akt, er manifestiert sich aber an einem konkreten Ort, welcher der eigentlichen Funktion der Partei, die Wähler zu repräsentieren, enthoben wird. Vielmehr entwickelt sich an diesem Ort ein zentraler Machtraum, an dem Entscheidungen getroffen werden, die die Organisation strukturieren.

2.5 VORÜBERLEGUNGEN ZUM SOZIALWISSENSCHAFTLICHEN RAUM Im Folgenden werde ich nun die zentralen Erkenntnisse der Stadt- und Raumforschung mit den Ausführungen Pierre Bourdieus zum Thema Raum kombinieren. Die entstehende Zusammenfassung, die Vorüberlegungen zum Thema Raum, soll es möglich machen, diese in einem zweiten Schritt mit den Ausführungen zum Forschungsgegenstand der Elitenforschung und Bourdieus Arbeiten zum politischen Feld zusammenzuführen und als Ergebnis Arbeitsthesen für die Untersuchung zu bilden. Diese sollen wiederum, wie bereits erwähnt, den Forschungsprozess erleichtern, indem sie den Feldzugang vorstrukturieren und die Möglichkeit schaffen, in der Feldforschung gezielter nach spezifischen Phänomenen fragen und suchen zu können. Viele der folgenden Punkte stehen in engem Bezug zueinander oder bauen gar direkt aufeinander aus. 1. Raum: Raum existiert in einer physischen wie einer sozialen Dimension. Dabei spiegelt der soziale Raum eine Anordnung von Akteuren in einem komplexen, mehrfach untergliederten System wieder. Ein Beispiel für eine Einheit dieser Untergliederung stellt das politische Feld dar. Der physische Raum hingegen bezeichnet den materiellen Raum, welcher erst durch die Wahrnehmung durch Akteure seine Bedeutung erlangt. Diese erste Vorannahme speist sich aus den

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aktuellen theoretischen Diskursen der Raumforschung und wird auch von Bourdieu gestützt. 2. Produktion von Raum: Räume existieren nicht einfach, sie werden erst durch soziale Interaktion produziert. Wie in der modernen Raumtheorie und auch bei Bourdieus Konzept des angeeigneten physischen Raums und auch schon früher, im Rahmen seiner ethnologischen Untersuchungen, gezeigt werden konnte, schreibt sich der soziale Raum in den physischen Raum ein und gibt ihm erst damit seine Bedeutung für die Akteure. Ein natürlicher Raum ohne soziale Bedeutung existiert nur als Abstraktion, denn erst wenn er von Menschen gedacht und mit Bedeutungen belegt wird, kann er Realität werden. 3. Wirkung von Raum: Die soziale Produktion von Räumen kann von dauerhafter Natur sein. Bestes Beispiel hierfür ist die Architektur, wie Schroer und auch Bourdieu zeigen. Auch wenn dauerhafte Räume stets aufs Neue in sozialen Interaktionen (re-)produziert werden müssen, um ihre spezifischen dauerhaften Bedeutungen beizubehalten, geben diese Räume den Akteuren bereits Impulse, welche diese in ihren Handlungen mit berücksichtigen. Beispielhaft nennt Schroer Kirchen oder Universitäten, auch in den frühen Arbeiten Bourdieus kommt dieser auf die Entwicklung der Kirchenarchitektur als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen zu sprechen. Es lässt sich in der Folge insgesamt eine gegenseitige Beeinflussung von sozialem und physischem Raum feststellen. So produzieren Feldteilnehmer einerseits die Räume, andererseits können diese aber auch die soziale Interaktion der Feldteilnehmer beeinflussen. 4. Position eines Akteurs: Akteure haben Positionen im sozialen wie im physischen Raum. Bourdieu und, im weiteren Sinne, der klassischen Raumtheorie folgend, bestimmen sie Ihre Position im sozialen Raum durch das Verhältnis zu anderen Akteuren anhand von Kapital und seiner Wertigkeit in den verschiedenen sozialen Feldern. Ihr Standpunkt im physischen Raum ist durch ihr Verhältnis zu materiellen Gütern und Dienstleistungen bestimmt, die durch soziale Konstruktion dem physischen Raum eingeschrieben werden. Jeder Akteur hat also eine eigene, einzigartige Position im sozialen, wie auch im physischen Raum, die er besetzt hält. 5. Orte: Räume manifestieren sich durch soziale Interaktion an spezifischen physisch-räumlichen Ausschnitten, an Orten. Die ihnen zugeschriebene soziale Bedeutung wird für die Akteure hier ablesbar durch eine spezifische Anordnung materieller Güter. Orte zeichnen sich durch Grenzen aus, die durch Handeln der

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Akteure geschaffen werden und auch für jene Akteure lesbar sind, die nicht unmittelbar an der materiellen Konstruktion (dem Bau der Kirche oder der Universität oder der Gründung eines Staates) beteiligt waren. Die Entstehung von Orten ist somit die Konsequenz der bereits beschriebenen Rückwirkung des physischen Raums auf den sozialen Raum und ist dabei trotzdem gänzlich als soziales Phänomen zu begreifen. Erst durch die gemeinsame Festlegung mindestens zweier Menschen über die Grenzen und ihren Austausch über die Bedeutung dessen, was sich innerhalb dieser Grenzen befindet nämlich, kann es zu der Entstehung eines Ortes kommen. Die Deutungen, um was es sich bei einem spezifischen Ort genau handelt, können dabei durchaus unterschiedlich sein und konflikthaft sein. 6. Nutzung von Orten: Menschen nutzen Orte unterschiedlich. Die jeweiligen Orte werden von den Akteuren dabei mit Bedeutungen belegt. Dabei werden sie nicht zwingend exklusiv nur von einem Akteur genutzt und nur einer Nutzungsform zugeführt. Hieraus können Mehrdeutigkeiten für die Akteure ebenso entstehen wie Nutzungskonflikte, wie sie in der kritischen Stadtforschung rund um Lefêbvre und Harvey angesprochen werden. Zu Konflikten kommt es dabei immer dann, wenn Interessen zur Gestaltung und Nutzung des Raums bei verschiedenen Akteuren oder Gruppen gegensätzlich sind oder sich gegenseitig ausschließen. Hierzu ist zudem die Grundannahme wichtig, dass Boden als Ressource zur Entstehung von Orten ein knappes Gut ist und damit nicht zwingend für jedes Interesse auch ein nutzbarer Ort entstehen kann. Trotzdem können Nutzungen in anderen Fällen auch parallel zueinander existieren. Hier ist die Frage nach einer geteilten oder unterschiedlichen Wahrnehmung eines Ortes und seiner Eigenschaften von Interesse. 7. Sichtbarkeit von Orten: Orte sind gleichzeitig auch Machträume. Die von Bourdieu als symbolische Macht beschriebene Form kommt dabei nicht nur in der Architektur von Gebäuden zum Ausdruck, sondern vor allem durch die impliziten Regeln, die an einem Ort als Folge der sozialen Produktion und Reproduktion vorherrschen. In der Konsequenz kommen an Orten unterschiedlich stark ausgeprägte Regelwerke vor, die einerseits für die Akteure mehr oder weniger sichtbar sein können, anderseits auch einen unterschiedlichen Grad an Strukturierung des Handelns vorgeben. Spezifische Felder können so eigene Regeln für Orte entwickeln, deren Kenntnis für die erfolgreiche Teilnahme innerhalb des Feldes von Bedeutung ist. Die Kenntnis spezifischer Regeln kann so zu einem eigenen Kapital werden, vor allem dann, wenn diese nicht für jeden sichtbar sind, die ihre Kenntnis also ein exklusives Gut darstellt.

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8. Attraktivität von Orten: Orte können für die Akteure eine unterschiedliche soziale Wertigkeit haben. Bourdieu folgend bestimmt die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen die Attraktivität von Orten für die Akteure. Die Nähe und Entfernung zu diesen Gütern spielt eine entscheidende Rolle, die Art der Güter entscheidet darüber, für welches Feld die Attraktivität wie hoch ausfällt. Auch die Lage eines Ortes innerhalb seines räumlichen Zusammenhangs ist ausschlaggebend, die sogenannten Zentralorte sind besonders begehrt. Ähnlichen Bildern existieren auch in der Global City-Forschung. Die Unterschiede, die zwischen den sozialen Feldern bei der Bewertung der Attraktivität vorherrschen, liegen dabei einerseits in der verschiedenen Logik der Felder begründet, anderseits in der Menge und Art des Kapitals, welches die Akteure zur Verfügung haben, um Orte zu nutzen und dauerhaft zu okkupieren. Die Beschäftigung mit der Attraktivität von Städten finden wir ebenfalls in der Creative Class These. Die acht herausgearbeiteten Kriterien versuchen, die Ideen Bourdieus unter Hinzuziehung der Erkenntnisse der Raum- und Stadtforschung zu systematisieren, ohne dabei ihren Zusammenhang untereinander zu verschweigen. Gerade dem komplexen Verhältnis zwischen sozialem und physischem Raum soll damit Rechnung getragen werden. Dabei gehe ich in dieser Arbeit gleichsam von einer stetigen sozialen Produktion des physischen Raums aus, gleichzeitig stelle ich aber den Einfluss dieses physischen Raums auf soziale Interaktion ebenso heraus. Dadurch wird die Reduktion des physischen Raums auf einen natürlichen Behälter von Bedeutungen vermieden, gleichzeitig wird ihm aber eine eigenständige Bedeutung für das politische Feld eingeräumt. Dies entspricht den Erkenntnissen der Raumtheorien von Löw (Dualität des Raums), Schroers sowie den Ausführungen Bourdieus.

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Arbeitsthesen der Untersuchung: Überlegungen zum Verhältnis von Feld und Raum

An dieser Stelle werde ich nun Arbeitsthesen bilden, welche die zuvor angestellten Vorüberlegungen aus dem letzten Kapitel zu politischen Feldern und Raum, soweit dies auf Grundlage eines bisher rein theoretischen Zugangs möglich ist, kombinieren. Die Kombination von insgesamt 15 inhaltlichen Argumenten ist dabei eine große Herausforderung und wahrscheinlich werden, gerade vor dem Hintergrund der bisher rein theoretischen Auseinandersetzung, nicht alle sich aus dieser Vielfalt ergebenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Wichtig erscheint mir dieser Schritt trotzdem, vor allem um das Potential einer raumsoziologischen Perspektive auf die Elitenforschung aufzuzeigen. Im Prozess der Analyse der Fallstudien ist es mein erklärtes Ziel, einen möglichst großen Raum für neue Zusammenhänge zu lassen und außerdem nicht in ein bloßes verifizieren und falsifizieren zu verfallen. Nicht zuletzt deshalb liefern die Fallstudien eine deutlich feinere Gliederung in Unterpunkte, die in der Folge induktiv aus dem Material heraus entstehen werden. Trotzdem lieferten die folgenden fünf Hypothesen einen wichtigen Anhaltspunkt, um schon vor der Feldforschung einen Interviewleitfaden zu entwickeln. Der Leitfaden selbst wiederum beeinflusste in jedem Fall auch die Erkenntnisse aus den Gesprächen dieser Arbeit, da er durch die Vorformulierung möglicher Fragen auch die möglichen Antworten präselektierte, beziehungsweise spezifische Aussagen der Akteure wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich werden ließ. Dies verdeutlicht die Relevanz dieses Teils einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema der Arbeit. Ebenfalls halfen die Thesen bei der Identifikation relevanter Akteure im Feld. Sie dienen zudem als Gliederung der deskriptiven und analytischen Kapitel dieser Arbeit.

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3.1 POLITISCHER RAUM Der politische Raum ist ein Teilbereich des sozialen Raums, wie ihn Bourdieu beschreibt. Er begreift das politische Feld als einen eigenständigen Bereich der Gesellschaft mit eigenen Regeln und Funktionen. Das politische Feld bietet die Möglichkeit, die Formierung einer Gruppe von Akteuren zu beschreiben, welche sich auf das gemeinsame Ziel der Gestaltung von Politik und die Steuerung politischer Diskurse eingelassen hat. Unabhängig von den bereits diskutierten individuellen wie kollektiven Dispositionen und Motivationen, die mit dieser Aufgabe verbunden sind, ergibt sich für die Akteure ein spezifischer Raum, welcher durch eigene Regeln und Zugangsvoraussetzungen gekennzeichnet ist, die durch den Diskurs innerhalb des jeweiligen politischen Feldes bestätigt oder verändert werden können. Jeder Akteur belegt in diesem System eine individuelle Position, die entsprechend seines politischen Kapitals bestimmt ist. Bourdieu sagt, dass sich der soziale Raum mehr oder weniger exakt in den physischen Raum einschreibt, ihn also gestaltet. Die spannende Vermutung lautet also, dass sich das politische Feld, als Teil dieses sozialen Raumes, in den physischen Raum einschreibt und, weitergehend, sich über diese Einschreibung in den physischen Raum Rückschlüsse auf das politische Feld als Sozialraum ergeben. Diese These nimmt die wichtigsten Vorüberlegungen aus der Arbeit mit der Elitenforschung und Bourdieus politischen Feldern auf.

3.2 PRODUKTION POLITISCHER ORTE Der politische Raum in seiner physisch-materiellen Dimension kann nicht nur eine Abstraktion sein, wie Bourdieu jene Räume bezeichnet, die keine soziale Bedeutung enthalten. Vielmehr wird er durch die sozialen Akteure in Handlungsakten produziert und mit Bedeutungen versehen. Diese können ihm temporär, also im Moment einer Handlung (zum Beispiel ein Streik auf einem öffentlichen Platz) oder dauerhaft (die Errichtung und Persistenz einer Kirche oder Universität als gebaute Struktur) eingeschrieben werden. Die Annahme liegt nun nahe, dass auch das politische Feld solche physisch-räumlichen Muster feldspezifisch produziert. Es entsteht, was ich politische Orte nennen möchte. Diese politischen Orte zeichnen sich zunächst einmal dadurch aus, dass sie durch ein spezifisches politisches Feld in Akten sozialen Handelns produziert und mit bestimmten Bedeutungen versehen werden. Bezüglich ihrer Wirkung auf das politische Feld und ihre Dauerhaftigkeit, also die automatische Reproduktion ihrer Bedeutung durch Feldteilnehmer, ist damit noch nichts ausgesagt.

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Versuchen wir nun einen Bezug herzustellen zu zwei der Vorannahmen zu politischen Feldern, der Professionalisierung und Delegation. Wir können hierzu auf Bourdieus Beispiel des Parteibüros zurückgreifen. An diesem Ort treffen sich nicht einfach nur Feldteilnehmer, sondern sie produzieren auch in Aushandlungsprozessen Regeln für das Feld und bestimmen durch die Delegation von politischem Kapital die Position einzelner Akteure dort. Ein Beispiel hierfür ist die Nominierung eines Kandidaten für eine Wahl und damit einhergehend das ihm ausgesprochene Vertrauen durch seine Partei. Durch die Professionalisierung ihrer Tätigkeiten organisieren sich die Akteure neu und verteilen politisches Kapital auf eine ebenso neue Art und Weise. Nun könnte gesagt werden, dies sei auch unabhängig von einem spezifischen Ort möglich. Bourdieu sieht die Entstehung des Parteibüros jedoch nicht nur als logische Konsequenz der Prozesse von Professionalisierung und Delegation, für ihn ist das Parteibüro vielmehr das physisch-räumliche Spiegelbild dieser Ereignisse. Gemäß der Logik der Einschreibung von sozialem Raum in den physischen Raum kommt es zuerst, durch die Gründung der Partei, zu einer Konzentration politischen Kapitals in der Organisation. In einem zweiten Schritt der Professionalisierung durchläuft die Partei den Prozess der Delegation von Aufgaben und Ämtern an einzelne Akteure. Die Feldteilnehmer produzieren hier nun einen spezifischen politischen Ort, in den die Bedeutung der Organisation als Symbol für das akkumulierte politische Kapital und dessen Delegation eingeschrieben ist. Dieser Ort nimmt die Veränderung der Organisation Partei auf und spiegelt diese in seinem Aufbau und der Anordnung seiner einzelnen Bestandteile wieder. Ein in seiner Bedeutung bleibender politischer Ort ist entstanden.

3.3 FELDSPEZIFISCHE QUALITÄTEN POLITISCHER ORTE Politische Orte können in grob zwei verschiedenen Typen auftreten. Sie können erstens als politische Orte geplant und errichtet worden sein. Bereits bei der Konzeption eines Gebäudes oder der Einrichtung eines Raumes (gemeint ist hier ein Zimmer) schreibt sich so der soziale Raum des politischen Feldes und seine Wahrnehmung durch einen oder mehrere Akteure, in den physischen Raum ein. Diese Art politischer Orte wird mit dem Gedanken an seine spätere Nutzung für das politische Feld entworfen und mit einer für dieses mehr oder weniger konstanten Bedeutung versehen. Die bereits genannte Parteizentrale oder ein Parlamentsgebäude sind Beispiele hierfür. An beiden Orten werden feldspezifische Handlungen vollzogen, die bereits bei der baulichen Planung des Gebäudes be-

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rücksichtigt wurden. Der Plenarsaal als Teil eines Parlamentsgebäudes mit seinen Sitzreihen, der Regierungsbank, Rednerpulten, Flaggen und anderen politischen Symbolen ist ein gutes weiteres Beispiel für die Einrichtung eines solchen Ortes. Die Bedeutung für das politische Feld wird durch die feldspezifischen Artefakte, den Aufbau des Ortes und seine Einrichtung, verdeutlicht. Natürlich werden auch diese politischen Orte erst durch soziale Interaktion produziert, jedoch verbleibt die Bedeutung des Ortes zu einem gewissen Grad und wird bei jeder weiteren sozialen Interaktion reproduziert. Die Funktion eines Parlamentes oder einer Parteizentrale für das politische Feld lässt sich so zwar potentiell verändern, jedoch sind hierzu grundlegende Umwälzungen der feldinternen Ziele und Regeln notwendig. Zweitens, können politische Orte auch situativ hergestellt werden. Situativ bedeutet dabei, dass der jeweilige Ort nicht, wie bei den bleibenden politischen Orten bereits als solcher geplant und gebaut wurde, sondern erst durch feldspezifische Handlungen produziert wird. Temporäre politische Orte werden also nicht entsprechend ihrer Funktion gebaut oder eingerichtet, sie werden vielmehr vom Feld für spezifische Zwecke vereinnahmt. Temporär bedeutet dabei jedoch nicht, dass diese Orte ihre Bedeutung nach ihrer Produktion durch die handelnden Akteure zwingend gänzlich wieder verlieren müssen. Vielmehr wird innerhalb des Feldes über die Praxis und die darüber entstehenden Regeln ausgehandelt, welcher Ort für das Feld aufgrund welcher Eigenschaften mit einer konkreten Bedeutung belegt wird und wie lange diese Gültigkeit besitzt. Diese Bewertung kann sich jedoch auch in den Aushandlungskämpfen des Feldes wieder ändern, wodurch ein spezifischer Ort seine Bedeutung verlieren kann oder sie sich zumindest verändert. Ein temporärer politischer Ort ist dadurch dynamischer als der bleibende, kann sich aber potentiell auch in einen solchen verwandeln. Ein Beispiel für einen solchen Ort wäre eine Bar oder ein Restaurant, in der oder dem sich Feldteilnehmer treffen. Dieser Ort ist dabei jedoch nicht nur aufgrund seines guten Essens oder Trinkens Treffpunkt des Feldes, sondern weil er mit einer feldspezifischen Funktion belegt ist, zum Beispiel dem Ruf, in entspannter und ungezwungener Atmosphäre Hintergrundgespräche zu führen, Entscheidungen vorzubereiten oder Allianzen schmieden zu können. Diese Typisierung soll nun die Realität der politischen Orte nicht scharf in zwei Gruppen zerteilen, nämlich bleibende und temporäre, vielmehr gibt es sicher noch viele Formen, die dazwischen liegen. Sie zeigt jedoch, dass die Bedeutung konkreter politischer Orte durchaus von der sozialen Produktion dieser abhängig ist. Aufbauend auf diese generelle Unterscheidung lassen sich nun noch zwei weitere Qualitäten politischer Räume identifizieren. Erstens erscheint es logisch,

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dass politische Orte ihre Funktionen auf zwei Arten erfüllen können: Entweder offiziell oder inoffiziell. Die bereits erwähnten Parlamente und Parteizentralen sind hier erneut ein geeignetes Beispiel, diesmal für die offiziellen politischen Orte. Sie stellen in ihrer institutionellen Organisationsform sichtbare Schauplätze politischen Handelns dar. Sichtbar sind sie dabei nicht nur für die Feldteilnehmer, die sie in ihrem Handeln mit den ihnen zugedachten Funktionen belegen, sondern auch für Außenstehende. Die im Feld repräsentierten Laien schreiben diesen Orten also ebenfalls eine spezifische Bedeutung in ihrer Außenwahrnehmung des politischen Feldes zu, zum Beispiel, dass im Parlament über Gesetzesvorhaben abgestimmt wird. Sie sind so in gewissem Sinne institutionalisierte politische Orte. Treffpunkte wie Kneipen, Restaurants oder Hotellobbys können hingegen potentiell als Beispiele für inoffizielle politische Orte genannt werden. Sie sind mit feldspezifischem Fachwissen identifizierbar und haben keine institutionelle Bedeutung für das Funktionieren eines politischen Feldes. Mit dieser Einteilung einher geht die Annahme, dass inoffizielle politische Orte zudem eine tendenziell geringere Sichtbarkeit aufweisen, zu ihrem Erkennen also eine größere Menge politisches Kapital benötigt wird. Zweitens, politische Orte erfüllen verschiedene feldspezifische Funktionen. Arbeitsorte, Wohnorte und Freizeitorte lassen sich hier als eine erste grobe Unterscheidung anführen. Die Vermutung liegt nahe, dass die unterschiedlichen Funktionen auch mit einer unterschiedlichen Bedeutung für das politische Feld einhergehen. So ist der eigene Wohnort zunächst einmal mit der Idee des Privaten verknüpft. Wie verhält es sich aber, wenn viele Feldteilnehmer gemeinsam in einem Appartmentgebäude untergebracht sind, vielleicht sogar einem exklusiv für sie errichtetem? Auch Freizeitorte dienen zunächst einmal der Erholung von der Arbeit, vorstellbar ist aber auch hier eine gezielte Freizeitplanung nach feldspezifischen Kriterien, beispielsweise um neue Kontakte zu knüpfen, alte zu vertiefen oder gar im Informellen Inhalte zu besprechen oder Bündnisse auszuloten. Insgesamt verstehe ich unter den Qualitäten politischer Orte also vor allem die Attribute, welche die Feldteilnehmer diesen im Rahmen ihrer sozialen Produktion zuschreiben und den Konsequenzen, welche diese Attribute in der Folge für das Entstehen politischer Orte haben. Dabei erscheint bei der Auswahl des Ortes auch die Attraktivität für den jeweiligen Feldteilnehmer eine Rolle zu spielen, also die von ihm angenommene Wahrscheinlichkeit, dort seine Ziele bestmöglich erreichen zu können.

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3.4 ANORDNUNG UND AUFBAU POLITISCHER ORTE Um die Anordnung politischer Orte untersuchen zu können, müssen zunächst Annahmen darüber getroffen werden, über was wir als politischer Ort sprechen können, was also unsere Maßstabsebene ist. Der Titel der Arbeit, die politische Stadt, lässt zunächst einmal die Vermutung zu, dass die Hauptstadt an sich oder zumindest Teile von ihr, für nationale politische Felder ein politischer Ort ist. Für diese Arbeit bietet der Behälter Hauptstadt einen Anhaltspunkt. Er hilft uns, die Abgrenzung verschiedener nationaler politischer Felder zu verstehen. Hauptstädte beziehen sich auf ihre Funktion im nationalstaatlichen Kontext und in diesem Zusammenhang bieten sie sich an, wie Bourdieu schon in Bezug auf länderspezifisch unterschiedliche Diskurse zum Marxismus festgestellt hat, um die Begründung für eine vergleichende Studie abzuleiten. In verschiedenen Hauptstädten agieren verschiedene politische Felder auf jeweils unterschiedliche Art. Welche Unterschiede vorherrschen, versucht diese Arbeit zu ergründen. Innerhalb der Hauptstädte sind die politischen Orte jedoch nicht willkürlich angeordnet. Die Idee zentraler Orte, die für das politische Feld von besonderer Bedeutung sind, ist hier zentral. Zu diesen Orten suchen die Feldteilnehmer Nähe, denn sie stehen für Entscheidungen im Kampf um die Diskurshoheit im Feld und damit auch um das politische Kapital, dass die Position eines jeden involvierten Akteurs bestimmt. Ein Parlament ist hier erneut ein gutes Beispiel. Kurze Wege zu den Büros der Abgeordneten machen die Ansiedlung von Lobby- und Medienbüros in der Nähe besonders attraktiv. Es greift der von Bourdieu beschriebene Lageeffekt. Mit einer attraktiven Lage, nahe an den zentralen Orten für das politische Feld, sind so potentielle Positionsgewinne der Feldteilnehmer verbunden, sie können ihr politisches Kapital vermehren. Auch der Aufbau von politischen Orten ist für das Verständnis der Bedeutung von Raum von Interesse. So können Büros von Abgeordneten und Parteimitgliedern ihrer Funktion für den jeweiligen Nutzer entsprechend gestaltet sein. Die spezifische Anordnung von Büros, Sekretariaten, Besprechungsräumen, öffentlichen Bereichen für die Außenpräsentation vor Journalisten oder anderen Besuchern spiegeln zunächst einmal feldinterne Funktionsmechanismen und Hierarchien wieder. Aber auch die Gestaltung konkreter Orte wie Büros lässt Rückschlüsse auf das Feld zu. Ein großes Lobbyistenbüro mit wuchtigen Ledercouches, wertvollen Kunstwerken an den Wänden und einem Ausblick aus großen Fenstern lässt auf die Bedeutung des jeweiligen Mitarbeiters innerhalb seiner Organisation und die Bedeutung seiner Tätigkeit für diese schließen. Der Akteur kann sich so ebenfalls innerhalb der feldinternen Hierarchien besser posi-

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tionieren, indem er politisches Kapital im Sinne von ökonomischem und kulturellem Kapital zur Schau stellt.

3.5 WIRKUNG POLITISCHER ORTE Politische Orte können auf ein politisches Feld und seine Teilnehmer eine Wirkung haben. Voraussetzung hierfür ist jedoch das zumindest partielle Bestehenbleiben ihrer Bedeutung über den Moment der eigentlichen Produktion durch die sozial Handelnden hinaus. Betrachten wir zunächst erneut die Qualitäten politischer Orte. Bleibende Orte sind zunächst einmal ein Abbild der Regeln und Zielsetzungen innerhalb des Feldes zum Zeitpunkt seiner Errichtung. Die ihm eingeschriebenen feldspezifischen Bedeutungen werden von den Feldteilnehmern beim Betreten automatisch wahrgenommen und es werden mehr oder weniger bewusst Reaktionen erzeugt. In einem Plenarsaal hinten zu sitzen hat für einen Parlamentarier eine spezifische Bedeutung, denn weiter hinten bedeutet in vielen Fällen weniger wichtig. Die Hierarchien des Feldes spiegeln sich also in der Anordnung der Sitze wieder, eine Veränderung der Sitzordnung zugunsten der Hinterbänkler ist unwahrscheinlich, außer, diese erreichen eine höhere Position im Feld, rücken also näher an die Spitze ihrer jeweiligen Fraktion heran. In einem solchen räumlichen Kontext wird dem Akteur seine feldspezifische Position im sozialen Raum wiedergespiegelt. Er kann in der Konsequenz mit seiner Position mehr oder weniger zufrieden sein und versuchen, sein Handeln dementsprechend anzupassen. Parlamente sind aber auch exklusive Orte an sich. Nicht jeder hat hier überall Zugang, Außenstehende zumeist nur zu wenigen Bereichen und in der Rolle von Besuchern. Aber auch Akteure des Feldes haben nicht zwingend gleichberechtigten Zugang zu allen Bereichen. Fraktionsräume sind so zum Beispiel nur den Parlamentariern bestimmter Parteien zugänglich und die Gespräche, die dort stattfinden, sind nicht öffentlich. Dies ist besonders auch für Lobby- und Medienvertreter, aber auch für die Parlamentarier anderer Parteien eine Hürde bei ihrem Bestreben, den Orten sämtlicher feldrelevanter Entscheidungen möglichst nah zu sein. Auch hier strukturiert also der gebaute politische Ort die Möglichkeiten der Feldteilnehmer und beeinflusst so die Positionierung des einzelnen Akteurs. Der physische Raum spiegelt die Funktionsmechanismen und Hierarchien des sozialen Raums wieder. Bei temporären politischen Orten ist die Wirkung auf das Feld dynamischer. Durch ihre situative Produktion, unabhängig von einer durch das Feld produzierten dauerhaften Architektur oder Einrichtung, können diese Orte temporäre Feld-

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Zustände besser wiederspiegeln. Lädt zum Beispiel eine Lobby-Organisation zu einer Abendveranstaltung in einen angemieteten Raum ein, so eröffnet dies eine ganze Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten für die Organisatoren. Zunächst einmal haben die Veranstalter die Möglichkeit, den Raum entsprechend ihrer Vorstellungen mit Bedeutungen zu versehen. Besondere Sitzordnungen, Stehtische für kleine Gesprächsgruppen, ein Podium für Redner, Kunst an den Wänden, verschiedenste Optionen sind denkbar. Dabei dürfen wir nicht übersehen, dass bereits die Wahl der Location mit spezifischer Architektur, Größe und Ausstattung eine Botschaft über die Bedeutung der Veranstaltung für die beispielhafte Lobby-Organisation hat. Temporäre politische Orte werden so zu exakteren Momentaufnahmen des politischen Feldes, sie spiegeln dabei den spezifischen Blickwinkel einzelner Akteure auf das Feld wieder und können dabei gleichzeitig Einfluss auf ihre Position haben. Auch die Anordnung der politischen Orte in der Hauptstadt ist hier relevant. Eine Veranstaltung nahe eines für das Feld zentralen Ortes stattfinden zu lassen, erhöht die Chance, Feldteilnehmer mit einer höheren Position im Feld anzuziehen, neu entstehende Kontakte zu diesen können den eigenen Erfolg im Feld vergrößern. Wenn wir den Fokus nun auf das Handeln der Feldakteure innerhalb beider Typen politischer Orte legen, stellen wir fest, dass der physisch-räumliche Kontext bis zu einem bestimmten Grad ihr Handeln vorstrukturiert, der von Schroers wie auch Bourdieu beschriebene Effekt einer teilweisen Automatisierung setzt ein. Stellen wir uns nun einen Abgeordneten bei dem Betreten des Plenarsaals vor. Hier herrschen bestimmte Verhaltensnormen und Voraussetzungen. Es fängt bereits bei der Auswahl der Kleidung an, welche immer im Kontext einer gewissen, für das Gebäude etablierten Etikette steht. Er wird einen bestimmten Platz einnehmen, der Sitzung mehr oder weniger aufmerksam folgen, vielleicht aber auch Vorlagen studieren oder mit seinem Smartphone Nachrichten schreiben oder die allgemeine Nachrichtenlage verfolgen. Andere Dinge wird er wahrscheinlich nicht tun: Er wird nicht sein Lunchpaket auspacken oder sich ein Bier öffnen, er wird nicht seine Schuhe ausziehen und die Füße entspannt auf die Bank vor ihn legen. Er wird vielleicht kurze Gespräche mit Kollegen führen, wahrscheinlich aber weniger mit jener der oppositionellen Parteien. Diese Verhaltensweisen sind, um es nochmals ganz klar zu sagen, keineswegs durch den Ort Plenarsaal produziert. Sie sind vielmehr das Ergebnis sozialer Aushandlungsprozesse des jeweiligen politischen Feldes. Wohl aber sind sie dem Ort eingeschrieben und werden automatisch vom Akteur aufgerufen, sobald er seinen Platz im Plenarsaal einnimmt.

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Bei der Lobby-Abendveranstaltung sind dem Ort andere Regeln eingeschrieben, die zudem flexibler festlegbar sind. Es liegt die Annahme nahe, dass hier andere Gespräche zustande kommen, neue Kontakte einfacher entstehen können und sich auf diese Weise Funktionen und Hierarchien innerhalb des Feldes beeinflussen lassen. Für die Feldteilnehmer liegt hier eine konkrete Möglichkeit, die eigene Position zu verbessern. In diesem Kontext sei zudem auf die getroffene Unterscheidung zwischen offiziellen und inoffiziellen politischen Orten verwiesen. Möglich ist, dass der inoffizielle Charakter eines politischen Ortes zu einer erneut erhöhten Flexibilität der feldspezifischen Regeln und damit auch eine Veränderung der Hierarchien innerhalb des Feldes führt. Inoffizielle politische Orte sind weniger mit institutionalisierten Regeln versehen und eröffnen den Akteuren so neue Handlungsoptionen. Denken wir dies im Zusammenhang mit der funktionalen Teilung politischer Orte in Wohn- Arbeits- und Freizeitorte, so lassen sich viele Beispiele als Gedankenspiele formulieren. So kann auch ein Golfplatz zu einem politischen Ort für die Akteure werden. Dieser Ort ist jedoch mit wenigen feldspezifischen Handlungsanweisungen versehen, das Golfspiel und der dabei stattfindende soziale Austausch der Spieler findet also unter neuen Voraussetzungen, in der Freizeit, statt. Dies kann einen Einfluss auf die entstehende Interaktion haben, auf das Auftreten der Akteure, auf ihre Gesprächsthemen aber auch ihre Beziehung zueinander nach Beendigung des Spiels. Zusammengefasst lässt sich über die Wirkung des physischen Raums auf den sozialen sagen, dass dieser den Aufbau und die Regeln eines politischen Feldes verändern kann.

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Methoden: Qualitative Fallstudien und ihr Vergleich

In dieser Arbeit werden in einer vergleichenden Studie zwei Fälle behandelt. Die Städte Berlin und Madrid und ihr jeweiliges nationales politische Feld. Ziel ist es, das politische Feld in beiden Städten intensiv explorativ zu beforschen. Im Folgenden möchte ich nun das Forschungsdesign dieser Arbeit vorstellen. In beiden Städten soll der Sozialraum des politischen Feldes und sein physischer Raum untersucht werden. Anschließend daran werden beide Fälle einander gegenübergestellt. Da sich der Prozess der Konzeptualisierung einer geeigneten Strategie aufgrund der Komplexität der zu beforschenden Felder, wie auch der vergleichenden Anlage der Studie alles andere als einfach darstellt, werde ich mit einigen Herleitungen und eigenen Gedanken zur Gesamtstrategie meiner empirischen Forschung beginnen. Damit einher gehen auch Fragen zur Rolle des Forschenden innerhalb des Feldes sowie zu meiner eigenen Subjektivität im Prozess der Datensammlung wie auch bei deren Auswertung des gewonnenen Materials. Aus diesen Überlegungen entwickele ich eine grundsätzliche Position für meine Feldforschung und ein spezifisches Design zur Bearbeitung der Fragestellung. Anschließend werde ich meine verschiedenen Materialarten und die Methoden zu deren Gewinnung im Forschungsprozess vorstellen. Dabei möchte ich vor allem die Unterschiede zwischen den einzelnen Typen wie leitfadengestützten Interviews, Beobachtungen und spontanen Gesprächen, Protokollen und Dokumenten herausstellen, denn sowohl bei der Gewinnung wie auch Bewertung des Materials führen verschiedene Voraussetzungen zu unterschiedlichen Herangehensweisen und damit teilweise auch anderen Ergebnissen. Die Kombination verschiedener Quellen macht es dabei erforderlich, gerade bei der Konzeption der Auswertungsverfahren, eine schlüssige Strategie zur Triangulation zu entwickeln. Dabei sollen die individuellen Qualitäten der einzelnen Materialtypen Berücksichtigung finden. Das Auswertungsverfahren wird zudem durch Codie-

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rungsstrategien strukturiert, da die Menge an Material ansonsten nicht handhabbar ist. Anschließend möchte ich in diesem Kapitel einige Bemerkungen zur Übertragung meiner Erkenntnisse in die Schriftform und den damit einhergehenden Nutzen beziehungsweise die entstehenden Nachteile meiner Art der Wissenschaftsproduktion machen. Abschließend werde ich die Materialsammlung vorstellen und dann versuchen, die methodische Anlage dieser Studie, im Kontext der zuvor getätigten methodologischen Überlegungen gebündelt und prägnant zusammenzufassen, bevor ich in einem letzten Abschnitt in Form eines Exkurses die Erfahrungen mit dem Verfassen dieser Arbeit reflektiere.

4.1 METHODOLOGISCHES: VORÜBERLEGUNGEN ZU QUALITATIVER FORSCHUNG Das folgende Kapitel behandelt einige methodologische Überlegungen, welche ich tätige, um mich selbst im Feld der qualitativen Sozialforschung zu verorten und dementsprechend die Voraussetzung für die grundsätzlichen Entscheidungen bezüglich des Forschungsdesigns dieser Arbeit treffen zu können. Ich werde mich dabei erneut zu einem großen Teil auf Ausführungen Bourdieus stützen und diese später auf das hier behandelte Forschungsinteresse anwenden. So entwickele ich in einem zweiten Schritt meinen eigenen Forschungsansatz. 4.1.1 Theorie der Praxis bei Bourdieu Der von Pierre Bourdieu entworfene Ansatz einer Theorie der Praxis ist sein zentrales Argument zur Erklärung von sozialem Handeln in Gesellschaften. Er versucht dabei zwischen den bekannten Modellen der Handlungsrationalität der Akteure, wie sie Weber einführt und strukturalistischen Modellen wie denen von Lévi-Strauss zu vermitteln, indem er dem Begriff der Praxis in seinem Werk eine zentrale Position zukommen lässt. In seinem „Entwurf einer Theorie der Praxis“ kommt er dabei zu der Erkenntnis, dass diese Praxis der bisherigen Logik folgend entweder als Objekt oder gelebte Erfahrung konzipiert wird, was für ihn jedoch keine ausreichende Erklärung darstellt (Bourdieu 1976: 143 ff.). Praxis bedeutet für Bourdieu vielmehr die individuellen Beziehungen von Akteuren und ihre Vorstellungen über diese mit den objektiven Strukturen von Gesellschaften im Sinne von sozialen Lagen und Klassen zu verknüpfen. Voraussetzung ist hierbei, dass für ihn viele soziale Mechanismen der bewussten Wahrnehmung

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der Akteure entzogen sind, trotzdem aber ihr Handeln und ihre Strategien beeinflussen. Es stellt sich also die Frage, wie diese strukturellen Faktoren trotz ihrer Unsichtbarkeit für die Akteure handlungsleitend werden können, die beschriebene Verknüpfung beider Seiten im Kontext der Praxis also greift (ebd.: 165). An diesem Punkt setzt für Bourdieu der Habitus an (vgl. Kapitel 2.2.3), welcher die objektiven gesellschaftlichen Strukturen über die Sozialisierung der Akteure inkorporiert. Bereits in der „Theorie der Praxis“, aber auch in seinen späteren Arbeiten zu Bildungskarrieren in Frankreich stellt er dabei heraus, wie Lebensverhältnisse und -stile, also die erlebten Resultate der eigenen Schicht- und Klassenzugehörigkeit zur Erzeugung „automatischer Strategien“ (ebd.: 212) führen, welche wiederum elementarer Bestandteil des Habitus werden. Sie sind damit gleichzeitig dreierlei: ein Produkt der Vergangenheit, eine gegenwärtige Seinsweise und eine Tendenz für Handlungen und Denkweisen in der Zukunft (ebd.: 446, Fn 39). Fröhlich und Rehbein fassen die Grundlogik der Praxis dementsprechend mit dem Axiom zusammen, dass nicht „der Mensch spricht (wie in der Hermeneutik) oder die Sprache spricht (wie im Strukturalismus oder PostStrukturalismus), sondern: das Sprechen spricht“ (2009: 275). Auf diese Art gelingt es Bourdieu mit seiner Konzeption der Praxis, den scheinbaren Widerspruch zwischen objektiv Erfahrbarem und unsichtbaren Strukturen aufzulösen und beide gemeinsam im Konzept des Habitus als Grundlage für die Praxis zu vereinen. Auf Grundlage dieser zentralen Rolle der Praxis bezeichnet Bourdieu sein Forschungskonzept in der Folge als ein praxeologisches. Dies geschieht als Analogie aber gleichzeitig in klarer Abgrenzung zu und von phänomenologischen Ansätzen, welche die tatsächliche Realität der Phänomene nicht berücksichtigen und auch räumlich-zeitlichen Komponenten ausblenden (ebd.: 147 f.). Dort konzentriert sich die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Wahrnehmung der sozialen Akteure.1 Bourdieu grenzt sich aber ebenso ab von einer objektivistischen Haltung, welche gegebene Strukturen und Gesetze, welche außerhalb des Bewusstseins der Menschen liegen, als ausschlaggebend für Handeln und die soziale Wirklichkeit betrachten.2 1

Der Ansatz und die Methode der Phänomenologie wurde im Anschluss an Kants Mo dell der Transzendentalphilosophie von Hussel Anfang des 20 Jahrhunderts entwickelt und in den Sozialwissenschaften erstmals von Schütz zur Anwendung gebracht (Husserl 1986[1907], Schütz 1932, 1971).

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Viele von Bourdieus größten bekannten Einflüssen haben eine objektivistische Sichtweise auf die Entstehung der sozialen Welt. Für Durkheim stehen dabei Normen und Gesetze im Vordergrund, Marx beschreibt den Prozess der Geschichte als ausschlaggebend und für Lévi-Strauss abstrahieren sich aus dieser Geschichte objektive Struk-

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Dass aus dieser Abgrenzung entstehende Forschungsinteresse führt zu der Einteilung von drei Ebenen sozialer Erkenntnis: der praktischen Erkenntnis über die soziale Welt, der theoretischen Erkenntnis über diese und, zuletzt, einer Theorie über die praktische Erkenntnis der sozialen Welt (ebd.: 148). Aufgabe der Forschung muss es nun sein, die durch die Praktiken der sozialen Akteure hervorgebrachten Repräsentationen der sozialen Strukturen zu durchblicken und dabei die Voraussetzungen, die diese theoretische Tätigkeit strukturieren, zu reflektieren. Die Konsequenzen, die Bourdieu aus diesen Überlegungen zieht, führen ihn zu der Entwicklung einer reflexiven Anthropologie. Unter Reflexivität versteht er dabei die Selbstbezüglichkeit der Forschung: das Subjekt wird so zum Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. In der Konsequenz wird die eigene theoretische Beobachterposition selbst zu einer zu erfassenden Praxis, die Teil des Erkenntnisinteresses ist. Daraus resultieren verschiedene Aufgaben, die in der Forschungspraxis zu beachten sind. Erstens müssen die Methoden der eigenen Arbeit Teil des Gegenstandes werden, um deren impliziten Einfluss auf die Erkenntnisse zu verstehen. Zweitens müssen die Regeln und Normen des wissenschaftlichen Feldes benannt werden, in dem sich der Forschende bewegt. Diese können einen Einfluss auf die Forschungstätigkeiten des Forschenden haben. Drittens muss auch der Forschende im Sinne der reflexiven Anthropologie einen reflexiven Habitus entwickeln, um die Regeln des eigenen Feldes und der eigenen Position zu reflektieren und in den Prozess der Erkenntnisgewinnung einbringen zu können. 4.1.2 Ethnographische Forschungspraxis als Ausgangspunkt Der sozialwissenschaftliche Diskurs, in dem sich Bourdieu mit seiner Theorie der Praxis verortet, wird unter verschiedenen Überschriften und mit unterschiedlichen Schwerpunkten geführt. Der für diese Arbeit relevante Diskurs auf methodologischer Ebene ist der um die Ethnomethodologie beziehungsweise um die „Ordnung der Dinge in den Köpfen der Leute“ (Goodenough 1964). Honer weist dazu auf eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen der Gewinnung und der Analyse sowie theoretischen Reflexion von Datenmaterial hin. Während bei der Analyse und Reflexion des Materials bereits umfangreiche Kenntnisse der Materie bestehen, stellt sie gerade in der Phase der Datengewinnung die besondere Wichtigkeit von Methoden heraus, welche „die Relevanzen des anderen aufspüren und [...] rekonstruieren.“ (Honer 2012: 195). Gemeint ist damit einerturen (Durkheim 1992[1887]; Quante/Schweikard 2016: 194; Lévi-Strauss 1967 [1958]).

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seits die Rolle der eigenen Position des Forschenden, anderseits sein spezifischer Blick auf den Gegenstand seiner Forschung, das Fremde oder auch Unbekannte. Bergmann stellt hierzu im Anschluss an Garfinkel Grundbedingungen auf, die eine Beobachtung der Wirklichkeit des Sozialen näherungsweise möglich machen. Soziale Wirklichkeit entsteht für ihn im konkreten Handeln zwischen Menschen, hat stets einen prozessualen Charakter und funktioniert nur durch die Verständigung über Alltagswissen, Routinen und Interpretationen, welche jeder sozialen Handlung als Verstehenshilfe beigefügt werden. (Bergmann 2012: 122 f.) Er stellt fest: „Für die im Alltag Handelnden ist dieser Prozess der methodischen Wirklichkeitsproduktion uninteressant, sie nehmen ihn für selbstverständlich. Für die EM [Ethnomethodologie] ist dieser Generierungsprozess das zentrale Thema; das, was im Alltag selbstverständlich ist, wird ihr zum Problem [...].“ (Ebd.: 123)

Bei einer ethnomethodologisch informierten Forschungsarbeit muss das Augenmerk, diesem Argument folgend, nicht nur auf die konkreten Handlungen gelegt werden, vielmehr ist es von Bedeutung, die dahinter verborgenen Sinnstrukturen zu entschlüsseln.3 Die Arbeiten der Ethnomethodologie lenken die Aufmerksamkeit des Forschenden auf die Akteure und ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit. Dies steht in keinem Gegensatz zu den Gedanken Bourdieus. Vielmehr korrespondiert es mit seiner Aufforderung, den Blick auf den Habitus des einzelnen zu lenken. Nur über diesen lassen sich die inkorporierten gesellschaftlichen Strukturen erkennen, welche das menschliche Handeln in seinen Möglichkeiten einschränken aber nicht gänzlich determinieren. Diese Strukturen spricht nun auch die Ethnomethodologie an, konkretisiert jedoch die Möglichkeiten, wie sie im Forschungsprozess ans Licht gebracht werden können. Dies geschieht, indem sie mit Alltagswissen, Routinen und Interpretationen Wissensbestände der Akteure aufdecken, die jene Sinnstrukturen zu entschlüsseln vermögen. Sie können das Ziel spezifischer Fragestrategien werden sowie, allgemeiner, Vorbereitungsstrategien für den Forschenden ermöglichen, um sich innerhalb eines Feldes so zu bewegen, dass ein reflektierender, aber auch effektiver Prozess einer Datenerhebung gelingt. 3

Ein bekanntes Beispiel für die Konstruktion sozialer Wirklichkeit durch konkretes Handeln ist Garfinkels Fallstudie „Agnes“ über den Kampf einer Transsexuellen um die Anerkennung als Frau durch die Gesellschaft und die fortwährenden Produktionsprozesse gesellschaftlicher Wirklichkeit die dem Denken von „Mann“ und „Frau“ zugrunde liegen. (Garfinkel 1967).

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Aufbauend auf diese generellen Überlegungen zu der Rolle des Forschenden im Feld und zu Wissensbeständen, die hinter dem Gesagten liegen können, stellt sich nun die Frage, mit welcher Strategie eine Arbeit gelingen kann, die die Logik der Handelnden verstehen und die Rolle des Forschenden reflektieren möchte und trotzdem die Beantwortung der Forschungsfrage als zentrales Anliegen in den Vordergrund rückt. Jede Art rein quantitativer Methodensets ist zunächst einmal ausgeschlossen, da über sie weder ein reflexiver, noch ein hinterfragender Dialog mit dem zu beforschenden Feld möglich erscheint. Nun bieten qualitative Verfahren eine große Bandbreite an Möglichkeiten, um ein passgenaues Design zu entwickeln. Das Spektrum reicht hier vom Führen von Gesprächen mit Beteiligten und dem Sammeln von Dokumenten und einer darauffolgenden Interpretation bis zu längerfristigen Aufenthalten im Feld, verbunden mit der aktiven Teilnahme an eben jenen Prozessen, die das Handeln der Akteure beeinflussen. Eben jene zweite Variante wird in den Sozialwissenschaften als Teilnehmende Beobachtung und zunehmend auch als Ethnographie bezeichnet. Die Teilnehmende Beobachtung fußt dabei einerseits auf den Erkenntnissen der Chicagoer Schule (vgl. Kapitel 2.4.1.), welche im Rahmen von Beobachtungen und Berichten die Lebensrealität bestimmter sozialer Gruppen erforschten und anderseits neueren Klassikern wie der „Street Corner Society“ von William F. Whyte (1955), in der die Sozialstruktur eines italienisch geprägten New Yorker Viertels untersucht wird4 und neuen Studien wie Wacquants „Leben für den Ring“ (2003), in dem er seine Erfahrungen im sozialen Feld des Boxens nach mehrjährigem Feldaufenthalt und einer eigenen Karriere als Boxer im Rahmen seiner Forschungen beschreibt. Eine zentrale Rolle spielen weiterhin der Forschende selbst sowie sein Zugang zum Feld und sein Verhalten in diesem. Lüders führt hierzu eine Liste mit einer Vielzahl von Diskussionspunkten an, angefangen bei dem Aufbau von Vertrauensbeziehungen, über die Protokoll-Strategien, die Informantensuche, den Einsatz unterschiedlicher Datengenerierungstechniken bis hin zu dem Umgang mit großen Mengen verschiedenartigen Materials (Lüders 2012: 387 f.). Er kommt dabei zu der Überzeugung, dass es sich bei der Teilnehmenden Beobachtung um eine „flexible, methodenplurale kontextbezogene Strategie“ (Lüders 4

Dabei beschreibt der erste Teil des Buches die Organisation von Banden im Stadtviertel. Whyte unterscheidet zwischen corner boys und college boys, wobei sich das Leben der corner boys an bestimmten Straßenecken und Kneipen abspielt. Die college boys interessieren sich im Gegensatz dazu mehr für ihre eigene soziale Karriere und streben nach guter Ausbildung. Außerdem beschreibt er die Zusammenhänge zwischen dem sozialen Gefüge, der Politik und den Gangstern im Viertel.

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2012: 389) handele, die einerseits eben ganz verschiedene Verfahren beinhalten könne, für die deshalb aber gleichzeitig keine Standardisierung geschaffen werden kann. Die beschriebene Diskussion findet spätestens ab Mitte der 90er Jahre zunehmend unter dem Oberbegriff der Ethnographie statt. Importiert aus dem britisch/US-amerikanischen Diskurs werden nun erste Sammelbände und Reader in deutscher Sprache veröffentlicht, die ethnographische Studien und methodologisch-konzeptuelle Fragestellungen behandeln (Berg/Fuchs 1993; Knobloch 1996; Hirschauer/Amann 1997). Besondere Aufmerksamkeit erfährt dabei die Dauer des Aufenthaltes im Feld. Hirschauer und Amann stellen hierzu fest, dass nur eine längere Periode der Teilnahme an den Praktiken eines Feldes auch zu der Erfahrung der situativen Praxis und des lokalen Wissens führt (Hirschauer/Amann 1997: 21). Keine andere Form der Datengewinnung könne hier die Selbsterfahrung ersetzen. Hammersley und Atkinson fassen das Konzept einer Ethnographie dem folgend zusammen: „The ethnographer participates, overtly or covertly, in peopleʼs daily lives for an extended period of time, watching what happens, listening to what is said, asking questions.; infect collecting whatever data are available to throw light on the issues with which he or she is concerned.” (1983: 2). Goffman spricht in diesem Zusammenhang von der “Co-Präsenz” des Forschenden als nötige Voraussetzung (1971). Hierzu ist für Lüders einerseits ein erfolgreicher Einstieg ins Feld nötig, anderseits muss es dem Forschenden gelingen, eine vom Feld akzeptierte Rolle einzunehmen (Lüders 2012: 391 f.). Damit einhergehen muss die Bemühung, Vertrauen aufzubauen und sich selbst gleichzeitig auf die Logik des Feldes einzulassen. Die Prozesse die hierbei durchlaufen werden, sind dabei bereits erste Erkenntnisse, die Rückschlüsse auf das jeweilige Feld zulassen. Auf der anderen Seite soll dabei eine Situation entstehen, in der sich nicht der Informant den Bedingungen des Forschenden anzupassen hat, sondern sich der Forschende flexibel auf die Erfordernisse des Feldes einstellen kann (Lüders 1995: 319). Als ebenfalls wichtig wird in der ethnographischen Forschung die Idee einer flexiblen Forschungsstrategie betrachtet. Aufgabe muss es dabei sein, auf die Geschehnisse im Feld situativ und milieuspezifisch reagieren zu können und somit das Festhalten an festgezurrten Strategien und Ablaufplänen zu unterlassen. Es gilt in Bezug auf die Feldteilnehmer, „auf ihre soziale Lage, ihre Arbeitssituation, ihre ethnische Stellung oder was auch immer [zu] reagieren.“ (Goffman 1996: 263). In der Konsequenz entsteht für den Forschenden eine „nicht mehr kontrollierbare Vielfalt und Komplexität von Erhebungs- und Feldsituationen“ (Lüders 2010: 393), die standardisierte Verfahren und eine exakte Planung

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von Forschungsaufenthalten unmöglich macht. Auf der Suche nach Strategien, um diesem Problem zu begegnen, wird dadurch die Flexibilität zu einer maßgeblichen Qualifikation. Wolcott spricht dabei von „the art of fieldwork“ (1995), Amann und Hirschauer bezeichnen Ethnographie als „opportunistische und feldspezifische Variante empirischer Sozialforschung.“ (Hirschauer/Amann 1997: 20). Einige Beiträge verweisen zudem auf den „unbewaffneten“ Zustand der Forschenden in der Ethnographie, da diese ohne Fragebögen, Leitfäden oder standardisierte Protokollbögen auskommen müssten (Ball 1990: 157). Diese Einschränkung der Methodenpluralität erscheint mir aber aufgrund des Argumentes flexibler und feldspezifischer Herangehensweisen nicht plausibel. Ein letzter Schwerpunkt der methodologischen Auseinandersetzung mit Ethnographie ist die Verschriftlichung, sowohl der gesammelten Daten, wie auch derer Interpretation im Forschungsbericht selbst. Wenn Bergmann hier von einer „rekonstruierenden Konservierung“ (Bergmann 1985: 308) schreibt, spricht er damit die Problematik an, dass die Dokumentationstechniken in der Ethnographie es oft erfordern, erst nachträglich die eigenen Beobachtungen zu verschriftlichen. Verbunden mit der subjektiven Wahrnehmung des Forschenden bedeutet dies im Ergebnis, dass eben nicht eine ähnlich exakte Abbildung der tatsächlichen Ereignisse möglich ist, wie es Aufnahmen von Video oder teilweise Audio leisten können. Es entsteht ein doppelt subjektiver Prozess, erstens bei der Anfertigung der Protokolle, zweitens bei der Auswertung eben jener zum Verfassen der wissenschaftlichen Arbeit. Die Qualität der Protokolle gerät daher zunehmend in den Fokus der Betrachtung ethnographischer Arbeit. Ob sich diese nun auf die Beschreibung von Handlungen, Gesprächsprotokolle oder sogar erste Interpretationen des Geschehenen konzentrieren, hat dabei großen Einfluss auf die weitere Analysetätigkeit (Lüders 2010: 398) und ist Teil der Entscheidungen, die es für Forschende zu treffen gilt. Dadurch wird deutlich, dass nicht nur das Schreiben einer Ethnographie, sondern bereits der Forschungsprozess selbst zu einer „rhetorical activity“ (Atkinson 1990: 10) wird, da die Verschriftlichung des Materials einen großen Einfluss auf die spätere Analyse hat. Bezüglich möglicher Auswertungsstrategien des beschriebenen Materials treten eben genannte Eigenarten ethnographischer Arbeit erneut in den Vordergrund. Reichertz argumentiert hier, dass die mehrfach subjektive Prägung des Materials zwangsläufig zu einer Miteinbeziehung des Forschenden und seiner Darstellungsweise in den Forschungsbericht führt (Reichertz 1989: 99). Zudem ist es nötig, durch stetig wiederholtes Aufeinanderbeziehen der unterschiedlichen Materialarten eine möglichst dichte Beschreibung der Realität zu erreichen und gleichzeitig die Validität durch unterschiedliche Quellen zu überprüfen (Lüders 2012: 400).

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Zwar sind in den letzten Jahrzehnten viele Ethnographien zu verschiedensten Themen und mit verschiedensten Designs entstanden5, in der Eliteforschung sind ethnographische Konzepte allerdings bisher nicht in besonders großem Maße zum Einsatz gekommen. Eine von wenigen Ausnahmen stellen hierbei die Arbeiten von Richard F. Fenno dar. In seinen Untersuchungen über das Verhalten von Abgeordneten des US-amerikanischen Kongresses arbeitet er mit Techniken der Teilnehmenden Beobachtung oder Ethnographie über längere Zeiträume, was, so sagt Fenno, den Kontext der politischen Arbeit erst verständlich und darüber auch die Handlungslogiken der Akteure begreifbar macht (Fenno 1986; 1990). Ethnographische Elemente sind ebenfalls dem Aufbau seiner Werke zu entnehmen. So lässt er an vielen Stellen autobiographische Elemente in seine Texte einfließen, um die Umstände bestimmter Felderfahrungen zu erläutern und zu reflektieren. Der Aufbau seiner Werke ist zudem oft episodenhaft und versucht aus der dichten Beschreibung einzelner Fälle generalisierbare Erkenntnisse für die Erforschung der politischen Repräsentanten zu gewinnen. Für Fenno spielt dabei auch die räumliche Ebene, nämlich das Verhalten der Kongressmitglieder in Washington im Unterschied zu den Wahlbezirken eine entscheidende Rolle. So unterscheidet er beispielsweise zwischen „Constituency Career“ und „Washington Career“ (Fenno 1978: 215) und damit einhergehend verschiedenen Techniken und Taktiken, seine Ziele vor Ort zu erreichen. Dabei zeigt sich, dass sich an beiden Orten jeweils verschiedene Netzwerke mit unterschiedlichen Akteuren herausbilden, die je nach den spezifischen Anforderungen (Wahlkreis oder Hauptstadt) unterschiedlich zusammengesetzt sind. Es spielen vor allem persönliche Kontakte und Vertrauensbeziehungen eine entscheidende Rolle (Fenno 2007: 172). Die Möglichkeiten dieser tiefgehenden explorativen Analysen führt Fenno dabei stets auf seinen engen Kontakt zu den Kongressmitgliedern zurück und damit auf die explizit ethnographische Ausrichtung seiner Arbeit.

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Ethnographien haben dabei oft spezifische physische Raumausschnitte und deren Nutzer in den Fokus genommen (Becker 1963) oder sich spezifischen sozialen Gruppierungen zugewandt (Wacquant 2003).

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4.2 ANSATZ DER ARBEIT: DER VERGLEICH QUALITATIVER FALLSTUDIEN In der Auseinandersetzung mit ethnographischer Forschung und dem methodischen Ansatz der Theorie der Praxis kam ich relativ schnell zu der Einsicht, dass viele der vorgestellten Positionen und Argumente zu der Bearbeitung meiner Fragestellung praktikabel und sinnvoll sind. Mir erscheint es so sehr vielversprechend, den Materialkorpus nicht nur auf die Generierung und Auswertung qualitativer Interviews und das Sammeln von Dokumenten zu beschränken, gerade weil dadurch einerseits die subjektive Realität der Feldteilnehmer nur zu einem kleineren Teil ans Licht kommen würde. Zudem liefert das ethnographische Forschungsprogramm den Vorteil, den Prozess der Generierung von Erkenntnissen durch meine eigene subjektive Sicht als Teil der Erkenntnis und für den Leser sichtbar erfassen zu können. Jedoch erscheinen mir nicht alle Ideale ethnographischer Forschung für mein Projekt praktikabel und sinnvoll. Ich spreche daher in der Folge von qualitativen Studien. Bevor ich nun aber die einzelnen Elemente und Schritte meiner Arbeit beschreiben möchte, werde ich einige generelle Überlegungen zu der Art dieser Studie und die damit verbundenen methodischen Grundpositionen anstellen. Zunächst einmal verstehe ich meinen Forschungsprozess als einen zweistufigen. Zuerst besteht die Aufgabe darin, zwei voneinander getrennte qualitative Studien über die nationalen politischen Felder von Berlin und Madrid und die Bedeutung des Raums für diese anzufertigen. Der zweite Schritt ist sodann der Vergleich beider Studien, wie bereits bei den einzelnen Fällen, zunächst anhand der entwickelten Arbeitsthesen. Die vorliegende Arbeit lässt sich dadurch, in Ergänzung zum bereits gesagten, als eine vergleichende qualitative Studie bezeichnen (Stake 1994: 237). Das Methodenset im Feld umfasst zunächst leitfadengestützte Interviews, die in beiden Städten durchgeführt wurden. Weitere Quellen stellen Feldnotizen und Protokolle, Dokumente und Pläne sowie andere Formen der Interaktion mit den Feldteilnehmern, wie Beobachtungen, informelle Treffen und Gespräche dar. Ich stelle dabei fest, dass diese Arbeit einerseits die beschriebenen Vorteile verschiedener Datenquellen nutzen kann, gleichzeitig stehe ich aber vor der Aufgabe, ein sinnvolles Konzept zur Inbezugsetzung, der Triangulation zu finden. Der Feldforschungsprozess selbst ist dabei zeitlich wie inhaltlich in zwei Phasen gegliedert. In der ersten Phase wird explorativ vorgegangen, das heißt, prinzipiell ist zunächst einmal alles, was im Rahmen der Fragestellung innerhalb des Feldes passiert, von Bedeutung. Wichtig ist dabei das bereits gewonnene Vorwissen aus der Elitenforschung und der sozialwissenschaftlichen Raum- und

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Stadtforschung sowie die aus diesen Beständen generierten Arbeitsthesen zum Zusammenhang von Feld und Raum. Ziel ist es, im Rahmen dieser Vorüberlegungen Phänomene und Strukturen zu identifizieren, die für die Feldteilnehmer relevant sind. Dies geschieht schon während der Feldforschung und in einer ersten Sichtung und Auswertung des gewonnenen Materials nach dem Verlassen des Feldes. In der zweiten Phase werden bei einem weiteren Feldaufenthalt die fallspezifischen Erkenntnisse einer näheren Betrachtung unterzogen. Hierzu werden gezielt weitere Interviewpartner und zusätzliche Datenquellen herangezogen. Durch dieses Verfahren einer „fokussierten Beobachtung“ (Spradley 1980) können die im Feld gewonnenen Erkenntnisse nicht nur genauer, sondern auch reflektierter analysiert werden und es stellt sich ein Überprüfungseffekt durch die Konfrontation der Feldteilnehmer mit den Ergebnissen der ersten Forschungsphase ein, welcher neue Erkenntnisse liefert und auch mir als Überprüfungsmöglichkeit der eigenen Arbeit dient. Erst nach der Beendigung der zweiten Phase der Feldforschung beginnen die abschließende Analysearbeit und daran anschließend der Vergleich. Im Anschluss an die Ausführungen Bourdieus zu praxeologischer Forschung und den Erkenntnissen der Ethnographie verstehe ich das beschriebene mehrstufige Auswertungsverfahren meines Materials als einen interpretativen Prozess, in dem ich bewusst zu verschiedenen Zeitpunkten eigene Deutungen einbringe. Diese versuche ich dabei in der Verschriftlichung auch kenntlich zu machen.

4.3 METHODISCHES: FORSCHUNGSPRAXIS, AUSWERTUNG UND VERSCHRIFTLICHUNG An dieser Stelle möchte ich die verschiedenen Methoden vorstellen, welche im Laufe der verschiedenen Stufen des Forschungsprozesses zur Anwendung kommen. Ich werde mit den Methoden im Feld beginnen, danach meine Auswertungs- und Triangulationsstrategien darlegen und am Ende auf den Verschriftlichungsprozess eingehen. 4.3.1 Teilnehmende Beobachtung Ein Teil der zu erhebenden Daten soll durch das Verfahren der Teilnehmenden Beobachtung gewonnen werden. Hierunter verstehe ich, in Abgrenzung zu der Definition der Teilnehmenden Beobachtung als ethnographisches Gesamtkonzept, das Beobachten und Hineinversetzen in die soziale Wirklichkeit der zu studierenden Feldteilnehmer (Emerson/Fretz/Shaw 2007: 352; Hammersley/At-

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kinson 1983) und an dieser Stelle nicht die umfassende Forschungsstrategie, die ich als Ethnographie vorgestellt habe. In der Fachliteratur wird die Teilnehmende Beobachtung dabei als ein dauerhafter Prozess, bei dem der Forschende Teil der Untersuchungsgruppe wird, beschrieben (Goffman 1989; Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010). Die Grundidee ist dabei, sich das Vertrauen einzelner Akteure zu erarbeiten und diese intensiv bei ihren für die jeweilige Fragestellung relevanten Handlungen zu beobachten und gegebenenfalls zu befragen. Aufgrund der erwähnten Vorteile ethnographischen Arbeitens halte ich dieses Verfahren für sehr produktiv, um die Handlungsroutinen der Feldteilnehmer verstehen zu lernen. Allerdings birgt es auch eine Reihe von Risiken, welche mich zu Entscheidungen weg von dem eingangs beschriebenen „umfassenden“ Typ der Teilnehmenden Beobachtung geführt haben. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass eine Auswahl getroffen werden muss zwischen einer sehr kleinen Fallzahl, die einer intensiven und zeitaufwendigen Beobachtung unterzogen wird und einem größeren, bei der die mögliche Beobachtungszeit je Feldteilnehmer dementsprechend geringer ist. Diese schwierige Entscheidung ist, wie in fast jeder wissenschaftlichen Arbeit den zeitlichen Ressourcen des Forschenden geschuldet. Während die Vorteile einer kleinen Fallzahl und intensiveren Beobachtung schon besprochen wurden, birgt auch eine größere Anzahl einen erwähnenswerten Gewinn. So ist eines meiner Forschungsziele, das politische Feld in seiner Zusammensetzung inklusive seiner Grenzen und Zugangsvoraussetzungen zu erfassen. Mir ist es hierfür wichtig, verschiedene Akteure mit verschiedenen Positionen innerhalb des Feldes miteinzubeziehen, deren Befragung mir die Möglichkeit eröffnet, allgemeine Schlüsse zu den entsprechenden Kennzeichen des Feldes ziehen zu können, die eben nicht nur auf der subjektiven Wahrnehmung weniger einzelner Akteure beruhen. Das Feld bekommt hierdurch meinem Dafürhalten nach klarere Konturen und wird so genauer beschreibbar. Hinzu kommt zudem die Gefahr, dass durch die spezifischen Charakteristika nationaler politischer Felder, der Zugang zum Feld und zu den relevanten Informationen über die im Feld vollzogene Praxis nicht automatisch gewährleistet sein muss (vgl. Kapitel 4.6.). Diesem Forschungsunterfangen liegt nun die Idee zugrunde, einen Zwischenweg zu finden, welcher nach Möglichkeit die Vorteile beider Varianten unterschiedlicher Fallzahlen miteinander verknüpft. Hierzu werden einerseits leitfadengestützte Interviews geführt, diese aber mit Elementen der Teilnehmenden Beobachtung verknüpft. Beobachten bedeutet dabei, eben jene Handlungen, Gegenstände und Emotionen sichtbar zu machen, die in einem Audio-Mitschnitt und der anschließenden Verschriftlichung nicht erlebbar werden, mir aber trotz-

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dem in der entsprechenden Situation auffallen. Zum Einsatz kommt die Technik der Teilnehmenden Beobachtung dabei bei offiziell geplanten und durchgeführten Interviews, spontanen Treffen, Führungen, aber auch Beobachtungen aus der Distanz. Festgehalten werden die dabei gewonnenen Eindrücke durch Feldnotizen. Das gewonnene Material ist dabei äußerst heterogen in Quantität und Qualität, was zu der Entstehung eines episodenhaften Einblicks in den Alltag des politischen Feldes führt. Durch die nicht langfristige und stetige Anwesenheit im Feld verzichte ich dadurch auf den Anspruch, als Feldteilnehmer wahrgenommen zu werden und nehme stattdessen die Position eines „Feldbeobachters“ ein (Denzin 1989: 53 ff.). Dies alles stützt sich auf meinen Willen, Feldteilnehmer von der Sinnhaftigkeit episodenhafter „Besuche“ in ihrer Realität überzeugen zu können und bedarf zudem der scharfen Trennung zwischen eben dem Material, welches über die Interviews bei allen befragten Akteuren erhoben wird und jenem, welches in der Interaktion und Beobachtung über diese Gespräche hinaus generiert wird. Im wissenschaftlichen Diskurs um eine adäquate Verwendung der Teilnehmenden Beobachtung als Methode der Sozialwissenschaften wurde an vielen Stellen versucht, Standardisierungen als Hilfestellung für die Forschenden zu entwickeln, sei es nun für den Ablauf des Beobachtungsprozesses (Adler/Adler 1998; Denzin 1989; Spradley 1980) oder für die systematische Unterteilung unterschiedlicher Untersuchungsdimensionen, welche die spätere Analyse erleichtern sollen (Spradley 1980). Dieses Forschungsvorhaben sieht den Sinn und Vorteil der Teilnehmenden Beobachtung hingegen in der bereits beschriebenen Flexibilität, auf lokale und situative Gegebenheiten eingehen zu können, um dem Verstehen der individuellen Handlungslogiken innerhalb des Feldes so nah wie möglich zu kommen (Fenno 1990; Amann/Hirschauer 1997; Hammersley/ Atkinson 1983). Daher wird von Formen der Standardisierung der Teilnehmenden Beobachtung vor Beginn der Feldforschung Abstand genommen und vielmehr über die leitfadengestützten Interviews versucht, einen organisierten Einstieg in das Feld zu finden, der zu der Entstehung weiterer tiefergreifender Kontakte führt. Zusammenfassend verstehe ich die Teilnehmende Beobachtung als Erhebungsinstrument aller relevanten Ereignisse im Feld, die nicht über die leitfadengestützten Interviews und das Sammeln von Dokumenten erhoben werden können.

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4.3.2 Interviews und Gespräche Einen zentralen Baustein im Methodenpuzzle dieser Arbeit stellt die Interaktion mit den Feldteilnehmern dar. Dabei kommt es hierzu in verschiedenen Formen, die ich im der Folge kurz näher beschreiben möchte. Vorweg sei gestellt, dass bis auf die leitfadengestützten Interviews das Zustandekommen der verschiedenen Interaktionsformen sich erst im Laufe der Feldforschung als jeweils praktikabel und sinnhaft herausgestellt hat und sodann in das Methodenset integriert wurde. Als erstes sind die leitfadengestützten Interviews zu nennen, auf die sich ein großer Teil der Arbeit stützt. In der Politikwissenschaft kommt das qualitative leitfadengestützte Interview häufig in der politischen Soziologie und Biographieforschung zum Einsatz sowie zur Erfassung von Expertenwissen (Hopf 2012: 350). Expertenwissen wird dabei in der Regel durch Experteninterviews erhoben. Hierbei kommt es vor allem auf die Zentrierung der Fragen auf einen spezifischen Wissensbestand an, der möglichst umfassend abgefragt werden soll (Meuser/Nagel 2009; Hitzler 1998). Teil des Forschungsinteresses dieser Arbeit ist das Expertenwissen der Feldteilnehmer über die Spielregeln und den Aufbau der nationalen politischen Felder. Mehr noch soll aber auch der Alltag der Interviewpartner und die damit verbundene Nutzung und Produktion der politischen Orte im Vordergrund stehen. Auch hier handelt es sich um Wissensbestände, die für die Funktionsweisen des Feldes Relevanz haben, jedoch ist nicht gesichert, dass diese Relevanz den Feldteilnehmern vollumfänglich bewusst ist. Gefragt ist also das Expertenwissen zum eigenen Leben, zu alltäglichen Routinen und Handlungsmotivationen. Der Begriff des Experteninterviews würde durch die Definition eines „Expertentums des eigenen Lebens“ ad absurdum geführt, weshalb ich trotz deutlicher Anleihen in der Folge weiterhin „nur“ von qualitativen leitfadengestützten Interviews sprechen werde. Sinnvolle allgemeine Kriterien für die Durchführung dieser stellen hingegen Merton und Kendall auf: Ziel des Interviews muss eine weitgehende Nichtbeeinflussung der Interviewpartner sein, das Augenmerk wird auf die Spezifität der Sichtweise und Erklärung der Situation durch den Befragten gelegt und die Erfassung eines breiten Spektrums der Bedeutungen (Themen) soll sichergestellt werden. Außerdem spielen die Tiefgründigkeit und der personale Bezugsrahmen aufseiten der Interviewten in der Interviewsituation eine große Rolle (Merton/Kendall 1979: 178). Die Interviewpartner werden in einem zweistufigen Verfahren ermittelt und sodann per E-Mail oder telefonisch kontaktiert. Da zu Beginn der Feldforschung die Informationen über die Zusammensetzung und den Aufbau der nationalen politischen Felder nur aus dem theoretischen Diskurs stammen, wird zunächst

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nach dem Prinzip des Positionsansatzes ausgewählt (Wasner 2004: 122). Entscheidend ist also, wer spezifische institutionelle Positionen innehat, die aufgrund der theoretischen Auseinandersetzung für eine zentrale Position des Inhabers im politischen Feld sprechen. Die Wahl fällt in dieser Phase auf Bundestags- und Kongressabgeordnete, Journalisten mit dem Schwerpunkt der politischen Berichterstattung aus der jeweiligen Hauptstadt und Lobbyisten in Führungspositionen. In einer zweiten Phase werden die ersten Interviewtermine genutzt, um die Namen neuer Gesprächspartner in Erfahrung zu bringen. Entsprechend des Reputationsansatzes geht es dabei nun um die Bewertung der Feldteilnehmer, wen es sich lohnt zu einem Gespräch zu treffen (Wasner 2004: 119). Dies hat nicht nur den Vorteil, dass oft ein einzelnes Treffen zu vielen neuen Kontakten führt und diese deutlich häufiger zustimmen, an der Studie teilzunehmen, da ich über eine vertraute Person an sie herantrete. Außerdem hat dieser Prozess auch einen großen inhaltlichen Wert für die Arbeit. Neben der expliziten Interviewfrage nach zentralen Akteuren des jeweiligen politischen Feldes kann nach Abschluss des Interviews mit der Frage nach weiteren Gesprächspartnern für das Projekt ein erster Abgleich stattfinden. Entsprechen die genannten zentralen Akteure des Feldes den Kontakten, die zur Erforschung eben jenes Feldes weitergegeben werden? Ich habe einen Leitfaden konzipiert, der für die Strukturierung der Interviews mit allen Befragten verwendet wurde (siehe Anhang). Er ist aufgrund der unterschiedlichen Gesprächspartner allgemein gehalten und gliedert sich in zwei große Abschnitte. In einem ersten Abschnitt werden Fragen zum Weg in das politische Feld, der eigenen Position dort sowie der Wahrnehmung des Feldes, seines Aufbaus, seiner Grenzen und Hierarchien gestellt. Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Identifizierung von politischen Orten und ihren Qualitäten sowie die Nutzung dieser Orte durch den Befragten. Der Leitfaden besteht aus acht Kategorien und insgesamt dreißig Indikatoren. Im Rahme dieser Arbeit kommt es außerdem zu spontan geführte Gesprächen: eine Einladung zum Kaffee, eine Führung durch die Räumlichkeiten, die Möglichkeit gemeinsam einen Termin zu besuchen. Diese werden als qualitative Interviews spontan im Feld geführt, sind zumeist gegenstandsbezogen und werden in den Feldnotizen aufgenommen (Spradley 1979a). Dies bietet den großen Vorteil, näher an die Realität der Feldteilnehmer herangeführt zu werden, über die Dinge zu sprechen, die im Feld von Relevanz sind und in einer natürlicheren Dynamik, abseits vom Frage und Antwort-Spiel des leitfadengestützten Interviews zu agieren. Außerdem wird durch den Verzicht auf Aufzeichnung ein zusätzliches Hemmnis ausgeräumt, offen zu sprechen. Jedoch lassen sich diese Ge-

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spräche schlecht planen, geschweige denn im Voraus organisieren, weshalb ich mich dafür entschieden habe, sie als einen zusätzlichen Schritt der Feldforschung zu konzeptualisieren und in der Auswertung den Teilnehmenden Beobachtungen zuzuschlagen. 4.3.3 Protokolle und Feldnotizen Im Rahmen der Feldforschung werden neben der elektronischen Aufzeichnung der leitfadengestützten qualitativen Interviews zwei Instrumente zur Dokumentation der gesammelten Eindrücke genutzt. Während der Arbeit werden Feldnotizen als zentrales Erfassungsinstrument eingesetzt. Aufgezeichnet wird alles, was für die Annäherung an den Forschungsgegenstand relevant erscheint. Der Fokus liegt hierbei nicht nur auf dem Gesagten der Gesprächspartner bei Gesprächen abseits der offiziellen Interviewtermine, vielmehr umfassen die Feldnotizen auch Eindrücke, die im Rahmen der Teilnehmenden Beobachtung entstehen. Sie umfassen Beschreibungen konkreter politischer Orte, Wege und Distanzen zwischen diesen Orten, ihre Besucher und deren Interaktion vor und mit dem Ort und weitere kontextuelle Bedingungen (Friebertshäuser/Panagiotopoulou 2010). Am Ende einer Feldforschungsperiode (zumeist ein Arbeitstag), werden die Feldnotizen in Form eines Protokolls zusammengefasst und bearbeitet. Dabei werden die Beobachtungen zum einen um reflektierende Überlegungen ergänzt, welche die Entwicklung meiner Position im Feld und die entstehenden Beziehungen zu den Feldteilnehmern wiederspiegeln (Atkinson 1992: 5; Emerson/Fretz/Shaw 2007: 352; Hammersley/Atkinson 1980). Zum anderen werden erste Interpretationsversuche des Geschehenen vorgenommen, die vor allem die situativen Eindrücke in ihrer Vieldeutigkeit darstellen helfen. Hierbei versuche ich, das konkrete Geschehen im Kontext seiner feldspezifischen Funktionen zu deuten, was vor allem mit fortschreitender Aufenthaltsdauer im Feld und einem tieferen Verständnis seiner Funktionsweisen von zunehmender Wichtigkeit ist. Geertz nennt diese Form der Dokumentation Dichte Beschreibung (Geertz 1983). Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen von Feldnotizen und Anleitungen, wie diese im Kontext einer Ethnographie anzufertigen seien (Sanjet 1990), allerdings erscheint es mir praktisch am sinnvollsten, auch hier die Form der Feldnotizen dem jeweiligen Kontext der Situation im Feld anzupassen. Sinnvoll im Sinne der Übersichtlichkeit ist hingegen, für die Protokolle eine Einteilung der Notizen hinsichtlich ihrer Art (theoretische Notizen, Observationen im Feld und methodische Notizen) vorzunehmen, wie es Schatzmann und Strauss (1973: 100 f.) sowie Lofland und Lofland (1995: 94) vorschlagen.

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4.3.4 Dokumente und Pläne Ergänzend zu den teilnehmenden Beobachtungen und den qualitativen Interviews sowie ihrer Dokumentation sollen schriftliche Dokumente zur Datengewinnung genutzt werden. Diese werden als eigenständige Quelle begriffen und dienen der Gewinnung zusätzlicher Informationen, die über die eigene Interaktion im Feld nicht oder nur schwer gewonnen werden können. Wissen spezifischer relevanter Akteure, die nicht mehr im Feld aktiv sind oder nicht befragt werden können, kann auf diese Weise auf die Spur gekommen werden. Dokumente sind zudem vor der Feldforschung gesammelt worden, um eine bessere Vorbereitung zu ermöglichen und werden auch im Laufe der Arbeit in den Forschungsprozess mit einbezogen. Der Materialtyp des Dokuments ist jedoch stets vor dem Hintergrund der subjektiven Interpretation des Forschenden zu verstehen und zudem als Interpretation der Realität durch Dritte zu deuten.6 Ich verstehe Dokumente daher als gänzlich separate Quelle und werde daraus gewonnene Daten nicht ohne vorherige Reflexion mit Material aus der Interaktion mit Feldteilnehmern vergleichen (Hodder 1994). Neben wissenschaftlichen Beiträgen kommen Publikationen der Feldakteure und der Institutionen für die sie tätig sind in Frage sowie Medienprodukte wie Zeitungen. Einen besonderen Typ des Dokuments stellen im Rahmen der Fragestelle Pläne und Karten dar. Um die räumliche Dimension politischer Orte verstehen zu können, sollen in dieser Arbeit Beschreibungen ihres Aufbaus sowie ihrer Anordnung eine wichtige Rolle spielen. Diese Informationen lassen sich in vielen Fällen über Stadtpläne oder, im Fall neuer Planungen, Bebauungs- und Masterpläne generieren. Zusätzlich dazu werden in Interviewsituationen die Gesprächspartner ebenfalls nach ihrer räumlichen Wahrnehmung befragt, sie erstellen eigene Pläne politscher Orte und der politischen Stadt. In einigen Fällen kommen hierzu auch Mental Maps zum Einsatz, um den Befragten zu ermöglichen, ihre eigene Realität zu visualisieren (Hopf 2012). Hierbei soll ein leeres Blatt Papier, lediglich mit der Anweisung versehen, dort eine Karte der persönlich relevanten Orte in der Stadt einzuzeichnen, Verwendung finden. Dort wo Mental Maps in der Interviewsituation unpassend erscheinen (und das stellte sich in den meisten Fällen als zutreffend heraus) werden konkrete Orte mündlich oder 6

So beschreibt Garfinkel (1967) im Rahmen einer Studie über Patientenkarrieren, die, in seinen Augen, Fehlerhaftigkeit der Patientenakten, die wiederum dem Personal vor Ort nicht auffällt. Erst durch die Rekonstruktion der Logik des Klinikbetriebs kann Garfinkel im Verlauf seiner Arbeit lernen, wie die Akten zu lesen sind und warum viele Informationen nicht so aufgeführt werden, wie er es erwartet hätte.

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über ihre Bedeutung für den Interviewpartner über die Beschreibung des Alltags abgefragt. 4.3.5 Auswerten und triangulieren In dem Prozess des Verfassens der Arbeit habe ich ein Verfahren entwickelt, welches dem gewonnenen heterogenen Datenmaterial gerecht wird und die bereits in der Feldforschung identifizierten Besonderheiten des Feldes und der dort beobachteten Phänomene berücksichtigt. Da es sich um einen großen Datenkorpus, aus verschiedenen Methoden heraus gewonnen, handelt, steht zunächst einmal eine großflächige Sichtung jedes Materialtyps für sich an. Die leitfadengestützten Interviews werden transkribiert und gelesen, die Protokolle und gesammelten Dokumente gesichtet. Danach werden sämtliche Quellen codiert. Hierzu dienen die in der theoretischen Auseinandersetzung generierten fünf zentralen Arbeitsthesen (vgl. Kapitel 3) als ein erstes Kodierschema. So werden Aussagen über den politischen Raum als soziales Feld als (1) kodiert, die Produktion politischer Orte (2), die feldspezifischen Qualitäten politischer Orte (3), die Anordnung und der Aufbau politischer Orte (4) und die Wirkung politischer Orte als (5). In einer zweiten Phase wurde das Codierschema verfeinert und Unterkategorien gebildet. Diese sind in den einzelnen Fallstudien nun als Überschriften der einzelnen Unterkapitel ablesbar und wurden induktiv aus dem Material heraus gewonnen. Danach ist es sinnvoll, die verschiedenen Datenquellen, entsprechend dieser ersten thematischen Sortierung, zueinander in Bezug zu setzen. Benötigt wird hierzu eine sinnvolle Triangulationsstrategie der durch verschiedene Herangehensweisen gewonnenen Daten. Allgemein werden in der Literatur hierzu vor Allem zwei Aspekte hervorgehoben: Die Unterschiedlichkeit des Materials offenzulegen, um ihren Produktionsprozess transparent zu machen und gleichzeitig die Vorteile verschiedener Quellen gewinnbringend im Rahmen einer Inbezugsetzung zu nutzen (Denzin 1978a; Hammersley/Atkinson 1983; Spradley 1980). Dies wird im Rahmen dieser Arbeit konsequent umgesetzt, indem Quellen stets deutlich entsprechend ihres Typs als Interviews, Protokolle und Dokumente benannt und die Kombination verschiedener Datentypen stets kenntlich gemacht wird. Bedeutend bei der Reflexion der Verwendung der verschiedenen Daten ist hierbei die Feststellung, dass es sich bei qualitativen Studien in vielen Fällen, so auch in dieser Arbeit, um eine explizite Triangulation handelt, da bereits im Forschungskonzept eine gezielte Nutzung mehrerer methodischer Zugänge angelegt ist (Flick 2008: 314; Flick 2012). Grund für diese Entscheidung ist dabei zumeist

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das Argument, dass in diesen Fällen eine Validierung der durch jede Methode gewonnenen Daten durch einen anderen Blickwinkel beziehungsweise Datenquelle vorgenommen werden kann (Denzin 1978b: 304). Nach der ersten Kodierung und der ersten vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Datenquellen wird das Codierungsschema entsprechend der gewonnenen Erkenntnisse weiter verfeinert. Hierzu werden die transkribierten Interviews in ihrer Auswertung einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Mayring beschreibt diesen Prozess als die Konstruktion von Sinnzusammenhängen als strukturierende Einheit nach Durchsicht der Texte (Mayring 1996; 1997). Auch Mayring (2012) hält die Triangulation verschiedener Datenquellen während des Auswertungsprozesses für sinnvoll, weshalb eine vergleichende Durchsicht induktive Codierung des Materials vor Durchführung der Inhaltsanalyse nicht widersprüchlich im Rahmen dieses Konzeptes ist. Der Prozess der Inhaltsanalyse wird bereits durch die Vorfestlegung auf die fünf Arbeitsthesen und die relevanten Unterkategorien dieser Arbeit als erste Indikatoren vorstrukturiert. Die weitere Arbeit liegt sodann darin, das Codierschema zu verfeinern und gegebenenfalls komplett neue Indikatoren zu generieren. Der Prozess der Analyse und Interpretation des Datenmaterials im Rahmen einer qualitativen vergleichenden Studie ist zweifelsohne ein sehr stark vom Verfasser geprägter und somit von subjektiven Bewertungskategorien geleiteter Vorgang. Nichts desto trotz ist es gerade dieser Prozess, der gewinnbringend zur Generierung neuen Wissens abseits standardisierter Verfahren beitragen kann. Denzin beschreibt das Verknüpfen im Rahmen der Interpretation des gewonnenen Materials: „I call making sence of what has been learned the art of interpretation.“ (Denzin 1998: 313). Dass dieser höchst subjektive Prozess bereits bei der Arbeit im Feld von Relevanz ist, verdeutlicht eine große Anzahl von Arbeiten, welche sich mit der Reflexion und Interpretation der Rolle des Forschenden bei dem Führen von Interviews und, generell, im Feld und bei dem Verfassen einer Forschungsepisode beschäftigen (Ellingson 1998; Ellis/Kiesinger/Tillmann-Hearly 1997; Sherman Heyl 2007). Daher werden in dieser Arbeit Interviewsituationen nach der Transkription einer anschließenden Beziehungsanalyse unterzogen, entlehnt der Sozialpsychologie und mittlerweile gängig in sozialwissenschaftlichen Ethnographien (Gold 1958; Adler/Adler 1998; Sherman Heyl 2007). Zudem soll auch die Rolle des Forschenden im Feld sowie die Entwicklung im Laufe der Forschung Bestandteil der Arbeit sein (Lüders 2012: 386; Denzin 1989: 164 f.). Dies mit dem Ziel, „die eigenen individuellen, kulturellen, sozialen und existenziellen Voraussetzungen reflexiv durchdringen zu können (Lüders 1995: 321).

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Ziel der Arbeit ist es nun allgemein, die Vorteile ethnographischer Arbeitsweisen und Reflexionsprozesse mit den Vorteilen, die eine stärkere Strukturierung des umfangreichen Materials durch Kodierung mit sich bringt, zu vereinen. Die vorgestellten Schritte stellen hierzu ein erstes Konzept dar. 4.3.6 Vergleichen Die Auswahl zweier Fälle und eines vergleichenden Designs ergibt sich aus den Vorteilen, die ein direkter Vergleich zweier separater Fallstudien mit sich bringt. So können Unterschiede schneller identifiziert und besser begründet werden und als Besonderheiten eines jeden Falles herausgearbeitet werden. Das gleiche gilt für Gemeinsamkeiten bei beiden Fällen. Es lassen sich erste Generalisierbarkeiten über politische Felder und ihr Verhältnis zur Kategorie Raum ableiten, welche natürlich anhand weiterer Fallstudien überprüft werden müssen. Beide Erkenntnisse aus dem Vergleich ermöglichen es zudem, den Prozess der Theoriegenerierung am Ende der Arbeit umfassender, weil auf Grundlage des beschriebenen breiteren Ansatzes zu gestalten. Bedeutend ist für den Erkenntnisgewinn so sowohl, was sich von dem einen auf anderen Fall übertragen lässt aber auch, was gerade nicht. Zum Thema vergleichender Forschung stellt auch Bourdieu fest: „Bekanntermaßen ist der Vergleich in den Sozialwissenschaften eines der wichtigsten Instrumente zur Erfassung und Analyse von Wirklichkeit.“ (Bourdieu 2010: 97). Er nutzt Vergleiche dabei weniger im Sinne vergleichender Fallstudien, sondern vor allem zur Erläuterung seiner Beobachtungen. Hierbei dienen ihm oft historische oder bildliche Beispiele wie die Entwicklung von Kunst und Architektur zur Erklärung gesellschaftlicher Phänomene (Bourdieu 1974). Besondere Bedeutung für das vorgestellte Design haben weiterhin die Überlegungen Borcherts. Er schlägt ein vergleichendes Design vor, um die Besonderheiten und Unterschiede nationaler politischer Klassen herauszustellen, was, mit dem Fokus auf den Raum, auch Ziel dieser Arbeit ist (Borchert 2012a; 2012b). Daloz stellt in Bezug auf die Elitentheorien fest, dass gerade der Vergleich uns lehrt, dass es nicht die eine generelle Theorie der Distinktion geben kann und die empirischen Limitationen einzelner Ansätze nicht zu deren Verwerfung, sondern zu einer eklektischen Anwendung entsprechend ihrer Wirkungskraft führen sollten (Daloz 2007b). Der Vergleich hilft uns also ebenfalls, die Anwendbarkeit des hier präsentierten theoretischen Ansatzes zu überprüfen.

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4.3.7 Verschriftlichen Die vorliegende Arbeit versucht in ihrer Form zwischen klassischen und ethnographisch geschriebenen Studien zu vermitteln. Dabei werden die klaren Vorteile eines ethnographischen Berichts, nämlich die Reflexion des Forschungsprozesses und dessen Verschriftlichung produktiv genutzt. Dabei werden im Schreibprozess die von Hammersley entwickelten Kriterien zur Bewertung ethnographischer Arbeiten durch den Leser, „Güte“ und „Relevanz“ stets aufs Neue hinterfragt (Hammersley 1990). Hierzu strebe ich an, den Leser im Sinne einer „confessional tale“ (Von Maanen 1988: 47) an den Erfahrungen und zwangsläufig unvermeidbaren Urteilen des Forschenden im Feld teilhaben zu lassen, um so ein höchstmögliches Maß an Objektivität bezüglich der Rekonstruktion des Forschungsprozesses zu ermöglichen. In der Verschriftlichung soll zudem Wert daraufgelegt werden, eine reine „registrierende Konservierung“, also die bloße Nutzbarmachung des gesammelten Materials zu vermeiden. Stattdessen werden in einem Prozess der „rekonstruierenden Konservierung“ in der Aufarbeitung individuell und situativ Sinnzusammenhänge hergestellt (Bergmann 1985: 304 f.). Dies geschieht vor allem durch den mehrstufigen Auswertungsprozess und im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse. Auf der anderen Seite möchte ich vermeiden, die Arbeit ihren zentralen inhaltlichen Botschaften im Rahmen der zu beantwortenden Fragestellung zu berauben, indem ich mich und den Prozess der Forschung allzu sehr in den Vordergrund rücke. Zu wichtig sind mir hierzu die Erkenntnisse in Bezug auf generierten Arbeitsthesen und die Möglichkeiten der produktiven Nutzung dieser. Ich habe mich daher entschlossen, die Überlegungen, die sich mit der Reflexion des Forschungsprozesses befassen, in einem eigenen Kapitel zu bündeln (vgl. Kapitel 4.6.). Nichts desto trotz werden auch die weiteren Kapitel, welche die Empirie betreffen immer dort, wo es nötig oder sinnvoll erscheint, Verweise auf ihre Entstehung, die Auswahl des Materials und über die Feldnotizen und Protokolle auch subjektive Bewertungen enthalten. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass diese Arbeit grundsätzlich zugunsten eines besseren Leseflusses die männliche Form von Substantiven wählt.

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4.4 MATERIALSAMMLUNG Die Materialsammlung umfasst die transkribierten Interviews, die aus den Feldnotizen gewonnenen Protokolle und zusätzliche Dokumente. Für diese Arbeit wurden insgesamt 45 Interviews geführt und aufgezeichnet, deren Länge zwischen 45 Minuten und 2:30 Stunden liegt. 25 der Interviews wurden in Berlin geführt, 20 in Madrid. Aus Gründen des Datenschutzes wurden die Interviews anonymisiert, in der Arbeit wird nur auf allgemeine Berufsgruppen im politischen Feld verwiesen wird. Es wird zudem nicht ersichtlich, ob verschiedene Zitate von der gleichen Person stammen. Hier war für mich die Möglichkeit einer Rekonstruktion von Identitäten zu riskant. Die Vereinbarung ur Anonymisierung der Interviews wurde nach den ersten zwei Gesprächen noch einmal angepasst und zugunsten eines umfassenderen Datenschutzes verschärft (sie ist im Anhang beigefügt). Sämtliche Interviewteilnehmer erscheinen unabhängig von ihrem tatsächlichen Geschlecht in der männlichen Form. Lediglich bei einem Interview wird nach Rücksprache mit dem Interviewpartner und seiner Genehmigung auf die Anonymisierung verzichtet. Folgend eine Übersicht der Gesprächspartner entsprechend der groben Einteilung nach beruflichen Profilen, welche eine Identifikation der Gesprächspartner nicht ermöglicht.

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Abgeordnete des Bundestags/ Kongresses Mitarbeiter von Abgeordneten Journalisten Lobbyisten Mitarbeiter in Ministerien Diplomaten Universitätsprofessoren Gastronomen/Hoteliers Gesamt:

Berlin

Madrid

5

4

3 3 11 2

2 5 2 2 1 2 2 20

1 25

Abbildung 1: Teilnehmer der qualitativen Interviews nach Akteursgruppe

An der Verteilung der Gesprächspartner wird deutlich, dass eine Vergleichbarkeit beider Studien anhand der einzelnen Berufsgruppen nur sehr begrenzt möglich ist. Zu unterschiedlich ist hierfür die Zusammensetzung der Interviewpartner in den beiden Fällen. Trotzdem dient die obige Abbildung als eine erste Übersicht, wie sich im Laufe der Studie das Feld der Interviewten gefüllt hat. Wichtig ist hierbei die erwähnte Aufteilung der Feldforschung in zwei Phasen zur Auswahl der Interviewpartner inklusive der Verwendung des Positionsansatzes in der ersten Phase und des Reputationsansatzes in der zweiten. Die Feldnotizen wurden wie erwähnt bereits in der Feldforschung zu Protokollen zusammengefasst und verdichtet. Es liegen 54 Protokolle mit einer Länge von 1-3 Seiten vor. Zusätzliche Dokumente speisen sich aus Textdokumenten und Plänen/ Karten, die entweder online verfügbar sind oder physisch vorliegen. Auch wissenschaftliche Literatur, die der Fallbeschreibung dient, zählt hierzu. Sofern verwendet, werden die Dokumente in den Fließtext der Empiriekapitel eingebunden.

4.5 ZUSAMMENFASSUNG Aus den methodologischen Überlegungen zu Bourdieus Theorie der Praxis und den Diskursen rund um die Ausgestaltung sozialwissenschaftlicher Ethnographien wird für dieses Vorhaben das Konzept einer vergleichenden qualitativen Studie vorgeschlagen. Hierzu werden Daten auf verschiedenem Wege gesammelt, nämlich durch Teilnehmende Beobachtungen, in Interviews und Gesprä-

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chen und durch das Sammeln von Dokumenten und Erstellen von Protokollen. In der Auswertung werden die transkribierten Interviews, die zu Protokollen verdichteten Feldnotizen aus der Beobachtung und die Dokumente zunächst einzeln entsprechend spezifischer Indikatoren codiert und dann erstmalig einem Vergleich der verschiedenen Datenquellen unterzogen. Es folgt eine weitere Codierung, die aufbauend auf einer Inhaltanalyse der leitfadengestützten Interviews die Codierung verfeinert. Anschließend werden die unterschiedlichen Datenquellen erneut verglichen und zueinander in Bezug gesetzt. Dabei werde ich fortlaufend auch interpretieren. Es entstehenden die Fallstudien Berlin und Madrid. In einem letzten Schritt werden beide Fälle in einem Vergleich gegenübergestellt, um Besonderheiten und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Die Arbeit versucht in ihrer Schriftform dabei, zwischen ethnographischen Elementen, also einer reflexiven Position gegenüber dem Feldforschungs- und Auswertungsprozess und einer klassischen inhalteorientierten Position zu vermitteln, indem in den Analysekapiteln die Fragestellung und deren Bearbeitung im Vordergrund steht, im folgenden Kapitel allerdings Phänomene wie der Feldzugangs, die Wahrnehmung des Feldes durch den Forschenden, Beziehungsanalysen aus den Interviewsituationen und weitere Themen mit reflexivem Charakter gesondert behandelt werden.

4.6 EXKURS: ERFAHRUNGEN MIT WISSENSCHAFTLICHER ARBEIT IN NATIONALEN POLITISCHEN FELDERN Die Arbeit in den nationalen politischen Feldern der beiden europäischen Hauptstädte Berlin und Madrid war von verschiedenen Herausforderungen geprägt, denen ich auf vielfältige Art und Weise begegnen musste. Ich möchte im Folgenden anhand der Unterteilung des Forschungsprozesses in die drei Phasen Feldzugang, Arbeit im Feld und Analyse der Ergebnisse aufzeigen, wie sich diese Herausforderungen konkret dargestellt haben und welche Entscheidungen ich getroffen habe, um ihnen zu begegnen. Der Feldzugang dieser Arbeit bezeichnet zunächst die Kontaktaufnahme zu Feldteilnehmern der jeweiligen nationalen politischen Felder und die Vereinbarung zu Interviewterminen. Hierbei stellten sich verschiedene Probleme in beiden Städten ein. Nachdem ich für die erste Phase der Feldforschung gemäß des Positionsansatzes festgelegt hatte, wen ich kontaktieren möchte, setzte ich ein Schreiben auf, in welchem ich um einen Interviewtermin bat (siehe Anhang). Sodann begann im Internet die Suche nach Kontaktadressen, um dieses Schrei-

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ben nach Möglichkeit per E-Mail zu versenden. In Berlin stellte sich dies als, in den meisten Fällen, problemlos durchführbar heraus. Die Abgeordneten des Bundestages haben Websites, auf denen direkte Kontaktmöglichkeiten aufgeführt sind, auch die Hauptstadtkorrespondenten der großen Medien haben entweder eigene öffentliche Email-Adressen oder sind über die jeweilige Redaktion zu erreichen. Die Interessenvertreter sind über das jeweilige Hauptstadtbüro ihres Unternehmens oder ihrer Organisation kontaktierbar. Anders verhält es sich in Madrid. Die Internetauftritte der Abgeordneten sind deutlich weniger umfangreich, eine Kontaktmöglichkeit gibt es in der Mehrzahl nicht. Die Interaktion mit den Bürgern wird häufig über die Plattform Twitter angeboten, welche als Nebenfunktion auch das Senden von Nachrichten an den Kontoinhaber erlaubt. Die Hauptfunktion besteht hier jedoch darin, dass die Abgeordneten im Kurzformat Botschaften teilen oder per Link auf längere Inhalte verweisen. In meiner Feldforschung ist trotz vieler Versuche keine Kontaktaufnahme über Twitter geglückt. Auch bei den Interessenvertretern fiel die Suche schwerer als in Berlin. Die Unternehmen geben online nur in sehr begrenzten Umfang Informationen über einzelne Zuständigkeiten beziehungsweise konkrete Ansprechpartner. Zuletzt sind die Medien zu nennen. Zwar weisen auch die spanischen Zeitungen und Rundfunkanstalten zumeist den Autor bestimmter Artikel oder Beiträge aus, jedoch waren diese stets nur über eine allgemeine Redaktionsadresse zu erreichen, oft kam es zu keiner direkten Kontaktaufnahmemöglichkeit. Insgesamt fiel die erste Kontaktaufnahme mit den Feldteilnehmern in beiden Städten so sehr unterschiedlich aus. Während in Berlin bei einer relativ hohen Rücklaufquote bei vielen Anfragen der Zugang relativ einfach gelang, stellte sich dies in Madrid deutlich schwieriger dar. Von zehn Anfragen, die ich beispielsweise direkt an Kongressabgeordnete richten konnte, bekam ich eine Zusage für einen Gesprächstermin. Ebenso konnte ich einen Interessenvertreter und zwei Journalisten gewinnen. In Berlin konnte ich deutlich mehr Bundestagsabgeordnete kontaktieren und hatte daher zu Beginn der ersten Feldforschungsphase bereits drei Zusagen. Diese verschiedene Dynamik in beiden Feldern änderte sich jedoch im Verlauf der zweiten Phase der Interviewgenerierung stark. Hier ging ich nun zur Gewinnung von Gesprächspartnern entsprechend des Reputationsansatzes vor. In Berlin setzte sich die recht erfolgreiche Interviewakquise fort, die gewonnenen Gesprächspartner empfahlen Kollegen und Freunde, welche für sie zentrale Rollen innerhalb des nationalen politischen Feldes wahrnehmen oder bezüglich der behandelten Themen im Interview über besonders große fachliche Kompetenzen verfügen sollen. In den meisten Fällen wurden mir Email-Adressen wei-

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tergegeben, über die eine direkte Kontaktaufnahme möglich war. Auch in Madrid verlief die zweite Phase der Gewinnung neuer Interviewpartner im Vergleich zu den ersten Versuchen der Kontaktaufnahme gut. Ähnlich den Erfahrungen in Berlin wurden mir Feldteilnehmer vermittelt, welche als besonders zentrale Akteure innerhalb des Feldes wahrgenommen werden oder aufgrund ihrer Kompetenzen als für die Fragestellung dieser Arbeit besonders geeignet wahrgenommen werden. Die Beschäftigung mit städtischer Politik Madrids, mit Bau- oder Planungspolitik, mit spanischer Geschichte oder der Geschichte Madrids im speziellen aber auch Studienabschlüsse in den Sozialwissenschaften wurden hier angeführt. Die Kontaktvermittlung verläuft, anders als in Berlin, zumeist über Mobilfunknummern. Oft wird mit der Nummer der Hinweis gegeben, diese Nummer nicht weiterzugeben. Nur in einem Fall wurde mit als Kontaktmöglichkeit eine E-Mail-Adresse genannt. Meine Erfahrungen mit dem Einstieg in die nationalen politischen Felder beider Städte zeigen daher zusammenfassend zum einen Unterschiedlichkeiten in der Erreichbarkeit der Feldakteure für Außenstehende, verursacht durch unterschiedliche Kommunikationsstrategien mit dem „außerhalb“ des Feldes und zum anderen andere interne Strategien, durch den bevorzugten Weg der „direkten“ Kommunikation über das Mobiltelefon im Gegensatz zu Berlin, wo im größten Teil aller Fälle E-Mailadressen für die Kontaktanbahnung vermittelt werden. Auch während der Arbeit im Feld war ich mit einigen Besonderheiten konfrontiert, welche von mir ein hohes Maß an Flexibilität und oft auch Feingefühl gefordert haben. Zum einen ist die Zeitproblematik zu nennen. Feldteilnehmer des nationalen politischen Feldes beider Städte üben ihrer Selbstwahrnehmung folgend wichtige Tätigkeiten innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Kontextes aus. Dies bedeutet, dass sie im Laufe ihres Arbeitstages stets viele Termine wahrzunehmen haben, die tendenziell höhere Priorität genießen, als die Unterstützung wissenschaftlicher Untersuchungen, welche ihre eigene Arbeitsroutine zum Inhalt haben und damit nicht inhaltliche Schwerpunkte ihrer eigenen Arbeit und der damit einhergehenden Ziele berühren. Als Forschender ist es wichtig, mit dem daraus resultierendem Zeitbudget und manchmal damit einhergehender Unruhe während der Gespräche umzugehen, den Leitfaden der Gespräche an diese Ausgangssituation anzupassen und die nötige Flexibilität mitzubringen, um mit unterschiedlichen Zeitrahmen, die teilweise auch erst spontan entstehen, umzugehen. Oft wurden Gespräche zudem unterbrochen, beispielsweise wenn die Entscheidung eines Feldteilnehmers nötig war, um Arbeitsprozesse der Mitarbeiten weiterführen zu können oder wenn ein wichtiges Telefongespräch geführt werden musste. Einmal wurde zudem ein Interview abgebrochen da eine Abstimmung im Kongress stattfand und der Abgeordnete dieser beiwohnen musste.

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Einhergehend mit der besonderen gesellschaftlichen Position der Teilnehmer nationaler politischer Felder ist zudem die Bedeutung vieler Informationen, die innerhalb des Feldes gehandelt werden. So unterliegen viele Prozesse, Inhalte aber auch soziale Kontakte offiziell oder inoffiziell der Geheimhaltung gegenüber dem Feld Außenstehenden. Praktisch bedeutet dies, dass Abgeordnete, Lobbyisten und Journalisten nicht immer gänzlich transparent machen, auf welche Art ihre eigene Kontaktaufnahme zu anderen Akteuren verläuft, Beziehungen gepflegt werden und welche Interaktionen zu welchen konkreten Zielen führen sollen. Der Grad der Offenheit unterscheidet sich in dieser Arbeit je nach Gespräch sehr stark, auch der jeweils ausgeübte Beruf scheint eine Rolle für die Offenheit der jeweiligen Akteure gegenüber meiner Person gespielt zu haben. Dabei muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass Abgeordnete und Lobbyisten eher die Befürchtung haben könnten, durch Indiskretion Nachteile innerhalb des Feldes zu haben. Ihre Vertrauenswürdigkeit könnte belastet werden. Journalisten hingegen sind mit der Aufdeckung von eben solchen vertraulichen Informationen beschäftigt und agierten daher auch in der Beschreibung ihrer eigenen Praxis deutlich offener. Insgesamt ergibt sich eine weitere Schwierigkeit für die Gesprächsführung. In jedem Fall musste zunächst erkannt werden, wie weit sich der jeweilige Gesprächspartner bereit ist zu öffnen und welche Gesprächsgegenstände nicht für das Interview angemessen waren. Ebenfalls konnte ich in meiner Interviewpraxis feststellen, wie sich in jedem Gespräch eine spezifische Dynamik zwischen den Interviewpartnern und mir herstellte, welche sich, abseits von ganz individuellen Dynamiken in jeder Interviewsituation, vor allem auf meine Position bezüglich des nationalen politischen Feldes bezog. Oftmals wurden zu Beginn des Gespräches Nachfragen über mein Wissen zu tagesaktuellen politischen Ereignissen oder zu Geschehnissen oder Personen, welche in der Vergangenheit eine Rolle für das jeweilige nationale politische Feld spielten, gestellt. Zudem stellte ich fest, dass dieses, von mir als Herantasten an meine Person wahrgenommene Verhalten ergänzt wird um die Nutzung eines spezifischen Vokabulars, welches häufig aus Abkürzungen oder offiziellen Termini bestand, welche ich manchmal nicht verstand. Daraus ergab sich für mich nicht nur die Situation eines Kennenlernens und Abtastens, vielmehr erschien mir das ähnliche Verhalten, die ähnliche Sprache vieler Feldteilnehmer auch als Teil eines vielleicht feldspezifischen Habitus, an den ich mich über meine zunehmende Praxis innerhalb des Feldes versuchte, anzunähern. Ein letzter Punkt, der während der Feldforschung die Arbeit mit beeinflusst hat, war meine eigene Nationalität und Erwartungshaltungen, welche diese bei den Feldteilnehmern der nationalen politischen Felder beider Staaten und Städte hervorgerufen hat. Während in Berlin von mir eine deutlich höhere Sachkenntnis

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bezüglich politischer Themen erwartet wurde, erschien die Befragung der Gesprächsteilnehmer abseits der erwähnten Herausforderungen ansonsten unproblematisch. In Madrid war die Erwartungshaltung bezüglich tagespolitischer Themen deutlich niedriger, dafür wurde in den Gesprächen oft automatisch eine Vergleichssituation zwischen Spanien und Deutschland konstruiert, welche häufig in eine Rechtfertigungsargumentation überging, in der scheinbar schlechtere Eigenschaften Spaniens gegenüber Deutschland behandelt wurden. So waren Themen wie Korruption, die allgemeine wirtschaftliche Situation oder die Professionalität und sachliche Richtigkeit politischer Entscheidungen in Spanien Thema dieser Vergleiche. Ich sah mich in diesen Situationen stets dem Risiko ausgesetzt, wichtige Informationen über die Wahrnehmung der eigenen Situation zu verlieren, indem mir diese quasi einen Schritt weitergedacht, schon am Beispiel Deutschland gespiegelt wurden. Ich habe mich daher sehr früh dazu entschieden, bereits zu Anfang selbst auf diese Problematik hinzuweisen und den Fokus so direkt auf den Fall Spanien zu lenken. So konnte ich zudem implizit klarstellen, dass ich trotz meiner eigenen Nationalität an der Eigenlogik des spanischen nationalen politischen Feldes interessiert bin und dieses nicht nur zur Kontrastierung meiner Erkenntnisse aus Deutschland verwenden möchte. Diese Unterschiedlichkeit meiner Position als Forschender zu dem jeweiligen Feld war zudem auch im Prozess der Analyse des Materials und dessen Verschriftlichung eine große Herausforderung. Herausfordernd vor allem, weil trotz gleicher Fragen, die ich in beiden Städten gestellt hatte, die Ausgangssituation eine andere war und so auch die Ergebnisse in Form der Antworten meiner Gesprächsteilnehmer sicherlich nicht unbeeinflusst hiervon waren. Ich habe mich dafür entschieden, dieses Ungleichgewicht bei der Auswahl der Interviewzitate zu berücksichtigen, indem ich die Feldnotizen zu der jeweiligen Interviewsituation zur Hilfe genommen habe, um möglichst eben jene Zitate und Beobachtungen auszuwählen, welche in einem von der angesprochenen Thematik möglichst wenig betroffenen Interviewsegmenten stattfanden. Zugunsten eines besseren Leseflusses und einer größeren Übersichtlichkeit habe ich auf gesonderte Diskussionen in den einzelnen Fallstudien jedoch verzichtet.

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Im diesem Kapitel möchte ich erklären, warum ich die beiden Fallstudien unter dem Titel der politischen Stadt zusammenfasse und welche Vorstellung der Bedeutung von Stadt ich in diesem Kontext vertrete. Bedeutend ist dabei vor allem auch der bereits vorgestellte theoretische Diskurs über die soziale Produktion von Raum und dessen Relevanz für soziale Prozesse. Anschließend an diese Erläuterungen möchte ich zu meinem zweiten Anliegen kommen und (möglichst knapp) beide Fälle dieser Arbeit, Berlin und Madrid vorstellen. Dabei werde ich versuchen, mich auf eben jene Eigenschaften zu konzentrieren, die für die Fragestellung dieser Arbeit von Relevanz sind. Ich kann im Rahmen dieser Arbeit weder die Geschichten der Stadtentwicklung, noch die der jeweiligen nationalen politischen Felder auch nur annähernd vollständig wiedergeben. Wohl aber möchte ich wichtige Stationen und allgemeine Entwicklungen abbilden. Ich werde abschließend weiterhin deutlich machen, warum sich ein Vergleich dieser beiden Städte besonders lohnt, obwohl sich auch viele andere Vergleichsszenarien anbieten würden.

5.1 STADT ALS PHYSISCH-RÄUMLICHER AUSSCHNITT FÜR EIN NATIONALES POLITISCHES FELD Bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit habe ich die verschiedenen Vorstellungen über die Entstehung räumlicher Arrangements innerhalb des sozialwissenschaftlichen Diskurses vorgestellt. Dabei wurde deutlich, dass die Vorstellung eines räumlichen Behälters, also eines stetigen, klar abgrenzbaren physischräumlichen Bereiches mit konstanten Grenzen für die in ihm produzierten sozialen Bedeutungen heute oft als überholt gilt. Gleichzeitig habe ich darauf hingewiesen, dass berechtigte Kritik an dieser gegenwärtigen Position genau da ansetzt, wo sich die sozialen Gegebenheiten durch bauliche oder institutionelle Ar-

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rangements dauerhaft an einem spezifischen Ort manifestieren. Gebäude haben Mauern, die das Innen von dem Außen trennen. Städte haben administrative wie auch bauliche Grenzen, die für deren Bewohner mit Veränderungen ihrer Handlungsmöglichkeiten einhergehen und je nach Stadt zu unterschiedlichen Lebensbedingungen führen können. Und auch Staaten haben Außengrenzen, innerhalb derer sich ganze Gesellschaften organisieren und eigene Regelwerke produzieren. Eine Voraussetzung für den Vergleich zweier Städte und zweier politischer Felder muss also zunächst einmal sein, dass verschiedene Staaten als Behälter spezifischer Bedeutungen existieren können, auch wenn diese stetig durch die Staatsbürger neu produziert werden müssen und dabei auch Veränderungen erfahren können. Nur dadurch wird zunächst möglich, dass zwei nationale politische Felder an zwei unterschiedlichen Orten Bestand haben und de facto die gleichen Organisations- und Herrschaftsaufgaben innerhalb der jeweiligen Gesellschaft wahrnehmen. Ebenso an die Existenz der Nationalstaaten geknüpft ist die Idee der Hauptstädte. Diese dienen zumeist als Sitz der Exekutive, also der Regierung, wie auch der Legislative, dem Parlament. Die Funktion der Hauptstädte leitet sich dementsprechend daraus ab, dass sich die politischen Akteure, die Feldteilnehmer des jeweiligen nationalen politischen Feldes, an diesem Ort befinden, um Entscheidungen treffen zu können. Dies erscheint sinnvoll, zunächst aus der historischen Perspektive: schnelle Kommunikationswege über große Distanzen via Telefon oder das Internet waren bis vor etwas mehr als 100 Jahren nicht bekannt. Aber auch heute noch dienen die Hauptstädte als Hauptarbeitsplätze der politischen Akteure. Viele institutionalisierte Vorgänge, wie die Plenardebatte, Ausschüsse oder Fraktionssitzungen erfordern nach wie vor die physische Präsenz der Abgeordneten. Um sie herum arbeiten zudem die Mitarbeiter der Parteien, der Ministerien, Journalisten und Lobbyisten. Sie alle profitieren von dem direkten Kontakt untereinander oder sind sogar auf ihn angewiesen. Aus dieser sozialen Realität ergibt sich nun zunächst die Erklärung dafür, dass sich das soziale Feld der nationalen Politik schwerpunktmäßig in einem spezifischen physischen Raumausschnitt aufhält, um einen großen Teil seiner Arbeit zu vollziehen.1 Dieser Raumausschnitt, zunächst einmal als die Hauptstadt an sich begriffen, wird dabei natürlich nicht ausschließlich durch das jeweilige nationale politische Feld genutzt. Andere politische Felder, zum Beispiel je1

Andere Teile der Arbeit können dabei verstreut über das gesamte Gebiet des Staates und darüber hinaus liegen, beispielsweise haben die Abgeordneten Wahlkreise, die in den meisten Fällen nicht der Hauptstadt selbst entsprechen, Minister reisen für Verhandlungen oft in das Ausland.

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nes der kommunalen Politik, sind hier ebenso tätig, wie politik-ferne soziale Felder, wie beispielsweise das künstlerische oder religiöse Feld. Diese Arbeit fragt nun aber gezielt nach Nutzern der Stadt, welche gleichzeitig Teilnehmer des jeweiligen nationalen politischen Feldes sind. Sie fragt nach deren Nutzung des städtischen Raums und nach Orten, die durch die Akteure des Feldes entstanden sind. Sie fragt nach dem sichtbaren und unsichtbaren (nationalen) Politischen der Stadt: nach der politischen Stadt als Ergebnis der sozialen Praxis der Feldteilnehmer gleichermaßen wie als Raum gewachsener feldspezifischer Bedeutungen.

5.2 FALLBESCHREIBUNG I: BERLIN Berlin entstand aus den beiden Siedlungen Berlin und Cölln auf der heutigen Spreeinsel und östlich davon. In seiner Entwicklung wurde es bereits 1448 zunehmend als Kurfürstliche Residenzstadt der brandenburgischen Kurfürsten genutzt und später zur königlichen Hauptstadt Preußens. Erst 1871 konnte Berlin mit der Gründung des Deutschen Reiches erstmals die Funktion der Hauptstadt eines deutschen Flächenstaates für sich reklamieren. Dem vorausgegangen war seit dem Rückzug Napoleons aus Preußen eine Zeit der beginnenden Industrialisierung, starker Bevölkerungszunahme und gleichzeitig einer instabilen politischen Lage (Ulrich/Prell 1992: 210 f.). Mit Wilhelm I. als Kaiser und Otto von Bismarck als Reichskanzler entwickelte sich Berlin entlang von drei Handlungsebenen (Demps 1999: 17 ff.): erstens entlang der neuen zentralstaatlichen Dimension in Politik, Kultur und Wirtschaft. Regierungsgebäude, wie der 1884 begonnene Bau des Reichstagsgebäudes, ausländische Vertretungen, große Museen und Theater aber auch Wirtschaftsverbände siedelten sich an und wurden durch den Bau repräsentativer Gebäude zunehmend in der Gestalt der Stadt sichtbar. Zweitens, entlang der kommunalen Ebene, welche mit der Bereitstellung der Infrastruktur für die staatlichen Bauten und die stetig wachsende Industrie und Bevölkerungszahl stark überfordert war. Drittens, die lokale Ebene, die Lebensrealität der Bewohner, die maßgeblich von den Bezirken und Quartieren abhängig war, in welchen diese lebten und von starken sozialen Ungleichheiten und schnellen Veränderungen geprägt war. Berlin und die Berliner befanden sich in einem Zustand der nachholenden Entwicklung gemäß der neuen Rolle als Hauptstadt, einmal in Konkurrenz zu den anderen urbanen Zentren Deutschlands, auf der anderen Seite aber auch im Vergleich mit europäischen Weltstädten wie London und Paris, welche die Hauptstadtfunktion unbestritten und schon deutlich länger ausfüllten (Erbe 1999: 52 f.).

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Bereits um 1910 hatte Berlin sich zu einer der größten Städte der Welt entwickelt. Sie war mit vielen Vororten zusammengewachsen und hatte innerhalb ihrer engen administrativen Grenzen 2,2 Millionen Einwohner (ebd.: 60). Rund um die Wilhelmsstraße war bereits zu dieser Zeit ein Regierungsviertel entstanden, viele Ministerien hatten sich dort in ehemaligen Palais nahe dem Reichstag niedergelassen, auch die Reichskanzlei befand sich hier. Der erste Weltkrieg führte zu einer deutlichen sozialen Destabilisierung und stockenden Entwicklung der Stadt Berlin (Sösemann 1999, S. 114 ff.). Hunderttausende waren ohne geregeltes Einkommen und teilweise auf Hungerhilfe angewiesen. Die verschiedenen Kräfte des gesamten politischen Spektrums lieferten sich im Verlauf der Entwicklungen zum Kriegsende Straßenschlachten, während in Folge der Novemberrevolution nach der Abdankung Wilhelm II. die Weimarer Republik als parlamentarische Demokratie ausgerufen wurde. Die Nationalversammlung tagte fortan in Weimar, nicht zuletzt aufgrund der noch immer unruhigen Lage in der Hauptstadt Berlin. Die Entwicklung der Stadt stockte. Bereits 1920 wurde jedoch das Territorium der Berlins signifikant erweitert, Großberlin entstand. Die bis dato selbstständigen Städte Charlottenburg, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf sowie weitere Gemeinden wurden eingegliedert. Das neue Berlin hatte fast vier Millionen Einwohner und war damit die fünftgrößte Stadt ihrer Zeit. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme konnten in den folgenden Jahren in Teilen gelöst werden und es begannen die „Goldenen Zwanziger Jahre“. Doch die Ruhe war nur oberflächlicher Natur. Politische Kämpfe und die anhaltende Unzufriedenheit vieler Menschen mit der sozialen und wirtschaftlichen Situation führten zum Scheitern der Weimarer Republik und zur Machtübernahme der NSDAP und damit einhergehend zu einem zunehmenden Austausch nicht mit den Nazis sympathisierender Eliten. Mit dem Reichstagsbrand verlor Berlin einen politischen Ort mit großer Symbolkraft. Das Parlament, während der Nazi-Diktatur nur noch ein ScheinParlament, tagte fortan in der gegenüberliegenden Krolloper, auf dem Gelände des heutigen Berliner Platzes. In den Folgejahren wurde Berlin, gesteuert durch Hitlers Pläne zur Umgestaltung der Stadt, während der Olympischen Spiele 1936 als weltstädtische Metropole und ab 1937 im Zuge der Feierlichkeiten zum 700 jährigen Bestehen der Stadt zunehmend auch als die zukünftige „Welthauptstadt Germania“ inszeniert, zu dessen Planung Hitler den Generalbauinspektor Albert Speer berief (Steinbach 1999: 127 ff.). Die Pläne beinhalteten die Zentrierung der wichtigsten politischen Institutionen, wie einer Ruhmeshalle „Große Halle“, einem neuen „Großdeutschen Reichstag“, dem wiederaufgebauten Reichstag, dem Führerpalast und der Reichskanzlei sowie weiterer Prunkbauten rund um

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den heutigen Reichstag und teilweise auf der Spree. Die Pläne blieben zu größten Teilen Phantasie der Nazis, lediglich die Austragungsstätten der Olympischen Spiele und ein Teil des geplanten Prachtboulevards in Ost-West-Richtung im Tiergarten wurden fertiggestellt und im Zuge der Einweihung die Siegessäule auf den Boulevard an ihre heutige Position versetzt. Auch die Nazis nutzten „interimsweise“ die alten Palais rund um den ausgebrannten Reichstag, vor allem aber in der Wilhelmstraße, um dort ihre Ministerien unterzubringen (ebd.: 125). Aber auch neue Gebäude wurden zweckmäßig und außerhalb von Speers Hauptstadtvision gebaut, wie zum Beispiel das damalige Reichsluftfahrtministerium und heutige Bundesfinanzministerium. Durch den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg, in dem Berlin als zu erobernde Hauptstadt eine zentrale Rolle für die Alliierten einnahm, sank die Bevölkerungszahl von 4,3 auf 2,8 Millionen Einwohner, ein großer Teil der Stadt war komplett zerstört, 600000 Wohnungen unbewohnbar. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Berlin in vier Sektoren unter den Siegermächten Großbritannien, den USA, Frankreich und der Sowjetunion aufgeteilt. Durch anhaltende Konflikte kommt es zur Abschottung der Alliierten Sektoren vom sowjetisch kontrollierten Umland und damit zur Luftbrücke zur Versorgung des kompletten Westteils der Stadt 1948-1949 (Wettig 1999: 160 f.). 1949 werden die beiden deutschen Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik gegründet (ebd. 166 ff.). Mit der Gründung der beiden deutschen Staaten wurde auch die Entnazifizierung der nun zwei politischen Eliten zunehmend forciert, ein weiterer großer Austausch vieler etablierter politischer Akteure war die Folge. Bonn setzte sich gegen Frankfurt und zuvor schon Kassel und Stuttgart durch und wurde neuer Sitz des Parlamentes und der Regierung und somit auch provisorische Bundeshauptstadt, auch wenn dies Willy Brand erst 1973 erstmals in einer offiziellen Regierungserklärung bestätigt (Süss 1999: 214). Der Ostteil Berlins wurde zur Hauptstadt der DDR. Die politische Teilung Berlins wurde durch den Mauerbau 1961 manifestiert. Durch das Viermächteabkommen konnte die Erreichbarkeit des Westteils der Stadt über das Territorium der DDR sichergestellt werden. West-Berlin wurde bis zur Wiedervereinigung vor allem durch direkte und indirekte Subventionierungen durch die Bundesrepublik entwickelt, rund um den Kurfürstendamm westlich des Tiergartens entstand das neue repräsentative Zentrum der Stadt. In Ostberlin entwickelte sich rund um den Alexanderplatz das neue nationale politische Zentrum der DDR. Neben dem Palast der Republik wurden hierzu zahlreiche Neubauten fertiggestellt, welche Ministerien und andere regierungsnahe Institutionen aufnahmen. Das ehemalige politische Zentrum Deutschlands hin-

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gegen lag direkt im Bereich der Mauer, ein Wiederaufbau kam auf beiden Seiten nicht in Frage. Erst am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer und Berlin wurde wieder zu einer geeinten Stadt und am 3. Oktober 1990 im Rahmen des Einigungsvertrages auch wieder die Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands. Erneut musste das deutsche Parlament, nun inklusive neuer Abgeordneter aus dem „neuen“ Osten des Landes, in der Folge eines Beschluss fassen, welcher den Sitz von Regierung und Parlament bestimmte, den Hauptstadtbeschluss von 1991. Nach langer Debatte wurde dann aber am 21.06. Berlin mit 338 zu 320 Stimmen neben seiner Hauptstadtfunktion nun auch zum Regierungs- und Parlamentssitz ernannt. In der Folge zogen außerdem viele Bundesministerien mit Hauptsitz, die anderen mit Zweitsitz in die Stadt, wobei vereinbart wurde, die Mehrheit der ministeriellen Arbeitsplätze in Bonn zu belassen. Im Herbst 1999 begann die erste Sitzungsperiode im Berliner Reichstagsgebäude. Die Stadt selbst stand zu diesem Zeitpunkt vor großen Herausforderungen. Die Wirtschaft beider Teile der Stadt war in einem schlechten Zustand. Die Industrieanlagen in Ostberlin waren nicht wettbewerbsfähig, Westberlin war über Jahrzehnte nur durch Subventionen der Bundesrepublik über Wasser gehalten worden, beide Stadtteile hatten einen immens hohen Anteil Beschäftigter im öffentlichen Dienst (Hassemer 1999: 531). Der Umzug von Bonn nach Berlin hatte also zunächst auch einen positiven Nebeneffekt, nämlich dass 30000-40000 Arbeitsstellen in die Stadt gebracht wurden (Zeh 1999: 655), welche im Idealfall nicht nur Steuereinnahmen generieren, sondern auch neue Arbeitsplätze in Berlin entstehen lassen sollten. Dies war auch von großer Bedeutung, weil die Hoffnung gegeben war, dass nun, mit dem Umzug der politischen Elite des Landes, auch Vorstände der großen Unternehmen in die Stadt gelockt werden könnten (Teltschik 1999: 685). Auch baulich veränderte sich Berlin im Zuge der Wiedervereinigung und des Hauptstadtbeschlusses stark. Der Pariser Platz wurde wiederaufgebaut. Neubauten, wie die der französischen und amerikanischen Botschaft oder der Akademie der Künste stehen hier Rekonstruktionen, wie dem bekannten Hotel Adlon gegenüber. Der Potsdamer Platz wurde als Vision der Zukunft eines neuen, „weltstädtischen“ Berlins entwickelt. Auch für die neuen Nutzungen in Folge der Entscheidung für den Regierungs- und Parlamentssitz Berlin waren umfangreiche Maßnahmen zu planen und umzusetzen. Alleine 32 Neu- und Umbauten listet das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2000 für die Unterbringung zentraler Einrichtungen wie dem Parlament nebst Abgeordnetenbüros, dem Kanzler und Bundespräsidenten, den Ministerien aber auch einer Betriebskindertagesstätte (BMVBS 2000).

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Grundlage für die Umsetzung dieser Maßnahmen waren weitere Gesetze, welche die Kompetenzen zwischen dem Land Berlin und dem Bund regelten: der Hauptstadtvertrag von 1992 zur Festlegung der Art der Zusammenarbeit, das Berlin-Bonn-Gesetz 1994 zum Umfang der Verlagerungen beziehungsweise zur Menge der in Bonn verbleibenden Arbeitsstellen und letztlich der Hauptstadtfinanzierungsvertrag von 1994, welcher die Finanzierung der Bauten durch den Bund sicherstellte (DSK et al. 2013: 17 ff). Grundlegende Ziele der gemeinsamen Planung waren dabei die gleichberechtigte Eingliederung von Parlament, Regierung, Ländervertretungen und anderer Institutionen mit Bedeutung im Rahmen der Hauptstadtfunktion, die Integration in die gewachsene historische Stadtstruktur, ein Parlament der kurzen Wege zu schaffen, der zielgerichtete Ausbau der Verkehrs- und technischen Infrastruktur sowie der Ausbau und die Stabilisierung der Wohnungsversorgung (ebd.: 19 ff.). Viele der Maßnahmen waren jedoch zudem in einem hohen Maße symbolisch aufgeladen, versuchten eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft der Stadt zu schlagen. Beispielhaft hierfür ist der Wettbewerb um die Gestaltung des Spreebogens, dem Zentrum der neuen politischen Hauptstadt zu nennen, bei dem der Entwurf von Schultes und Frank gewann. Dieser sah mit dem Band des Bundes die Idee einer symbolischen Verbindung zwischen dem zuvor geteilten Westen und Osten der Stadt vor, dargestellt durch ein bauliches Oval, welches vom Kanzleramt über zahlreiche Bürogebäude reichte und dabei mehrfach die Spree überquerte (Arbeitsgemeinschaft Wettbewerb Spreebogen 1993). Die neue Architektur der Gebäude war dabei auch das Ergebnis eines Diskurses, geprägt von der Ablehnung der gigantomanischen Planungen der Nazis und hin zu einer Architektur, welche ein modernes und angemessen repräsentatives Bild des deutschen Staates zeigen sollte (Kraemer 2005: 85 ff.). Der Bau des Bandes des Bundes ist bis heute nicht komplett abgeschlossen und auch für Ministerien und andere Einrichtungen werden weiterhin neue Gebäude geplant und gebaut. Die politische Hauptstadt Berlin wächst nach wie vor, entgegen vieler Prognosen aus Wissenschaft und Politik (Von Beyme 1999: 638 f.) wird weiterhin Geld investiert und werden weiterhin neue Pläne ausgearbeitet. Prominente Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit sind der Neubau des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesinnenministeriums.

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5.3 FALLBESCHREIBUNG II: MADRID Madrid war bereits 1561 erstmals zur Hauptstadt Spaniens erwählt, seinerzeit von König Felipe II. (Montoliú Camps 1996: 83 ff.; Tovar 1994a: 121 ff.) Es wurde damit zum Sitz der katholischen Monarchie nach der Revolution der Gemeinschaften (Revolución de las Comunidades) (Alvar 1994: 139) und des Spanischen Imperiums. Zuvor änderte sich die de facto Hauptstadt häufig mit den jeweiligen Umzügen des Königs und auch nach 1561 kam es noch insgesamt viermal zum Verlust der Hauptstadtfunktion für Madrid. Bereits 1601 wurde Valladolid, ebenfalls der Vorgänger Madrids in dieser Funktion, erneut Sitz des Königs, erst 1606 kehrte Felipe III zurück nach Madrid. Die Wahl Madrids verwundert zuerst, die Stadt war weder am Meer, noch an einem großen Fluss gelegen, außerdem war sie wirtschaftlich gegenüber anderen Städten wie dem nahe gelegenen und größeren Toledo unterlegen. Für Madrid sprachen jedoch nicht nur die zentrale Lage und die bereits vorhandene große Festung sowie das Vorkommen großer Wasser- und Waldvorkommen. Zudem gehörte dem Königshaus mit dem Casa de Campo bereits ein riesiges Areal in direkter Nachbarschaft zu der Festung. Zuletzt war Madrid keines der drei bestehenden religiösen Zentren des Landes, Santiago de Compostela, Sevilla und Toledo. Ein Streit durch Bevorzugung einer der drei Städte konnte so vermieden werden (Montoliú Camps 1996: 88 ff.) In die darauffolgende Zeit fallen Entscheidungen Felipes III, die für die bauliche Entwicklung der Stadt von großer Bedeutung waren. Der Bau der Plaza Mayor als Zentrum der Stadt wurde 1616 begonnen, die Gärten von Retiro (späterer Retiro Park) wurden 1618 angelegt (ebd.: 99 f.). Auch die folgenden Könige aus der Dynastie der Habsburger modernisierten die Stadt und ihre Infrastruktur, sie bauten zudem repräsentative Gebäude wie die heutige Staatskanzlei im Palacio de los Consejos oder den Palacio Santa Cruz, der das heutige Außenministerium beherbergt. Madrid erlebte eine Zeit der dynamischen Entwicklung und großen Wohlstands (Tovar 1994b: 193 ff.) In Folge des Spanischen Erbfolgekrieges kam das von Frankreich unterstützte Haus der Bourbonen an die Macht (Bravo Lozano 1994: 223 ff.; Cepeda Adán 1994: 291 ff.). Felipe V erweiterte die Stadt in seiner ersten Regierungszeit maßgeblich in Richtung Süden und begann gleichzeitig den Bau des heutigen Königspalastes Palacio Real auf dem Gelände der früheren Festung. In den folgenden Jahrzehenten entstanden unter der Ägide der Bourbonen auch weitere repräsentative Gebäude wie die Casa Real de la Aduana (1769), heute Sitz des Finanzministeriums, der Palacio de Buenavista (1777), momentan als Verteidigungsministerium genutzt aber auch repräsentative Monumente wie der Tri-

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umphbogen Puerta de Alcalá (1769-1778) (Tovar 1994c: 193 ff.). In der gleichen Zeit wurde zudem der Retiro Park von König Carlos III der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die Arbeiten am Prado, dem heute weltbekannten Kunstmuseum begannen (Montoliú Camps 1996: 143 ff.). Durch den Napoleonischen Krieg auf der iberischen Halbinsel, welcher im spanischen Kontext Unabhängigkeitskrieg genannt wird, setzte Napoleon seinen Bruder Jose I als König Spaniens und seinen Platzhalter ein. Madrid war zu dieser Zeit bereits nicht mehr Sitz der Regierung, diese tagte von 1808-1814 in verschiedenen Städten. Jose I war teils blutigen Widerständen in der Bevölkerung ausgesetzt (Espadas Burgos 1994: 441 ff.), gleichzeitig verwirklichte er aber eine ambitionierte bauliche Reformagenda in Madrid. Er schaffte neue öffentliche Straßen und Plätze. Der prominenteste von ihnen ist dabei der Plaza de Oriente direkt vor dem Palacio Real, seinem Königspalast (Navascués 1994: 401 ff.). Nach der Vertreibung der Franzosen aus Spanien kam das Geschlecht der Bourbonen 1813 erneut an die Macht. Unter Isabella II. wurde die spätere Universidad Complutense vom heutigen Stadtrand und der damals eigenständigen Gemeinde Alcalá nach Madrid geholt und 1850 der Palacio de las Cortes als Sitz des Parlamentes eingeweiht. Die Bildung eines Parlamentes war schon 1820 ermöglicht worden, als König Fernando VII gezwungen wurde, die neue und Verfassung von Cádiz, entworfen 1812, anzuerkennen (Bernecker 2006: 64 ff.). Zunächst wurde in der Kirche des Konventes Espíritu Santo getagt, dieses musste dem heutigen Kongress mit dessen Baubeginn 1843 weichen. Mit der einsetzenden Industrialisierung wurde Madrid nun über das Schienennetz leichter aus anderen Landesteilen erreichbar, 1851 nahm der erste Bahnhof an der Stelle des heutigen Hauptbahnhofs Atocha seinen Betrieb auf, über die neu geschaffene Straßenbahn wurde das Zentrum der Stadt, die Puerta del Sol nun auch für äußere Stadtteile erreichbar (Navascués 1994: 401 ff.). Nach dem kurzen Intermezzo der Ersten spanischen Republik nach der Abdankung von Amadeus I. (mit fünf Präsidenten in 23 Monaten), musste Madrid sich unter Alfonso I. und II. den Herausforderungen der fortschreitenden Industrialisierung um die Jahrhundertwende stellen und stand damit vor den gleichen Problemen, wie andere vergleichbare Städte in Europa. Die Einwohnerzahl wuchs rapide, die Versorgung mit Wohnraum und sonstiger Infrastruktur musste so gut wie möglich der steigenden Nachfrage angepasst werden. Neben der Anlage neuer Stadtviertel, allen voran der Ciudad Lineal im Osten der Stadt wurde in dieser Zeit auch die Gran Via als zentrale Prachtstraße in die dicht bebaute Stadt geschlagen. Hierzu mussten fast dreihundert Häuser komplett abgerissen

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werden (Prados de la Plaza 2001: 73 ff.). Außerdem wurde die erste U-Bahnlinie von der Innenstadt nach Tetuán 1919 eröffnet (Rueda 1994: 579 ff.). Die Zweite Spanische Republik wurde 1931 ausgerufen, nachdem die Monarchisten in den Parlamenten der Provinzhauptstädte und auch Madrids die Mehrheiten gegenüber Republikanern und Sozialisten verloren (Fernández García/Bahamonde Magro/Martínez Martín 1994: 603 ff.). Das große Areal Casa de Campo wurde in dieser Zeit dem Besitz des Königshauses entzogen, die Ciudad Universitaria, der Universitätsstadtteil weiter ausgebaut und mit dem Paseo de la Castellana der Grundstein für die künftigen Nuevos Ministerios gelegt, einen monumentalen Gebäudekomplex, welcher verschiedene Ministerien aufnehmen sollte und noch heute Sitz des Arbeits- und Sozialministeriums und des Ministeriums für Bau und Infrastruktur ist (Rueda 1994: 579 ff.). 1939 kommt es nach dreijährigem Bürgerkrieg zur Machtübernahme Francos und seiner Falange (Magone 2004: 3). Bereits die drei Jahre zuvor hatte das Parlament in Valencia und später in Barcelona getagt. Francos Militärregierung bezog Quartier im Palacio del Pardo, weit außerhalb nördlich der Stadt gelegenen. Während die Stadt wie das gesamte Land während der ersten Hälfte der Diktatur unter der von Franco proklamierten Autarkie-Politik litt, öffnete sich Spanien in den 60er Jahren und es kam auch in Madrid erneut zu wirtschaftlichem Aufschwung (Nohlen/Hildenbrand 2005: 21 f.),. Neue Wohnviertel wurden errichtet, über gesetzliche Maßnahmen entstand dort günstiger Wohnraum, vor allem für Immigranten und Menschen, die im Bau-Bereich arbeiteten und von niedrigen Löhnen lebten. Franco ließ zudem die höchsten Gebäude ihrer Zeit in Spanien, der Torre Madrid und das Edificio España am Plaza España, Symbole der Macht Francos, errichten. Außerdem wurde mit der AZCA (Asociación Mixta de Compensación de la Manzana A de la Zona Comerical de la Avenida del Generalisimo) der Grundstein für das heutige Geschäftsviertel Madrids mit modernen Hochhäusern und Einkaufszentren gelegt (Bahamonde Magro 1994: 623 ff.). Die Diktatur Francos war jedoch auch mit weitreichenden Repressionen gegenüber den Befürwortern der politischen Opposition verbunden. Diese organisierten sich in der Folge im Untergrund und operierten aus dem Ausland. Sichtbar wurde die Opposition lediglich in Form der Gewerkschaften, welche den von Franco geförderten großen staatlichen Unternehmenskonglomeraten gegenüberstanden und in Form von Attentaten auf Franco und andere hohe Regierungsvertreter. Mit der Falange regierte eine Einheitspartei ohne geduldete Opposition. Auch nach dem Tod Francos 1975 und der anschließenden Transición, dem demokratischen Übergang, bleibt Madrid wichtigstes politisches Zentrum des Landes (Tussel 2011). Juan Carlos besteigt den Thron und wird dadurch Francos Nachfolger als Staatsoberhaupt. Auch das neu gewählte Parlament tritt weiter im

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Madrider Kongressgebäude zusammen. Ein gescheiterter Putschversuch der Guardia Civil und von Teilen des Militärs von 1981 nimmt in diesem Gebäude seinen Lauf. Teil der politischen Erneuerung ist zudem die Aushandlung von Autonomievereinbarungen mit den 17 Autonomen Gemeinschaften des Landes, welche nach den Jahrzehnten der Unterdrückung regionaler Identitäten durch Franco nun wieder mehr Eigenverantwortlichkeit fordern. Das politische Zentrum Madrid verliert so an Kompetenzen zugunsten der regionalen Zentren, allen voran Barcelona als Hauptstadt Kataloniens (Hildenbrand Scheid 2008: 133 ff.; Bernecker 2006: 150 ff.). Stetiges Thema ist in dieser Zeit außerdem der Austausch der politischen Eliten und die Behandlung der Verbrechen einzelner Politiker aus der Franco-Zeit. Zwar schreibt der Moncloa-Pakt hierzu eine Amnestie-Regelung vor, trotzdem ist der Protest über den großen Einfluss ehemaliger FrancoSympathisanten groß (Brinkmann 2008; Silva Barrera 2009; Humlebaek 2010). Die Demokratisierung und der spätere Beitritt zur Europäischen Union führen in Madrid zu einem wirtschaftlichen Boom, der sich erneut im Ausbau der Infrastruktur, zum Beispiel durch den Bau neuer Straßen und Metro-Linien, öffentlicher Gesundheitszentren und neuer öffentlicher Räume (besonders prominent die Entwicklung der Flussufer am Rio Manzanares) ausdrückt. Auch das Kongressgebäude wird in dieser Zeit mehrere Male umgebaut, um den neuen Anforderungen durch vergrößerten Personalbedarf des Parlamentes gerecht zu werden. Ähnliche Entwicklungen betreffen den Palacio del Senado, den Sitz der zweiten Kammer, des Senats. Für ihr wird Ende der 90er Jahre ein großer Erweiterungsbau in moderner Architektursprache, fast in Sichtweite des Palacio Real fertiggestellt. Die wirtschaftliche Entwicklung der 90er Jahre führt zu der Entwicklung weiterer umfangreicher Stadtentwicklungsmaßnahmen im Norden und Süden der Stadt. Es soll Platz geschaffen werden für die in großer Anzahl zuziehenden Migranten, sowohl aus anderen Teilen Spaniens, wie auch aus dem Ausland (Kreienbrink 2008: 243 ff.; Kickum 2008). Weitere Modernisierungsmaßnahmen erfolgen durch die Vergrößerung des Flughafens oder den Bau der Cuatro Torres, einem Hochhausensemble mit erheblicher Fernwirkung und Symbolcharakter. Auf diesen Aufschwung folgt die Finanzkrise, welche in Spanien und besonders in Madrid zur Immobilienkrise führt. Steigende Arbeitslosigkeit, eine Welle der Immobilienenteignungen, ein Sterben der öffentlichen Sparkassen, dies sind nur einige der Folgen (García 2010; Romero Cuevas 2012; Jiménez 2009; Flesher Fominaya 2015). Erst im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends beginnt sich die Wirtschaft langsam zu erholen.

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5.4 GEMEINSAMKEITEN UND UNTERSCHIEDE DER FÄLLE: BEGRÜNDUNG DER AUSWAHL Die Gemeinsamkeiten, die zur Auswahl Berlins und Madrids geführt haben, sind schnell zusammengefasst. Zunächst sind beide Städte die Hauptstädte und Regierungs- und Parlamentssitze demokratischer Staaten. Dies hat zur Folge, dass sich eine hohe Anzahl mit der nationalen Politik des Landes befasster Feldteilnehmer zu Arbeitszwecken in diesen Städten aufhält und im Rahmen ihrer feldspezifischen Funktion handelt. Zusätzlich gibt es sowohl in Deutschland wie auch Spanien freie Berichterstattung der Medien sowie die Möglichkeit der Interessenvertretung von Bürger- und Wirtschaftsinteressen. Auch hier ist also anzunehmen, dass weitere Akteure dieser Gruppen das nationale politische Feld der jeweiligen Stadt vergrößern. Beide politischen Systeme verfügen zudem über ein Zwei-Kammern-System, bei dem die zweite Kammer, der Bundesrat beziehungsweise der Senat, die Kammer der territorialen Repräsentation der Bundesländer beziehungsweise der Autonomen Gemeinschaften darstellt. Zwar gibt es zwischen den individuellen Autonomiestatuten zwischen spanischer Zentralregierung und den Gemeinschaften und dem Föderalismus zwischen Bund und Ländern erhebliche Unterschiede, trotzdem ist festzuhalten, dass auch hier weitere Akteure möglicherweise eine Rolle innerhalb des politischen Feldes spielen. Weiterhin sind beide Städte mit ca. 3,5 Millionen Einwohnern in Berlin und 3,2 Millionen in Madrid ungefähr gleich groß, auch wenn die nähere Umgebung Madrids deutlich dichterer besiedelt ist als um Berlin herum und dadurch die Bevölkerungen der jeweiligen Metropolregion, je nach Bemessung, ein Ungleichgewicht der Größe zugunsten Madrids entstehen lassen. Außerdem ist zu erwähnen, dass in beiden Städten auch die Gebäude der zentralen politischen Institutionen, die beiden Kammern des Parlamentes, der Sitz des Staatsoberhauptes, dem König von Spanien und dem Bundespräsidenten von Deutschland sowie die Ministerien innerhalb der Stadtgrenzen liegen. Dies erzeugt eine vermutlich große Sichtbarkeit der Hauptstadtfunktion in beiden Städten. Zuletzt zeigt sich im zeitgeschichtlichem Verlauf, dass beide Städte im Laufe der Jahrhunderte viele Machtwechsel erlebt haben, sei es durch den Wechsel der Könighäuser oder aber durch den Wechsel von demokratischen Regierungen hin zu Diktaturen und wieder zurück in die Demokratie. Auch wenn sich diese Entwicklungen nicht zeitgleich abspielten, so spielen sie sicherlich in beiden Städten eine Rolle für die Entwicklung der Stadt und ihres nationalen politischen Feldes. Auf der anderen Seite lassen sich vor allem im geschichtlichen Verlauf einige wichtige Unterschiede zwischen beiden Fällen aufzeigen. Zunächst hat Ma-

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drid die Funktion als Hauptstadt des heutigen Staates schon deutlich länger inne, als dies in Berlin der Fall ist. Während Berlin erst 1871 mit der Gründung des Deutschen Reiches offiziell Hauptstadt eines deutschen Staates wird 2, wird in Madrid diese Funktion bereits ab 1561 offiziell ausgeführt. Weiterhin ist ein entscheidender Unterschied beider Städte, dass Berlin durch die Teilung der Stadt und des Staates seine Funktion als Hauptstadt teilweise einbüßte, in Ost-Berlin eine de facto neue Hauptstadt aufgebaut wurde und der West-Teil eine solche Rolle nicht mehr besaß. Erst mit der Wiedervereinigung und dem Hauptstadtbeschluss konnte sich Berlin wieder Hauptstadt des vereinigten Deutschlands und Parlaments- und Regierungssitz eben jenes Staates nennen. Madrid hingegen verlor die Funktion als Hauptstadt seit dem Bürgerkrieg 1936-1939 nicht mehr und auch in dieser Zeit handelte es sich nur um eine kurze Pause aufgrund der unsicheren Lage für die damalige Regierung. Die Stadt kann also auf eine konstante Geschichte ihrer Hauptstadtfunktion zurückblicken. Beide Städte können zudem mehrere Situationen aufweisen, in denen es zu einem Austausch eines signifikanten Teils der Akteure des jeweiligen nationalen politischen Feldes kam. Jedoch liegt dieser Austausch inklusive der damit einhergehenden Konflikte in Berlin deutlich länger zurück. Wurde hier nach dem Ende der Nazi-Zeit mit der Entnazifizierung ein starkes Instrument gewählt, entschied man sich in Madrid knapp 30 Jahre später für einen Amnesie-Pakt und damit einhergehend ein Abkommen des Stillschweigens, welches zu Konflikten über den Umgang mit Sympathisanten der damaligen Franco-Diktatur führte. Abschließend lässt sich festhalten, dass sich die beiden Fälle Berlin und Madrid für einen Vergleich hervorragend eignen. Ihren strukturellen Daten nach handelt es sich um eine Most-similar-case-study, da in fast allen Bereichen große Ähnlichkeiten zwischen beiden Städten festzustellen sind. Besonders im Bereich der historischen Entwicklung der Städte, auf der einen Seite dem Zeitpunkt der Übernahme der Hauptstadtfunktion, auf der anderen Seite der Entwicklungen im letzten Jahrhundert, zeigen sich jedoch auch einige interessante Unterschiede. Es wird also Aufgabe dieser Arbeit sein, vor allem bei unterschiedlichen Erkenntnissen in den beiden Fallstudien, die Frage zu stellen, wie dies bei einer ähnlichen Ausgangslage möglich sein kann und inwieweit die wenigen als relevant beschriebenen Unterschiede der Hauptstädte und ihrer nationalen politischen Felder sich hierzu als Erklärung heranziehen lassen (vgl. Kapitel 8.2. und 8.3.).

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Auch wenn es natürlich auch davor schon eine politische Rolle als Residenzstadt und Königliche Hauptstadt Preußens spielte.

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In dem folgenden Kapitel werde ich anhand des umfangreichen gesammelten Materials die in Kapitel 3 aufgestellten Arbeitsthesen anhand des Falles Berlin bearbeiten. Es sind dabei im Arbeitsprozess induktiv zahlreiche Unterkapitel entstanden, welche als Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Interviews, Protokollen und Dokumenten zu verstehen sind. Insgesamt bauen die einzelnen Unterkapitel dabei inhaltlich aufeinander auf und ich versuche nach Möglichkeit die Entwicklung eines Argumentes sowie seine Herleitung aus dem zuvor gesagten transparent darzustellen. Die eigentliche Erzählung möchte ich dabei außerdem nach Möglichkeit den Feldteilnehmern selbst überlassen, um eine größere Nähe zwischen dem Leser und den Akteuren des Feldes zu ermöglichen. Dies führt zwangsläufig zu einer großen Anzahl an Interviewzitaten, welche ich versuche auf möglichst leserfreundliche Art mit dem Fließtext zu verweben. Meine Aufgabe sehe ich in der Folge in der interpretativen Auseinandersetzung mit dem Gesagten und der in der Herstellung einer argumentativen Ordnung. Abschließend möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass ich die Fallstudie Berlin zunächst als einen vom zweiten Fall, Madrid, unabhängigen Teil dieser Arbeit betrachte und daher keine Bezüge herstellen werde.

6.1 POLITISCHER RAUM Der politische Raum beschreibt den Sozialraum des nationalen politischen Feldes von Berlin. Ich werde den Aufbau des Feldes anhand der qualitativen Leitfadeninterviews mit Feldteilnehmern beschreiben und dabei auch auf systematisierende graphische Darstellungen zurückgreifen, die ich aus den Beschreibungen der Akteure ableite. Zunächst möchte ich aber, wieder anhand einer Einteilung durch die Feldteilnehmer, eine Kategorisierung verschiedener Akteursgruppen innerhalb des Feldes vornehmen. Diese soll die Bearbeitung der nachfolgenden

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Arbeitsthesen erleichtern, die Darstellung von Ergebnissen durch die Möglichkeit von Zusammenfassungen verbessern und bereits einen ersten Einblick in die Wahrnehmung der beteiligten Akteure bezüglich des Aufbaus des politischen Feldes geben. Dieser Aufbau des sozialen Raumes wird später zudem mit dem Aufbau des physischen Raumes in Berlin, also der Anordnung der politischen Orte in Bezug gesetzt. Anschließend werde ich, anhand der Berichte über den Arbeitsalltag der Feldteilnehmer und unterteilt in die zuvor aufgestellten unterschiedlichen Kategorien von involvierten Akteuren, darstellen, welche Bedeutung die Interaktion und der persönliche Kontakt innerhalb des nationalen politischen Feldes haben. Dies hat für die weitere Arbeit insofern eine entscheidende Bedeutung, als dass hier Phänomene wie soziale Nähe und Distanz eine Rolle spielen und diese Phänomene später auch im physischen Raum Gegenstand der Analyse sind. Im darauffolgenden Unterkapitel werde ich sodann die für das weitere Vorgehen relevanten Funktionsweisen des Feldes beschreiben. Hierbei geht es um die Mobilität, also die Bewegungen der Akteure innerhalb des hierarchischen Feldes (Aufstieg und Abstieg) sowie die Strategien, die Feldteilnehmer verfolgen, um selbst erfolgreich zu agieren. Damit einhergehend ist die Frage zu klären, welche Kapitalsorten hierfür von Bedeutung sind. Auch diese Themen werden später erneut zentral, wenn es um die Qualitäten und den Einfluss politischer Orte auf die Feldteilnehmer gehen wird. 6.1.1 Aufbau des Feldes Eine der Interviewfragen, die ich jedem meiner Gesprächspartner gestellt habe, bezieht sich auf die Wahrnehmung des Aufbaus des nationalen politischen Feldes aus der Perspektive des jeweiligen Akteurs. Hierbei muss gesagt werden, dass die Befragten zum einen unterschiedliche berufliche Hintergründe haben und weiterhin ihre Aufenthaltszeit im politischen Feld variiert. Ausgewählt wurden die ersten drei Gesprächspartner nach dem Positionsansatz, die weiteren 22 nach dem Reputationsansatz (vgl. Kapitel 4.3.). Das entstandene Sample ist damit nicht repräsentativ, dennoch kann durch die relativ große Anzahl an Interviewten von einem ausreichend großen Überblick gesprochen werden, um die folgenden Aussagen zu Aufbau und Funktion des politischen Feldes zu treffen. Nicht verschwiegen werden soll dabei jedoch, dass es durch die verschiedenen beruflichen Hintergründe und Funktionen der Gesprächspartner zu verschiedenen Gewichtungen und Abgrenzungen kommt. Diese versuche ich in der Folge, wenn gegeben, deutlich herauszustellen.

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Es lassen sich die Antworten auf die eingangs formulierte Frage nach dem Aufbau des Feldes in zwei Dimensionen zusammenfassen, die ich nachfolgend erörtern werden: Erstens, eine Beschreibung des Aufbaus anhand einer Kategorisierung verschiedener Akteursgruppen, die innerhalb des Feldes agieren und relevant für sein Funktionieren sind und zweitens eine Beschreibung des Aufbaus, welche eine hierarchische Bewertung der Bedeutung der entsprechenden Akteursgruppen und einzelnen Akteure für die im Feld verhandelten Regeln und Ziele beinhaltet. Das politische Feld wird in den Gesprächen zunächst in drei zentrale Akteursgruppen unterteilt. Die Politiker, die Interessenvertreter (oder Lobbyisten) und die Medien (oder Journalisten). Diese drei Gruppen werden in allen 25 Interviews als zentrale Akteure des politischen Feldes genannt, egal welcher Tätigkeit der Befragte jeweils selbst nachgeht. Nachgeordnet werden von vielen Gesprächspartnern die Angaben zu diesen drei Gruppen jedoch noch spezifiziert. So werden Bundestagsabgeordnete von allen Akteuren als zentralster Bestandteil der Gruppe Politiker gesehen und oft sogar synonym für diese Gruppe genannt. Danach werden die Mitarbeiter in den Büros der Abgeordneten erwähnt, dies vor allem von ihren Vorgesetzten selbst, jedoch in einigen Fällen auch von Lobbyisten und Medienvertretern. Gleiches gilt für die Parteizentralen und die dort Beschäftigten Parteifunktionäre. Weiterhin sind die Mitarbeiter der Ministerien zu nennen, welche weniger von den Lobbyisten und Medien, jedoch durchaus von den Abgeordneten genannt werden. Schließlich nennen die Abgeordneten und einige Journalisten und Interessenvertreter ebenfalls noch die Vertretungen der einzelnen Bundesländer und deren Mitarbeiter als wichtige Akteure, da viele Arbeitstermine und sonstige Treffen entweder auf Landesebene organisiert werden oder in den Landesvertretungen stattfinden. Umstritten ist dabei, ob die Landesvertretungen in die Gruppe Politiker oder Lobbyisten fallen, da sie zwar die Regierungen der Bundesländer in der Hauptstadt repräsentieren, dies jedoch vor allem als Interessenvertretung auf Bundesebene zu verstehen ist. Die Landesvertretungen versuchen so, über ihre Entscheidungskompetenzen im Bundesrat hinaus, Einfluss auf das nationale politische Feld auszuüben. Ich habe mich dafür entschieden, die Akteure der Landesvertretungen zu den Interessenvertretern zu zählen. „Aber auch ein zweiter Bereich, der sehr stark ausgeprägt ist bei mir, das ist das Thema über den Bundesrat hinaus so eine Art Lobbying, neu-deutsch formuliert. Netzwerken, netzwerken, einfach für die Positionen [des Bundeslandes].“ (Lobbyist)

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Die Gruppe der Lobbyisten wird in vielen Gesprächen zunächst unterteilt, es werden auf der einen Seite die großen Wirtschaftsverbände und die zunehmende Bedeutung einzelner politischer Unternehmensvertretungen angeführt, auf der anderen Seite die NGOʼs und Arbeitnehmerverbände. Der Grund für diese Unterteilung sind die oftmals als gegeneinander gerichtet wahrgenommen Interessen und Ziele. Alle Akteure betonen aber, dass es sich schlussendlich um eine Gruppe mit homogenen Interessen handelt, die nach stets ähnlichen Mustern versucht, Einfluss auf das Geschehen im nationalen politischen Feld, besonders auf die Bundestagsabgeordneten, auszuüben. Auf die Frage, wer denn zu den Lobbyisten zähle: „Alle. Nicht nur die Wirtschaftsverbände, sondern auch NGOʼs. Da gehört Greenpeace dazu, da gehört die katholische Kirche dazu, da gehört die Caritas dazu. Das sind alles Lobbyisten. Ich verwende das in einem neutralen Sinn. Vielleicht auch eher Interessenvertreter. Das ist völlig unspektakulär. Selbstverständlich ist jeder, der mit dem Anspruch auftritt, einen Gesetzgebungsprozess zu beeinflussen und da Interessen zu artikulieren ein Lobbyist und ich mache da wirklich keinen Unterschied und sage dann, das eine ist dann gut, weil sie das Gemeinwohl vertreten wie Greenpeace oder der Bund der Naturfreunde oder, ich weiß nicht, irgendwelche Whale-Watching-Organizations oder Rehstreichler und das andere sind dann böse Lobbyisten, weil sie ökonomische Interessen vertreten. Quatsch!“ (Bundestagsabgeordneter)

Die letzte große Gruppe, die zu nennen ist, sind die Medienvertreter. Diese werden von der Gruppe der Politiker wie auch den Interessenvertretern als ebenfalls homogene Gruppe wahrgenommen. Innerhalb der Gruppe Medien findet jedoch häufig eine explizite Abgrenzung vom professionellen Journalismus der großen Medienhäuser von den immer stärker auf den Markt drängenden „Amateurjournalisten“. Diesen wird zugeschrieben, einerseits ohne Anbindung an ein etabliertes Medium zu arbeiten und zu einem Teil ohne journalistische Ausbildung zu praktizieren. Im Rahmen dieser Arbeit habe ich nur mit Vertretern der ersten Gruppe gesprochen. Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild der verschiedenen Akteursgruppen im nationalen politischen Feld Berlins:

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Politik

Lobby

Medien

Abbildung 2: Sozialraum des politischen Feldes von Berlin I

Die Grafik oben stellt nun einerseits die Gruppierung der Akteure gemäß ihren Tätigkeitsfeldern dar, so wie sie innerhalb des Feldes wahrgenommen werden. Zuvor konnte aber ebenfalls gezeigt werden, dass nicht alle Akteure die gleichen Akteursgruppen als relevant benennen. Ohne dieses erste Ergebnis jetzt einer umfangreichen Analyse hinsichtlich der jeweiligen Verhältnisse zwischen den einzelnen Gruppen unterziehen zu können (dies ist für die Fragestellung der Arbeit auch nicht nötig), so zeigt die Grafik doch das relevante Zentrum des politischen Feldes, welches die Gruppen Abgeordnete, Interessenvertreter und Medien abbildet. Werden die Feldteilnehmer hierzu nun nach dem Vorhandensein einer internen Hierarchie befragt, die den Aufbau des politischen Feldes erklärt, so können weitere relevante Qualitäten des sozialen Raums aufgedeckt werden. Die wichtigste Erkenntnis dabei ist, dass es zumeist tatsächlich hierarchisch gedacht wird. Es gibt ein Zentrum, in dem eben jene Akteure verortet sind, die über eine große Menge an politischem Kapital verfügen und dadurch einen größeren Einfluss auf das Geschehen im Feld haben, Informationen schneller erhalten und austauschen sowie die Produkte des Feldes, die politischen Diskurse und Entscheidungen stärker mitgestalten. Bei dem Versuch, den Umfang des Feldes zu quantifizieren, gehen die Antworten in ihrem Detailreichtum weit auseinander. Eine der konkretesten Aussagen bezüglich des Bereiches der Lobbyisten: „Es sind ganz viele die meinen, das sind tausende, die immer als Heerscharen rumlaufen und ich würde mal sagen, man kann das auf die Konzernvertretungen hier in Berlin reduzieren. Dann gibt es diese vier Lobbyzentren, das ist dieser Kern, der angesprochen wird,

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das ist der Dreißiger, der Adlerkreis, das Kollegium und die Lobby Berlin und da sind wir auch ganz vorsichtig, dass es nicht ausufert. also wie gesagt, keiner dieser Kreise hat mehr als vierzig oder fünfzig Mitglieder. Da hätten sie mal 200 und dann gibt es noch Überschneidungen und ich würde sagen, das sind so die, das ist der harte Kern der 150. Da sind auch Verbandsvertreter mit drin, die Verbände sind natürlich auch sehr wichtig, aber ich sage mal der harte Kern sind diese 150 plus vielleicht ein paar außen rum noch. 500. Aber dann ist es das auch gewesen. Wenn sie wissen, wie viele Unternehmen hier ansässig sind und wie viele, das ist ja nicht mal pro Abgeordneter ein Kollege.“ (Berliner Lobbyist)

In diesem Gespräch wird die Anzahl der Akteure aus dem Bereich Lobbying auf maximal 500 begrenzt. Damit ist nicht die absolute Zahl eben jener zu verwechseln, die in diesem Beruf in Berlin arbeiten, gemeint sind lediglich jene, die für das Funktionieren des nationalen politischen Feldes relevant sind. Der Lobbyismus, so lässt sich zu Ende des Zitates feststellen, konzentriert sich in seiner Arbeit laut diesem Lobbyisten auf die Mitglieder des Bundestages. Ähnliche geäußerte Beobachtungen gibt es von Feldteilnehmern aus allen drei Bereichen. Zumeist wird dabei die Gesamtanzahl von einigen hundert pro Akteursgruppe nicht überschritten. Bundestagsabgeordnete weisen so zum Beispiel darauf hin, dass nicht jeder Abgeordnete zwingend zu den im Feld relevanten Akteuren gehören muss, dafür können die Spitzenfunktionäre in den Parteizentralen diese Funktion durchaus ausfüllen. Während Politik und Lobbyismus in ähnlich großer Zahl vertreten sind, wird die Anzahl an Medienvertretern stets geringer eingeschätzt. Dies liegt nicht zuletzt an den Sparanstrengungen der Medienkonzerne, die unter Umsatzeinbußen leiden und der zunehmenden Konkurrenz durch die bereits erwähnten neuen Medienangebote, die wiederum als eine der Ursachen für die Umsatzeinbußen angesehen werden. Eine andere Art, über die die befragten Feldteilnehmer das politische Feld konzeptionell erfassen, ist über den eigenen Arbeitskontext. Hierbei werden die wichtigsten Ansprechpartner für das eigene erfolgreiche Agieren in den Vordergrund gestellt. Die bevorzugte Art, dies darzustellen, ist über das Konzept von Zirkeln oder Radianten: „Da würde ich in Radianten denken. [...] Das ist der erste Radius: Was wir hier im Team besprechen. Das hat eine ganz zentrale Rolle und jeder ist auch politischer Akteur. Der nächste Zirkel sind die Leute mit denen ich in der Arbeitsgruppe zusammenarbeite. Die sind mir natürlich auch viel näher als alle anderen. Man verbringt einfach mehr Zeit miteinander. Das sind meine politischen Akteure mit denen ich eine hohe Verlässlichkeit habe. Der nächste Zirkel ist meine [Wahlkreis]-Gruppe, dann die Landesgruppe, dann die Fraktion. Das sind sehr konzentrische Zirkel. Als nächstes kommen dann die Akteure der gro-

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ßen Koalition, aber die sind noch wichtiger als die Opposition. Ich bin zwar Seeheimer und habe gute Kontakte zu einzelnen CDU-Abgeordneten. [...] Dann habe ich Leute die aus meinem Bundesland kommen und da irgendwie politisch aktiv sind, etwa die MdLʼs und die mich dann auch mit meinen Kompetenzen in Anspruch nehmen. [...] Ich habe ja auch Lobbyisten, die etwas von mir wollen.“ (Bundestagsabgeordneter)

Im Unterschied zu der numerischen Darstellung zuvor ist hier nun ein persönlicher Bezugsrahmen gewählt, um die Frage nach dem Aufbau des politischen Feldes zu beantworten. Hierbei wird deutlich, dass die persönliche Wahrnehmung des Feldes und die dort beschriebene Bedeutung einzelner Akteure nicht zwingend mit der Bedeutung dieser Akteure für das Feld als solches übereinstimmen muss. Zwar sind beide Modelle das Produkt der persönlichen Sichtweise des jeweils Befragten, jedoch liefert nur das erste Modell Aussagen über die tatsächlichen Hierarchien innerhalb des Feldes, während das zweite eher dazu geeignet ist, Arbeitsabläufe und Arbeitsteilungsprozesse sowie die später noch zu diskutierenden Strategien der Feldteilnehmer zu erfassen. In einigen Gesprächen wurde jedoch mit einem ähnlichen räumlichen Konzept geantwortet, ohne dabei den eigenen Arbeitskontext in den Vordergrund zu stellen. Am detailliertesten wurde dies von einem Pressevertreter ausgeführt: „Man muss sich vorstellen: In Berlin arbeiten tausende von Menschen im Politikbetrieb. Wie ich schon gesagt habe, sind da die Politiker, Lobbyisten und wir von der Presse und noch viele andere. Aber nicht jeder, der hier seine Brötchen verdient, hat auch was zu sagen, ne? Man muss sich das so vorstellen: Von jeder Gruppe sind meistens die Besten auch ganz oben in den entscheidenden Positionen. Und die stehen dann ja auch unabhängig von Parteizugehörigkeit oder ob das Lobbyisten, Journalisten oder sonst was sind in Kontakt miteinander. Und da drum herum gibt es immer größere Kreise mit Leuten drin, die immer weniger zu sagen haben, je größer der Kreis wird.“ (Journalist)

Auch wenn keiner der Interviewpartner derart explizit das Raummodell konzentrischer Kreise für die Beschreibung des Sozialraums mit den Hierarchien innerhalb des politischen Feldes verknüpft hat, finden sich ähnliche Konzepte oder zumindest Hinweise für eine ähnliche Sichtweise in fast allen Gesprächen. Ich möchte diesen Abschnitt über den Aufbau des nationalen politischen Feldes in Berlin also mit einer graphischen Darstellung des gesagten abschließen, welche für die weitere Arbeit die Grundlage bezüglich des Aufbaus des Feldes bilden soll. Anschließend an die erste Abbildung ergibt sich folgendes Bild:

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Spezifische

Position

eines

Feldteilnehmers im politischen

Politik

Lobby

Feld Grenze des Feldes

Abnehmender Einfluss der Akteu-

Medien

re entsprechend ihrer Entfernung vom Zentrum des Feldes

Abbildung 3: Sozialraum des politischen Feldes von Berlin II

Dargestellt sind die drei als relevant eingestuften Akteursgruppen, in ihrer Verteilung sind die Bereiche Politik und Lobbyismus gleich groß, die Medien kleiner dargestellt. Innerhalb der drei Bereiche sind die Akteure entweder weiter vom Zentrum des Feldes entfernt oder näher an diesem dran. Zuletzt lohnt es sich noch einen Vergleich anzustellen. Während die Antworten auf die Frage, wie sich die Feldteilnehmer den Aufbau des politischen Feldes vorstellen, nun behandelt wurde, endete jedes Interview mit der Nachfrage, welche Akteure sich für mich für weitere Gespräche anbieten würden. Abgesehen davon, dass die Motivation, bestimmte Kontaktpersonen zu nennen, natürlich von mehr abhängt, als einer vermeintlich rein objektiven Bewertung des Feldes (zum Beispiel der Sympathie gegenüber dem Interviewer oder der Bewertung der Nützlichkeit eines solchen Gespräches), so lässt sich doch ein allgemeiner Rückschluss ziehen. Die Befragten wählen zunächst, wenig überraschend, Akteure aus, welche sie persönlich gut kennen und deren oft private Kontaktdaten sie weitergeben können. Sie wählen aber in den meisten Fällen auch jene Akteure aus, von denen sie vermuten, dass sie eine möglichst zentrale Position im Feld haben. Damit einher geht die Vermutung, so wird es in einigen Gesprächen explizit geäußert, dass eben diese Feldteilnehmer über die relevantesten Ansichten und Informationen verfügen. Der Rückschluss liegt nahe, dass für Bourdieus Konzept, wer die größte Menge politischen Kapitals, also Wissen über die Regeln des Feldes, vorweise, auch selbst am erfolgreichsten agiere und die führenden Positionen besetze, damit ein Indiz gefunden ist.

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6.1.2 Interaktion im Alltag der Feldteilnehmer Nun möchte ich versuchen, den Arbeitsalltag der Feldteilnehmer darzustellen und zwar mit Bezug auf die Feldtheorie Bourdieus und so einem starken Fokus auf die für diese Arbeit relevanten Aspekte. Natürlich unterscheidet sich der Alltag und auch seine Wahrnehmung durch die Befragten zum Teil je Interview sehr stark, trotzdem lassen sich viele Gemeinsamkeiten erkennen, die vor allem für die Bundestagsabgeordneten, den relevantesten Akteuren der Gruppe Politik, die Lobbyisten und Medienvertreter gelten. Ich werde mich im Folgenden auf eben jene Tätigkeiten konzentrieren, welche eine Interaktion mit anderen Feldteilnehmern voraussetzen, da ich hier die entscheidenden Anhaltspunkte für ein tieferes Verständnis der Feldlogik gefunden habe. Weniger Aufmerksamkeit widme ich damit eben jenen Tätigkeiten, die allein, also abseits des Austausches mit anderen Feldteilnehmern vollzogen werden: die Arbeit am Schreibtisch oder die Repräsentationstätigkeit gegenüber dem Feld Außenstehenden zum Beispiel. Der Interaktion kommt innerhalb des politischen Feldes eine herausgehobene Bedeutung zu. Sie dient einerseits zum inhaltlichen Austausch, sie hat für die Feldteilnehmer aber auch eine soziale Funktion, nämlich die Arbeit an der Qualität der eigenen Kontakte, die Bewertung dieser Qualität durch Kontrolle und die strategische Nutzung des eigenen Netzwerkes für die eigene Positionierung im hierarchisch organisierten politischen Feld. Während über die Konsequenzen dieser Strategien im nächsten Kapitel Auskunft erteilt wird, soll jetzt dargestellt werden, auf welche Art die Feldteilnehmer ihre Interaktion gestalten. Als erste Gruppe betrachte ich die Bundestagsabgeordneten. Wie bereits im vorherigen Abschnitt beschrieben, sind die Kontakte zu anderen Abgeordneten auf vielen Ebenen institutionell verankert. Es wird sich getroffen in der Landesgruppe, in der Fraktion, in Arbeitsgruppen und Ausschüssen. Die Grenzen verlaufen dabei oft nach Parteizugehörigkeit, gute Kontakte zu anderen Parteien sind dabei aber nicht ausgeschlossen. Insgesamt erachten die Akteure die Zusammenarbeit und den Kontakt zu ihren direkten Kollegen als sinnvollen und grundständigen Teil ihrer Arbeit. „Ich versuche mal den Begriff des politischen Flirtens. Es gibt einfach Leute. Zu Anfang sind die erstmal alle freundlich. Jeder Abgeordnete grüßt jeden Abgeordneten freundlich, weil sich wahrscheinlich jeder fragt: wer weiß, wofür ich den nochmal gebrauchen kann. Dass sich dann darüber hinaus Leute finden, die offensichtlich in eine ähnliche Richtung denken und sich auf ein Grundgefühl verlassen und in eine Richtung laufen und sich dann sammeln. Das würde ich schon so bestätigen.“ (Bundestagsabgeordneter)

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Das politische Flirten wird hier als eine Selektionsstrategie für Kontakte beschrieben. Es erklärt, wie persönliche Kontakte zwischen Abgeordneten aufgebaut werden. Zunächst einmal gibt es ein allgemeines Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gruppe der Abgeordneten: man kennt sich und grüßt sich. Dies bereits mit dem Hintergedanken verknüpft, dass jeder Kontakt noch einmal nützlich sein kann. Im Prozess des politischen Flirtens filtert der Feldteilnehmer nun jene Akteure hinaus, welche tatsächlich durch ähnliche oder gleiche Motivationen oder Ziele für ein gemeinsames oder koordiniertes Handeln im politischen Feld von Nutzen sind. Es baut sich so sein eigenes Netzwerk auf. Neben den institutionalisierten Kontakten der Bundestagsabgeordneten können so neue Kontakte und Netzwerke in einer anderen Qualität, auch über Parteigrenzen hinweg, entwickelt und vertieft werden. Schauen wir nun auf die Bewertung der Interaktion mit anderen Akteursgruppen innerhalb der Teilgruppe der Bundestagsabgeordneten. In der alltäglichen Arbeit steht dabei vor allem der Austausch mit Interessengruppen, den Lobbyisten im Vordergrund. Die Funktionen von Interaktionen mit dieser Akteursgruppe fassen die Befragten alle so oder ähnlich zusammen: „Da ist es mal so, mal so. Teilweise ist es so, dass die dann aktiv das Gespräch suchen mit zwei Kriterien: Einmal ist es so, dass sie sagen, wir wollten uns einfach mal vorstellen. Das sind die Dinge, die man in der Regel stecken lässt. Da kann man zum Sommerfest hingehen aber dann hier einen Termin im Büro, das ist Quatsch. Oder die im ganz konkreten Anliegen im Gesetzgebungsverfahren dann ihre Anliegen vorbringen wollen. Wir machen es umgekehrt aber auch, dass wir beispielsweise bei der Mindestlohngeschichte ganz aktiv die Vertreter bestimmter Branchen, also Lobbygruppen, eingeladen haben und gesagt haben: wir wollen mit euch über diese Geschichte reden. Schildert uns das doch mal so aus eurer Sicht.“ (Bundestagsabgeordneter)

Lobbyismus wird also einmal als Informationsangebot und Kennenlernmöglichkeit wahrgenommen. Nicht alle Akteure stehen dieser Qualität so kritisch gegenüber, wie der Interviewpartner im obigen Zitat. Die zweite Dimension des Lobbying ist die konkrete Einflussnahme auf konkrete Produkte des Feldes, nämlich Gesetze oder politische Weichenstellungen. Dabei ist der Lobbyist nicht immer der Bittsteller, oft wird seine Expertise von den Bundestagsabgeordneten auch gewünscht. In beiden Fällen findet hierbei ein Selektionsprozess statt: „Nicht jeder Lobbyist beherrscht sein Fach. Die sind dann zum Teil auch, manche sind da auch ungeschickt in der Art, wie sie etwas präsentieren wollen und das ist dann auch einfach nur ärgerlich und man hat den Eindruck verlorener Zeit. Bei manchen hat man auch

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den Eindruck, dass Treffen überhaupt keinen definierbaren Zweck verfolgen, außer den eigenen Mitgliedsorganisationen sagen zu können, wir haben uns getroffen. Das ist dann noch ärgerlicher.“ (Bundestagsabgeordneter)

Für die Bundestagsabgeordneten ist die Interaktion mit den Lobbyisten stets mit der Frage verknüpft, welchen Wert ein solches Treffen für das eigene Handeln und die eigene Position im Feld darstellt. Dabei muss es nicht zwingend um die Weichenstellung für wichtige Entscheidungen gehen, oft sind durchaus auch neue Kontakte, die später einmal bei der Bearbeitung konkreter Themen von Nutzen sein können, hilfreich für die Abgeordneten. Aus der Perspektive der Lobbyisten wird diese Zusammenarbeit ähnlich wahrgenommen. Auch sie sprechen von verschieden guten Qualitäten der Kontakte und dem Prozess, in dem sich die Zusammenarbeit anhand gemeinsamer Interessen entwickelt. Doch auch innerhalb der Gruppe der Lobbyisten gibt es Strukturen, die in diesem Teil des Feldes die Interaktion strukturieren. Die bereits erwähnten Lobbygruppen sind hierfür das wichtigste und anschaulichste Beispiel. Ihr Aufbau zeigt uns, nach welchen Kriterien bestimmte Akteure miteinander in Kontakt gebracht werden. „Der Adler-Kreis ist wohl der älteste, der heißt Adler-Kreis, glaube ich, weil er sich in einer Kneipe, die Adler hieß, gegründet hat. Das Kollegium ist mal entstanden aus den DAX30-Unternehmen. [...]. Die Lobby Berlin ist mal gewesen die Junge Lobby, weil das Kollegium war nur zulässig für den Leiter der Konzernvertretung und dann hat man irgendwann gesagt, wir hatten eine ganze Menge, so bin ich seinerzeit auch mal da reingekommen, wirklich sehr gute Leute als Nummer 2 einer großen Unternehmensvertretung und da hat man gesagt: Was macht man? Man gründet die Junge Lobby, also das war dann halt mal gegründet aus der Nummer 2 und wir hatten das auch mal altermäßig begrenzt, weil wir nicht überaltern wollen. [...] Dann gibt es noch den 30er-Multiplikatoren-Club, das ist der älteste, hat sich mal in Bonn gegründet und waren, glaube ich, zehn aus der Politik, zehn aus der Wirtschaft und zehn aus den Ministerien. Das waren mal 30. Das sind jetzt aber auch inzwischen Hundert und der ist relativ offen dieser Club [...].“ (Lobbyist)

In den beschriebenen Lobby-Kreisen treffen sich die einflussreichsten Akteure dieses Teils des Feldes. Aufgenommen werden entweder nur die führenden Lobbyisten großer Konzerne, die Nachwuchsführungskräfte oder andere Akteure, die spezifische Positionen innerhalb des Feldes besetzen. Altersbegrenzungen und Statusdefinitionen machen dabei die Grenzen sichtbar. Trotzdem kann es, wie zuvor gesehen, in den Zirkeln auch zu Doppelungen kommen. Ein Inter-

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viewpartner ist gar in allen vier Gruppen vertreten. Spannend ist dabei auch der 30er-Multiplikatoren-Club. Hier kommen Akteure aus drei verschiedenen Bereichen des politischen Feldes zusammen. Neben den Abgeordneten stehen dabei nun auch die Ministerien im Zentrum der Interaktion, was von vielen Lobbyisten und in den Ministerien selbst zumeist mindestens als eine eher weniger bedeutsame Interaktionsform dargestellt wird. Auffällig ist zudem, dass in den bisherigen Schilderungen zu Interaktionsformen der Bundestagsabgeordneten und Lobbyisten die Rolle der Medien nicht aufgegriffen wird. Diese stellen in der Beschreibung ihrer eigenen Aktivitäten jedoch zumeist ebenfalls nur ihren Bezug zu den Bundestagsabgeordneten her: „Darum ist das sehr wichtig eben auch in persönlichen Kontakt zu treten mit den politischen Akteuren. Sie zu treffen, vor allem auch ohne Kameras und Mikrofone, wie man bei uns sagt: im Hintergrund. Im Gesprächsformat unter drei. Wie auch immer. Um zu erfahren, was jenseits dieser öffentlichen Bühne tatsächlich ausschlaggebend ist, welche Kompromisse gemacht werden und warum. Wer mit wem kann und warum oder auch warum nicht. Was am Ende, was für Tauschgeschäfte stattfinden, also was sozusagen alles zu diesem parlamentarischen Willensbildungsprozess gehört, der weit über das hinausgeht, was für die Öffentlichkeit im Plenum inszeniert wird. Da sind die Bundestagsabgeordneten für uns natürlich die zentralen Informationsquellen und die zentralen Ansprechpartner. Da lebt es davon, dass man Kontakte aufbaut, sich ein Netzwerk aufbaut von Leuten, die einem vertrauen und denen man auch selber vertraut, wo man weiß woran man ist, ob die Information verlässlich ist oder nicht. Das entsteht eigentlich nur durch persönliche Begegnung. Hat man die nicht, kommt man eigentlich über diesen Punkt der inszenierten Politik nicht hinaus.“ (Journalist)

Auch die Journalisten beschreiben den Prozess der Interaktion einerseits als eine Tätigkeit zum Aufbau und zur Pflege von Netzwerken, anderseits dient der Austausch mit den Bundestagsabgeordneten auch dem Kerngeschäft der Journalisten, dem Aufspüren von Nachrichten. Gerade für diese Art der Informationen, speziell wenn es um persönliche Beziehungen zwischen den Abgeordneten oder Entscheidungsfindungsprozesse geht, spielt das bereits angesprochene persönliche Vertrauen, welches zwischen den Akteuren aufgebaut wird, eine große Rolle, schließlich sollen sensible Informationen entweder nicht oder in der richtigen Form durch die Journalisten an die Öffentlichkeit gelangen. Bezüglich der Rolle des Lobbyismus äußert sich ein Journalist: „Konkurrenz insofern nicht wirklich, weil die schon ganz anders arbeiten. Ich glaube da haben die Medien in vielen Bereichen zumindest noch einen Wettbewerbsvorteil. Die

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Verbandsleute hier vor Ort die gehen glaube ich anders vor. Da wird viel sicherlich über Veranstaltungen gemacht, über Einladungen gemacht. Da wird ja auch zum Teil viel Geld in die Hand genommen. Klar geht man da auch Mittag essen, aber der Ansatz ist halt ein ganz anderer und ich glaube, gut bei den Verbänden ist es natürlich sehr davon abhängig, was ist es für ein Verband. Manche haben natürlich, manchen Verbänden laufen die Abgeordneten hinterher. Andere haben Probleme Termine zu bekommen. Das ist bei den Medien zum Teil ähnlich. Je größer das Medium, desto leichter der Zugang. Also ob der Spiegel anruft oder wir, ist definitiv ein Unterschied. Aber grundsätzlich würde ich das nicht als Konkurrenzsituation wahrnehmen, Verbände ̶ Medien.“ (Journalist)

Es zeigt sich, dass sich der Teil der Arbeit der Lobbyisten wie auch Journalisten, der auf Interaktion mit anderen Teilen des politischen Feldes ausgerichtet ist, zumeist auf die Bundestagsabgeordneten zentriert. Die Bedeutung der Interaktion zwischen beiden Gruppen findet kaum Erwähnung. Die Bundestagsabgeordneten stellen zunächst die Arbeit an den Beziehungen zu ihrer eigenen Gruppe in den Vordergrund, um dann die Bedeutung des Austausches mit den Lobbyisten zu betonen. Anders als die Medienvertreter selbst, äußern sich die Abgeordneten nur sehr spärlich oder gar nicht zur Bedeutung der Medien für ihre eigenen Netzwerke. Dies muss jedoch nicht zwingend bedeuten, dass diese keine Bedeutung haben, sie werden bloß bei der akteursunspezifischen Frage sehr wenig genannt. Insgesamt bleibt als auffällig festzuhalten, dass alle Befragten den Aufbau von Netzwerken als wichtige Aufgabe für das eigene Handeln darstellen und die Beziehungen zu anderen Akteuren in ihrer Interaktionspraxis stetig einordnen und neu bewerten. Dies scheint Konsequenzen für die Funktionsweise des politischen Feldes und der Positionierung einzelner Akteure innerhalb von diesem zu haben, die ich im nächsten Abschnitt beschreiben möchte. 6.1.3 Funktionsweisen des Feldes Die Funktionsweise des Feldes lässt zu einem großen Teil aus den Konsequenzen der Interaktion der Feldteilnehmer erklären. Dabei stütze ich mich auf Bourdieus Argument, der Kampf um die Diskurshoheit über die politischen Inhalte, die im Feld verhandelt werden, entscheide über Kämpfe oder Spiele, die zwischen den einzelnen Akteuren durch Kapitaleinsatz ausgetragen werden. Diese Interaktionen haben somit für den erfolgreichen Verbleib des einzelnen Akteurs im politischen Feld entscheidende Konsequenzen. Nicht zuletzt deshalb sind sie eine zeitintensive Beschäftigung:

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„Dafür muss man auch viel unterwegs sein, viele Leute auch wirklich, man muss eben wirklich arbeiten an solchen Beziehungen. Das machen die ihrerseits auch. Also die sind natürlich auch froh, wenn sie irgendwie einen Journalisten haben, den sie nur anrufen brauchen und fragen können ‚Sag mal, denkst du, dass dieses Thema vermittelbar ist in deinem Medium, oder einem journalistischen Medium oder lassʼ ich das besser gleich bleiben, oder wie könnt ichʼs anpacken?‘ Oder: ‚Ich hab da was, geh dem doch mal nach, das weißt du aber nicht von mir.‘“ (Journalist)

Nicht nur, dass unter Umständen geheime und relevante Informationen innerhalb der Netzwerke ausgetauscht werden. Die Akteure befinden sich vielmehr in einer Abhängigkeit voneinander, in der stets der Austausch von Informationen das politische Handeln weiter voranbringt und die Akteure innerhalb der Hierarchien des Feldes damit ebenfalls verändert werden. Durch die persönlichen Beziehungen, die sich in den Netzwerken etablieren, entstehen so für jeden einzelnen Akteur Feldeffekte, die seinen Erfolg oder Misserfolg innerhalb beeinflussen. Dabei scheinen sich, angelehnt an die bereits getätigten Ausführungen zu der Unterteilung in inhaltliches Arbeiten und die Netzwerktätigkeit, zwei Kategorien herauszukristallisieren, die als Kapital während der Interaktion der Feldteilnehmer eingesetzt werden. Zunächst einmal ist das Wissen, das Knowhow oder die zur Verfügung stehende Menge an Informationen zu nennen: „Ja, also, man muss zumindest auch wissen, wie der Ablauf eines Gesetzgebungsverfahrens ist, wie Politik funktioniert, wie die Gremien funktionieren. Man muss natürlich schon wissen, wo bringt man sich ein, wir sind ja umgekehrt muss man das auch wissen, wenn man aus dem Haus Nachfragen bekommt. Wen schicken wir denn als (Unternehmensname)? Sollten wir uns dem verweigern oder ist das gerade wichtiger. Muss der CEO gehen oder reicht es, wenn eine Arbeitsebene, ein Fachkollege dort Rede und Antwort steht. Also um das einzuordnen muss man da schon sich in den politischen Alltag stark einarbeiten. Das ist aber möglich, wenn man sich dafür interessiert. Das ist die Kernaufgabe.“ (Lobbyist)

Wie dieser Lobbyist bewerten sämtliche Akteure das Wissen über im Feld relevante Themen und Regeln als einen von zwei entscheidenden Faktoren, um erfolgreich zu handeln. Die Beeinflussung von Entscheidungen als Ziel aller Akteure wird somit mit gesteuert über das Wissen über politische Inhalte und Verfahren zur Durchsetzung der eigenen politischen Interessen. Das zweite politische Kapital, welches bei der Interaktion der Feldteilnehmer gehandelt wird, ist der Ruf:

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„Der Leumund, in Anführungszeichen, der ist schon sehr wichtig. Den kann man sich aber nicht irgendwo anlehnen, sondern den muss man sich wirklich erdienen und erarbeiten. Jahrelang gute Arbeit macht das dann einfach leichter durch die Tür zu kommen, dann weiß man, der dreht einem nicht den Arm um und der versucht auch nicht jemanden über den Tisch zu schieben, sondern jemand, der da wirklich sachbezogen Einfluss nimmt und sich auch engagiert. In der Politik wird auch einfach sehr geschätzt, wenn man sich selber irgendwo engagiert und was tut, was macht und nicht immer nur auf Aufforderung handelt, sondern, wenn man eben auch mal ein Angebot macht, eine Bühne zu geben oder ein Format zu bringen, wo sich dann die Politiker äußern, ohne, dass sie das immer selber erfinden müssen. Was aber auch wichtig ist, ist was ein bisschen dazu gehört, man kann das alles nicht alleine machen. Man muss halt Allianzen haben.“ (Lobbyist)

Der Ruf, den ein Akteur im politischen Feld genießt, lässt sich schwer quantifizieren. Offensichtlich geht es hierbei aber um über die Dauer einer gewissen Zeit gegenüber den anderen relevanten Feldteilnehmern bewiesene Qualitäten, die über das bloße Wissen über die politischen Inhalte und die Beherrschung der Regeln zur Einflussnahme auf diese hinausgehen. Jemand muss sich beweisen, gute Arbeit leisten und dabei auch wahrgenommen werden und zudem langfristig am Ball bleiben, um sich einen guten Ruf zu erarbeiten. Auch hier zeigt sich Bourdieus Konzept des prophetischen oder heroischen Kapitals, als spezielles symbolisches Kapital, welches sich zwar eher auf die Qualitäten richtet, die Feldteilnehmer gegenüber den Laien unter Beweis stellen müssen, jedoch wird dieses Kapital auch feldintern genutzt und in Form eines Kredites durch andere Feldteilnehmer gewährt. Wer sich also einen guten Ruf erarbeitet hat, kann diesen als Kapital innerhalb des Feldes nutzen. Beide Kapitalsorten sind dabei vor allem abhängig von der zeitlichen Dimension, das heißt der Verweildauer des einzelnen Akteurs im Feld: „Ich habe davon profitiert, dass mir andere, wie zum Beispiel Herr [X] immer mal geholfen hat, ich sage mal so und genauso, das hört sich so schrecklich an, das hat was mit Seniorität zu tun, je länger man drin ist, desto mehr kennt man, desto mehr kennt man das Spiel, desto mehr weiß man wo es losgeht und was man nicht, aber es fängt ja auch alle vier Jahre immer wieder mehr oder weniger neu an.“ (Lobbyist)

Das Prinzip der Seniorität beschreibt die mit der Verweildauer im politischen Feld vermehrten beschriebenen Fähigkeiten, die dort geltenden Regeln zu beherrschen. Gleichzeitig zeigt sich aber auch in der Zuschreibung dieser Fähigkeit durch andere, dass diese Person einen bestimmten Ruf genießt. Diesen Ruf verdienen sich die Feldteilnehmer, wie beschrieben, durch erfolgreiche Arbeit im

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politischen Feld über einen gewissen Zeitraum, eine lange Verweildauer kombiniert mit erfolgreichem Handeln des Akteurs führt umgekehrt zu einem guten Ruf. Sie führt zudem zu einem besseren Verständnis der Regeln des Feldes. Es handelt sich zudem um eine Delegation von Vertrauen durch etablierte Akteure innerhalb des Feldes, um an Bourdieus Konzept des delegierten Kapitals anzuknüpfen. Der gute Ruf, den sich Feldteilnehmer erarbeiten können, hat direkte Konsequenzen für ihre Möglichkeiten bezüglich der Bildung und Pflege von Netzwerken. So führt ein erarbeiteter guter Ruf über die durch Netzwerkarbeit gewonnenen Kontakte oft zu der Bildung neuer Kontakte: „Es gibt immer so feste Runden von Journalisten, die Politiker einladen und mit ihnen vertraulich reden. Darüber wird dann nicht berichtet, trotzdem haben diese Gespräche einen gewissen Wert, weil sie da eine gewisse Orientierung bekommen, weil ihnen die Dinge da mal so richtig erklärt werden und nicht nur mit diesen politischen Formelkompromissen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Diese Hintergrundgespräche sind sehr wichtig, um eben in diese Gedankenwelt der Politik hinein zu steigen. Ansonsten ist das ja immer ein Geben und Nehmen. Wir Journalisten sind angewiesen auf die Politiker und ihre Mitarbeiter und umgekehrt sind die Politiker angewiesen auf eine gute Presse. Insofern ist man aufeinander angewiesen, deshalb ist die Kontaktanbahnung nicht so schwierig.“ (Journalist)

Neben der hier beschriebenen gegenseitigen Angewiesenheit der unterschiedlichen Akteursgruppen aufeinander, über die ich bereits gesprochen habe, zeigt sich, dass sich Netzwerke institutionalisieren und auch programmatisch spezialisieren können. Die beispielhafte Idee der Hintergrundgespräche setzt dies zwar nicht zwingend voraus, ist aber förderlich für die Entstehung solcher Netzwerke. Es handelt sich dabei um die Konstruktion eines Rahmens, innerhalb dessen informell über feldrelevante Angelegenheiten gesprochen wird, unter Umständen auch Informationen ausgetauscht werden, die nicht allen gleichermaßen zugänglich sind oder zugänglich gemacht werden sollen. Es ist erkennbar, dass hierfür eine gewisse Struktur geschaffen werden muss, für die das institutionalisierte Netzwerk oder der einzelne Akteur einsteht. Hierbei handelt es sich meiner Erfahrung im Feld nach um Vertrauen. „Aber im Prinzip würde ich das auch unterschreiben, dass wenn du, das mach ich eigentlich immer, dass ich auch erstmal versuche in Vorleistung zu gehen um Vertrauen aufzubauen. Und dann kriegst du in der Regel ja auch was zurück. Also, es gilt ja der Satz: "Man trifft sich immer mindestens zweimal im Leben." Und das ist immer gut, wenn du

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dich das zweite Mal triffst, dass, wenn du einfach einen guten Eindruck hinterlassen hast.“ (Bundestagsabgeordneter)

Die Qualitäten, die über einen guten Ruf durch die langfristige erfolgreiche Tätigkeit im politischen Feld von den Akteuren erarbeitet wurden, ihr politisches Kapital, lassen sich also in einem bestimmten Verhältnis eintauschen in Vertrauen, welches ihnen andere Feldteilnehmer entgegenbringen. Vertrauen kann anders gesagt betrachtet werden als der Blickwinkel eines spezifischen Akteurs auf das politische Kapital und die bisher getroffenen Entscheidungen eines weiteren. Vertrauen kann aber auch institutionalisiert werden über Formate mit bestimmten Inhalten oder durch die Zusammenkunft einer speziellen Kombination von Feldakteuren. Diese gelten dann als ein vertrauenswürdiger Rahmen für Gespräche. Neben den nun vorgestellten Eigenschaften und Strategien, die zu einem erfolgreichen Agieren im Feld führen können, gibt es auf der anderen Seite auch Attribute, die in den Gesprächen mit den Feldteilnehmern als wenig oder zumindest weniger förderlich angesehen werden. Ein Beispiel ist hier die Eitelkeit: „Sehr unterschiedlich würde ich mal sagen. Eitelkeit ist ein Faktor. Dann hat es sicherlich auch mit dem Selbstverständnis zu tun bei einigen, dass man sagt, das ist hier schon auch unsere Aufgabe das hier transparent zu machen. Wobei man sagen muss, dass eine Bürokratie im Allgemeinen wenig Interesse an Transparenz hat. Das ist so meine Erfahrung. Die sind froh, wenn sie in Ruhe gelassen werden. Aber die führenden politischen Beamten haben schon auch Interesse und Spaß am Austausch mit den Medien. Zweitens, wie gesagt, das schmeichelt zum Teil ihrer Eitelkeit. Ich glaube auch schon, dass es durchaus ein Faktor ist, dass der eine oder andere, der einem dann vielleicht auch mal eine exklusive Information rüberschiebt oder ein internes Papier, auch Freude daran hat, zu sehen, was dann daraus wird. Wenn er am nächsten Tag die Zeitung aufschlägt und dann macht die Zeitung XY das als Titelgeschichte, dann fühlt man sich in dem Moment ja auch wichtig. Ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Faktor ist, warum Dinge, wie wir sagen, durchgestochen werden.“ (Journalist)

Zunächst einmal ist der Informationsaustausch, der hier durch den Journalisten beschrieben wird, für diesen und seine Arbeit ein Glücksfall. Er nutzt die Motivation seines Informanten und kommt auf diese Art an für seine Tätigkeit relevante Informationen. Gleichzeitig bedeutet Eitelkeit jedoch auch, dass jemand aus Motiven handelt, die nicht an der Sache orientiert sind, sondern an den eigenen Befindlichkeiten. Während der Informationsaustausch durch den Empfänger also durchaus positiv bewertet wird, lässt sich schnell zu dem Schluss kommen,

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dass nicht alle Akteure über die Weitergabe der Informationen gleichermaßen erfreut sein müssen. Gerade das Vertrauen, dass in den Akteur gesetzt wird, die vertraulichen Informationen entsprechend zu behandeln, leidet, ebenso wie in der Konsequenz der Ruf des Feldteilnehmers, sollten andere Akteure durch die Weitergabe von Informationen Nachteile erleiden und der Informant bekannt werden. Eine andere Sicht auf die beschriebene Handlung könnte so diesen Prozess also durchaus kritisch bewerten. Das Verletzen von ausgehandelten Regeln im Feld wird dann negativ wahrgenommen: „Aber das wichtigste ist dieses Give-and-Take. Es sind auch einige unterwegs vom Staate Nimm, aber die überleben meist nicht lange. Die kommen ganz groß und ganz schnell, sind dann aber nicht dauerhaft.“ (Lobbyist)

Egoistisches Verhalten, die vom „Staate Nimm“, wird von diesem Akteur als besonders inakzeptables Verhalten beschrieben. Es führt zu einem Verlust von Vertrauen, einem schlechteren Ruf und in der Konsequenz zu einer schlechteren Position des Akteurs innerhalb des politischen Feldes. Eitelkeit und Egoismus können so im Zweifelsfall auch Gründe für einen Ausschluss aus dem Feld sein, spätestens dann, wenn die anderen Feldakteure zu einer Zusammenarbeit nicht mehr bereit sind. Einen letzten Fall für einen Feldausschluss, dieses mal ganz konkret, liefert dieser Lobbyist: „Der, der immer sagt, ich bin wichtig und will dabei sein, aber selber nie was dazu beiträgt, Dinge voranzutreiben, der ist dann einfach auch. Dafür ist die Arbeit einfach zu hart und zu anstrengend und zu teuer verdient, als das man da andere, die es dann ja als ihren eigenen Erfolg wieder im Unternehmen verkaufen und damit die Leiter hochschrauben, da achtet man schon drauf.“ (Lobbyist)

Innerhalb des Feldes wird die eigene Leistung mit der Arbeit der anderen Akteure verglichen. Einmal, um die eigene Position einzuordnen, dann um festzulegen, wie viel Arbeit oder Kapital nötig ist, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, aber eben auch, um Akteure zu identifizieren, die sich nicht an die Regeln des Feldes halten und versuchen, ohne das nötige Kapital vorweisen zu können, bestimmte Positionen zu besetzen. Fällt ein solcher Verstoß gegen die Regeln, ein Betrug, auf, kann dies zum Ausschluss aus dem Feld führen. Es zeigt sich, dass die Regeln über die Hierarchien des Feldes durch die Akteure geschützt werden. Das selbst erwirtschaftete politische Kapital, die harte Arbeit, die geleistet wurde, ist den Betroffenen zu wertvoll, um es durch das Akzeptieren unverdienter Akteure in ihren Kreisen zu entwerten.

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6.2 PRODUKTION POLITISCHER ORTE Politische Orte existieren nicht einfach. Sie werden durch die Feldteilnehmer in sozialen Prozessen produziert und sind somit ihr Ergebnis. Im Folgenden möchte ich anhand dieser Vorannahme, abgeleitet aus dem theoretischen Diskurs zu Raum in dieser Arbeit, die räumliche Praxis der Feldteilnehmer des nationalen politischen Feldes in Berlin zunächst beschreiben. Ich möchte aufzeigen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um die Produktion politischer Orte zu ermöglichen. Dabei greife ich ebenfalls auf die Erkenntnisse des vorangegangenen Abschnitts über den Aufbau und die Funktionsweisen des Feldes zurück. Daran anschließend möchte ich die sozialen Produktionsprozesse politischer Orte in den Vordergrund stellen und abschließend mit der Unterscheidung von Produktions- und Konstruktionsprozessen auf die Thematik der Verschiedenartigkeit von temporären und dauerhaften politischen Orten in den Prozessen ihrer Herstellung eingehen. 6.2.1 Die Anwesenheit und Arbeit an einem Ort Die erste Voraussetzung für die Entstehung politischer Orte ist die Anwesenheit von Feldteilnehmern an eben diesen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Produktion politischer Orte im Alltag der Akteure in Berlin geschieht. Werden die Feldteilnehmer nun danach gefragt, wie sie diesen Alltag räumlich strukturieren, unterscheiden sie zunächst einmal zwischen zwei Teilbereichen: ihrem Arbeitsleben und dem Privatleben, außerhalb der Arbeitszeiten. Konkret differenzieren die Feldteilnehmer dabei zwischen dem Teil des Tages, den sie mit ihrer Arbeit innerhalb des politischen Feldes zur Produktion politischer Produkte (also ihren feldspezifischen Handlungen) beschäftigt sind und jener Zeit, die sie mit anderen Dingen verbringen. Ganz unterschiedlich antworten sie dabei auf die Frage, wo die Grenze zwischen beiden Bereichen liegt. Handlungen, wie das Bier nach Büroschluss mit einem Kollegen oder ein gemeinsames Abendessen eines Lobbyisten mit einem alten Bekannten, der zufälligerweise Bundestagsabgeordneter ist, werden unterschiedlich bewertet. Während sich bei letzterem fiktiven Beispiel der Bundestagsabgeordnete vielleicht einfach nur freut, seinen alten Bekannten wiederzusehen, kann das gleiche Treffen für den Lobbyisten mit der Erwartung verbunden sein, einen nützlichen Kontakt für die eigene Arbeit zu gewinnen. Die Wahrnehmung von Arbeits- und Privatzeit ist somit in diesem Beispiel unterschiedlich und in der Konsequenz als insgesamt höchst subjektiv zu bewerten. Eine allgemeingültige Klärung lässt sich daher nicht finden, was für die weitere Arbeit an einer Definition für die Produktion politischer Orte zu-

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nächst einmal schwierig ist. Trotzdem betonen die Interviewten in den Gesprächen die Bedeutung dieser Trennung für ihre Tätigkeit im politischen Feld und machen sie damit für die weitere Arbeit zu einer bedeutenden Dimension. Bevor wir uns also den konzeptionellen Schwierigkeiten widmen, soll kurz exemplarisch gezeigt werden, was mit „vor Ort sein“ und dem Arbeitsalltag der Akteure gemeint ist. So ist für viele Feldteilnehmer der Aufenthalt in Berlin de facto synonym mit einem fast schon pausenlosen Arbeitstag. Dies trifft vor allem für die Bundestagsabgeordneten zu, die ihren Wahlkreis und Hauptwohnort nicht in Berlin oder der Umgebung haben und ihre Routine folglich so oder ähnlich beschreiben: „Ich komme hier Sonntagmorgen an, fahre direkt zu meiner Wohnung und lese ein paar Sachen, um mich auf die Woche vorzubereiten. Wir haben viele regelmäßige Termine. Und drumherum ist man immer beschäftigt. Also, privat bin ich eigentlich nie in Berlin. [...]. Ich meine, meine Familie und Privatleben habe ich in [Wohnort], hier bin ich nur zum Arbeiten.“ (Bundestagsabgeordneter)

Hier handelt es sich um ein für die Feldakteure bereits recht extremes Beispiel, einerseits was die Intensität des Arbeitsalltags angeht, andererseits aber auch die Trennung von Arbeits- und privater Zeit. Nicht bei jedem Akteur sind die Arbeitszeiten derart lang, nicht bei jedem wird Berlin so strikt mit der beruflichen Tätigkeit gleichgesetzt. Tendenziell trifft die Aussage jedoch auf viele Feldteilnehmer der Teilgruppe der Abgeordneten zu. Die Arbeitszeit nutzen die Akteure dabei sowohl für ihre eigenständige inhaltliche Arbeit, wie auch für die Interaktion mit anderen Feldteilnehmern, wie bereits beschrieben. Dabei kann es auch zu noch extremeren Fällen einer Fokussierung auf den Arbeitsalltag kommen: „Auch schon Fälle gehabt, wo Leute vier Jahre im Bundestag waren und waren nie mal ein Wochenende hier oder sind mal ein bisschen ausgreifend geworden und haben geguckt, was es hier [in Berlin] so alles gibt.“ (Bundestagsabgeordneter)

Natürlich haben nicht alle Gruppen des politischen Feldes einen deckungsgleichen Arbeitsalltag, wie die Bundestagsabgeordneten, die in den meisten Fällen auch in den Sitzungswochen zwischen Berlin und ihrem Wahlkreis pendeln. Ähnlich sind jedoch bei allen die Sichtweisen bezüglich der Trennung von privater und Arbeits-Zeit. Es zeigt sich aber, dass das bloße Anwesend-sein an einem Ort nicht ausreichend ist, um die Produktion politischer Orte zu erklären, da hierdurch noch

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nicht erklärt wird, wie Orte spezifische Bedeutungen erhalten, die über die individuelle Haltung eines einzelnen hinausgehen. Ort können so zwar individuell bedeutsam sein, jedoch nicht für andere Feldteilnehmer oder das Feld selbst. 6.2.2 Interaktion als Produktionsprozess Die Ausführungen zu der Anwesenheit der Feldakteure als Voraussetzung für die Produktion politischer Orte brachten das Problem einer Definition von Arbeitszeit in Abgrenzung zu privater Zeit mit sich. Diese Definition ist jedoch von zentraler Bedeutung, da über das Verständnis davon, wann eigentlich die Arbeit innerhalb des Feldes stattfindet und was als Arbeit wahrgenommen wird, auch ein Rahmen dafür geschaffen wird, um zu verstehen, wann, wo und wie politische Orte entstehen können. Ich möchte also nun, im Anschluss an die Überlegungen zur Funktionsweise des politischen Feldes, eine Konzept vorschlagen, welches den Begriff der Arbeitszeit inhaltlich füllt und gleichzeitig nach außen abgrenzbar macht. Dabei widerspreche ich jedoch den Aussagen einiger Akteure im Feld, dies jedoch nur auf den ersten Blick. Zunächst habe ich schon eine Einteilung der feldrelevanten Aktivitäten der Akteure vorgenommen, um die Funktionsweise politischer Felder zu verstehen. Hierzu habe ich zwischen der Interaktion mit anderen Feldteilnehmern und anderen Tätigkeiten unterschieden, in denen die Interaktion keine Rolle spielt. Ich habe in der Folge den Fokus auf die Interaktionsprozesse gelegt, begründet damit, dass ich hier die relevanten Handlungen der Akteure für die Erklärung der feldspezifischen Funktionsweisen vermute. Es konnte gezeigt werden, dass über diese Interaktionsprozesse die Funktionsweisen und Regeln des Feldes aus Sicht der Akteure ausgehandelt und angewandt werden. Auch wenn die eigenständige, interaktionsunabhängige Arbeit der Feldteilnehmer nicht irrelevant ist, beispielsweise durch die Produktion des Kapitals Kompetenz, welches sich zu einem großen Teil aus in Eigenarbeit angeeigneter Sachkenntnis speist, lässt sich das politische Feld doch nur über die Aushandlung der Beziehungen der einzelnen Akteure zueinander und die daraus resultierende Interaktion untereinander erklären. Nur über diese soziale Dimension des Feldes lassen sich so die Produktionsprozesse der politischen Produkte erklären, welche in Aushandlungsprozessen zwischen den mit verschieden viel politischem Kapital ausgestatteten Akteuren gehandelt werden. Dies hat zweierlei Folgen: Zunächst einmal können wir das Dilemma bei der Bewertung einzelner Aktivitäten als Arbeitszeit oder privater Zeit lösen indem wir jegliche Interaktion von Teilnehmern des politischen Feldes als potentiellen

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Einflussgeber auf die Dynamik des Feldes, die Qualität der Beziehungen und die Entstehung politischer Produkte definieren. Damit ist nun, wie angekündigt, einigen Akteuren widersprochen, die sich in den Interviews anders geäußert haben. Ein privates Essen zweier Feldteilnehmer ist nämlich somit per se ein relevanter Prozess, auch wenn er von dem Befragten selbst nicht als ein solcher wahrgenommen wird. Es erscheint aber gleichzeitig wahrscheinlich, dass nicht alle Feldteilnehmer die Dynamiken und Funktionsweisen des Feldes auf die gleiche Art wahrnehmen und deshalb bestimmte Mechanismen nicht erkennen können. Gerade die Bedeutung des Netzwerkens, des Aufbauens privater Kontakte zu anderen Feldteilnehmern, erscheint mir für einen solchen blinden Fleck prädestiniert, schließlich führt es nicht zwingend zu direkt sichtbaren Resultaten in Bezug auf die individuelle Position im Feld. Die zweite Folge dieser Festlegung ist, dass wir nun konkrete Aussagen über die Produktion politischer Orte tätigen können, die über die Anwesenheit einzelner Akteure an eben diesen hinausgehen. Dadurch, dass nun die Interaktion der Feldteilnehmer als das zentrale Handlungsinstrument der Akteure innerhalb des Feldes identifiziert wurde, kann nun auch festgehalten werden, welche Voraussetzungen zur Produktion politischer Orte führen. Zunächst einmal ist die physische Anwesenheit von mindestens zwei Feldteilnehmern Voraussetzung hierfür. Neben der bloßen Anwesenheit ist aber auch ihr Austausch, die Interaktion von Bedeutung.1 Hierbei spielt es, wie schon gesagt wurde, keine Rolle, ob der Austausch zu Themen erfolgt, welche direkt die Diskurse und Produkte des Feldes betreffen. Vielmehr kann jede Interaktion zu einer Veränderung der Hierarchien, Bündnisse und verhandelten Inhalte im nationalen politischen Feld Berlins führen. Beispiele für die Produktion politischer Orte werden in allen Interviews genannt. Der Alltag der Feldakteure ist, sowohl in der Arbeitszeit, oft aber auch in der als privat bezeichneten Zeit voll von Interaktionen mit anderen Feldteilnehmern. In ihren Berichten ist dabei oft kein konkretes politisches Ziel genannt, wie hier: „Es gibt hin und wieder auch privat organisierte Sachen. Gestern Abend war so ein Fall. Da hat ein alter politischer Wegbegleiter, der jetzt gar nicht mehr politisch aktiv ist aber 1

Natürlich gibt es auch nonverbale Kommunikation, welche manchmal mehr aussagen kann als das gesprochene Wort. Außerdem kann bei Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern auch das bloße Bemerken der Anwesenheit eines anderen Akteurs eine Rolle spielen. Die Voraussetzung der Interaktion, in der Folge zumeist als verbale Kommunikation von den Feldteilnehmern beschrieben, hat also verschiedene Dimensionen

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vielleicht nochmal politisch aktiv werden könnte… Der hatte einfach eingeladen und hatte auch eine ganz interessante Runde eingeladen. Sagen wir mal: eine bestimmte Clique.“ (Bundestagsabgeordneter)

Auch wenn der Bundestagsabgeordnete hier im Gespräch dem Treffen keinen konkreten Zweck im Rahmen seiner Tätigkeit im politischen Feld gegeben hat, so zeigt sich zumindest, dass die Zusammenkunft bestimmter Akteure, privat organisiert, als ein interessanter Austausch beschrieben wird. Geladen hatte zudem jemand, der in der Zukunft durchaus zu einem relevanten Feldteilnehmer werden könnte. Es handelt sich hier um ein zentrales Moment politischer Tätigkeit und ein gutes Beispiel für die Produktion eines politischen Ortes. Dabei können die eigentlichen Orte zunächst einmal sehr unterschiedlich sein. Ein weiteres Beispiel: „Das kann dann auch in Hotelbars, da treffen sich dann die jüngeren Abgeordneten einmal im Monat donnerstags. Da gibt es so eine Bar-Besichtigungs-Tour. Da trifft man sich jedes Mal in einer anderen Bar. Es geht da nicht um die Bar, man findet dann auch einfach leicht den Kontakt zu anderen, auch zu Abgeordneten aus anderen Landesgruppen und das ist eigentlich ganz nett.“ (Bundestagsabgeordneter)

Die Hotelbar und der Prozess des Bar-Hoppings werden von diesem Abgeordneten als austauschbare Variablen beschrieben. Nicht darauf komme es an, sondern mehr auf das ungezwungene Kennenlernen der Akteure, auch über sonst schwieriger zu überwindende Grenzen hinweg. Dass er trotzdem dieses spezifische Setting beschreibt, die Treffen zudem immer in Hotel-Bars stattfinden und er auf die Besonderheit der Situation hinweist, die neue Handlungen ermöglicht, weist aber darauf hin, dass hier doch etwas passiert, was sehr spezifisch mit dem räumlichen Rahmen zu tun hat. Der gleiche, dem Thema dieser Arbeit an vielen Stellen kritisch gegenüberstehende Abgeordnete beschreibt später an anderer Stelle: „Es gibt politische Momente. Ich war schon mit vielen Leuten essen, da denken sie sich, was machen wir hier und bei manchen Gesprächen merken sie, hier passiert jetzt wirklich was. Es entstehen Ideen, es entstehen Möglichkeiten. Man versucht politische Gruppen zu kumulieren und zusammen zu ziehen und eine Bewegung auszulösen, die politisch irgendwann mal im Gesetzblatt landet. Ich würde sagen, es ist eine Sage, dass es politische Orte gibt, aber es gibt politische Momente. [...] Einen politischen Moment können sie genauso im Bundestag haben aber das können sie auch in der Stammkneipe haben.“ (Bundestagsabgeordneter)

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Politische Momente sind Ereignisse, in denen Akteure gemeinsam politische Produkte herstellen, die einen Einfluss auf das politische Feld haben. Das lässt sich aus dem Zitat herauslesen. Wie bereits zuvor stellt dieser Abgeordnete die Zusammensetzung der Akteure und nun auch das richtige Timing in den Vordergrund, um erfolgreiches Handeln im politischen Feld zu erklären. Der Ort spielt für ihn keine Rolle. Dass die Handlungen aber an spezifischen Orten stattfinden, zuvor besipielsweise in der Kneipe oder im Bundestag, daran hat auch dieser Feldteilnehmer natürlich keine Zweifel. Es wird also in der Folge Ziel dieser Arbeit bleiben, herauszufinden, ob der spezifische Ort wirklich keinen Einfluss auf das Entstehen politischer Momente hat. Festzuhalten bleibt bisher jedoch, dass beide Zitate gute Beispiele für die Bedeutung von Interaktion für die Feldteilnehmer darstellen und dadurch auch zeigen, wie politische Orte als die Resultate von Interaktion entstehen. Ein anderes Beispiel soll abschließend noch einen anderen Aspekt in den Vordergrund stellen. Denn während für den Abgeordneten der Ort und Anlass eher Zufallsprodukte zu sein scheinen, kann die Produktion politischer Orte auch eine ganz bewusste Handlung darstellen: „Genauso wie ich zum politischen Frühstück die Leute, also die Gastredner gerne selber einlade, was uns aber auch sehr freut, weil das heißt die Gäste stimmen, die Qualität stimmt, der Rahmen stimmt und dann macht es die Sache leichter. Aber das ist natürlich am ersten Tag nicht so losgegangen. Natürlich versuchen wir auch immer uns weiterzuentwickeln. Wir starten gerade nächsten Monat mit einem neuen Format und das erste ist immer das Schwierigste und dann muss man auch das zweite und dritte noch ein wenig adaptieren und man braucht auch ein bisschen Goodwill der Gäste oder Vertrauensvorschuss, um neue Sachen zu etablieren.“ (Lobbyist)

Die Produktion politischer Orte ist in vielen Fällen nicht zufällig, sondern von den Akteuren des Feldes intendiert. Der Lobbyist ist bestrebt, einen politischen Ort zu produzieren, der eine Atmosphäre schafft, in der feldrelevante Interaktionen vollzogen werden - im Sinne des Lobbyisten. Hierbei wird das Kapital des guten Rufs in Form von Vertrauen dazu eingesetzt, um besonders wichtige Akteure an einem Ort zusammenzubringen und mit ihnen relevante Themen zu besprechen.

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6.2.3 Soziale Produktion und Konstruktion bleibender Orte Während ich in den vorangegangenen Abschnitten vornehmlich den sozialen Konstruktionsprozess politischer Orte beschrieben habe, möchte ich im Folgenden auf eine zweite Dimension der Definition politischer Orte eingehen und diese in Kontext zu den sozialen Produktionsprozessen setzen. Politische Orte können gemäß der aufgestellten Definition überall entstehen, manche Orte sind allerdings bereits vor der Interaktion der Feldteilnehmer als Produkte vorheriger Interaktionen und Entscheidungen als politische Orte markiert und als solche bleibend konstruiert. Unter Konstruktionsprozessen verstehe ich dabei zweierlei: erstens, die Errichtung physischer Strukturen, zum Beispiel den Bau eines Gebäudes oder die Einrichtung eines Büros und zweitens, die Belegung vorhandener physisch-räumlicher Strukturen mit feldspezifischen Bedeutungen, die über einzelne Interaktionen hinausgehen. Beide Vorgänge sind dabei Produkte der im Feld ausgehandelten und von den Feldteilnehmern gleichzeitig produzierten wie befolgten Regeln des Feldes. Wenn also ein Parlamentsgebäude gebaut wird, oder Lobbyisten eine Repräsentanz eröffnen, entsteht hier ein bleibender politischer Ort. Dieser entsteht durch die Entscheidung der politischen Akteure und Kraft ihres politischen Kapitals gemäß den Regeln des Feldes. Dieser Ort bekommt in der Folge eine Bedeutung für das politische Feld, welche in jedem Fall auf die Feldteilnehmer wirkt. Regeln, die einem bleibenden politischen Ort eingeschrieben sind, müssen zwar nicht zwingend durch jeden Akteur eingehalten werden, jedoch werden sie von ihnen über die Regeln des Feldes wahrgenommen und erzeugen dadurch immer eine mehr oder weniger sichtbare Reaktion. Ebenso ist die Einrichtung eines Büros oder eines Besprechungsraumes gleichzeitig ein Konstruktions- und Produktionsvorgang. Die Wahl des Mobiliars und dessen Anordnung erzeugen ebenfalls Reaktionen bei den dort zusammentreffenden Feldteilnehmern. Auf diese Phänomene werde ich später noch ausführlich zu sprechen kommen. Wichtig erscheint es mir jetzt aber festzuhalten, dass neben der sozialen Produktion politischer Räume auch eine physische Konstruktion eben dieser stattfindet. Dabei sind beide jedoch nicht voneinander losgelöst zu betrachten, da sich in den physischen Arrangements der bleibenden Orte die sozialen Regeln des politischen Feldes zu zwei Zeitpunkten widerspiegeln. Zu sehen ist die Ordnung des Feldes und die daraus resultierende Produktion zum Zeitpunkt der Konstruktion, also dem Bau eines Gebäudes oder der Einrichtung eines Raums, und zum Zeitpunkt der aktuellen Interaktion der Feldteilnehmer, also der Reaktion im Jetzt auf das, was seiner Zeit konstruiert wurde. Bei jeder Interaktion der Feldteilnehmer wird anhand des konstruierten Ortes ein

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defacto neuer politischer Ort produziert, da sich das Feld in einem stetigen Veränderungsprozess befindet und daher die Akteure anders auf den konstruierten Ort reagieren. Besonders interessant ist der Prozess der Konstruktion von politischen Orten in Berlin. Hier wurde mit dem Hauptstadtbeschluss und dem anschließenden Umzug des Regierungssitzes und eines großen Teils der Ministerien die Grundlage für einen unüberschaubar großen Konstruktionsvorgang gelegt. „In der Phase, die Phase war wirklich geprägt von Planungen, sehr anspruchsvollen Planungen, die dazu geführt hätten, dass Berlin wahrscheinlich bis zum heutigen Tag nicht als funktionierende Hauptstadt arbeiten würde. Weil da eben große Architekturwettbewerbe, beim Reichstag selbstverständlich, aber bei fast allen Ministerien und auch natürlich bei den parlamentarischen Anschlussbauten, so umfassend und kostspielig angelegt waren, das hätte kein Bundesetat schultern können.“ (Lobbyist)

In diesem Zitat bezieht sich der Interviewpartner auf das Ereignis des Hauptstadtumzugs und stellt damit klar, vor welch großen Herausforderungen die damals mit den Planungen und der Umsetzung Beauftragten standen. Die Auftraggeber, aber auch Planer und Architekten hatten zu dieser Zeit die wichtige Aufgabe, das politische Feld mit seinen differenzierten Funktionen und den Akteuren, die diese ausüben, über die Konstruktion neuer Orte in die bereits bestehende Stadt Berlin zu implementieren. In Abgrenzung zum Regierungssitz Bonn: „[...] das wollte keiner mehr. Und das hat sich auch ausgewirkt auf die Berlinplanung. Da wollte man es dann nämlich wirklich perfekt. Da wollte man die fußläufig erreichbaren Wohnungen, die halt nicht nur 20m² mit Küchenecke hatten, sondern die sollten ein bisschen besser sein. Und man wollte auch brauchbare Büros. Ja, diese 18m² oder sowas, ja pro Mitarbeiter. Und deshalb ist dieses Berlin, diese Mitte, diese Regierungsmitte, ist ja sehr stark geprägt auch durch die Bundestagsgebäude, ja.“ (Lobbyist)

Neben diesen nutzerfreundlichen Verbesserungen bedeutete der Umzug natürlich auch neue Möglichkeiten, sich innerhalb des Feldes zu positionieren. Nicht nur für die Abgeordneten, entstanden so neue, größere Büros, auch die anderen Akteursgruppen konstruierten neue politische Orte, um die Produktionsprozesse politischer Produkte in der neuen Hauptstadt zu beeinflussen (vgl. Kapitel 8.3.)

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6.3 FELDSPEZIFISCHE QUALITÄTEN POLITISCHER ORTE In dem folgenden Abschnitt werde ich die feldspezifischen Qualitäten politischer Orte behandeln. Darunter verstehe ich verschiedene Unterscheidungskriterien dieser Orte, wie sie die Feldteilnehmer in ihrer sozialen Produktion wahrnehmen oder bewusst herstellen. Damit einher gehen Deutungen, welche Ausprägungen der Qualitäten die Feldteilnehmer in ihren Handlungen und besonders bei ihren Interaktionen bevorzugen. Ich werde zunächst die Abgrenzung zwischen politischen und nicht-politischen Orten in den Vordergrund rücken, wie sie die Feldakteure wahrnehmen. Hiermit möchte ich zudem die Zweifel ausräumen, die im vorangegangen Abschnitt über die Existenz politischer Orte bei einem der Gesprächspartner aufgekommen sind. Anschließend werde ich erneut die Unterscheidung zwischen bleibenden und temporären politischen Orten behandeln und dabei die unterschiedlichen Ausformungen beider Typen sowie potentielle Zwischenzustände aus der Perspektive der Akteure beleuchten. Die Unterscheidung zwischen Arbeits-, Freizeit- und Wohnorten soll anschließend eine zentrale Rolle spielen. Ich fasse diese Differenzierung als Nutzungsart politischer Orte zusammen. Abschließend werde ich die Wahrnehmung politischer Orte durch die Feldteilnehmer untersuchen und damit die subjektive Bedeutsamkeit politischer Orte für den einzelnen in den Vordergrund rücken. 6.3.1 Politische und nicht-politische Orte Für die Feldteilnehmer ist der Arbeitstag stark mit politischen Orten verknüpft. Dies können einerseits Orte sein wie das eigene Büro, Besprechungsräume oder der Plenarsaal für die Bundestagsabgeordneten. Aber auch Restaurants und Kneipen können für Akteure wichtige Orte darstellen, wenn es zu einer Interaktion mit anderen Feldteilnehmern kommt. Für viele ist daher ein Beenden der Arbeitszeit zunächst einmal auch mit dem Verlassen politischer Orte verknüpft: „Und nach der Arbeit bin ich auch ganz froh, aus der Käseglocke rauszukommen. Ich wohne im Prenzlauer Berg aber eher außerhalb. Da treff ich eigentlich nie jemanden, den ich aus dem Job kenne. In anderen Ecken ist das natürlich anders.“ (Journalist)

Es zeigt sich, dass bestimmte Orte mit politischer Interaktion in Verbindung gebracht werden, also wie bereits im vorangegangenen Abschnitt beschrieben auch ohne stetige Interaktion mit anderen Feldteilnehmern eine feldspezifische Bedeutung für einen Akteur haben. Diesen sind nun andere Orte gegenübergestellt,

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die explizit keine Bedeutung für das Feld haben und an denen die Wahrscheinlich einer ungewollten Interaktion mit anderen Feldteilnehmern deutlich geringer ist. Die Feldteilnehmer nutzen diese Orte, um bewusst das politische Feld physisch-räumlich zu verlassen: „Also das, also ich hab zwischenzeitlich meine Stammkneipen in Berlin, politikfrei soweit es geht. Also da lege ich jetzt wieder Wert drauf, wenn ich mal den Kanal voll habe, dass ich dann auch zu einem Italiener gehen kann, wo ich weiß, ich treff alles, nur keinen Politiker.“ (Lobbyist)

Für viele Feldteilnehmer geht mit dem Verlassen politischer Orte somit nicht nur ein Ausschluss der Akteure des politischen Feldes einher, sondern auch ein Beenden des Arbeitstages. Diese Wahrnehmung deckt sich mit der aufgestellten Definition politischer Orte. Politische Orte finden sich überall dort, wo die Akteure aufeinandertreffen. Sucht nun ein Feldteilnehmer bewusst einen Ort auf, an dem er auf keine anderen trifft, so kommt es zu keinen freiwilligen aber auch keinen unfreiwilligen Interaktionen, der Akteur ist, mit seinen Worten, „politikfrei“, der Ort für ihn in diesem Kontext nicht-politisch. Diese bewusste Unterscheidung ist die Voraussetzung für die Herausarbeitung verschiedener weiterer Qualitäten politischer Orte, da deutlich wird, dass nicht jeder Ort für die Akteure mit der gleichen Wahrscheinlichkeit politisch wird und mehr noch, die Feldteilnehmer bewusst auch zwischen politischen und nicht-politischen Orten unterscheiden. 6.3.2 Bleibende und temporäre politische Orte Wie bereits gezeigt wurde, werden politische Orte in sozialen Interaktionsprozessen produziert. Die produzierten Bedeutungen können nun entweder durch Konstruktionsleistungen zu bleibenden politischen Orten führen, wie durch den Bau eines Parlamentsgebäudes oder die Etablierung eines Restaurants als Treffpunkt für spezifische Gesprächsformate. Die Bedeutungen bleibender politischer Orte sind dabei aber stets Produkte der Aushandlungsprozesse innerhalb des nationalen politischen Feldes. So können sich die Bedeutungen von konstruierten Orte ebenso verändern, wie neue politische Orte durch Veränderungen des Feldes erst produziert werden und dann wiederum einen bleibenden Status für das Feld einnehmen. Dem gegenüber stehen temporäre politische Orte, die nur für eine gewisse Dauer als solche angelegt sind oder, durch Veränderungen des Feldes, ihre Bedeutung nach einer gewissen, absehbaren Zeit einbüßen. Zwischen diesen beiden Extremen, bleibenden und temporären Orten, kann es verschiede-

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ne Zwischenstufen geben.2 Ich möchte im Folgenden versuchen, die Qualität bleibender politischer Orte aus der Perspektive der Feldteilnehmer anhand einiger Beispiele zu untersuchen. Zunächst wende ich mich dabei der Parlamentarischen Gesellschaft zu: „Die parlamentarische Gesellschaft ist in der Tat ein Refugium für die Abgeordneten. Das macht es nochmal spezieller, weil sie dort eben sozusagen viel stärker steuern können, wer wahrnimmt und wer agiert, wer zugelassen wird, während das beim Einstein und beim Borchardt natürlich in gewisser Weise beliebig ist. Also Sie sehen Leute, ob das nun Lobbyisten sind oder Journalisten sind. Der Mischungsgrad ist höher. Während diese Parlamentarische Gesellschaft glaube ich sozusagen als sozialer Raum für Abgeordnete in diesem großen Berlin auch so eine Art, so ein bisschen Heimat ist. Viel stärker, also ich meine, wenn Sie die Fraktionssäle sehen, da ist ja nichts Heimisches dran oder im Plenum ist auch nichts heimisches. Sie haben ihr eigenes Büro. Aber die PG ist so ein bisschen so der exklusivere Raum in jederlei Hinsicht. Exklusiv auch im Sinne von gehoben.“ (Lobbyist)

Die Parlamentarische Gesellschaft grenzt östlich an den Berliner Reichstag und ist problemlos aus den meisten der großen Gebäude mit Abgeordnetenbüros, teils durch unterirdische Gänge, zu erreichen. Sie bietet neben halböffentlichen Flächen inklusive eines Gartens im Innenhof auch eine Vielzahl von Einzelräumen, die von Mitgliedern des Bundestages und anderen Feldakteuren gemietet werden können. Halböffentlich ist die Parlamentarische Gesellschaft deshalb, weil nur Bundestagsabgeordnete und eingeladene Gäste hier Zutritt haben. Heinz Riesenhuber, 2017 Mitglied und Alterspräsident des Bundestages und Präsident der Parlamentarischen Gesellschaft beschreibt diese folgendermaßen: „Seit 60 Jahren ist sie nun eine feste Institution im politischen Leben: die DPG – unser fraktionsübergreifender parlamentarischer Club, ein Ort des vertrauensvollen Austauschs zwischen Parlamentariern aus Bund, Ländern und Europa. Unsere Erfolgsgeschichte begann 1951 in Bonn und setzt sich seit 1999 im Reichstagspräsidentenpalais in Berlin fort, immer in unmittelbarer Nähe zum Deutschen Bundestag. Die DPG ist ein Stück gelebter Parlamentskultur.“ (Herles 2013: 7).

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Ein bleibender Ort mit einer konstant gleichbleibenden Bedeutung für das politische Feld erscheint mir dabei genauso unrealistisch wie ein temporärer politischer Ort, der nach seiner Entstehung seine Bedeutung für sämtliche Feldteilnehmer gänzlich verliert. Letzteres würde auch ein Vergessen der dort getätigten Interaktionen voraussetzen.

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Es zeigt sich, dass hier der Gedanke der Betreiber des Hauses und die Wahrnehmung der Nutzer miteinander korrespondieren. Die Grundidee, einen geschützten Ort für die Bundestagsabgeordneten zu schaffen, um Interaktionen zu ermöglichen, ist zudem nicht neu, sondern bereits in Bonn, seinerzeit in der Villa Dahm, zentrales Anliegen der Betreiber gewesen. Die Konstruktionsleistung besteht hier also darin, einen Ort zu schaffen, der innerhalb des Feldes die Bedeutung erhält, eben für diesen Zweck, den informellen, exklusiven Austausch, einen dauerhaft geeigneten Raum zu schaffen, der für diese Qualitäten auch innerhalb des Feldes steht. Er muss somit in die Logik des Feldes, in sein Regelwerk aufgenommen werden und kann dadurch seine Bedeutung über die (natürlich noch immer stattfindenden) situativen Produktionsprozesse der Akteure hinaus bewahren. Es handelt sich bei der Parlamentarischen Gesellschaft um einen durch die Feldteilnehmer konstruierten bleibenden Ort. Zwar bestand das Gebäude der Parlamentarischen Gesellschaft schon vorher, diente vor dem Zweiten Weltkrieg als Reichstagspräsidentenpalais, wurde aber nach dem Umzug der Regierung massiv umgebaut und somit seiner neuen Funktion angemessen neu gestaltet. Ein weiteres Beispiel für einen ebenfalls dauerhaften politischen Ort ist das Café Einstein am Boulevard Unter den Linden. Es wird in den Medien gerne als die erste Anlaufstelle für Schaulustige genannt, um Politiker in Fleisch und Blut zu Gesicht zu bekommen. So beschreibt beispielsweise der „Fokus“ in einem Artikel über „Die Lokale der Mächtigen in Berlin“ das Einstein: „Der Klassiker in Berlin. Obwohl mittlerweile Mainstream und von Touristen bevölkert, treffen sich die Mächtigen hier immer noch zum Frühstück, wenn vielleicht auch lieber im abgelegenen Hinterzimmer. Parlamentarische Geschäftsführer wie Thomas Oppermann (SPD) oder Michael Grosse-Brömer (CDU) schätzen die Nähe des Cafés zu ihrem Arbeitsplatz im Justus-Liebig-Haus. Manchmal sitzen hier aber auch so viele Minister, dass die Kabinettssitzung gleich hier abgehalten werden könnte. Auch Vertreter aus der Wirtschaft wie der Partner von Guido Westerwelle, Michael Mronz, oder Mediengurus wie Jo Groebel starten hier in den Tag.“ (Fokus 2013).

Artikel wie diese finden sich viele. Sie zeigen, dass in der Darstellung der Medien das Café Einstein die Rolle eines bleibenden Ortes im politischen Feld zugesprochen bekommt. Aber auch die Feldteilnehmer nennen es als einen politischen Ort. Hier im Gegensatz zu einem weiteren, nicht-politischen Ort: „Ja, es ist auch ein bisschen die Größe und der Stil. Es ist auch einfach ein relativ offener Laden. Sie können im Sommer ein bisschen draußen sitzen. Es ist eine Bühne und es ist

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erstaunlicherweise nicht zu touristisch dominiert. Was zum Beispiel nicht funktioniert ist die Ständige Vertretung hier in Berlin. Die war in Bonn der Ort. Hier ist es nur Tourismus. Das ist so mitten im Herzen des Bermudadreiecks, aber wo man sagen muss, da ist nur noch der Name.“ (Lobbyist)

Auch das Einstein ist ein bleibender politischer Ort. Innerhalb des Feldes ist er als Anlaufstelle für Feldteilnehmer bekannt und wird als Treffpunkt genutzt. Der Unterschied zur parlamentarischen Gesellschaft liegt in der Konstruktionsleistung, durch welche die Akteure diesen Ort geschaffen haben. Schließlich handelt es sich, im Unterschied zu der Parlamentarischen Gesellschaft nicht um einen für das politische Feld exklusiven Ort und ebenfalls nicht um einen durch die Feldteilnehmer entsprechend der Regeln des Feldes selbst baulich konstruierten Ort. Das Café Einstein wird vielmehr von ganz verschiedenen Besuchergruppen genutzt und ist auch für diese Mischung gestaltet worden. Dies, und das ist ein entscheidender Punkt, ist zudem auch Intention der Betreiber: „Mir war natürlich klar, das Konzept wird von einer ganz bestimmten Zielgruppe angenommen. Es ist eben ein Ort an dem man sich trifft und wo der Geist ausgetauscht wird. [...] ist es schon eine ganz bestimmte Gruppe, auf die ich abgezielt habe und die finden sie natürlich mehr so, kann man das Wort mal sagen, im Bildungsbürgertum oder im gebildeten Bürgertum. Wenn hier am Wochenende unglaubliche Schwärme von Touristen vorbeiziehen, so sind es auch hier interessanterweise die interessanteren Leute. [...] Dass nun dieses Kaffeehaus plötzlich zum [...] als Kantine der Politik zum Teil in den Medien beschrieben wird, ist natürlich böse [...] aber ich habe ja nicht darauf Wert gelegt, jetzt unbedingt immer die Politik hier im Hause zu haben, sondern das Kaffeehaus war für alle Richtungen ausgelegt.“ (Betreiber des Einstein)

Das Café Einstein ist also von seinen Betreibern nicht als ein dezidiert politischer Ort konzipiert worden. Zudem ist es in seiner Entstehung, anders als die Parlamentarische Gesellschaft, kein Produkt des politischen Feldes. Es entstand vielmehr aus einer unternehmerischen Entscheidung heraus und wird von Akteuren betrieben, die nicht Teil des politischen Feldes sind. Trotzdem hat sich das Einstein zu einem bleibenden politischen Ort entwickelt. Die Feldteilnehmer haben hier durch ihre wiederholte Praxis, diesen Ort für Interaktionen zu nutzen, die Regeln des Feldes dementsprechend verändert und dem Einstein somit seine Bedeutung zugewiesen. Diese Bedeutung wird mit jedem Besuch erneut reproduziert und gegebenenfalls verändert.3 3

Genau anders herum verhält es sich übrigens mit der Ständigen Vertretung. Diese hatte in Bonn den Ruf, eine zentrale Anlaufstelle für Feldteilnehmer zu sein und er-

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Nachdem nun zwei Beispiele für bleibende politische Orte vorgestellt wurden, möchte ich nun auch noch die andere Seite dieses Spektrums beleuchten und Beispiele für einen temporären politischen Ort behandeln. Vorweg gestellt soll sein, dass jener zweite Typ seiner Definition nach überall entstehen kann, wo politische Akteure miteinander agieren. Es lässt sich also davon ausgehen, dass temporäre politische Orte deutlich häufiger und an zahlreicheren Orten produziert werden, als es bei bleibenden politischen Orten und den ihnen vorausgehenden Konstruktionsprozessen der Fall ist. Zudem können diese Produktionsvorgänge von den Akteuren unbemerkt bleiben, wie ich bereits an der Wahrnehmung der Unterscheidung von Freizeit und Arbeitszeit zeige konnte. Im Folgenden möchte ich jedoch Beispiele besprechen, bei denen ein temporärer politischer Ort bewusst produziert wird. Die bereits erwähnten Lobbynetzwerke vollziehen dies beispielsweise so: „Die Lobby macht das ähnlich, das Kollegium macht das einmal im Monat mit einem großen gesetzten Essen und großem Futter. Die Veranstaltung ist einfach sehr viel länger. Adlerkreis macht das auch einfach mit einem Mittagessen, so wie wir das hier auch machen mit der Lobby. Der Dreißigerclub hat immer eine Abendveranstaltung, wo dann auch eher ein Mitglied aus dem Bereich berichtet von seiner Arbeit.“ (Lobbyist)

Die Lobbynetzwerke laden ihre Mitglieder in regelmäßigen Abständen ein, um sich zu treffen und auszutauschen. Es entsteht an einem von den Organisatoren ausgewählten Ort ein Interaktionsprozess vieler Feldteilnehmer. Dieser Ort kann natürlich ein spezifischer sein, inklusive einer Bedeutung für das Feld, er kann aber auch ein absolut unspezifischer sein. Erinnert sei zum Beispiel noch einmal an das wöchentliche Bar-Hopping der Abgeordneten. Im aktuellen Fall trifft die Auswahl die Leitung des jeweiligen Netzwerkes. Betreten die Akteure einen Ort, der innerhalb des Feldes keine Bedeutung hat, so wird dieser ein politischer, verlassen sie ihn, kann er einen großen Teil seiner Bedeutung wieder verlieren. Die Voraussetzungen für die Produktion dieser temporären politischen Orte sind dabei sehr verschieden. Lädt ein Lobbyvertreter zu einer Veranstaltung ein, so gilt es, auf vieles zu achten: „Der Trick für eine gute Veranstaltung und auch nicht so eine riesige No-Show-Quote, wobei die No-Show-Quote in Berlin 30-50 Prozent, darunter läuft hier nix, also das ist öffnete in der Folge mit dem Regierungsumzug in Berlin ein neues Lokal. Doch die wichtigen Gäste blieben fern. Dieser Ort wurde von seinen Betreibern höchstwahrscheinlich als politischer Ort errichtet, jedoch konnte er innerhalb des Feldes keine Relevanz als solcher erlangen oder konstruieren.

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ganz üblich. Bei unserem Frühstück haben wir halt deutlich weniger. [...] aber es muss ein guter Vortrag sein, nichts, was ich mir hinterher… . Das muss schon eine interessante Persönlichkeit sein oder ein interessanter Vortrag mit einer anschließenden Diskussion, wo dann auch Kollegen oder Leute dabei sind, aus deren Fragen und Antworten ich noch selber was mitnehmen kann oder ich weiß, Mensch, ich habe da noch so ein paar Sachen, da treffe ich Kollegen aus verschiedenen Bereichen, da kann ich viele Sachen bei diesem einen Termin auch gleich noch mit erledigen.“ (Lobbyist)

Im Sinne der Definition zur Entstehung politischer Orte und der Funktionsweisen des Feldes spricht der Lobbyist zunächst einmal an, was für jede Veranstaltung zentral ist. Es gilt, möglichst zentrale Akteure des nationalen politischen Feldes zusammenzubringen, um so die Veranstaltung zu einem gelungenen Event und damit die Location zu einem relevanten politischen Ort werden zu lassen. Hierzu gehört auch, neue Kontakte zu ermöglichen und neben den angebotenen Interaktionsmöglichkeiten auch Informationen anzubieten, die von den Akteuren aufgenommen und zur Verbesserung ihres politischen Kapitals Kompetenz genutzt werden können. Doch neben diesen feldspezifischen Regeln, den Feldteilnehmern ein für sie attraktives Angebot zu machen, spielen auch ganz allgemeine Faktoren bei der Produktion temporärer, wie auch allgemein, politischer Orte, eine Rolle: „Aber wenn sie hier immer das chaotisch machen würden, wenn die Garderobe nicht funktionieren würde, wenn das mit dem Einlass nicht, wenn die Einladungen nicht entsprechend wären, wenn das Essen käme nachdem der Referent gegangen ist oder in Aluschalen auf den Tisch gestellt wird. Da gehört schon viel dazu, dass das reibungslos und astrein funktioniert. [...] und über die Erfahrung haben wir auch gesehen, dass es manchmal schöner ist, einfach eine Suppe hinzustellen, als ein großes Galadinner. Es geht um das Miteinander und den Input, so dass man die Chance noch hat, miteinander ins Gespräch zu kommen.“ (Lobbyist)

Es zeigt sich, dass für die Produktion spezifischer politischer Orte auch bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen. Veranstaltet ein Lobbyist ein parlamentarisches Frühstück, so müssen einerseits die Zusammensetzung der Gäste und das Programm stimmen. Andererseits wird hier auch ein gewisser Service in Form einer funktionierenden Organisation und angemessener Bewirtung erwartet. Beide Faktoren spielen für temporäre politische Orte eine besonders große Bedeutung. Hier hat der Ort selbst noch keine feldrelevante Bedeutung und wird daher von den anwesenden Feldteilnehmern in ihren Produktionsprozessen neu bewertet und in ihr Gesamturteil zur Attraktivität der Veranstaltung mit eingepreist.

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Dadurch wird die spezifische Qualität der an einem Ort angebotenen Dienstleistung für die Bewertung durch die Feldteilnehmer relevant. „Und wenn ich zu speziellen Veranstaltungen eingeladen werde einmal im Jahr, dann weiß ich genau, wen ich da treffe und aus welchem Grund die Leute da sind. Klar kommen dann auch manchmal Leute direkt auf mich zu und versuchen mich von ihrer Meinung zu überzeugen, während man ein Bier trinkt und isst.“ (Bundestagsabgeordneter)

Während dieser Bundestagsabgeordnete den Verlauf parlamentarischer Abende als recht routiniert beschreibt und auch die Funktionen ähnlich wahrnimmt, wie es von Seiten der Veranstalter getan wird, sieht ein anderer Abgeordneter diese Formate deutlich kritischer: „Und die parlamentarischen Abende, ganz selten, weil gut, man kommt mit vielen Leuten ins Gespräch aber es ist auch immer eine tote Zeit, weil es gibt aktuell nix zu besprechen und man steht halt nett rum und hält ein Sektgläschen in der Hand und irgendwie so eine Feige, ummantelt mit Speck. Die typischen Häppchen.“ (Bundestagsabgeordneter)

Während temporäre Orte also auf der einen Seite keine eigenständige Bedeutung für das politische Feld, gesteuert über die dort vorherrschenden Regeln haben, können einzelne Akteure und die von ihnen angebotenen Veranstaltungsformate dies durchaus haben. Es zeigt sich, dass die Produktion von temporären wie auch bleibenden politischen Orten ein komplexer Vorgang ist, der von den Akteuren gemäß der Regeln des nationalen politischen Feldes vollzogen wird. 6.3.3 Nutzungsart politischer Orte Eine weitere Qualität politischer Orte ist ihre Nutzungsart Damit ist gemeint, welche Funktion ein spezifischer Ort für die Feldteilnehmer ausfüllt, welchen Teil ihrer Alltagspraxis sie dort vollziehen. Die von mir identifizierten Typen, die die Nutzungsart eines politischen Ortes beschreiben, sind Freizeitort, Arbeitsort und Wohnort. Mit diesen Typen gehen Konsequenzen für ihre Qualität als politische Orte einher, welche ich nun zeigen möchte. Ein typischer Arbeitsort, der übrigens gleichzeitig ein bleibender politischer Ort ist, ist das Büro eines Abgeordneten. Hier verbringt er Arbeitszeit am Schreibtisch mit dem Lesen von Vorlagen oder mit der Interaktion mit seinen Mitarbeitern, Kollegen oder anderen Akteuren von innerhalb und außerhalb des Feldes. Ein Ort, der an der Grenze zwischen Arbeits- und Freizeitort liegt, ist die Parlamentarische Gesellschaft. Der Club, wie er bereits vorgestellt wurde, dient

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zwar als Rückzugsort der Parlamentarier von ihrem Büroalltag, ist aber per Definition ein Treffpunkt für den Austausch zwischen Feldteilnehmern zu feldrelevanten Themen und deshalb durchaus auch ein Arbeitsort. Seine Bedeutung für die Akteure ist immens groß: „Über die Räume der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft wird ganz viel abgewickelt. Man kann ja als Mitglied der DPM Räume anmieten und das wird dann auch häufig genutzt, um dann auch Lobbyisten zu ermöglichen, da ihre Veranstaltungen zu machen und vieles auch. Aber ich glaube die DPG ist in vielem da auch ein kommunikatives Zentrum geworden.“ (Bundestagsabgeordneter)

Als Arbeitsort erfüllt die Parlamentarische Gesellschaft gemäß ihrer originären Funktion spezifische Aufgaben, welche einen Einfluss auf das politische Feld haben. Arbeitsorte sind so die logische Konsequenz der Entstehung und Institutionalisierung politischer Felder im Sinne Bourdieus. Anders verhält es sich bei Freizeitorten. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht bewusst zum Arbeiten genutzt werden. Beispiele für Freizeitorte können Restaurants und Bars, aber auch Parks und Sportanlagen sein. Mit Freizeitorten verbinden die Feldteilnehmer weniger die Entstehung politischer Orte, da es dort weniger um politische Themen geht als an Arbeitsorten. Wie aber bereits gezeigt werden konnte, ist dies nur ein Teil der Wahrheit, wenn wir die Entstehung und Bedeutung politischer Orte untersuchen. Nehmen wir erneut die Interaktion von Feldteilnehmern in den Fokus, so zeigt sich, wie auch Freizeitorte eine Bedeutung als politische Orte erlangen können. Das Café Einstein ist hier erneut ein gutes Beispiel: „Ein Kaffeehaus ist ein Kommunikationsort, wenn sie so wollen. Nur verschiedene Kaffeehäuser haben auch verschiedene Kommunikationsinhalte. In manchen trifft sich ein bestimmtes Klientel zum Biertrinken und Fußball gucken und in anderen trifft man sich eben um politische Gespräche oder was auch immer auszutauschen.“ (Betreiber des Café Einstein)

Es zeigt sich, wie Freizeitorte wie ein Café für das politische Feld ebenso zu politischen Orten werden können. Die Akteure treffen sich hier, um gemeinsam zu frühstücken oder etwas zu trinken, die Interaktion findet so in einem anderen Rahmen statt. Das Beispiel des Einstein zeigt aber auch, wie schwer eine strikte Unterteilung nach den genannten Nutzungsarten ist. Zwar benennen die Gesprächspartner gerne Cafés oder Restaurants, wenn sie von Orten sprechen, an denen sie ihre Freizeit verbringen, jedoch ist das Einstein, auch durch seine

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Eigenschaft als bleibender politischer Ort, eben immer auch ein Ort des nationalen politischen Feldes und damit eben auch ein Arbeitsort im Sinne der Interaktionsleistung der Feldteilnehmer. Als eine besondere Form des Freizeitortes hilft es nun, den Wohnort hinzuzuziehen, um Unterschiede und Besonderheiten zu Arbeitsorten herauszuarbeiten. Der Wohnort steht im Gegensatz zu disem für das Private an sich, ganz im Gegensatz auch zu anderen Freizeitorten, die gänzlich dem Öffentlichen verschrieben sind. In den meisten Fällen wird die eigene Wohnung oder das eigene Haus auch damit verbunden, keinen anderen Feldteilnehmern zu begegnen, sie sind „politikfrei“. Doch auch hier kann es Ausnahmen geben: „Es gibt auch einen Kreis, dem ich auch angehöre und im Wesentlichen die Büroleiter der großen Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender. Das ist der sogenannte Wohnzimmerkreis. Da haben wir gesagt, wir wollen weg von der Hinterzimmer-Atmosphäre im Berliner Regierungsviertel, sondern wir machen das in den Wohnzimmern der Leute selber, der Korrespondenten selber. Wir laden immer abwechselnd jemanden ein. Da wird dann auch gekocht, da gibt es ein Abendessen. Das ist eine ganz private Atmosphäre, was dann auch nochmal ein ganz anderes Setting bildet für ein vertrauliches Gespräch.“ (Journalist)

Auch der Wohnort kann also zu einem politischen Ort werden. Während die meisten Akteure dies jedoch ablehnen, erklärt dieser Medienvertreter direkt mit, warum er gerade den privatesten Ort für andere Feldteilnehmer und die Interaktion mit ihnen öffnet. Ihm geht es um die private Atmosphäre, die geschaffen wird. Eine Qualität, die der Nutzungsart spezieller Orte, vor allem aber der Wohnorte, innewohnt. Die eigene Wohnung ist zumeist ein Spiegelbild des jeweiligen Akteurs, durch die Lage, Größe und Einrichtung, worauf ich später noch zu sprechen komme, zeigt der Feldteilnehmer auch viel von sich selbst, seinem Geschmack und seinen Einstellungen. Diesen Einsatz macht er jedoch nicht, ohne sich davon auch einen Gewinn an politischem Kapital zu erhoffen: Es soll Vertrauen geschaffen werden, um erfolgreich mit anderen Feldakteuren zu interagieren. Es ist zudem der Gedanke von Exklusivität und Intimität mit im Spiel. Nicht jeder wird eingeladen, erst recht nicht in das eigene Wohnzimmer. Ich möchte damit zeigen, dass Arbeitsorte und Freizeitorte, öffentliche, wie private, trotz ihrer verschiedenen Nutzungsart zu politischen Orten werden können. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass die Akteure spezifische Orte für Treffen nicht ohne Grund auswählen. Ein Grund klang bereits an: Es wird versucht eine besondere Atmosphäre zu erzeugen (vgl. Kapitel 6.5.). Dies geschieht natürlich auch außerhalb der privaten Wohnungen der Feldteilnehmer. Ein Blick auf die Entstehung der Lobbykreise:

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„[...] aber es geht einfach um diesen Netzwerkgedanken. Gegründet sind diese Institutionen noch alle aus der Zeit, wo, ich sage mal, fast, wo es mehr darum ging, politische Informationen auszutauschen, wo es noch Telixe und Fax gab und nicht alles im Internet verfügbar war. Wer hat was mitgeschrieben damals als es noch mit der Schreibmaschine getippt wurde. So ist das mal gekommen. Man trifft sich in der Regel, machen alle Clubs, einmal im Monat. Man hat ein Hintergrundgespräch bei einem hochkarätigen politischen Gast, was die auch sehr schätzen, weil die kriegen dann auch so was. Was sind denn die Fragen und Nöte, da ist immer alles unter drei. Da wird nichts mitgeschrieben, da wird nichts protokolliert.“ (Lobbyist)

Auch außerhalb der Wohnzimmeratmosphäre können so politische Orte entstehen, die einen vertrauensvollen Umgang der Akteure und gegebenenfalls eine Vertiefung oder Verbesserung der Beziehungen zwischen den Feldteilnehmern begünstigen. Die Vertrautheit, aber auch die Geschlossenheit, die hier am Beispiel der Lobbyzirkel beschrieben wird, kann durch bestimmte räumliche Settings, wie am Beispiel des Wohnzimmers gezeigt, jedoch verstärkt werden. Dabei spielt es zusätzlich eine Rolle, wer sich trifft und zu welchem Anlass. Nicht jedes Treffen wird mit einem Hintergedanken vereinbart, nicht jede Veranstaltung wird gleich aufwendig gestaltet. Die Akteure wissen dies und gestalten ihre Entscheidungen entsprechend: „Da geht es ganz menschlich zu. Man unterhält sich. Komm gehen wir essen. Treffen wir uns hier oder da? Das ist wie im Privatleben, da entscheiden sie ja auch nicht rational, sondern emotional. Und so geht man hier genauso vor. Ich versuche die Leute einzuschätzen. Mit manchen geht man eher ins Borchardts und mit manchen geht man in die Kneipe um die Ecke.“ (Bundestagsabgeordneter)

Die Akteure wägen bei ihren Entscheidungen ab, welcher Ort geeignet ist, um spezifische Interaktionen mit ebenso spezifischen Feldteilnehmern zu vollziehen. Welche Kriterien hierfür von Relevanz sind, werde ich später näher erläutern. Deutlich soll an dieser Stelle aber geworden sein, dass es verschiedene Nutzungsarten von Orten gibt, welche die Produktion politischer Orte mit beeinflussen. Sie schließen die Produktion politischer Orte durch das politische Feld in keinem bekannten Fall gänzlich aus, führen aber zu qualitativen Veränderungen der Interaktionen.

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6.3.4 Wahrnehmung politischer Orte Im letzten Abschnitt habe ich gezeigt, dass politische Orte über verschiedene Nutzungsarten verfügen, welche die Feldteilnehmer in vielen Fällen auch nutzen, um erfolgreich im Feld zu agieren. Was ich bisher noch nicht behandelt habe, ist die Frage, welchen Voraussetzungen es bei den Feldteilnehmern bedarf, um diese Qualitäten zu identifizieren und nutzen zu können. Zunächst erscheint die Gleichung relativ simpel. Der Feldteilnehmer kann beispielsweise in das Café Einstein gehen, welches als eine Mischung aus Arbeits- und Freizeitort wahrgenommen wird, an dem eine spezifische Form der Interaktion stattfinden kann. Diesen Ort und die ihm eingeschriebenen Bedeutungen kann er sich zunutze machen, um seine Kontakte zu pflegen. Diese Bedeutung kann jedoch noch erweitert werden: „Ins Café Einstein geht man nicht rein, um Gespräche zu führen, sondern um gesehen zu werden, wie man Gespräche führt. Insofern ist alles das, was eher nicht gesehen werden sollte, fürs Café Einstein ungeeignet.“ (Bundestagsabgeordneter)

Dieser Abgeordnete beschreibt eine für ihn zusätzliche Qualität des Einstein, die über die bisher mögliche Definition hinausgeht. Der Aspekt des „Gesehenwerden“ ist sicherlich ein feldrelevanter, schließlich ergibt sich die eigene Position eines Akteurs durch die Beziehungen, die er im Feld unterhält und den Ruf, welchen er genießt. Die Wahrnehmung des politischen Ortes geht dabei über die bloße Beschreibung seiner Dauerhaftigkeit und der Nutzungsart hinaus. Vielmehr belegt der Akteur den Ort mit einer weitergehenden subjektiven Bewertung. Dass diese auch anders ausfallen kann, als in dem ersten Beispiel, zeigt folgendes Zitat: „Aber witzigerweise, wenn sie mal am Anfang einer Legislaturperiode so mehrere Tage hintereinander sich in die Ecke ins Einstein setzen würden, dann könnten sie aber auch sehen, wer sich mit wem trifft, analysieren, geht das jetzt mehr in die Solarförderung oder geht das jetzt mehr in die Windförderung. [...] Das ist aber gerade, was uns immer vorgeworfen wird, die schwarzen Kassen unterm Tisch. Aber das ist nicht so. Man sitzt da und lässt sich auch sehen. Man sitzt nicht, weil man gesehen werden will, aber, weil man auch nichts zu verstecken hat.“ (Lobbyist)

Der Lobbyist ist sich mit dem Abgeordneten einig, so viel kann gesagt werden, dass es sich bei dem Café Einstein um einen Ort des „Gesehen-werdens“ handelt. Dieser politische Ort hat für die Feldteilnehmer somit die spezifische Funk-

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tion, Öffentlichkeit herzustellen bezüglich bestimmter Interaktionen, welche diese innerhalb des Feldes vollziehen. Menschen außerhalb des Feldes aber auch andere Akteure innerhalb werden bewusst über die Kontakte und Gespräche in Kenntnis gesetzt. Unterschiedliche Meinungen vertreten beide Gesprächsteilnehmer allerdings über die Interaktionsprozesse, die an diesem Ort in der Konsequenz stattfinden. Während einmal die Funktion nur die zur Schau-Stellung der Kontakte in den Vordergrund rückt, geht die zweite Definition davon aus, dass sich hier auch politische Entscheidungsfindungsprozesse abspielen. Beide Akteure sehen in dem gleichen Ort also verschiedene Bedeutungen für das politische Feld. Die Wahrnehmung der feldrelevanten Prozesse ist individuell unterschiedlich und eng verknüpft mit dem politischen Kapital der Akteure und somit auch mit ihrer Position innerhalb des politischen Feldes. Mit der Position sind spezifische Wissensbestände über die Regeln des Feldes und über die Praxis der einzelnen Akteure verbunden, sie bewerten die Bedeutung politischer Orte dadurch mitunter unterschiedlich. Ebenfalls erscheint es logisch, dass ein Bundestagsabgeordneter einen anderen Blick auf einen politischen Ort haben kann, als ein Lobbyist. Eine weitere Unterscheidungsebene liegt also innerhalb der Teilgruppen des Feldes und, zusätzlich zu ihrer Ausstattung mit politischem Kapital, ihren spezifischen Aufgaben begründet. Während der Bundestagsabgeordnete also die relevanten Entscheidungsprozesse nicht in den Interaktionsprozessen im Einstein vermutet, ist der Lobbyist, dessen Hauptaufgabe in der Pflege und Bewertung von Kontakten und Beziehungen besteht, der Ansicht, dass sich gerade an diesen Orten Entwicklungen und zukünftige Entscheidungen innerhalb des politischen Feldes gut beobachten lassen. Im Gegensatz zum Einstein ist die Wahrnehmung der Parlamentarischen Gesellschaft bei den meisten Feldteilnehmern ähnlich: „Also die wichtigen Gespräche finden eher in der parlamentarischen Gesellschaft statt, das ist ganz klar, ja. Das ist halt wirklich der diskreteste Berliner politische Ort. Und jedes Mal wenn ich da irgendwas zu tun habe, lauf ich in Leute rein, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Also es ist ein, es ist wirklich der, eigentlich der interessanteste politische Ort, den Berlin zu bieten hat. Wenn es so um den inneren Zirkel und den halbinneren Zirkel und die Verknüpfungspunkte zwischen inneren und äußeren Zirkeln geht. Das findet dort statt.“ (Journalist)

Die Parlamentarische Gesellschaft wird von allen Akteuren gleichermaßen als ein wichtiger politischer Ort eingeschätzt. Hier werden Kontakte ebenso ge-

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pflegt, wie politische Entscheidungen vorbereitet. Die Wahrnehmung dieses Ortes schließt seine Exklusivität mit ein: „Das ist eigentlich eine ganz spannende Fragestellung. Was machen Abgeordnete eigentlich abends? Die Anzahl der Kneipen hier in der Gegend ist überschaubar. Treffen die sich dann in den Kneipen und machen noch was? Also es gibt eine Kneipe. [...] Es gibt eine Kneipe hier in der Parlamentarischen Gesellschaft. Da kommen auch nur Abgeordnete rein. Heißt Kommunikationszentrum. Das wird dann in Sitzungswochen zum Teil sehr intensiv genutzt, das geht fraktionsübergreifend.“ (Bundestagsabgeordneter)

Die Akteure bewerten die Exklusivität politischer Orte anhand der Zugänglichkeit für die Feldteilnehmer wie auch von außerhalb. Es wird deutlich, dass nur die Bundestagsabgeordneten, also Feldteilnehmer einer spezifischen Teilgruppe des Feldes, uneingeschränkten Zugang haben. Die Bundestagsabgeordneten nehmen zudem, wie bereits gezeigt wurde, eine besonders zentrale Stellung innerhalb des gesamten Feldes ein. Sie sind also mit einer vergleichsweise großen Menge an politischem Kapital ausgestattet. Dies Beeinflusst die Wahrnehmung des politischen Ortes Parlamentarische Gesellschaft. Es wird gerade für die anderen Teilgruppen, die Lobbyisten und Journalisten, besonders attraktiv, dort Zugang zu bekommen, da hier die Zahl der potentiellen Entscheider besonders hoch ist. An der Parlamentarischen Gesellschaft, wie auch am Café Einstein konnte exemplarisch gezeigt werden, wie die Feldteilnehmer über ihre Kenntnis der Regeln des Feldes einen spezifischen Blickwinkel bezüglich der politischen Orte einnehmen und diese mit Bezug auf ihre eigenen Interessen bewerten. Jeder bleibende politische Ort spielt für jeden Akteur so eine individuell unterschiedliche Rolle in seiner Praxis.

6.4 ANORDNUNG UND AUFBAU POLITISCHER ORTE IN BERLIN In den vorangegangenen Abschnitten habe ich den Fokus auf die Produktion politischer Orte, in ihrer sozial wie auch physisch-räumlich Dimension gelegt. Außerdem habe ich Qualitäten herausgearbeitet, um die Nutzung dieser Orte durch die Feldteilnehmer zu beschreiben. Im folgenden Kapitel möchte ich mich nun auf die von außen sichtbaren Attribute der Orte selbst konzentrieren. Während es bei dem Aufbau und der Bedeutung von Nähe und Entfernungen politischer Orte in den ersten zwei Teilen darum gehen wird, in welchem Verhältnis

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politische Orte physisch räumlich zueinanderstehen, möchte ich anschließend untersuchen, welche Konsequenzen dies für ihre feldspezifischen Bedeutungen hat, welche Wertigkeit politische Orte also zugesprochen bekommen. Im letzten Teil dieses Kapitels untersuche ich dann den Aufbau der politischen Orte selbst anhand einiger Beispiele. Dieser Teil der Fallanalyse arbeitet zu großen Teilen mit den Erkenntnissen aus Prozessen wie der Teilnehmenden Beobachtung im Feld. Meine Protokolle und Feldnotizen aber auch Fotos kommen dabei zur Anwendung. Ich werde aber auch hier ergänzend durch gezielte Interviewzitate die Feldteilnehmer selbst zu Wort kommen lassen, um die Grundlage meiner Gedankengänge transparent und nachvollziehbar zu gestalten und die subjektive Wahrnehmung der Akteure weiterhin in den Vordergrund zu stellen. 6.4.1 Aufbau des politischen Berlins Politische Orte verteilen sich in Berlin auf eine spezifische Art und Weise. Dies belegen die Gespräche mit den Feldteilnehmern, welche ausnahmslos alle in der Lage sind, eine Beschreibung davon zu liefern, wie sich das nationale politische Feld physisch-räumlich über die politischen Orte in der Hauptstadt verteilt. Zunächst möchte ich also einige dieser Beschreibungen hier kurz vorstellen und erläutern. Die erste Beschreibung kommt in den Gesprächen in ähnlicher Form seltener vor und lässt sich am ehesten als ein Zonenmodell kategorisieren: „Postleitzahl 10117. Das ist die Postleitzahl die man haben muss und das ist räumlich die Gegebenheit von Reichstag bis Alexanderplatz [...] bis Friedrichstraße, dann abnehmend die Tendenz und Präsenz, dann noch nen bisschen bis zur Leipziger Straße hin [...] und anschließend hier bis zum Spreeufer, Wirtschaft. Von Spreeufer bis Reinhardtstraße können sie sagen: Presseviertel.“ (Lobbyist)

Es werden, wie auch in dem zuvor aufgestellten Modell zum Aufbau des politischen Feldes in Berlin, drei Akteursgruppen identifiziert, die sich einem bestimmten räumlichen Ausschnitt Berlins zuordnen lassen. Zentral wird der Bereich beschrieben, in dem sich der Reichstag und weitere Regierungs- und Parlamentsgebäude befinden. Hier sind die dominanten Akteure, jene, die diese Orte schwerpunktmäßig besetzen und für ihre Gestaltung zuständig sind, die Bundestagsabgeordneten. Daran anschließend eine Zone, die den Boulevard Unter den Linden und einen Bereich rund um den Bahnhof Friedrichstraße umfasst. Hier verortet der Interessenvertreter die Wirtschaft, also den Lobbyismus. Abschließend beschreibt er mit dem Presseviertel zudem noch den Bereich, in dem sich die Gruppe der Journalisten konzentriert. Auch dieser grenzt, wie der Bereich

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der Lobbyisten, direkt an jenen der Abgeordneten. Die im Zonenmodell beschriebenen einzelnen Gebiete sind miteinander verbunden und bilden einen gemeinsamen Bereich, ein Cluster. Ein anderes Modell zur Beschreibung der Verteilung politischer Orte, welches häufiger von den befragten Feldteilnehmern herangezogen wird, nenne ich das Marker-Modell: „Wenn ich jetzt mal so überlege, ich würde das Restaurant Pekingente, das ist jenseits von Unter den Linden, auf jeden Fall noch dazu zählen, dann hört es für mich auf an der einen Stelle. Aber dann hier andere Richtung bis Friedrichstadt-Palast und wenn man mal da hoch guckt, da kommt dann der Tiergarten. Das Bellevue liegt eigentlich schon draußen, da ist auch nichts, wo sie hingehen könnten. Die Schwangere Auster vielleicht noch. Und dann in die Richtung Luisenstraße hoch, Albrechtstraße ist noch das eine oder andere vielleicht bis zur Reinhardtstraße, da findet noch einiges statt. Da ist auch das Hotel Albrechtshof, auch ein wichtiger Ort, da finden die Hintergrundgespräche des Deutschen Presseclubs statt. Und das war’s.“ (Journalist)

Auch hier berichtet der Feldteilnehmer aus der Perspektive seines eigenen Standorts und umreißt einen Bereich, welchen er als den politischen Teil der Stadt wahrnimmt. Er bezieht sich dabei auf konkrete politische Orte als physische Raumausschnitte, welche räumlich eine Art Außengrenze des Clusters bilden. Diese spezifiziert er nicht weiter, ebenso wenig unterteilt er konkrete Zonen nach ihrer Funktion. Ein Marker, der für die meisten Akteure von zentraler Bedeutung ist und fast immer erwähnt wird, ist das Parlament, der Reichstag: „Also das Zentrum ist natürlich in der Tat das Plenum, ist der Plenarsaal, sind die Fraktionsräume, sind die Ausschussräume, da, wo sozusagen auch sichtbar Politik gemacht wird. An den anderen Stellen wird es unsichtbar gemacht. Also da haben Sie so kleine Begegnungsräume, da haben Sie natürlich alles Mögliche an Lobbyisten auch in diesen Bauten drumherum. Oder Sie haben natürlich das Ritz da, ja. Da machen Botschaften ihre Jahresempfänge oder sonstwie was, aber der markierte Raum ist letztendlich der Reichstag. Also das ist schon sozusagen der Ort an dem wirklich nachvollziehbar Politik auch zusammenkommt und auch erlebbar wird. Und das andere ist das Kanzleramt. Und das ist sozusagen das andere Machtzentrum.“ (Lobbyist)

Das Marker-Modell weist darauf hin, dass es zentrale und weniger zentrale politische Orte gibt, die erst im Verhältnis zueinander diese Bedeutung erlangen. Dabei steht dem Parlament in seiner Funktion schon alleine durch seine Konkur-

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renzlosigkeit innerhalb des politischen Feldes eine Sonderrolle zu. Hier sind zentrale Akteure und deren Entscheidungen an einem Ort gebündelt Bei anderen politischen Orten fällt die Bewertung hier deutlich komparativer aus: „Das kommt darauf an. In der Tat, es gibt Orte, die häufig frequentiert werden, wo Medien auf Politik trifft oder auch Politik Politik oder auch Medien Medien. [...] Café Einstein ist der Klassiker, ist auch kein Mythos. Das ist wirklich so. Es hat zum Teil damit zu tun, dass es überraschenderweise so furchtbar viele Möglichkeiten hier im Regierungsviertel gar nicht gibt, die fußläufig erreichbar sind. Das ist einfach so, zumal auch sehr viel sehr touristisch ist. Ich könnte Ihnen noch ein zwei andere Sachen nennen. Also zum Beispiel die Italiener Il Punto hier um die Ecke.“ (Journalist)

Marker werden also entweder gesetzt, weil Orte in ihrer Funktion oder Bedeutung für das politische Feld einzigartig sind oder, und dies scheint mir sogar häufiger der Fall zu sein, wenn sie ihre Funktion für das Feld im Vergleich zu anderen Orten mit einem ähnlichen Angebot, besser ausfüllen. Das Einstein beispielsweise, ist offenbar durch seine Lage und das Angebot, welches es den Feldteilnehmern macht, zu eben jenem Klassiker geworden, welcher hier beschrieben wird. Ein letztes Modell, welches von der Mehrzahl der Akteure auf unterschiedliche Weise zur Erklärung herangezogen wird, ist das konzentrische KreiseModell: „Wir haben ganz zentrale Gebäude, das ist sicher das Reichstagsgebäude. [...] ich sitze ja im Jakob-Kaiser-Haus, im Paul-Löbe-Haus habe ich meine Ausschüsse, das heißt, ich besetze im Grunde ja auch alle drei Gebäude bis hin zur Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft, wo wir, ich bin Vorstandsmitglied der [parteiinterne Gruppierung], wo wir uns dann ja auch immer treffen und organisieren. Das sind so Markierungspunkte, wo ich auch denke, da ist Politik auch räumlich verortet. Und dann würde ich sagen, gibt es einen zweiten Ring um diese im engeren Sinne politischen Orte herum. Das ist der Bereich am Pariser Platz mit den Botschaften, die da angesiedelt sind. Wir haben ja auch noch da eine Dependance, wenn sie so wollen, Unter den Linden. Da sind ein Teil der Kollegen aus meinem Ausschuss untergebracht, da bin ich dann auch punktuell, wenn ich mich mit denen treffe. Aber das ist schon ein bisschen weiter ab. [...] Das ist aber für mich erst der zweite. Also ich würde so Ringe ziehen oder in konzentrischen Zonen denken.“ (Bundestagsabgeordneter)

Eine zentrale Rolle kommt für die meisten Feldteilnehmer dem Reichstag als Symbol der Politik und ihrer Ausführung zu. Der Reichstag wird von allen Ak-

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teursgruppen als zentraler Ort des Feldes begriffen. Um diesen Ort herum entstehen nun andere politische Orte gemäß den Produktions- und Konstruktionsprozessen, die ich bereits beschrieben habe. Die Dichte dieser Orte und die Bedeutung des einzelnen Ortes nehmen mit zunehmender Entfernung vom Zentrum, dem Reichstag ab. Es entstehen auf diese Art verschiedene Ringe um das Zentrum, ein Modell konzentrischer Kreise. Auch die Beschreibungen des Zonenmodells und des Markermodells lassen die Annahme zu, dass es sowohl einen zentralen Punkt, wie auch mindestens einen Kreis, nämlich eine Außengrenze um diesen zentralen Punkt herum gibt. Alle drei Modelle lassen sich grafisch zusammenfassen, sie beschreiben den politischen Teil der Hauptstadt Berlin:

Abnehmende Dichte und Relevanz politischer Orte mit zunehmender Entfernung vom

Grenze des politischen Teils der Stadt

Zentrum des politischen Teils

Physisch-

der Stadt

räumliches Zentrum des

Politische Orte in der Stadt; des politischen Teils der

Feldes in DreiBerlin: verschiedeneReichstag Akteurs-

Stadt

gruppen inner-

hier auch Marker als Grenze

halb des politiAbbildung 4: Physischer Raum des politischen Feldes von Berlin

schen Teils der Stadt

Es zeigt sich, dass alle drei Modelle durchaus den gleichen physisch-räumlichen Ausschnitt beschreiben können, ohne sich gegenseitig zu wiedersprechen. Vielmehr erscheint mir hier lediglich bei den unterschiedlichen Gesprächsteilnehmern die Wahrnehmung beziehungsweise Bewertung des physischen Raumes und die daraus resultierende Beschreibung eine andere zu sein. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Feldteilnehmer des nationalen politischen Feldes von Berlin eine sehr genaue Vorstellung von einem spezifischen Raumausschnitt, dem politischen Teil von Berlin haben, in welchen sie die meisten und wichtigsten politischen Orte der Stadt verorten. Interessant ist zudem der Vergleich mit dem Aufbau des Sozialraumes des politischen Feldes. Es zeigen sich viele Parallelen. So haben Sozialraum und physischer Raum beide ein Zentrum und eine Außengrenze. Der Raum dazwi-

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schen ist hierarchisch strukturiert, Positionen näher des Zentrums sind attraktiver für die Feldteilnehmer bezüglich ihrer sozialen Position wie auch für die Produktion und Konstruktion politische Orte. Auch die Aufteilung in verschiedene Akteursgruppen findet sich in bei einigen Gesprächspartnern in ihrer Beschreibung verschiedener Zonen im politischen Teil der Stadt wieder. 6.4.2 Nähe und Entfernung von politischen Orten Ein weiterer Faktor der sich aus dem physischen Aufbau des politischen Teils der Stadt ergibt, ist die physisch-räumliche Distanz politischer Orte zueinander. Dessen Bedeutung zeigt sich in den Gesprächen mit den Akteuren an unterschiedlichen Stellen. Stets bestätigen die Feldteilnehmer dabei mindestens implizit, dass Nähe und Entfernung kein Zufallsprodukt in der Anordnung politischer Orte sind und zudem ebenfalls nicht bedeutungslos für die Funktionsweisen des politischen Feldes. Wie sich das Bewusstsein über Distanzen äußern kann, zeigt folgendes Zitat: „Ich kenne sehr wohl Kollegen, die hier auch im Regierungsviertel wohnen, sogar hier im Haus und da gibt es witzigerweise, für sie vielleicht ganz interessant, ein Teil des ARDHauptstadtstudios beherbergt Wohnungen, das war damals eine Auflage beim Bau und diese Wohnungen werden gemietet zum Teil von Bundestagsabgeordneten, zum Teil auch von Journalisten, die wohnen dann sogar unter einem Dach.“ (Journalist)

Das ARD Hauptstadtstudio, in unmittelbarer Nähe zum Reichstag ist für die Akteure ein attraktiver Ort, nicht zuletzt aufgrund seiner Nähe zu besagtem zentralsten Ort des Feldes. Dass hier nun unter einem Dach verschiedene Gruppen von Feldteilnehmern zusammenleben beziehungsweise arbeiten, wird von dem befragten Journalisten als zumindest erwähnenswert und besonders wahrgenommen. Gemein haben dabei alle betroffenen Akteure, dass sie von der zentralen Lage auf eine noch nicht definierte Art und Weise in ihrem feldspezifischen Handeln profitieren. Potentiell können wir zunächst annehmen, dass die vorhandene Nähe die Möglichkeiten der Interaktion mit der jeweils anderen Akteursgruppe vermehrt. Diese räumliche Konzentration kommt nicht nur bei besagtem Hauptstadtstudio zum Tragen: „Sie haben doch hier alles an Lobbyisten genauso. Hier im Hause wohnen nur Lobbyisten. BMW hat hier das Lobbyisten-Büro, British American Tobacco sitzen hier oben, alle hier.

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Ich sehe ab und zu, wie dann der Minister da oben hinrauscht und dann zu irgendeiner...“ (Betreiber des Einstein)

Viele Gebäude im politischen Teil Berlins weisen eine solch konzentrierte Nutzung durch Akteure des politischen Feldes auf, sei es nun durchmischt nach verschiedenen Akteursgruppen oder, wie durch den Betreiber des Einstein beschrieben, einer einzigen Gruppe, hier den Lobbyisten.

Abbildung 5: Foto eines Hauseingangs in Berlin I

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Abbildung 6: Foto eines Hauseinganges in Berlin II

Diese räumliche Ballung ist nicht zufällig, vielmehr gibt es verschiedene Gründe, welche eine Nähe zu anderen Feldteilnehmern für die Akteure sinnvoll erscheinen lassen. Ein Grund wurde bereits genannt: die Möglichkeit einer häufigeren Interaktion. Ein weiterer Grund betrifft vor allem die Ansiedlung der verschiedenen Akteure in der Stadt Berlin an sich: „Wenn sie die Abgeordneten erreichen wollen für ein Fachthema, dann müssen sie am Standort Berlin sein. Einer ist in NRW und einer ist in Niedersachsen, das wird schwierig. Und das Knowhow, was sie dafür brauchen, das können Sie halt auch nicht in die Fläche, in jedes Gebiet tragen und es wird dann eben auch umständlich. Sie müssten ja alles Mal 16 machen, um die zusammen zu bekommen. Dann sind natürlich die ganzen großen, offiziellen Konferenzen, die finden dann hier in Berlin statt. Staatsbesuche und so weiter. Wir haben hier durch die Lage, da sind wir einfach prädestiniert mit der Lage drei Minuten zum Parlament. Wir haben hier auch immer eine sehr große Beteiligung von Abgeordneten.“ (Lobbyist)

Die Anwesenheit in Berlin wird von Lobbyisten generell als wichtiges Kriterium bewertet, um innerhalb des politischen Feldes erfolgreich zu agieren. Die Nähe zu den politischen Entscheidern, vor allem den Abgeordneten, führt dazu, dass

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sich Lobbyisten versuchen, in der Nähe der zentralen Orte des Feldes niederzulassen. Sie produzieren und konstruieren hierbei selbst politische Orte, ihre Büros oder Repräsentanzen, nicht selten inklusive eigener oder geteilter Veranstaltungsräumlichkeiten. Da der Austausch von Informationen dabei stetig und schnell erfolgen soll, so dass hier aufgeführte Argument in Ergänzung zu der allgemeinen Bedeutung der Interaktion zwischen den Feldteilnehmern, ist die physische Präsenz unumgänglich für erfolgreiches Agieren. Die beschriebene Nähe bringt dabei für beide Akteursgruppen Vorteile mit sich: „Das Problem ist, weil abseits des Pariser Platzes braucht jeder Abgeordnete ein Auto, ein Fahrer muss ihn bedienen. Dann kann er auch nicht so eben wieder zurück. Wir haben es hier schon gehabt, da saßen Abgeordnete aufm Podium, dann kam die namentliche Abstimmung und die haben gesagt: Wir bleiben solange bis das Telefon klingelt. Wir brauchen vom Telefonklingeln bis zur Abstimmung drei Minuten um rüber zu kommen. Das können sie nicht machen, wenn sie dann erst einen Fahrer bestellen müssen, der sie am Potsdamer Platz abholt, und im Schweinsgalopp vom Potsdamer Platz schaffen sie es auch nicht darüber.“ (Lobbyist)

Die Nähe zum Parlament gibt so nicht nur den Lobbyisten die Möglichkeit, ihre eigenen Veranstaltungen attraktiver für die Abgeordneten zu machen. Die Abgeordneten selbst profitieren davon, Zeit zu sparen und potentiell schnell den Ort wechseln zu können, um andere Aufgaben wahrzunehmen, denn der logistische Aufwand und die Verschwendung von Zeit durch die Überwindung größerer Distanzen, werden als Wettbewerbsnachteil wahrgenommen. Die Akteure sind sich dem bewusst und wägen daher ab: „Ich gucke auch ganz genau danach. Wenn etwas in der Parlamentarischen Gesellschaft ist oder im Reichstag ist, da haben die Glück, dass ich da eher zusage. Bei den anderen Dingen überlege ich mir das schon genauer.“ (Bundestagsabgeordneter)

Lobbyisten und Bundestagsabgeordnete teilen also ihre Präferenz für eine räumliche Nähe zueinander. Die Entscheidung, einen nicht obligatorischen Termin wahrzunehmen, ist zu einem nicht geringen Teil davon abhängig, ob sich der Aufwand in Relation zu den erwarteten Gewinnen rentiert. Dieses Denkmuster kann auch für die Gruppe der Journalisten belegt werden: „Klar kann man günstiger unterkommen. Ich würde trotzdem sagen, dass die räumliche Ansiedlung hier im Bermuda-Dreieck der politischen Institutionen eigentlich das absolute Nonplusultra ist. Nähe und Präsenz sind sehr wichtig, zum einen aus praktischen Erwä-

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gungen: Wir gehen einmal über die Straße und sind sofort im deutschen Bundestag. Wie gesagt, Schnelligkeit ist ein wichtiger Faktor für uns. Das Fernsehen braucht Bilder. Je näher man dran ist, desto einfacher und schneller funktioniert das. Die kurzen Wege sind also ein ganz, ganz wichtiger Faktor. Ist ja nicht nur der Bundestag, ist auch das Kanzleramt. Gut, die Ministerien sind verstreut, da spielt es am Ende nicht so eine Rolle. Aber es ist schon nach wie vor der Bundestag für uns so das Herzstück der Informationsbeschaffung und natürlich auch die Bundespressekonferenz, die ja auch quasi fußläufig von hier ist, so dass auch das hier ein Faktor ist, so dass man sagen muss, die Lage hier macht einfach Sinn.“ (Journalist)

Abschließend kann festgehalten werden, dass alle drei relevanten Gruppen des politischen Feldes die Nähe zum Zentrum des politischen Teils der Hauptstadt Berlin schätzen und sowohl Lobbyisten, wie auch Journalisten sich durch die Nähe zu den Bundestagsabgeordneten ebenfalls Vorteile für ihre eigene Arbeit errechnen. Offen bleibt dabei weiterhin aber die Frage, wie Nähe überhaupt zu definieren ist. Viele Akteure haben hier eine sehr konkrete Vorstellung: „Die Fußläufigkeit ist ein ganz entscheidender Vorteil. Alles, was man zu Fuß vernünftigerweise erreichen kann, das hat auch einen Vorteil. Ständige Vertretung ist schon wieder zu weit weg. Das ist dann wieder doof. Man will den Fahrer dann auch nicht bitten, einen zur Ständigen Vertretung zu fahren. Dazu ist es wiederrum zu nah.“ (Bundestagsabgeordneter)

Die Begrenzung des politischen Teils der Stadt, also jenem Raum, der verstärkt mit politischen Orten besetzt ist, wird von Entfernungen bestimmt. Dabei spielt das Argument der Fußläufigkeit eine entscheidende Rolle. Zwar ist zu bezweifeln, dass der gesamte Bereich, der als physisch räumliches Zentrum des politischen Feldes beschrieben wird, in der Praxis auch für jeden Akteur fußläufig zu erreichen ist, jedoch ist die Maßeinheit für die Bemessung der Entfernungen bei vielen der befragten Akteure die Wegezeit zu Fuß. Ist ein Ort zu weit entfernt, um ihn zu Fuß zu erreichen, sind in den Gesprächen zwei alternative Möglichkeiten genannt worden, an diesen zu gelangen. Eine Möglichkeit ist das Fahrrad, welches in allen Akteursgruppen für viele Feldteilnehmer eine Rolle spielt. Die andere Möglichkeit ist das Auto. Die Fahrt mit dem Auto ist aber mit einem erhöhten Organisationsaufwand verbunden, nicht nur für die Bundestagsabgeordneten, die über den Fahrdienst mit Chauffeur und Limousine versorgt werden. Die Bemessung der Entfernung im Auto wird dementsprechend auf andere Art bestimmt:

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„In meiner ersten Zeit war ich auch in Charlottenburg, toller Stadtteil aber ich habe das sofort wieder eingestellt, weil die Fahrerei irre ist. Man fährt morgens eine Stunde oder morgens eine halbe Stunde und abends nochmal zwanzig Minuten. Man ist ganz leicht eine Stunde seines Tages los. Ich habe jetzt hier ein Hotel ganz in der Nähe, ich fahre dann morgens maximal fünf Minuten. Das geht ruckzuck. Und habe dann eben die Zeit. Es sind auch fast alle Abgeordneten irgendwo in Mitte, ich bin im Hotel andere haben eine Wohnung.“ (Bundestagsabgeordneter)

Die Entfernung, die der eigene Wohnort zum Arbeitsort hat, kann für die Feldakteure dann problematisch werden, wenn zu viel der eigenen Zeit für die Zurücklegung der Distanz zwischen beiden Orten verbraucht wird. Ähnlich wie am Beispiel der Fußläufigkeit beschrieben, gibt es eine Außengrenze, die entsprechend der Fahrtzeit bemessen wird. Die Außengrenze des politischen Teils der Stadt wird also, zusammengefasst, zum einen darüber definiert, welche Orte zu weit außerhalbe liegen, je nach eigener Wahrnehmung und bevorzugten Formen der Mobilität zu Fuß oder per Auto. Ein anderes Kriterium, über das die Außengrenzen des politischen Teils der Stadt ermittelt werden können, ist, wie gesagt, die Dichte. Während bereits gezeigt werden konnte, dass politische Orte in zunehmend größerer Dichte auftreten, je näher wir dem politischen Zentrum, dem Reichstag kommen, lässt sich anhand der Dichte an Akteuren nun auch messen, ob wir uns im politischen oder nicht-politischen Teil der Stadt befinden. Ein anderer Abgeordneter, der im Gegensatz zum vorherigen noch in Charlottenburg lebt, stellt fest: „Das ist eher der Charme des alten Westberlin und ab und zu frage ich auch den Fahrer, ob hier noch einer wohnt und der sagt im größeren Umkreis sind nochmal drei oder vier, die da wohnen. Aber nicht so dicht gedrängt, wie das hier in Mitte ist und Richtung Prenzlauer Berg. Also, dass ich da mal einen Kollegen oder eine Kollegin gesehen habe, war noch nie der Fall. Da läuft dann halt keiner rum.“ (Bundestagsabgeordneter)

Die Dichte der sichtbaren Akteure ist für die Feldteilnehmer ein weiteres Anzeichen dafür, ob sie sich im politischen Teil der Stadt befinden. Charlottenburg ist nun, so haben wir bereits festgestellt, weiter vom Bundestag entfernt. Entsprechend der Theorie über das Verhältnis von Entfernung zu Bedeutung für das politische Feld handelt es sich hier also nicht um einen relevanten Teil Berlins im Sinne des nationalen politischen Feldes. In der Konsequenz sind hier nun deutlich weniger Feldteilnehmer vorzufinden. Sie haben hier weder ihre Arbeitsorte, noch ihre Freizeit- und Wohnorte.

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Politische Orte, die nun außerhalb der Grenzen des politischen Teils der Stadt liegen, sind oft, anders als bei dem Wohnort des Abgeordneten, mit Problemen konfrontiert: „Die Kollegen bei [Firmenname] die unten am Kaiserdamm sind, mit der U-Bahn keine Viertelstunde, die sind weg vom Sprengel und die fühlen das. Die sagen: Zu uns kommt keiner. Wir müssen immer rein, wir sind immer unterwegs. Und das ist nun wirklich, und ich fahre da jeden Tag lang, weil ich aus der Ecke von zu Hause komme, das ist wirklich eine Viertelstunde. Das merkt man einfach, weil alles mal eben schnell.“ (Lobbyist)

Es zeigt sich, dass die Konsequenz von zu großer Entfernung vom politischen Zentrum der Stadt eine weniger erfolgreiche Arbeit sein kann, in jedem Fall aber zusätzliche Anstrengungen von Nöten sind, um erfolgreich im Feld zu agieren. Eine größere Nähe wird daher als Vorteil bewertet. Viele Feldteilnehmer stellen in der Folge fest, dass es aus diesem Grund nach wie vor eine Entwicklungsdynamik im politischen Teil der Stadt gibt: „Also ich sage mal so. Das Zentrum der Macht und das sieht man auch, das ist Tatsache, einige Botschaften und Repräsentanzen der Unternehmen quasi ihre persönlichen Residenzen aus dem Stadtgebiet Berlins hier noch weiter hergeleitet haben, hier geht es Potsdamer Platz, dann geht es noch bis Alexanderplatz, Reichstag, das ist schon. Das Innenministerium hatte ja schon Probleme mit so weit draußen, weil sie nicht eben schnell irgendwo hin zu Besprechungen und so weiter kommen können.“ (Lobbyist)

Die Entstehung und Entwicklung des politischen Zentrums und des ihn umgebenen politischen Teils der Stadt ist sicherlich nicht komplett vorherzusehen gewesen. Akteure haben sich dementsprechend teilweise an Orten niedergelassen, die nach der heutigen Bewertung der Feldteilnehmer für eine erfolgreiche Teilnahme im Feld ungünstig sind. Die Folge kann einerseits, wie zuvor beschrieben, eine gesteigerte Anstrengung sein, das „immer unterwegs sein“, eine Konsequenz kann aber auch der Umzug und die Produktion und Konstruktion eines neuen politischen Ortes sein, innerhalb der Grenzen des politischen Teils der Stadt. Weiterhin kann abschließend festgehalten werden, dass, analog zum sozialen Raum des Feldes, auch im physischen Raum die Nähe zu zentralen Orten für die Feldteilnehmer zu besseren Bedingungen und zu einer erfolgreichen Teilnahme im politischen Feld führen kann.

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6.4.3 Räumliche Wertigkeit politischer Orte Offensichtlich spielen Nähe und Entfernung vom Zentrum des politischen Teils der Stadt oder spezifischen anderen politischen Orten eine große Rolle für die Produktion und Frequentierung dieser durch die Feldteilnehmer. Folglich wird dadurch auch ihre Nutzbarkeit durch das politische Feld mit determiniert, denn nur Orte an denen die Interaktion der Akteure möglich ist und, verglichen mit anderen Orten, gut funktioniert, sind nützlich. Die Wertigkeit politischer Orte, ihre Bedeutung für das politische Feld, lässt sich also auf der einen Seite über ihre Entfernung von zentralen Orten ablesen. Ein zweites Kriterium ist daran anschließend der physische Raumausschnitt an sich, an dem ein politischer Ort produziert wird. Hier kann zunächst die Größe ein wichtiger Punkt sein: „Ich war ja mal vier Jahre Lobbyist bei [Unternehmensname] und da hat es natürlich schon eine Rolle, dass sie eine große repräsentative Repräsentanz haben und die auch schon mal zur Verfügung stellen für politische Veranstaltungen und dass sie natürlich nach fünf Minuten Fahrt auch im Bundestag sind.“ (Journalist)

Neben dem bereits bekannten Argument der Bedeutung von Nähe wird deutlich, dass die Größe und, damit einhergehend, der Ruf eines politischen Ortes, hier der Repräsentanz des ehemaligen Arbeitgebers des Gesprächspartners, ebenfalls eine Rolle spielt. Während das Kriterium der Größe nicht weiter aufgeschlüsselt werden muss, stellt sich allerdings die Frage, was mit dem Ruf eines politischen Ortes gemeint ist: „Naja, das ist schon ein Commitment. Das ist auch schon ein Statement. Und dieses Büro ist ja am Potsdamer Platz, also im [Adresse], also da ist die Adresse sozusagen auch schon eine Aussage, ein Statement. Und das ist durchaus bedeutsam. Also im Zweifel könnte man sagen: Ja, jemand der so relativ gut vernetzt ist, könnte das also auch von zuhause aus oder sonstwie machen. Aber ich denk mal, dass die Wahrnehmung doch nochmal eine andere ist. [...] Aber ich denke mal das ist Teil, also Bestandteil des Konzepts. Das ist, dass r

man an der Stelle einfach auch eine ordentliche Repräsentanz hat. Wobei wir den Begriff Repräsentanz vermeiden, weil wir eben nicht so ein Showroom sein wollen, sondern das soll eine Arbeitseinheit sein. Aber so wie halt Bertelsmann da im Kronprinzessinnenpalais ist oder sonstwie. Das ist schon, das sind schon Adressen, die werden wahrgenommen. Und [Adresse des Arbeitgebers] ist eben auch eine, die wird wahrgenommen.“ (Lobbyist)

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Die Wertigkeit eines Ortes wird neben ihrer Nähe zum Zentrum des politischen Teils der Stadt und der reinen Größe des Ortes nun auch allgemeiner von dem Ruf mitbestimmt, den der Ort genießt. Dieser Ruf kann beispielsweise entsprechend der Geschichte eines Ortes, spezifischen Ereignissen die dort stattfanden oder seiner besonderen Architektur geprägt sein, oft geht es allerdings vor allem auch um das aufgewendete ökonomische Kapital, welches der Akteur zur Aneignung des Ortes aufbringen musste. Dies kann auch unabhängig von den feldspezifischen Bedeutungen sein, die ihm das politische Feld zuschreibt. Er kann aber auch einen feldspezifischen Ruf haben, zum Beispiel durch die räumliche Ballung spezifischer politischer Orte in einem Gebäude. Die Konzentration bestimmter Lobbyeinrichtungen in einem Haus kann, unabhängig von den einzelnen politischen Orten, den einzelnen Lobbybüros, zu der Entstehung eines feldspezifischen Rufes für das ganze Haus als größeren Raumausschnitt führen und so auch nicht handelnde Akteure, die dort ihre Büros haben, mitbetreffen. „Wenn mir meine Mitarbeiter eine Einladung hinlegen und ich seh da die [Adresse] draufstehen, dann weiß ich gleich aus welcher Ecke das kommt. Viele Lobbyisten sitzen ja zusammen in den gleichen Häusern. Da merkt man sich irgendwann sogar die Adressen, wenn von da so viel Post kommt.“ (Bundestagsabgeordneter)

Eine letzte Wertigkeit, die ich erst im folgenden Abschnitt ausführlicher behandeln werde, ist die Ausstattung politischer Orte. Diese lässt sich ähnlich erklären, wie die Bedeutung von Größe und Ruf. Es geht um die Repräsentativität dessen, was der Feldteilnehmer durch seine Konstruktionsleistung an einem Ort geschaffen hat und auch die Bedeutung, die ein Feldteilnehmer seiner Präsenz im politischen Teil der Stadt, auch im Vergleich zu anderen politischen Orten dadurch beimisst. Die Akteure versprechen sich dabei von dem Einsatz von Kapital zur Ausstattung ihrer Repräsentanzen, Büros und Studios, teilweise vielleicht sogar ihrer privaten Wohnungen, eine erfolgreichere Teilnahme im nationalen politischen Feld. Die Wertigkeit politischer Orte im Vergleich wird innerhalb des politischen Feldes durch die Faktoren der Nähe, des Rufes (der Größe, Adresse, Lage oder Architektur und Geschichte) sowie der Ausstattung des politischen Ortes bestimmt. Für alle diese Qualitäten setzen die Akteure Kapital ein, in der Hoffnung, dieses gewinnbringend zu investieren.

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6.4.4 Aufbau politischer Orte Politische Orte haben eine spezifische physisch-räumliche Gestalt zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sozial produziert werden und damit ihre feldspezifische Bedeutung erhalten. Gezeigt werden konnte bereits, wie Akteure diesen Aufbau durch Konstruktionsprozesse verändern können. Nicht aufgezeigt wurde hingegen bisher, wie der Aufbau sich nun konkret für die Akteure darstellt. Wie ich ebenfalls bereits festgestellt habe, hat der Aufbau politischer Orte einen Einfluss auf die Interaktion der Feldteilnehmer und ist somit Teil der innerhalb des politischen Feldes verhandelten Regeln. Mein Beispiel des Café Einstein ist hier sehr hilfreich, da es eine Vielzahl von feldspezifischen Bedeutungen durch seinen Aufbau vermittelt. Die zentralste und sichtbarste fasst diese Lobbyistin zusammen: „Aber Tatsache ist es: Touristen nur vorne. Die werden nach hinten nicht durchgelassen.“ (Lobbyist)

Das Einstein ist ein mehrfach geteilter, begrenzter Ort. Jedem Teilort sind spezifische Funktionen eingeschrieben. Folgenden Aufbau konnte ich bei meinem Besuch erkennen: „Das Café Einstein liegt an der Ecke Unter den Linden/Neustädtische Kirchstraße. Ich betrete es durch den Haupteingang am Boulevard Unter den Linden. Ich komme in einen Raum mit dicht gestellten Tischen und Stühlen, halbhohen Raumtrennern, einer langgezogenen Bar und einer Menge Dekorationsmaterial an den Wänden. Alles in Holzoptik. Es ist mittags und voll. Die Kundschaft erscheint mir bunt gemischt. Vor allem aber sehr touristisch geprägt. Ich gehe in Richtung Bar und bemerke einen Mann in einer schickeren Service-Uniform als die anderen Mitarbeiter. Er überblickt den Raum und unsere Blicke treffen sich schnell. Ich gehe zu ihm und werde freundlich begrüß. Er führt mich an das gegenüberliegende Ende des Gastraums und durch eine Tür in einen neuen Raum. Hier stehen massivere Tische, es ist deutlich mehr Platz zwischen ihnen. Die Wände sind sparsamer aber auch, so scheint mir, hochwertiger dekoriert. Der Raum ist kleiner als der erste Gastraum aber immer noch groß. Es ist nicht so voll wie zuvor aber noch immer ist ein Großteil der Tische besetzt. An ihnen sitzen fast nur Männer, fast nur im Anzug oder zumindest in Kleidung, die mir schick erscheint. Viele haben Aktenkoffer dabei, auf den Tischen liegen dicke Tageszeitungen. Es gibt drei weitere Türen in diesem Raum. Eine führt in den Flur, der, wie ich später erfahre, auch als Galerie genutzt wird. Eine führt nach draußen, man kann diesen Raum also auch betreten, ohne zuvor den ersten Gastraum durchschreiten zu müssen. Die dritte Tür ist geschlossen. [...] Nachdem unser Gespräch

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unterbrochen wurde, kommt Herr Uhlig nun zurück und wir entscheiden aufgrund der Lautstärke und meinem Wunsch das Gespräch aufzuzeichnen, den Raum zu wechseln. Er öffnet eine verschlossene Tür und wir betreten einen weiteren, dritten Gastraum. Hier stehen große Ledercouches. Es gibt einen großen Kamin. An den Wänden hängen großformatige Gemälde in knalligen Farben, während der Rest der Möbel eher gedeckte Töne hat. Es gibt außerdem eine Ecke mit Stehtischen. In diesem Raum ist niemand außer uns. [...] plötzlich öffnet sich dann die Tür zum Flur und eine Gruppe gut gekleideter Männer mittleren Alters betritt den Raum. Sie fragen, ob sie später hier etwas trinken könnten, Herr Uhlig stimmt zu und nach etwas Smalltalk verlassen die Männer den Raum durch die Tür zum nächsten Gastraum. Es handelte sich um Lobbyisten von einem Tabakkonzern, der seine Repräsentanz oben im gleichen Haus unterhält, so erfahre ich im Gespräch.“ (Beobachtungsprotokoll zum Gespräch mit dem Betreiber des Café Einstein)

Die Auswahl des Café Einstein als Beispiel für einen politischen Ort erfolgte aufgrund zweier verschiedener Kriterien. Zunächst einmal sprechen ihm die Feldteilnehmer eine große Bedeutung für das nationale politische Feld zu. Das Einstein zeigt aber auch sehr deutlich, wie ein Ort aufgebaut sein kann, um den Ansprüchen des politischen Feldes Rechnung zu tragen und so überhaupt erst zu einem feldrelevanten Ort zu werden. Zunächst einmal ist die funktionale Trennung zu nennen. Die Akteure können auch vertrauliche Gespräche führen, ohne dabei von anderen gehört oder gesehen zu werden. Dies geht einher mit einer gewissen Exklusivität gegenüber dem Feld Außenstehenden. Aber auch durch die Einrichtung der verschiedenen Gasträume wird eine gewisse Exklusivität oder, wie es im vorherigen Abschnitt beschrieben wurde, eine Repräsentativität geschaffen, welche dem Geschmack der Akteure des Feldes entsprechen soll. Ein genügend großer Abstand der Tische oder gleich die Abtrennung ganzer Bereiche durch Sofa-Ecken, führt zu einer intimen, vertraulichen Atmosphäre, welche die Interaktion der Feldteilnehmer erleichtern kann. Die Wahl teurer Möbel und Kunstgegenstände verdeutlicht, gerade auch im Vergleich zum ersten, rustikal eingerichteten Gastraum, dass sich jener nicht an den allgemeinen Besucher, den Touristen oder normalen Berliner, sondern an das politische Feld, eine Klientel mit exklusivem Geschmack, richtet. Der Aufbau und die verschiedene Ausstattung sowie die unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten im Café Einstein sind so ein hervorragendes Beispiel für die Wirkung, die ein Ort auf das politische Feld, aber auch Außenstehende haben kann. Ein anderes Beispiel für einen politischen Ort ist der Reichstag, das Zentrum des politischen Teils der Stadt. Dieser zeigt, wie Orte, die bereits durch das politische Feld baulich errichtet und konstruiert wurden, ihre Funktionen ausführen:

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„Das ist ja, dieses Gebäude Reichstag ist ja irre gemacht, weil du hast zwei Ebenen. Du hast die Besucherebene, und die geistern da auf der Kuppel rum und dann sind die da auch in diesen Besuchertribünen. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, wo du wechselst, das ist T6. Das ist Fahrstuhl 6. Da kommst du überhaupt hin, ansonsten sind das zwei völlig abgeschottete Dinger, und das ist relativ typisch für das Gesamte. Dass das schon, dass das optisch so aussieht: Klar, der Bundestag ist transparent, die Leute rennen da oben lang und so. Das ist natürlich auch eine super Idee, ist auch, finde ich, nach wie vor begeisternd, aber real findet da, würde ich mal sagen, findet keine Durchmischung statt.“ (Bundestagsabgeordneter)

Der Reichstag ist durch die Geschichte seines Aufbaus per se als politischer Ort angelegt. Ein wichtiges Argument ist auch hier die Trennung zwischen Feldteilnehmern und Außenstehenden und die dadurch entstehende Exklusivität und Intimität. Aber auch der Aufbau des Gebäudes, mit dem Plenarsaal als Ort der Debatte, den Fraktionsräumen und anderen Besprechungsorten, ist von den Feldteilnehmern als solcher gewünscht und durch Architekten auch umgesetzt worden. Der Reichstag ist so das wohl prominenteste Beispiel für einen konstruierten politischen Ort. Die hier geltenden Regeln, seien sie sichtbar und offiziell oder eben nicht, beeinflussen das Verhalten der Akteure und somit auch die Funktionsweisen und Regeln des Feldes. Der Aufbau politischer Orte kann aber auch von einzelnen Feldteilnehmern genutzt werden, um eine Botschaft an andere auszusenden. Diese kann unterschiedlicher Natur sein. Hier ein Beispiel über ein Botschaftsgebäude und einen dort stattfindenden Empfang: „Ich war eine Mischung aus erschüttert und erschrocken über die Kargheit der Innenräume. Die haben einen wunderschönen Innenhof, aber aus dem wird nicht viel gemacht oder wir waren nicht herzlich eingeladen, den Innenhof einzunehmen. Wir waren in einem Raum, der an Kühle kaum noch zu unterbieten war und uns wurde dargereicht, was wir als Parlamentarier, vielleicht gewöhnt man sich da auch an einen bestimmten Standard, aber wenn sie Chips und Cola hingestellt bekommen, dann ist das eigentlich unter Niveau. Der Ort ist ja nie nur Wand, sondern das lebt ja auch. Das hat eine gewisse Kultur und eine gewisse Ausstrahlung. Einen Raum einnehmen ist ja immer auch ein sinnliches Erlebnis. Das war so gar kein Angebot. Der Botschafter ist da gekommen und hat so Fotoshootings wahrgenommen und mir sogar angeboten. Aber so ein Ort schafft keine Nähe. Er schafft Distanz. Und so war auch der Abend angelegt. Man hat sich ein bisschen beäugt. Hervorragend war, dass so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Botschaft da waren, aber es entsteht keine Nähe. Ich habe da immer gedacht, die lassen uns deutlich spüren, dass sie ‚Fuck the EU‘ denken.“ (Bundestagsabgeordneter)

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Der Aufbau und die Ausstattung politischer Orte kann genutzt werden, um Botschaften an die Feldteilnehmer auszusenden. Diese müssen nicht unbedingt, wie in diesem Beispiel, negativ sein. Ein opulentes Buffet und engagiert freundliche Mitarbeiter hätten in vorangegangenem Beispiel vielleicht einen anderen Eindruck hinterlassen. Es zeigt sich aber, dass innerhalb des Feldes Regeln vorhanden sind, welche einen Maßstab darstellen, wie politische Orte für spezifische Anlässe gestaltet sein sollten. Weichen diese Orte von diesen Standards ab, kann dies als eine Botschaft wahrgenommen, mindestens aber beeinflusst es die Interaktionsprozesse der Feldteilnehmer, indem es einen konkreten Handlungsrahmen gestaltet, auf den diese reagieren. Eine andere Botschaft, die ein politischer Ort senden kann, ist eine über die Bedeutung seines Konstrukteurs, seines Besitzers. Ich habe im Laufe meiner Interviews viele Büros und andere Arbeitsräume der Feldteilnehmer kennengelernt. Ein Beispiel: „Ich werde in das Büro geführt und [Name des Gesprächspartners] kommt direkt auf mich zu und begrüßt mich mit einem kräftigen Händedruck. Es weist mir mit einer kurzen aber eindeutigen Bewegung meinen Platz zu und ich sitze bevor ich überhaupt wirklich wahrnehme, wo ich bin. Das Büro ist riesig, mindestens 50m². Wir sitzen in einer Ecke mit vier schwarzen Ledercouches. Am anderen Ende des Raumes gibt es einen großen Schreibtisch und dahinter viele Bücherregale. An den Wänden hängt wenig, dafür sind es großformatige Kunstwerke. Eine der beiden Längsseiten ist auf die gesamte Breite und fast auf die gesamte Höhe verglast. Der Blick geht einmal komplett über den [ein bekannter Berliner Stadtplatz]. Auf meiner Couch sitze ich besonders tief, ich tue mich schwer, meine Interviewutensilien richtig vorzubereiten und bemerke die Ungeduld meines Gegenübers.“ (Beobachtungsprotokoll des Autors zu einem Gespräch mit einem Journalisten)

Die Botschaft, die politische Orte aussenden, kann einerseits durch Ausstattung und Aufbau eines Ortes sowie durch konkrete Interaktionsformen geformt werden, welche situationsspezifisch eingesetzt werden können. Anderseits kann eine Botschaft auch schon bei der baulichen Konstruktion eines Ortes mitgeplant werden. Einen besonders repräsentativen und opulenten Büroraum zu gestalten und Interaktionspartner hierher einzuladen, kann so mit der Strategie verbunden sein, damit auf die eigene Position, die eigene Wichtigkeit im nationalen politischen Feld hinzuweisen und Hierarchien zwischen Interaktionspartnern über die Produktion von Orten herauszustellen oder auch erst zu konstruieren. Der Aufbau und die Ausstattung spezifischer Orte kann aber auch eine ganz andere Konsequenz haben:

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„Ins Borchardt gehe ich nicht, weil es mir da zu laut ist und weil die Leute zu eng nebeneinander sitzen und die Küche gemäß den Preisen nicht adäquat ist. Ich gehe in andere Restaurants.“ (Journalist)

Erfüllt ein Ort die spezifischen Kriterien, die im Feld für die erfolgreiche Interaktion der Feldteilnehmer festgelegt werden nicht, so kann der Ort seine Bedeutung bei einigen oder allen Akteuren auch wieder verlieren. Möglich ist so generell auch ein Ort, der als politischer konstruiert wurde, den die Akteure in ihren Produktionsprozessen jedoch nicht in seiner Funktion bestätigen. Dieser Ort wäre so kein politischer Ort mehr, da ihn folglich die Akteure nicht mehr frequentieren. Der Aufbau politischer Orte ist insgesamt als ein wichtiges Instrument zu bewerten, um Interaktionen zwischen Feldteilnehmern zu beeinflussen. Dabei erlernen die Akteure über die Regeln des Feldes adäquate Strategien, mit deren Hilde sie selbst politische Orte in ihrer konkreten Gestalt zu ihrem Vorteil konstruieren können und haben zudem mit diesem Wissen auch die Möglichkeit, bereits bestehende politische Orte als Instrumente zur Gestaltung ihrer Interaktionen einzusetzen.

6.5 WIRKUNG POLITISCHER ORTE In den vorangegangenen Abschnitten habe ich den Aufbau und die Funktionsweise politischer Felder beschrieben, die unterschiedlichen Arten der Produktion und Konstruktion politischer Orte sowie ihre Qualitäten und zuletzt ihr Aufbau und ihre Anordnung im Verhältnis zueinander. Im nun folgenden letzten Teil dieser Fallstudie möchte ich aufzeigen, welches Verhältnis die Entstehung sowie die Qualitäten und die physisch räumlichen Dimensionen politischer Orte zu dem nationalen politischen Feld Berlins haben. Hierzu möchte ich mich auf zentrale Phänomene des sozialen Raumes konzentrieren, die ich im ersten Abschnitt identifiziert habe. Zunächst werde ich also auf die Kapitalformen eingehen, die von den Feldakteuren als die entscheidenden wahrgenommen werden. Es soll dabei um den Ruf der Akteure gehen, welchen sie im Feld genießen, danach um ihre wahrgenommenen Kompetenzen. Anschließend daran soll untersucht werden, wie politische Orte Einfluss auf die feldinternen Hierarchien und die damit verbundenen Kämpfe um Positionen ausüben und abschließend, welche Möglichkeiten der Abgrenzung nach außen für das politische Feld geschaffen werden und wie sich politische Orte auf die Hierarchien innerhalb des Feldes auswirken.

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6.5.1 Vertrauen und Intimität durch räumliche Nähe Das politische Feld entsteht und besteht, so konnte gezeigt werden, nur durch die stetigen Interaktionsprozesse der Feldteilnehmer. Es ist weiterhin deutlich geworden, dass die Akteure die persönliche Kommunikation an spezifischen Orten für viele Arten ihrer Interaktion auch bevorzugen: „Also wenn ich eine Person nicht kenne, werde ich ihr am Telefon nicht sagen, was für sie von Relevanz ist, ja. Ich muss die schon mal gesehen haben oder schon ein paar Mal getroffen haben, einen Eindruck haben. Und wissen: Ist da Substanz dahinter? Ist da keine dahinter? Ist das ein Säufer? Ist das ein, hat der sonst eine Macke? Ist das einer, der einen antatscht oder das bleiben lässt? Das sind so Fragen, die spielen eben alle auch eine Rolle. Und dafür muss man die Leute gesehen und eine Erfahrung mit ihnen gemacht haben.“ (Journalist)

Hinter diesen ganz konkreten Fragen, die Feldteilnehmer bezüglich ihres Gegenübers haben können, steht ein grundsätzlicher Mechanismus, der innerhalb des Feldes von großer Bedeutung ist. Das gegenseitige Vertrauen und der Ruf eines Feldteilnehmers werden von persönlichen Interaktionen bestimmt, von sozialen Prozessen an politischen Orten. Denn die dort stattfindende Form des Austausches ist eine andere, eine komplexere, als die Interaktion am Telefon oder per Schriftform. Die Parlamentarische Gesellschaft ist ein politischer Ort, an dem der persönliche Austausch besondere Bedeutung hat: „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass man da erste Kontakte herstellt. Ein Raum, der Wahrscheinlichkeiten erhöht. Wie bei anderen Räumen auch, der nun am zentralsten gelegen ist.“ (Bundestagsabgeordneter)

Nicht nur ist sie besonders zentral gelegen, sie ist aufgrund ihrer Lage, ihres Aufbaus und den Qualitäten, die ihr innerhalb des Feldes über die dort geltenden Regeln zugeschrieben werden, ein Ort „der Wahrscheinlichkeiten“, um neue Kontakte herzustellen. Die Akteure wissen um die Bedeutung spezifischer Orte in dem Maß, in dem sie mit den Regeln des Feldes vertraut sind und nutzen diese in dem Maß, wie ihre Position im Feld dies zu ihrem Vorteil zulässt. Akteure vermehren in der Parlamentarischen Gesellschaft ihr politisches Kapital über neue Kontakte, die ihnen bei der Etablierung eines guten Rufes helfen können. Generell ist aber nicht immer zwingend die Generierung neuer Kontakte das Ziel, welches mit dem Aufsuchen politischer Orte und der Reproduktion ihrer Bedeutungen verknüpft ist:

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„Das ist einfach ein toller Informationsaustausch, wenn man so hautnah von den einzelnen politischen Spielern hört, was sie denken, das ist schon anders als was man nachliest in den offiziellen Veröffentlichungen. Wenn einer spricht und man nachfragen kann, kann man viel mehr zwischen den Zeilen herausbekommen. Deswegen ist der persönliche Dialog so wichtig.“ (Lobbyist)

Die Feldteilnehmer schätzen an der persönlichen Interaktion die Möglichkeit des informellen Austausches. Für sie ergeben sich hieraus erneut Möglichkeiten, die eigene Position im politischen Feld zu verbessern, diesmal über konkrete Wissensbestände, das Kapital Kompetenz, welche wiederum nur in der Vertrautheit der persönlichen Interaktion an spezifischen Orten geteilt werden: „Ich bin immer dafür, hinzufahren und sich die Dinge anzugucken. Erstens, weil der Eindruck häufig ein ganz anderer ist, als wenn es auf das Audio oder die Kameraperspektive reduziert ist und zum anderen, um auch jenseits des öffentlichen Auftritts in Kontakt treten zu können zu den Akteuren und sie fragen zu können, jetzt mal ohne Kamera und Mikrofon, wie ist es denn nun wirklich? Und da bekommt man häufig ganz andere Antworten und die bekommt man eben nur, wenn man bekannt ist.“ (Journalist) Es zeigt sich, dass Informalität, also das Abweichen von standardisierten Vorgehen und offiziellen Veröffentlichungen von Statements der Akteure, die nötige Voraussetzung für das Entstehen von vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Akteuren ist. Sie ist stark von der Produktion von und der Interaktion an politischen Orten abhängig. Weiterhin wird deutlich, dass die Bekanntheit, der Ruf der Feldteilnehmer, ebenfalls stark von der Präsenz an eben jenen Orten abhängt, da nur hier die gewünschten Kontakte entstehen können und die notwendige Vertrautheit erreichen, die für den Austausch der für die Felddynamik relevanten Informationen notwendig ist. Das beschriebene Vertrauen kann dabei, gemäß der aufgezeigten Nutzungsarten politischer Orte, nicht nur in Büros oder bei politischen Veranstaltungen gewonnen werden: „Der da jetzt in der Geschäftsführung ist, der war früher, den kennt man vom Spielplatz mit der Tochter. Oder, oder, oder. Das sind ganz viele Dinge. Man sitzt beim Grillen zusammen und hat eine ganz tolle Idee. Was kann man noch machen?“ (Lobbyist)

Die Bedeutung eines politischen Ortes für die Entwicklung einer Beziehung zwischen zwei Akteuren und der damit einhergehenden Gewinnung von Vertrauen und Erarbeitung eines guten Rufes ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Aber gerade Orte, die keinen direkten Bezug zum politischen Feld haben, wie der Spielplatz oder die heimische Terrasse, können durch ihren höchst in-

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formellen Charakter die idealen Bedingungen schaffen, um einen Feldteilnehmer besser kennenzulernen und darüber hinaus ein vertrauensvolles Verhältnis zu erarbeiten sowie Meinungen und Gedanken auszutauschen, die in offiziellen Formaten nicht öffentlich diskutiert werden könnten. Das frühere Beispiel der Wohnzimmerrunden der Berliner Journalisten ist ein weiteres Beispiel, welches zeigt, dass sich die Akteure auch dessen sehr bewusst sind und so ihre privaten Orte ganz bewusst zu politischen Orten werden lassen, um damit erfolgreich im Feld agieren zu können. 6.5.2 Repräsentation und Wertschätzung durch die Investition in den politischen Ort Bereits in den vorangegangenen Abschnitten wurde gezeigt, inwieweit die Konstruktion eines politischen Ortes nahe des Zentrums des politischen Teils Berlins, also des Reichstags, als Vorteil für die dort agierenden und produzierenden Akteure gewertet wird. Nicht nur haben diese durch die Nähe zu den Entscheidungsträgern die Möglichkeit schnellerer Interaktion, sie zeigen vielmehr durch ihr Investment von ökonomischem Kapital in die Besetzung des Ortes auch, wie wichtig ihnen diese Interaktion ist. Die Investition in die Sichtbarkeit des eigenen Ortes spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle, wie die des einzelnen Feldteilnehmers selbst: „Wer ins Einstein geht, tut es möglicherweise nicht nur, weil es praktisch ist, sondern auch, weil er gesehen werden will. Die Leute, die da regelmäßig hingehen, sind halt häufig auch die, die einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Also auch auf Seiten der Medien, wo Menschen Wert darauf legen, dass sie mitkriegen, mit wem er oder sie sich denn so treffen im Laufe der Woche.“ (Journalist)

Neben dem Ruf, den sich Akteure an politischen Orten durch die Interaktion mit anderen Feldteilnehmern erarbeiten, ist auch ihre Präsenz an sich bereits eine Investition in ihre Position im politischen Feld. Sich an den richtigen Orten zu zeigen, dort anwesend zu sein in dem Wissen, dass sich dort die für das eigene Anliegen relevanten Akteure aufhalten, ist eine Kompetenz der Akteure. Diese hilft ihnen, ähnlich wie ihr fachliches Wissen ihnen weiterhilft, sich im politischen Feld erfolgreich zu bewegen. Sie werden dort zudem auch von anderen Akteuren wahrgenommen wird, deren Aufmerksamkeit potentiell zu neuen Kontakten führen kann. Dabei kann die Bewertung politischer Orte und ihrer Besucher je nach Akteur natürlich unterschiedlich sein, sie kann positiv oder negativ ausfallen:

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„Im Borchardt muss man sich sehen lassen. Brauche ich überhaupt nicht. Ich bin so wichtig, hallo, brauche ich nicht. Die Menschen, die sich so wichtig nehmen und sagen, ich bin so toll, weil ich jetzt da bin, die brauche ich überhaupt nicht. Mich würde es auch eher abschrecken, wenn mich jemand in das Borchardt einladen würde. Nach mir kann man auch ganz normal in die Kneipe um die Ecke gehen. Meine erste Einladung von Lobbyisten werde ich nie vergessen: vom Deutschen Spirituosenverband ins Adlon.“ (Bundestagsabgeordneter)

Entsprechend der politischen und privaten Positionen und Ansichten der Feldteilnehmer können politische Orte für diese interessant oder weniger interessant sein, attraktiv oder weniger attraktiv wirken. Die Feldteilnehmer kennen die Bedeutungen gerade der bleibenden politischen Orte und können gemäß ihrer im Feld erworbenen Kompetenz erkennen, wo sie die für ihre Interaktionsbedürfnisse passenden Akteure antreffen können. So ist das Borchardt für diesen Feldteilnehmer ein absolutes No-Go, für andere, wie einen weiteren Abgeordneten in einem vorherigen Abschnitt, kann es wiederum durchaus eine gute Adresse sein, um mit bestimmten Akteuren produktive Gespräche zu führen. Für den einladenden Akteur ist es die Aufgabe, im Sinne der Wertschätzung seines Interaktionspartners, einen Ort auszuwählen, welcher den Wünschen des anderen Feldteilnehmers entgegenkommt. Diese Wertschätzung wird in der Folge, so kann der Akteur hoffen, durch ein erfolgreicheres Treffen zu einer sinnvollen Investition. Die Wahrnehmung der Attraktivität und Sichtbarkeit der spezifischen Orte ist dabei nicht nur Produkt der feldintern ausgehandelten Regeln, sondern wird auch von den dem Feld Außenstehenden mit beeinflusst: „Gerade am Reichstag, wenn da die Limousinen vorfahren und so weiter. Dann hier am Pariser Platz, auch im Adlon findet ja ganz viel statt. Da bleiben die Leute schon stehen und fotografieren, egal was sie zu sehen kriegen. Lustiges Beispiel: Neulich der Präsident aus Kosovo, kaum so groß, wie sein Auto, hatte hohes Sicherheit, das heißt also, bevor der [...] ins Haus kam, wurde mit so Bändchen abgesperrt und es hat sich eine Traube gebildet. Selbst als die Queen hier war, standen nicht so viele Leute, die sich da. Dann fuhrt der vor. Eine riesige Traube am Pariser Platz, er stieg aus und irgendwer fing an zu klatschen. Der ganze Platz klatschte. Der muss zu Hause aufpassen, dass ihm nicht die Granaten um die Ohren fliegen, der stieg hier aus und winkte. Ich komme nur noch nach Berlin, der wusste gar nicht wieso, weshalb, warum. Das wussten die, die geklatscht haben auch nicht. Da ist einer vorgefahren mit so ein paar weißen Mäusen davor und einer Standarte am Auto. Spannend.“ (Lobbyist)

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Wieder ist das Zentrum des politischen Teils Berlin angesprochen, nahe dem Reichstagsgebäude. Der Vorgang, den der Lobbyist beschreibt, verdeutlicht, wie auch die Laien, also die Nicht-Feldteilnehmer, durch ihre Wahrnehmung politischer Orte, nämlich jener, von denen sie vermuten, dass hier die wichtigen Akteure des politischen Feldes agieren, helfen, diese Orte in ihrer Bedeutung zu reproduzieren. Auf diese Weise erlangt ein politischer Ort wie der Pariser Platz und die ihn umgebenen Gebäude seine Anerkennung durch Produktionsprozesse, die nicht innerhalb des politischen Feldes ausgehandelt werden aber trotzdem, Kraft der Bedeutung der Laien für das politische Feld, auf dieses einwirken, beziehungsweise das Kapital eben jener Akteure erhöhen, die an diesen Orten präsent sind. Politische Orte sind aufgrund ihres Rufes, welcher aus verschiedenen Merkmalen besteht, mehr oder weniger repräsentativ, verdeutlichen also das Engagement des Akteurs, welcher den Ort besetzt. Wie in den Beispielen im vorangegangenen Kapitel gezeigt, erkennen die Feldteilnehmer über die Regeln des Feldes die Investition in den Ort und die ihm eingeschriebenen Botschaften. Repräsentativität führt so im Regelfall innerhalb des nationalen politischen Feldes zu einem verbesserten Ruf eines Ortes und gleichermaßen des Akteurs, der ihn konstruiert hat und besetzt. 6.5.3 Einfluss politischer Orte auf den Aufbau und die Dynamik des Feldes Die in den vorangegangenen Abschnitten beschriebene Bedeutung politischer Orte und ihrer Produktion für die Feldteilnehmer vorausgesetzt, übernehmen die Interaktionsprozesse auch eine das Feld mit-strukturierende Funktion über den direkten Austausch zwischen den Anwesenden hinaus: „Aber auch dieses informelle sich-mal-treffen ist schon gut, um sich Kontakte zuzuführen. Ich brauche da jemanden, der braucht Unterstützung oder ich habe einen Praktikanten, braucht noch jemand einen. Das ist ein sehr freundschaftliches kollegiales Verhältnis.“ (Lobbyist)

Der beschriebene Prozess des Netzwerkens dient der Verbesserung der eigenen Position im politischen Feld. Der Zugang zu spezifischen politischen Orten ist hierbei von großer Bedeutung und gleichbedeutend mit der Teilhabe an Prozessen in bestimmten Bereichen des Feldes. Der Ausschluss von einem politischen Ort kann dementsprechend gleichbedeutend mit einem Positionsverlust im politischen Feld sein:

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„Aber es gibt natürlich so Ecken wo man hingeht. Ja, und das ist inzwischen in Reiseführern auch fest verankert. [...] Man hatʼs geschafft wenn man im Einstein vom Kellner mit dem Namen begrüßt wird.“ (Lobbyist)

Der beschriebene Fall des „erkannt werden“ steht dabei für eine Bekanntheit und Akzeptanz durch die anderen Feldteilnehmer, in diesem Fall repräsentiert durch die Mitarbeiter des Einstein, welche als „Wächter“ für einen innerhalb des Feldes als relevant geltenden politischen Ort stehen. Dabei werden die Zugangsbeschränkungen durch die vorherrschenden Hierarchien des Feldes geregelt. Auch im Kontext der Funktionsmechanismen innerhalb des politischen Feldes zeigt das Zitat dadurch die Bedeutung von Exklusivität durch Intimität und Repräsentation an einem Ort. Denn der Zutritt und das Erkannt-werden an einem konkreten Ort kann zu einem Gewinn an politischen Kapital beitragen. Die Akteure sind, auch um ihre eigene Position zu verbessern und das Feld exklusiv und damit eine Teilnahme erstrebenswert zu gestalten, bemüht, eine klare Begrenzung der Teilnehmerzahl durchzusetzen: „Wir sehen ja häufig Journalisten in der Mitarbeiterkantine. Die haben ja mit Hausausweis auch die Möglichkeit, in die Mitarbeiterkantine. Für die ist das auch wichtig, dass die mitbekommen, wie da so die Stimmungen sind. Man darf eines nicht vergessen: Der Bundestag gibt ja unterschiedliche Tageskarten; es gibt aber auch Dauerkarten, in der letzten Legislaturperiode waren es, glaube ich, 40000. Und wir versuchen es jetzt deutlich nach unten zu bringen. Das war auch eine schöne Diskussion im Ältestenrat, dass wir sagen: mal gucken, dass wir auf die 25000 kommen. Das müsste völlig ausreichen. Da gibt es viele Lobbyvertreter, die einen Dauerausweis als ihr naturgegebenes Menschenrecht betrachten. Viele Journalisten im Übrigen auch.“ (Bundestagsabgeordneter)

Der Bundestag als zentraler Ort des politischen Teils der Stadt wird so zu einem Spiegelbild der Bestrebungen, das politische Feld und, korrespondierend dazu, den Zugang zu diesem politischen Ort zu begrenzen, um so die Exklusivität des Feldes aber auch den Wert der erreichten Positionen der einzelnen Akteure innerhalb des Feldes zu schützen. Ein anderes Beispiel stellen hier die bereits vorgestellten und diskutierten verschiedenen Lobby-Kreise dar. Exklusivität durch den Ausschluss bestimmter Akteure zeigt das politische Feld in ihrer Produktion politischer Orte dabei auch gegenüber den Laien, den Außenstehenden: „Und das haben Sie so ausdrücklich mit auch also wenn Politik dann sichtbar wird, wird sie ja auch zum Beispiel durch abgesperrte Straßen, abgesperrte Räume, sichtbar. Und da

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ist so ein, also da ist ein Potsdamer Platz nie abgesperrt, selbst zu Festspielzeiten läuft der Betrieb da normal weiter. Das ist beim Pariser Platz anders.“ (Lobbyist)

Die Sperrung öffentlichen Raums für die Gewährleistung der Sicherheit der Akteure des politischen Feldes zeigt erneut, wie die Exklusivität des Feldes auch über die Wahrnehmung der Laien und ihren Ausschluss von zentralen politischen Orten reproduziert wird. Aber auch für Teilnehmer des Feldes kann es unter bestimmten Umständen zu Ausschlüssen aus dem Feld kommen: „Wir waren bis vor kurzem auch am Schiffbauerdamm, also waren auch so mittendrin und das hatte für uns auch Riesenvorteile. Also wir merken jetzt echt den Unterschied hier zum Anhalterbahnhof, was ja auch nicht weit weg ist. Aber man hat nicht mehr das Gefühl so mitten drin zu sein. Ich glaube bei uns spielte eine sehr große Rolle, also bei unserer Medienpräsenz auch die Nähe: ARD-Hauptstadtstudio und so weiter, alles nur ein Katzensprung. Allein schon von den Leuten, die da rumlaufen und von den Plakaten, die da hängen. Man kriegt einfach noch einen Tick mehr mit.“ (Lobbyist)

Wie bereits im Abschnitt über die Bedeutung von Entfernungen beschrieben, bietet die Nähe zu den zentralen Orten des politischen Teils von Berlin Vorteile. Umgekehrt führt jedoch eine zu große physisch-räumliche Distanz auch zu Nachteilen. Nur wer nah an den Akteuren dran ist und schnell an Informationen kommt und diese austauschen kann, agiert dauerhaft im Feld erfolgreich. Zusätzlich dazu kann es aber auch zu einem Ausschluss oder Nachteilen für das eigene Agieren im Feld kommen, wenn der Zugang zu einem zentralen Ort verwehrt bleibt. Dieser Lobbyist berichtet über den Business Club „China-Club“, ebenfalls direkt am Pariser Platz im Zentrum des politischen Teils von Berlin: „Und es ist eben ein exklusiver Ort, das heißt man braucht Geld und Kontakte, um da reinzukommen. Womit wir das Thema Machtungleichgewichte dann thematisieren. Es sind eben nur bestimmte Gruppen, die Zugang haben. Insofern sind Orte schon Thema.“ (Lobbyist)

Gemäß den Hierarchien innerhalb des sozialen Raumes des politischen Feldes bilden sich Orte, welche aus verschiedenen Gründen nur einem Teil der Feldteilnehmer offen stehen. Ähnlich wie eine zu große Entfernung zu zentralen Orten des Feldes kommt es auch hier zu einem Ausschluss beziehungsweise einem erschwerten Zugang für spezifische Akteure. Hier ist dieser Nachteil durch die Verweigerung des Zugangs durch die Betreiber für Nicht-Mitglieder oder gela-

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denen Gäste jedoch explizit und nicht, wie bei dem vorangegangenen Beispiel erst in der Praxis erlebbar und somit implizit. Das politische Kapital ist in jedem Fall ein entscheidender Faktor, um spezifische Positionen innerhalb des Feldes durch Interaktionen erreichen zu können. Eine letzte und besonders entscheidende Möglichkeit, die zum Ausschluss oder schlechteren Bedingungen für die Interaktionsprozesse eines Akteurs führen kann, ist die Schädigung seines Rufes: „Und man kennt sich ja auch. Ich meine, wenn sich da mal jemand daneben benimmt, zum Beispiel das Vertrauen von einem Kollegen missbraucht, dann spricht sich das schnell rum. Und der oder die kann sich erstmal nirgends mehr sehen lassen.“ (Lobbyist)

Wer sich innerhalb des Feldes Bekanntheit verschafft durch sichtbar den Regeln des Feldes widersprechendes Verhalten, wird sanktioniert. Ihm droht in der Konsequenz nicht nur eine schlechtere Position innerhalb des Feldes, sondern im schlimmsten Fall auch ein temporärer oder dauerhafter Ausschluss aus verschiedenen politischen Orten, vor allem jenen, für den Aufbau und die Pflege eines vertrauensvollen Verhältnisses Voraussetzung sind. Wer sich also falsch verhält, wird unter Umständen nicht zu einer informellen Kochrunde eingeladen und ist damit gerade an den politischen Orten nicht anwesend, wo in besonderem Maße Vertrauen und Intimität zwischen den Feldakteuren geschaffen wird.

6.6 ZWISCHENFAZIT: DIE POLITISCHE STADT BERLIN In diesem Kapitel habe ich zunächst den Aufbau und die Funktionsweise des nationalen politischen Feldes von Berlin aus der Perspektive der Akteure innerhalb des Feldes vorgestellt. Zunächst wurde der Aufbau des sozialen Raumes näher betrachtet. Als wichtigste Akteursgruppen innerhalb des Feldes wurden die Bundestagsabgeordneten als einflussreichster und sichtbarster Teil der Gruppe Politiker, die Lobbyisten und die Journalisten identifiziert. Es konnte zudem gezeigt werden, dass das Feld hierarchisch gedacht wird und es zudem Akteure gibt, die mit mehr oder weniger politischem Kapital ausgestattet sind. Dies spiegelt sich in der Bedeutung dieser Akteure für andere Feldteilnehmer wieder. Ist ein Akteur besonders wichtig, ist er besonders nah am Zentrum der politischen Macht zu verorten. Die Feldteilnehmer sind sich über diese vorhandenen Hierarchien im Klaren und bewerten die Akteure in ihren Netzwerken dementsprechend. Im zweiten Abschnitt wurde der Teil der Arbeit der Feldteilnehmer, der sich mit der Interaktion mit anderen Akteuren beschäftigt, näher untersucht. Es konn-

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te festgestellt werden, dass diese Tätigkeit für die Feldteilnehmer von großer Bedeutung für das erfolgreiche Agieren im Feld ist und dieses somit zu einem großen Teil auch strukturiert. Die Interaktion lässt sich zudem in gemeinsame inhaltliche Arbeit an konkreten Projekten zur Generierung politischer Produkte wie Gesetzen und allgemeiner Netzwerktätigkeit unterscheiden. Letztere wiederum ist für alle Akteursgruppen von großer Wichtigkeit, um die eigene Position im Feld zu verbessern und nicht zuletzt auch die inhaltliche Arbeit durch Kooperation mit anderen voranzutreiben. Im letzten Abschnitt wurde sodann der Frage nachgegangen, welche Funktionsweisen das nationale politische Feld in Berlin bestimmen. Es konnten politische Kapitalien identifiziert werden, die für die Feldteilnehmer von Bedeutung sind, nämlich einerseits die fachliche Kompetenz und anderseits der erworbene Ruf. Hieraus resultieren weitere Kategorien, die herausgegriffen wurden, wie das Prinzip der Seniorität und die Bedeutung von Vertrauen für die Etablierung von stabilen Beziehungen in den Netzwerken der Akteure. Neben diesen Kriterien zur erfolgreichen Feldteilnahme wurden zudem Verhaltensweisen aufgezeigt, die sich negativ auf die Position des einzelnen auswirken können. Eitelkeit und Egoismus können so, sobald sie sich als Eigenschaften eines Akteurs herumsprechen, zum Ausschluss aus dem politischen Feld führen. Im folgenden Kapitel wurden die Voraussetzungen und der Prozess der Produktion und Konstruktion politischer Orte erläutert. Die Grundvoraussetzung für beide Vorgänge ist dabei die Anwesenheit von Feldteilnehmern an einem spezifischen physischen Raumausschnitt, einem Ort. In einem zweiten Schritt konnte gezeigt werden, dass erst durch die Interaktion mehrerer, also mindestens zweier Feldteilnehmer, auch politische Orte sozial produziert werden. Politische Orte sind damit, analog zum Aufbau und den Funktionsweisen des nationalen politischen Feldes Berlins, ein Produkt sozialer Interaktion. Diese sozial produzierten politischen Orte können durch die Feldteilnehmer in eine über den bloßen Interaktionsvorgang hinausgehende Form gebracht werden, sie werden konstruiert. Die Ergebnisse dieser Konstruktionsleistungen sind bleibende Orte. Diese behalten eine spezifische Bedeutung für die Akteure des politischen Feldes. Diese Bedeutung hat einen konkreten Einfluss auf die Interaktion der Feldteilnehmer an einem Ort, ohne dabei zwingend die gleiche Bedeutung für jeden einzelnen haben zu müssen. Auch konstruierte politische Orte können dabei nur im Vorgang der sozialen Produktion hervorgebracht werden, ihre Bedeutung ist jedoch über die Regeln des Feldes in den Habitus der Feldteilnehmer inkorporiert. Die Qualität politischer Orte wird von verschiedenen Faktoren bestimmt und wurde von mir im darauf folgenden Kapitel behandelt. Zunächst wurde die

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Eigenschaft „politischer Ort“ an sich in Abgrenzung zu nicht-politischen Orten herausgearbeitet. Es konnte gezeigt werden, das erstere für die Feldteilnehmer vor allem mit ihrem Arbeitsleben in Verbindung gebracht werden und ein Verlassen dieser mit einem Übergang ins Private gleichgesetzt wird. Daran anschließend wurde die Dauerhaftigkeit politischer Orte untersucht. Dabei wurde nicht nur der Unterschied zwischen temporären und bleibenden politischen Orten deutlich, sondern auch die Eigenarten ihrer Produktionsprozesse durch die Feldteilnehmer. Ich habe den Begriff der Konstruktion analog zur Produktion von Orten eingeführt, um zu verdeutlichen, dass über die Regeln des Feldes Orte eine bleibende Funktion für dieses erhalten können, welche bei jeder neuen Produktion eines politischen Ortes mit eingespeist wird. Dies kann an bereits bestehenden Orten gestehen, diese können aber auch neu baulich konstruiert werden und sind somit auch in ihrer physischen Entstehung das Produkt der Auseinandersetzungen innerhalb des Feldes. Beide Prozesse habe ich als Konstruktion eines Ortes gefasst. Anschließend wurden die verschiedenen Nutzungsarten politischer Orte vorgestellt. Hierbei ging es einerseits um Funktionen, die die Feldteilnehmer spezifischen Orten zuschreiben, die Wohn-, Freizeit- und Arbeitsfunktion. Zentral war aber auch, welche Auswirkungen diese Unterteilung auf die Produktion von politischen Orten hat. Es konnte gezeigt werden, dass unabhängig von der naheliegenden Vermutung, dass nur Arbeitsorte zu politischen Orten werden, auch Freizeit- und selbst Wohn-Orte diese Funktion erfüllen können und dies zudem auch die Interaktionen beeinflusst. Durch die Einladung in Privatwohnungen können die Akteure so beispielsweise eine intimere Atmosphäre erzeugen und zudem durch die Einladung in den eigenen privaten Bereich dem Gegenüber ein besonderes Vertrauen ausdrücken. Direkt daran anschließend wurde gezeigt, wie politische Orte und insbesondere ihre Qualität von den Feldteilnehmern wahrgenommen werden. Ich habe hier festgestellt, dass nicht alle politischen Orte von jedem Feldteilnehmer gleich wahrgenommen werden und führte dies auf die verschiedenen Positionen der Akteure innerhalb des Feldes und den damit einhergehenden unterschiedlichen Blickwinkel auf den politischen Ort und seine Bedeutung zurück. Ausschlaggebend hierfür ist wiederum die Menge an politischem Kapital, die jeder einzelne Akteur gesammelt hat. Als Ergebnis des vierten Kapitels dieser Studie lässt sich festhalten, dass die Feldteilnehmer einen abgrenzbaren Teil der Hauptstadt Berlin als deren Zentrum für das nationale politische Feld bestimmen. Dieser Teil der Stadt hat mit dem Reichstag ein ebenso definierbares Zentrum, um welches herum eine Vielzahl politischer Orte entstanden sind und noch immer neu entstehen, einmal durch dauerhafte Konstruktionsprozesse, stetig aber auch durch die sozialen Produk-

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tionsprozesse. Weiterhin konnte gezeigt werden, inwieweit Nähe zu einem Vorteil bei der Produktion und Konstruktion politischer Orte führt, während eine zu große Entfernung vom Zentrum des Feldes und außerhalb des Clusters, zu einem Nachteil führt. Neben diesem Aspekt wurde aufgezeigt, dass auch die Repräsentativität, näher, der Ruf, die Ausstattung und der Aufbau eines Ortes, seine feldspezifische Bedeutung erhöhen kann. Anschließend wurde darauf aufbauend beschrieben, wie politische Orte physisch-räumlich aufgebaut sind und welche Botschaften sich durch ihren Aufbau transportieren lassen. Es konnte gezeigt werden, dass die Interaktion der Feldteilnehmer durchaus durch spezifische Arrangements politischer Orte beeinflusst werden kann. Eine Präsenz vor Ort, möglichst dauerhaft und an den „richtigen“ Orten, halten die meisten Feldteilnehmer für unabdingbar, um erfolgreich zu agieren, dies war die Grundvoraussetzung für die abschließende Auseinandersetzung mit der Wirkung politischer Orte auf das nationale politische Feld. Damit einher geht zunächst einmal die erfolgreiche Ansammlung von politischem Kapital, einmal, um Zugang zu sämtlichen politischen Orten zu erhalten, aber auch, um die politischen Orte, welche für die eigene Positionierung im Feld von Relevanz sind, auch identifizieren und gewinnbringend nutzen zu können. Für diejenigen Feldteilnehmer, die mit der Konstruktion politischer Orte betraut sind, gilt zudem, mit dem Wissen um eine strategisch günstige Lage und Ausstattung, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die zu vertretende Institution in möglichst gutem Licht zu repräsentieren. Auch hier gilt es, vor allem Wissen über die Regeln und Funktionsmechanismen des Feldes zu sammeln und diese auf den physisch-räumlichen Kontext zu übertragen. Im Umkehrschluss führt ein Verhalten entgegen der Regeln des Feldes, ob aufgrund von Unwissenheit der Akteure oder dem gezielten Plan eines Regelverstoßes, zu Konsequenzen, wenn andere Akteure davon Notiz nehmen. Ausschlüsse bei „falschem Verhalten“ sind aber nicht der einzige relevante Aspekt. Auch die Unbekanntheit an einem politischen Ort kann zu einem Einfluss auf die eigene Position werden, ebenso wie fehlende soziale Kontakte oder schlicht eine zu große räumliche Distanz zu den zentralen Orten des Feldes. Es konnte somit aufgezeigt werden, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Konstruktion und Produktion politischer Orte und dem Aufbau und der Funktionsweise des politischen Feldes in Berlin gibt.

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Die politische Stadt Madrid

Ich werde nun den Fall Madrid in analoger Weise zum bereits bearbeiteten Fall Berlin unter Zuhilfenahme des umfangreichen empirischen Materials vorstellen und somit erneut entlang der zuvor aufgestellt Arbeitsthesen vorgehen. Dies geht ebenfalls einher mit einer erneuten Unterteilung in zahlreiche Unterkapitel, welche ich, zugunsten einer besseren Vergleichbarkeit, analog zum Berlin-Kapitel benannt und angeordnet habe. Es entsteht in der Folge wieder ein Prozess der stufenweisen Entwicklung meiner Argumente. Wie ich bereits zuvor erwähnt hatte, erhoffe ich mir dadurch vor allem eine für den Leser transparente Arbeitsweise und eine Leseerfahrung, die meine Interpretationsprozesse transparent macht. Um dies zu gewährleisten, werde ich erneut mit einer großen Anzahl an direkten Interviewzitaten und weiterem selbst generiertem Material wie Fotografien und anderen Dokumenten arbeiten. Dem Leser des letzten Kapitels wird dabei auffallen, dass viele Erkenntnissen und daraus entwickelte Rückschlüsse jenen in Berlin gleichen. Ich habe mich dazu entschlossen, solche Doppelungen bewusst in vollem Umfang in die Arbeit zu integrieren, um für den anschließenden Vergleich eben auch vergleichbares Material bereitstellen zu können. Die erklärenden Einleitungen zu meinem Vorgehen werde ich versuchen kürzer zu halten und dafür die Empirie stärker in den Vordergrund rücken.

7.1 POLITISCHER RAUM Der politische Raum beschreibt den Sozialraum des nationalen politischen Feldes von Madrid. Ich werde erneut den Aufbau des Feldes anhand der Interviews mit Feldteilnehmern beschreiben und dabei auch auf graphische Darstellungen zurückgreifen, die ich aus den Beschreibungen der Akteure ableite. Zunächst möchte ich aber anhand einer Einteilung durch die Feldteilnehmer, eine Kategorisierung verschiedener Akteursgruppen innerhalb des Feldes vornehmen. Dieser

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entstehende Einblick in den Aufbau des sozialen Raumes wird später zudem mit jenem des physischen Raumes in Berlin, also der Anordnung der politischen Orte in Bezug gesetzt. Anschließend werde ich, anhand der Berichte über den Arbeitsalltag der Feldteilnehmer und unterteilt in die zuvor aufgestellten unterschiedlichen Kategorien von involvierten Akteuren, darstellen, welche Bedeutung die Interaktion und der persönliche Kontakt innerhalb des nationalen politischen Feldes haben. Abschließend werde ich sodann die für das weitere Vorgehen relevanten Funktionsweisen des Feldes beschreiben. Hierbei geht es um die Mobilität, also die Bewegungen der Akteure innerhalb des hierarchischen Feldes (Aufstieg und Abstieg) sowie die Strategien, die Feldteilnehmer verfolgen, um selbst erfolgreich zu agieren. Damit einhergehend ist die Frage zu klären, welche Kapitalsorten hierfür von Bedeutung sind. 7.1.1 Aufbau des Feldes Um einen Zugang zum nationalen politischen Feld Madrids zu erhalten, habe ich entsprechend des Positionsansatzes (vgl. Kapitel 4.3.) in meiner Recherche verschiedene mögliche Gesprächspartner kontaktiert. Vier meiner insgesamt 20 Interviewpartner konnte ich über dieses Verfahren rekrutieren. Die restlichen 16 erfolgen erneut nach dem Schneeballprinzip über Empfehlungen und die direkte Vermittlung von Kontakten gemäß dem Reputationsansatz. In den folgenden Abschnitten möchte ich nun erneut versuchen, die subjektive Realität der Feldteilnehmer möglichst genau zu beschreiben und aus dieser Rückschlüsse für meine Arbeit zu ziehen. Hierbei werde ich versuchen, die Verschiedenartigkeit der beruflichen Hintergründe der Akteure, soweit mit der Anonymisierung vereinbar, sichtbar zu machen. Auf eine der ersten Fragen, nämlich nach dem Aufbau des politischen Feldes, geben die Befragten zumeist Antworten, die zweierlei Rückschlüsse zulassen. Einmal bezüglich der verschiedenen Gruppen oder Kategorien, in welche sie die Feldteilnehmer einordnen. Zum anderen zum Aufbau des Feldes an sich und zu den dort vorhandenen Hierarchien und, damit einhergehend, den Einflussmöglichkeiten der einzelnen Akteure auf die innerhalb des Feldes verfolgten Ziele und verhandelten Regeln. Das politische Feld Madrids wird zunächst in drei zentrale Akteursgruppen unterteilt. Die Gruppe der Politiker, die der Medien und zuletzt die Interessenvertreter oder Lobbyisten. Alle 20 Interviewten machen diese drei Gruppen als identifizierbare relevante Einheiten innerhalb des Feldes aus. Die drei Hauptgruppen lassen sich weiter unterteilen, so sehen alle Befragten die Kongressab-

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geordneten als die zentralsten Akteure in der Gruppe der Politiker. Genannt werden jedoch auch die Mitarbeiter der Diputados1, Mitarbeiter in Ministerien, und die Funktionäre in den Parteizentralen. Dabei nennen zumeist die Abgeordneten die jeweils anderen Akteure innerhalb der eigenen Gruppe selbst, während Journalisten und Lobbyisten diese nur in einigen Fällen ungefragt ansprechen. Nur in zwei Gesprächen genannt werden die Senatoren des spanischen Senates oder andere Repräsentanten der 17 Autonomien und zwei autonomen Städte. Sie scheinen für den Aufbau und die Funktion des nationalen politischen Feldes damit zunächst eine nur geringe Rolle zu spielen: „Mit dem Senat und den Senatoren reden wir nur wenig. Nun, ich meine, wir treten ja selbst auch für die Interessen von [Name der Autonomie] ein, dafür sind wir ja auch gewählt worden.“ (Kongressabgeordneter)

Die zweite relevante Gruppe sind die Medien. Ihre Vertreter werden von allen Akteuren als wichtig beschrieben. Sowohl die Gruppe der Politiker wie auch die Interessenvertreter bewerten sie dabei als einen eigenständigen und bedeutsamen Teil des politischen Feldes. Alle, also auch die Journalisten selbst, weisen zudem darauf hin, dass gerade in den letzten Jahren die Medien eine große Veränderung durchlebt haben. Etablierte Formate, sowohl im Fernsehen wie auch im Printbereich hätten zunehmend an Zuspruch durch die Konsumenten verloren, dafür seien neue Nachrichtenprotale, vor allem im Internet, entstanden. Dort arbeiteten zu einem Teil nun die Journalisten, die ihren Job bei den etablierten Anbietern nicht behalten konnten. Durch diese Veränderungen sind zusätzlich jedoch auch neue Akteure in das politische Feld vorgedrungen, die vor allem dadurch identifiziert werden, dass sie sich anders verhalten: „Du merkst, dass sie aggressiver vorgehen und sie immer versuchen, an neue Informationen zu kommen. Oft sehe ich dann einen Artikel und denke mir, dass hätte es früher so nicht gegeben. Ich denke, da fehlt es oft auch an genügender Recherche.“ (Kongressabgeordneter)

Im Rahmen dieser Arbeit konnte ich nur mit Medienvertretern der „etablierten“ Medien sprechen. Auch sie beobachten ein anderes Verhalten der Akteure der neuen Medienportale, führen dies jedoch auch auf den zunehmend umkämpfen Markt und, damit einhergehend, mehr Wettbewerb zurück.

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Die spanischen Kongressabgeordneten heißen Diputados (Abgeordnete), der spanische Kongress in voller Länge Congreso de los Diputados.

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Die letzte große Gruppe, die Interessenvertreter, stellte sich in meinem Feldaufenthalt als ein größeres Problem dar. Zwar werden diese von der Gruppe der Politiker, wie auch den Medienvertretern als wichtige Akteure herausgestellt, gleichzeitig erscheint ihre Identifizierung nicht nur für mich als dem Feld Außenstehenden schwierig: „Als ich in Madrid angekommen bin, war das erst einmal schwierig. Mein Mitarbeiter war auch neu, das war vielleicht im Rückblick keine ideale Entscheidung. Aber wir wussten oft gar nicht, wen wir ansprechen müssen, wenn wir Kontakt zu einem Unternehmen haben möchten. Sogar bei Verbänden konnte man nicht einfach den richtigen Ansprechpartner googeln oder so etwas. Ich habe dann eine Kollegin gefragt und deren Mitarbeiter hat dann [Name des Mitarbeiters] ganz viele Daten aus seinem Adressbuch gegeben. Die richtigen Ansprechpartner sind einfach nicht so leicht herauszufinden.“ (Kongressabgeordneter)

Lobbyisten sind in Madrid schwer zu identifizieren. Sie haben in den meisten von mir recherchierten Fällen keine Internetseiten oder sonstigen Kontaktadressen, die frei einsehbar sind. Zudem wird auch die offizielle Berufsbezeichnung des Lobbyisten nur in den seltensten Fällen verwendet: „Wenn du den Lobbyisten eines bestimmten Unternehmens kennenlernen möchtest, dann rufst du in diesem Unternehmen an und fragst, wer für dich als Ansprechpartner zuständig ist. Das sind dann oft Leute, die in der Kommunikationsabteilung arbeiten und dort auch Führungspositionen haben. Manchmal aber auch einfach jemand aus der Geschäftsführung, der gerade Zeit hat. Aber sowas funktioniert meist über face-to-face-Kontakte.“ (Lobbyist)

Während mich der spanische Lobbyverband darauf hinweist, dass es nach wie vor an Gesetzen zur Akkreditierung von Lobbyisten mangelt, also kein Lobbyregister existiert, bekomme auch ich in meiner Suche nach Interviewpartnern das Problem der Undurchsichtigkeit zu spüren. Ich erreiche trotz großem Rechercheaufwand nur Termine mit zwei Lobbyisten, viel mehr Kontaktdaten finde ich jedoch im Laufe der Recherche auch nicht. Abschließend sei noch drauf hingewiesen, dass die Feldteilnehmer unter Lobbyismus sämtliche Formen der Interessenvertretung verstehen, sei es nun von Unternehmen oder Verbänden, genauso wie von NGOʼs. Letztere geben sich am transparentesten, wenn es um die eigenen Aktivitäten im Lobbybereich geht, sie sind aber ähnlich schwer zu kontaktieren.

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Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild der verschiedenen Akteursgruppen im nationalen politischen Feld Madrids:

Politik

Lobby

Medien

Abbildung 7: Sozialraum des politischen Feldes von Madrid I

Die Grafik oben stellt nun einerseits die Gruppierung der Akteure gemäß ihrer Tätigkeitsfelder dar, so wie sie innerhalb des Feldes wahrgenommen werden. Es zeigt das Zentrum des politischen Feldes, welches die Gruppen Abgeordnete, Interessenvertreter und Medien abbildet. Nicht akkurat abgebildet werden können dabei explizit die Verteilungen hinsichtlich der Anzahl der beteiligten Feldteilnehmer in jeder Akteursgruppe. Dies liegt vor allem an fehlenden Informationen über die tatsächliche Anzahl der Interessenvertreter, welche im nationalen politischen Feld Madrids aktiv und relevant sind. Hier fehlt den Akteuren selbst der Überblick, was, wie bereits erwähnt wurde, auch Kritik hervorruft. Werden die Feldteilnehmer nun nach einer Hierarchie befragt, die den Aufbau des politischen Feldes beschreibt, so können weitere relevante Eigenschaften des sozialen Raums aufgedeckt werden. Zunächst einmal erkennen sie ein Zentrum des Feldes, in dem eben jene Akteure verortet sind, die über eine große Menge an politischem Kapital verfügen und dadurch einen größeren Einfluss auf das Geschehen im Feld haben, Informationen schneller erhalten und austauschen sowie die Produkte des Feldes, die politischen Entscheidungen stärker mitgestalten. Auf die Frage, wie groß die Anzahl eben der Akteure sei, die in diesem Zentrum verortet sind, erhalte ich aus allen Akteursgruppen ähnliche Antworten: „Nun, das sind vor allem erstmal die 350 Diputados, die sind für die Gestaltung der Politik verantwortlich. Dann gibt es hier von den großen Zeitungen und TV-Kanälen viele Korrespondenten, die meisten kenne ich mindestens dem Gesicht nach. Da haben einige in

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den letzten Jahren zwar gewechselt aber ich glaube meistens nur zu anderen Arbeitgebern im Medienbereich. Gut, in jedem Fall ist da immer ein großer Austausch. Und dann gibt es noch die Lobbyisten. Das sind auch viele, sicherlich viel mehr als die Gruppe der Diputados aber wie viele das in der Realität sind, das kann ich auch nicht genau sagen.“ (Kongressabgeordneter)

In obigem Zitat wird das Zentrum des politischen Feldes auf die 350 Kongressabgeordneten, eine zumindest überschaubare Anzahl an Journalisten und eine deutlich weniger überschaubare Anzahl Lobbyisten begrenzt. Die Problemantik der schlechten Identifizierbarkeit der Interessenvertreter wird hier erneut deutlich. Während das Bild über die beiden anderen Akteursgruppen in sämtlichen Gesprächen mehr oder weniger klar ist, wissen selbst die Lobbyisten nicht wirklich über die Anzahl an Kollegen Bescheid, die innerhalb des Feldes agieren. Interessant daran ist zudem, dass in diesem Bereich kein fester Kern quantifizierbar zu sein scheint, das heißt eine spezifische Anzahl an Lobbyisten, die im Feld als etablierte und zentrale Akteure wahrgenommen werden. Weiterhin ist anzumerken, dass die Gruppe der Politiker in den fortlaufenden Gesprächen zumeist auf die Kongressabgeordneten begrenzt wird, weitere genannte Akteure dieser Gruppe wie Ministerialbeamte und andere nicht mehr erwähnt werden. Möglich erscheint mir, dass hier der Terminus der Abgeordneten stellvertretend für politische Entscheidungsträger steht. Ein anderer Zugang, über den die Feldteilnehmer den Aufbau des Feldes beschreiben, ist erneut über ihren eigenen Arbeitskontext. Dabei bevorzugen sie, die eigenen Netzwerke über das Konzept von Zirkeln oder Radianten darzustellen: „Also ich arbeite erstmal sehr eng mit meiner Mitarbeiterin zusammen. Die koordiniert alles für mich, wie zum Beispiel den Termin mit dir. Ohne sie würde ich nicht alles organisieren können. Danach habe ich hier die Kollegen aus meiner Fraktion. Wir sind nicht so viele, da spricht man sich besonders eng ab. Und dann haben wir ja auch noch die Parteiführung in [Name der Autonomen Region], zu denen halten wir auch immer Kontakt. In den Ausschüssen bin ich dann auch oft in Kontakt mit den Abgeordneten anderer Parteien. Aber natürlich schon weniger als mit denen aus der [Name der eigenen Partei]. Und sehr wichtig sind natürlich auch die Wähler. Da versuche ich natürlich vor allem in [Wahlkreis] den Kontakt zu bekommen. Und dafür sind natürlich auch die Lobbyisten und Journalisten wichtig.“ (Kongressabgeordneter)

Diese Darstellung zeigt, im Unterschied zu der zuvor vorgestellten numerischen Skizzierung des politischen Feldes, dass der eigene Arbeitskontext nicht zwin-

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gend deckungsgleich mit einer allgemeinen Definition der Anzahl spezifischer Akteursgruppen innerhalb des Feldes sein muss. Vielmehr werden hier persönliche Netzwerke sichtbar, die wiederum durch akteursspezifische Arbeitsprozesse beeinflusst sind. Während das erste Modell also den Blick des Akteurs auf das Feld allgemein wiederspiegelt, zeigt sich im zweiten die Position des einzelnen innerhalb dessen und die sich daraus ergebenen Verknüpfungen zu anderen Teilnehmern auf anderen Positionen. In einem der Gespräche wurde ein Vorschlag unterbreitet, der implizit versucht, beide Sichtweisen, die abstrakte Sicht auf die Anzahl der Feldteilnehmer in den verschiedenen Gruppen und das eigene Netzwerk inklusive der selbst besetzten Position innerhalb des Feldes zu kombinieren: „Das ist natürlich hierarchisch aufgebaut. Als Journalist steht man da erstmal in Konkurrenz zu den eigenen Kollegen. Wenn man für eine große Zeitung arbeitet, dann ist das schon viel leichter, interessante Menschen kennenzulernen. Wenn man aber zum Beispiel bei einer dieser neuen Nachrichten-Websites arbeitet, dann ist das schon anders. Da sagen viele auch direkt nein. Nun, dann muss ich auch sehen, wen ich als Gesprächspartner bekommen kann. Bei den Abgeordneten gibt es auch Hierarchien, nicht jeder ist gleich. Ich bekomme dann vielleicht nicht den Minister aber dafür jemanden, der in dem Ausschuss sitzt und die gleichen Informationen hat.“ (Journalist)

Diese Sichtweise auf das nationale politische Feld in Madrid zeigt, wie sich die subjektive eigene Verortung der Akteure innerhalb der Hierarchien des Feldes und eine Beschreibung der dort herrschenden Bedingungen ergänzen können. Deutlich wird, dass innerhalb der verschiedenen Akteursgruppen jeder Feldteilnehmer über eine individuelle Position verfügt, welche als höher oder niedriger wertig gegenüber anderen wahrgenommen wird. In Erweiterung der letzten graphischen Darstellung lässt sich der Aufbau des Feldes dementsprechend folgendermaßen festhalten:

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Spezifische

Position

eines

Feldteilnehmers im politischen

Lobby

Politik

Feld Grenze des Feldes Abnehmender Einfluss der Akteure

Medien

vom Zentrum des Feldes nach außen

Abbildung 8: Sozialraum des politischen Feldes von Madrid II

Dargestellt sind die drei als relevant eingestuften Akteursgruppen, in ihrer Verteilung sind die Bereiche Politik, Medien und Lobbyismus gleich groß. Da die Akteure in den Gesprächen insbesondere zu der Anzahl relevanter Lobbyisten keine Angaben machen konnten, habe ich mich im Vergleich zu der letzten Grafik zu der Beibehaltung dieser Darstellungsform entschieden. Innerhalb der drei Bereiche sind die Akteure weiter vom Zentrum des Feldes entfernt oder näher an diesem dran. Damit zeichnet sich ihre individuelle Position innerhalb der feldinternen Hierarchien ab. Ich habe nun die Antworten auf die Frage, wie sich die Feldteilnehmer den Aufbau des politischen Feldes vorstellen behandelt. Am Ende eines jeden Interviews habe ich zudem erneut die Nachfrage gestellt, welche Akteure sich für mich für weitere Gespräche anbieten würden. Abgesehen davon, dass die Motivation, bestimmte Kontaktpersonen zu nennen, natürlich von mehr abhängt, als einer vermeintlich rein sachlichen Bewertung des Feldes (zum Beispiel der Sympathie gegenüber dem Interviewer oder der Bewertung der Nützlichkeit eines solchen Gespräches), so lässt sich doch ein allgemeiner Rückschluss ziehen. Die Befragten nutzen bei dieser Frage vor allem ihre persönlichen Netzwerke und bedienen sich weniger ihrer Kenntnis über die allgemeinen Hierarchien innerhalb des Feldes. Gleichzeitig legen sie jedoch darauf Wert, eben jene persönlichen Kontakte zu vermitteln, welche nach ihrer eigenen Einschätzung eine möglichst zentrale Position im Feld innehaben. Damit einher geht die Vermutung, so wird es in einigen Gesprächen explizit geäußert, dass eben diese Feldteilnehmer über die relevantesten Ansichten und Informationen verfügen. Ich stelle also fest, dass für Bourdieus Konzept der Relevanz der Menge an politi-

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schem Kapital, also dem Wissen über die Regeln des Feldes für die Etablierung und Festigung der Hierarchien des Feldes, damit ein erstes Indiz gefunden ist. 7.1.2 Interaktion im Alltag der Feldteilnehmer Im folgenden Abschnitt möchte ich den Arbeitsalltag der Feldteilnehmer darstellen und dabei entsprechend der Feldtheorie Bourdieus bestimmte Aspekte in den Vordergrund rücken, die für die weitere Arbeit relevant sind. Dabei sei vorweggenommen, dass beides, der Alltag und seine Wahrnehmung durch die Feldakteure in jedem Interview unterschiedlich sind, gemäß der entsprechenden Position des einzelnen im politischen Feld. Ich werde also versuchen, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und gleichzeitig dort, wo es nötig erscheint, auch auf unterschiedliche Ansichten hinweisen. Konkret werde ich mich in Folge auf die drei identifizierten Gruppen der Abgeordneten als zentrale Vertreter der TeilGruppe Politik, Lobbyisten und Journalisten konzentrieren und vor allem ihre Interaktionsprozesse näher beschreiben. Ich habe in diesen die zentralen Argumente zur Erklärung der im Feld gültigen Regeln gefunden. Umgekehrt bedeutet dies, dass ich anderen Tätigkeiten, nämlich jenen, die nicht mit dem Austausch mit anderen Feldteilnehmern verbunden sind, weniger Aufmerksamkeit widmen werde. Hierzu zähle ich die Arbeit am Schreibtisch oder die Interaktion mit allen, die nicht Teil des nationalen politischen Feldes in Madrid sind. Ich möchte nun also die feldinternen Interaktionsprozesse näher beleuchten. Diese dienen einerseits zum inhaltlichen Austausch, sie haben für die Feldteilnehmer aber auch eine darüber hinausgehende Funktion, nämlich die Arbeit an der Qualität der eigenen Kontakte, ebenso wie die Bewertung dieser Qualität durch Kontrolle. Außerdem ist die strategische Nutzung des eigenen Netzwerkes für die eigene Positionierung im hierarchisch organisierten politischen Feld von Bedeutung. Während ich auf die Konsequenzen dieser Strategien im nächsten Abschnitt näher eingehen werde, soll zunächst gezeigt werden, wie die Feldteilnehmer der einzelnen Akteursgruppen diese Interaktionsprozesse überhaupt gestalten. Als erste Gruppe betrachte ich die Kongressabgeordneten. Bereits zeigen konnte ich anhand der persönlichen Netzwerke dieser Gruppe, dass viele Beziehungen durch den Aufbau der politischen Institutionen vorstrukturiert sind. Die Kontakte zu den eigenen Mitarbeitern sind dabei noch selbst (durch die persönlich durchgeführten Einstellungsverfahren) bestimmt, die Kollegen in den Ausschüssen, in der Fraktion und so weiter sind dies nicht. Die Akteure gehen mit dieser Situation unterschiedliche um:

224 | Die politische Stadt

„Das war erstmal ein Prozess des Kennenlernens. Man kommt hier in Madrid an und muss sehen, wer hier in der Realität alles ist. Dann ist man ja mit seiner Parteizugehörigkeit auch automatisch in Kontakt mit den entsprechenden Leuten und in den Kommissionen auch. Nun, aber man lernt dann auch andere Leute kennen und mit einigen versteht man sich dann ja auch gut, egal von welcher Partei. [...] Natürlich nutze ich solche Kontakte dann auch, wenn ich mal eine Frage, das ist ja auch normal, oder?“ (Kongressabgeordneter)

Kontakte entstehen für diesen Abgeordneten zunächst auf zwei verschiedene Weisen. Einerseits sind sie das Produkt der institutionalisierten Arbeitsprozesse innerhalb der Fraktion und der Kommissionen im Kongress. Hier treffen die Feldteilnehmer dieser Gruppe auf Kollegen, die mit ähnlichen politischen Themen und der Produktion politischer Produkte, also der Verabschiedung konkreter Gesetze befasst sind. Andererseits können Kontakte jedoch auch durch persönliche Sympathie oder ähnliche Interessen oder Positionen entstehen, abseits der durch die persönliche Funktion vorgegebenen Netzwerke. Die verschiedenen identifizierten Akteursgruppen gestalten ihre Interaktionen und die Formierung ihrer Netzwerke dabei in großen Teilen ähnlich, vor allem in der Bewertung ihrer Wichtigkeit gibt es aber durchaus auch Unterschiede. Dadurch wird auch zumindest angedeutet, welche Bedeutung die Akteure ihrer Interaktion mit spezifischen Feldteilnehmern und Gruppen innerhalb des Feldes beimessen: „Man konstruiert ja ein Netzwerk nach zwei Gesichtspunkten. Einmal sind da Leute, mit denen man langfristig zusammenarbeitet. Da entwickeln sich oft intensive Beziehungen. Mit diesen Leuten trifft man sich auch dann manchmal privat. Und dann gibt es die Leute, die man ganz gezielt für bestimmte Projekte kennenlernt. Dafür geht man dann auch mal zu einer Veranstaltung oder man lädt sie direkt ein. Das sind dann oft Interessenvertreter aber oft dann eben auch die, die zu einem Thema verschiedene Positionen haben. Und wenn so ein Thema dann in der öffentlichen Wahrnehmung erkannt wird, dann kommen auch die Journalisten. Die sind dann natürlich auch daran interessiert, mit wem man schon gesprochen hat und welche Meinung ich zu dem Thema habe.“ (Kongressabgeordneter)

Es zeigt sich, dass die Kongressabgeordneten sich selbst in einer zentralen Position sehen im Verhältnis zu den anderen beiden als relevant beschriebenen Gruppen innerhalb des politischen Feldes. So arbeiten sie bei der Herstellung politischer Produkte einerseits mit den Lobbyisten zusammen, indem sie die verschiedenen in dieser Gruppe vertretenen Meinungen in ihrer Entscheidungsfindung mit einfließen lassen, anderseits sehen sie die Medienvertreter in der Funk-

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tion von Kunden. Sie benötigen die Informationen aus dem Kongress, von den Abgeordneten, um diese wiederum zu eigenen politischen Produkten, nämlich medialen Veröffentlichungen zu verarbeiten. Letztere Einschätzung wird in einem Gespräch jedoch dadurch eingeschränkt, dass auch die Abgeordneten natürlich durch die mediale Öffentlichkeit innerhalb des Feldes profitieren können, insofern die Nachrichten positiv sind. Wenig überraschend trifft diese zweite Einschätzung des Verhältnisses von Politik und Medien auch die Meinung der Journalisten: „Das ist ja ein Geben und Nehmen. Wir brauchen die Informationen für unsere Arbeit und die Abgeordneten profitieren ja auch davon weil ihre Bekanntheit dadurch größer wird und die Wähler sehen, dass ihre Repräsentanten ihre Meinung vertreten, richtig? Das ist ein gleichberechtigtes Verhältnis, beide profitieren. [...] Mit den Lobbyisten ist das eine andere Sache. Die arbeiten hier meist etwas versteckt. Natürlich laden die Verbände auch mal zu Veranstaltungen ein aber wer sich wirklich mit den Abgeordneten trifft, das sieht man besser, wenn man sich in bestimmte Restaurants oder Hotellobbys rund um den Plaza de las Cortes setzt und einfach mal abwartet.“ (Journalist)

Die Journalisten bewerten ihre Position innerhalb des politischen Feldes den Abgeordneten gegenüber als gleichwertig. Für sie handelt es sich bei den Interaktionsprozessen um eine win-win-Stiuation, bei der beide Seiten in gleichem Maße profitieren und die somit auch ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis verbindet. Das Verhältnis zu der Gruppe der Lobbyisten ist hier deutlich schwieriger zu klassifizieren. Es scheint zudem erneut an Informationen darüber zu fehlen, welche Akteure sich in dieser Gruppe, in diesem Teil des Feldes bewegen. Das Zitat gibt nun die eine Kategorisierung in zwei Teile wieder. Einen Teil, mit dem durchaus Interaktionen möglich sind, welche höchstwahrscheinlich ähnlich ausgestaltet sind, wie die zwischen Abgeordneten und Journalisten. Erstere wünsche sich Aufmerksamkeit der Bevölkerung bezüglich ihrer Projekte und Positionen, letztere brauchen eben jene Informationen zur Produktion ihrer politischen Produkte. Der zweite Teil der Gruppe der Lobbyisten ist für die Journalisten schwerer identifizierbar, was auch zu seltenerer Interaktion führt und im Zweifel zu Akten der bloßen Beobachtung, wie im Zitat beschrieben, führt. Die befragten Lobbyisten sind in dieser Fallstudie sicherlich dem ersten Teil zuzuordnen. So kann nicht abschließend geklärt werden, ob auch der Teil der Lobbyisten, die ihrer Tätigkeit weniger sichtbar nachgehen, die folgenden Aussagen bestätigen würde. Trotzdem kann ich aus den geführten Gesprächen Informationen über die Interaktionsformen und Bewertungen der anderen Akteursgruppen zumindest eines Teils der Lobbyisten ableiten:

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„Leider ist der Organisationsgrad bei den Lobbyisten nicht besonders groß. Ich glaube, wenn man das besser organisieren würde, könnte man inhaltlich mehr erreichen und es gäbe auch nicht mehr so viele Vorurteile. Vorurteile haben ja nicht nur die Bürgen, sondern oft auch die Abgeordneten selber. Die wollen dann manchmal nicht mit den Kollegen in der Öffentlichkeit gesehen werden, weil sie Angst vor schlechter Presse haben.“ (Lobbyist)

Auch die Lobbyisten erkennen das Problem der Sichtbarkeit ihrer Statusgruppe und die daraus resultierenden Probleme für die Interaktionsprozesse mit den anderen Akteursgruppen. Insbesondere bei der „Zielgruppe“ der Abgeordneten führt dies zu Strategien, die die eigene Arbeit erschweren. So führt das Ausweichen zu weniger sichtbaren Orten zwar durchaus zu dem Ziel, die entsprechenden Akteure zu sprechen, jedoch ist damit ein Mehraufwand in Form der herzustellenden Diskretion verbunden. Dieses Problems werden sich viele Feldteilnehmer allerdings zunehmend bewusst und reagieren entsprechend: „Wir geben uns schon Mühe, dass wir den schlechten Ruf verlieren. Dazu laden viele jetzt auch zu Veranstaltungen ein. Viele Unternehmen haben jetzt auch offizielle Ansprechpartner oder eröffnen sogar extra Büros für diese Arbeit.“ (Lobbyist)

Ziel der von diesem Lobbyisten beschriebenen Bemühungen soll es sein, die Sichtbarkeit seiner Gruppe innerhalb des politischen Feldes und auch nach außen hin in der Bevölkerung zu erhöhen und somit die Position der Lobbyisten sichtbarer zu machen und gleichzeitig nach Möglichkeit zu stärken. Gegenüber der Presse klang bereits an, dass sich die Lobbyisten der Bedeutung dieser durchaus bewusst sind. Sie wissen, dass die Berichterstattung der Medien für die Abgeordneten, wie auch die Öffentlichkeit von Bedeutung ist. Auch deshalb, so ist anzunehmen, versuchen einige von ihnen, durch mehr Transparenz und Sichtbarkeit ihrer Lobbyaktivitäten die Berichterstattung in ihrem Sinne zu gestalten. Die Bewertung der inhaltlichen Arbeit der Lobbyisten durch diese selbst und die anderen Akeursgruppen ist dabei weitestgehend zweigeteilt, wie in diesem Gespräch mit einem Universitätsprofessor, welcher selbst im politischen Feld als Teilnehmer aktiv war, beispielhaft gezeigt werden kann: „Ich denke, die Lobbyisten denken in zwei verschiedenen Dimensionen. Eine kurzfristige und einer längerfristige. Die kurzfristige ist die konkrete Beeinflussung der Abgeordneten zu einem bestimmten Anliegen. [...] Die zweite Dimension ist der Aufbau vertrauensvoller Kontakte zu den Abgeordneten. Diese Kontakte helfen dann besonders gut, wenn es um

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ein konkretes Projekt geht und der Lobbyist dort Einfluss nehmen will.“ (Universitätsprofessor)

Wie gezeigt werden konnte, sind die Kongressabgeordneten in Madrid in einer zentralen Position gegenüber den anderen beiden relevanten Gruppen des Feldes. Sowohl die Arbeit der Lobbyisten, wie die der Journalisten ist abhängig von den Interaktionsprozessen mit den Abgeordneten. Gleichzeitig profitieren diese jedoch auch von engen Beziehungen zu den beiden anderen Gruppen. Zwischen den Journalisten und Lobbyisten selbst bestehen ebenfalls Kontakte, die durch die langsame Umstrukturierung des Lobbyismus, hin zu mehr Transparenz und Sichtbarkeit intensiviert werden. Nichts desto trotz beschreiben die Feldteilnehmer diese Interaktionsprozesse nur als zweitrangig gegenüber eben jenen, die mit den Kongressabgeordneten stattfinden. Die konkrete Ausformung dieser Prozesse wird von allen Gruppen als eine zu großen Teilen proaktive Handlung beschrieben. Die Akteure wissen, dass es für ihren eigenen Erfolg wichtig ist, erfolgreich Netzwerke aufzubauen. Diese Netzwerke können zwar ebenfalls problemzentriert und temporär sein, jedoch wird von allen Akteuren die höhere Qualität dauerhafter Kontakte hervorgehoben. 7.1.3 Funktionsweisen des Feldes Der folgende Abschnitt zur Funktionsweise des nationalen politischen Feldes von Madrid basiert auf der grundsätzlichen Annahme Pierre Bourdieus, dass in politischen Feldern Kämpfe um die Diskurshoheit über politische Inhalte ausgefochten werden und aus diesen Konflikten in Form von Entscheidungen die von mir als politischen Produkte bezeichneten Resultate entstehen. Die zur Herstellung benötigten Interaktionen verfolgen jedoch nicht nur dieses kollektive Ziel der Produktion, sie sind zusätzlich das Instrument der Feldteilnehmer zur eigenen Positionierung innerhalb des Feldes und zur Akkumulation von politischem Kapital. Diese Phänomene möchte ich in der Folge für den Fall Madrid gerne näher beleuchten: „Wenn man als Journalist im Bereich Politik erfolgreich sein will, ist das ein harter Job. Vor allem geht es darum, viele Kontakte zu knüpfen. Diese Kontakte müssen aber auch eine gute Qualität haben. Es hilft nichts, wenn die Leute nur dein Gesicht kennen, sie müssen auch mit dir geredet haben, müssen wissen, wer du bist. Nur dann bekommst du auch ihre Telefonnummer, nur dann kannst du sie direkt ansprechen, wenn du etwas von ihnen wissen möchtest oder ihre Hilfe brauchst. Und das bedeutet, dass ich einfach viel

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unterwegs bin, um Leute zu treffen und Leute kennenzulernen. Denn ohne die Informationen kann ich meinen Job nicht machen.“ (Journalist)

Deutlich wird in diesem ersten Zitat zunächst einmal die Abhängigkeit von anderen Feldteilnehmern, in der sich dieser Journalist bezüglich seiner Arbeit befindet. Er ist, wie bereits zuvor erwähnt, auf die Informationen angewiesen, die er von anderen, insbesondere der Gruppe der Abgeordneten erhält. Weiterhin führt die Abhängigkeit zu einem immensen Arbeitsaufwand, welchen er in der Generierung und Verbesserung seiner feldinternen Kontakte sieht. Es lässt zudem den Rückschluss zu, dass jeder neue Kontakt, der eine bestimmte Qualität erreicht, für den Akteur potentiell zu einer Verbesserung seiner Position innerhalb des Feldes führen kann. Dieser Feldeffekt lässt sich erklären, indem jeder neue Kontakt zu neuen Informationen führen kann, die der Journalist in seiner Arbeit nutzen kann, um seinen Einfluss auf die Produktion politischer Produkte zu vergrößern. Analog zu den beiden bereits unterschiedenen Tätigkeitsformen, der inhaltlichen Arbeit, welche zumeist allein vollzogen wird und den Interaktionen, welche im Rahmen dieser Arbeit auf die Interaktionen zwischen den Feldteilnehmern reduziert sind, lassen sich nun verschiedene Formen von Kapital identifizieren, welche für die Gewinnung neuer Kontakte und ihrer Pflege von Bedeutung sind: „In der Politik geht es darum, fachlich fit zu sein. Man sollte sich also einmal mit dem Inhalt auskennen, in seinem Politikfeld wissen, was der Stand der Dinge ist. Dann sollte man aber auch die Abläufe kennen und wissen nach welchem Muster Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Und dann ist es auch sehr wichtig, dass man weiß, wer der richtige Ansprechpartner ist und wie man an den herankommt.“ (Universitätsprofessor)

Wie alle Feldteilnehmer bestätigen, ist die fachliche Qualifikation ein entscheidendes Kriterium für die erfolgreiche Teilnahme am politischen Feld. Dabei ist sowohl die inhaltliche Qualifikation von Bedeutung, welche für die Beeinflussung der Diskurse eine Rolle spielt, aber auch die Kenntnis über die Regeln und Verfahren, die innerhalb des Feldes Gültigkeit haben. Ich werde dieses Kapital in der Folge erneut als fachliche Kompetenz bezeichnen und dabei beide beschriebenen Teile zusammenfassen. Das zweite politische Kapital, welches in Interaktionsprozessen der Feldteilnehmer von Bedeutung ist, ist der Ruf: „Und es spricht sich natürlich auch herum, ob man gute Arbeit macht oder nicht. Wer schon länger dabei ist und vielleicht auch schon den einen oder anderen Leitartikel ge-

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schrieben hat. Und wer bei einem anerkannten Medium arbeitet, der ist dann irgendwann auch bekannt bei den Abgeordneten. Und dann kommt es natürlich darauf an, dass man es sich nicht mit jemandem verscherzt hat. [...] So bilden sich dann die Netzwerke, das ist ein stetiger Prozess und die Leute erkundigen sich ja auch, wer ist das, wo kommt der her.“ (Journalist)

Der Ruf, den sich die Feldteilnehmer durch ihre Interaktionen im Feld erarbeiten, ist schwer zu quantifizieren. Deutlich zeigt das Zitat jedoch, dass es sich um eine Investition handelt, die viel Zeit und einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Dabei spielt die erworbene fachliche Kompetenz sicherlich eine Rolle, der Ruf eines Feldteilnehmers geht aber über das bloße Anerkennen der damit verbundenen Fähigkeiten hinaus. Vielmehr muss über einen gewissen Zeitraum gegenüber anderen relevanten Akteuren bewiesen werden, dass gute Arbeit geleistet wird und dies sowohl kontinuierlich wie auch verlässlich. Erst dann entsteht ein guter Ruf, den Bourdieu in seinen Arbeiten zum politischen Feld am ehestem als prophetisches oder heroisches Kapital, also die Wahrnehmung des Feldteilnehmers durch andere als jemand, der zu spezifischen Handlungen befähigt ist, nennt. Beide Kapitalsorten, also nicht nur der Ruf eines einzelnen, sind dabei abhängig von der zeitlichen Dimension, das heißt der Verweildauer des einzelnen Akteurs im Feld: „Ich habe mir am Anfang immer Rat bei Kollegen geholt, die schon länger im Kongress sind. Die haben mir sehr oft geholfen. Sowas ist natürlich eine Erfahrungsfrage oft und wenn du schon eine Legislaturperiode oder sogar länger dabei bist, dann kennst du natürlich die richtigen Leute und weißt, wie Dinge schneller erledigt werden. Da habe ich dann auch keine Skrupel, einfach zu fragen. Und ich glaube, die älteren Abgeordneten helfen auch sehr gerne.“ (Kongressabgeordneter)

Das hier beschriebene Phänomen lässt sich sicherlich am besten als Senioritätsprinzip bezeichnen. Ebene jene, die schon länger eine spezifische Position im Feld innehaben, verfügen über das Wissen, nach welchen Regeln gehandelt wird und welche Akteure sich an welcher Stelle des Feldes befinden. Durch diese über die Zeit gewonnenen Kompetenzen haben sie auch selbst ihre Position im Feld verbessert und können nun, über die Vermittlung ihres Fachwissens, den Erfolg des Handelns anderer Feldteilnehmer mit beeinflussen. Gleichzeitig geht mit dem Weitergeben feldrelevanter Informationen auch eine Art der Wertschätzung einher, die sicherlich mit durch den Ruf des entsprechenden Akteurs legitimiert wird, der diese empfängt. Es kommt zu einem Delegationsprozess, bei

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dem der etablierte Feldteilnehmer sich durch die Weitergabe seiner Kontakte und seines exklusiven Wissens mit dafür verbürgt, dass der im Feld weniger etablierte Interaktionspartner dieses in angemessener Weise nutzt und im Sinne des Informanten handelt. Das Senioritätsprinzip ist jedoch nur eine Möglichkeit, vorhandene Netzwerke zu nutzen und neue zu gewinnen: „Viele Abgeordnete treffen sich auch in festen Gruppen. Die gehen dann einmal in der Woche oder einmal im Monat zusammen etwas trinken oder in ein Restaurant. Das ist dann total informell aber trotzdem hat das seinen festen Platz. Und wenn man da mitgenommen wird, dann ist das schon ein immenser Vorteil. Da lernt man die Leute anders kennen, du redest auch mal etwas abseits von der täglichen Politik. Da entsteht dann Vertrauen und dass ist unersetzlich, wenn man länger erfolgreich zusammen arbeiten will.“ (Kongressabgeordneter)

Auch in diesem Zitat wird die gegenseitige Abhängigkeit der Akteure voneinander betont. Außerdem wird deutlich, dass einzelne Kontakte auch als Multiplikatoren dienen können, die Türen zu neuen Netzwerken öffnen. In dem beschriebenen Fall der festen Gruppen von Feldteilnehmern, die sich zu gemeinsamen Essen und Barabenden treffen, erreichen diese Netzwerke einen hohen Grad an Institutionalisierung, einerseits durch ihre zeitliche Regelmäßigkeit, anderseits auch durch die feste Runde an Akteuren, die an ihnen teilnehmen und die Zugangskriterien, die eine bestimmte Zusammensetzung der jeweiligen Runde sicherstellen sollen. Neue Teilnehmer müssen über einen spezifischen Ruf verfügen, um eingeladen oder mitgenommen zu werden. Dieser Ruf lässt sich hier am besten als ein Vertrauen darin erklären, dass der Akteur für das Netzwerk nützlich sein kann, indem er beispielsweise über relevante Informationen verfügt, Einfluss auf Entscheidungsfindungsprozesse hat oder dem Netzwerk im Sinne der Multiplikatorenwirkung weitere Kontakte zuführen kann. Die erwähnte Vertrauenswürdigkeit wird als ein Attribut zur Erlangung eines guten Rufes dabei über Zeit aufgebaut: „Das Vertrauen kommt ja nicht mit einem Mal plötzlich. Das erarbeitet man sich nach und nach. Man geht mit Informationen vertraulich um, man hält sich an Absprachen, dann entwickelt sich das langsam. Und wenn du dir Vertrauen erarbeitet hast, dann spricht sich das auch herum.“ (Lobbyist)

Wie der Ruf eines Akteurs wird auch die darin enthaltene Vertrauenswürdigkeit über eine längere Zeit aufgebaut. Sie wird so zu einem spezifischen Teil dieses

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Kapitals und kann über die Befragung von Feldteilnehmern in den Netzwerken eines spezifischen Akteurs abgefragt und gemessen werden. Der Ruf lässt sich auch beschreiben als der spezifische Blickwinkel eines Akteurs auf die Vertrauenswürdigkeit eines anderen. Vertrauen kann dabei zudem, wie in dem letzten Zitat beschrieben wurde, auch institutionalisiert werden, beispielsweise in Form fester Gruppen von Feldteilnehmern, welche sich mit spezifischen Interessen treffen. Hier könnte ein Interesse beispielsweise darin liegen, in einem informellen Rahmen gemeinsame Ziele auszuarbeiten und Informationen auszutauschen, die auf offiziellem Wege nicht oder nur schwer austauschbar sind. Die vorgestellten Eigenschaften und Strategien der Akteure dienen nun der erfolgreichen Teilnahme im nationalen politischen Feld Madrids. Sie helfen den Akteuren, die eigene Position im hierarchischen Feld zu halten und bestenfalls zu verbessern. Dies kann in Form neuer Ämter oder Funktionen geschehen oder auch allein durch zunehmenden Einfluss auf die im Feld entstehenden politischen Produkte. Dem entgegengesetzt existieren zudem auch Handlungsmuster, welche eine erfolgreiche Teilnahme erschweren: „Manche Leute kommen auch hier an und man denkt direkt: mit denen wird das nicht funktionieren. Die reden nur selbst und man kommt nicht zu Wort. Das sind natürlich Selbstdarsteller aber vor allem wollen sie zeigen, dass sie besonders wichtig sind. Das sie besonders viel wissen und besonders wichtige Entscheidungen treffen. Das ist ja schon ein wenig wie ein Spiel, bei dem jeder versucht, zu gewinnen und gut dazustehen. Ich nehme mich dann immer bewusst zurück und lasse sie erst einmal zu Ende erzählen.“ (Journalist)

Mit seiner Bewertung der Interaktion mit einer bestimmten Art von Feldteilnehmern, spricht dieser Akteur ein Phänomen an, dass ich als Überheblichkeit einführen möchte. Darunter ist ein Verhalten zu verstehen, welches den Normen der Interaktionsprozesse innerhalb des Feldes nicht entspricht. In obigem Beispiel wird die übermäßig einseitige Kommunikation einerseits, aber auch das als übertrieben offensiv zur Schau gestellte Wissen über feldrelevante Informationen andererseits, als die Kommunikation und damit das Verhältnis beider Akteure störend beschrieben. In der Folge kann es für diesen Feldteilnehmer dazu kommen, dass die Bildung eines persönlichen Netzwerks erschwert wird und damit auch seine Möglichkeiten, innerhalb des politischen Feldes erfolgreich zu agieren, geschmälert werden. Eine andere Möglichkeit, wie Akteure ihre eigene Position innerhalb des Feldes schwächen können, ist durch egoistisches Verhalten, wie durch diesen Abgeordneten beschrieben:

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„Man muss auch vorsichtig sein. Manche Leute lassen sich gerne helfen aber wenn du dann eine Frage hast oder Hilfe brauchst, dann nix. Ich glaube, dass kann eine Zeit lang funktionieren aber das spricht sich dann auch rum und dann hilft auch niemand mehr. Es ist halt ein Geben und Nehmen.“ (Kongressabgeordneter)

Das beschriebene Verhalten lässt sich am besten mit der Motivation des Handelnden als Egoismus beschreiben. Dabei gibt es ein Missverhältnis zwischen dem investierten Kapital der in eine Interaktion involvierten Akteure. Wird nun festgestellt, dass ein Akteur übermäßig profitiert und gleichzeitig selbst nur sehr wenig politisches Kapital investiert, so wird dies als Verstoß gegen die Regeln des Feldes wahrgenommen und kann, wie auch im Fall der Überheblichkeit, zu einem Positionsverlust im hierarchischen Feld führen. In der Konsequenz können beide Phänomene für betroffene Akteure im schlimmsten Fall zu einem Feldausschluss führen: „Und es ist ja auch klar. Wenn sich jemand immer wieder schlecht verhält, man merkt, dass er nur zu seinem eigenen Vorteil handelt, dann findet er langfristig keine Partner. Und ohne Partner kannst du im politischen Geschäft nicht überleben.“ (Kongressabgeordneter)

Die Akteure des politischen Feldes vergleichen ihre Handlungen mit denen der anderen Feldteilnehmer. Dabei vergleichen sie nicht nur die Interaktionen an sich, sondern auch das dabei eingesetzte politische Kapital. Dies führt nicht nur dazu, dass sie ihre eigene Position einordnen und dies auch im Verhältnis zu den Positionen anderer Akteure tun, sie sanktionieren gleichzeitig Verhalten, welches den gegebenen Hierarchien und Regelwerken entgegenläuft. Überschreiten diese Regelverstöße nun einen für den jeweiligen Akteur tolerierbaren Rahmen, kann es im äußersten Fall zu einem Feldausschluss kommen. Dazu muss der Akteur jedoch durch oftmaliges Fehlverhalten die Möglichkeit verspielt haben, sich anderweitig Netzwerke aufbauen zu können.

7.2 PRODUKTION POLITISCHER ORTE Um im weiteren Verlauf dieser Arbeit die verschiedenen Qualitäten politischer Orte identifizieren können und später das Verhältnis von sozialem zu physischem Raum zu beschreiben, wird es zunächst nötig sein, die Prozesse zur Entstehung politischer Orte zu benennen. Im Folgenden möchte ich mich dabei auf die Erkenntnisse aus der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Raumforschung

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stützen, wie ich sie im theoretischen Teil dieser Arbeit vorgestellt habe. Die folgende Herleitung geschieht zudem analog zu den Erkenntnissen aus der BerlinStudie. Zunächst werde ich Voraussetzungen aufzeigen, welche die Produktion und Konstruktion politischer Orte ermöglichen, bevor ich versuche, diese beiden zentralen Begriffe mit Inhalt zu füllen und voneinander zu unterscheiden. Voraussetzung hierfür sind dabei ebenfalls die Erkenntnisse aus dem vorangegangenen Abschnitt über den Aufbau und die Funktionsweisen des nationalen politischen Feldes Madrids. 7.2.1 Die Anwesenheit und Arbeit an einem Ort Für die Entstehung politischer Orte sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Die erste, mit der ich mich in diesem Abschnitt beschäftigen möchte, betrifft die Anwesenheit und spezifische feldrelevante Tätigkeit an einem konkreten Ort, einem physischen Raumausschnitt innerhalb der spanischen Hauptstadt. Während der erste Teil dieser Definition leicht nachzuweisen ist, indem man die Anwesenheit eines Feldteilnehmers feststellt, ist für den zweiten Teil der Aussage eine kurze Erklärung nötig. Für die meisten Befragten in Madrid gliedert sich der Tag in Arbeitszeit und Freizeit. Dabei ist die Arbeitszeit als eben jener Teil des Tages definiert, der mit der Produktion politischer Produkte innerhalb des Feldes verbracht wird. Freizeit wird wiederum als der Teil wahrgenommen, der mit nicht feldrelevanten Tätigkeiten gestaltet wird. Diese Definition ist sowohl in der Praxis sowie für die konzeptionelle Gestaltung dieser Arbeit nicht unproblematisch. So stellt sich zunächst einmal die Frage, ob es eine klare Grenze zwischen beiden Bereichen des Handelns gibt und zudem die Wahrnehmung eines jeden Akteurs sich unterscheiden kann. So kann ein gemeinsames Bier nach Dienstschluss für den einen eine gemeinsame Freizeitgestaltung darstellen, die mit dem Arbeitsalltag nichts mehr zu tun hat. Für einen weiteren beteiligten Feldteilnehmer kann es bei dem gleichen Treffen jedoch durchaus um eine relevante Handlung für die eigene Tätigkeit im politischen Feld gehen, nämlich die Kontaktpflege. Möglich wäre beispielsweise das Ziel, Vertrauen zu schaffen, um zu einem späteren Zeitpunkt mit einem konkreten Anliegen um Hilfe des anderen Akteurs zu bitten. An diesem nun rein hypothetischen Beispiel wird deutlich, wie schwierig es ist, anhand spezifischer Handlungen eine allgemeingültige Grenze zu ziehen zwischen Arbeits- und Freizeit. Nichts desto trotz benennen alle Befragten in Madrid diese Unterscheidung als relevant, wenn sie nach der Strukturierung ihres Alltags befragt werden. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werde ich also erneut meine handhabbare Lösung präsentieren, mit der jener Teil

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der Praxis der Feldteilnehmer abgegrenzt wird, der für die Positionierung im politischen Feld von Relevanz ist. Zuvor möchte ich jedoch aufzeigen, wie die Unterscheidung von Arbeit und Freizeit vorgenommen wird. Das „vor Ort sein“ ist für viele Feldteilnehmer, vor allem für die Kongressabgeordneten, die ihre Wahlkreise nicht in Madrid selbst haben, in vielen Fällen synonym für den Arbeitsalltag. Dabei kann die gesamte Stadt zu einem Arbeitsort werden: „Du hast es ja draußen gesehen. Der ganze Eingang steht voll mit Koffern. Jetzt sitzen noch alle im Plenum aber danach fahren alle direkt nach Hause in ihre Wahlkreise. Viele von meinen Kollegen sagen, sie sind in Madrid nur für die Arbeit. In ihren Wahlkreisen haben sie dann auch Arbeit aber dort haben sie auch ihre Freizeit mit der Familie und Freunden. Bei mir ist das anders aber ich wohne auch direkt hier in Madrid. Dann ist das räumlich nicht so stark getrennt.“ (Kongressabgeordneter)

Nicht für alle Feldteilnehmer ist der Arbeitsalltag derart streng mit einem Ort verknüpft. Genauso wenig steht die Stadt Madrid im Gegensatz zu einem anderen Ort derart extrem für Arbeit im Kontrast zur eigenen Freizeit. Trotzdem stellen viele Feldteilnehmer eine Verknüpfung her zwischen der Anwesenheit an spezifischen räumlichen Ausschnitten und der Einteilung ihres Alltags. Dabei kann eben diese arbeitszentrierte Nutzung zu weiteren handlungsrelevanten Konsequenzen führen: „Ich habe das erste Jahr hier eigentlich nur aus dem Koffer gelebt. Am Anfang hat man auch gar keine Zeit, freie Zeit in Madrid zu verbringen, weil ständig Termine in den Wahlkreisen sind. Später habe ich dann schon ab und zu Zeit gefunden, auch mal ein Wochenende hier zu bleiben. Mit etwas mehr Routine kann man die Termine besser koordinieren und auch einmal ein Wochenende frei haben. Aber viele im Kongress haben das in den Sitzungswochen noch nicht geschafft, denke ich.“ (Kongressabgeordneter)

Die anderen Akteursgruppen sind im Vergleich zu den Kongressabgeordneten weniger rigoros in der Trennung von Arbeitsort und Freizeitort. Viele von ihnen wohnen in Madrid und haben wenige Verpflichtungen außerhalb der Stadt. Auch für sie ist jedoch das Anwesend-sein in der Stadt eine wichtige Voraussetzung zur erfolgreichen Teilnahme am nationalen politischen Feld. Es kann also festgehalten werden, dass die Anwesenheit in Madrid eine erste Voraussetzung für die Entstehung politischer Orte ist. Die Feldteilnehmer verknüpfen die Arbeit mit der Stadt und grenzen beides mehr oder weniger gegen ein außen ab.

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7.2.2 Interaktion als Produktionsprozess Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt wurde, gibt es ein Problem bei der Aufstellung einer allgemeinen Definition von Arbeitszeit und Freizeit der Feldteilnehmer im Rahmen dieser Arbeit. Verschiedene Akteure können ein und dieselbe Situation gänzlich unterschiedlich bewerten. Zum Verständnis davon, was an politischen Orten geschieht und wie diese zustande kommen, ist jedoch von zentraler Bedeutung, was in der Arbeitszeit der Feldteilnehmer geschieht. Im Anschluss an die Überlegungen zu der Funktionsweise des nationalen politischen Feldes Madrids werde ich analog zu der Vorgehensweise in der Fallstudie zu Berlin ein Konzept vorschlagen, in dem der Begriff der Arbeitszeit anders gefasst wird, klarer abgrenzbar zur Freizeit wird und somit einen Rahmen für die Einführung politischer Orte bilden kann. Diese Definition wiederspricht zwar zunächst den Aussagen einiger Feldteilnehmer, jedoch nur in der Benennung spezifischer Handlungen, nicht in der Bewertung ihrer feldspezifischen Bedeutung. In den vorangegangenen Abschnitten habe ich nicht nur die relevanten Akteursgruppen innerhalb des Feldes identifiziert, sondern auch die Handlungslogiken und damit die Funktionsweise des Feldes versucht, näher zu beschreiben. Ich habe zwischen zwei Tätigkeitsarten unterschieden, den Interaktionsprozessen der Feldteilnehmer untereinander und sämtlichen Tätigkeiten, bei denen die Interaktion keine Rolle spielt. Anschließend habe ich mich auf erstere konzentriert, verbunden mit der Annahme, hier die relevanten Handlungen für ein Verständnis der Funktionsweise politischer Felder zu finden. Diese Annahme konnte in der Folge bestätigt werden und über die Interaktionsprozesse ein Verständnis für das politische Feld gewonnen werden. Zwar spielt auch die eigenständige, quasi interaktionsunabhängige Arbeit für die Positionierung des einzelnen Akteurs eine Rolle, diese kann allerdings ebenfalls über das Kapital Kompetenz in die zu erstellende Definition mit eingepreist werden. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass über die Beziehungen der Feldteilnehmer zueinander der soziale Raum des Feldes gestaltet wird und, damit einhergehend, die Produktionsprozesse politischer Produkte, welche in Kämpfen zwischen den mit unterschiedlich viel politischem Kapital ausgestatteten Akteuren hergestellt werden. Daraus lassen sich nun für die weitere Arbeit zweierlei Folgen ableiten: Erstens bietet sich eine Lösung für das Problem der Definition von Arbeitszeit und Freizeit an. So ist jede Interaktion von Feldteilnehmern zunächst einmal als ein potentielles Moment der Veränderung von feldrelevanten Beziehungen zwischen zwei Akteuren zu verstehen. Auch wenn nicht jede dieser Interaktionen von sämtlichen Feldteilnehmern gleichermaßen als „Arbeit“ wahrgenommen werden

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muss, so kann, wie im Beispiel gezeigt, eben auch das gemeinsame Bier durchaus Konsequenzen für die zukünftige Zusammenarbeit zweier Akteure haben. Der Wiederspruch bei der Bewertung ist dabei nur ein scheinbarer. Vielmehr komme ich zu dem Schluss, dass auch die als Freizeit beschriebene Praxis durchaus feldrelevante Handlungen inkludieren kann und deshalb auch für die Arbeitszeit von Relevanz wird. Ich werde also in der Folge sämtliche Prozesse als feldrelevant einstufen, bei denen es zu Interaktionen von mindestens zwei Feldteilnehmern kommt. Zweitens hilft die nun getätigte Festlegung, die zweite Voraussetzung für die Entstehung politischer Orte zu schaffen. Offensichtlich ist hierfür die Anwesenheit einzelner Akteure nötig aber nicht ausreichend, um hierfür eine Erklärung zu finden. Vielmehr kommt es zur Entstehung politischer Orte auf die Interaktion von mindestens zwei Feldteilnehmern in einem spezifischen Raumausschnitt an. Dieser Austausch2 muss, wie bereits erwähnt, nicht zu feldspezifischen Themen erfolgen, welche direkt die Produktion politischer Produkte betreffen. Vielmehr kann jede Interaktion zu einer Veränderung der Hierarchien, Bündnisse und verhandelten Inhalte im nationalen politischen Feld Berlins führen. Es kommt in der Folge zu der sozialen Produktion politischer Orte. Ich der Folge möchte ich einige Beispiele vorstellen, die diese Vorgänge für den Fall Madrid wiederspiegeln und werde dabei sowohl Beschreibungen der Akteure aus ihrer selbstdefinierten Freizeit wie auch Arbeitszeit nutzen: „Sicher, abends gehen wir oft mit Kollegen Abendessen oder ein Bier trinken. Ich habe außerdem Familie in Madrid. Vom Kongressgebäude ist es nicht weit bis La Latina oder auf die Gran Via. Alles ist sehr schnell erreichbar von hier. Aber ich bin auch froh, wenn ich abends aus dem Büro komme und wir über andere Dinge als die Arbeit sprechen.“ (Kongressabgeordneter)

Zwar betont dieser Kongressabgeordnete dezidiert, dass es für ihn eine klare Trennung von Arbeitszeit und Freizeit gibt und er sich darauf freut, nach einem langen Arbeitstag auch über andere Dinge als eben jene sprechen zu können. Er berichtet aber auch darüber, dass er seine Freizeit durchaus auch mit Kollegen gestaltet. Das erwähnte gemeinsame Bier oder Abendessen ist dabei jedoch durchaus eine feldrelevante Tätigkeit, da hier Kontakte zu Feldteilnehmern ge2

Natürlich gibt es auch nonverbale Kommunikation, welche manchmal mehr aussagen kann als das gesprochene Wort. Außerdem kann bei Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern auch das bloße Bemerken der Anwesenheit eines anderen Akteurs eine Rolle spielen. Die Voraussetzung der Interaktion, in der Folge zumeist als verbale Kommunikation von den Feldteilnehmern beschrieben, hat also verschiedene Dimensionen

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pflegt werden und gegebenenfalls auch verbessert werden können. Es handelt sich also hier um ein zentrales Moment zur Klärung der Hierarchien des politischen Feldes und darüber hinaus nun eben auch um die Produktion eines politischen Ortes außerhalb des Kongressgebäudes. Die Gestalt politischer Orte kann dabei zunächst einmal ganz unterschiedlich sein: „Du kennst ja die Tapasbars hier. Man isst ein paar Tapas, trinkt ein Bier und geht vielleicht noch in eine zweite oder dritte. Dabei lernt man sich kennen und kann auch ein wenig Privates austauschen. So im Büro kommt man zu solchen Gesprächen ja nicht und lernt die Leute auch nicht wirklich kennen. Und oft bringt deine Verabredung noch jemanden mit, den du vielleicht noch gar nicht kanntest und so lernst du dann sogar noch neue Leute kennen, die dann, Überraschung, vielleicht sogar in einem für deine Arbeit interessanten Bereich arbeiten.“ (Kongressabgeordneter)

Dieser Kongressabgeordnete beschreibt, wie der gemeinsame Besuch von TapasBars für ihn hilfreich ist, die Beziehungen zu Kollegen zu verbessern. Dabei geht er davon aus, dass der Besuch der Tapas Bar und das damit verbundene privatere Umfeld dazu führt, dass andere Informationen ausgetauscht werden und er somit seinen Gegenüber besser kennenlernt. Zusätzlich helfen ihm die Treffen nach Büroschluss, um neue Kontakte über seine Netzwerke kennenzulernen, die auf anderem Wege vielleicht schwieriger zu erreichen gewesen wären. Ein anderer Akteur beschreibt die Möglichkeiten an politischen Orten folgendermaßen: „Nun, das muss man halt auch nutzen. Wenn man so zusammensitzt und man isst mit den Leuten, dann möchte man sie auch besser kennenlernen. Und beim Essen redet man dann auch gerne mal über andere Sachen als nur den Arbeitstag. Wir Spanier reden immer gerne über unsere Familie. [...] Und dann kann man auch mal nachfragen, was der andere über ein Gesetzesvorhaben denkt und wie er einschätzt ob so etwas Erfolg hat oder auch nicht. Das mache ich ja nicht direkt im Büro, dafür muss man erst einmal das Vertrauen schaffen.“ (Lobbyist)

Gelegenheiten zu nutzen, scheint ein wichtiges Moment für den befragten Lobbyisten zu sein. Er erhofft sich, wie auch der Abgeordnete in den Zitat zuvor, von den Treffen nach Dienstschluss, über ein besseres Kennenlernen den Kontakt zu vertiefen und zusätzlich für seine eigene Arbeit direkt relevante Informationen zu erhalten, welche für ihn bei der Produktion politischer Produkte vorteilhaft sein können. Dabei scheint der gewählte Ort, der durch die soziale Interaktion als politischer Ort produziert wird, nicht bedeutungslos zu sein. Ebenfalls

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von Vorteil ist es dabei für die Feldteilnehmer, Erfahrung im Bereich der informellen Gesprächsführung, wie auch bei der richtigen Auswahl des Ortes zu haben: „Wenn ich jemanden für ein Hintergrundgespräch treffe, dann achte ich natürlich auf viele Sachen. Soll es diskret sein, zu welcher Tageszeit treffen wir uns und natürlich, mit wem treffe ich mich, was hat der wahrscheinlich für Vorlieben, möchte der schick essen gehen oder lieber ein Bier trinken, gehe ich mit dem vielleicht in eine Hotellobby weil er nicht so viel Zeit hat. Auf jeden Fall muss ich mir vorher viele Gedanken machen, wie ich die richtige Atmosphäre schaffe, damit dieses Gespräch auch erfolgreich wird. [...] Ich habe da am Anfang auch einige Fehler gemacht. Da wurde mir dann am Ende nichts erzählt oder mein Gesprächspartner ist nach kurzer Zeit direkt gegangen.“ (Journalist)

Politische Orte sind per se keine Zufallsprodukte, sondern das unvermeidliche Resultat der Interaktion von Feldteilnehmern. Nichts desto trotz müssen sie nicht in jedem Fall in ihrer Ausformung intendiert sein. In diesem Fall verhält es sich nun gänzlich anders. Für den Journalisten sind der Ort und das Programm bei einem Treffen mit einem Informanten von zentraler Bedeutung, um an die für ihn relevanten Informationen zu gelangen. Hierzu versucht er, eine für seinen Gesprächspartner möglichst ideale Situation zu schaffen, indem er den Ort nach verschiedensten Kriterien auswählt, auf die ich später noch näher zu sprechen kommen werde. Er nutzt dazu sein feldspezifisches Kapital, nämlich das Wissen über die Regeln des Feldes und die Vorlieben der sich innerhalb des Feldes bewegenden Akteure. 7.2.3 Soziale Produktion und Konstruktion bleibender Orte Im vorangegangenen Abschnitt habe ich bereits den Begriff der Produktion politischer Orte eingeführt. Dieser beschreibt den sozialen Prozess der Interaktion von Feldteilnehmern an einem spezifischen Ort und der damit einhergehenden temporären Bedeutung dieses Ortes mit all seinen ebenso spezifischen Eigenschaften für eben jene Interaktion. Politische Orte können also überall produziert werden und sind nicht an weitere, zum Beispiel physisch-räumliche Voraussetzungen gebunden. Zusätzlich gibt es jedoch Orte, welche bereits vor den beschriebenen Interaktionsvorgängen eine Bedeutung für die Akteure des Feldes haben. Diese ist in den Regeln des Feldes festgeschrieben und ist somit seinen Teilnehmern bekannt. Ich spreche hierbei in der Folge von bleibenden Orten. Neben ihrer sozialen Produktion im Rahmen der Interaktionsprozesse durchlaufen diese Konstruktionsprozesse, unten denen ich, analog zu meinen Ausführun-

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gen im Fall Berlin zweierlei Vorgänge zusammenfasse. Dabei muss jedoch klargestellt werden, dass auch die Resultate dieser Prozesse nur durch die soziale Produktion in den Handlungen der Feldakteure auch verwirklicht werden, also sichtbare Konsequenzen auf die Akteure und die Regeln des Feldes haben können. Erstens bezeichnet die Konstruktion eines politischen Ortes die Errichtung physischer Strukturen, zum Beispiel den Bau eines Gebäudes oder die Einrichtung eines Büros und zweitens, die Belegung vorhandener physisch-räumlicher Strukturen mit feldspezifischen Bedeutungen, die über einzelne Interaktionen hinausgehen. Gebäude wie der Sitz des Kongresses oder ein Ministerium werden bereits mit ihrer feldspezifischen Funktion gebaut und erhalten eine fortbestehende, bleibende Bedeutung für das Feld. Dabei spielen das politische Kapital der involvierten Akteure und die geltenden Regeln des Feldes eine maßgebliche Rolle, da sie entscheiden, welcher Ort in welcher Form konstruiert wird. Als Konsequenz entsteht an diesem Ort eine Bedeutung für das politische Feld, welche in jedem Fall eine Wirkung auf die Feldteilnehmer hat. Dabei müssen die Regeln, die einem politischen Ort eingeschrieben sind, nicht zwingend durch jeden Akteur exakt eingehalten werden, jedoch werden sie von ihnen wahrgenommen und erzeugen dadurch immer eine sichtbare Reaktion, die wiederum als soziale Reproduktion des Ortes zu bezeichnen ist. Neben der baulichen Konstruktion spielt natürlich auch die Einrichtung eines Büros oder eines Besprechungsraumes als Teil des Konstruktions- und Produktionsvorganges eine Rolle. Die Wahl des Mobiliars und dessen Anordnung erzeugen ebenfalls Reaktionen bei den dort zusammentreffenden Feldteilnehmern. Auf diese Phänomene werde ich später noch zu sprechen kommen. Das Verhältnis von Produktionsprozessen und Konstruktionsprozessen ist komplex. So kann ein politischer Ort zwar über die Regeln des Feldes eine bleibende Funktion bekommen, diese kann jedoch nur über die soziale Produktion dieses Ortes auch sichtbar und für die Feldteilnehmer relevant werden. Ein politischer Ort spiegelt also im Moment einer Interaktion von mindestens zwei Akteuren die Regeln des Feldes zu mindestens zwei Zeitpunkten wieder: Erstens, zum Zeitpunkt seiner Konstruktion, zweitens zum Zeitpunkt seiner Reproduktion. Zwischen diesen beiden Momenten kann eine unbegrenzte Zahl weiterer Produktionsvorgänge liegen, die einen Einfluss auf die feldspezifische Bedeutung des Ortes hatten. In der Konsequenz bedeutet dies zudem, dass bei jeder Interaktion der Feldteilnehmer anhand des konstruierten Ortes ein defacto neuer politischer Ort produziert wird, da sich das Feld in einem stetigen Verände-

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rungsprozess befindet und daher anders auf den konstruierten Ort reagieren kann. Der Prozess der Konstruktion von politischen Orten durch das nationale politische Feld von Madrid ist dabei geprägt von der lang andauernden Funktion der Stadt als Hauptstadt Spaniens: „Madrid ist seit dem 16. Jahrhundert die Hauptstadt Spaniens. Viele Gebäude, die heute von den Politikern genutzt werden, sind bereits einige hundert Jahre alt. Und andere sind auch recht neu. Das ist also eher als ein Prozess zu verstehen. Und an den Gebäuden lassen sich dann ja auch Veränderungen ablesen. Einmal von der Gesellschaft aber auch von der politischen Klasse.“ (Universitätsprofessor)

Es zeigt sich, dass durch die lange Geschichte Madrids als Hauptstadt auch die politischen Orte der Stadt zu einem großen Teil auf eine ähnlich lange Geschichte zurückblicken und gemäß der sich verändernden Regeln des Feldes auch neue oder modifizierte Funktionen für das Feld ausfüllen. Durch das Hinzukommen neuer Orte kommt es zudem zu weiteren Veränderungen und möglicherweise auch zu einer entstehenden Bedeutungslosigkeit einzelner etablierter Orte. Ausgeschlossen ist somit nicht, dass politische Orte ihre feldspezifische Bedeutung nicht auch wieder verlieren können. Die zeitliche Dimension und die damit einhergehenden Bedeutung beschreibt der gleiche Wissenschaftler später: „Wenn ich mir zum Beispiel Nuevos Ministerios3 anschaue. Das wurde natürlich für eine ganz andere politische Klasse gebaut, als sie es heute ist. Diese Art von Monumentalität würde heute keinem spanischen Politiker mehr einfallen. Nun, den meisten zumindest nicht. Damals entsprach es aber einfach den Vorstellungen der Entscheider und hat ja auch das Spanien dieser Zeit reflektiert… oder zumindest die Vorstellungen der Herrschenden von diesem Spanien.“ (Universitätsprofessor)

Im Laufe der Zeit kann sich die Nutzung und Bewertung politischer Orte verändern. Dies liegt begründet in Veränderungen der Vorstellungen davon, welche Gestalt politische Orte haben sollten und auf welche Weise sie einerseits am besten ihre Funktion erfüllen, andererseits diese auch nach außen hin repräsentieren.

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Nuevos Ministerios ist ein Gebäudekomplex im Zentrum von Madrid am Paseo de la Castellana, einem der bekanntesten Boulevards und einer wichtigen Verkehrsachse der Stadt. Der Gebäudekomplex wurde in den dreißiger Jahren errichtet und wurde auch in der Franco-Diktatur als Ministeriumsbau genutzt.

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7.3 FELDSPEZIFISCHE QUALITÄTEN POLITISCHER ORTE Nachdem ich die Produktionsprozesse politischer Orte vorgestellt habe, möchte ich in den folgenden Abschnitten die verschiedenen Qualitäten politischer Orte bearbeiten, wie ich sie in meinen Feldaufenthalten in Madrid feststellen und in der anschließenden Arbeit mit dem Material systematisieren konnte. Qualitäten verstehe ich dabei vor allem auch als Unterscheidungskriterien, nach denen die Feldteilnehmer die Eigenschaften und die Nutzbarkeit eines jeden Ortes im Rahmen ihrer Interaktionen definieren. In einem ersten Schritt werde ich die Unterscheidung zwischen politischen und nicht-politischen Orten näher beleuchten, da mir dies im Anschluss an das bereits Gesagte zu den Produktionsprozessen sinnvoll erscheint. Anschließend werde ich die Unterschiede zwischen temporären und bleibenden Orten behandeln und dabei verschiedenste Beispiele beider Typen vorstellen. Ebenfalls von zentraler Bedeutung sind die Differenzierung der Feldteilnehmer von Arbeits-, Freizeit- und Wohnorten, sowie die damit einhergehenden Bedingungen für die Produktionsprozesse politischer Orte. Ich werde hierbei von Nutzungsarten sprechen. Zum Schluss widme ich mich der Wahrnehmung politischer Orte und möchte dabei die Verschiedenartigkeit der Wirkung auf jeden einzelnen Feldteilnehmer und die hierzu notwendigen Voraussetzungen noch einmal in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. 7.3.1 Politische und nicht-politische Orte Für die Feldteilnehmer ist ihr Arbeitsalltag stark mit den von ihnen also solche definierten politischen Orten verknüpft. Dazu gehören ihre Büros, Veranstaltungsräume, aber auch Restaurants und Kneipen oder der Plenarsaal, je nachdem welcher Akteursgruppe sie angehören. Hier finden auch die Interaktionsprozesse statt, welche die Funktionsmechanismen des Feldes bestimmen. Für viele der Akteure ist also das Verlassen dieser Orte auch mit dem Beenden der Arbeitszeit verknüpft: „Ich habe eine Wohnung im Norden von Madrid gekauft, in [Name des Stadtteils]. Das ist ein komplett neuer Stadtteil. Das ist sehr angenehm, denn da wohnt außer mir niemand. Da lauf ich auch niemanden über den Weg, den ich hier aus dem Arbeitskontext kenne.“ (Kongressabgeordneter)

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Wie bereits gesagt stehen spezifische Orte für die Feldteilnehmer synonym für das politische Feld und ihre eigene Arbeitszeit. Andere Orte hingegen stehen für die Privatheit, definiert über die Abwesenheit anderer Feldteilnehmer und die Beschäftigung mit anderen Dingen als jenen, denen sie in der Arbeitszeit nachgehen. Sie haben keine feldspezifische Bedeutung. Die Akteure nutzen dies, um bewusst zwischen Privatheit und Arbeitszeit zu wechseln. Jedoch erscheint diese Tendenz der strikten Trennung nicht bei allen Gesprächspartnern gleichermaßen ausgeprägt zu sein. Auf die Trennung angesprochen, antwortet ein politischer Journalist ähnlich wie einige andere Gesprächspartner: „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich hier ständig Politikern oder anderen bekannten Gesichtern aus der Politik auf den Straßen begegne. Das verteilt sich alles in der Stadt sehr gut. Vor dem Kongress natürlich schon. [...] Und das stimmt natürlich, weiter außerhalb vom Zentrum ist die Wahrscheinlichkeit mal jemanden über den Weg zu laufen schon deutlich geringer.“ (Journalist)

Auch dieser Akteur nimmt wahr, dass es außerhalb des Zentrums von Madrid eine deutlich niedrigere Dichte an Feldteilnehmern gibt. Er widerspricht damit der ersten Aussage nicht. Jedoch stellt er fest, und dies werde ich im weiteren Verlauf der Fallstudie noch aufgreifen, dass die Dichte und Sichtbarkeit des politischen Feldes auch im Zentrum der Stadt nicht so groß ist, dass er oft anderen Akteuren durch Zufall begegnet. Politische und nicht-politische Orte sind also grundsätzlich zu unterschieden und werden von den Akteuren oft auch genutzt, um ihren Alltag zwischen Arbeit und freier Zeit zu strukturieren. Eine allgemein gültige Verteilung dieser Orte im Sinne einer Trennung Zentrum-Peripherie erscheint jedoch nach Auswertung der Interviews nicht sinnvoll und richtig. 7.3.2 Bleibende und temporäre Orte Die Produktion politischer Orte und ihr Verhältnis zu der Konstruktion politischer Orte habe ich auf einer theoretisch-konzeptionellen Ebene analog zu den Ausführungen im Berlin-Kapitel bereits in Kapitel 7.2. behandelt. Nun möchte ich mich damit beschäftigen, wie die Feldteilnehmer in Madrid anhand dieser Unterscheidung spezifische Orte nutzen. Zusätzlich möchte ich nun aufzeigen, dass es auch in Madrid zwischen bleibenden und temporären Orten eine nicht quantifizierbare Anzahl von Zwischenstufen gibt, was wiederum mit meiner Erkenntnis einhergeht, dass es einen bleibenden Ort mit einer konstant gleichbleibenden Bedeutung für das politische Feld ebenso wenig geben kann, wie einen

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temporären politischer Ort, der nach seiner Produktion seine Bedeutung für sämtliche Feldteilnehmer gänzlich wieder verliert. Ich möchte im Folgenden versuchen, die Qualität bleibender politischer Orte anhand einiger Beispiele zu untersuchen. Das erste Beispiel hierfür ist der Gebäudekomplex des Kongresses im Zentrum Madrids: „Das Kongressgebäude ist natürlich auch ein geschützter Raum. Hier kann nicht jeder einfach so herein kommen. Du hast das ja selbst gesehen. Wir haben Pförtner und Metalldetektoren und du brauchst einen Ausweis. Oder du bist auf der Besucherliste. Da geht es ja auch darum, dass wir hier in Ruhe unsere Arbeit machen können. Aber natürlich können uns die Bürger schreiben und Termine mit uns vereinbaren. Das ist ja auch unser Job. [...] Aber auf den Fluren arbeiten ja auch unsere Mitarbeiter. Wenn da ständig Leute vorbeikommen würden, die sich das Gebäude anschauen oder spontan mit uns sprechen wollen, das würde nicht funktionieren.“ (Kongressabgeordneter)

Der spanische Kongress besteht aus drei Gebäuden: ein Altbau, welcher den Plenarsaal, einen Konferenzsaal und die Kongressbibliothek beherbergt und zwei Bürogebäudekomplexe. Das erste von diesen, in dem der zitierte Abgeordnete sein Büro besitzt, ist durch einen für die Öffentlichkeit abgesperrten Innenhof und über eine Brücke direkt mit dem Altbau verbunden. Das zweite Bürogebäude, welches de facto aus mehreren Einzelgebäuden besteht, befindet sich auf der anderen Seite der Carrera de S. Jerónimo, gegenüber dem ersten Bürogebäude. Es ist durch einen Tunnel mit eben jenem verbunden. In den Bürogebäuden befinden sich ebenfalls die Verwaltung und Sitzungsräume. Der beschriebene Komplex ist ein aussagekräftiges Beispiel für einen bleibenden Ort. Die spezifische Art seiner Konstruktion ist das Resultat vorhandener Regeln des Feldes zum Zeitpunkt seiner Errichtung. So geht die Fertigstellung des Altbaus auf das Jahr 1850 zurück. Neben zahlreichen Modernisierungen spiegeln sich hier jedoch die Vorstellungen des politischen Feldes dieser Zeit von einem repräsentativen Plenargebäude wieder.4 Die angrenzenden Bürogebäude stammen aus den 80er und 90er Jahren, auch sie verfügen über spezifische Merkmale, die zu dem Zeitpunkt ihrer Errichtung den Vorstellungen der Feldteilnehmer entsprachen.5 Während ich eine nähere Beschreibung des Aufbaus des spanischen Kongresses später vornehmen werde, ist bereits an dieser Stelle 4

Zu dieser Zeit war die erste Republik noch nicht ausgerufen und Isabelle II regierte die konstitutionelle Monarchie Spanien, bis sie 1868 nach einer Reihe von Aufständen ins Exil flüchten musste.

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So ist die Architektursprache zeitgenössisch: funktional und mit wenigen Ornamenten geschmückt.

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von Bedeutung, dass dieser bleibende Ort bereits seit seiner Konstruktion, in diesem Fall seiner baulichen Errichtung, eine für die Feldteilnehmer bleibende Funktion erfüllt. Diese Funktion beschreibt der Kongressabgeordnete nun als die eines geschützten Raums, in dem die Mitarbeiter ihrer Arbeit nachgehen können, ohne von dem Feld Außenstehenden gestört zu werden. Gleichzeit betont er die potentielle Möglichkeit des Besuchs über eine Liste und vorherige Anmeldung. So beschreibt er den Ort nicht als grundsätzlich abgeschottet, vielmehr ist seine Zugänglichkeit entsprechend der Bedürfnisse der Feldteilnehmer organisiert. Als weitere politische Orte mit einer bleibenden Bedeutung wurden in den Gesprächen mit den Feldteilnehmern Ministerien, Parteizentralen oder der Sitz des Ministerpräsidenten genannt. Deutlich schwieriger gestaltete sich die Suche nach Orten, welche nicht exklusiv durch das nationale politische Feld der Stadt genutzt werden und trotzdem für dieses eine, in die Regeln des Feldes eingeschriebene, Bedeutung einnehmen. Eine Zeit lang erschien es mir, als würden diese entweder nicht existieren oder aber mir schlicht nicht genannt werden. Mit fortschreitender Zeit im Feld konnte ich mit Hilfe eines Lobbyisten zunächst zwei weitere Orte identifizieren, welche mir in späteren Gesprächen mit anderen Akteuren in der nun folgenden Beschreibung ihrer Eigenschaften auch bestätigt wurden: „Der Circulo (de Bellas Artes) ist so ein Ort wo sich viele Leute treffen. Das liegt glaube ich einerseits daran, dass es nah am Kongress ist und dann ist es eben auch ein beliebter Treffpunkt, gerade für die Oberschicht. Das liegt daran, dass dort gute Ausstellungen laufen, es gibt ein Kino und einen Veranstaltungsraum. Und das Gebäude an sich ist auch sehr schön und repräsentativ. Da mischen sich die Politiker dann gerne mal dazwischen und trinken hier etwas, so wie wir gerade. Das ist dann etwas lockerer und informeller als in den Büros.“ (Lobbyist)

Auch der Circulo de Bellas Artes verfügt über eine feldspezifische Bedeutung. Diese speist sich einmal aus dem dort angebotenem Programm, welches einer spezifischen Zielgruppe, der Oberschicht, zugeschrieben wird. Zweitens ergibt sich die Bedeutung für das Feld aus dem Umstand, dass sich die Akteure hier eben nicht an ihrem Arbeitsplatz befinden und somit den Kontext ihrer eigenen feldspezifischen Funktion und Position ein Stück weit ausblenden können. Auch der Circulo de Bellas Artes ist so ein bleibender politischer Ort. Anders als das Kongressgebäude, ist hier jedoch die Konstruktionsleistung durch die Akteure eine andere. Im Unterschied zu dem ersten Beispiel ist hier der Ort nicht für das politische Feld errichtet worden, die bleibende Konstruktion findet hier

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vielmehr über die wiederholte Praxis des Besuches durch die Feldteilnehmer und die daraus resultierende zunehmende Relevanz als Treffpunkt statt. Die besonderen Bedingungen vor Ort, die „lockere und informelle“ Atmosphäre, schreiben sich in der Folge in die Regeln des Feldes ein, die Akteure wissen, was sie an diesem Ort erwarten können und planen dementsprechend einen Besuch oder auch nicht. Ein Mitarbeiter des Managements des Circulos sagt dazu: „Hier im Café ist das Publikum sehr durchmischt. Es sind aber weniger Touristen als drüben an der Puerta del Sol oder bei der Plaza Mayor. Ich glaube, das gefällt unseren Gästen. Viele sehe ich auch mehrmals die Woche, die trinken entweder nur einen Kaffee oder essen eine Kleinigkeit zu Mittag. Und zu den Politikern: die kommen auch hierher. Da habe ich sogar schon manchmal einen Minister oder andere gesehen. Ich glaube, die mögen die Mischung hier. Auch, dass weniger Touristen da sind und dafür viele Geschäftsleute und Künstler. Und dann, nun, Interviews werden auch manchmal geführt. Das sieht man dann, wenn einer die ganze Zeit redet und der andere nur am Schreiben ist. Oder die haben Aufnahmegeräte auf dem Tisch liegen wie du.“ (Management Circulo de Bellas Artes)

Der Circulo und im speziellen das auch ohne Besuch einer der Veranstaltungen zugängliche Café werden auch von Betreiberseite als Orte mit einem durchmischten Publikum wahrgenommen. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch, dass hier das politische Feld durchaus sichtbar ist. Bekannte Gesichter aus dem Politikbetrieb schlagen hier auf und auch Journalisten werden offensichtlich bei ihrer Arbeit vor Ort wahrgenommen. Spannend ist zudem, dass der Mitarbeiter auf die hohe Dichte an Geschäftsleuten aufmerksam macht, die diesen Ort ebenfalls frequentieren. Die Vermutung liegt nicht fern, dass es auch hier zu einem Austausch kommen kann zwischen Abgeordneten und den Unternehmensvertretern, also zu Lobbyismus. Der Circulo de Bellas Artes wird nicht exklusiv durch das politische Feld genutzt, wie die Kongressgebäude, trotzdem ist auch er ein bleibender politischer Ort. Seine Qualität wird außerdem gerade auch in der Mischung der Gäste gesehen. Hier können die Feldteilnehmer in einer anderen Atmosphäre als in den offiziellen Büroräumen Gespräche führen oder etwas trinken oder essen. Ein letztes Beispiel für einen bleibenden Ort stellen die Lobbys großer Hotels in der Nähe des Kongresses dar. Diese werden häufig dann genannt, wenn die Akteure informelle Gespräche führen möchten und hierfür kein offizieller Termin im Büro vergeben wird. Ein Journalist fasst in einer Beobachtung zusammen:

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„Nun, das merkt man schon, wenn man durch den Eingang reinkommt. Zum Beispiel beim Hotel Palace6, da kommt man durch den Haupteingang rein und kann da später gar nicht die ganze Lobby überblicken. Es sind überall kleine Ecken mit Sofas und es gibt eine riesige Bar und ein Restaurant. Und dann haben sie auch viele Besprechungsräume. Die sind auch direkt im Erdgeschoss, damit die Gäste nicht weit laufen müssen. Aber dort treffen sich nicht die Übernachtungsgäste sondern die Politiker aus dem Kongress gegenüber mit Geschäftsleuten oder anderen Politikern und manchmal auch mit uns von der Presse. Das ist eben deutlich diskreter und sicherer.“ (Journalist)

Auch die besagte Hotellobby und nach Auskunft der Feldteilnehmer noch einige weitere ihrer Art im näheren Umfeld des Kongresses dienen als Treffpunkte der Feldteilnehmer. Sie versprechen sich hier Diskretion und Sicherheit, um ihre Anliegen zu klären. Wird ihnen beides geboten, wird die beispielhafte Lobby des Hotels Palace mit ihrer feldspezifischen Bedeutung als sicherer und diskreter Ort in die Regeln des Feldes aufgenommen und bei erfolgreicher Ausfüllung ihrer Funktion von den Akteuren regelmäßig besucht und weitere Feldteilnehmer können den Ort ebenfalls zu nutzen beginnen. Es handelt sich dann um einen bleibenden Ort. Ich möchte nun, nach den drei unterschiedlichen Beispielen für bleibende politische Orte, auch ein Beispiel für einen temporären Ort vorstellen und dies vor allem in Abgrenzung von meinem letzten Beispiel der Hotellobby. Temporäre politische Orte können der zuvor angestellten Definition nach überall und zu jeder Zeit dann entstehen, wenn Feldteilnehmer miteinander interagieren. Damit ist jeder Ort ein potentieller politischer Ort. Trotzdem können auch temporäre politische Orte von den Feldteilnehmern bewusst ausgewählt und genutzt werden. „Nach Büroschluss gehen wir oft noch mit ein paar Kollegen in eine Tapas-Bar und essen gemeinsam etwas. Da geht man eigentlich immer mal wieder in eine andere. Hier und rund um Sol gibt es davon ja genug. Das ist eigentlich ganz schön, weil man lernt so auch etwas Madrid kennen und seine Kollegen auch. [...] In welche Tapas-Bar wir dabei gehen, ist eigentlich erstmal egal, es geht da ja um die entspanntere Atmosphäre.“ (Kongressabgeordneter)

Die Feldteilnehmer nutzen Tapas-Bars, um nach dem Ende der Arbeit im Büro nicht nur ihren Hunger zu stillen, sondern auch, um ihre Kollegen besser kennenzulernen. Die Tapas-Bar ist dabei natürlich, ähnlich wie die Hotel-Lobby mit 6

Das Hotel Palace ist eines der bekanntesten Hotels der Stadt und liegt gegenüber des repräsentativen Haupteingangs deshistorischen Teils des Kongressgebäudes

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einer bestimmten feldspezifischen Funktion versehen. Diese kann aber abweichend in jeder beliebigen Tapas-Bar erzeugt werden, der konkrete Ort ist dabei nicht zwingend von Relevanz, oder anders gesagt, er erfüllt keine feldspezifischen Voraussetzungen, die über das Servieren von Häppchen hinausgehen und somit dem Ort eine spezifische Bedeutung beimessen, die sich in den Regeln des Feldes niederschlagen muss. Die Tapas-Bar kann damit zu einem temporären politischen Ort werden, welcher nach dem Verlassen der Akteure keine spezifische Feldbedeutung behält und so lediglich für den einzelnen Produktionsvorgang von Bedeutung ist. Trotzdem ist der Ort an sich in diesem Fall nicht gänzlich willkürlich gewählt. Vielmehr verknüpft der befragte Feldteilnehmer den Besuch mit spezifischen Erwartungen, nämlich, seine Kollegen besser kennenzulernen. Anders als andere temporäre politische Orte, wie eine zufällige Begegnung zweier Akteure in einem Park, sind hier mit der Auswahl des Ortes der Begegnung Erwartungen verknüpft. Auch temporäre Orte können also im Moment ihrer Produktion durchaus ein bewusstes Produkt feldspezifischer Produktionsprozesse sein. 7.3.3 Nutzungsart politischer Orte Auch im Fall Madrid möchte ich im Folgenden die Bedeutung der verschiedenen Nutzungsarten politischer Orte sichtbar machen. Als spezifische Funktionen habe ich bereits zuvor Wohnen, Arbeiten und Freizeit ausgewählt und möchte nun anhand einiger konkreter Beispiele verdeutlichen, wie politische Orte anhand der ihnen zugesprochenen Nutzungsart unterschiedlich produziert werden und in der Folge auch von den Feldteilnehmern bewusst ausgewählt werden. Als erstes Beispiel möchte ich das Büro auswählen. Ein Ort, der für die Akteure aller drei großen Gruppen des Feldes zumeist von zentraler Bedeutung ist für das Erledigen interaktionsunabhängiger Arbeiten wie dem Lesen von Dokumenten oder sonstigen Informationsquellen und der Verfassen eigener Schriftstücke. Für viele Feldteilnehmer ist das Büro aber auch mehr als dies: es hat auch eine wichtige Bedeutung für die Interaktion der Feldteilnehmer: „In mein Büro lade ich Leute ein für geschäftliches. Klar fragt man auch, wie es dem gegenüber geht oder seiner Familie. Aber es ist doch klar, wenn wir einen offiziellen Termin in meinem Büro haben, dann gibt es meistens etwas ganz konkretes zu besprechen.“ (Kongressabgeordneter)

Ein Arbeitsort wird gemäß seiner Benennung als ein offizieller Ort der Arbeit verstanden. Hier treffen sich die Akteure, um Meinungen auszutauschen, ge-

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meinsam Projekte voranzubringen oder Pläne zu schmieden. Dies mit dem konkreten Ziel, an der Herstellung politischer Produkte teilzuhaben und über diese den politischen Diskurs mitzubestimmen. Eine Einladung zu einem Arbeitsort kann aber für einen Akteur auch eine weitergehende Bedeutung haben: „Natürlich bemühen sich die Journalisten und auch Geschäftsleute und NGOs darum, Termine bei den Kongressabgeordneten zu bekommen. Bei manchen ist das einfacher als bei anderen. Aber wenn man dann einen Termin hat und in das Büro eingeladen wird, dann hat man auch die ungeteilte Aufmerksamkeit und kann sein Anliegen vortragen. Aber klar, die Abgeordneten haben auch viele andere Termine und deshalb nicht so viel Zeit sich die Anliegen von einzelnen anzuhören oder mit mir ein Interview zu führen. Das wollen ja alle anderen auch, wenn der Abgeordnete bekannt ist.“ (Journalist)

Der Arbeitsort Büro ist ein geschützter Raum für seinen Nutzer. Dieser kann selbst entscheiden, wen er dorthin einlädt und mit wem er zu welchen Themen Gespräche führt. Je nach Position des jeweiligen Feldteilnehmers innerhalb der hierarchischen politischen Feldes kann dies dazu führen, dass gerade die Qualität eines Ortes des konzentrierten Zusammenarbeitens zu feldrelevanten Themen dazu führt, dass andere Feldteilnehmer Zugang wünschen, um hier mit wichtigen Akteuren zusammenzukommen und ihre ungeteilte Aufmerksamkeit für ihre eigenen Interessen zu erlangen. Ein Arbeitsort ist so ein zentraler Ort für die Interaktionsprozesse innerhalb des Feldes. Freizeitorte sind im Vergleich hierzu anders aufgebaut. Zunächst einmal lassen sie sich gemäß der Einschätzungen meiner Gesprächspartner einteilen in die privaten Orte, das zuhause oder zumindest die eigene Wohnung oder das eigene (Hotel-)Zimmer und mehr oder weniger öffentliche Orte, wie Restaurants, Bars, Sportclubs und ähnliches. Diese Orte werden in den Gesprächen gegenüber der Bewertung des Büros weniger mit Arbeit in Verbindung gebracht, obwohl auch sie teilweise hierfür genutzt werden. Ein gutes Beispiel für eine solche unklare Grenze bietet das bereits genannte Beispiel des gemeinsamen (Tapas-)Barbesuchs. Folgende Situation hierzu schildert ein ehemaliger Kongressabgeordneter, der heute als Universitätsprofessor tätig ist: „Wenn wir zusammen in eine Bar gegangen sind, haben wir da natürlich auch über die Arbeit gesprochen. Aber auch über privates. Das kreiert dann eine ganz andere Atmosphäre als wenn wir uns im Flur vor dem Büro oder im Plenarsaal begegnen. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass man an solchen sozialen Aktivitäten teilnimmt. Das ist manchmal wichtiger, als bei einer Sitzung von einer Arbeitsgruppe mit zu diskutieren.“ (Universitätsprofessor)

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Auch Freizeitorte werden vom politischen Feld genutzt, um durch Interaktionen die Dynamiken des Feldes zu beeinflussen. Im Gegensatz zu dem beschriebenen Arbeitsort wird deutlich, dass einerseits auch hier an der Herstellung politischer Produkte gearbeitet wird. Andererseits tritt an diesen Orten auch das Private mehr in den Vordergrund. Es wird in der Folge häufig mehr über Dinge gesprochen, die den Gegenstand des politischen Feldes nicht direkt betreffen. Persönliche Dinge werden ausgetauscht, es entsteht Vertrauen. Dies schafft eine andere Atmosphäre an Freizeitorten, es geht vertrauter zu und an den Beziehungen der Akteure kann unter diesen Umständen anders gearbeitet werden. Viele Gesprächspartner verweisen dabei darauf, dass die gewonnene Vertrautheit hilfreich ist, um gemeinsam im politischen Feld zu agieren und dabei auch einzeln erfolgreicher zu sein. Hierfür scheinen Freizeitorte ein wichtiger Faktor zu sein. Entgegen dieser Durchmischung von Arbeit und Privatem gibt es jedoch auch Orte, welche der Interaktion von Feldteilnehmern gänzlich verschlossen bleiben: „Wenn ich nach Hause komme, möchte ich mit der Arbeit nichts mehr zu tun haben. Ich habe ja die Wohnung auch gekauft, weil sie etwas weiter außerhalb liegt. Da habe ich meine Ruhe. Manchmal lese ich natürlich auch noch etwas zuhause oder mache einen Anruf aber nein, Kollegen habe ich noch nie zu mir eingeladen.“ (Kongressabgeordneter)

Dieser Feldteilnehmer betont den Unterschied der Bedeutung seiner Privatwohnung zu anderen Orten außerhalb dieser. Es handelt sich für ihn um einen geschützten Raum, der von den Interaktionsprozessen der Feldteilnehmer abgekoppelt ist und so nicht zu einem politischen Ort werden kann. Es handelt sich also um einen Freizeitort der das Gegenteil der zuvor beschriebenen Tapasbars verkörpert und damit auch zeigt, wie Feldakteure die bereits behandelten nichtpolitischen Orte ganz bewusst produzieren. Der Grund liegt darin, dass viele Akteure bewusst vermeiden möchten, ständig auch im Rahmen ihres Arbeitskontextes aktiv zu sein. Die Gefahr, dass dies jedoch auch an Freizeitorten geschehen kann, zeigt das Bar-Beispiel genauso wie folgendes: „Kollegen von mir laden auch schon mal zum Essen (nach Hause) ein. Oft kennen sich auch die Familien, dann kommt die Frau noch mit und das ist mehr ein freundschaftliches Verhältnis dann. Aber klar, da geht es dann auch um Arbeit und man kann über die Sachen sicherlich ganz anders reden, als wenn man das im Büro oder zusammen mit anderen Kollegen macht.“ (Kongressabgeordneter)

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Dieses letzte Beispiel zeigt, dass auch die Wohnungen und damit der potentiell privateste Ort der Feldakteure dann zu einem politischen Ort werden kann, wenn es dort zu Interaktionen der Akteure kommt. Auch hier betont der Gesprächspartner, wie die private Atmosphäre andere Möglichkeiten des Austauschs bietet, was in der Folge zu besseren Beziehungen zwischen den Akteuren und so zu einem Wachstum des politischen Kapitals der einzelnen beiträgt. Die Privatheit eines Ortes für den betreffenden Akteur scheint also eine Art Zeichen dafür sein zu können, welche Art der Beziehung dieser mit einem anderen Akteur anstrebt. Lädt er ihn zu sich nach Hause ein, wünscht er sich eine engere persönliche Bekanntschaft, welche sich, intendiert oder auch nicht, in politisches Kapital umwandeln lässt. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Nutzungsart eines Ortes durchaus Auswirkungen auf seine Produktion als politischer Ort haben kann und im Umkehrschluss auch, sobald er als politischer Ort produziert ist, auf die Wirkung, die dieser Ort auf die Feldteilnehmer und damit das Feld als Ganzes hat. Hierzu werde ich später noch mehr sagen. 7.3.4 Wahrnehmung politischer Orte Ich habe zuletzt gezeigt, welche Wirkung die Nutzungsart eines spezifischen Ortes auf seine Produktion als politischer Ort haben kann. Dabei wurde einerseits deutlich, dass die Nutzungsart durchaus einen Einfluss darauf nimmt, welche Interaktionen zwischen den Feldteilnehmern möglich oder zumindest wahrscheinlich sind und welche nicht. Bereits angedeutet habe ich zudem, dass die Feldteilnehmer sich dieser Bedingungen durchaus auch bewusst sind und in der Folge bewusst Orte mit einer spezifischen Nutzung auswählen, um einen politischen Ort zu schaffen, der für die von ihnen genutzte Interaktion von Vorteil ist. Ich möchte in diesem Abschnitt daran anschließend erneut zeigen, wie die Feldteilnehmer politische Orte wahrnehmen und welche Konsequenzen sie für ihr Handeln aus ihren Erkenntnissen ziehen. So können bestimmte Orte zu TabuZonen werden: „In einer Hotellobby würde ich mich nie mit jemandem beruflich treffen. Nie. Das hat hier in Spanien so einen schlechten Ruf. Und ich verstehe auch gar nicht, warum das immer noch einige Personen machen. Wenn ich jemanden außerhalb des Büros treffen möchte, treffe ich mich meist in einem Restaurant. Ich habe ja auch nichts zu verbergen. Ich verstehe nicht, warum sich die Leute immer noch in diesen dunklen Hotellobbies treffen.“ (Lobbyist)

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Dieser Lobbyist beschwert sich im Gespräch über den schlechten Ruf, den der Lobbyismus in Spanien allgemein hat und spricht in dem Zitat mit den Hotellobbies zudem einen zentralen Grund dafür an, warum dies spätestens seit dem demokratischen Übergang so ist. Der Kontakt von Interessenvertretern und Abgeordneten wird nicht protokolliert, es ist nicht sichtbar, wann und warum sich Vertreter beider Gruppen treffen. Die Hotellobby ist dabei zu einem Synonym dieser undurchsichtigen Kontakte geworden und hat damit zu dem schlechten Ruf beigetragen, den Interessenvertreter, besonders der Wirtschaftsseite, in Spanien genießen. Der Gesprächspartner zieht aus diesen Umständen für sich den Schluss, diese Orte zu meiden, um damit seinen eigenen Ruf, wie auch den seiner Akteursgruppe zu verbessern. Er wählt als Alternative einen bewusst öffentlichen Ort, ein Restaurant, vor allem um damit zu signalisieren, dass seine Tätigkeit der Interessenvertretung zum politischen Geschäft dazu gehört und es dabei nichts zu verstecken gibt. Neben dem bewussten Vermeiden spezifischer politischer Orte oder dem Vermeiden der Produktion eben dieser an Orten, die noch keine feldspezifische Bedeutung haben, kann die Wirkung auf die Feldteilnehmer natürlich auch gegenteilig, also positiv sein: „Wenn man zu jemandem nach Hause eingeladen wird zum Essen, dann hat das auch etwas zu bedeuten. Man lernt dann auch vielleicht die Familie kennen und redet über privates. So eine Einladung lehne ich natürlich nicht ab, wenn ich denke, dass ich mit dieser Person noch zusammenarbeiten möchte. So etwas ist ja auch ein Vertrauensbeweis.“ (Journalist)

Feldteilnehmer suchen politische Orte auch ganz gezielt auf, weil sie sich dort besondere Interaktionsmöglichkeiten versprechen, die eine verbesserte Beziehung zu anderen Akteuren ermöglichen. Durch mehr Intimität und Privatheit kann eine Situation entstehen, in der der Kontakt zum Gegenüber das rein Geschäftliche verlässt und sich auf privater Ebene die Beziehung vertieft. Dem Gesprächspartner ist dieser Vorteil einer Einladung nach Hause bewusst und er zieht daraus den Rückschluss eine solche nicht abzulehnen, da sie mit Vorteilen für die eigene Arbeit und damit auch für die eigene Positionierung im Feld verbunden ist. Aus dem vorangegangen Zitat geht hervor, was bereits im Fall Berlin deutlich wurde. Politische Orte verfügen über eine Exklusivität für die Feldteilnehmer, die individuell nach Ort unterschiedlich stark ausgeprägt ist und sich auch entsprechend jedes einzelnen Akteurs in seiner Wahrnehmung unterscheidet. So ist die Einladung zum Essen in die Privatwohnung eines anderen Feldteilneh-

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mers generell als die Einladung an einen exklusiven, weil nicht jedem zugänglichen, Ort zu bewerten. Doch nicht für jeden Akteur ist die Einladung gleich willkommen oder nützlich. Exklusivität ist dabei jedoch durchaus ein Kriterium, welches auch bewusst in die Entscheidungen zum Besuch eines politischen Ortes mit eingepreist wird: „Die El Pais veranstaltet zum Beispiel einmal im Jahr einen Empfang. Da kommen immer auch Minister und wichtige Abgeordnete. Und alle großen Leute aus der Wirtschaft und Gesellschaft. Da wollen natürlich alle Tickets für bekommen [...] Jeder versucht über Kontakte eine Einladung zu bekommen. Weil, natürlich, dort gibt es die einfachsten Möglichkeiten, mit Leuten ins Gespräch zu kommen.“ (Journalist)

Die Exklusivität von Orten wird durch die Zugangsmöglichkeiten und die an einem Ort zu erwartenden Möglichkeiten für einen Feldteilnehmer bewertet. Bei dem beschriebenen Empfang ist zunächst einmal über die Einladungen eine Verknappung der Zugangsmöglichkeiten zu konstatieren, die zusätzlich damit einhergeht, dass dort wichtige Akteure des Feldes (also jene, die sich in dessen Zentrum befinden und über eine entsprechend große Menge politischen Kapitals verfügen) in einer großen Dichte verkehren und potentiell neue Beziehungen oder Netzwerke entstehen können. Die Feldteilnehmer versuchen ihr politisches Kapital in der Folge so einzusetzen, um Zugang zu bekommen, da sie für sich diese Investition von politischem Kapital als gewinnbringend, also kapitalvermehrend einstufen.

7.4 ANORDNUNG UND AUFBAU POLITISCHER ORTE IN MADRID In den vorangegangenen Kapiteln habe ich mich unter anderem mit den Bedingungen und Prozessen beschäftigt, die zur Produktion und Konstruktion politischer Orte führen. Daran anschließend habe ich in dem Kapitel zu den Qualitäten dieser versucht aufzuzeigen, welche unterschiedlichen Typen politischer Orte auftreten können und wie Feldteilnehmer sie gemäß ihrer, über die Regeln des Feldes transportierten, feldspezifischen Bedeutung nutzen. Ich möchte in diesem Kapitel nun die physisch-räumlichen Arrangements politischer Orte näher beleuchten. Dabei werde ich in den ersten zwei Abschnitten die Verteilung der politischen Orte innerhalb Madrids untersuchen, bevor ich mich der Bedeutung dieses Faktors für die Feldteilnehmer zuwende, nämlich ihrer Wertigkeit. Im letzten Abschnitt möchte ich dann die Perspektive wechseln

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und, unter Hinzunahme bereits gewonnenen Erkenntnisse, den Aufbau politischer Orte an sich untersuchen. Im Gegensatz zu den vorherigen Kapiteln werde ich dabei vermehrt auf zusätzliche Materialquellen abseits der geführten Interviews mit den Feldteilnehmern zurückgreifen. Die stärker subjektive Färbung der Erkenntnisse durch das Zurückgreifen auf Feldprotokolle und Dokumente wie Pläne und Fotografien werde ich dabei versuchen offen zu reflektieren. 7.4.1 Aufbau des politischen Madrids Die Verteilung politischer Orte in Madrid folgt, so lässt sich vorwegnehmend festhalten, keinem pauschalen spezifischen Muster. Vielmehr haben sich, aus der historisch gewachsenen Struktur heraus, Orte von besonderer Bedeutung für das Feld entwickelt. Ich möchte nun diese Orte näher vorstellen und in der Folge besprechen, inwieweit es in Madrid trotzdem einen politischen Teil der Stadt geben kann, also einen Bereich, in dem sich die politischen Orte des nationalen politischen Feldes bündeln. Der erste zentrale Ort des Feldes, den ich vorstellen möchte, ist der Kongresskomplex: „Klar, das Kongressgebäude ist das politische Zentrum der Stadt. Das sind selbst schon mehrere Gebäude. Und drum herum gibt es noch Restaurants und Hotels, wo die meisten Kunden auch die Politiker sind. Oder die Leute, die mit uns Termine haben… oder haben möchten“ (Kongressabgeordneter)

Der Komplex des Kongressgebäudes bietet Platz für die Büros aller Abgeordneten. Auf diese Art ist eine große Anzahl der Feldteilnehmer, beziehungsweise sind die wichtigsten Akteure der Gruppe Politik, auf sehr engem Raum konzentriert. Da auch der Plenarsaal Teil des Komplexes ist, verbringen diese einen großen Teil ihrer Arbeitszeit in einem überschaubaren physisch-räumlichen Teil der Stadt. Um den Gebäudekomplex herum, an der Carrera de Jerónimo und am Plaza de las Cortes sowie drum herum gibt es einige Hotels der gehobenen Kategorie, welche durch ihre Fenster teilweise Einblicke geben in geräumige Lobbys mit den bereits beschriebenen ruhigen Ecken, die vertrauliche Gespräche ermöglichen können. Es gibt außerdem einige Restaurants. Jedoch ist dieser politische Teil der Stadt mindestens in zwei Himmelsrichtungen stark begrenzt. Im Osten schließt sich der Boulevard und die Hauptverkehrsstraße Paseo del Prado an, im Westen liegt mit der Puerta del Sol einer der geschäftigsten und bei Einheimischen wie Touristen beliebtesten Treffpunkte der Stadt. Interessanter ist ein Blick nördlich und südlich des Kongresses. Während im Süden eine Vielzahl kleiner Straßen mit Cafés und Restaurants ein typisches Madrider Altstadtbild

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erzeugt, befindet sich nördlich des Kongresses neben dem bereits erwähnten Circulo de Bellas Artes auch das Bildungs-, Kultur- und Sportministerium als ein zweiter vom politischen Feld konstruierter, exklusiv genutzter Ort. Zudem befindet sich benachbart die spanische Zentralbank. Erst auf der anderen Straßenseite der Calle de Acalá endet dieses kleine Cluster politischer Orte. Ein weiterer Bereich in Madrid, mit dem die Gesprächsteilnehmer das politische Feld verknüpfen, ist der Paseo del Prado, welcher östlich des Kongressgebäudes vom Hauptbahnhof Atocha kommend die komplette Stadt unter wechselnden Namen in Richtung Norden durchquert. Hier liegen über einige Kilometer verteilt neben verschiedenen Museen und städtischen Einrichtungen wie dem Madrider Rathaus auch viele Ministerien: „Am Paseo sind viele Ministerien. Und andere staatliche Institutionen auch, die Banco de España, die Nationalbibliothek, viele Stiftungen. Das ist historisch gewachsen, richtig? Dort wurden dann repräsentative Gebäude gebaut. Aber der Paseo ist sehr lang, und, mehr oder weniger, von Atocha bis Charmatin verteilen sich auch Ministerien und das alles. Und der Verkehr ist oft schrecklich, es ist ja auch die Hauptverkehrsachse in der Stadt von Norden nach Süden.“ (Kongressabgeordneter)

Die Entfernung zwischen den beiden Hauptbahnhöfen auf dem Paseo beträgt 7,7 km. Alleine sechs der dreizehn spanischen Ministerien liegen hier. Es handelt sich somit um die wohl größte räumlich begrenzbare Ansammlung politischer Orte in Madrid. Ein letzter Ort der ebenfalls in den meisten Gesprächen mit den Feldteilnehmern genannt wird, ist der Palacio de la Moncloa, kurz La Monlcoa, seit 1977 Sitz des spanischen Ministerpräsidenten. Der Komplex, bestehend aus 13 Einzelgebäuden auf einer Fläche von 20 Hektar, ist im Nordwesten der Stadt gelegen, etwa fünf Kilometer von den Kongressgebäuden entfernt. Er liegt in direkter Nachbarschaft der Ciudad Universitaria, der „Universitätsstadt“, wird von Norden und Westen weitestgehend von Stadtautobahnen begrenzt und öffnet sich lediglich in Richtung Süden zur Stadt: „Wichtig ist auch noch La Moncloa. Aber das ist ein Ort, der für die meisten Menschen, auch für die Madrilenen unsichtbar bleibt. La Moncloa liegt ziemlich weit außerhalb und ist auch sehr gut abgeschirmt. Die Sicherheitsvorkehrungen sind sehr hoch. Wenn man auf der A6 nach Norden fährt, kann man es sehen aber nur im vorbeifahren.“ (Journalist)

Der Regierungssitz La Moncloa stellt einen weiteren zentralen politischen Ort dar, der im Gegensatz zu den beiden vorherigen Beispielen jedoch nicht in Form

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einer Ansammlung oder Ballung mehrerer Orte in einem abgrenzbaren Gebiet besteht, sondern außerhalb des Zentrums der Hauptstadt Madrid. Bis 1977 war Sitz des Ministerpräsidenten noch der Palacio Villamejor, gelegen am bereits genannten Paseo, deutlich näher am Zentrum der Stadt. Der Umzug fand statt, um den Ministerpräsidenten Alfonso Suárez in Zeiten der jungen Demokratie vor Anschlägen besser schützen zu können. Das geräumige Areal und die abgeschiedene Lage boten sich hierfür an. Die Beschreibungen der verschiedenen Orte oder Bereiche der Stadt, welche den Feldteilnehmern nach eine besondere feldspezifische Bedeutung haben, macht zunächst einmal deutlich, dass es kein übergeordnetes Zentrum innerhalb der Stadt gibt, welches das politische Feld vor Ort benennen kann. Vielmehr stellen viele der Gesprächspartner fest, dass es insgesamt schwierig ist, überhaupt einen bestimmten Teil der Stadt als einen „politischen Teil“ abzugrenzen: „Schau mal, das ist hier gar nicht so einfach. Die Ministerien und alles sind ja in der ganzen Stadt verstreut. Die Parteizentralen auch und der Regierungssitz ist außerhalb der Stadt. Das ist nicht so wie bei euch in Berlin, wo alle wichtigen Einrichtungen direkt nebeneinander sind.“ (Journalist)

Viele Gesprächspartner überlegen lange auf die Frage hin, ob es denn einen politischen Teil der Stadt gäbe oder ein klares Zentrum der Aktivität des nationalen politischen Feldes. Zwar antworten die meisten mit der Aufzählung einiger Bereiche der Stadt, von denen ich die drei häufigsten Nennungen bereits aufgeführt habe, jedoch schränken fast alle diese Ausführungen ein, indem sie darauf verweisen, dass die politischen Orte Madrids über die ganze Stadt verstreut sind. In der Folge lässt sich für Madrid kein einheitliches Modell entwickeln, welches den Aufbau der Stadt als politische Stadt pauschal beschreiben kann. Obwohl viele Akteure einzelne Orte nennen, welche eine herausgehobene Bedeutung haben, betonen sie stets auch, dass über diese Orte allein nicht geklärt werden kann, ob spezifische Bereiche der Stadt für das Feld relevanter sind als andere. Sehr eindrücklich ist einzig der Hinweis von immerhin fünf der zwanzig Gesprächsteilnehmer auf einen Stadtplan, der in den örtlichen Restaurants der Kette McDonalds und in vielen Hotels ausliegt. Dieser Stadtplan, so verweisen die Feldteilnehmer, decke zum größten Teil den Bereich der Stadt ab, an dem sich einerseits die zentralen politischen Orte der Stadt befinden und in dem anderseits ihr Handeln im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit stattfindet.

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Abbildung 9: Touristischer Stadtplan Madrids

Der in Abbildung 9 abgebildete Stadtplan zeigt wichtige touristische Ziele in Madrid und bildet ungefähr einen Radius von. 3,5 Kilometer von den Gärten des Palacio Real im Westen zum Monument Alfonsos XII im Stadtpark Retiro und etwas mehr als 6 Kilometer vom Hauptbahnhof Atocha im Süden bis hinter das Stadion Bernabéu im Norden ab. Abgesehen von der Tatsache, dass der Stadtplan damit von seinem Format her eine stark verzerrte Interpretation von Entfernungen offenbart, zeigt sich für mein Anliegen etwas anderes von Bedeutung: Der von den Gesprächspartnern als relevant beschriebene Teil der Stadt ist mit etwa 21 Quadratkilometern sehr groß und deckt sich fast vollständig mit dem erweiterten Zentrum der Stadt. Damit bestärken die Feldteilnehmer, die auf den Plan verwiesen, den Eindruck, dass abseits einiger relevanter Orte, kein konkret abgrenzbarer politischer Teil der Stadt existiert, sondern die relevanten Orte über das gesamte, multifunktional genutzte Stadtzentrum verteilt liegen. Der Aufbau der politischen Stadt Madrid und die damit einhergehende Anordnung der politischen Orte sind somit nicht anhand eines Modells, ähnlich wie dem des Aufbaus des sozialen Raums des Feldes erfassbar. Zwar konnten einige Bereiche identifiziert werden, denen die Akteure besondere Bedeutung zumessen, sei es wegen der Wichtigkeit eines einzelnen Ortes oder wegen der Cluste-

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rung mehrerer mehr oder weniger zentraler politischer Orte. Jedoch sind sich die Befragten größtenteils einig, dass das politische Madrid über das gesamte Stadtzentrum, zuzüglich des Regierungssitzes in Moncloa, verteilt ist. Nicht alle machen dabei diese Erkenntnis so explizit, wie mit dem gezeigten Stadtplan veranschaulicht, jedoch nennt kein Gesprächspartner eine andere konkrete Sichtweise zu diesem Thema. Ein Kongressabgeordneter gibt zu bedenken: „In Madrid ist das alles nebeneinander. Im Zentrum wohnen die Menschen, es gibt die großen Kaufhäuser, Restaurants, Bars, Diskotheken. Es gibt Museen und Schulen und eben auch Ministerien, Behörden und alle anderen Dinge.“ (Kongressabgeordneter)

Es zeigt sich abschließend, dass dieser Feldteilnehmer die Verteilung der politischen Orte in der Stadt mit der multifunktionalen Nutzung des Stadtzentrums in Verbindung setzt. Dies gibt auch einen ersten Anhaltspunkt, warum es zu keiner räumlichen Konzentration in einem bestimmten abgegrenzten Bereich der Stadt gekommen ist. Hierauf werde ich später vergleichend weiter eingehen (Kapitel 8.3.). 7.4.2 Nähe und Entfernungen von politischen Orten Bereits im vorangegangenen Abschnitt habe ich die Anordnung der politischen Orte in Madrid beschrieben und dabei festgestellt, dass es keinen alleinstehenden abgrenzbaren Bereich in der Stadt gibt, welcher als politischer Teil der Hauptstadt begriffen werden kann. Vielmehr verteilen sich abseits einiger Ausnahmen die als relevant verstandenen Orte im gesamten Gebiet der inneren Stadt. Ich möchte nun klären, wie die Akteure mit den daraus resultierenden Lagebeziehungen der einzelnen Orte zueinander umgehen und ob sich die Phänomene Nähe und Entfernung auf die Praxis der Feldteilnehmer auswirken. Zunächst werde ich einen Blick auf die Wahrnehmung der Akteure aus der Teilgruppe der Politik werfen: „Ja, Moncloa zum Beispiel ist schon sehr weit draußen. Aber da muss ich eigentlich auch nie hin. Die meisten Dinge spielen sich ja hier im Kongress ab. Manchmal sind aber auch Veranstaltungen außerhalb. Vor zwei Monaten hat zum Beispiel Telefonica eingeladen. Die haben ein riesiges neues Gebäude in Las Tablas [...] Da bin ich dann natürlich hin, weil ich mir das Gebäude immer schon mal angucken wollte und weil mich das Thema der Veranstaltung interessiert hat. [...] Aber so etwas geschieht sehr selten. Meistens laden wir die Leute hierher ein oder gehen in ein Restaurant in der Nähe des Kongresses.“ (Kongressabgeordneter)

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Dieser Abgeordnete schildert, was die meisten der befragten Gesprächsteilnehmer aus der Teilgruppe Politik zu der Bedeutung von Entfernungen zu sagen haben. Sie werden als hinderlich in der alltäglichen Praxis der Ausübung ihrer Tätigkeit wahrgenommen, jedoch kommt es selten zu der Situation, dass große Entfernungen zurückgelegt werden müssen. Dies verwundert zunächst, da bereits festgestellt werden konnte, dass die politischen Orte der Stadt Madrid im gesamten Stadtgebiet verstreut liegen und dadurch durchaus längere Wege zurückzulegen sein müssten. Jedoch liefert dieser Feldteilnehmer die Erklärung für das Ausbleiben häufiger langer Wege gleich mit: Die meisten Termine finden in der näheren Umgebung des Kongresses statt, entweder direkt dort oder in den umliegenden Restaurants. Hierzu passt auch diese Aussage eines Politikjournalisten, welcher die Position dieser Teilgruppe des Feldes sinngemäß wiedergibt: „Wenn ich mit einem Abgeordneten sprechen möchte, versuche ich einen Termin mit seinem Büro zu verabreden oder ich habe am besten direkt selbst seine Handynummer. Manchmal verabreden wir uns dann auch außerhalb aber dann immer in der Nähe des Gebäudes. Die Abgeordneten wollen nicht durch die ganze Stadt fahren, nur um ein Interview zu führen. Und wenn sie Diskretion möchten, trifft man sich eben in einem etwas weniger bekannten Restaurant.“ (Journalist)

Auch die Medienvertreter konzentrieren ihre Arbeit mit den Abgeordneten also auf den engeren Bereich um den Kongress. Dies, obwohl die großen Medienanstalten des Landes ihre Büros oder Hauptquartiere nicht zwingend in der Nähe dieses Ortes haben. Die Interaktionen innerhalb dieser Teilgruppe spielen sich also durchaus über die ganze Stadt verteilt ab, erst in der Interaktion mit den Abgeordneten, welche stets von den Medienvertretern selbst als zentrale Aufgabe der Journalisten beschrieben wird, setzen sich die örtliche Präferenzen letzterer durch. Die letzte Teilgruppe des Feldes, die Interessenvertreter, lassen sich in ihren Tätigkeiten aufgrund der geringen Zahl an Interviews weniger repräsentativ darstellen. Eine Erklärung hierfür und für ihre Bewertung der Bedeutung von Entfernungen lässt sich aber hier zumindest näherungsweise ablesen: „Veranstaltungen machen wir bei uns im Gebäude sehr selten. Und wir mieten auch keine großen Räume außerhalb. Wir suchen den direkten Kontakt zu den Abgeordneten oder Journalisten und sprechen dann mit ihnen. Lobbyismus, gerade von der Wirtschaftsseite hat hier ja wie ich schon gesagt habe einen sehr schlechten Ruf, dann ist das schwierig. Obwohl das natürlich Quatsch ist. [...] Aber wir machen das natürlich so, wie es am besten funktioniert.“ (Lobbyist)

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Lobbyismus spielt sich in Spanien, ebenso, wie die Interaktion von Journalisten und Abgeordneten, nicht auf großen Veranstaltungen ab, auf denen für die Anliegen der Interessenvertreter geworben wird, sondern in dem Bestreben persönlichen Kontakt herzustellen und sich unter vier Augen zu treffen. Der befragte Feldteilnehmer führt für diese Strategie das Argument an, dass Lobbyismus in Spanien generell einen schlechten Ruf genieße und es daher der sinnvollste Weg ist, direkt auf die Gesprächspartner zuzugehen. Auch dieser Lobbyist nutzt politische Orte also entsprechend der Wünsche jener Feldakteure, die er von seinen Argumenten überzeugen möchte, den Kongressabgeordneten. Offensichtlich spielt für alle drei Akteursgruppen die Nähe zum Parlament direkt für ihre Arbeit oder aber für ihr Bestreben, sich mit den Abgeordneten zu treffen, eine entscheidende Rolle. Die Konsequenz draus ist, dass viele Akteure ihre Büros verlassen, um im Kongress oder dessen unmittelbarer Nähe die Interaktionsprozesse durchzuführen, die für ihren eigenen Erfolg im Feld von Bedeutung sind. Nicht zur Folge hat dieser Zustand scheinbar, dass sich vermehrt Büros der Journalisten und Interessenvertreter in der Nähe des Kongresses ansiedeln oder aber alternativ attraktive Angebote in größerer Zahl geschaffen werden, um die Abgeordneten zu überzeugen, selbst neue Orte in größerer Entfernung aufzusuchen. Die Büros der Journalisten und die Abteilungen der mit Interessenvertretung beauftragten Mitarbeiter von Unternehmen, Verbänden und NGOs werden dadurch nicht weniger zu politischen Orten, jedoch sind sie in ihrer Bedeutung für die so wichtigen Interaktionsprozesse der Feldteilnehmer, über die Grenzen der Untergruppen hinweg, weniger bedeutend. Dementsprechend fällt die Bewertung der Bedeutung von Nähe zu dem zentralen Ort des Feldes, dem Kongress eher gering aus: „Das spielt nicht wirklich eine Rolle. Ob wir unsere Büros direkt am Kongress hätten oder hier in [Standort der Redaktion], wir können einfach hinfahren wenn wir einen Termin haben. Und ob Abgeordnete zu uns in Haus für ein Interview kommen würden: ich weiß nicht aber ich glaube es nicht.“ (Journalist)

Für die Feldteilnehmer ist die Anwesenheit in Madrid und die Erreichbarkeit politischer Orte durchaus von Bedeutung. Sie stellen fest, dass die persönliche Interaktion für sie ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeit ist. Weniger bedeutend ist hingegen, dass die eigene Arbeitsstätte in möglichst großer Nähe zum Kongress liegt, welcher für die Feldteilnehmer ein wichtiger Ort der Interaktion mit der zentralen Gruppe der Parlamentarier ist. Außerdem lässt sich feststellen, dass es in der Folge nicht zu einer räumlichen Verdichtung politischer Orte rund um das Parlament herum gekommen ist,

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was die bestehende durchmischte Struktur dieses Bereiches der Stadt mit erklären kann. Die Nähe und Entfernung politischer Orte zueinander spielt in der Hauptstadt Madrid folglich bei der Interaktion durchaus eine Rolle, bei der Konstruktion bleibender politischer Orte hingegen kaum. 7.4.3 Räumliche Wertigkeit eines politischen Ortes In den letzten Abschnitten konnte ich feststellen, dass für die Feldteilnehmer zentrale Orte des Feldes für den Zweck der Interaktion mit anderen Akteuren vor allem das Kongressgebäude und umliegende Restaurants und Cafés sind. Abseits davon wurden noch einige andere Orte genannt, welchen allerdings keinerlei weitergehenden Einfluss auf die Anordnung der politischen Orte oder die Entwicklung eines politischen Teils der Stadt zugestanden wurde. Dementsprechend ist es zunächst unwahrscheinlich, dass für die Interaktionen der Feldteilnehmer, gerade über die Grenzen der identifizierten Teilgruppen hinaus, weitere politische Orte einen spezifischen Wert haben. Dem folgend konzentriert sich die Bewertung der Wertigkeit in den geführten Gesprächen auf andere Aspekte: „Nein, wo unser Büro ist, spielt eigentlich keine Rolle. Manche Unternehmen und auch Verbände haben da schöne alte Palacios aber das macht eigentlich keinen Unterschied. Ich glaube, wichtiger ist, dass die Arbeitsplätze funktional sind und man genügend Platz hat, um auch mit den Kollegen zusammenzukommen, Besprechungsräume, Aufenthaltsbereiche und solche Dinge.“ (Journalist)

Anders als in Berlin unterliegt die Bewertung der Attraktivität politischer Orte für die feldspezifischen Interaktionsprozesse zunächst keinen Kriterien der Außenwahrnehmung. Vielmehr weisen die Feldteilnehmer darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen gut sein sollen, es ausreichend Arbeitsplätze und Gemeinschaftsflächen gibt. Ein weiteres spezifisches Problem in Madrid: „Das wichtigste ist immer, dass es gute Klimaanlagen gibt. Da lachst du jetzt aber sogar in einigen Ministerien ist das nicht in jedem Büro so. Besonders in den alten Palacios gibt es viele Räume, die nicht klimatisiert sind, da kann im Sommer niemand arbeiten.“ (Mitarbeiter Ministerium)

Auch dieses Zitat verdeutlicht, dass die Feldteilnehmer zunächst keine Unterschiede zwischen politischen Orten bezüglich ihrer Anordnung oder Repräsentativität ausmachen. Sie stellen vielmehr als ausschlaggebendes Kriterium ihre

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eigenen Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der internen Kommunikation in den Vordergrund. Bereits zuvor angesprochen habe ich die Bedeutung des Kongressgebäudes und der um dieses herum liegenden Restaurants. Auf die Frage, worauf die Akteure bei der Auswahl letzterer Wert legen, konnte ich doch noch einige Anhaltpunkte für die Wertigkeit politischer Orte identifizieren, welche die Bewertung dieser durch die Feldteilnehmer zumindest hier sichtbar machen: „Da gibt es viele verschiedene. Zum Beispiel in den Circulo (de Bellas Artes) gehe ich für lockere Treffen mit Leuten, die ich gut kenne. Da ist es immer etwas lauter und hektisch. Das ist nicht gut zum Kennenlernen. Wenn ich einen neuen Abgeordneten kennenlernen möchte, gehe ich gerne zu ihm ins Büro oder, wenn er das nicht möchte, in ein ruhiges Restaurant. Davon gibt es viele direkt am Kongress. Die kennen ja auch ihre Kundschaft.“ (Lobbyist)

Anders als bei der Beurteilung ihrer eigenen Arbeitsräumlichkeiten, legen die Akteure durchaus Wert darauf, gemäß der bereits vorhandenen Beziehung zu einem Feldteilnehmer den richtigen Ort für ein Treffen auszuwählen. Dabei spielt vor allem eine Rolle, wie gut sich die potentiellen Gesprächspartner schon kennen, und welche Orte der jeweilige Organisator eines Treffens für sich selbst und seinen Gegenüber bevorzugt. Die Wertigkeit politischer Orte entscheidet sich in der Folge danach, ob hier Interaktionen mit relevanten Akteuren außerhalb der eigenen Organisation stattfinden sollen oder nicht. Da viele Orte nicht für diese Art des Austauschs genutzt werden, werden bei diesen vor allem Kriterien des eigenen Gebrauchs angelegt: sind die Räume groß genug, gibt es Aufenthaltsbereiche und funktioniert die Klimaanlage zum Beispiel. Werden politische Orte für Interaktionsprozesse genutzt, so wird entsprechend der zu erwartenden Bedürfnisse des Gegenüber und der eigenen Zielsetzungen für das Gespräch ausgewählt. Hierbei ist der Aufbau des jeweiligen politischen Ortes ein wichtiges Kriterium. Dies möchte ich im nun folgenden Abschnitt behandeln. 7.4.4 Aufbau politischer Orte Der Aufbau politischer Orte ist nicht nur relevant für die Auswahl eines spezifischen Ortes durch einen Feldteilnehmer für eine bestimmte Art der Interaktion. Zusätzlich kann er aus der Außenperspektive auch hilfreich sein, die Intentionen seiner Konstrukteure zu verdeutlichen und zudem feldinterne Hierarchien sichtbar machen. Für alle in den letzten Kapiteln identifizierten feldspezifischen Be-

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deutungen, für die der Aufbau eines Ortes von Relevanz ist, möchte ich im folgenden kurz Beispiele vorstellen und versuchen zu erklären, wie sich diese Relevanz durch die Akteure produziert wird. Zu Anfang möchte ich nun ein besonderes Beispiel vorstellen, wie ich es am Madrider Kongress beobachten konnte und in der Folge in Gesprächen erklärt bekommen habe. Zwischen dem modernen Büroteil und dem historischen Plenargebäude gelegen, befindet sich hier ein kleiner Innenhof, der von den beiden Gebäuden flankiert, zu den umliegenden Straßen jedoch nur durch Zäune vom öffentlichen Raum rund um den Gebäudekomplex getrennt ist.

Abbildung 10: Innenhof des Kongresskomplexes in Madrid

Zu sehen ist auf der linken Seite einer der Bürobauten des Kongresses. Rechts angeschnitten ist das historische Kongressgebäude mit dem Plenarsaal. Verbunden sind beide Gebäude unter anderem durch eine Brücke im ersten Obergeschoss, welche im Hintergrund ebenfalls sichtbar ist. Der Innenhof ist über hohe Zäune und Wachposten vom öffentlichen Raum getrennt. Dieser kleine Innenhof erfüllt eine durchaus wichtige feldspezifische Bedeutung für die Kongressabgeordneten, wie ich bereits bei ersten Beobachtungen wahrgenommen und später in den Interviews bestätigt bekommen habe:

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„Ja, das hast du schon gesehen? Das ist wie Speed Dating. Die Sitzungen des Kongresses dauern manchmal bis spät abends oder sogar nachts. Da gehen die Leute zwischendurch in den Hof, um eine Zigarette zu rauchen. Und auch ohne Sitzung, die Raucher müssen ja alle paar Stunden gehen, richtig? Ich rauche gar nicht aber ich gehe trotzdem oft raus. Weißt du warum? Weil ich dort die Leute kennenlerne. Da stehst du dann plötzlich neben jemanden von der [Partei], mit dem würdest du sonst nicht reden. Und bei einer Zigarette tauscht man sich kurz aus. Da ist man dann natürlich auch nicht gleich der gleichen Meinung. Aber ich lerne die Person dann etwas besser kennen. Das funktioniert in Sitzungen natürlich nicht und wo soll so ein Kennenlernen denn sonst stattfinden?“ (Kongressabgeordneter)

Der Innenhof zwischen den beiden Gebäudeteilen des Kongresskomplexes wird von den Abgeordneten als eine Art Pausen- und Kommunikationszone genutzt. Dadurch dass er keine offizielle Funktion für das Feld erfüllt, wie die Büros im Neubauteil und der Plenarsaal im Altbau entsteht ein politischer Ort, welcher für den informellen Austausch und das bessere Kennenlernen der Akteure beste Voraussetzungen bietet. Seine Funktion unterscheidet sich dabei vor allem deshalb, weil die an diesem Ort vorherrschenden Regeln andere sind. So dienen die Büros der Abgeordneten als private Arbeitsräume dieser und sind zudem Repräsentationsflächen im Sinne der politischen Positionen oder der jeweiligen Parteizugehörigkeit ihrer Nutzer. Im Plenarsaal wiederum herrscht eine vergrößerte Öffentlichkeit, nicht nur wegen der Live-Übertragung der Sitzungen in das Internet und teilweise im Fernsehen, sondern auch weil hier Handlungen vollzogen werden, die in einem hohen Maß von bereits ausgehandelten Verhaltensregeln beeinflusst werden, die einen informellen Austausch erschweren: „Es gibt Dinge, die man im Plenum nicht macht. Ich gehe nicht zu Abgeordneten der Oppositionsparteien und unterhalte mich mit ihnen. Sowas kann man an anderen Orten tun.“ (Kongressabgeordneter)

Der Plenarsaal ist ein politischer Ort, der über ein umfangreiches Regelwerk verfügt, welches in den Regeln des Feldes verankert und von den Feldteilnehmer als Teil ihrer Habitus inkorporiert wird und so bei jeder Handlung zu einer Reproduktion dieser Regeln führt. Natürlich können sich die Regeln auch ändern, jeder Akteur kann sich dagegen entscheiden, sich ihrer entsprechend zu verhalten. Da aber der Plenarsaal das Zentrum des nationalen politischen Feldes darstellt, da hier die Produktion politischer Produkte in der Form von beschlossenen Gesetzesvorhaben auf höchster Ebene vonstattengeht, gibt es, wie vorangestelltes Zitat darstellt, eine große Bereitschaft den Regeln Folge zu leisten.

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Anders als die Büros der Abgeordneten und der Plenarsaal des Kongresses ist der besagte Innenhof also nicht mit feldspezifischen Regeln belegt. Zudem bewirkt die Möglichkeit hier zu rauchen, dass ein Ort entsteht, der ebenfalls mit der Funktion der Pause oder Unterbrechung belegt ist. Dies stärkt seinen Charakter als informeller Treffpunkt und bestimmt zudem mit, welche Arten von Gesprächen hier geführt werden können. Dies funktioniert, obwohl hier keinerlei Sitzmöglichkeiten vorhanden sind und auch ansonsten auf eine Möblierung des Platzes fast vollständig verzichtet wird. Allein der Aufbau des Kongressgebäudes und die Unterteilung in verschiedene Funktionen innerhalb des Komplexes, lässt hier die beschriebenen Interaktionen möglich werden. Der zweite Punkt, den ich nun aufgreifen möchte, betrifft die Intention bei der dauerhaften Konstruktion eines politischen Ortes. Ich möchte dies am Beispiel der Hotellobby des Westin Palace verdeutlichen, von dem ich zuvor bereits gesprochen habe: „ Das Westin Palace nimmt von außen betrachtet einen kompletten Gebäudeblock ein. Nördlich schließen auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Plaza de las Cortes das Museum Thyssen Mornemisza und etwas weiter der Altbau des Kongressgebäudes an. Westlich und südlich wird der Komplex von der Calle Duque de Medinaceli und der Calle de Cervantes umschlossen. Zu seiner schmalen Ostseite hin öffnet sich das Gebäude zum Paseo del Prado und dem Monument Fuente de Neptuno. Der verhältnismäßig dezente Haupteingang des Hauses liegt an der Ecke Plaza de las Cortes/Calle de Medinaceli direkt dem ältesten Teil des Kongresses zugewandt. Als ich das Gebäude betrete gelange ich in eine historische, aufwendig verzierte, langezogene erste Einganghalle. Links und rechts sind in die Wände großzügige Öffnungen eingelassen, in denen Rezeptionisten die Gäste empfangen und auch mich direkt grüßen. Ich komme mir entdeckt vor und frage, ob ich mir die Lobby anschauen könne. Ich darf und werde auf die Glaskuppel in der Hauptlobby aufmerksam gemacht, die ich mir doch anschauen solle. Außerdem gebe es einige Bars und zwei Restaurants, die von dort zugänglich wären und ausgezeichnete Drinks und Speisen anböten. Ich bedanke mich und schreite am Ende der Eingangshalle eine breite Treppe hinauf und durch einen Verbindungsgang direkt in die Hauptlobby. Das Zentrum des Raumes bildet eine riesige Glaskuppel aus kleinen teilweise eingefärbten halbdurchsichtigen Glasplatten. Die Kuppel wird von, den Raum aufteilenden, Säulen gehalten, welche diesen in einen Kuppelsaal und einen Rundgang um diesen herum teilen. Von hier aus gehen weitere Räume ab, teilweise scheinen sie aufgrund der weitgeöffneten großen Türen zur Lobby zu gehören, teilweise sind Türen jedoch auch geschlossen beziehungsweise deutlich kleiner und wirken dadurch von der restlichen Lobby separiert. Hier befinden sich einige der bereits angekündigten gastronomischen Angebote aber auch ein großer, reich verzierter Konferenzraum, der eher den Eindruck eines Ballsaals macht, sowie

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mehrere kleine Räume, die mit Besprechungstischen oder großzügigen Couches ausgestattet sind. Eben jene finden sich auch in der Lobby selbst, im Rundgang jeweils an den Säulen zum Kuppelsaal gruppiert, oft durch Möbelstücke oder Pflanzen sichtgeschützt. [...] Viele der Sitzecken werden genutzt, auch in den separierten Räumen rund um den Rundgang finden sich Gäste. Während im Kuppelsaal viele Touristen sitzen, wie sich unschwer an Kleidung und technischen Equipment sowie Stadtplänen erkennen lässt, finden sich in den äußeren, ruhigeren und geschützteren Bereichen der Lobby sowie in den umliegenden Räumen und den zwei Bars, auf die ich einen guten Blick werfen konnte, vor allem Männer mittleren Alters in Anzügen, die größtenteils zu zweit oder in kleinen Gruppen zusammensitzen oder -stehen.“

Durch den Aufbau des Lobbybereiches des Palace Hotels werden verschiedene Interaktionsformen begünstigt. Die massiven Sitzmöbel sind bequem und strahlen aufgrund ihrer Wertigkeit und ihres Stils bereits aus, dass hier zumindest eine exklusive Klientel verkehrt. Die Entfernung voneinander und Anordnung der Sitzgruppen erlaubt Diskretion. Die Anordnung von Raumteilern, aber auch der Grundriss der geräumigen Lobby an sich und der daran angeschlossenen Räume und Bereiche verstärkt dies dadurch, dass es nicht möglich erscheint, den gesamten Raum von einer Position aus komplett zu überblicken. Die privaten Besprechungsräume erlauben es zudem, dass hier auch Gespräche gänzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden können. Zwar ist das Palace kein exklusiver Ort des politischen Feldes, im Hotel kann jeder mit den finanziellen Möglichkeiten ein Zimmer buchen oder an der Bar einen Drink bestellen, auch wenn durch die Rezeptionisten am Eingang bereits eine gewisse Kontrolle des Publikums stattfinden mag. Jedoch bietet sich dieses Hotel besonders für das politische Feld an: Es liegt direkt gegenüber des Kongresses, erfüllt einen gehobenen Standard und bietet aufgrund seiner Größe eine Vielzahl an Möglichkeiten für die Bedürfnisse der Feldteilnehmer in ihren Interaktionsprozessen: „Sehr viele Parlamentarier treffen sich dort (im Palace Hotel) mit Unternehmensvertretern oder Lobbyisten. Die haben dort im Erdgeschoss und auch weiter oben eine Menge separater Räume. Darüber gab es auch schon eine Menge Zeitungsartikel, das Hotel hat einen Ruf als politischer Ort.“ (Universitätsprofessor)

Es zeigt sich, dass der Aufbau der Hotellobby von den Feldteilnehmern durchaus als für die Bedürfnisse des Feldes geeignet wahrgenommen wird. Zwar lässt sich nicht schlussfolgern, inwieweit die Teilnehmer des politischen Feldes tatsächlich Zielgruppe der Hotelerbauer und -betreiber sind und waren, jedoch lässt sich doch mutmaßen, dass sie durch den Aufbau und die spezifische Einrichtung ihrer

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Lobby spezifische Zielgruppen anzusprechen versuchen und dies für den Fall des nationalen politischen Feldes auch gelingt. Ein weiteres Beispiel für die Intentionen, die bei der Konstruktion politischer Orte zum Tragen kommen können, ist die Vermittlung von Hierarchien. Die Einrichtung eines Büros oder Besprechungsraumes oder die schlichte Größe eines Raumes können hier einen Eindruck darüber vermitteln, welche Position ein spezifischer Akteur innerhalb des politischen Feldes innehat oder auch einfach nur gerne innehaben würde. Der Aufbau und die Einrichtung politischer Orte spiegeln damit auch das Selbstverständnis und den eigenen Blick des Feldteilnehmers auf das Feld wieder. Ich möchte in der Folge zwei Orte anhand meiner Beobachtungsprotokolle näher vorstellen, die allgemeiner bereits an anderer Stelle Thema waren: „Ich fahre mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Es öffnet sich ein langgezogener, breiter Flur. Hier stehen, recht willkürlich platziert, Arbeitsplätze zwischen Türen, die in Arbeitsräume zu führen scheinen. Ein Mann steht von einem der Schreibtische auf und kommt auf mich zu. Er stellt sich als Assistent von (Name des Abgeordneten) vor und bringt mich zu dessen Büro. Dieses liegt etwa in der Mitte des Ganges. Der Raum ist nicht besonders groß, maximal 16 m². Es gibt eine Bücherwand, die bis auf den letzten Platz gefüllt ist, größtenteils mit Ordnern. Einen großen Schreibtisch, auf dem auf mehreren Stapeln Unterlagen gelagert werden und einen kleinen Besprechungstisch mit vier Stühlen. Alles mach auf mich einen sehr funktionalen und platzsparenden Eindruck. Für mehr Möbel oder Dekorationen wäre auch kaum Platz. Es gibt außerdem keine Bilder an den Wänden, nur einen großflächigen Kalender auf dem viele Termine in unterschiedlichen Farben eingetragen sind.“ (Beobachtungsprotokoll zum Gespräch mit einem Kongressabgeordneten)

Das Büro dieses Abgeordneten zeichnet sich durch seine Funktionalität aus. Seine Größe orientiert sich an derer anderer Abgeordnetenbüros in die ich eingeladen werde. Sie sind recht klein und die Mitarbeiter arbeiten auf den großen Fluren. Die Einrichtung des Raumes ist funktional, es gibt viel Platz für Akten und Bücher sowie einen großen Schreibtisch und einen kleinen Besprechungsbereich. Nichts in diesem Raum weist auf eine besondere Bedeutung seines Nutzers als einem von 350 Kongressabgeordneten Spaniens hin. Entsprechend der Aussagen des Gesprächspartners versteht sich dieser selbst nun auch nicht als Teil einer Elite, sondern lediglich als Repräsentant seiner Wähler: „Die Büros sehen hier fast alle gleich aus. Und ich finde das auch richtig. Wir werden von den Steuergeldern unserer Wähler finanziert und dann wäre es falsch, hier nur Luxus zu

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haben. Da setzt ein kleines Büro so wie dieses ein gutes Zeichen. Nun und du siehst: genug Platz gibt es eigentlich auch.“ (Kongressabgeordneter)

Der beschriebene Raum erfüllt die Ansprüche, die der Feldteilnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit an sein Büro stellt. Es soll keine Repräsentationsfläche spezifischer Hierarchien entstehen, sondern lediglich ein nüchterner Arbeitsort, welcher seinen Zweck erfüllt. Ebenfalls ein Beispiel für das Fehlen spezifischer Hierarchien ist mein Gespräch im Circulo de Bellas Artes. Dieser Ort erscheint mir zunächst als ein absolut unpolitischer, vor allem aufgrund seines Aufbaus:

„Der Circulo de Bellas Artes ist sicherlich kein ruhiger Ort. Das Café, unser verabredeter Treffpunkt, hat einen Gästeraum innenliegend. Hier ist etwas Platz für 100 Gäste, Tische stehen eng beieinander, die Akustik ist für meinen Plan, das Gespräch aufzuzeichnen katastrophal. Es ist wahnsinnig laut. Es hängen überall Bilder an den Wänden, die meisten sind alte und neue Werbeplakate für Theater und Filme, die Möblierung ist allgemein als rustikal zu bezeichnen. Es ist voll, kaum ein Platz ist frei. Vor dem Café gibt es eine Terrasse, sie wird von halbhohen Trennwänden vom Bürgersteig der vielbefahrenen Calle de Alcalá abgetrennt. Hier stehen die für mich typischen Madrider Stahl-Barstühle und -tische in zwei Reihen eng aufgestellt. Auch hier ist fast jeder Platz besetzt. Das Publikum bunt gemischt. [...]“ (Beobachtungsprotokoll zum Gespräch mit einem Lobbyisten)

Der Circulo de Bellas Artes ist definitiv kein Ort, welcher exklusiv durch das nationale politische Feld genutzt wird. Hierher kommen Touristen aber vor allem Einheimische, die einen Kaffee trinken, sich über die Ausstellungen und Aufführen im Haus informieren oder Freunde treffen, so scheint es. Der Aufbau des Ortes trägt hierzu maßgeblich bei. Die Tische stehen eng, die Akustik innen wie außen nötigt, laut zu sprechen, es ist eine lebendige Atmosphäre. Ein diskretes Gespräch ist hier nicht möglich. Es ist rustikal und bunt, bequeme Ledersessel werden hier vergeblich gesucht. Dies wissen die Feldteilnehmer. Sie treffen sich hier, wenn es um Informelles geht, wenn es nicht um Diskretion geht. Sie treffen sich hier aber auch, wenn es nicht darum geht, zu repräsentieren, die Macht der eigenen Funktion zu demonstrieren: „In den Circulo gehe ich nicht, wenn ich ein vertrauliches Gespräch führen möchte. Dafür ist es dort viel zu laut und jeder kann auch mithören, was gesagt wird. In den Circulo lade ich gerne Leute ein, die ich kennenlernen möchte. Ganz ohne Agenda.“ (Kongressabgeordneter)

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Der Circulo de Bellas Artes ist, wie das beschriebene Büro des Abgeordneten, ein Ort, welcher nicht der Vermittlung von Hierarchien dient. Die Akteure treffen sich dort, wenn andere Aspekte der Interaktion im Vordergrund stehen sollen. Möglich ist zum Beispiel, dass sie sich durch die Vermeidung der Betonung ihrer eigenen Bedeutung für das Feld erhoffen, eine offenere oder vertrauensvolle Interaktion mit ihrem Gegenüber zu erzeugen. Möglich ist aber auch, dass das Selbstverständnis der Akteure, wie im Fall des Abgeordneten zuvor, eine Betonung der eigenen Bedeutung durch die Investition in die Konstruktion repräsentativer politischer Orte falsch erscheinen lässt.

7.5 WIRKUNG POLITISCHER ORTE Ich habe in den vorangegangenen Kapiteln den Aufbau und die Funktionsweise des sozialen Raums des nationalen politischen Feldes in Madrid untersucht, zudem die Produktions- und Konstruktionsprozesse politischer Orte, die sozialräumlichen Qualitäten dieser sowie ihre Anordnung und ihren Aufbau. Im nun folgenden Abschnitt möchte ich den Fokus erneut auf die Feldteilnehmer und den Sozialraum lenken. Bereits zuvor konnte ich aufzeigen, inwieweit die Akteure sich räumliche Muster gezielt zunutze machen, um ihre eigene Position im hierarchisch organisierten Feld zu verbessern. Welche Mechanismen hier konkret wirken und welche Auswirkungen dies auf den einzelnen und das politische Feld hat, möchte ich nun noch einmal systematisch ausführen. Ich werde hierzu, analog zu der Berlin-Fallstudie erneut vor allem die Kapitalsorten Ruf und Kompetenz und ihre Bedeutung innerhalb des Feldes thematisieren, danach die potentielle Bedeutung eines politischen Ortes für die Positionierung seines Nutzers beleuchten und abschließend auf konkrete Veränderungen innerhalb des sozialen Feldes aufgrund physisch-räumlicher Effekte zusprechen kommen. 7.5.1 Vertrauen und Intimität durch räumliche Nähe Bereits in den vorangegangenen Abschnitten konnte ich aufzeigen, dass die Feldteilnehmer durch die Nutzung spezifischer politischer Orte versuchen, Intimität und Vertrauen in ihren Beziehungen zu anderen Akteuren des nationalen politischen Feldes herzustellen. Als Beispiele habe ich an verschiedenen Stellen verwiesen auf Orte wie Tapas-Bars, den Circulo de Bellas Artes und den Raucher-Innenhof zwischen zwei der Kongressgebäude. Offen geblieben ist bisher die Antwort auf die Frage, welchen Einfluss Vertrauen und Intimität, wie sie an

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diesen Orten erzeugt werden, tatsächlich auf die sozialräumliche Struktur des Feldes haben können: „Nun, das ist doch klar. Wenn ich mit jemandem gut zurechtkomme und wir uns vertrauen, arbeiten wir auch besser miteinander. Oft braucht man ja viel Zeit, wenn man wirklich etwas bewegen will. Und dazu muss man seinen Partnern auch vertrauen können. Deshalb sind solche informellen Treffen auch so wichtig. Wenn die Chemie nicht stimmt, dann funktioniert so etwas nicht.“ (Kongressabgeordneter)

Der Erfolg innerhalb des politischen Feldes ist eng damit verbunden, über die möglichst dauerhafte Interaktion mit anderen Feldteilnehmern gemeinsam Projekte zu realisieren, welche die eigene Position im politischen Feld stärken. Hierfür erscheint zunächst einmal nicht das Kapital der feldspezifischen Kompetenz ausschlaggebend zu sein, sondern vor allem der Ruf des Feldteilnehmers, ein verlässlicher dauerhafter Partner zu sein. Trifft dies zu, ist es für ihn möglich, einfach Netzwerke zu bilden, welche ihm einen Vorteil bei der Produktion politischer Produkte verschaffen. Politische Orte, welche die Entstehung von Vertrauen durch Intimität befördern, sind somit für die Verbesserung des Kapitals Ruf und die Entwicklung der eigenen Feldposition ein Wettbewerbsvorteil, wenn sie die Akteure richtig zu nutzen wissen. Aber nicht nur die Kongressabgeordneten bewerten die Informalität und vertrauliche Atmosphäre spezifischer Orte als ein wichtiges Moment für die Arbeit an den eigenen Beziehungen zu anderen Feldteilnehmern: „Ich habe natürlich selbst ein großes Interesse daran, dass ich Informationen bekommen, die meine Kollegen nicht haben. Davon leben Journalisten auch. Aber damit ich diese Informationen bekomme, muss ich dieses Vertrauen aufbauen zu meinen Informanten. Und die Abgeordneten möchten ja auch Diskretion. Da ist es also wichtig, dass man sich am richtigen Ort trifft, damit sowas funktioniert. Sonst gehen die gleich wieder“ (Journalist)

Auch für diesen Journalisten sind die Eigenschaften Diskretion und Vertrautheit von entscheidender Bedeutung für seinen Erfolg innerhalb des politischen Feldes. In der Konsequenz stellt er fest, dass eine wichtige Voraussetzung ist, den richtigen politischen Ort zu finden, an dem die Produktion dieser beiden Attribute durch den Aufbau und die Qualität eben jenes Ortes gefördert werden. Seine Position innerhalb des Feldes wird bestimmt durch die Menge und Qualität der Informationen, welche er durch die anderen Feldteilnehmer erhält. Bekommt er diese nicht, kann dies für ihn zu einem Abstieg innerhalb der Hierarchien führen, seine Position verschlechtert sich.

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Dies kann einerseits geschehen, indem es der Akteur nicht schafft, einen guten Ruf aufzubauen und Diskretion sicher zu stellen, es kann aber auch die Konsequenz anderen fehlerhaften Verhaltens sein und in der Folge noch eindeutigere Sanktionen nach sich ziehen: „Ich wurde auch schon von Leuten in Hotel-Lobbys eingeladen, natürlich. Aber dann sage ich meist direkt nein und diese Leute möchte ich dann auch gar nicht treffen. Ich habe ja nichts zu verheimlichen.“ (Kongressabgeordneter)

Die Feldteilnehmer haben verschiedene Vorstellungen davon, welcher politische Ort für welche Form der Interaktion geeignet ist. Hierbei ist das Thema der Unterhaltung, aber auch die Beziehung der Akteure zueinander von Bedeutung. Anzunehmen ist, dass eben jene, die diesen Abgeordneten zu einem Treffen in einer Hotel-Lobby einladen, dies in der Erwartung tun, damit den passenden Ort für die Situation gefunden zu haben. Dass dies nun nicht der Fall ist, spiegelt wieder, dass ihnen Informationen über die Präferenzen des Feldteilnehmers fehlen. Dies kann in der Folge dazu führen, dass potentielle Kontakte nicht mehr zugänglich sind, wie in dem Zitat bereits deutlich wird. Es zeigt sich, dass politische Orte für die Feldteilnehmer mit individuell unterschiedlichen Bedeutungen versehen sind. Es bedarf einer korrekten Einschätzung der jeweiligen Vorlieben des gewünschten Interaktionspartners, um für diesen den geeigneten Ort auszuwählen. Dass dies nicht bloß eine bedeutungslose Lappalie ist, konnte anhand der vorangegangen Beispiele gezeigt werden. So können Orte durch die Erzeugung von Intimität und Vertrauen beispielsweise zu einer besseren Beziehung von Akteuren beitragen und so zu einer Vermehrung des individuellen Kapitals führen. Zudem kann auch die Kompetenz gezeigt werden, Orte entsprechend der gewünschten Inhalte auszuwählen. Es können aber auch spezifische Nachteile entstehen, sollte ein Feldteilnehmer nicht über das nötige Wissen verfügen, welcher Ort für eine spezifische Interaktion angemessen ist. 7.5.2 Repräsentation und Wertschätzung durch die Investition in den politischen Ort Bereits im Kapitel zu den Themen Aufbau und Anordnung politischer Orte in Madrid konnte gezeigt werden, dass Konzepte wie Repräsentativität und Exklusivität für die Feldteilnehmer in Madrid eine untergeordnete Rolle spielen. In der Folge sind politische Orte, die von den Feldteilnehmern selbst konstruiert werden, vor allem als Arbeitsorte konzipiert, weniger als Interaktionsorte über die

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Grenzen der Teilgruppen des nationalen politischen Feldes in Madrid hinaus. Ihre Qualität bemessen die Gesprächspartner entsprechend der Aufteilung und Größe der zur Verfügung stehenden Flächen und ihrer Ausstattung gemäß den Aufgaben, deren Erledigung vor Ort von ihnen erwartet wird. Einen gewissen Anspruch an Repräsentation und Exklusivität erfüllen im Gegensatz hierzu andere Orte, die für das Feld ebenfalls eine große Relevanz haben. In den vorangegangenen Abschnitten konnte gezeigt werden, dass neben dem Kongresskomplex als Treffpunkt der Akteure auch öffentliche Orte rund um das Gebäude hierzu in Frage kommen. Dies wird vor allem mit dem Argument der fußläufigen Nähe und damit der bequemeren Erreichbarkeit für die Abgeordneten begründet. Die Verschiedenartigkeit dieser politischen Orte habe ich bereits behandelt, deutlich soll an dieser jedoch Stelle werden, dass die Nähe zum Kongress natürlich zu einer Verknappung der potentiell möglichen Orte führt, was wiederum deren Exklusivität erhöht: „Ja natürlich. Je näher das von hier ist desto besser. Wir kennen ja auch alle Bars und Restaurants drum herum eigentlich, da weiß ich schon ganz genau, wen ich wohin einladen würde. Und die Abgeordneten freuen sich doch auch, wenn man mit ihnen in ein gutes Restaurant geht. Einmal habe ich einen Abgeordneten, von der PP war der, eingeladen. Wir sind dann in ein Restaurant in der Calle de Prado gegangen, an den Namen erinnere ich mich nicht mehr. Der hat sich sehr gefreut, das war sein Lieblingsrestaurant.“ (Journalist)

Die Feldteilnehmer können ihre Wertschätzung anderen Akteuren gegenüber durch die geschickte Auswahl politischer Orte für ihre Interaktionen ausdrücken. Hierzu ist es erneut von Vorteil, den Geschmack des Gegenübers zu kennen. Die nicht unbegrenzte Auswahl potentieller Treffpunkte im Umkreis des Kongressgebäudes vereinfacht diese Auswahl auf der einen Seite durch die Begrenzung auf eine bestimmte Anzahl, gleichzeitig ist es aber nicht zwingend einfach, aus dieser begrenzten Auswahl auch eben den Ort auszuwählen, der für den Anlass ideal passt und so zu den im vorangegangenen Abschnitt besprochenen Vorteilen führen kann. Insgesamt wird die Repräsentativität in vielen Fällen allerdings auch entsprechend der Ausstattung spezifischer Orte festgelegt. Die luxuriöse Hotellobby oder ein teures Restaurant mit schicker Einrichtung sind hier Beispiele. Diese stehen Orten, wie dem kleinen Abgeordnetenbüro oder dem Circulo de Bellas Artes gegenüber, welche keinen Anspruch auf eine gehobene Repräsentativität erheben.

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7.5.3 Einfluss politischer Orte auf den Aufbau und die Dynamik des Feldes Die Effekte, die auf die Interaktionsprozesse der Feldteilnehmer aufgrund spezifischer Merkmale politischer Orte sowie ihrer Wahrnehmung einwirken, habe ich in den beiden vorangegangenen Abschnitten beschrieben. Abschließend möchte ich nun jedoch auch die Wahrnehmung der Feldteilnehmer bezüglich der Bedeutung dieser vorstellen und so die Frage beantworten, welchen Einfluss die Akteure politischen Orten in Bezug auf ihre individuellen Positionen innerhalb des Feldes und die Gestaltung der Regeln des Feldes zuschreiben. Ich möchte hierzu ein zweites Mal auf ein Zitat zurückkommen. Dieses diente mir bereits, um die Interaktionsvorgänge bei der Produktion politischer Orte zu illustrieren:

„Du kennst ja die Tapasbars hier. Man isst ein paar Tapas, trinkt ein Bier und geht vielleicht noch in eine zweite oder dritte. Dabei lernt man sich kennen und kann auch ein wenig Privates austauschen. So im Büro kommt man zu solchen Gesprächen ja nicht und lernt die Leute auch nicht wirklich kennen. Und oft bringt deine Verabredung noch jemanden mit, den du vielleicht noch gar nicht kanntest und so lernst du dann sogar noch neue Leute kennen, die dann, Überraschung, vielleicht sogar in einem für deine Arbeit interessanten Bereich arbeiten.“ (Kongressabgeordneter)

Beziehungen definieren den Aufbau des Feldes. Wie bereits oft erwähnt ist dieses hierarchisch organisiert, über die Interaktion der Feldteilnehmer miteinander können diese Hierarchien neu verhandelt werden. Sind spezifische Orte nun entsprechend aufgebaut und ausgestattet, um auch die sozialräumlichen Qualitätsansprüche, welche die Akteure individuell für sich selbst formulieren, zu erfüllen, dann können sie die Interaktionen beeinflussen. Intimität, Vertrauen und Wertschätzung können Konsequenzen eines spezifischen räumlichen Settings sein. Das vorangegangene Zitat verdeutlicht nun, welche Konsequenzen der Besuch politischer Orte für die Feldteilnehmer haben kann. Nicht nur finden hier fest verabredete Treffen statt. Politische Orte können auch Möglichkeiten eröffnen, Netzwerke zu erweitern und neue Kontakte zu knüpfen, die abseits der konkreten Aufgabenstellungen stehen. Damit können politische Orte mit ihren spezifischen Eigenschaften auch unintendierte und trotzdem positive Effekte haben: „Natürlich macht es auch Sinn, wenn man sich an solchen Orten sehen lässt und auch selber sieht, was dort passiert. Am besten wäre es natürlich für uns, wenn wir direkt mit auf dem Flur im Kongressgebäude sitzen würden. Das kennst du schon, richtig? [...] Da laufen

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dir alle wichtigen Leute ständig über den Weg und du bekommst alle wichtigen Entscheidungen schon mit, bevor sie offiziell verkündet werden.“ (Journalist)

Die Zugänglichkeit politischer Orte ist nicht für alle Akteure immer gleichermaßen gegeben. Der Kongress ist beispielsweise für Journalisten wie auch Lobbyisten sicher ein besonders attraktiver politischer Ort, jedoch ist gerade hier der längerfristige Aufenthalt aufgrund der dort vorherrschenden Regeln nicht realisierbar. Die Feldteilnehmer wissen jedoch, dass dieser Ort für ihre eigene Position im Feld besonders wichtig ist und versuchen so, hier besonders viel Präsenz zu zeigen. Doch politische Orte können auch einen gegenteiligen Einfluss auf das Feld und die einzelnen Akteure haben:

„Man kann es sich mit Leuten auch verscherzen. Und wenn man es sich mit den falschen Leuten verscherzt… Ich kenne zum Beispiel einen Kollegen, der arbeitet für die El Mundo, der hat mal einen Artikel geschrieben über, gut, über die persönliche Bereicherung von einem Abgeordneten. Der hat mir danach erzählt, dass er danach keinen Besucherausweis mehr für den Kongress bekommen hat. Das macht die Arbeit natürlich viel schwerer.“ (Journalist)

Der Ausschluss aus politischen Orten kann für die Akteure ebenfalls Folgen haben. Es kann, wie in dem Beispiel beschrieben, schwieriger für sie werden, mit anderen Feldteilnehmern in Kontakt zu kommen. Der Journalist kommt beispielsweise schwerer an die für ihn relevanten Informationen. Gleichzeit verschließen sich für ihn die potentiellen Möglichkeiten, die mit der Anwesenheit an dem politischen Ort Kongress einhergehen: zufällige Begegnungen, das Aufschnappen von Informationen. Für den Akteur kann so ein Raumausschluss zu ganz konkreten Nachteilen bezüglich seiner eigenen Position im nationalen politischen Feld führen. Gleichzeit generiert der Kongress als Ort mit spezifischen Zugangsrestriktionen auch Regeln, welche Teil der feldspezifischen Regeln werden und so Anteil daran haben, wie das politische Kapital verteilt wird: nämlich an jene, welche häufigen oder uneingeschränkten Zugang zu diesem politischen Ort haben.

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7.6 ZWISCHENFAZIT: DIE POLITISCHE STADT MADRID Im ersten Kapitel dieser Fallstudie habe ich die für die Arbeit relevanten Aspekte des sozialen Raums des nationalen politischen Feldes von Madrid beschrieben. Dabei ging es mir zunächst um den Aufbau des Feldes, dann um den Prozess der Interaktion zwischen den Feldteilnehmern und im letzten Teil um die für die weitere Arbeit relevanten Funktionsweisen. Zunächst wurde der Aufbau des Feldes betrachtet. Als wichtigste Akteursgruppen innerhalb des Feldes wurden drei Teil-Gruppen identifiziert, die Kongressabgeordneten als einflussreichster Teil der Gruppe Politik, die Lobbyisten und die Journalisten. Es konnte im weiteren Verlauf gezeigt werden, dass das Feld von den Akteuren als hierarchisch beschrieben wird und es zudem Akteure gibt, die mit mehr oder weniger politischem Kapital ausgestattet sind. Dies spiegelt sich in der Folge auch in der Zentralität dieser Akteure für andere Feldteilnehmer wieder. Ist ein Akteur besonders relevant, ist er besonders nah am Zentrum der politischen Macht zu verorten. Die Feldteilnehmer sind sich dieser vorhandenen Hierarchien bewusst und bewerten die Akteure in ihren Netzwerken dementsprechend. Dabei wird versucht, für sich selbst möglichst nützliche Netzwerke aufzubauen und zu pflegen. Der zweite Teil dieses Kapitels widmete sich der Interaktion mit anderen Akteuren. Es konnte festgestellt werden, dass diese Tätigkeit für die Feldteilnehmer von großer Bedeutung für das erfolgreiche Agieren im Feld ist. Die Interaktion lässt sich zudem in inhaltliche Arbeit an konkreten Projekten zur Generierung politischer Produkte wie Gesetzen und der Netzwerktätigkeit unterscheiden. Letztere wiederum ist für alle Akteursgruppen von besonderer Wichtigkeit, um die eigene Position im Feld zu verbessern und nicht zuletzt auch die inhaltliche Arbeit durch Kooperation mit anderen voranzutreiben. Zuletzt bin ich der Frage nachgegangen, welche Funktionsweisen das nationale politische Feld in Madrid produzieren und unter Umständen auch Veränderungen herbeiführen können. Es konnten politische Kapitalien identifiziert werden, die für die Feldteilnehmer von Bedeutung sind, nämlich einerseits die fachliche Kompetenz und anderseits der erworbene Ruf. Hieraus resultieren weitere Kategorien, die herausgegriffen wurden, wie das Prinzip der Seniorität und die Bedeutung von Vertrauen für die Etablierung von stabilen Beziehungen in den Netzwerken der Akteure. Neben diesen Kriterien zur erfolgreichen Feldteilnahme wurden außerdem Mechanismen aufgezeigt, die sich negativ auf die Position des einzelnen auswirken können. Überheblichkeit und Egoismus können so, sobald sie sich als Eigenschaften eines Akteurs herumsprechen, zu einer Schwächung der eigenen Position im Feld und im schlimmsten Fall auch zum Ausschluss aus diesem führen.

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Anschließend an die Ausführungen zum sozialen Raum des Feldes in Madrid habe zunächst die Voraussetzungen für die Produktion politischer Orte vorgestellt. Dabei bin ich einerseits auf die Ortgebundenheit spezifischer feldrelevanter Tätigkeiten der Akteure eingegangen, anderseits konnte ich zeigen, dass analog zu den Funktionsweisen des Sozialraumes auch für die Produktionsprozesse politischer Orte die Interaktion der Feldteilnehmer die zweite zentrale Voraussetzung ist. Zusätzlich zu den Bedingungen der sozialen Produktion habe ich zudem den Vorschlag des Konzeptes der Konstruktion bleibender politischer Orte gemacht. Diese behalten eine spezifische Bedeutung für die Akteure des politischen Feldes. Dabei können sie einmal in Form von physisch-räumlichen Konstruktionsprozessen auftreten (dem Bau eines Gebäudes) oder durch die Belegung eines bereits bestehenden Raumausschnitts mit einer spezifischen bleibenden Bedeutung für das nationale politische Feld. Diese Bedeutung hat einen konkreten Einfluss auf die Interaktion der Feldteilnehmer an einem Ort, ohne dabei zwingend die gleiche Bedeutung für jeden einzelnen haben zu müssen. Auch konstruierte politische Orte können dabei nur im Vorgang der sozialen Produktion hervorgebracht werden, ihre Bedeutung ist jedoch über die Regeln des Feldes in den Habitus der Feldteilnehmer inkorporiert. Die Qualität politischer Orte für die Interaktionen der Feldteilnehmer in Madrid lässt sich anhand verschiedener Kriterien feststellen. Hierzu muss zunächst einmal festgestellt werden, dass es politische und nicht-politische Orte gibt. Beide spielen für die Feldteilnehmer im Rahmen ihrer Funktion im nationalen politischen Feld Madrids eine Rolle. Erstere als zentraler Ort der Interaktionen, letztere als Gegenpol zu diesen, als Orte des Abstands zum Alltag innerhalb des Feldes. Die Akteure verbinden mit diesem Typus zudem den Übergang ins Private, also das Verlassen der Arbeitsstelle, weniger aber eines spezifischen Teils der Stadt. In einem zweiten Schritt habe ich die Dauerhaftigkeit politischer Orte untersucht. Dabei habe ich die Unterschiede von Produktions- und Konstruktionsprozessen beleuchtet, wie sie von den Akteuren in ihrer Alltagspraxis vollzogen werden. Es konnte gezeigt werden, dass bei beiden Formen der Herstellung politischer Orte die Regeln und Dynamiken des politischen Feldes ausschlaggebend sind, um die Handlungsmotivation der Feldteilnehmer zu erklären. Im darauf folgenden Abschnitt habe ich die verschiedenen Nutzungsarten politischer Orte vorgestellt und damit einhergehend ihre Bedeutung für die Produktion politischer Orte. Es wurde deutlich, dass auch private Orte nicht zwingend nicht-politische Orte sein müssen, was den Aussagen vieler Feldteilnehmer an anderen Stellen wiederspricht. Außerdem konnte ich zeigen, dass die ver-

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schiedenen Nutzungsformen dazu führen, dass politische Orte unterschiedliche Zwecke erfüllen. So kann ein politischer Ort dem inhaltlichen Austausch genauso dienen wie ein anderer vor allem für die Stärkung des persönlichen Kontaktes und den Aufbau von Vertrauen genutzt werden kann. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wurde mit der Wirkung politischer Orte untersucht, wie die Akteure mit den Qualitäten ebendieser umgehen und inwieweit sie diese selbst bewusst produzieren. Es konnte gezeigt werden, dass es durchaus ein Bewusstsein für die Exklusivität politischer Orte und mögliche Gewinne für die Akteure, die aus dieser entstehen, gibt. Politisches Kapital wird hier eingesetzt, um an den richtigen Orten mit den individuell wichtigsten Akteuren in Kontakt zu kommen, stets mit dem Ziel, das eingesetzte Kapital zu vermehren. Im vierten Kapitel habe ich den physischen Aufbau politischer Orte in der Hauptstadt Madrid untersucht und dabei zunächst festgestellt, in welchem Verhältnis diese Orte innerhalb der Stadt zueinander stehen. Ich konnte aufzeigen, dass es in Madrid keinen klar abgrenzbaren Teil der Stadt gibt, welcher vom Feld als für ihre Tätigkeit zentral wahrgenommen wird. Vielmehr konnten einige Orte in der Stadt benannt werden, die für die Feldteilnehmer von überdurchschnittlicher Bedeutung sind. Abseits dieser Orte, von denen dem Kongressgebäude und seinem Umfeld eine übergeordnete Bedeutung zukommt, konnte jedoch aufgezeigt werden, dass sich die entscheidenden politischen Orte über das gesamte Zentrum der Stadt verteilen und dieses Zentrum als multifunktional wahrgenommen wird. Das Entstehen eines politischen Teils der Stadt wird somit nicht möglich. Aus dieser Feststellung heraus war es besonders interessant zu fragen, welche Bedeutung in dieser Stadt verstreuter politischer Orte die Lage beziehungsweise Nähe und Entfernung haben. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Akteure dieses Thema als nicht von großer Bedeutung bewerten. Da es außerhalb des zentralen Bereichs um den Kongresskomplexes keine weiteren relevanten Orte der Interaktion zu geben scheint, die für die Interaktion über die Grenzen der eigenen Organisation beziehungsweise der eigenen Teilgruppe des Feldes hinaus relevant sind, wird die Lage des eigenen Büros von den Journalisten und Lobbyisten als weniger wichtig wahrgenommen. Mit der Nutzung der eigenen Büroräume, insbesondere für die interaktionsunabhängige Arbeit der Akteure, geht zudem einher, dass die Wertigkeit eines politischen Ortes weniger im Verhältnis zu anderen Orten wahrgenommen wird und mehr gemäß der eigenen Arbeitsbedingungen vor Ort. Eine Ausnahme stellen hierbei die Treffpunkte der Feldteilnehmer rund um das Kongressgebäude

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dar. Hier werden Aspekte wie die fußläufige Nähe und das Angebot mit berücksichtigt. Ebenfalls von Bedeutung für die Entscheidung zum Besuch eines politischen Ortes ist dabei der Aufbau beziehungsweise die Gestaltung von eben diesem. Es konnte an mehreren Beispielen gezeigt werden, wie der Aufbau und die Ausstattung eines Ortes verschiedene Formen der Interaktion leichter oder schwerer möglich machen. Außerdem habe ich deutlich gemacht, dass die Feldteilnehmer auch ganz bewusst Orte auswählen oder selbst produzieren und konstruieren können, um dadurch die eigenen Ziele in der Interaktion mit anderen Akteuren besser erreichen zu können. Für die Akteure des politischen Feldes ist der Aufenthalt an politischen Orten mit spezifischen Vorteilen verknüpft. Im Fall des nationalen politischen Feldes von Madrid werden diese vor allem mit der Entstehung von Intimität und Vertrauen in Verbindung gebracht, welche zu einer Verbesserung individueller Beziehungen beitragen können. Weniger Bedeutung erhält hingegen die Bedeutung repräsentativer Orte und die damit verbundene Wertschätzung, die Akteuren so zum Ausdruck gebracht wird. Statt nobler Veranstaltungsräumlichkeiten legen die Akteure Wert auf die Auswahl geeigneter Restaurants, Bars oder anderer Orte, die von Dritten bewirtschaftet werden. Die Auswahl geeigneter Orte, so konnte gezeigt werden, unterstützt die Feldteilnehmer in ihrem Bestreben, die Beziehungen innerhalb ihrer Netzwerke zu verbessern und in der Folge auch die eigene Position innerhalb der feldinternen Hierarchien zu erhalten oder ebenfalls zu verbessern. Die Präsenz an einem Ort kann so, so wurde abschießend noch einmal exemplarisch belegt, durchaus direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des politischen Feldes haben, auch im negativen Sinne, beispielsweise durch Raumausschlüsse. Dabei ist jeder Akteur individuell betroffen, wodurch die von allen befragten Gesprächsteilnehmern bestätigte Relevanz des richtigen Ortes für den richtigen Anlass sowie die Notwenigkeit der Kenntnis über die richtigen Verhaltensweisen an eben jenen Orten, erklärt werden kann.

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Die politischen Städte Berlin und Madrid im Vergleich

In diesem Kapitel werde ich den Versuch unternehmen, die Erkenntnisse aus den beiden Fallstudien einander gegenüberzustellen. Dabei sollen Ähnlichkeiten oder komplette Übereinstimmungen beider Fälle ebenso zur Sprache gebracht werden wie Unterschiede. Aus diesem Vergleich heraus werde ich zudem Erklärungsversuche für die Eigenschaften der nationalen politischen Felder, ihrer Produktion und Konstruktion politischer Orte sowie zum Verhältnis von Feld und Raum unternehmen. Zur Strukturierung des Vergleichs werde ich mich zum einen auf die bereits in den einzelnen Fallstudien zur Anwendung gebrachten zentralen fünf Arbeitsthesen stützen. Diese beinhalten die Analyse des sozialen Raums, der Produktions- und Konstruktionsprozesse politischer Orte, deren sozialräumliche und physisch-räumliche Qualitäten sowie die Wirkung politischer Orte auf die Feldteilnehmer. Ich stelle diesen fünf zentralen Vergleichsdimensionen zwei zusätzliche Kategorien beiseite, welche sich bereits in der Arbeit mit den Fallstudien andeuteten und sich im Laufe des nun folgenden Vergleichs der fünf genannten Unterkapitel noch expliziter als mögliche Erklärungsansätze herausgestellt haben.

8.1 VERGLEICH VORHANDENER KATEGORIEN In den beiden vorangegangenen Fallstudien habe ich mich bei der Bearbeitung der zentralen Fragestellung dieser Arbeit nach dem Verhältnis nationaler politischer Felder zum physischen Raum und seiner sozialen Produktion beziehungsweise zu politischen Orten in der Struktur an die Abarbeitung der fünf zentralen Arbeitsthesen gehalten. Diese waren wiederum das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den verschiedenen theoretischen Zugängen der Arbeit. Nun sollen diese, der besseren Vergleichbarkeit und kontinuierlichen Weiterentwicklung

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meiner Argumente halber, auch die Grundlage dieses Kapitels bilden. Anders als in den vorangegangenen Fallstudien werde ich aber auf eine erneute Unterteilung in Unterpunkte innerhalb der Kapitel verzichten und stattdessen versuchen, die Argumente aus den einzelnen Fallstudien konzentrierter zu bündeln. Dadurch erhoffe ich mir, im Vergleich besonders interessanten Phänomenen und den daraus resultierenden Rückschlüssen mehr Platz einräumen zu können. 8.1.1 Politischer Raum Der soziale Raum des nationalen politischen Feldes ist in den beiden Hauptstädten Berlin und Madrid zunächst in seiner Grundstruktur gleich aufgebaut. Die Akteure nehmen wahr, dass das Feld durch Hierarchien gekennzeichnet ist, welche den Feldteilnehmern unterschiedliche Positionen zuordnen. Diese ermöglichen entweder mehr oder weniger Einfluss auf die relevanten Prozesse innerhalb des Feldes, welche ich mit der Herstellung politischer Produkte überschrieben habe oder, wie Bourdieu es beschreibt, die Kontrolle über die innerhalb des Feldes geführten Diskurse. Jedem einzelnen Akteur ist dabei der eigene Stand im Vergleich zu seinen Konkurrenten mehr oder weniger bewusst, in jedem Fall sind die Akteure aber bestrebt, die eigene Position durch ihr Handeln innerhalb des Feldes zu verbessern. Die Kreisdiagramme in den Kapiteln 6.1.1. und 7.1.1. konnten bezüglich dieser Erkenntnisse für beide Fallstudien als anschauliche graphische Illustrationen genutzt werden. Sie verdeutlichen die Zentralität spezifischer individueller Positionen genauso wie die potentielle Abgeschiedenheit anderer weit außerhalb des Zentrums des Feldes. Auch die Idee von Außengrenzen und dem damit verbundenen Herausfallen aus dem Feld konnte so illustriert werden. Diese Erkenntnisse sprechen zunächst einmal dafür, dass Bourdieus Vorstellungen eines hierarchisch organisierten, kompetitiven Sozialraums in beiden nationalen politischen Feldern gleichermaßen erkennbar sind und damit auch die Logik des Feldes, welche Bourdieu mit der Illusio, also dem Glauben an die Sinnhaftigkeit des Spiels und seiner Regeln erklärt, bestätigt werden kann. Auch wenn das Thema dieser Arbeit nicht war, herauszufinden welche Motivationen die Akteure zur Ausübung ihrer feldspezifischen Funktionen bewegen, so konnte doch gezeigt werden, dass alle Befragten in beiden Städten bestrebt sind, durch ihr eigenes Engagement eine möglichst gute Position innerhalb des Feldes zu erreichen oder zu halten. Sie investieren politisches Kapital in das politische Spiel in der Hoffnung, einen Gewinn für sich selbst zu generieren, der in der Vermehrung dieses Kapitals und einer Verbesserung der eigenen Position liegt.

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Komplizierter verhält es sich bei der Definition relevanter Unter- oder Teilgruppen innerhalb des jeweiligen nationalen Feldes. Zunächst einmal benennen die Gesprächsteilnehmer in beiden Städten gleichermaßen drei relevante Untergruppen, in die sich die Akteure einteilen lassen. Diese sind die Politiker, die Lobbyisten und die Journalisten. Als zentrale Akteure in der Teil-Gruppe Politiker werden zudem stets die Abgeordneten des Bundestages beziehungsweise die Abgeordneten (Diputados) des Kongresses sowie die Regierung als die relevanten Akteure genannt, manchmal in den Gesprächen auch synonym mit der Gruppe Politiker. Andere Angehörige der Exekutive, wie Mitarbeiter der Ministerien oder Parteien werden dabei oft in den Hintergrund gerückt oder finden gar keine Erwähnung. Gerade in der Außenwahrnehmung durch die Interessenvertreter und Journalisten ist diese Wahrnehmung stark verbreitet. Ein großer Unterschied zwischen beiden Fällen zeigt sich jedoch, wenn nach der absoluten und relativen Verteilung der Akteure auf die drei Untergruppen gefragt wird. Während es in Berlin zu allen dreien eine mehr oder weniger klare Vorstellung davon gibt, wie viele Feldteilnehmer in jeder Gruppe relevant und aktiv sind, ist dies in Madrid nicht der Fall. In Berlin werden Politik und Lobbyismus als gleich stark vertreten wahrgenommen, eine etwas kleinere Anzahl der Akteure ist der Gruppe der Medien zuzurechnen. In Madrid ist die Wahrnehmung eine andere. Hier gibt es für die Akteure der Gruppe der Politiker eine erfassbare Größe und, etwas kleiner als erstere, eine zweite Gruppe der Journalisten. Nicht quantifizierbar ist hingegen die Anzahl der in Madrid agierenden Lobbyisten, welche zu den zentralen Akteuren des Feldes gehören. Ebenso ist es den meisten Feldteilnehmern, selbst den Interessenvertretern, nicht möglich, die Größe dieser Gruppe in Verhältnis zu den anderen Gruppen Politik und Medien zu setzen. Die Erklärung hierfür liefern die Akteure selbst: Lobbyismus ist in Spanien wenig institutionalisiert. Interessenvertreter können oft nur von Experten in ihrer Funktion erkannt werden, unter Umständen arbeiten sie innerhalb ihrer Organisation beziehungsweise in ihrem Unternehmen selbst auch nicht unter der Berufsbezeichnung Lobbyist, sondern füllen diese Tätigkeit nur zusätzlich zu ihrem eigentlichen oder offiziellen Aufgabengebiet aus. Das fehlende Lobbyregister in Spanien trägt zusätzlich zu dieser Intransparenz bei, dieses ist aber in Deutschland ebenfalls nicht vorhanden. Trotzdem existieren in Deutschland feste Gruppen organisierter Lobbyisten und die Namen der Ansprechpartner sind bekannt. Gerade die verschiedenen Lobbykreise in Berlin zeugen von einer hohen Institutionalisierung und Professionalisierung der dort Handelnden. In beiden Städten wird von sämtlichen Akteursgruppen betont, dass Interessenvertretung an sich nichts Schlechtes sei, jedoch stellen die Gesprächspartner in Madrid heraus, dass

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Lobbyismus in der öffentlichen Wahrnehmung keinen guten Ruf genießt und es daher nicht vorteilhaft ist, zu eng mit diesem Thema in Verbindung gebracht zu werden. Ich sehe die Gründe für den Befund einer weniger starken Sichtbarkeit von Lobbyismus innerhalb des nationalen politischen Feldes von Madrid in der politischen Kultur und der Tradition, aus der sie entwachsen ist und möchte daher in Kapitel 8.2. noch einmal auf dieses Thema zu sprechen kommen, um einen Erklärungsversuch für die unterschiedliche Wahrnehmung des Lobbyismus in Berlin und Madrid zu geben. Eine weitere Gemeinsamkeit, die in beiden Fallstudien zum Vorschein gekommen ist, ist die besonders große Bedeutung von Interaktionsprozessen zwischen den Akteuren innerhalb des politischen Feldes. Es konnte gezeigt werden, dass die räumlichen Produktionsprozesse, welche zum Entstehen, Bestehen und auch zu Veränderungen des Feldes führen, maßgeblich durch Interaktionen der Feldteilnehmer verhandelt werden. In den entsprechenden Kapiteln beider Fallstudien habe ich in der Folge beispielhaft darstellen können, welche Formen diese Vorgänge annehmen können. Es lässt sich feststellen, dass Interaktionsprozesse in beiden Städten vor allem im direkten Kontakt zwischen Feldteilnehmern der gleichen Teilgruppe, aber auch zwischen verschiedenen Teilgruppen stattfinden. An dieser Stelle wird erneut wichtig, was über den Aufbau des politischen Feldes in Madrid zum Thema Lobbyismus herausgefunden wurde: die Akteure dort haben häufig Probleme, den richtigen Ansprechpartner zu kontaktieren, wenn sie auf der Suche nach Interessenvertretern bestimmter Organisationen sind. Wichtig scheint also für ein reibungsloses Funktionieren der feldinternen Interaktionen eine für alle Akteure sichtbare und nachvollziehbare Aufteilung der Zuständigkeiten zu sein, um möglichst produktive Interaktionsprozesse zu gewährleisten. Dies scheint hingegen in Berlin der Fall zu sein, schließlich wird in keinem der Gespräche auf derartige Probleme hingewiesen. Weiterhin sind die nationalen politischen Felder beider Städte hierarchisch organisiert, was wiederum bedeutet, dass jeder Feldteilnehmer eine spezifische Position innerhalb des Feldes besetzt, welche höher oder niedriger ist als die anderer Akteure. Die individuelle Position ergibt sich dabei aus der Bewertung des politischen Kapitals eines einzelnen durch die im Feld vertretenen Feldteilnehmer. Deren kollektivierte Meinung wird wiederum zum Fundament der Regeln des Feldes. Jeder einzelne Akteur hat dabei eine spezifische Position inne, immer entsprechend der eigenen Beziehung zu einem anderen Akteur und der eigenen Position im Feld, also dem eigenen Blickwinkel auf das Feld selbst. Der Aufstieg und Abstieg innerhalb des Feldes erfolgt stets im Verhältnis zu anderen. Nötig für eine erfolgreiche Positionierung ist hierzu die Vermehrung

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des eigenen politischen Kapitals, welches in beiden Städten in sehr ähnlicher Form vorzufinden ist. Auf der einen Seite steht dabei das Kapital Kompetenz, das Wissen um Prozesse und Inhalte, aber auch die richtigen Ansprechpartner, um ein Problem zu lösen. In beiden Städten wird herausgestellt, dass ohne die entsprechenden Kompetenzen ein erfolgreiches Agieren schwer möglich ist. Das von den Gesprächsteilnehmern genannte Kapital Kompetenz lässt sich schwer auf Bourdieus Unterteilung politischer Kapitalien übertragen. Am ehesten finden wir sicherlich im Bereich des inkorporierten kulturellen Kapitals Eigenschaften, welches dieses spezifische feldbezogene Handlungswissen betreffen. Auf der anderen Seite steht das Kapital Ruf, also der Ruf, den die Akteure innerhalb des Feldes genießen. Dieser speist sich einerseits aus Handlungen, die aufgrund des Kapitals Kompetenz getätigt wurden, also klugen, oder besser kompetenten, Entscheidungen, die von den anderen Feldteilnehmern wahrgenommen werden und die einen Akteur dadurch, beispielsweise für eigene Vorhaben, zu einem attraktiven Partner werden lassen. Aus kompetenten Praktiken entsteht also ein guter Ruf für den Akteur innerhalb des Feldes. Der Ruf speist sich jedoch zusätzlich noch aus Qualitäten, die außerhalb des Bereiches der Kompetenz liegen. Ein wichtiges Argument in beiden Städten ist die Vertrauenswürdigkeit eines Akteurs, also die Sicherheit für andere, dass sich dieser an Absprachen hält, vertrauliche Informationen für sich behält und an gemeinsamen Zielen mitarbeitet. Hier finden wir eindeutige Hinweise, die auf Bourdieus prophetisches oder heroisches Kapital hindeuten. Ebenfalls eine Rolle, wenn auch nicht in gleichem Umfang wie die Vertrauenswürdigkeit, kommt der Seniorität der Akteure zu. Damit wird auf die Verweildauer eines Akteurs innerhalb des jeweiligen politischen Feldes und seine Position innerhalb einer spezifischen Organisation verwiesen. Wer hier schon länger erfolgreich agiert, wird professioneller wahrgenommen, ihm wird zudem ein größeres Maß des Kapitals Kompetenz zugeschrieben. Bourdieu spricht hier von der Delegation von Vertrauen an besonders vertrauenswürdige Feldteilnehmer, das delegierte Kapital. Allerdings können sich auch negative Qualitäten auf die Wahrnehmung eines Akteurs durch die anderen Feldteilnehmer und damit auf seine Position innerhalb des Feldes auswirken. In beiden Städten wurde hier Egoismus genannt, also das Sichtbarwerden der Bevorzugung der eigenen Interessen gegenüber anderen beziehungsweise das Ausnutzen von Vorteilen zum Nachteil anderer. Übertragen handelt es sich dabei immer um Verstöße gegen die Regeln des Spiels und damit auch die Illusio des Feldes. Zudem wurde in Berlin noch von dem Phänomen der Eitelkeit gesprochen, also der Überhöhung der Bedeutung der eigenen Person gegenüber den anderen Akteuren. Dies kann zu einem Positionsverlust innerhalb

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des Feldes führen, ebenso wie das in Madrid genannte Phänomen der Überheblichkeit, welches auf ähnlichen Wahrnehmungen beruht wie die Eitelkeit. Es kann also insgesamt festgehalten werden, dass in beiden Städten der Ruf der Akteure als ein Teil ihres politischen Kapitals, genauso wie die Wahrnehmung ihrer Kompetenz als der andere Teil, von den Folgen der Bewertung durch die weiteren im Feld vertretenden Feldteilnehmer abhängen. Durch die stetigen Interaktionsprozesse zwischen ihnen legen die Akteure so in Reproduktionsprozessen des Feldes dessen Aufbau immer wieder neu fest. Hierbei kann sich auch die Bedeutung oder die Zusammensetzung eines der politischen Kapitalien ändern, jedoch immer nur entsprechend der Präferenzen der im Feld vertretenen Akteure, beziehungsweise vor allem eben jener, die über das größte Maß anerkannten Kapitals verfügen und somit im Zentrum des Feldes stehen. Für die beiden untersuchten Fälle lassen sich also vor allem Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Sozialraumes der nationalen politischen Felder feststellen. Der größte Unterschied liegt sicherlich in dem fehlenden Wissen über die genaue Zusammensetzung und Größe der Gruppe der Interessenvertreter oder Lobbyisten in Spanien. Dies wird vor allem im Vergleich zu Berlin deutlich, wo sowohl die Lobbyisten selbst aber auch die Feldteilnehmer aus den anderen Teilgruppen eine sehr genaue Vorstellung haben, wer in diesem Bereich tätig ist und wer als Ansprechpartner für welche Themen dient. 8.1.2 Produktion politischer Orte Im zweiten Kapitel der beiden Fallstudien war es mein Anliegen, anhand der räumlichen Praxis der Feldteilnehmer eine Definition zu formulieren, welche die Entstehung politischer Orte für die jeweilige Studie erklärt. Ich habe hierzu einerseits Voraussetzungen formuliert, auf der anderen Seite aber auch die Prozesse und ihre Resultate näher beleuchtet. Für beide Fälle traten dabei ähnliche Ergebnisse zutage, weshalb sich eine weitere Nutzung des aus der Empirie in diesen Kapiteln entwickelten konzeptionellen Ansatzes im Laufe der Fallstudien anbot. Die erste Voraussetzung, die für die Entstehung politischer Orte wichtig ist, stellt die Überzeugung der Feldteilnehmer, dass die physische Anwesenheit an einem spezifischen Ort eine Bedeutung hat, dar. Sowohl in Berlin als auch in Madrid haben mir dies meine Gesprächsteilnehmer bestätigt. So zeigt die Empirie zum einen, dass die Gruppen der Lobbyisten und Journalisten zumeist neben ihrer beruflichen Tätigkeit auch ihr Privatleben in der jeweiligen Hauptstadt angesiedelt haben, für sie ist die Präsenz vor Ort also selbstverständlich.

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Interessanter wird es dann bei der Teilgruppe Politik und hier besonders den Abgeordneten. Durch ihre Tätigkeit haben fast alle neben den Verpflichtungen in der jeweiligen Hauptstadt noch einen Wahlkreis zu betreuen, welcher nur in wenigen Fällen der Hauptstadt oder ihrem Umland entspricht. Die Mandatsträger müssen sich also entscheiden, wie sie ihre Zeit abseits der Pflichttermine einteilen. Dabei stellen alle der befragten Akteure aus der Teil-Gruppe der Politiker fest, dass die Anwesenheit in der Hauptstadt eine wichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Agieren innerhalb des nationalen politischen Feldes ist. Besonders in den Sitzungswochen ergeben sich für sie so dicht gefüllte Terminkalender, um eine möglichst hohe Präsenz zu erreichen. Die wartenden Koffer im Foyer des Madrider Kongresses am Donnerstag, dem letzten Tag einer Sitzungswoche und die Aussagen Berliner Abgeordneter, sie würden sich stets nur unter der Woche und nur zum Arbeiten in der Stadt aufhalten, legen dabei nahe, dass diese Anwesenheit in der Hauptstadt mehr als Arbeitsverpflichtung denn als Privileg oder auch Chance, die Stadt in der privaten, freien Zeit kennenzulernen, wahrgenommen wird. Die zweite Voraussetzung für die Entstehung politischer Orte leitet sich aus den Erkenntnissen des ersten Kapitels beider Fallstudien ab. Hier habe ich festgestellt, dass die Grundvoraussetzung für die Produktion und Reproduktion des politischen Feldes als Sozialraum die Interaktion der Feldteilnehmer ist. Da es sich hierbei also um die zentralen Prozesse des politischen Feldes handelt, müssen diese nun an spezifischen Orten stattfinden, um diese zu feldspezifisch politischen Orten zu machen. Hierzu müssen sich wiederum mindestens zwei Feldteilnehmer an einem Ort befinden und es muss zu einer Interaktion zwischen ihnen kommen. Ich habe in der Folge in beiden Fallbeispielen eine Vielzahl von Beispielen vorgestellt, welche belegen, dass die Akteure in ihrer Praxis politische Orte auf verschiedenste Arten und in den unterschiedlichsten räumlichen Arrangements durch ebenso unterschiedliche Interaktionsarten herstellen. Offizielle Orte wie die Büros der Akteure oder der Plenarsaal des spanischen Kongresses oder des deutschen Bundestags sind dabei nur eine mögliche Form. Auch zufällige Begegnungen können politische Orte entstehen lassen, immer dann, wenn politische Akteure aufeinandertreffen und die entstehende Interaktion die feldspezifische Beziehung der beiden verändert. Aber auch die bewusste Produktion politischer Orte durch die Feldteilnehmer ist eine Möglichkeit. Hier habe ich einerseits gezeigt, dass diese in beiden Städten existieren, jedoch lässt sich nun vergleichend auch hier ein Unterschied feststellen, nämlich, welche Orte von den Akteuren für die Produktion politischer Orte bewusst ausgewählt werden. Während in Berlin hier große Veranstaltungsräume ebenso wie angemietete Büros der Akteure, manchmal auch eigene Repräsentanzen ebenso ge-

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nutzt werden wie Bars und Restaurants, beschränken sich diese Orte in Madrid auf letztere. Außerdem spielen in Madrid in den meisten Gesprächen, wenn auch nicht auf die eigene Praxis bezogen, sondern mit Blick auf andere Feldteilnehmer, Hotellobbys im Bereich des spanischen Kongresses eine Rolle. Dieser Unterschied erklärt sich meiner Meinung nach erneut aus der spezifischen politischen Kultur in Spanien und dabei vor allem dem schlechten Ruf und der schlechten Sichtbarkeit von Interessenvertretern sowie zudem auch aus städtebaulichen und bauhistorischen Aspekten, wie der in Madrid gewachsenen Struktur der Innenstadt und den damit begrenzten Möglichkeiten der Anpassung und Entstehung neuer politischer Orte im Zentrum. Diese Punkte möchte ich später noch ausführlicher ausführen. In einem letzten Abschnitt der Kapitel 6.2. und 7.2. habe ich Rückschlüsse aus den vorherigen empirischen Beobachtungen und ersten konzeptionellen Gedanken gezogen und in der Folge zusätzlich zu dem, im theoretischen Diskurs dieser Arbeit bereits eingeführten, Konzept der sozialen Produktion politischer Orte auch das Idee der Konstruktion politischer Orte eingeführt. Dass es diese zweite Dimension der Bedeutung von Raum für die soziale Realität der Feldteilnehmer gibt, hatte ich ebenfalls bereits in der Auseinandersetzung im theoretischen Teil dieser Arbeit zu erkennen geglaubt. In der Praxis zeigt sich also, dass es für die Feldteilnehmer in beiden Städten zwei Arten von politischen Orten geben kann. Orte, die keine bereits bestehende Bedeutung für das Feld haben, werden von den Akteuren während ihrer Interaktion erstmalig produziert. Auch diese Orte haben natürlich eine spezifische Gestalt. Jedoch ist der entsprechende Ort innerhalb des politischen Feldes mit keiner besonderen Bedeutung belegt, welche in den Regeln des Feldes hinterlegt ist, diese entsteht hier erst im Rahmen der sozialen Interaktion. Konstruierte politische Orte können wiederum in zwei verschiedenen Formen auftreten. Sie können politische Orte sein, die zu einem Zeitpunkt X durch die Akteure des politischen Feldes errichtet wurden. Beispiele hierfür habe ich in beiden Fallstudien vorgestellt: der wiedererrichtete Berliner Reichstag oder der Gebäudekomplex Nuevos Ministerios in Madrid. Bereits bei ihrer baulichen Konstruktion war es das Ziel der politischen Akteure, hier politische Orte mit spezifischen Bedeutungen für das Feld zu schaffen. Diese Bedeutungen können sich natürlich über die Zeit und mit ihr eintretende Veränderungen innerhalb des nationalen politischen Feldes und seiner Regeln ändern. Jedoch bleiben über besagte Regeln des Feldes die bisherigen Bedeutungen eines baulich konstruierten politischen Ortes für die Feldteilnehmer gespeichert und werden bei jeder Reproduktion dieses Ortes mitgedacht. Sie tragen so zu der neuen Bedeutung im Moment seiner Reproduktion bei.

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Ähnlich verhält es sich auch bei dem zweiten Typ konstruierter politischer Orte. Diese haben den gleichen Einfluss auf die Produktion eines politischen Ortes, ihre Konstruktion bezieht sich jedoch nicht auf ihre bauliche Herstellung, sondern ihre bleibende soziale Konstruktion, welche dem politischen Ort eine bleibende Bedeutung für das politische Feld verschafft und nun bei jedem Reproduktionsvorgang mitgedacht wird. Beispiele für eine solche Art politischer Orte können die genannten Veranstaltungsorte in Berlin oder die Hotellobbys in Madrid sein. Wird ein Feldteilnehmer hierher eingeladen, ist ihm oft schon klar, welche Art der Interaktion mit anderen Akteuren zu erwarten ist und ob es sich in der Folge für ihn lohnt, einen Termin wahrzunehmen. Diese Orte haben über eine wiederholte Praxis der Feldteilnehmer ihre bleibende Bedeutung für das Feld erhalten, auch wenn sie nicht entsprechend dieser Bedeutung baulich hergestellt sein müssen. Sie erlangen vielmehr, analog zum Kapital der Feldteilnehmer einen spezifischen Ruf, welcher Teil der Regeln des Feldes wird. Zusammengefasst zeigt sich, dass durch die Relevanz, die die Akteure ihrer Anwesenheit in der jeweiligen Hauptstadt zusprechen und der Bedeutung, die Interaktionsprozesse für die Dynamiken innerhalb der nationalen politischen Felder haben, die Entstehung politischer Orte in Berlin und Madrid für die Feldteilnehmer regelmäßig praktizierter Alltag ist. Dabei treten die politischen Orte in verschiedenen Typen auf, sie können spontan und unintendiert oder geplant sein, sie können nur für den Moment der Interaktion produziert werden oder bereits durch die Akteure baulich oder sozial konstruiert sein. So können sie auch nach ihrer Produktion noch eine Bedeutung für die Regeln des Feldes und somit die Akteure selbst spielen. 8.1.3 Feldspezifische Qualitäten politischer Orte Unter den feldspezifischen Qualitäten politischer Orte verstehe ich jene Eigenschaften, welche direkt durch die soziale Interaktion der Feldteilnehmer einem Ort zugesprochen und durch diese auch produziert werden. Es handelt sich somit um Eigenschaften, welche aus den vorherrschenden Regeln und Hierarchien des Feldes resultieren und sich somit über die Praxis der Akteure auch ändern können. Eine erste offensichtliche Frage, der ich nachgegangen bin, ist, inwieweit die Feldteilnehmer selbst, unabhängig von der bereits aufgestellten Definition politischer Orte, zwischen diesen und nicht-politischen Orten unterscheiden. Nichtpolitische Orte wären der Umkehrung der bisherigen Definition nach Orte, an denen es zu keiner Interaktion der Feldteilnehmer kommt. Ich konnte feststellen, dass die Gesprächsteilnehmer in beiden Städten durchaus zwischen beidem dif-

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ferenzieren, hierzu aber vor allem die Unterscheidung zwischen ihren Arbeitsorten und ihrem privaten Orten, entweder ihrer Wohnung beziehungsweise ihrem Haus oder aber ihrem Hotelzimmer hervorheben. Das Verlassen politischer Orte geht für die Feldteilnehmer so einher mit dem Beenden der Arbeit und dem Übergang ins Private. In Berlin führt dies zu ersten Zuschreibungen von feldspezifischen Bedeutungen für einzelne Bereiche der Stadt, einige werden eher dem Bereich der Arbeit zugeordnet, andere eher dem Privaten, zumindest aber sind sich die meisten Gesprächspartner einig, dass außerhalb des Zentrums die Dichte an politischen Orten und damit die Wahrscheinlichkeit, auf andere Feldteilnehmer zu treffen, deutlich abnimmt. In Madrid bleiben im Unterschied hierzu diese feldspezifischen Bedeutungen für einzelne Bereiche der Stadt größtenteils aus. Auf die Gründe hierfür werde ich im nächsten Abschnitt genauer eingehen. Die Feldteilnehmer in der spanischen Hauptstadt stellen aber ebenso fest, dass mit fortschreitender Entfernung vom Zentrum die Dichte politischer Orte und mit ihnen der Feldteilnehmer abnimmt. In beiden Städten sind nicht-politische Orte daher private Orte, sie sind mit zunehmender Entfernung vom Zentrum in zunehmender Dichte zu finden. Eine weitere Qualität politischer Orte bezieht sich auf die Erkenntnisse des vorangegangenen Kapitels und behandelt die Besonderheiten, die Feldteilnehmer bleibenden und temporären Orten zuschreiben. Für beide Fälle habe ich eine Vielzahl von Beispielen beschrieben, um zu verdeutlichen wie die Akteure diese Qualität durch ihre Interaktionen herstellen und zu ihrem Vorteil nutzen. In Berlin habe ich als Beispiele für bleibende Orte die Parlamentarische Gesellschaft und das Café Einstein vorgestellt, in Madrid den Komplex des Kongressgebäudes, das Café des Circulo de Bellas Artes und die Lobby des Hotels Palace. Alle diese Orte verfügen über eine feldspezifische Bedeutung für die Akteure des jeweiligen nationalen politischen Feldes. Diese geht über die eigentliche Produktion des Ortes durch die Interaktion von Feldteilnehmern zu einem spezifischen Zeitpunkt hinaus. Zunächst einmal konnten in beiden Hauptstädten Orte identifiziert werden, deren Konstruktion mit der baulichen Herstellung durch das politische Feld zusammenfällt. Sowohl die Parlamentarische Gesellschaft in Berlin wie auch der Gebäudekomplex des Kongresses in Madrid wurden durch das nationale politische Feld errichtet. Beide Gebäude erfüllen auch heute noch spezifische Funktionen für dieses Feld, wenn auch teilweise andere als ursprünglich erdacht, wie im Falle der Parlamentarischen Gesellschaft. In der Folge wurde ihre bauliche Struktur den neuen Erfordernissen angepasst. Geblieben ist der Zustand, dass beide Gebäude eine konkrete Funktion für das politische Feld haben, die in dessen Regeln festgeschrieben sind und über diese Teil des Habitus des einzelnen

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Akteurs werden. Sie beeinflussen so deren Handeln. Gezeigt werden konnte, dass die Parlamentarische Gesellschaft als ein exklusiver Treffpunkt der Abgeordneten und ihrer geladenen Gäste vor allem für Hintergrundgespräche genutzt wird. Der spanische Kongress ist der offizielle Arbeitsort der Abgeordneten in Madrid und gleichzeitig eine wichtige Repräsentationsfläche nach außen hin. In beiden Fällen nutzen die jeweiligen Akteure diese konstante Bedeutung, um Interaktionen mit anderen Feldteilnehmern auszuführen, die sie an diesen Orten für sinnvoll halten und die zudem zu ihrem eigenen Vorteil sein können. Andere bleibende Orte, wie das Café Einstein, das Café des Circulo de Bellas Artes und die Lobby des Palace Hotels stehen für einen anderen Typ eines bleibenden politischen Ortes. Sie wurden nicht durch die Akteure des Feldes im Zuge ihrer Konstruktion errichtet, sondern haben ihre ebenfalls bleibende feldspezifische Bedeutung durch die wiederholte Reproduktion dieser in den Interaktionen der Feldteilnehmer und der damit einhergehenden Einschreibung in die Regeln des Feldes erhalten. Nicht bewerten lässt sich hier, inwieweit die Erbauer oder Betreiber dieser Orte ihre Angebote exklusiv für das Feld entwerfen oder diese zumindest den Bedürfnissen des jeweiligen politischen Feldes anpassen. Sicher ist jedoch, dass auch diese Orte von den Akteuren gemäß ihrer stetigen Funktionen genutzt werden, um die eigene Position im Kampf um politisches Kapital zu verbessern. So dienen sowohl das Einstein wie auch der Circulo als Orte des informellen Gesprächs, des Kennenlernens. Anders verhält es sich mit der Lobby des Atlantic. Diese erfüllt analog zu der parlamentarischen Gesellschaft in Berlin eher die Funktion eines ruhigen Rückzugsortes, an dem Hintergrundgespräche zwischen Akteuren möglich sind. Die Besonderheit beider vorgestellter Typen bleibender politischer Orte liegt in der Bekanntheit ihrer Bedeutung, dortige Treffen sind somit immer auch mit einem Einverständnis aller Beteiligten bezüglich der innerhalb des Feldes für den spezifischen Ort geltenden Regeln verknüpft. So wissen beide Feldteilnehmer beispielsweise, welche Art von Gespräch sie wahrscheinlich führen werden, wenn sie sich in der Lobby des Atlantic treffen. Ist einer der beiden nicht einverstanden, so kann er noch vor dem Zustandekommen des Treffens versuchen, dies zu thematisieren oder einen anderen Ort vorschlagen. Den Gegenpol hierzu bilden in beiden Städten temporäre politische Orte. Hier habe ich in Berlin Beispiele für Veranstaltungen angeführt, die Interessenvertreter an verschiedenen Standorten, sogenannten Event-Locations, organisieren. Da mir von derartigen Veranstaltungen in Madrid nicht berichtet wurde, bin ich auf der Suche nach alternativen Beispielen auf die zahlreichen traditionellen Tapas-Bars gestoßen, welche für die Feldteilnehmer in ihrer Alltagspraxis eine ebenfalls große Rolle spielen. Beide Beispiele eint, dass hier kein konkreter be-

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grenzbarer Ort mit einer individuellen feldspezifischen Bedeutung belegt wurde, gleichzeitig aber durch eine Art Typisierung des Ortes trotzdem eine Bedeutung mit transportiert wird. So hat eine x-beliebige Tapasbar oder Eventlocation zunächst einmal keine Bedeutung, die in die Regeln des Feldes eingeschrieben ist, trotzdem steht der Abend in der Tapas-Bar für die spanischen Abgeordneten für ein gelöstes Kennenlernen und der parlamentarische Abend für die deutschen Interessenvertreter für die Möglichkeit, mit den Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. Verlassen die Akteure den Ort jedoch nach Ende ihrer Interaktionen, so kann der Ort seine Bedeutung für das Feld wieder verlieren, sollten sich die Feldteilnehmer nicht implizit oder explizit darauf einigen, diesen Ort für zukünftige Treffen einer spezifischen Art erneut zu nutzen. Der Ort spielt zwar auch ohne diese Entscheidung zugunsten einer bleibenden Konstruktion auch hier eine Rolle, jedoch geht es weniger um einen spezifischen Ort an sich, sondern um ein Angebot, welches von der Auswechselbarkeit des Ortes mit bestimmt ist. Als eine weitere Qualität politischer Orte konnte ihre Nutzungsart identifiziert werden. Ich habe hierzu zunächst gemäß den Erkenntnissen aus den Gesprächen mit den Feldteilnehmern zwischen Arbeitsorten auf der einen und Freizeitorten inklusive privaten Orten auf der anderen Seite unterschieden. Ich konnte an Beispielen aus beiden Städten deutlich machen, dass politische Orte nicht nur an den von den Akteuren als Arbeitsorte bezeichneten Raumausschnitten produziert werden, sondern ebenso an Freizeitorten und teilweise auch an privaten Orten, je nachdem, ob es zu Interaktionen kommt, welche die feldspezifische Beziehung der Akteure verändern. Erst dann kann es nämlich zu einer Veränderung des Feldes an sich kommen und damit einhergehend zu einer Veränderung der Regeln des Feldes. Als klassische Arbeitsorte habe ich die Büros der Feldteilnehmer vorgestellt. Hier treffen sich die Akteure vor allem im offiziellen Rahmen. Dies bedeutet, es werden Termine ausgemacht und es stehen meist auch die Themen fest, die zur Sprache kommen sollen. Kennen sich die Feldteilnehmer noch nicht persönlich, so ist dies der formalste Rahmen, in dem ein Gespräch möglich ist. Freizeitorte wie Cafés, Bars, Restaurants und Hotellobbys werden von den Akteuren ebenfalls als politische Orte genutzt. An ihnen wird die Informalität geschätzt, die sie vermitteln. Im Gegensatz zu den Arbeitsorten kann hier auch abseits zuvor festgelegter Gesprächsthemen gesprochen werden. Zudem eigenen sich Freizeitorte besser, um einander kennenzulernen und herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten Gesprächspartner haben. Im Idealfall baut sich hier aber so auch Vertrauen auf. Ein besonderer Fall von Freizeitorten sind private Orte wie die eigene Wohnung oder das eigene Haus. Die Feldteilnehmer selbst ziehen hier, wie ich be-

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reits geschrieben habe, in den meisten Fällen und in beiden Städten die Grenze zwischen Privatem und Arbeit und damit eigentlich auch zwischen der Interaktion mit anderen Feldteilnehmern und der bewussten und teilweise auch beabsichtigten Nicht-Interaktion mit diesen. Hier gibt es jedoch sowohl in Madrid wie auch in Berlin wichtige Ausnahmen, die die besondere Funktion von Freizeitorten im Allgemeinen und privaten Orten im Besonderen nochmals verdeutlichen. In Berlin habe ich das Beispiel einer regelmäßigen Wohnzimmerrunde von Redakteuren namhafter Medien angeführt, die bei jedem Treffen einen anderen Spitzenpolitiker zu einem der Journalisten nach Hause einladen, zusammen kochen und essen und dabei über aktuelle politische Themen sprechen. In Madrid berichtete ein Abgeordneter, dass er durchaus Kollegen und deren Familien zu sich nach Hause zum Essen einlädt, um diese dort besser kennenlernen zu können. Alle Akteure verknüpfen dabei die Einladung an einen privaten Ort mit der Hoffnung, hier die Beziehung zu anderen Feldteilnehmern verbessern zu können und zwar in einem größeren Maß, als es Arbeitsorte ermöglichen. Der Einlass in den privatesten Ort wird hier als ein Vertrauensvorschuss verstanden, welchen die eingeladenen Akteure im Idealfall erwidern sollen. Welche Konsequenzen die unterschiedlichen Qualitäten politischer Orte für die Interaktionsprozesse der Feldteilnehmer haben, wird deutlich, wenn ein Blick auf deren Wahrnehmung geworfen wird. Die Akteure sind sich der Möglichkeiten, die unterschiedliche politische Orte eröffnen, durchaus bewusst. Sie nutzen diese zu ihrem eigenen Vorteil. Der Zugang zu exklusiven Orten, an denen nicht jeder Akteur selbstverständlichen Zugang hat, kann so zum Beispiel auch genutzt werden, um seinem Gegenüber das Gefühl einer exklusiven Behandlung zu geben. Ich habe dies an den Beispielen der Parlamentarischen Gesellschaft und den Wohnzimmerrunden in Berlin sowie Einladungen zum Essen in Privathäuser in Madrid zeigen können. Andere politische Orte haben bei den Feldteilnehmern den Ruf, dass sie eine spezifische Öffentlichkeit herstellen oder verhindern sollen. Das „sehen-und-gesehen-werden“ in Café Einstein oder die vermeintliche Diskretion der Lobby des Hotel Atlantic sind hier Beispiele. Die Feldteilnehmer antizipieren diese und andere Bedeutungen, die politische Orte für ihre Interaktionsvorgänge haben und wählen sie dementsprechend aus. Dabei spielen ihre Qualitäten als politischer oder nicht-politischer Ort, als Arbeits- oder Freizeitort aber auch die ihnen eingeschriebenen feldspezifischen Bedeutungen eine entscheidende Rolle.

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8.1.4 Anordnung und Aufbau politischer Orte Der Aufbau der politischen Städte Berlin und Madrid ist höchst unterschiedlich. Allgemein lässt sich zunächst vorwegnehmen, dass die Vorstellung der Feldteilnehmer von der Anordnung der politischen Orte innerhalb der Hauptstadt in Berlin deutlich klarer ausgeprägt ist und zudem die meisten Akteure die Möglichkeit einer Strukturierung dieser Orte auf einer vorgestellten Karte der Stadt vornehmen können. In Madrid ist dies nicht der Fall. Hier benennen die Akteure auf der einen Seite deutlich weniger politische Orte als in Berlin und auch die physischräumliche Beziehung dieser Orte zueinander spielt nur eine untergeordnete Rolle. Der Fall Berlin brachte zunächst drei Sichtweisen zutage, welche ich aus den Gesprächen mit den Feldteilnehmern abgeleitet habe. Das Zonen-Modell, das Marker-Modell und die Sichtweise der konzentrischen Kreise. Während die erste Sichtweise verschiedene Bereiche der Stadt spezifischen Bedeutungen für das politische Feld zuordnet, nämlich, analog zu der bereits erfolgten Aufteilung des politischen Feldes, in die drei Untergruppen Politik, Lobbyismus und Journalismus, werden bei dem Marker-Modell einzelne Orte in das Zentrum des Feldes gerückt, um die herum es zur Konstruktion und Produktion weiterer politischer Orte kommt. Das meistgenannte Beispiel ist hier der Reichstag. Die Sichtweise der konzentrischen Kreise wiederum baut auf dem Marker-Modell auf, wobei der Marker hier der Handlungshorizont des einzelnen Akteurs ist und dieser die für seine feldspezifische Praxis relevanten Orte entsprechend der Entfernung von seinem geographischen Aufenthaltsort, zumeist dem Büro, aus benennt. Auch dieses Modell fand ich bereits bei der Analyse des Aufbaus des Sozialraumes in den Kapiteln 6.1. und 7.1.. Aus diesen verschiedenen Sichtweisen der Akteure habe ich der Folge ein graphisches Modell gebildet, welches alle drei Varianten aufnimmt. Dieses Modell spiegelt den Aufbau des physischen Raums des nationalen politischen Feldes von Berlin wieder, inklusive eines Zentrums, unterschiedlicher Bereiche um dieses Zentrum herum sowie einer Dichotomie zwischen Zentrum und Peripherie. Hier ordnen sich die einelnen politischen Orte an. In meinen Gesprächen in Madrid waren die Ergebnisse im Vergleich mit Berlin höchst unterschiedlich. Für die Sichtweise des Zonenmodells gibt es hier keinerlei Anhaltspunkte. Für das Marker-Modell sprechen die spezifischen physischen Raumausschnitte, die viele der Feldteilnehmer als zentral für das nationale politische Feld Madrids bezeichnen: der Kongresskomplex wird hier besonders herausgestellt, der Regierungssitz Moncloa und der berühmte Boulevard Paseo, der mit unterschiedlichen Namen die spanische Hauptstadt von Nord nach Süde durchquert und an dessen Seiten viele Ministerien und sonstige Institutio-

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nen liegen, die für das Feld eine Bedeutung haben, werden ebenfalls genannt. Interessant ist dabei, dass diese drei von einigen Feldteilnehmern identifizierten Marker über gänzlich verschiedene Eigenschaften verfügen. Der Regierungssitz Moncloa liegt außerhalb des Stadtzentrums und um ihn herum gibt es keine weiteren Orte, die für das Feld eine dauerhaft konstruierte Bedeutung haben. Der Paseo ist ein kilometerlanger Boulevard, die Dichte an relevanten politischen Orten ist hier sehr gering. Einzig das Kongressgebäude lässt sich in seiner Funktion für das Feld heranziehen, wenn es darum gehen soll, Parallelen zu Berlin herzustellen. Das Kongressgebäude bildet entsprechend des Modells konzentrischer Kreise für viele Feldteilnehmer das Zentrum ihrer feldspezifischen Tätigkeiten. Um den Kongress herum, so konnte gezeigt werden, gibt es eine Vielzahl von Orten wie Restaurants, Tapasbars oder Hotellobbys, welche die Akteure nutzen, um in Kontakt mit anderen Akteuren zu treten. Hierbei produzieren sie politische Orte. Ich konnte zudem zumindest zwei politische Orte im direkten Umfeld des Kongresses identifizieren, welche eine dauerhaft konstruierte Bedeutung für das Feld haben: den Circulo de Bellas Artes und die Hotellobby des Atlantic. Auch wenn in einem deutlich kleineren Umfang als in Berlin und zudem abgeschnitten von den anderen als relevant genannten Orten des nationalen politischen Feldes, kann hier zumindest mit großen Abstrichen von einem politischen Teil der Stadt gesprochen werden. Vergleichend wird deutlich, dass die Vorstellungen der Feldteilnehmer von der Anordnung politischer Orte in Berlin deutlich konkreter ausgeprägt sind. In Berlin gibt es für viele Feldteilnehmer klar abgrenzbare Teile der Stadt, welche spezifische Funktionen für das nationale politische Feld ausführen. Diese stehen in einem ebenso spezifischen Verhältnis zu einem geographischen Zentrum dieser Orte, welches im Fall von Berlin wahlweise der Reichstag oder dieser zuzüglich der angrenzenden Gebäude für Abgeordnetenbüros und des Kanzleramtes sind. In Madrid gibt es mit dem Kongress zwar einen sehr zentralen Ort des Feldes, um den herum einige weitere politische Orte konstruiert wurden. Damit lässt sich jedoch nur ein kleiner Teil der politischen Orte und ihrer Bedeutung erklären, weshalb die Bildung eines Modells ähnlich dem Berlin-Fall nicht möglich erschien. Viel sinnvoller erscheint mir, auf die Aussagen vieler Akteure zu verweisen, die das Zentrum Madrids als Ganzes einerseits als politischen Teil der Stadt beschreiben, andererseits aber auch deutlich machen, dass sich die politischen Orte des Feldes hier in direkter Nachbarschaft zu Orten mit vielen weiteren Funktionen befinden, die Innenstadt Madrids also funktional sehr durchmischt ist. Der gezeigte Stadtplan samt seiner Bedeutung für einige Feldteilnehmer stellt dies besonders anschaulich heraus. Dadurch lässt sich jedoch ein be-

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grenzbarer, in besonderer Intensität vom nationalen politischen Feld der Stadt genutzter Bereich, nicht identifizieren. Eine mögliche Erklärung für diesen signifikanten Unterschied im Aufbau der beiden Hauptstädte möchte ich mit dem Abschnitt über die politische Stadt und ihre Gestalt und Geschichte liefern (Kapitel 8.3.). Auch bezüglich der Bedeutung von Nähe und Entfernungen unterschieden sich beide Städte fundamental. In der Berlin-Studie konnte gezeigt werden, dass die physisch-räumliche Nähe politischer Orte zum eigenen Arbeitsort, zumeist dem Büro, von großer Bedeutung ist. Für die Abgeordneten ist sie von Bedeutung, weil diese ungern weite Wege in Kauf nehmen, um zu einem Termin außerhalb ihres Büros zu kommen. Für die Interessenvertreter und Journalisten ist sie von großer Bedeutung, da sie den Abgeordneten attraktive Angebote machen möchten, um sie von ihren Veranstaltungen und angebotenen Treffen zu überzeugen und sie so an eigene politische Orte zu bringen, deren Qualitäten sie selbst bestimmen können. Die Konstruktion politischer Orte durch die Akteure des nationalen politischen Feldes von Berlin richtet sich also in einem großen Maß nach der Attraktivität der Lage eines Ortes, welche wiederum von der Nähe zu den zentralen Orten des Feldes, dem Reichstag und den Abgeordnetenbüros abhängig ist. In Madrid gibt es diese Bedeutung von Nähe und Entfernungen nur in einem kleinen Bereich rund um den Kongress. Hier haben sich einige politische Orte etabliert, die vor allen Dinge durch Dritte betrieben werden, die selbst keine Teilnehmer des Feldes sind. Sie haben Treffpunkte konstruiert, welche die Feldteilnehmer nutzen und so reproduzieren, wenn sie, wie bereits beschrieben, der offiziellen Atmosphäre der Abgeordnetenbüros im Kongress ausweichen möchten. Insgesamt spielt dieses Phänomen jedoch eine untergeordnete Rolle, was dadurch zu erklären ist, dass durch die fehlende Strukturierung der Anordnung der politischen Orte innerhalb der gesamten Stadt, die Bedeutung der Lage fast keine Rolle spielt. Da zusätzlich dazu vor allem die Dynamik der Konstruktion neuer politischer Orte sehr gering ist, unter anderem durch das beschriebene fehlende Engagement von Lobbyisten, verbleiben die meisten politischen Orte in ihrer historisch gewachsenen Anordnung und sind weniger dem Konkurrenzdruck ausgesetzt, besonders nah an dem Kongressgebäude oder anderen zentralen Orten für das Feld zu liegen. Dieses Argument findet sich auch bei der Bewertung der räumlichen Wertigkeit politischer Orte wieder. In Madrid ist den Gesprächsteilnehmern vor allem an der Ausstattung und Größe ihrer Büros gelegen. Sonstige Aspekte spielen für sie weniger eine Rolle. Vielmehr begreifen viele den Bereich um den Gebäude-

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komplex des Kongresses selbst als eine separate Arbeitszone, in der sie die Interaktionsprozesse mit anderen Feldteilnehmern vollziehen können. In Berlin spielen bezüglich der Wertigkeit politischer Orte andere Kriterien eine Rolle. Zwar ist auch hier die Größe eines politischen Ortes von Relevanz, jedoch ist diese Größe nun auch vor dem Hintergrund ihrer Außenbewertung zu betrachten. Gerade für Lobbyisten, aber auch für Journalisten kann es bedeutend sein, über die eigene Investition in großzügige Räumlichkeiten zu unterstreichen, welche Bedeutung das eigene Engagement im nationalen politischen Feld für den jeweiligen Akteur hat. Neben der Größe spielen hier ebenfalls das Kriterium der Nähe zu relevanten Orten des Feldes, wie oben besprochen, und der Ruf einer bestimmten Adresse eine Rolle. Teurere Lagen oder ansprechende Architektur erzeugen dabei beispielsweise letzteres. Eine letzte Wertigkeit, die dabei für die Akteure in Berlin von Interesse ist, ist die Ausstattung eines politischen Ortes. Auch hier sind zwar Parallelen zum Fall Madrid zu erkennen, jedoch geht es auch dabei vor allem um die Außendarstellung, das heißt die Investition, die für die Konstruktion eines politischen Ortes getätigt wurde. Eine erste allgemeine Gemeinsamkeit in beiden Fallstudien ist, dass Akteure, die politische Orte selbst konstruieren, damit in allen von mir beobachteten Fällen auch bewusst eine Botschaft an die anderen Feldteilnehmer senden wollen. Das große und luxuriöse Büro des Berliner Journalisten ebenso wie das spartanisch und pragmatisch eingerichtete Büro des Madrider Abgeordneten dienen dabei dazu, spezifische Ansichten oder Eigenschaften des jeweiligen Nutzers an die anderen Akteure zu übermitteln und damit auch einen Verweis auf die jeweilige Position innerhalb des hierarchisch organisierten nationalen politischen Feldes zu geben. Aber auch bei der Auswahl politischer Orte außerhalb der von den Akteuren selbst Konstruierten, legen die Feldteilnehmer in beiden Städten Wert darauf, dass deren Aufbau den Zielen der Interaktion entsprechend angemessen ist. So habe ich am Beispiel der Hotellobby in Madrid und dem Café Einstein in Berlin zeigen können, wie die Größe und der Aufbau eines Raums, seine Möblierung sowie daraus folgende Konsequenzen, wie die Einsehbarkeit von außen, dazu führen, dass hier spezifische Interaktionsmöglichkeiten geschaffen werden. In den beiden genannten Beispielen wäre dies sicherlich die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und vertrauliche Gespräche zu führen. Etwas überraschend war für mich die Bedeutung von Orten wie Bars oder Cafés, die nicht, wie das Einstein, spezielle Angebote für das politische Feld vorhalten, deren Nutzung also eher zufällig erscheint. Barabende gehören in Berlin wie Madrid zu wichtigen sozialen Ereignissen, die jedoch bei weitem nicht nur dem privaten Vergnügen dienen. Vielmehr nutzen die Akteure die informel-

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lere Atmosphäre, um die Beziehungen zu anderen Feldteilnehmern zu verbessern. Meine Beschreibung des Circulo de Bellas Artes ist ein Beispiel dafür, wie gerade die große Öffentlichkeit, die beschriebene Enge und Betriebsamkeit, es auf der einen Seite schwer möglich macht, über Dinge zu sprechen, die diskret behandelt werden sollen, gleichzeitig aber die Möglichkeit eröffnet, ungezwungen über andere Themen zu sprechen, die vielleicht nicht direkt mit dem politischen Alltagsgeschäft zu tun haben, trotzdem aber die Beziehung zwischen Akteuren verbessern. Diese Bedeutung von Informalität konnte ich auch am Beispiel des Innenhofs des spanischen Kongresses aufzeigen, welcher als spärlicher Raucherhof angelegt ist, in seiner Funktion aber ganz neue Möglichkeiten der Interaktion für die Abgeordneten schafft. Erst hier werden Kontakte und Gespräche möglich, die es in den Büros oder im Saal des Kongresses nicht wären. Die politischen Städte Berlin und Madrid sind verschieden aufgebaut, die politischen Orte unterschiedlich angeordnet. Damit einher geht die ebenfalls unterschiedliche Bedeutung von Entfernungen und Nähe und der allgemeinen Wertigkeit der politischen Orte. Äüßerst ähnlich ist hingegen der Aufbau einzelner politischer Orte beziehungsweise deren Ausstattung in beiden Fallstudien. Die Funktionen spezifischer räumlicher Muster für die Interaktionen der Feldteilnehmer sind in Berlin und Madrid identisch. 8.1.5 Wirkung politischer Orte Die zentrale Frage dieser Arbeit ist das Verhältnis von sozialem Raum und physischem Raum zueinander am Beispiel nationaler politischer Felder und den politischen Orten, die diese produzieren und konstruieren. In den vorangegangenen Kapiteln der beiden Fallstudien und des Vergleichs habe ich den Fokus auf eben diese Produktionsprozesse gelegt und dabei größtenteils einseitig untersucht, wie der soziale Raum, also die Feldteilnehmer, in ihrer Praxis mit Raum, also den politischen Orten, umgehen. In den jeweils letzten Kapiteln habe ich diese Logik jedoch umgedreht, und versuchte Rückschlüsse zu ziehen, die den Einfluss räumlicher Muster auf die Funktionsweisen des Feldes und die Positionen einzelner Akteure erlauben. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis in diesem Zusammenhang ist an einigen Stellen bereits angeklungen. Die Akteure der nationalen politischen Felder beider Städte nutzen spezifische politische Orte, um an den persönlichen Beziehungen zu anderen Feldteilnehmern zu arbeiten, um darüber die eigene Position im Feld zu verbessern. Um dies zu erreichen, versuchen sie vor allem Vertrauen aufzubauen, beziehungsweise selbst als vertrauenswürdig zu gelten. Es konnte in beiden Städten gezeigt werden, dass spezifische Orte produziert werden, sowohl

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temporäre wie auch bleibend konstruierte, um dieses Ziel zu erreichen. Die Funktion dieser Orte ist in den meisten Fällen eng verknüpft mit dem Konzept von Informalität, welche dabei helfen soll, neue Formen der Interaktion zwischen den Akteuren zu ermöglichen. So konnte ich in beiden Städten zeigen, dass oft überraschende Orte gezielt als politische Orte von den Akteuren intendiert produziert werden. Die Tapas-Bars und der Circulo de Bellas Artes in Madrid oder das Bar-Hopping in Berlin sind Beispiele, an denen gerade Orte, die wenig Diskretion und Ruhe bieten, gezielt zu Orten des Kennenlernens und zum Aufbau von Vertrauen genutzt werden. Auch die Unterscheidung von Arbeitszeit und Freizeit spielt hier sicherlich eine Rolle. Hier reden die Akteure über Dinge, die das Tagesgeschäft oder inhaltliche Themen, für die ein eigenes Treffen anberaumt wird, nicht oder weniger berühren. Entsprechend der Ortes und des damit verknüpften Anlasses ergeben sich also Chancen, die die Feldteilnehmer nutzen. Auch andere Orte außerhalb der offiziellen Arbeitsorte werden genutzt, um Interaktionen zu ermöglichen, die dort nicht möglich sind. Beispiele habe ich bereits in anderen Kontexten erwähnt: der Innenhof des spanischen Kongresses, Hotellobbys oder das Café Einstein. Allen gemein ist die Herstellung einer besonders großen Intimität und somit eine Art Vertrauensvorschuss, welcher für den einladenden Akteur mit der Hoffnung auf einen Gewinn in Form von verbesserten Beziehungen zurückgezahlt werden soll. Politische Orte können also auf vielfältige Weise dazu dienen, die Qualität und Quantität der sozialen Beziehungen innerhalb des Feldes zu verändern. Eine andere Wirkung, die jedoch nur in Berlin in vollem Umfang zu tragen kommt, ist die Bedeutung der Repräsentativität politischer Orte und die damit verbundene Wertschätzung, die dadurch den jeweiligen Interaktionspartnern entgegengebracht wird. Ich konnte aufzeigen, dass besonders für Interessenvertreter aber auch für Journalisten in Berlin der Druck besteht, über die Anmietung attraktiver Räumlichkeiten für Veranstaltungen aber auch für die Büros der Mitarbeiter selbst eine gewisse Außenwirkung zu generieren, welche suggeriert: der eigenen Organisation ist es ernst und wichtig, in Berlin präsent zu sein und hier mit den anderen Feldteilnehmern ins Gespräch zu kommen. Dies ist in Madrid in den Gesprächen mit den Feldteilnehmern nicht nachweisbar gewesen, Repräsentativität politischer Orte spielt eine untergeordnete Rolle. In beiden Fällen konnte jedoch durchaus gezeigt werden, dass die Akteure bei der Wahl von Treffpunkten außerhalb der eigenen Arbeitsräume sehr wohl abwägen, welchen Interaktionspartner sie wohin einladen. Dabei spielt auch eine Rolle, wie und in welcher Position sich der einladende Akteur selbst präsentieren, beziehungsweise welchen Eindruck er hinterlassen möchte. Die Wahl eines Restaurants kann dabei wichtig sein, wie im Berliner Fall gezeigt, aber auch die Frage, inwieweit die

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Einladung in eine Hotellobby sinnvoll für ein Gespräch ist, wie es in Madrid zur Sprache kam. Politische Orte können so, neben ihrer Funktion der direkten Beeinflussung von Beziehungen zwischen den Feldteilnehmern auch indirekt auf diese Einfluss nehmen, indem sie Signale der Wertschätzung senden, welche ebenfalls die Akteursbeziehungen verändern können. Die Wirkung politischer Orte auf die Feldteilnehmer lässt sich so auf der einen Seite in der Beeinflussung der Chancen finden, das eigene politische Kapital zu vermehren. Denn über die verbesserten Beziehungen zu anderen Akteuren verbessert sich der Ruf der Feldteilnehmer wie auch, über neu entstehende Bündnisse und geteiltes Wissen, ihre Kompetenz, die eigenen politischen Produkte erfolgreich im Feld zu positionieren und gegen Konkurrenz durchzusetzen. Hierdurch werden zudem die Hierarchien innerhalb des Feldes verhandelt. Wie bereits anfangs gezeigt wurde, gibt es zentralere Positionen, welche von Akteuren mit mehr politischem Kapital besetzt sind und weniger zentrale, die demensprechend auch weniger politisches Kapital erfordern. Möglich ist aber auch ein Ausschluss aus dem politischen Feld: einmal durch das Nicht-Vorhandensein von genügend politischem Kapital, oder durch das Brechen der feldinternen Regeln zur Akkumulierung eben jenes Kapitals an einem spezifischen Ort. Eine Möglichkeit ist hier der falsche Umgang mit politischen Orten. Das Einladen eines Interaktionspartners an einen für das geplante Format des Gespräches abträglichen Ort kann diesen etwa verärgern und so das Verhältnis der beiden Akteure belasten. Kommt dies häufiger vor und werden zentrale Akteure des Feldes verärgert, kann dies zu einem langsamen Ausschluss aus dem Feld führen, ausgelöst durch immer seltenere Möglichkeiten der Interaktion. Zusammengefasst zeigt sich, dass politische Orte indirekt über die Beeinflussung der Möglichkeiten, Vertrauen aufzubauen oder durch die Investition in Repräsentativität, um Wertschätzung auszudrücken, direkt und indirekt Einfluss auf die Positionierung der Feldteilnehmer innerhalb des Feldes ausüben und zudem auch zu einem Ausschluss beitragen können. Die Präsenz an politischen Orten ist damit ein zentraler Teil der Praxis der Akteure, um erfolgreich agieren zu können, ebenso ist die Kenntnis der ortsspezifischen Regeln des Feldes bedeutend. Beides ist damit schließlich verbunden, einen großen Teil der eigenen Zeit an politischen Orten zu verbringen.

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8.2 DAS POLITISCHE FELD UND DIE POLITISCHE KULTUR Ich konnte bereits aufzeigen, dass sich das politische Feld in Berlin in der Verteilung der einzelnen Teil-Gruppen Politiker, Lobbyisten und Journalisten anders zusammensetzt als dies in Madrid der Fall ist. Immer wieder wird beispielsweise in Madrid über die versteckte Beeinflussung, oft illustriert durch das informelle Treffen in der Hotellobby, berichtet. In Berlin ist dies nicht der Fall. Konkret begründen die Akteure in Spanien ihre Wahrnehmung anhand von drei lokalen Problematiken: Erstens fehlt es in Spanien an einem offiziellen und öffentlichen Lobbyregister. Dieses ist jedoch auch in Berlin nicht vorhanden. Zweitens ist die offizielle Berufsbezeichnung des Lobbyisten in Spanien wenig verbreitet. Vielmehr nehmen Mitarbeiter mit anderen Berufsbezeichnungen diese Tätigkeit wahr. Ob sie tatsächlich die Interessenvertretung nur neben ihrer Haupttätigkeit ausführen, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden, die Gespräche mit den Feldteilnehmern lassen allerdings gegenteilige Vermutungen zu. In Berlin ist dies nicht der Fall. Lobbyisten erfüllen hier in großer Anzahl ihre Arbeit auch unter einer entsprechenden Berufsbezeichnung, sie sind Vertreter oder Bevollmächtigte. Drittens, der Lobbyismus leidet in Spanien unter einem sehr schlechten Ruf, vor allem aufgrund unzähliger Korruptionsskandale, welche die nationale Politik seit der Wiedererlangung der Demokratie bereits häufig in fundamentale Krisen gestürzt haben und in der (Wahl-)Bevölkerung große Skepsis gegenüber Interessenvertretern, gerade aus dem Bereich der Wirtschaft ausgelöst haben. Ebenfalls misstrauisch sind die Spanier in diesem Kontext auch gegenüber ihren Politikern. Sämtliche relevanten Parteien seit der Demokratisierung1 hatten bereits mit Korruptionsskandalen zu kämpfen, sei es auf der staatlichen Ebene oder jener der Autonomen Gemeinschaften oder der Städte (Jiménez 2009). Mit Korruptionsskandalen und sinkendem Vertrauen in die Politik haben auch die Bundespolitiker in Deutschland zu kämpfen, jedoch ist die Wahrnehmung des Ausmaßes der Skandale und ihrer Anzahl mit den Verhältnissen in Spanien nicht vergleichbar. Bevor ich nun im Folgenden anhand eines Exkurses exemplarisch herausstellen möchte, warum die Wahrnehmung von Korruption in Madrid so von der in Deutschland abweicht, werde ich noch einige weitere theoretische Anmerkungen tätigen. Die als hoch wahrgenommene Korruption in Spanien erklärt meines Erachtens nach die zwei anderen Problematiken, auf die ich zuvor zu sprechen kam. Zum einen wird die Berufsbezeichnung des Lobbyisten in Spanien von sehr we-

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Eine Ausnahme bilden die neuen Parteien Podemos und Ciudadanos.

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nigen Interessenvertretern offiziell geführt. Es ist für mich nachvollziehbar, dass die Lobbyisten selbst durch die Vermeidung der öffentlichen Benennung ihrer eigentlichen Aufgabenbeschreibung versuchen, problematische Situationen für sich und die Abgeordneten zu vermeiden, in der Hoffnung, Gespräche zwischen Unternehmern und Abgeordneten seien weniger negativ in der Bevölkerung konnotiert, als es Gespräche zwischen Abgeordneten und offiziellen Lobbyisten wären. Die Lobbyisten wahren also ihre eigenen Interessen, indem sie auf eine offizielle Benennung ihrer Tätigkeit verzichten. Eine andere Erklärung liegt in meinem ersten Punkt begründet. Das Fehlen eines Lobbyregisters führt dazu, dass offizielle Zahlen über die Anzahl der Lobbyisten nicht vorliegen. Einerseits erhoffen sich die Beteiligten dabei das Ausbleiben schlechter Presse, also eines noch schlechteren Rufs von Lobbyismus. Andererseits lässt sich auch vermuten, dass versucht wird, die Nachfrage nach einem solchen Lobby-Register möglichst klein zu halten, schließlich würde es zu einer größeren Transparenz der Interaktionsbeziehungen sämtlicher Akteure innerhalb des Feldes führen. Hierfür die Anzahl aktiver Lobbyisten offiziell klein oder relativ unbedeutend zu halten, erscheint ein durchaus sinnvolles Instrument zu sein, um informelle Beziehungen, Netzwerke und Entscheidungsfindungsprozesse und damit etablierte Funktionsweisen des Feldes zu schützen. Relevant und nicht gänzlich beantwortet bleibt abschließend jedoch die TeilFrage, warum in Deutschland trotz ebenfalls fehlendem Lobbyregister die Interessenvertreter deutlich sichtbarer sind. Anhaltspunkte für die Erklärung dieses Phänomens habe ich in Kapitel 8.3., im Anschluss an den folgenden Exkurs zusammengetragen. Exkurs: Korruption in Spanien und Deutschland Quantitativ vergleichend lässt sich das Ausmaß von Korruption am Corruption Perceptions Index (CPI) ablesen, welcher jährlich von der Nichtregierungsorganisation Transparency International erhoben wird. Ihm zufolge liegt Spanien 2016 mit einem Wert von 58 von 100 möglichen Punkten auf dem 41. Platz von 176 gelisteten Staaten, punktgleich mit Brunei und Costa Rica. Der Index misst das wahrgenommene Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor des Staates. Die ersten drei Plätze des Rankings belegen Dänemark, Neuseeland und Finnland mit jeweils 90 beziehungsweise 89 Punkten, Deutschland kommt mit 81 Punkten auf den 10. Platz, Spaniens direkte geographische Nachbarn Frankreich und Portugal erreichen den 23. beziehungsweise 29. Spanien schneidet also im Vergleich mit Deutschland, aber auch im Vergleich mit seinen europäischen Nachbarstaaten schlecht ab (Transparency International 2017a). Im zeitlichen Verlauf

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zeigt sich seit 2003 eine deutliche Abwärtsbewegung der Positionierung Spaniens. Wurde 2004 noch ein 22. Platz erreicht, fällt die Platzierung bis 2009 auf einen 32., um dann 2013 den bis 2016 schlechtesten 40. Platz mit 59 Punkten zu besetzen (Transparency International 2017b). Es zeigt sich, dass Spanien in der jüngsten Vergangenheit bereits deutlich weniger schlechte Werte erreichen konnte, ab 2008 aber eine starke Abwärtsbewegung erkennbar ist. Es liegt nahe, hier zu vermuten, dass die 2008 voll ausbrechende Finanz- und Immobilienkrise in Spanien, begleitet von ihren katastrophalen sozialen Auswirkungen hier ein zentraler Faktor zur Erklärung dieser Entwicklungen ist.2 Trotzdem bleibt die Frage offen, wie sich die vergleichsweise schlechten Korruptionswerte, gemessen am westeuropäischen Durchschnitt, in Spanien in der öffentlichen Wahrnehmung niederschlagen. Zur Erklärung und um das nun rein quantitativ gezeichnete Bild der Korruptionsanfälligkeit spanischer Politik auch qualitativ deutlicher nachzuzeichnen, möchte im Folgenden anhand zweier recht aktueller Beispiele aus der spanischen medialen Berichterstattung versuchen, herauszuarbeiten, wie Korruption in der Öffentlichkeit aufgearbeitet wird und welche Wirkung dies bezüglich der Wahrnehmung von Lobbyismus in Spanien haben könnte. Dies soll bewusst nur exemplarisch geschehen, um die Generierung einer ersten Theorie zur Erklärung der unterschiedlichen Zusammensetzung des politischen Feldes in Berlin und Madrid zu ermöglichen. Der „Caso Gürtel“, der Gürtel-Fall beschäftigt sich mit den Beziehungen des Unternehmers Francisco Correa3 und drei seiner engen Vertrauten zu den Regionalregierungen der Autonomen Gemeinschaften von Valencia und Madrid. 2009 wurde bekannt, dass bereits 2007 ein ehemaliges Stadtratsmitglied in Majadahonda Anzeige gegen Correa erstattete (Hernández (El Pais) 2009). Gegenstand der folgenden Ermittlungen war der Verdacht, dass sich Scheinfirmen Correas und seiner Komplizen Zuschläge für öffentliche Aufträge gesichert hatten, welche zudem nur fiktiv waren und von Seiten der politisch Verantwortlichen aus der Partido Popular ebenfalls zur eigenen Bereicherung genutzt wurden. Zudem wurde ihnen vorgeworfen, von Bebauungsplänen, die in dieser Zeit erstellt wurden, illegal profitiert zu haben (Altozano (El Pais) 2009). Zuerst aufgedeckt wurde der Fall von der spanischen Tageszeitung El Pais (El Pais 2010). Die Ver2

So wurden im Laufe des Ausbruchs der Krise viele riskante und teilweise illegale Geschäftsmodelle gerade im Immobilienbereich öffentlich, da in diesem Zeitraum strengere Prüfungen der Bankenbilanzen eingeführt wurden, um einem Kollaps des Finanzsektors entgegenzuwirken.

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Correa bedeutet in Deutsch Gürtel, der „Caso Gürtel“ wurde daraufhin von den ermittelnden Behörden als Deckname eingeführt.

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strickungen namhafter Politiker der konservativen Volkspartei waren groß. Der damalige Ministerpräsident José Maria Aznar selbst hatte eine Firma Correas zur Organisation öffentlicher Parteiveranstaltungen engagieren lassen. Erst mit der Wahl Mariano Rajoys zum neuen Parteivorsitzenden wurden diese Geschäftsbeziehungen 2004 beendet (La Voz de Galicia 2009). Im Laufe des Verfahrens traten noch bis 2014 namhafte Politiker zurück, welchen eine Verstrickung in den Skandal nachgewiesen werden konnte. Unter Ihnen der Ministerpräsident der Autonomen Gemeinschaft Valencia, welcher teure Geschenke Camps angenommen hatte und 2011 seinen Rücktritt erklärte (El Pais 2011) und Ana Mato, die seit 2011 im Kabinett Rajoy I als Gesundheitsministerin tätig war und 2014 nach dem Bekanntwerden von Verstrickungen ihres Ex-Ehemanns in den Fall Gürtel im Rahmen von Immobiliengeschäften in Vororten Madrids ebenfalls den Rücktritt einreichte. So soll die Familie Bargeld in Höhe von 477000 Euro, Reisen im Wert von 50000 Euro und Feste für 5000 Euro gezahlt bekommen haben (Altozano (El Pais) 2013). 2015 mussten sich neben den Hauptangeklagten rund um die Unternehmen Correas auch 40 Mitglieder der PP, Schatzmeister, ExBürgermeister und Lokalpolitiker den Gerichten stellen (Süddeutsche 2015). Die Öffentlichkeit verfolgte die Entwicklungen des Falls, die immer neuen Verstrickungen von immer mehr Politikern auf allen Ebenen, mit zunehmender Empörung. Nicht zuletzt durch viele Bauprojekte, die in der Urlaubsregion Valencia und der Hauptstadtregion Madrid gegen geltendes Recht umgesetzt wurden, bleibt die Affäre bis heute ein sichtbares Zeugnis der Korruptionsprobleme in der spanischen Politik.4 Ein weiterer bekannter Fall aus der noch jüngeren Vergangenheit ist die Operación Púnica im Jahr 2014. Der Staatsanwalt Eloy Velasco hatte in Zusammenarbeit mit der Guardia Civil, einer besonderen spanischen Polizeieinheit, einen Korruptionsskandal aufgedeckt, in den 51 Politiker, Bürgermeister, Parteifunktionäre und Unternehmer verstrickt waren (Hernández/Irujo (El Pais) 2014). Insgesamt wurden 250 Millionen Euro unterschlagen. Betroffen waren erneut vor allem Politiker der konservativen Partido Popular. Neben den Autonomen Gemeinschaften Valencia und Madrid traf es nun jedoch auch Murcia und Leon (Rodríguez (El Pais) 2014). Es ging erneut um Immobiliengeschäfte, bei denen Cofely, eine Tochter der französischen Gaz de France illegale Kommissionen an Politiker im Gegenzug für Aufträge zahlten. Zwei bis drei Prozent des Auftragswertes ließen sie sich dabei selbst gutschreiben, entsprechende Dokumente fälschten sie, um ihre Bereicherung zu vertuschen (El Mundo 2014). Wieder 4

Auf der Internetplattform Nación Rotonda lassen sich noch heute anhand von Satellitenfotos die damals rechtswidrig genehmigten Bebauungspläne und die auf ihnen umgesetzten Bauprojekte nachverfolgen (Nación Rotonda 2017).

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reichten die Verstrickungen bis in hohe Ämter. Francisco Granados, nach dem der Skandal benannt wurde, war selbst Stellvertreter von Esperanza Aguirre, der Ministerpräsidentin der Autonomen Gemeinschaft Madrid. Auch der Minister für Informations- und Kommunikationstechnologie in ihrem Kabinett war in die Affäre verstrickt. Darüber hinaus viele Bürgermeister mittelgroßer spanischer Städte sowie Mitarbeiter von verschiedenen Behörden, die zumeist mit der Stadtplanung befasst waren. Auch dieser Skandal beschäftigte die spanische Öffentlichkeit über Monate und baute Druck auf die Regierung unter dem konservativen Rajoy auf. Dieser sah sich in der Folge genötigt, sich für das Verhalten seiner Parteifreunde öffentlich zu entschuldigen (Cruz/Hernández (El Mundo) 2014). Fälle wie die beiden vorgestellten gibt es in den spanischen Medien in großer Menge und regelmäßigen Abständen. Seit der Demokratisierung des Landes nach dem Tod Francos sammelten die Nutzer der spanischen Wikipedia auf der Seite zu Korruption in Spanien allein 85 belegbare Skandale, die seit 1976 an die Öffentlichkeit gelangten, bei denen sich Politiker illegal selbst bereicherten (Wikipedia 2017). In Deutschland verhält sich dies anders. Zwar gibt es mit dem großen Parteispendenskandal der CDU in den 90er Jahren, bei dem bis heute ungeklärt ist, wo die Gelder herkamen (Süddeutsche 2010) und der „Wulff-Affäre“ 2011/12 um die Gewährung eines verzinsten Privatkredits durch den Unternehmer Egon Geerkens an den damaligen Bundespräsidenten (Fröhlingsdorf (Spiegel-Online) 2011) ebenfalls Fälle von illegalem Verhalten von Politikern. Jedoch sind diese Fälle deutlich seltener und zudem nicht mit der direkten finanziellen Bereicherung der jeweiligen Person verbunden. So ging es bei der CDU um Spenden an die Partei, bei Wulff ging es um einen Kredit, der zudem zu vier Prozent verzinst war. Dieser kurze Vergleich soll keinesfalls den Eindruck erwecken, dass nun belegt ist, in Deutschland gäbe es tatsächlich signifikant weniger Korruption innerhalb des politischen Feldes als in Spanien. Dafür genügen die exemplarisch gewählten Fälle und die verwendeten Quellen sicherlich nicht und auch der quantitative Index von Transparency International müsste hierzu näher untersucht werden. Zudem ist das auch nicht zentrales Thema dieser Arbeit. Hilfreich jedoch waren die Beispiele sicherlich, um zu verstehen, warum Lobbyismus in Spanien in der öffentlichen Wahrnehmung kritischer gesehen wird und der Umgang mit Interessenvertretern, gerade aus dem Bereich der privatwirtschaftlichen gewinnorientierten Unternehmen für die Kongressabgeordneten dadurch nicht einfach ist. Auf der einen Seite haben sie ein berechtigtes Interesse an der fachlichen Expertise und der Meinung verschiedener gesellschaftlicher Akteure, auf der an-

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deren Seite möchten sie dem Vorwurf entgehen, ebenfalls in illegale Aktivitäten verwickelt zu sein, wie sie die spanische Öffentlichkeit seit der Demokratisierung häufig erlebt hat.

8.3 DIE POLITISCHE STADT UND IHRE GESTALT UND GESCHICHTE In beiden Hauptstädten habe ich die Feldteilnehmer befragt, wie sie die politischen Orte in der jeweiligen Stadt bezüglich ihrer Sichtbarkeit, ihres Aufbaus und ihrer Verteilung wahrnehmen. Die in Kapitel 8.1.4. vorgestellten vergleichenden Ergebnisse zeigen, dass die Anzahl und Dichte politischer Orte in Berlin deutlich größer ist, als dies in Madrid der Fall ist. Im Folgenden möchte ich einen Erklärungsversuch liefern, der auch hilfreich ist, die im vorangegangenen Abschnitt gestellte Frage nach den Gründen für einen höheren Professionalisierungsgrad beziehungsweise eine größere Sichtbarkeit von Lobbyismus in Berlin zu beantworten. Im Rahmen der Vorstellung der beiden Fälle in Kapitel 5 bin ich bereits auf die sehr unterschiedliche Geschichte Berlins und Madrids in ihrer jeweiligen Funktion als Hauptstadt eingegangen. Zwar ist beiden Staaten und Städten gemein, dass sie innerhalb des letzten Jahrhunderts einen doppelten RegimeWechsel, von der Demokratie5 hin zu einer Diktatur und wieder zurück zu einer demokratischen Staatsform vollzogen haben. Zugleich blieb in dieser Zeit jedoch nur Madrid kontinuierlich in seiner Funktion als Hauptstadt Spaniens bestehen. Anders verhielt es sich in Berlin, wo durch die Teilung der Stadt und des Staates eine Situation eintrat, in der mit Ost-Berlin eine Hälfte der Stadt neue Hauptstadt, Regierungs- und Parlamentssitz der DDR wurde und West-Berlin ein solche Funktionen für die Bundesrepublik an Bonn abtreten musste. Zusätzlich dazu verlief die Grenze innerhalb der Stadt genau dort, wo sich einst das politische Zentrum des Staates, der politische Teil der Stadt befand, rund um das Reichstagsgebäude und die Wilhelmstraße. Ebenfalls verschwanden die Konzernzentralen der großen westdeutschen Unternehmen aus der Stadt, sie siedelten sich in den anderen Großstädten Westdeutschlands an. Dies änderte sich mit der Wiedervereinigung Deutschlands und der Stadt Berlin sowie dem Hauptstadtbeschluss teilweise. Berlin war erneut Hauptstadt

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Welche in beiden Fällen jedoch nur von kurzer Dauer war. Die zweite Republik in Spanien dauerte von 1931-1939 an, bereits 1936 begann jedoch der Bürgerkrieg, in Deutschland währte die Weimarer Republik von 1918 bis 1933.

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inklusive Regierungs- und Parlamentssitz. Jedoch war benötigte Infrastruktur, die für das Parlament und die Ministerien, die Landesvertretungen und sonstige Einrichtungen gebraucht wurde, nicht ausreichend nutzbare Bausubstanz vorhanden. Es mussten also zunächst, im Rahmen des Umzugs, viele der alten Gebäude erneut genutzt werden, welche bereits in der DDR Ministerien oder andere öffentliche Einrichtungen beherbergten. Gleichzeitig wurde versucht, schnell mit Neubauten neuen Platz zu schaffen und durch die Erarbeitung von Masterplänen dem politischen Berlin ein Gesicht zu geben. Einige der hierzu gefassten Pläne habe ich bereits in Kapitel 6 vorgestellt, trotzdem möchte ich mit einem Blick auf die bauliche Entwicklung der Bundesministerien nun beispielhaft aufzeigen, in welchem Maße neuer Raum für das nationale politische Feld in der Stadt geschaffen wurde.6 Die Ministerien bieten sich für eine solche Übersicht an, denn sie sind in ausreichender aber begrenzter Anzahl in beiden Städten vorhanden. Zwar spielten sie für die Interaktionsprozesse innerhalb des nationalen politischen Feldes keine herausgehobene Rolle, trotzdem gehören sie und ihre Mitarbeiter zum politischen Feld und zu den politischen Orten. Von den vierzehn heutigen Ministerien haben heute acht ihren Haupt- oder Zweitsitz in einem Gebäude, welches bereits in der Zeit vor der Wiedervereinigung Sitz einer staatlichen Institution war. Diese sind das Arbeitsund Sozialministerium, das Auswärtige Amt, das Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium, das Finanzministerium, das Gesundheitsministerium, das Justizministerium, das Verteidigungsministerium und das Entwicklungsministerium. Die politische Geschichte der Gebäude reicht dabei unterschiedlich weit zurück in die Vergangenheit. So war das heutige Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium schon im Jahr 1844 preußisches Justizministerium, ab 1900 Sitz des geheimen Zivilkabinetts, des persönlichen Regierungsbüros des Monarchen und in der Nazizeit Sitz von Rudolf Heß und seinen Mitarbeitern, bevor das Gebäude in der Zeit der deutsch-deutschen Teilung verfiel und erst im Zuge der Wiedervereinigung restauriert und modernisiert wurde und so seine Bedeutung für das nationale politische Feld erneut erlangte. Im Gegensatz dazu ist die Geschichte des heutigen Finanzministeriums deutlich kürzer. Es ist das einzige Ministerium, welches in einem Gebäude, das in der Nazi-Zeit durch die Nazis errichtet wurde, untergebracht ist. Hier befanden sich die Büros des Reichsluftfahrtministeriums. In der DDR-Zeit wurde das Gebäude als Haus der Ministerien weitergenutzt. Das heutige Finanzministerium ist zudem das einzige Ministe-

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Daten zur baulichen Entwicklung der Ministerien entstammen deren Internetauftritten, diese sind im Literaturverzeichnis gelistet.

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riumsgebäude, welches im Rahmen des Hauptstadtumzugs bis heute keine Erweiterungsbauten bekommen hat. Drei weitere Ministerien, das Familienministerium, das Verkehrsministerium und das Wirtschaftsministerium sind ebenfalls in Altbauten mit modernen Anbauten untergebracht, jedoch waren hier vor der Wiedervereinigung keine baulich konstruierten politischen Orte des nationalen politischen Feldes untergebracht. Im heutigen Verkehrsministerium hatte so zum Beispiel die geologische Landesanstalt ihren Sitz. Die letzten drei Ministerien, das Bildungs- und Forschungsministerium, das Innenministerium und das Umweltministerium haben heute ihren Sitz in kompletten Neubauten, zudem ist auch der Ort, an dem diese errichtet sind, zuvor nicht von relevanten politischen Orten belegt gewesen. Das Bildungs- und Forschungsministerium zum Beispiel hat einen Neubau am Spreebogen, in direkter Sichtweite zum Kanzleramt bezogen, es entstanden alleine für dieses Ministerium 58000m² Bruttogeschossfläche. Hier standen vor dem Zweiten Weltkrieg kleinere Altbauten, welche unter anderem Botschaften beherbergten. Das Gebäude wurde zudem, wie viele der Neubauten für Ministerien deutlich zu groß gebaut, um einem in Zukunft anstehenden Komplettumzug von Bonn nach Berlin Rechnung zu tragen. Exemplarisch sollte diese Zusammenfassung der baulichen Entwicklung der Ministeriumssitze in Berlin vor allem verdeutlichen, wie stark über die Sanierung und Ergänzung bestehender Gebäude und den Neubau ganzer Gebäudekomplexe die Funktion der Hauptstadt im politischen Teil der Hauptstadt sichtbar gemacht wurde. Dies ist sicher ein Grund dafür, dass die Feldteilnehmer in Berlin eine so konkrete Vorstellung davon haben, welcher Teil der Stadt der für das nationale politische Feld relevante ist. Aber nicht nur durch den Bau neuer Gebäude in zentralen Lagen der Stadt beziehungsweise der baulichen Erweiterung dieser wurde die politische Stadt in Berlin sichtbar. In der Folge entwickelte sich auch bei den Interessenvertretern aller Lager zunehmend der Bedarf, nahe des neu entstehenden politischen Zentrums Präsenz zu zeigen. Am deutlichsten macht sich diese Entwicklung heute im Bereich des Boulevards Unter den Linden und den ihn umgebenden Straßen bemerkbar. Hier ballen sich nicht nur die Büros der Unternehmensvertretungen. Zunehmend wird für die Lobbyisten auch die Außenwirkung, die Repräsentativität ihrer Büros bedeutend (Kapitel 6.5.2.), weshalb diese häufig um Showrooms oder Veranstaltungsräumlichkeiten erweitert werden. Dadurch entsteht baulich das, was wir heute Unter den Linden sehen können, wo deutsche Autohersteller neben amerikanischen IT-Konzernen und der Europäischen Union große Flächen besetzen, nicht nur, um bei den Touristen für ihre Botschaften zu werben, son-

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dern eben auch, um ihre Interessen im Diskurs um politische Entscheidungen innerhalb des nationalen politischen Feldes sichtbar zu machen. Ähnlich verhält es sich auch mit den Medienvertretern. Am deutlichsten wird ihre Investition in die Sichtbarkeit und Repräsentativität in Berlin sicherlich durch Gebäude wie das Berliner Hauptstadtstudio der ARD in direkter Nachbarschaft zum Reichstag. Aber auch andere Fernsehsender, Printmedien und Nachrichtenagenturen haben sich in Berlin niedergelassen, zumeist nicht mit ihrem Hauptsitz, wohl aber mit einer umfangreichen Dependance. Folgend zeige ich eine Übersicht der Lobbycontrol zu Standorten von Lobbybüros in Berlin, um die räumliche Dichte und große Anzahl deren Standorte zu verdeutlichen:

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Abbildung 11: Verteilung von Lobbybüros in Berlin

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Mit dieser baulichen Entwicklung einher geht in Berlin zudem die Professionalisierung der Organisationsstrukturen vor Ort. Lobbyisten werden gezielt für die Tätigkeit der Interessenvertretung eingestellt. Sie erhalten zudem Berufsbezeichnungen, welche ihre Tätigkeit ebenso wie ihre Zugehörigkeit zu den neu geschaffenen Strukturen sichtbar machen. So arbeiten an diesen Orten oft Abteilungen der Unternehmenskommunikation einem Konzernbevollmächtigten zu, welcher seiner Position entsprechend, weitreichende Entscheidungen im Namen der jeweiligen Organisation treffen kann. Auch dies unterstreicht die Bedeutung beziehungsweise die Menge delegierten Kapitals, welche die Unternehmen und sonstigen Organisationen ihrer neuen Präsenz und deren zentralen Akteuren in der Hauptstadt zugestehen. Eine solche bauliche Entwicklung und, parallel dazu, eine solche organisationsstrukturelle Veränderung hat es in Madrid nicht gegeben. Die politischen Institutionen und auch die Interessenvertreter und Medien haben Madrid als Hauptstadt nie verlassen und in anderen Städten Spaniens ihre Hauptquartiere aufgeschlagen. Natürlich haben auch in der spanischen Franco-Diktatur, ähnlich wie in der Zeit der deutsch-deutschen Teilung, nicht die gleichen Akteure des nationalen politischen Feldes die Stadt bevölkert, wie es heute der Fall ist. Jedoch hat die Entwicklung in Madrid einen gänzlich anderen Hintergrund. Seit jeher haben in Madrid große Konzerne ihren Hauptsitz. Sie wurden während der Franco-Zeit zu einem Teil verstaatlicht, falls sie nicht schon in dieser Form gegründet wurden, und erst im Prozess der Demokratisierung und anschließenden Öffnung der Märkte privatisiert. Immer jedoch vertrat Franco einen staatlichen Zentralismus zugunsten Madrids. Ein gutes Beispiel mit einer großen Sichtbarkeit in Madrid ist der globale Telekommunikationskonzern Telefónica. Der historische Hauptsitz dieses Unternehmens liegt an der Gran Via, dem Prachtboulevard der spanischen Hauptstadt. Telefonica, gegründet 1924 von der amerikanischen International Telephone and Telegraph Corporation ließ dort 1926-1929 ein modernes Bürogebäude inklusive einer Telefonzentrale für die spanische Hauptstadt errichten (García Algarra 2011: 313 ff.). Es war seinerzeit das höchste Gebäude der Stadt. In der Zeit des spanischen Bürgerkriegs und auch während des Zweiten Weltkriegs verblieb das Unternehmen in privatwirtschaftlicher Hand, bis es durch das Franco-Regime im Jahr 1945 fast vollständig verstaatlicht wurde. Ab 1967 bis 1999 wurde der staatliche Anteil durch Privatisierungsschritte aufgelöst, der wachsende Konzern mietete bis zur Jahrtausendwende immer mehr Büros überall in Madrid an, um seinen Platzbedarf zu decken (ebd.: 574 ff.). 1999 wurde dann ein Architekturwettbewerb entschieden, welcher die Neuplanung einer „Ciudad de las Comunicaciones“, einer „Stadt der Kommunikation“ vorsah oder, etwas abseits von globalem Marketing-Branding,

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einem neuen Hauptsitz des Unternehmens im Norden der Stadt. Der futuristische Siegerentwurf würde nicht umgesetzt, teilte Telefónica 2001 mit und errichtete stattdessen auf dem gleichen Grundstück den „Distrito C“, einen ebenfalls futuristisch anmutenden Gebäudekomplex mit 140000m² Bruttogeschossfläche für 500 Millionen Euro (ebd.: 601 ff.). Heute nennt das Unternehmen ihre Konzernzentrale für das internationale operative Geschäft „Distrito Telefónica“. Der historische Hauptsitz in der Gran Via wird indes weiterhin genutzt. Neben einem großen Geschäft, einem „Flag-Ship-Store“, betreibt Telefónica vor Ort ein Technikmuseum und mit der Fundación Telefónica eine Galerie mit wechselnden Kunstausstellungen. Der Fall von Telefónica ist beispielhaft für die Entwicklung vieler Unternehmen in Spanien, welche seit Jahrzehnten ihre Zentralen oder Büros in der Stadt unterhalten und diese oftmals in repräsentativen Gebäuden untergebracht haben. Es gab hier keinen Wechsel, kein temporäres Ausweichen in andere Städte, keine Gründungen neuer Dependancen mit der sich anschließenden Frage, welche Aufgaben die dort anzustellenden Mitarbeiter denn übernehmen sollten. Lobbyismus, wie er heute durch die großen Unternehmensrepräsentanzen in Berlin als exklusive Aufgabe praktiziert wird, wurde in Madrid schon seit jeher aus den Konzernzentralen heraus gemacht, hierzu musste keine neue Berufsbezeichnung, kein exklusiver Ort geschaffen werden. Die beschriebenen Probleme mit der Sichtbarkeit und dem Ruf, den die Interessenvertreten in Spanien genießen, lassen sich auf genau diese unterschiedliche Entwicklung in den beiden Hauptstädten zurückführen, denn auch Korruption und andere Arten der informellen Absprache haben eine lange Tradition. Anders verhält es sich mit den Medien. Das spanische Pendant zur deutschen ARD und dem ZDF ist Televisión Española (TVE). Gegründet durch das Franco-Regime hat TVE seinen Hauptsitz mitsamt vieler Studios seither abgelegen am östlichen Stadtrand von Madrid. Auch die neuen Printmedien, beispielhaft El Pais und El Mundo7, entstanden seit dem demokratischen Übergang, geben sich mit wenig repräsentativen Adressen außerhalb des Zentrums und mit wenig repräsentativen nüchternen Bürobauten zufrieden. Die Sichtbarkeit der Untergruppe Journalismus innerhalb des nationalen politischen Feldes von Madrid im Zentrum der Stadt und auch um den Kongress als den zentralen Bezugspunkt des Feldes, ist somit, abseits ihrer Produkte an den Kiosken der Stadt, sehr gering. Abschließend werfe ich vergleichend noch einen Blick auf die Gebäude der Ministerien als Beispiel für die Sichtbarkeit der Teil-Gruppe der Politik. Von den dreizehn momentanen Ministerien in Spanien hat keines seinen Sitz in einem Gebäude, welches nach der Franco-Diktatur errichtet wurde. Neun Gebäude 7

Die beiden auflagenstärksten Tageszeitungen des Landes.

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stammen aus der Zeit vor Francos Machtübernahme, unter ihnen beispielsweise der Palacio de Fomento, momentan Sitz des Landwirtschaftsministeriums. Das repräsentative Gebäude ist direkt am Hauptbahnhof Atocha gelegen und wurde bereits 1890 errichtet. Seitdem dient es unterschiedlichen Ministerien als Sitz, wurde aber ursprünglich auch für das damals äußerst relevante Ressort Landwirtschaft errichtet. Ein anderes Beispiel ist der Komplex Nuevos Ministerios am Paseo de la Castellana, dessen Konstruktion bereits 1933 begann, jedoch nach einer Unterbrechung durch den Bürgerkrieg, erst 1942 beendet werden konnte. Auch in diesem Gebäude sind seit jeher Ministerien untergebracht, momentan das Arbeits- und das Bauministerium. Generell gibt es bei den Sitzen der Ministerien in Madrid einen regen Wechsel der Ressorts. Eine Kontinuität oder gar Tradition ist hier nicht zu erkennen. Vier weitere Ministeriumsgebäude wurden während der Diktatur errichtet. Ein Beispiel ist das Gesundheitsministerium direkt gegenüber dem berühmten Prado-Kunstmuseum. Es ist aufgrund seiner Höhe von 16 Stockwerken und seiner modernen Architektur durchaus als auffällig zu bezeichnen und wurde 1949-51 errichtet. Weniger auffällig aber ebenso modern gegenüber den „alten“ Ministerien wirken das Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium sowie das Energieministerium. Alle drei liegen momentan am Paseo de la Castellana. Es ist auffällig, dass sämtliche Ministeriumsgebäude in Madrid erstens aus der Zeit vor dem demokratischen Übergang stammen und zweitens, keine sichtbaren An- und Neubauten aus der Zeit danach aufweisen. Zwar gab es mit Blick auf die Geschichte der einzelnen Ministerien einige Wechsel der Häuser, so ist das Gebäude des heutigen Ministeriums für Landwirtschaft beispielsweise bei seinem Bau mit eben diesem Schriftzug am historischen Eingangsportal versehen worden, wird aber heute als Palacio de Fomento (Bau) bezeichnet, obwohl mittlerweile tatsächlich wieder das Landwirtschaftsministerium in dem Gebäude seinen Sitz unterhält. Insgesamt haben sich die politischen Orte des nationalen politischen Feldes in Madrid mit Blick auf das Beispiel der Ministerien jedoch seit der Franco-Zeit ebenfalls nur in sehr geringen Maße verändert. Es zeigt sich im Vergleich erneut, dass die beschriebene Dynamik der Entstehung neuer, bleibender politischer Orte in Berlin in Madrid nicht vorzufinden ist. Vielmehr handelt es sich, auch unter Berücksichtigung der vorgestellten Beispiele aus den Bereichen Medien und Interessenvertretung, hier um eine teilweise über Jahrhunderte, mindestens aber über Jahrzehnte bestehende Anordnung politischer Orte, welche über das gesamte Zentrum der Stadt verteilt sind. Die Neuentwicklung Berlins zur Hauptstadt, angestoßen durch den Hauptstadtbeschluss und die darauf folgenden Masterpläne zur baulichen Umsetzung des Beschlusses, haben hingegen zu der Möglichkeit geführt, das nationale politische

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Feld Deutschlands auf eine neue Art im Bild der Stadt zu verankern. Das Ergebnis dieses Prozesses ist eine letzte zentrale Erkenntnis dieser Arbeit: Es hat zu einer gesteigerten Dichte und Abgrenzbarkeit der politischen Orte oder einzelner Teilbereiche des Feldes geführt, aber auch zu einer höheren Sichtbarkeit der politischen Orte, genauso wie zu einer größeren Transparenz hinsichtlich der innerhalb des Feldes aktiven Akteure der einzelnen Teil-Gruppen. Dieses Ergebnis bedeutet im Umkehrschluss für Madrid, dass hier gerade durch über viele Jahrzehnte etablierte bauliche Strukturen auch die sozialräumlichen Strukturen wenig Veränderungen durchlebt haben, worin sicherlich ein Grund dafür verborgen liegt, dass selbst innerhalb des politischen Feldes diese Strukturen nicht immer transparent erscheinen, wie dies im Fall der Interessenvertreter der Fall ist.

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Fazit und Ausblick

Diese Arbeit beschäftigte sich mit der Frage nach dem Verhältnis der nationalen politischen Felder in den beiden europäischen Hauptstädten Berlin und Madrid und politischen Orten als dem Ergebnis sozialer Produktionen der Akteure beider Felder. Zur Beantwortung dieser Frage wurden theoretische Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Elitenforschung zusammengetragen und gezeigt, dass sich diese in den meisten Punkten in der Theorie politischer Felder von Pierre Bourdieu wiederfinden. Es konnten in der Folge Vorüberlegungen formuliert werden, die als Ergebnis mit der Auseinandersetzung mit der bestehenden Forschung und als erster Beitrag zu der Entwicklung eines eigenen Forschungskonzeptes verstanden werden können. Anschließend habe ich diesen Vorgang mit den Erkenntnissen aus der sozialwissenschaftlichen Raum- und Stadtforschung wiederholt. Es konnte festgestellt werden, dass die Ausführungen Bourdieus in diesem Bereich nicht gänzlich ausreichend sind, um den konzeptionelle Rahmen für das Forschungsvorhaben zu komplettieren. In der Folge wurden in diesem Teil des theoretischen Rahmens Erkenntnisse anderer Autoren, insbesondere Markus Schroers, hinzugenommen, um ebenfalls Vorüberlegungen zum sozialwissenschaftlichen Raum zu entwickeln. Um beide theoretischen Stränge zusammenzubringen und eine Grundlage für die empirische Forschung zu legen, habe ich in der Folge Arbeitsthesen aufgestellt, welche das Kondensat der theoretischen Auseinandersetzung mit der Fragestellung dieser Arbeit bilden. Sie dienten in der Folge nicht nur als erstes Fundament für die Gestaltung der Interviews und Filter für die Beobachtungen im Feld, sondern stellten zudem auch eine Gliederung für die Verschriftlichung der Fallstudien und den Vergleich beider Einzelstudien dar. Der umfangreiche methodische Teil dieser Arbeit ist den vielfältigen Vorüberlegungen bezüglich der besten Herangehensweise an das Forschungsthema geschuldet. Anschließend an einen Überblick über die Forschungstheorie und -praxis Bourdieus, wählte ich zunächst ein an ethnographische Methoden ange-

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lehntes Design für die Arbeit aus, welches sich durch vielfältige Materialquellen und Dokumentationsmethoden auszeichnete. In der Analyse des Materials und der Verschriftlichung dieser Arbeit bin ich hingegen von einer ethnographischen Praxis abgewichen. Die Fülle an Informationen und Themen, welche ich zu behandeln hatte, führte zu Abstrichen bei der reflektierenden Betrachtung jeder einzelnen Information. Ich habe stattdessen verstärkt interpretativ gearbeitet und so einen für das Thema und die Rahmenbedingungen dieser Arbeit guten Weg gefunden, das vielfältige Material produktiv zu nutzen, ohne dabei gänzlich auf eine Reflektion des Forschungsprozesses verzichten zu müssen. Probleme während der verschiedenen Phasen in der Entstehung dieser Schrift habe ich zudem offengelegt und versucht, meine Lösungsansätze ebenso transparent zu machen. Anschließend habe ich mein Konzept der politischen Stadt als einen physischen Raumausschnitt, der Handlungsarena der Feldteilnehmer der nationalen politischen Felder ist, vorgestellt und außerdem die beiden Hauptstädte Berlin und Madrid samt ihrer politischen Felder beschrieben. Mit der anschließenden Begründung dieser Auswahl war der Grundstein für die beiden Fallstudien dieser Arbeit gelegt. Die zuvor aufgestellten Arbeitsthesen erwiesen sich nun als sehr nützlich, um auch in Schriftform verschiedene Aspekte der zentralen Forschungsfrage zunächst separat voneinander vorstellen zu können. So erfolgte in beiden Studien zuerst eine Untersuchung des Sozialraumes des jeweiligen nationalen politischen Feldes. Danach wurden die Produktions- und Konstruktionsprozesse politischer Orte vorgestellt um diese in den beiden folgenden Kapiteln bezüglich ihrer sozialen Qualitäten und physischer-räumlicher Attribute näher zu beleuchten. Erst im letzten Abschnitt der jeweiligen Studie habe ich explizit die Frage beantwortet, wie die verschieden genutzten politischen Orte sich als Produkte auch auf die Feldteilnehmer und die Dynamiken innerhalb des Feldes auswirken können. Das letzte große inhaltliche Kapitel dieser Arbeit beschäftigte sich abschließend mit dem Vergleich der beiden Fallstudien. Auch hier habe ich zunächst die aus den Arbeitsthesen abgeleiteten Kategorien gemäß dem Aufbau der Fallstudien bearbeitet. Dem schlossen sich zwei weitere Unterkapitel an, die einerseits als eine Erweiterung zu verstehen sind, vor allem aber auch den Versuch einer Erklärung für die Befunde des Vergleichs darstellen. Die zentralen Erkenntnisse, die aus der Arbeit gewonnen wurden, sind dem breiten, explorativen Erkenntnisinteresse und der offenen Forschungsstrategie folgend umfangreich. Bereits der Sozialraum der nationalen politischen Felder beider Städte zeigte in seiner vergleichenden Analyse viele Gemeinsamkeiten aber auch wichtige Unterschiede. In beiden Städten unterteilten die befragten Akteure den politischen Raum in drei Gruppen, die Politiker, die Lobbyisten und

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die Journalisten. Die Gruppe der Politiker wurde zudem stark verengt auf die Abgeordneten des deutschen Bundestages beziehungsweise des spanischen Kongresses. Diese Wahrnehmung teilten auch eben jene Feldteilnehmer, die in der Folge nicht mehr zu den zentralen Akteuren gehörten, wie Mitarbeiter von Ministerien, Diplomaten oder Parteifunktionäre. Gemäß den theoretischen Annahmen Pierre Bourdieus konnte so gezeigt werden, wie das politische Kapital innerhalb der beiden Felder verteilt ist und wer folglich bei den Kämpfen um die Diskurshoheit und damit die Durchsetzung politischer Positionen im Meinungsstreit die besten Erfolgsaussichten hat. Die Ergebnisse zeigen, dass sämtliche Feldteilnehmer die zentralen Entscheidungen im Parlament und dort bei den Abgeordneten verortet sehen und eben jene so zu den entscheidenden Akteuren gezählt werden können, die direkten Einfluss auf die Umsetzung der Politik haben. Die Motivation für die Abgeordneten, Lobbyisten und Journalisten bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen, erklären sie selbst recht einfach: so liefern die Interessenvertreter in vielen Fällen zusätzliche Informationen, welche der Abgeordnete in dieser Form ansonsten nicht zur Verfügung gestellt bekommt. Die Journalisten sorgen zudem für die Präsentation der politischen Erfolge eines Abgeordneten und berichten bei Misserfolgen im Idealfall weiterhin wohlwollend. Eine gute Beziehung zu den Medienvertretern ist also ebenfalls wünschenswert. Der soziale Raum der nationalen politischen Felder ist also in beiden Fällen ein Raum mit einem Machtzentrum, in dem sich die Akteure mit dem vergleichsweise meisten politischen Kapital befinden. Je weiter sich die Position eines weiteren Akteurs nun von diesem Machtzentrum entfernt befindet, über desto weniger Kapital verfügt er, um politische Entscheidungen mit zu beeinflussen. Es ist in beiden Feldern zudem ebenfalls möglich, aus dem Feld ausgeschlossen zu werden, dies vor allem bei einer Missachtung der im Feld vorherrschenden und von allen Feldteilnehmern gestalteten und geteilten Regeln. Ein großer Unterschied in der Wahrnehmung des Aufbaus der beiden nationalen politischen Felder liegt in den Größenverhältnissen der einzelnen Akteursgruppen zueinander. Während in Berlin die zentralen Feldteilnehmer, aber auch die Anzahl der für das Feld relevanten Abgeordneten, Lobbyisten und Journalisten bekannt ist, liegen diese Informationen für den Bereich der Interessenvertreter den meisten befragten Akteuren in Madrid nicht vor. Auffallend ist dabei vor allem, dass in dieser Gruppe selbst ein sehr geringer Organisationsgrad vorherrscht, die Namen von Ansprechpartnern nicht immer bekannt sind und Lobbygruppen, wie sie in Berlin vielfältig vorkommen und in dieser Arbeit beschrieben wurden, nicht existieren. Aus dieser Unsicherheit resultiert zudem das Ergebnis, dass die Anzahl der Akteure in Bezug zu den anderen Untergruppen des Feldes für den Fall Madrid nicht abschließend benannt werden kann.

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Die Produktion und Konstruktion politischer Orte ist die zentrale Voraussetzung für das Vorhandensein eines Einflusses räumlicher Arrangements auf die Praxis der Feldteilnehmer. Denn nur wenn der Ort eine Bedeutung für das Handeln hat, ist es sinnvoll, ihn zu untersuchen, um jenes Handeln besser verstehen zu lernen. Es konnte zunächst, wenig überraschend, in beiden Feldern nachgewiesen werden, dass sich die Akteure des nationalen politischen Feldes gerade deshalb in so großer Zahl in den Hauptstädten aufhalten, weil sie hier, abseits digitaler Kommunikationswege, andere Feldteilnehmer treffen können. Sie interagieren. Bei diesen Aufeinandertreffen produzieren sie politische Orte. Hierbei ist zunächst einmal nicht von Bedeutung, ob es sich um private oder berufliche Treffen handelt, die sozialen Beziehungen der Teilnehmenden werden stets zu einem gewissen Grad neu ausgehandelt. Wichtiger als diese erste Erkenntnis ist jedoch, dass in beiden Städten auch bleibende politische Orte konstruiert werden. Konstruktionsprozesse können dabei baulicher Natur sein, wie der Bau eines Parlamentsgebäudes, sie können aber auch spezifische Bedeutungen durch wiederholte soziale Praxis zu einem Teil der feldinternen Regeln werden lassen. Beispiele hierfür sind das Café Einstein in Berlin oder der Circulo de Bellas Artes in Madrid. Gerade diese Orte mit einer bleibenden Bedeutung für das Feld sind interessant, wenn es darum geht, den Einfluss räumlicher Arrangements, also politischer Orte, auf das Handeln der Feldteilnehmer zu bestimmen, da ihre Bedeutung weniger konstant und ihr Entstehungsprozess weniger offensichtlich ist. In der Folge habe ich zunächst die sozialräumlichen Qualitäten politischer Orte in den Blick genommen. Innerhalb des politischen Feldes werden politische und nicht-politische Orte in beiden Städten unterschieden. Hierzu trennen die Akteure zumeist ihre privaten Wohn- und Freizeitorte von ihren Arbeitsorten und definieren darüber die Unterscheidung von privat und beruflich, was sie wiederum gleichsetzen mit politisch und nicht-politisch. Im Laufe beider Fallstudien konnte gezeigt werden, dass sich diese Wahrnehmung in der Praxis der Feldteilnehmer in vielen Fällen nicht mit den empirischen Befunden deckt. So werden auch Freizeitorte wie Restaurants, Cafés und Kneipen, in einigen Fällen auch die privaten Wohnorte entweder zu politischen Orten, indem dort Arbeitstermine verabredet werden, oftmals werden sie jedoch auch ohne die offizielle Benennung eines Arbeitstreffens zu politischen Orten. Eine private Einladung zum Essen dient dann nicht dazu, spezifische zuvor festgelegte Programmpunkte zu besprechen und abzuarbeiten, wohl aber, die Beziehungen zu anderen Feldakteuren zu verbessern. Die Nutzungsart politischer Ort spielt, so zeigt der Befund einer Vermischung von privaten und arbeitsbezogenen Interaktionen zwischen Feldteilnehmern, eine wichtige Rolle bei der Entschlüsselung der Bedeutungen

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politischer Orte. Es zeigte sich weiterhin, dass gerade private Orte, in besonderen Fällen das gemeinsame Kochen in der privaten Küche oder das Abendessen im Familienwohnzimmer, von Akteuren aktiv eingesetzt werden, um an der Beziehung zu anderen Feldteilnehmern zu arbeiten. Die Einladung in die privaten Räumlichkeiten soll dabei das dem Gegenüber entgegen gebrachte Vertrauen signalisieren und ebenfalls, durch die Privatsphäre der eigenen Räumlichkeiten, Intimität erzeugen. Einen ähnlichen Effekt, wenn auch in abgeschwächter Form, erhoffen sich Feldteilnehmer häufig von der Nutzung von Freizeitorten. Diese unterschieden sich nur im Detail in den beiden Städten. Während in Berlin vor allem Restaurants, Bars und Cafés genannt werden, die wiederum auch in Madrid eine Rolle spielen, werden in der spanischen Hauptstadt in fast jedem Gespräch die Lobbys großer Hotels in der Nähe des spanischen Kongresses thematisiert. Diese Orte genießen innerhalb des spanischen nationalen politischen Feldes einen durchaus zwiespältigen Ruf. Für einige Akteure stellen sie praktische Rückzugsmöglichkeiten für private Gespräche dar, für andere gelten sie als räumliche Manifestation der in Spanien als problematisch wahrgenommen Korruption in Politik und Wirtschaft. Neben diesen privaten Orten und Freizeitorten nutzen die Feldteilnehmer natürlich auch ihre Arbeitsorte für die Interaktion mit anderen. Der spanische Kongress und der Deutsche Bundestag sind hier zentrale Bezugspunkte in allen Gesprächen. Auffällig ist aber, dass in Berlin neben diesem Zentrum der politischen Stadt, weitere Orte genannt werden, die für die Interaktion von Bedeutung sind. Die größte Anzahl dieser Orte wird von den Interessenvertretern betrieben, sie haben in Berlin Repräsentanzen gegründet, in welche sie im Rahmen von Veranstaltungen einladen. In Madrid sind die Lobbyisten mit speziell für das politische Feld konstruierten Orten nicht vertreten, die trotzdem vorhandenen Büros von Unternehmen, Verbänden und NGOʼs werden nicht als für das Feld relevante Orte wahrgenommen. Dies erklärt die besondere Bedeutung von Hotel-Lobbys für Gespräche in einem ruhigen, geschützten Umfeld. Spezifische Orte haben also innerhalb des Feldes ebenso spezifische Funktionen, ein Treffen im Büro eines Abgeordneten wird bezüglich der Wahl des Ortes anders bewertet, als eine Einladung zum Essen in ein Restaurant oder in das Haus eines Feldteilnehmers. Daraus resultiert die besondere Bedeutung bleibender, konstruierter Orte für die nationalen politischen Felder beider Städte. Die Bedeutungen dieser Orte werden in den Regeln des Feldes gespeichert. Dies kann in Form einer Verallgemeinerung geschehen, wie der allgemeinen Assoziation von Privatsphäre oder Korruption mit den Hotellobbys rund um das Madrider Kongressgebäude oder in spezifischer Form, wie die Parlamentarische Ge-

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sellschaft in Berlin den Ruf genießt, Treffpunkt der wichtigsten Entscheider und für wichtige Entscheidungen zu sein. Die Feldteilnehmer sind sich der unterschiedlichen Qualitäten politischer Orte dabei in beiden Städten bewusst und wählen diese gemäß ihrer eigenen Ziele aus, um ihr politisches Kapital zu vermehren und damit innerhalb des hierarchischen Feldes die eigene Positionierung zu verbessern. Auch die physisch-räumliche Dimension politischer Orte spielt für die Feldteilnehmer eine wichtige Rolle. Zunächst einmal konnte gezeigt werden, dass die Anordnung dieser in beiden nationalen politischen Feldern unterschiedlich wahrgenommen wird. Während in Berlin eine genaue Vorstellung davon herrscht, wie die zahlreichen relevanten Orte sich in der Stadt verteilen, ist dies in Madrid nur sehr bedingt der Fall. In Berlin werden zunächst deutlich mehr Orte als für das Feld relevant wahrgenommen. Hier sind vor allem die Büros der Interessenvertreter zu nennen, aber auch angemietete Event-Locations, in denen Veranstaltungen ausgerichtet werden. Die politischen Orte sind zudem laut Aussage vieler Feldteilnehmer räumlich geclustert entsprechend der drei TeilGruppen des Feldes. Medien besetzten einen Bereich der Stadt, die Interessenvertreter schwerpunktmäßig einen anderen, gleiches gilt für die Politik. In Madrid werden deutlich weniger politische Orte genannt, die eine bleibende Relevanz für die Feldteilnehmer besitzen. Dies liegt vor allem an den weniger präsenten Interessenvertretern und nur sehr selten genannten sonstigen Veranstaltungsorten, die frequentiert werden. Die Anzahl der politischen Orte ist also deutlich geringer, in der Folge wird dadurch auch kein Bereich der Stadt wahrgenommen, in dem sich diese besonders konzentrieren, geschweige denn entsprechend spezifischer Funktionen verteilen. Die politischen Orte verteilen sich stattdessen über das weitläufige, multifunktional genutzte Zentrum der Stadt. Einzig der engere Bereich um den Gebäudekomplex des Kongresses weist eine höhere Dichte an politischen Orten auf. Einige Ministerien sowie große Hotels gehobenen Standards, welche als Treffpunkte einiger Feldteilnehmer beschrieben werden, befinden sich hier. Diese ersten Erkenntnisse waren hilfreich, um die ebenfalls verschiedene Bewertung der Bedeutung von Entfernungen in beiden Städten verstehen zu können. Denn während in Berlin Distanzen zwischen den politischen Orten für alle Teilgruppen des Feldes von großer Bedeutung sind und vor allem für Lobbyisten und Journalisten die räumliche Nähe zu den anderen Entscheidern als großer Vorteil wahrgenommen wird, messen die Akteure in Madrid Distanzen zwischen ihrem Arbeitsort und dem anderer Feldteilnehmer nur wenig Bedeutung bei. Wichtige Treffen finden vielmehr im Kongress, umliegenden Hotels oder Restaurants und Bars statt, die sich ebenfalls in der Nähe befinden. Eigene

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Räumlichkeiten gesondert für Treffen vorzuhalten, halten die wenigsten Akteure daher für notwendig. Der Wert einer besonders nah am Reichstag gelegenen Repräsentanz wird dadurch in Berlin deutlich höher eingeschätzt, als dies in Madrid der Fall ist. Aber auch andere Faktoren, wie die Größe, Architektur und Nutzbarkeit spielen in Berlin eine große Rolle, in Madrid hingegen deutlich weniger. Der Aufbau politischer Orte zeigt in beiden Städten eine große Bandbreite, entsprechend der vielfältigen Nutzungen, welche die Akteure für ihre feldspezifischen Interaktionen vollziehen. Es konnte gezeigt werden, wie das Büro eines Akteurs eine Botschaft über seine gewünschte Außenwahrnehmung gegenüber anderen Feldteilnehmern wiedergeben kann, wie der Besuch eines belebten Cafés für eine entspannte Atmosphäre sorgt oder die Einladung in das Privathaus die Entstehung eines vertrauensvollen Verhältnisses unterstützten kann. All dies gelingt auch über die Ausgestaltung der Räume, in denen die Interaktionen vollzogen werden. Eine teure Einrichtung, ein großer Raum, eine beeindruckende Aussicht, all dies kann den Besucher eines Lobbyistenbüros durchaus imponieren, mindestens zeigt es aber, dass der Nutzes dieses Ortes imponieren oder etwas repräsentieren möchte. Ein spärlich eingerichtetes kleines Abgeordnetenbüro kann dagegen ein beabsichtigtes Symbol von Bescheidenheit sein: Bescheidenheit des Nutzers oder aber seines Arbeitgebers, welcher ihm das Büro zur Verfügung gestellt hat. Der Besuch in einer Hotellobby mit großen edlen Ledersofas und geräuschhemmenden und vor neugierigen Blicken schützenden Raumteilern, kann die wahrgenommene Intimität bei einem Treffen erhöhen, bringt in jedem Fall aber den Wunsch hierzu zum Ausdruck, ebenso wie die Bar mit den eng beieinander stehenden Tischen und dem lauten Gelächter an den Nebentischen Ungezwungenheit symbolisieren kann. So spielen der physische Aufbau und die Anordnung politischer Orte in beiden Städten in vielerlei Hinsicht eine ähnlich große Rolle. Doch der Raum wird nicht nur durch die Feldteilnehmer produziert und konstruiert, je nachdem wie sie ihn für ihre eigenen Interaktionsprozesse benötigen, entfaltet er ebenfalls eine Wirkung auf die Akteure in beiden Städten, die nicht immer direkte Intention der Beteiligten ist. Spezifische beziehungsbeeinflussende Gefühlszustände wie Vertrauen und Intimität, aber auch Lockerheit und Ungezwungenheit werden von den Akteuren auf der einen Seite bewusst gesucht. Dies geschieht zum Beispiel durch die private Einladung zu sich nach Hause oder den Besuch öffentlicher und gut frequentierter Cafés. Vielen Orten wohnen diese Bedeutungen aber auch inne, obwohl sie nicht von allen beteiligten Akteuren bewusst aufgrund ihrer feldspezifischen Bedeutung nach ausgewählt und zudem bewusst produziert werden. Der Gast einer privaten Einladung, eines Treffens in einer Hotellobby oder im Büro eines Abgeordneten hat keinen

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Einfluss auf die diesem Ort bleibend eingeschriebenen Bedeutungen. Trotzdem wird sein Handeln hierdurch zu einem gewissen Teil mit beeinflusst oder zumindest vorstrukturiert. Orte wie die Parlamentarische Gesellschaft oder große Veranstaltungen von Interessenvertretern zeichnen sich zudem oftmals dadurch aus, dass die Akteure mehr oder weniger gezwungen sind, sie zu besuchen. Die ortsspezifischen Eigenheiten und die damit verbundene Beeinflussung der Interaktionsprozesse finden also auch hier vom eingeladenen Akteur unintendiert statt. Damit soll nicht gemeint sein, dass keine Reproduktion des Ortes durch den Feldteilnehmer stattfindet, sehr wohl stelle ich aber fest, dass diese Produktion vor dem Hintergrund bestehender Bedeutungen des konstruierten politischen Ortes stattfindet. Politische Orte können aber auch abseits ihrer Beeinflussung von konkreten Interaktionsprozessen eine Bedeutung für das Feld haben. Für den Fall Berlin konnte gezeigt werden, das die Adresse, die Architektur und die Größe eines politischen Ortes, der bleibend von Akteuren konstruiert wird, innerhalb des Feldes zu einer Verbesserung des Rufes, gedacht als politisches Kapital, genutzt werden kann. In Madrid konnte dieses Phänomen nicht nachgewiesen werden. Ein Einfluss feldintern konstruierter politischer Orte auf den Ruf der Nutzer innerhalb des Feldes ist dort nicht nachweisbar. Ähnlich in beiden Städten ist hingegen der Einfluss, den politische Orte durch ihre Produktion und Reproduktion auf das Feld haben. Verbesserte Beziehungen zu anderen Feldteilnehmern können zu einer Beteiligung an mehr Entscheidungen innerhalb des Feldes führen und ebenfalls den Ruf des einzelnen Akteurs verbessern. Die richtige Auswahl und Nutzung politischer Orte ist dabei von großem Nutzen. Als Voraussetzung für die aktive Auswahl eines geeigneten Ortes, wie auch der Nutzung ohne vorherige Wahlmöglichkeit, ist dabei die Kenntnis der feldspezifischen Regeln an einem ebenso spezifischen Ort von großer Wichtigkeit. Nur so können die Feldteilnehmer nämlich ihre Kenntnis des Feldes sicherstellen und ihre eigene Position innerhalb diesem gegenüber anderen Akteuren so auch legitimieren. Diese Arbeit beinhaltete ebenfalls die Suche nach Erklärungen für die teils unterschiedlichen Befunde, die in beiden nationalen politischen Feldern respektive den beiden Hauptstädten zu Tage traten. Zum einen wurde hierbei die politische Kultur der beiden Felder untersucht, zum anderen die Entwicklung der beiden Hauptstädte in ihrer baulichen Gestalt in Bezug auf ihre Hauptstadtfunktion. Ich konnte dabei zum einen herausstellen, dass der unterschiedliche Aufbau des Feldes, beziehungsweise die geringere Wahrnehmung und das geringere Wissen über den Teilbereich der Interessenvertreter in Madrid auf einem deutlich komplizierteren Verhältnis zwischen diesen und den Abgeordneten beruht als dies in

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Deutschland der Fall ist. Grund hierfür sind die im Vergleich zu Berlin häufigeren und umfangreicheren Korruptionsaffären, in die das dortige politische Feld verstrickt war und auch bis heute noch ist. Über die stetige Legitimation gegenüber den Wählern oder, in Bourdieus Worten, den Laien, stehen die Abgeordneten unter besonderem Druck, ihr Handeln und ihre Kontakte zu legitimieren. Dies macht sich auch in der baulichen Struktur der politischen Stadt bemerkbar, denn die Lobbyisten sind im Stadtbild deutlich weniger durch bleibende politische Orte wie Repräsentanzen oder kleinere Büros vertreten. Stattdessen nutzen viele nach wie vor die mit Hinterzimmern in Verbindung gebrachten Hotellobbys für ihre Arbeit. Andere Akteure sehen jedoch hier genau ein weiteres Problem. Erst durch diese Hinterzimmergespräche bekomme der Lobbyismus schließlich den fragwürdigen Ruf, dass es etwas zu verbergen gebe. Zuletzt konnte ich zudem aufzeigen, wie unterschiedlich die Entwicklung der politischen Stadt, also der heutigen politischen Orte innerhalb der beiden Hauptstädte städtebaulich und in ihrer Nutzung verlief. Dies hatte ich bereits in der Fallbeschreibung anhand kurzer historischer Einordnungen begonnen und dann zum Ende der Arbeit um beispielhafte empirische Beobachtungen zu der Entwicklung und Verteilung der Ministeriumsgebäude und anderer bleibender politischer Orte innerhalb beider Städte ergänzt. Es zeigte sich, dass in Berlin ein großer Teil der Ministerien gänzlich neu erbaut wurde oder mindestens größere Anbauten erhielt, während in Madrid sämtliche Ministerien in Gebäuden untergebracht sind, welche bereits vor dem demokratischen Übergang des Landes bestanden und zum größten Teil auch in ihrer Funktion als Ministerien genutzt wurden. Auch moderne Anbauten sind hier nicht getätigt worden. Der Neubau der Ministerien hat jedoch nicht nur gegebenenfalls eine größere Sichtbarkeit der Gebäude und Institutionen zur Folge, durch die Planung der Verantwortlichen ist es in Berlin vor allem zu einer deutlichen Verdichtung der bleibend konstruierten politischen Orte gekommen. Dies ist in Madrid mit seiner über Jahrhunderte gewachsenen Struktur nicht erkennbar, vielmehr legen die Aussagen der Feldteilnehmer hier nahe, dass es keinen Bereich der Stadt gibt, welcher über eine besonders hohe Konzentration an politischen Orten verfügt. Die Ausnahme bildet der Kongress, jedoch in deutlich kleinerem Umfang und weniger differenziert seiner Nutzung entsprechend, als dies in Berlin der Fall ist. Dies korrespondiert mit der Entwicklung im Bereich der Interessenvertretung und ihrer zahlreichen Repräsentanzen in Berlin, welche ebenfalls, sogar zum größten Teil, erst nach der Wiedervereinigung Quartier bezogen. Auch die Medien sind im Stadtbild Berlins deutlich präsenter, als dies in Madrid der Fall ist. Diese Unterschiede in der Anordnung und Struktur politischer Orte in beiden Städten helfen zu verstehen, warum in Berlin der Ort mit seinen gebauten Qualitäten eine deutlich größe-

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re Rolle spielt als in Madrid. Er wird deutlich, dass hier das Bewusstsein für die physisch räumlichen Aspekte der Politik innerhalb des nationalen politischen Feldes deutlich ausgeprägter ist, als dies in Madrid der Fall ist. Die Wiedervereinigung mit dem anschließenden „Neu-Denken“ der Hauptstadt ist somit der zweite wichtige Grund dafür, dass heute viele Dinge in der räumlichen Praxis der Feldteilnehmer anders funktionieren, als dies in Madrid der Fall ist. Die vielfältigen Ergebnisse dieser Arbeit belegen, dass der Ansatz, das Verhältnis zwischen sozialem Raum und physischem Raum nationaler politischer Felder zu analysieren, äußerst fruchtbar ist. Pierre Bourdieus Konzept der politischen Felder erwies sich hierbei nicht nur als sehr realitätsnah in seiner Vielschichtigkeit, welche den Aufbau der Felder, die Mobilität der Feldteilnehmer und die hierzu eingesetzten Kapitalsorten umfasst. Zusätzlich zeigte sich, dass auch in der Anwendung schnell eine Übersetzung und Anpassung des theoretischen Modells auf die empirische Wirklichkeit des jeweiligen Falles und meiner eigenen spezifischen Perspektive auf eben jenen gelingen kann. Wichtig erscheint es mir aber, bei aller Kohärenz und allem Detailreichtum des Bourdieuʼschen Konzeptes, nicht die wahrgenommene Realität der Akteure aus dem Auge zu verlieren, weshalb beispielsweise die Bestimmung der innerhalb des Feldes gehandelten politischen Kapitalien von den zuvor beschriebenen politischen Kapitalsorten Bourdieus abwich. Auch wenn in den Gesprächen stets Fragen zu der Eigenwahrnehmung der familiären, wie auch der professionellen Sozialisation Thema waren und damit die Hoffnung verbunden war, das politische Kapital in der von Bourdieu beschriebenen Vielseitigkeit und Tiefe aufzudecken, verblieben die Akteure in fast allen Fällen bei der Beschreibung der für ihren Alltag nötigen Fertigkeiten, welche in er Folge in dieser Arbeit als die Kapitalien Ruf und Kompetenz herausgearbeitet wurden. Dahinter verborgen liegt, so lässt sich mit Rückgriff auf Bourdieu vermuten, auch eine Form von inkorporiertem kulturellen Kapitel, welches zunächst einmal gewährleistet, dass die Akteure überhaupt die Relevanz von Ruf und Kompetenz innerhalb des Feldes wahrnehmen, zudem aber auch in der Lage sind, beides richtig in dessen Kontext einzusetzen. Der begriffliche Kanon Bourdieus bleibt trotz dieser Unterscheidungen jedoch grundsätzlich erhalten und die Beziehung der einzelnen Dimensionen Feld, Kapital und Praxis zeigte sich als hervorragend geeignet, den sozialen Raum in beiden Feldern zu beschreiben. Hingegen erwiesen sich bereits in der theoretischen Auseinandersetzung Bourdieus Aussagen zum angeeigneten physischen Raum als zu vage, um anhand dessen konkrete Vorüberlegungen zu der inhaltlichen Ausgestaltung und Bedeutung politischer Orte ausformulieren zu können. Erst durch die Hinzunahme weitere konzeptioneller Ideen, insbesondere der Überlegungen Schroers,

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konnten die Konzepte der Produktion politischer Orte und Konstruktion bleibender Bedeutungen an eben jenen entwickelt werden. Diese stellten sich dann zudem als äußerst kompatibel zu den Annahmen zum sozialen Raum der Felder dar, was eine Verknüpfung beider Ansatzpunkte dieser Arbeit erst möglich machte. Insgesamt zeigte sich so, dass das in dieser Arbeit aufgestellte theoretisch-konzeptionelle Modell für die Fragstellung ohne Einschränkungen anwendbar war. Es stellt somit zum einen den gelungenen Versuch einer Anwendung von Bourdieus Raumkonzept in Verbindung mit seinen Überlegungen zu politischen Feldern dar, zum anderen ist es ebenfalls eine konzeptionelle anwendungsorientierte Weiterentwicklung seiner Gedanken. Es zeigte sich außerdem, dass auch die methodischen Überlegungen Bourdieus zur Theorie der Praxis und der damit einhergehenden Reflexivität des Forschungsprozesses von großem Nutzen sind, um innerhalb eines explorativen qualitativen Forschungsprojektes auf der einen Seite konkrete Ergebnisse zu generieren, auf der anderen aber auch eigene Interpretationsmöglichkeiten für den Leser zuzulassen. Auch empirisch sind die gewonnenen Erkenntnisse von großem Wert. Es konnte gezeigt werden, dass das Verständnis der Produktion aber auch der Reproduktion bleibender politischer Orte ein zentrales Moment für die Untersuchung des Handelns politischer Akteure ist. Gerade die bewusste Produktion, verbunden mit dem Ziel, die Interaktionen und darüber die Beziehungen zu anderen Feldteilnehmern zu beeinflussen, zeigt, wie groß die Bedeutung von Orten für die Netzwerke aber auch die Positionierung des einzelnen innerhalb der vorherrschenden Hierarchien sein kann. Deutlich konnte dadurch ebenfalls werden, wie die Akteure das Wissen über die Bedeutungen bleibender politischer Orte einsetzen, um das eigene politische Kapital zu vermehren. Dies belegt auf der allgemeineren Ebene den direkten Zusammenhang zwischen sozialem Raum und physischem Raum und sagt zudem auch etwas über die Herrschaftsverhältnisse aus, die in beiden Räumen vorherrschen. An vielen Beispielen konnte ich so in beiden Städten zeigen, dass die Auswahl spezifischer bleibender räumlicher Arrangements oder aber auch die Konstruktion politischer Orte durch die Feldteilnehmer immer auch mit der Durchsetzung eigener Vorstellungen über die vorherrschenden Hierarchien innerhalb des sozialen Raumes des jeweiligen nationalen politischen Feldes verbunden ist. Nur so konnte der Ort auch zu einem Faktor im Kampf um politisches Kapital und Positionierungen innerhalb des Feldes werden. Dadurch wird diese Arbeit zu einem wichtigen Beitrag zur Diskussion innerhalb der Elitenforschung. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen zudem auf, dass ein Vergleich nationaler politischer Felder in verschiedenen Hauptstädten äußerst fruchtbar ist. Denn die

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festgestellten Unterschiede im Bereich des sozialen Raums, wie auch in der Produktion und Konstruktion des physischen Raums, führten zu Ansätzen, die auf eine fallspezifische Erklärung dieser Unterschiede abzielen. So konnten mit der politischen Kultur nationaler politischer Felder und der städtebaulichen Geschichte der politischen Städte Argumente erarbeitet werden, welche für den Städtevergleich auch allgemein hilfreich sind. Es konnte aber gleichzeitig belegt werden, dass eine Vereinheitlichung des Aufbaus des sozialen wie des physischen Raums für weitere Forschungen nicht möglich ist und vielmehr fallspezifisch Erklärungen erarbeitet werden müssen. Gleiches gilt für die Beziehung beider Gegenstände zueinander. Gleichzeitig konnte ich aber zeigen, dass der konzeptionelle Rahmen dieser Arbeit mit der Formulierung der Arbeitsthesen als Grundlage für die Feldforschung sehr geeignet ist, um die Fragestellung zu behandeln. Darauf aufbauend ergeben sich nun verschiedene Anschlussmöglichkeiten, die eine weitere Beschäftigung mit den „Werkzeugen“ dieser Arbeit oder den gewonnenen Ergebnissen ermöglichen. Ersteres scheint dabei gerade für den Vergleich von politischen Eliten günstig. Ihre raumspezifischen Interaktionen und deren Konsequenzen könnten gewinnbringend nicht nur auf der Ebene des Vergleichs nationaler Felder in anderen Staaten untersucht werden, vielmehr könnten auch das suboder das supranationale Level einen interessanten Forschungsgegenstand darstellen. Brüssel als politische Stadt der Europäischen Union ist hier ein Beispiel, ebenso aber auch der Vergleich verschiedener politischer Felder in der gleichen Stadt. Wie verhält es sich beispielsweise mit dem Nebeneinander von nationalen und lokalen politischen Feldern in Berlin oder Madrid? Neben dieser Erweiterung der Fallzahlen oder der verschiedenen Feldtypen, lassen sich außerdem zahlreiche inhaltliche Anknüpfungspunkte identifizieren. So wäre einerseits eine noch intensivere Auseinandersetzung mit der räumlichen Praxis der Feldteilnehmer wünschenswert, wie sie im Rahmen dieser ersten explorativen Studie nicht möglich war. Denkbar, wenn nicht sogar sehr wahrscheinlich ist, dass bei längerfristigen Teilnehmenden Beobachtungen weitere politische Orte und deren Nutzungsmuster identifiziert werden können, die das Verständnis des Verhältnisses von sozialem und physischem Raum noch vertiefen und verfeinern können. Auf der anderen Seite könnte für eine Prüfung der nach wie vor kleinen und nicht repräsentativen Fallzahl ebenso eine quantitative Erhebung mit großer Fallzahl zu interessanten Ergebnissen führen. Insbesondere könnten dabei Zweifel an den Interpretationen ausgeräumt werden, die, durch meine Person getätigt, zentraler Bestandteil dieser Arbeit sind. Abseits dieser Erweiterungen ist zudem eine weitere Beschäftigung mit den Ergebnissen der Arbeit von Relevanz. Der nachgewiesene Einfluss von Raum

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auf die Dynamiken politischer Felder konnte für die zwei vorgestellten Fälle nachgewiesen werden. Welche konkreten Konsequenzen das für die Ausgestaltung von Politik hat, war hingegen nicht Gegenstand der Forschung. Ebenso stellt sich die Frage, wie sich Veränderungen der politischen Kultur wie auch der städtebaulichen Ordnung auf die Dynamiken des Feldes konkret auswirken können und wie schlussendlich dadurch auch die räumlichen Produktionsprozesse beeinflusst werden. Schließlich liefert diese Arbeit auch ein allgemeines Konzept, über das soziale Gruppen hinsichtlich ihrer Nutzung von Raum näher untersucht werden können. Dies birgt eine große Anzahl weiterer Forschungsmöglichkeiten, welche nicht direkt mit dem inhaltlichen Interesse dieser Arbeit zusammenhängen. Möglich erscheint mir, dass in anderen Feldern andere Formen der Praxis zur Produktion und Konstruktion von feldspezifischen Orten herangezogen werden und Orte zudem überlagernde Bedeutungen verschiedener Felder vereinigen können, mit all den potentiellen Konflikten, die sich aus dieser Mehrdeutigkeit des Ortes ergeben. Für all diese Forschungsgegenstände kann die vorliegende Arbeit lediglich einen Ausgangspunkt bilden, welcher die aufgeworfenen Fragen sicherlich nicht vollends beantworten wird, wohl aber, so hoffe ich, ihre Relevanz belegen kann.

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11 Anhang

• Interviewleitfaden • Anonymisierungsvereinbarung (deutsche Version) • Anschreiben Interview (deutsche Version)

INTERVIEWLEITFADEN: DIE POLITISCHE STADT 1. Beruflicher Werdegang 1.1. Karriereweg 1.2. Eigene Motivation 1.3. Institutionelle Verortungen 1.4. Familiäre Sozialisation 2. Tätigkeitsprofil 2.1. Reguläre Tätigkeiten 2.2. Selbsteinordnung in die Abläufe und Hierarchien der Organisation 2.3. Eigene Mitarbeiter, Bürostruktur 2.4. Eigene Schwerpunkte, Projekte und Perspektiven 3. Ortsbezogene Tätigkeiten 3.1. Bedeutung des eigenen Arbeitsplatzes für die beruflichen Tätigkeiten 3.2. Austausch mit Kollegen im Haus 3.3. Arbeitsräume außerhalb der Büros 3.4. Treffen mit Akteuren anderer Institutionen

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4. Bedeutung des Ortes für die Arbeit 4.1. Art der genutzten Orte 4.2. Spezielle Orte für spezielle Anlässe 4.3. Spezielle Orte für spezielle Gesprächspartner 4.4. Rolle der Lage des Ortes in der Stadt 5. Private Orte und deren Wahrnehmung 5.1. Wohnen und Leben im Verhältnis zum Arbeitsort 5.2. Freizeitorte und ihre Lage und Nutzung 5.3. Bewertung des Lebens- und Arbeitsumfeldes 5.4. Bewertung der Wahrnehmung des politisches Feldes 6. Wechselwirkungen zwischen Privatem und Beruflichem 6.1. Akteure zufällig oder bewusst an privaten Orten 6.2. Zeitliche Verteilung und Trennung von Arbeit und Freizeit 6.3. Welche Räume eigenen sich für welche Art von Gespräch 6.4. Warum eignen sich Räume für spezielle Anlässe 7. Abschließende Bewertung 7.1. Entwicklung Stadt in der Hauptstadtfunktion 7.2. Besonders attraktive Orte 7.3. Lokalisierung des politischen Feldes in der Stadt 7.4. Abschließende Bewertung der Ergebnisse des Gespräches 8. Organisatorisches 8.1. Anonymisierungsvereinbarung 8.2. Frage nach weiteren Gesprächspartnern

Anhang | 351

VEREINBARUNG ZUM DATENSCHUTZ FÜR WISSENSCHAFTLICHE INTERVIEWS 1. Das Interview findet zum Zweck der Erstellung der Disserationsschrift „Die politische Stadt. Berlin, Madrid und das politische Feld statt. Im Rahmen dieses Projektes sind weitere Publikationen geplant. 2. Für die Durchführung und wissenschaftliche Auswertung des Interviews ist verantwortlich: Christian Rosen -Adresse3. Der Verantwortliche trägt dafür Sorge, dass alle erhobenen Daten streng vertraulich behandelt und ausschließlich zum vereinbarten Zweck verwendet werden. 4. Der Interviewte erklärt seine Einverständnis mit der Tonbandaufnahme und wissenschaftlichen Auswertung des Interviews. Nach Ende der Bandaufnahme können auf seinen Wunsch einzelne Abschnitte des Gesprächs gelöscht werden. 5. Zur Sicherung des Datenschutzes gelten weiterhin folgende Vereinbarungen: - BANDAUFNAHME: a.

Die Bandaufnahme wird vom Verantwortlichen verschlossen aufbewahrt und nach Abschluss der Untersuchung, spätestens jedoch nach 2 Jahren, gelöscht.

b.

Zugang zur Bandaufnahme hat nur der Verantwortliche. - AUSWERTUNG UND ARCHIVIERUNG:

c.

Zu Auswertungszwecken wird von der Bandaufnahme ein schriftliches Protokoll angefertigt.

d. Die schriftlichen Protokolle liegen ausschließlich dem Verantwortlichen vor.

352 | Die politische Stadt

e. In der Dissertationsschrift sowie weiteren Veröffentlichungen muss sichergestellt werden, dass eine Identifikation des Interviewten nicht möglich ist. f. Der Interviewte kann seine Einverständniserklärung innerhalb von 14 Tagen ganz oder teilweise widerrufen.

Berlin, den Interviewer:............................................... Interviewter:..................................................

Anhang | 353

Sehr geehrte/r Frau/Herr [...], ich möchte Sie sehr gerne für mein Forschungsprojekt als Interviewpartner/in gewinnen. Sie wurden mir von Frau/Herr [...] als erfahrene Expertin für das politische Feld in Berlin und daher ideale/r Gesprächspartner/in empfohlen. Ich hoffe daher, mit einer kurzen Beschreibung Ihr Interesse für meine Arbeit wecken zu können: Das Forschungsprojekt „Die politische Stadt“ untersucht, international vergleichend, den Zusammenhang zwischen dem Politikbetrieb auf nationaler Ebene und den (Haupt-)Städten in denen er stattfindet. Zentraler Dreh- und Angelpunkt ist die Erforschung des Alltags von Berufspolitikern, Hauptstadtjournalisten, Verbandsvertretern etc. und ihren Mitarbeitern. Ich möchte herausfinden, wie diese spezielle Gruppe die Stadt in ihrem Alltag räumlich nutzt. Dabei stützt sich die Arbeit auf das Expertenwissen von Interviewpartnern, die Ihre Erfahrungen in anonymisierter Form einfließen lassen, um so eine „Karte“ der politischen Stadt zu entwerfen und diese mit Inhalt zu füllen. Ich bin seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für politische Soziologie und Staatstheorie (Prof. Dr. Jens Borchert) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und führe dieses Forschungsvorhaben als Dissertationsprojekt durch. Ich bin noch bis zum [...] in Berlin und würde Sie gerne zu einem ca. 45minütigen Gespräch treffen. Auch zu einem späteren Zeitpunkt können wir gerne einen Termin vereinbaren. Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen,

Soziologie Heidrun Friese

Flüchtlinge: Opfer – Bedrohung – Helden Zur politischen Imagination des Fremden August 2017, 150 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3263-7 E-Book PDF: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3263-1 EPUB: 12,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3263-7

Andrea Baier, Tom Hansing, Christa Müller, Karin Werner (Hg.)

Die Welt reparieren Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis 2016, 352 S., kart., zahlr. farb. Abb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3377-1 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation ISBN 978-3-8394-3377-5

Carlo Bordoni

Interregnum Beyond Liquid Modernity 2016, 136 p., pb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3515-7 E-Book PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3515-1 EPUB: 17,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3515-7

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Soziologie Sybille Bauriedl (Hg.)

Wörterbuch Klimadebatte 2015, 332 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3238-5 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3238-9

Silke van Dyk

Soziologie des Alters 2015, 192 S., kart. 13,99 € (DE), 978-3-8376-1632-3 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-1632-7

Ilker Ataç, Gerda Heck, Sabine Hess, Zeynep Kasli, Philipp Ratfisch, Cavidan Soykan, Bediz Yilmaz (eds.)

movements. Journal for Critical Migration and Border Regime Studies Vol. 3, Issue 2/2017: Turkey’s Changing Migration Regime and its Global and Regional Dynamics November 2017, 230 p., pb. 24,99 € (DE), 978-3-8376-3719-9

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