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German Pages 720 [721] Year 2019
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Thomas Biller
Die mittelalterliche Stadtbefestigung im deutschsprachigen Raum
Thomas Biller
Die mittelalterliche Stadtbefestigung im deutschsprachigen Raum Ein Handbuch
I. Systematischer Teil
Soweit nicht anders angegeben, sind alle Abbildungen vom Autor.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Jubiläumsausgabe 2019 wbg Academic ist ein Imprint der wbg. (2. durchgesehene Auflage 2019; 1. Auflage 2016) © 2019 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Redaktion: Dirk Michel, Mannheim Umschlaggestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Umschlagbild: Rothenburg ob der Tauber, das „Spitaltor“. Foto © picture-alliance Satz: TypoGraphik Anette Bernbeck, Gelnhausen Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-27147-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-74556-2 eBook (epub): 978-3-534-74557-9
Inhalt Vorwort
8
Einleitung Definition der mittelalterlichen Stadt im deutschen Raum Gestalt der mittelalterlichen Stadt im deutschen Raum Andere befestigte Siedlungstypen des Mittelalters „Die mittelalterliche Stadt als Festung“
11 11 12 14 17
1. Forschungsstand und Methodik
19
1.1. Probleme und Ziele der Stadtmauerforschung 1.2. Zur Literatur 1.3. Bauinschriften und Baunachrichten 1.4. Historische Schlüsse auf die Zeit der Befestigung 1.5. Abbildende Quellen 1.6. Archäologie und Historische Bauforschung
19 21 22 25 28 30
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
32
2.1. Vorbilder und Vorläufer
32
2.1.1. Spätrömische Befestigungen 2.1.2. Frühmittelalterliche Burgen 2.1.3. Domburgen 2.1.4. Frühformen von Städten 2.2. Befestigungen und Mauern vom 12. bis zum 16. Jahrhundert
32 33 36 39 40
2.2.1. Vorstufen der Mauer
40
41 43 47 51 54 56
2.2.1.1. Nutzung des Geländes 2.2.1.2. Wälle und Gräben 2.2.1.3. Befestigungen aus Holz 2.2.1.4. Dauer bis zum Mauerbau 2.2.1.5. Dauer und Förderung des Mauerbaues 2.2.1.6. Städte ohne Befestigung?
2.2.2. Stein als Baumaterial
57
58 60
2.2.2.1. Bruchstein und Feldstein 2.2.2.2. Quader und hammerrechte Quader
2.2.2.3. Buckelquader 2.2.2.4. Backstein
61 65
2.2.3. Die Hauptmauer
68
70 72 74 77 80 86
2.2.3.1. 2.2.3.2. 2.2.3.3. 2.2.3.4. 2.2.3.5. 2.2.3.6.
Maße der Hauptmauer Wälle mit Mauerfront Fundamentierung Wehrgang und Brustwehr Abstützung des Wehrgangs Mauergasse
2.2.4. Die Türme
2.2.4.1. Defensive Funktionen der Türme 2.2.4.2. Nichtdefensive Nutzungen der Türme 2.2.4.3. Turmlose und turmarme Mauern 2.2.4.4. Anordnung und Gruppierung 2.2.4.5. Quadratische und rechteckige Türme 2.2.4.6. Runde und halbrunde Türme 2.2.4.7. Weitere Turmformen 2.2.4.8. Entwicklung des Schalenturms 2.2.4.9. Öffnungen und Ornamentik 2.2.4.10. „Wahrzeichentürme“
91 91 98 101 105 112 115 122 128 131 142
2.2.5. Der Torturm
145
147 154 157 159 163 166 171 174 183 186
2.2.5.1. Der Baukörper 2.2.5.2. Das Torgewände 2.2.5.3. Die Durchfahrt 2.2.5.4. Das Fallgatter 2.2.5.5. Maueranschluss, Zugänge und Treppen 2.2.5.6. Funktionen der Obergeschosse 2.2.5.7. Fenster 2.2.5.8. Schmuck am Turmschaft 2.2.5.9. Die Dachform 2.2.5.10. Tortürme des 16. / 17. Jahrhunderts
2.2.6. Andere Torformen
2.2.6.1. Das Mauertor 2.2.6.2. Der Torbau 2.2.6.3. Der Turm neben dem Tor 2.2.6.4. Das Doppelturmtor 2.2.6.5. Weitere Torformen, Ausfallpforten und Wasserdurchlässe
191 191 194 198 202 208
2.2.7. Torzwinger
213
214 218 220
2.2.7.1. Das Vortor 2.2.7.2. Die Zugbrücke 2.2.7.3. Größere Torzwinger
2.2.8. Umlaufende Zwinger
225
226 229 230 233
2.2.8.1. 2.2.8.2. 2.2.8.2. 2.2.8.3.
Begriffsprobleme Anfänge Turmlose Zwinger Zwinger mit Streichwehren
2.2.9. Gräben, Wälle, Palisaden und Hecken 2.2.10. Weitere Bauten als Teile der Befestigung
238 244
244 251 254
2.2.10.1. Burgen und andere Adelssitze 2.2.10.2. Sakralbauten 2.2.10.3. Brücken, Zollstellen, Mühlen, Häuser
2.2.11. Bauten im Zeitalter der Feuerwaffen
262
263 267 270 281 286 302 305
2.2.11.1. Traditionelle Mauern im Artilleriezeitalter 2.2.11.2. Anfügung von Türmen und Erhöhung der Mauer 2.2.11.3. Entwicklung der Schießscharten 2.2.11.4. Barbakanen und Vorhöfe 2.2.11.5. Rondelle und andere Kanonentürme 2.2.11.6. Befestigte Außenwälle, Deckungswälle 2.2.11.7. Rondelle und Kanonenplattformen aus Erde
2.2.12. Landwehren und Warten
308
2.3. Das Ende der Stadtmauern
315
316 319 325
2.3.1. Bastionärer Ausbau und Akzise (17. / 18. Jahrhundert) 2.3.2. Abriss, Denkmalpflege und Ringstraßen (19. Jahrhundert) 2.3.3. Stadtmauern heute
3. Zur Organisation von Bau und Verteidigung 3.1. Organisation und Finanzierung des Baues 3.2. Instandhaltung und Verteidigung
4. Die Stadtmauer als Symbol
328 328 337
343
Zusammenfassung: Die Entwicklung der Stadtbefestigung im deutschen Raum
347
347 348 351
Anfänge und Probleme der Forschung Tortürme und Turmreihung (um 1200–1250) Die Blütezeit (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts und 14. Jahrhundert) Späte Ummauerungen und stilistische Neuerung – Ende des 14. Jahrhunderts und 15. Jahrhundert Das Aufkommen der Feuerwaffen (spätes 14. bis 16. Jahrhundert) Nachleben und Nachwirkung
354 355 357
O, Wandrer, hüte Dich! Es packt Dich wildes Schaudern, Mußt über Land Du gehn, Kaum bist Du aus den Mauern, so ist’s um Dich geschehn. Aus der Moritat vom Schinderhannes (um 1798–1803)
Vorwort Wie Kirchen, Klöster und Burgen gehören Stadtmauern zu jenem architektonischen Erbe des Mittelalters, das uns heute noch monumental vor Augen steht. Trotz enormer Verluste in den Jahrhunderten, seit die Stadtmauern ihre Funktionen eingebüßt haben – in Städten ist intensives Bauen, Umbauen und Abreißen der Normalzustand –, ist der Umfang des Erhaltenen im deutschen Sprach- und Kulturraum des Mittelalters noch immer überwältigend. Und obwohl die Stadt des industriellen Zeitalters sich gegen ihr Umland nicht mehr sichern muss und es auch gar nicht mehr könnte, scheint doch der moderne Mensch noch zu verstehen, in welcher Weise Tore und Mauern dem Schutz und der Selbstdarstellung der Bürger dienten. Allerdings läge man hier – wie auch in manch anderem Bereich der älteren Architekturgeschichte – durchaus falsch, wenn man aus dieser Popularität des Bautypus den Schluss zöge, dieser sei umfassend oder auch nur im Wesentlichen erforscht. Vielmehr zeigt die verfügbare Literatur in der Auseinandersetzung mit dem Thema eine bedauerliche Einseitigkeit. Sie beginnt damit, dass auch besonders Interessierten nur wenige gut erhaltene Mauern (Rothenburg ob der Tauber, Nürnberg …) oder auch Einzelbauten (Holstentor) bekannt sind, während die Fülle der oft gut erhaltenen Mauern um Kleinstädte kaum im Bewusstsein ist, obwohl sie mittelalterliche Verhältnisse im Grunde besser als die wenigen großen Zentren jener Epoche widerspiegelt. Darüber hinaus, wenn man sich dem Thema als Forscher zuwendet, gibt es zwar Hunderte von Aufsätzen und auch einige Bücher, die sich mit einzelnen Stadtmauern beschäftigen, aber über die Mehrzahl der Mauern ist unser Wissen trotzdem wenig detailliert und durchaus nicht immer 8 I. Systematischer Teil
wissenschaftlich gesichert. Noch folgenreicher ist dabei die Tatsache, dass nur in seltenen Ausnahmefällen versucht wurde, den Blick über eine einzelne Stadt hinaus auf andere Beispiele des Bautypus zu richten – damit nämlich blieben wichtige Fragen bisher weitgehend ausgespart. Nicht nur, ob sich die Stadtmauern einer Region ähnelten bzw. ob es Einflüsse bestimmter Mauern auf andere gegeben hat, ist bisher weitgehend unbehandelt, sondern letztlich die gesamte geschichtliche Dimension des Themas – ob in den Formen der Mauern historische Kräfte jedweder Art erkennbar werden, Charakteristika der mittelalterlichen Gesellschaft, Zusammenhänge und Entwicklungsrichtungen. In dieser Einseitigkeit spiegelt sich ganz offenbar, dass insbesondere Architektur- und Kunstgeschichte dem Thema bisher wenig Interesse entgegenbrachten. Stadtmauern werden offensichtlich fast durchweg als reine Funktionsbauten empfunden, die sich kaum nennenswert voneinander unterscheiden und letztlich immer dasselbe aussagen, dass nämlich die mittelalterliche Stadt eines sowohl praktischen als auch symbolhaften Schutzes bedurfte. Im Ergebnis blieb das Thema damit weitgehend der Heimatforschung überlassen, deren Ziele typischerweise an den einzelnen Ort gebunden sind. Dies war die Ausgangssituation, als ich vor Jahren mit großem Interesse, aber durchaus auch mit Problembewusstsein den Auftrag übernahm, eine Überblicksdarstellung der Stadtbefestigungen im deutschen Raum des Mittelalters zu schreiben. Ich befürchtete von vornherein, dass die Idee, man könne das Thema allein anhand der Literatur und der Besichtigung wichtiger Objekte umfassend darstellen, sich aufgrund des skizzierten Forschungsstandes als unrealistisch
erweisen würde, und das bewahrheitete sich nur allzu schnell. Ich stand daher vor der Wahl, mich entweder anhand einiger gut erforschter Fälle auf eine eher skizzenhafte Darstellung zu beschränken oder mir mit erwartbar sehr hohem Arbeitsaufwand einen eigenen Überblick über den erhaltenen oder mittelbar noch fassbaren Baubestand zu verschaffen. Das erste Modell hätte zu wenig mehr als einem bemüht kommentierten Bildband geführt, und ich entschied mich daher trotz des Aufwandes für die zweite Vorgehensweise. Zehn Jahre später hatte ich die wohl intensivsten Reisejahre meines Lebens hinter mir und in allen Teilen Mitteleuropas Orte besucht, deren Existenz mir vielfach bis dahin unbekannt war, und ich hatte immer wieder gezweifelt, ob die erheblichen Opfer an Zeit, Geld und Arbeit den Rahmen der Vernunft nicht längst gesprengt hatten. Nur ein hohes Maß an persönlicher und beruflicher Unabhängigkeit machten den Umfang der Reisen möglich, die in diesen Jahren nicht nur jeden Urlaub „geschluckt“ hatten, sondern weit über dessen normalen Umfang hinausgingen. Für viel Geduld ist meiner Frau – damals noch Lebensgefährtin – Jutta Lubowitzki zu danken, die zeitweise vergessen haben dürfte, dass man auch außer Sichtweite von Stadtmauern spazieren gehen kann, und die darüber hinaus meine häufige Abwesenheit zu ertragen hatte. Aber auch die Wissenschaftliche Buchgesellschaft musste viel Geduld aufbringen, denn ich hatte unrealistischerweise ein Manuskript binnen einer Standardfrist von drei Jahren zugesagt. Dieses Buch beruht also – was für einen so breit angelegten Überblick fraglos ungewöhnlich ist – nahezu ausnahmslos auf direkter Auseinandersetzung mit dem Baubestand. Ich habe tatsächlich alle Stadtmauerreste im deutschsprachigen Raum des Mittelalters selbst gesehen, von Luxemburg bis Masuren, von Schleswig bis Bozen, sofern anhand von Standardliteratur und der (oft schwer ermittelbaren) örtlichen Literatur erkennbar war, dass sich ein Besuch lohnen würde. Eine gute Basis für dieses flächendeckende Vorgehen bot die 1988 von Heinz Stoob bzw. dem Institut für vergleichende Städteforschung in Münster erarbeitete Karte Verbreitung der Städte in Mitteleuropa, die allerdings keine Angaben über erhaltene Bauteile der Befestigungen macht. Diese Angaben wurden neben der Ortsliteratur vor allem
den verschiedenartigen Kunstdenkmälerinventaren, dem Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler („Dehio“) und dem Handbuch der Historischen Stätten entnommen. Alles in allem denke ich, dass ich in dieser Weise 99 Prozent der erhaltenen und zugänglichen Baureste gesehen habe, also alle mit Ausnahme jener wenigen Fälle, die mit den beschriebenen Mitteln nicht erkennbar waren. Die Betrachtung der Bauten mit der Literatur in der Hand – wobei man auf neu erschienene Literatur in der Regel erst vor Ort stößt – ist bei jenen Stadtmauern, über die noch nichts Näheres geschrieben wurde, der einzige Weg, überhaupt zu Erkenntnissen zu kommen; aber auch bei jenen, die bereits behandelt wurden, führt sie oft zu einem verbesserten Bild. Dennoch hat auch diese Methode Grenzen. Viele Bauten sind ohne aufwendige Vorbereitung nicht nahe oder gar von innen zu besichtigen, viele aussagekräftige Befunde wären nur durch Methoden wie Bauforschung oder Archäologie sicher festzustellen; vor allem aber gibt es Informationen historischer Art, die nur auf wiederum anderen Wegen arbeitsaufwendig zu ermitteln sind. Außerdem bestätigen die Betrachtung mit dem analytischen Blick des Bauforschers und der erstmalige Vergleich mit anderen Mauern nicht immer die bisher vorgetragenen Deutungen, sondern sie führen oft auch zu neuen Einschätzungen. Daher wird der Leser hier – er sei gewarnt – gelegentlich mit Aussagen konfrontiert, die sich nicht mit dem bisher Publizierten decken; dabei erlaubt es der enge Rahmen des Buches leider nicht, die oft recht komplexen Gründe der neuen Bewertung vollständig darzulegen. Ein wissenschaftlicher Anmerkungsapparat war für dieses Werk von vornherein nicht vorgesehen, da es seitens des Verlags als Überblick im Sinne eines Sachbuches geplant war, nicht als wissenschaftliche Abhandlung; ohnehin hätten Anmerkungen aufgrund des Umfanges, der das ursprünglich Geplante weit überschritten hat, die Grenzen des Machbaren endgültig hinter sich gelassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Herkunft der zitierten Fakten nicht überprüfbar wäre. Wer insoweit Belege sucht, muss vielmehr so vorgehen, dass er zunächst die eingehendere Darstellung der betreffenden Stadt im „Regionalen Teil“ sucht und dann die im Literaturverzeichnis zu den Städten und Regionen aufgeführten Titel heVorwort
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ranzieht. Sofern er in dem dort dokumentierten Forschungsstand noch immer keine nachvollziehbare Herleitung meiner Darstellung findet, ist davon auszugehen, dass ich durch die Betrachtung des Baubestandes vor Ort zu anderen Einschätzungen gekommen bin, als ich sie im Forschungsstand vorfand. In diesem Fall bleibt dann leider nur die Erkenntnis, dass eine vertiefende Untersuchung des Einzelfalles noch aussteht. Eine Gesamtdarstellung des Themas, wie sie mit diesem Buch versucht wurde, kann nach alledem, trotz aller Mühe, nicht den Anspruch des Vollständigen, geschweige denn des dauerhaft Sicheren erheben. Allzu vieles beruht nur auf Augenschein und begrenzter Quellenauswertung, anderes auf wenig eindringender oder veralteter Literatur. Jede Untersuchung mit den Mitteln von Bauforschung und Archäologie sowie jede vertiefte Betrachtung historischer Art können das Bild im Einzelfall ändern, und die Anzahl der unerforschten Einzelfälle ist bisher weit höher als die der erforschten. Dessen möge sich der Leser jederzeit bewusst bleiben – und den Autor auf neue Forschungen hinweisen, die die Basis späterer Publikationen verbreitern könnten. Zur ausgewerteten Literatur bleibt ohnehin zu unterstreichen, dass auch sie, trotz erheblichen Umfanges des Literaturverzeichnisses, kaum vollständig sein kann, und zwar vor allem bei den durchaus zahlreichen neueren Publikationen. Ist ältere Literatur noch weit überwiegend in Bibliographien erfasst – wenn auch leider nach immer stark wechselnden Ordnungssystemen –, so ist man für aktuelle Erscheinungen doch recht stark auf den Zufall angewiesen. Vieles in lokalen Zeitschriften oder kleinen Monographien Publizierte findet man nur durch Nachfrage vor Ort, in Buchhandlungen, Bibliotheken oder als Zitat in örtlicher Literatur zur Stadt(bau) geschichte. Dies aber bedeutet, da sich meine Reisen über einen langen Zeitraum erstreckten, dass dieses Buch einen quasi fließenden Redaktionsschluss aufweist: Was kurz nach meinem Besuch erschien, ist mir sicherlich oft entgangen – und dieser Besuch kann schon zehn bis 15 Jahre zurückliegen.
10 I. Systematischer Teil
Der fast immer lokale Charakter der Forschung bewirkte auch, dass die Unterstützung, die ich bei meiner Arbeit erhielt, sich fast immer nur auf einzelne Städte bezog. All den Fachkollegen, Museumsleuten, Heimatforschern, Buchhändlern und Bewohnern von Baudenkmälern zu danken, die mir Hinweise gaben oder Zugang gewährten, oder die mich mündlich oder schriftlich auf Literatur hinwiesen, verbietet sich daher – alle zu nennen, wäre unmöglich, jede Auswahl ungerecht. Sie alle mögen entschuldigen, wenn ich ihnen daher nur pauschal Dank abstatte! Besonders nennen möchte ich jedoch jene, deren Unterstützung von grundsätzlicherer Art war. Das gilt in erster Linie für das „Institut für vergleichende Städtegeschichte” in Münster, das seinen digitalen Katalog in Form mehrerer Volltext-Recherchen auswertete und so den Grundstock meiner Literatur entscheidend ergänzte. Hans-Rudolf Sennhauser lud mich 1993 zum Kolloquium über die schweizerischen Mauern ein, das auch zur Geburtsstunde des vorbildhaften Werkes zum gleichen Thema wurde. Kazimierz Pospieszny (damals Malbork) ermöglichte mir durch Empfehlung einen kostengünstigen Aufenthalt im früheren Ost- / Westpreußen. Burghard Lohrum teilte mir einige noch unveröffentlichte Dendrodaten von baden-württembergischen Stadtmauern mit. Vielfache Hinweise zu den Mauern ihrer Region sind Bernhard Metz (Strassburg) – der seit Jahren die Quellen zu den elsässischen Mauern auswertet –, Ronald Woldron (Wien), Stefan Ulrich (Neustadt / Weinstr.), Yves Hoffmann (Dresden), Joachim Müller (damals Duisburg), Andreas Heege (damals Einbeck), Jens Christian Holst (Hoisdorf), Reinhard Schmitt (Halle), Christoph Matt (Basel) und Thomas Steinmetz (Wiesbaden) zu verdanken. Fotos stellten neben den Genannten vor allem auch Christofer Herrmann (Olsztyn), Daniel Burger und G. Ulrich Großmann (beide Nürnberg), Gotthard Kießling (Warburg), Timm Radt (Stuttgart) und Andrea Bulla (Göttingen) zur Verfügung. Meine Frau Jutta Lubowitzki schließlich teilte mit mir die Mühe des Korrekturlesens. Thomas Biller, im Frühjar 2016
Einleitung Jene Siedlungsform, die wir „Stadt“ nennen, geht in ersten, orientalischen Beispielen letztlich bis in die Jungsteinzeit zurück. Am Ende des Römischen Reiches, das in Mitteleuropa das weitgehende oder völlige AbsterDefinition der ben städtischen Lebens mittelalterlichen Stadt bedeutete, hatte das Städteim deutschen Raum wesen seine erste Blütezeit bereits hinter sich. Sein erneutes Aufblühen im Mittelalter war daher zwar ein bedeutungsvoller, Europa bis heute entscheidend prägender Prozess, aber dieser griff auf ein Modell zurück, das bereits eine lange Reifung hinter sich hatte. Was aber ist eine „Stadt“ eigentlich, was genau definiert diese spezifische Art einer Siedlung? Selbstverständlich gibt es über diese Frage seit Langem umfangreiche Forschungen und Diskussionen, die hier nur ganz knapp resümiert und auf das wesentlich engere Thema der Befestigungen bezogen werden können. Sicherlich nicht mehr umstritten ist heute, dass eine Stadt in ihrem Kern ein Markt ist, also ein Ort, wo spezialisierte Produzenten ihre Produkte anbieten – Lebensmittel, Werkzeuge, Luxusgüter usw. –, um sie an andere Spezialisten zu verkaufen, die diese käuflich erwerben müssen, weil sie selbst etwas anderes produzieren. Die Stadt ist also Ausdruck der arbeitsteiligen Gesellschaft schlechthin, einer Gesellschaft, die besonders produktiv ist, weil sich jeder auf eine bestimmte Arbeit konzentriert und sie daher besonders gut beherrscht. Mit dem komplexen Charakter, der sich hieraus ergibt, unterschied sich die Stadt von vornherein und in auffälliger Weise von der anderen, noch älteren und grundlegend wichtigen Siedlungsform, nämlich der landwirtschaftlich bestimmten von Hof, Weiler und Dorf. Freilich war die Marktfunktion nur das zentrale Merkmal der mittelalterlichen Stadt, keineswegs das einzige. Neben den Händlern, die Waren teils über große Entfernungen heranschafften, war der Markt auch für die Handwerker anziehend, die ihn ebenfalls belieferten. Dabei war das Element des Fernhandels in der Frühzeit sicher das wichtigere, aus dem sich – zur Regelung des
Verhältnisses der Kaufleute untereinander – auch die ersten Ansätze eines Marktrechts entwickelten; in der Vielzahl kleiner, eher noch den Dörfern verwandter Märkte des Spätmittelalters trat dagegen der Handel mit dem nahen Umland stärker hervor. In dieser Phase spielte dann auch das bäuerliche Element eine erhebliche Rolle, weil die Stadtbevölkerung natürlich versorgt werden musste; zwar konnten die Äcker oder Gärten meist keinen Platz in der Stadt finden, aber für die Höfe war diese geschützte Lage durchaus von Vorteil. Neben den Bauern („Ackerbürgern“) hatten auch andere Bevölkerungsgruppen nicht direkt mit den zentralen Funktionen Handel und Handwerk zu tun, wurden aber von ihnen angezogen und verstärkten die Bevölkerungskonzentration ebenso, wie sie von ihr profitierten. Nachdem die ersten Städte bei Bischofssitzen und großen Klöstern entstanden waren, wirkte diese Anziehungskraft frühzeitig vor allem auf die Geistlichkeit und deren Pfarreien, Klöster, Stifte und religiös geprägte „Dienstleistungsbetriebe“ wie vor allem die Hospitäler. Im Laufe der Zeit begriff auch der Adel, die herrschende Schicht der Epoche und anfangs auch Herr der Städte, die Vorteile städtischer Wirtschaft; er versuchte die Bevölkerung der Stadt zu mehren, indem er den „Bürgern“ persönliche und steuerliche Freiheit und andere Privilegien zusagte („Stadtrechte“); und gerade für die Spitzengruppe des Adels war ab dem 13. Jahrhundert die Nutzung von Burgen am Stadtrand typisch. Vom Funktionieren einer voll entwickelten mittelalterlichen Stadt profitierten also viele Mitglieder der damaligen Gesellschaft und ihrer aller Interesse musste es sein, die Komplexität der Beziehungen und Abläufe in dauerhafte organisatorische und politische Strukturen zu fassen und sie gegen gewalttätige Eingriffe zu schützen. Natürlich ging dies nicht ohne Konflikte zwischen den verschiedenen Interessenten ab. Vor allem ins 13. Jahrhundert fallen Kämpfe zwischen einigen der größten Städte und ihren bischöflichen Stadtherren, die meist mit einem weitgehenden Einflussverlust der Bischöfe endeten. In derartigen Kämpfen, die es außerhalb von Deutschland Einleitung
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noch früher gab, bildete sich die Herrschaft einer städtischen Oberschicht heraus, die sich im Rat organisierte. Die kleine Gruppe der „ratsfähigen“ Geschlechter umfasste zunächst vor allem reiche Kaufleute, aber oft auch ehemalige Ministerialen des Stadtherrn; ihre Herrschaft ähnelte durchaus der des Adels und hatte wenig mit Demokratie in einem modernen Sinne zu tun. Aus dieser Lage heraus entstand dann im Spätmittelalter der andere Typus innerstädtischer Konflikte, die „Zunftkämpfe“, in denen auch die weit umfangreichere Schicht der Handwerker ihren Einfluss auf die Politik der Städte durchsetzte. Die Ratsherrschaft prägte also die ausgereifte mittelalterliche Stadt in entscheidendem Maße. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass Größe und Bedeutung der Städte sehr variierten, weswegen auch das Maß ihrer politischen Selbstbestimmung ganz unterschiedlich war. Sie reichte von der faktischen Unabhängigkeit der „Freien Reichsstädte“, die dem Kaiser als Stadtherrn mehr Vorteile boten als umgekehrt, bis zu der Vielzahl kleiner und kleinster, meist eher spät entstandener Städte, deren geringe Wirtschaftskraft und teils stockende Entwicklung sie meist in weitgehender Abhängigkeit von ihrem adligen Herrn hielten. Die mittelalterliche Stadt beruhte also auf einem Funktionsmodell, das sozialer, wirtschaftlicher, politischer und rechtlicher Natur war, das aber selbstverständlich auch ihre Gestalt prägte. Für Historiker war lange Zeit die rechtliche Struktur – die städtische „Verfassung“ – das, was die Stadt letztlich ausmachte. Heute neigt man zunehmend zu einem Verständnis, das das Zusammenwirken der Faktoren stärker berücksichtigt, die sich nicht Gestalt der mittelalter- einem „herrschenden“ lichen Stadt im deutschen Ordnungsprinzip unterRaum ordneten, sondern vielmehr Zug um Zug die geschlossene und markante Form der mittelalterlichen Stadt hervorbrachten. Damit wird auch der baulichen Entwicklung des Phänomens Stadt ein höherer Stellenwert zuerkannt; sie war nicht nur Nachvollzug politischer und juristischer Organisation, sondern wirkte auch bei der Entstehung des Gesamtphänomens mit. Im Zusammenhang mit dem Thema „Stadtbefestigung“ steht natürlich die bauliche Gestalt 12 I. Systematischer Teil
ohnehin im Vordergrund. Dabei interessiert weniger das funktionale Zentrum der Stadt mit Markt, Pfarrkirche und später Rathaus (was bei großen Städten alles mehrfach vorkommen bzw. sich auf jeweils mehrere Bauten verteilen konnte), sondern vielmehr ihre Peripherie. Und diese wiederum ist abhängig von der Herausbildung der Stadt als geschlossenes Gebilde, also einer Form, die uns heute für die mittelalterliche Stadt ganz selbstverständlich vorkommt, es aber keineswegs von Anfang an war. Vor fast einem halben Jahrhundert charakterisierte Erich Herzog die „ottonische Stadt“ – also die Stadtform des 10. und frühen 11. Jahrhunderts – als eine Siedlungsform, die noch keineswegs eine geschlossene Form besaß (Abb. 1). Sein Bild dieser frühen Städte, das trotz zahlreicher Ergänzungen im Einzelfall doch bis heute wegweisend ist, zeigt im Zentrum in der Regel einen befestigten Bischofssitz, eine Domimmunität oder „Domburg“, nur ausnahmsweise einmal ein anderes Herrschaftszentrum wie ein großes Kloster oder einen königlichen Hof. Vor dem Tor dieses befestigten Herrschaftssitzes entstand meist mit der Zeit ein Markt mit den Häusern und Höfen von Händlern und Handwerkern – der eigentliche Kern der späteren bürgerlichen Städte. In einigem Abstand um die Domburg lagen Stifte und Klöster, meist in landschaftlich beherrschender Lage, die den sakralen Charakter des Ortes auch sichtbar betonten. Wann aus solch lockeren Gruppen von Siedlungen verschiedener Funktion jene geschlossene Stadtform mit klarem Straßennetz, regelmäßiger Parzellierung und gemeinsamer Befestigung wurde, die uns spätestens in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entgegentritt, wird umstritten bleiben, solange nur an wenigen Plätzen systematische Grabungen stattgefunden haben. Ein Handelsplatz wie Haithabu wies schon im 9. / 10. Jahrhundert eine dichte Bebauung an parallelen Straßen auf, aber in aller Regel wird man frühestens ab dem 11. und dann vor allem im 12. Jahrhundert mit der Verbreitung solcher Merkmale zu rechnen haben. Die Befestigung spielte bei dieser Entwicklung des geschlossenen Stadtkörpers sicherlich eine Rolle. Umwehrung war in der friedlosen Zeit des Frühmittelalters weitverbreitet, auch um die Domimmunitäten, Klöster und Herrschaftssitze,
Abb. 1 Goslar (Niedersachsen) als Beispiel einer „ottonischen Stadt“. Charakteristisch ist die Mehrheit der Siedlungskerne, darunter eine Marktsiedlung und mehrere Klöster oder Stifte. Die spätere Stadtmauer ist strichpunktiert angegeben (E. Herzog, Die ottonische Stadt, 1964).
Einleitung
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die in den entstehenden Städten lagen. Sobald die Siedlung der Händler und Handwerker reich genug war, wird auch sie folglich eine Umwehrung angestrebt haben; Haithabu ist wieder ein gut untersuchtes Beispiel, mit einem Wall schon ab der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Allgemein aber können die vorliegenden Erkenntnisse zu den frühen Befestigungen bisher noch wenig zur Klärung beitragen, wann sich die geschlossene Stadtform herausbildete, und zwar wiederum aus Gründen des Forschungsstandes. In der Regel bestand die früheste Befestigung auch der Städte aus Holz und Erde (vgl. 2.2.1.2. und 2.2.1.3.) und ist daher heute nicht mehr leicht zu fassen; die wenigen frühen Beispiele, die ergraben wurden, reichen noch nicht für ein abgesichertes Bild. Immerhin kann ein herausragender Fall wie Speyer – dessen ausgedehnte Mauer schon in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts Domburg, Händlersiedlung und Stifte umschloss – zumindest andeuten, wie früh sich die Entwicklung in rheinischen Bischofsstädten vollzogen haben kann; Basel und Worms, gleichfalls ohne römische Stadtmauern, bieten Vergleiche. Dabei ist nicht nur der Zeitpunkt der Umwehrung als solcher aussagekräftig, sondern mehr noch die Tatsache, dass so früh schon eine Mauer entstand; denn in der Regel folgte sie erst mit erheblichem Zeitabstand auf die anfängliche Holz-Erde-Umwehrung, offenbar nämlich dann, wenn die Wirtschaftskraft der entstehenden Stadt hierfür die Basis bot (vgl. 2.2.1.4.). Gruppen aus mehreren Dörfern, meist um die Burg eines Hochadligen bzw. Fürsten und gelegentlich bereits als Stützpunkte eines einsetzenden Fernhandels, gab es übrigens auch im slawischen Siedlungsraum, der – wie man nicht vergessen darf – bis zum 12./13. Jahrhundert einen Großteil des Gebietes einnahm, in dem dann deutsche Städte entstanden. Die Entwicklung bewegte sich dort, im Osten und Norden, also auf durchaus vergleichbaren Bahnen. Allerdings ging sie hier nicht so organisch in die Phase der geschlossenen Stadtform über wie im Westen und Süden Deutschlands, weil die Stadt „deutschen Rechts“ hier fast immer als fertiges Modell importiert wurde und in der Regel als plänmäßige „Gründungsstadt“ auf freiem Feld entstand, wenn auch oft nahe den slawischen Vorgängern. 14 I. Systematischer Teil
Die „Gründungsstadt“ als formal perfektionierte Ausprägung der entwickelten mittelalterlichen Stadt war auch den schon längst deutsch besiedelten Gebieten im Westen und Süden des deutschen Raumes keineswegs fremd. Sie spielte dort aber, trotz keineswegs geringer Anzahl, die Rolle eines Spätlings, weil gerade die frühesten Städte aus vorhandenen Siedlungskernen entstanden waren. Für die Stadtbefestigungen spielt der Unterschied zwischen „gewachsenen“ und Gründungsstädten allerdings kaum eine Rolle, weil sich die Peripherie beider Stadttypen zu der Zeit, in der die Mauern entstanden, nicht mehr nennenswert unterschied. Lediglich waren die „gewachsenen“ Städte in der Regel die älteren, oft auch die größeren, weswegen ihre Befestigungen oft früher begonnen wurden und mehr Umbauphasen aufweisen. Die Stadt im engeren Sinne war keineswegs die einzige befestigte Siedlungsform des hohen und späten Mittelalters, sondern nur eine unter vielen. Das entsprach einer agonalen Gesellschaft, in der Gewalt noch fast alltägliches Mittel des Interessenausgleichs war. Eine kurze Darstellung der anderen Befestigungsformen ist nicht nur bei der Andere befestigte Siedlungstypen des Bestimmung gewisser GrenzMittelalters fälle hilfreich, sondern kann auch auf einer allgemeineren Ebene das Besondere des Phänomens Stadtmauer anschaulich machen. Einen interessanten Versuch auf der Grundlage der relativ entwickelten Forschungssituation in der Schweiz hat Thomas Bitterli 2010 vorgelegt. Einige Befestigungsformen des Mittelalters waren hoch spezialisiert in dem Sinne, dass sie einer begrenzten gesellschaftlichen Gruppe dienten, die eine besondere Position einnahm bzw. einen besonderen Lebensstil pflegte. Die wichtigsten Beispiele dafür waren die Burgen und Klöster bzw. Stifte, also die Sitze des Adels und religiöser Gemeinschaften. Sie unterschieden sich auch formal ganz erheblich von den Städten und werden hier nur insoweit ins Blickfeld rücken, als sie mit den Städten in direkter Verbindung standen. Sowohl Herrschaftssitze als auch Klöster konnten Ausgangspunkt der Stadtentwicklung sein, ihre frühen Befestigungen daher auch vorbildhaft für jene der Städte werden (vgl. 2.1.2, 2.1.3.). Burgen entstanden zudem auch später noch oft am Rand
Abb. 2 Ostheim vor der Rhön (Unterfranken), die Kirchenburg von Norden; die Befestigung stammt aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Eine Kirchenburg bot weniger Schutz als eine Umwehrung der gesamten Siedlung, aber die Dorfbewohner konnten sich immerhin mit ihrer wichtigsten Habe in Sicherheit bringen.
bzw. in Ecklage der Städte und wurden so bei aller Eigenständigkeit zu einem Teil der Befestigungen (vgl. 2.2.10.1.). Darüber hinaus gab es aber auch Befestigungsformen, die wie die Stadt nicht nur einer kleinen Gruppe dienten, sondern kollektiven Charakter besaßen. Aussparen kann man dabei die nur in Notzeiten aufgesuchten, siedlungsfernen und unbewohnten Fliehburgen, die im Frühmittelalter augenscheinlich häufig waren, die aber mit dem Aufkommen der befestigten Städte (und Dörfer) ihre Bedeutung verloren. Und ebenso geht es hier nicht um die Kirchhofsbefestigungen („Kirchenburgen“), die keineswegs nur in Siebenbürgen, sondern auch im engeren deutschen Raum im Hoch- und Spätmittelalter weit häufiger waren, als der heutige Anschein vermuten lässt; schöne Beispiele findet man etwa noch in Unterfranken, manchmal noch mit den „Gaden“, in denen die Dorfbewohner ihre wichtigste Habe lagern konnten (Abb. 2). Sie dienten zwar einer ganzen Siedlung, aber nicht in dem Sinne, dass sie die Wohnstätten der Dorfbewohner schützten, sondern im Sinne eben der früheren Fliehburgen – man überließ die Höfe notgedrungen dem Feind und rettete nur das Leben und das wichtigste Gut. Durch diesen Verzicht war eine zugleich stärkere und billigere Bauform möglich, die aber wenig mit den Stadtbefestigungen zu tun hatte. Beschränkt man sich also auf jene Befestigungsformen, die – wie eben im Falle der Stadt – in beachtlicher Ausdehnung die Siedlung selbst umschlossen, so sind das Dorf, die Landwehr und schließlich zwei Grenzfälle der Stadt anzusprechen, nämlich Markt und Burgfreiheit.
Dörfer, die von Graben, Hecke oder Zaun („Etter“) umgeben und durch Holztore abgeschlossen waren, gab es vom Hochmittelalter bis ins 18. Jahrhundert so gut wie überall im deutschen Raum, wobei die Belege angesichts der Vergänglichkeit der Anlagen meist indirekter Art sind: ältere Beschreibungen, Pläne und Ansichten, Erwähnung als Grenzen, Straßennamen, Parzellierung usw. Dementsprechend ist die Literatur, die über Einzelfälle hinaus ein Gesamtbild zu skizzieren sucht, bisher sehr spärlich (Reinhard Schmitt zu Sachsen-Anhalt). Für unser Thema ist besonders zu betonen, dass es sich bei Dorfumfriedungen keineswegs immer um Befestigungen gehandelt haben muss. Die Notwendigkeit, die Tiere im Dorf, fern von den Feldern und Gärten, zu halten, wird die meisten Etter oder Dorfgräben hinreichend erklären, wobei die von Historikern betonte Rechts- und Wirtschaftsbedeutung an die vorhandene Abgrenzung nur anknüpften, ähnlich wie an die Stadtmauern. Dass Dorfumfriedungen Befestigungscharakter hatten, ist – außer im seltenen Fall eindeutiger Quellenlage – vor allem dann sicher zu erkennen, wenn Reste erhalten sind. Das ist natürlich nur der Fall, wenn die Umwehrungen oder zumindest Teile davon in Stein errichtet waren – und dies war die große Ausnahme. Heute findet man Reste steinerner Dorfumwehrungen vor allem in Weinbaugebieten – etwa im Oberelsass, am Untermain, in Rheinhessen oder im Moseltal –, aber auch in anderen fruchtbaren Agrarregionen, etwa der Magdeburger Börde oder in Franken, wo es auch noch Dorftore des 15.–18. Jahrhunderts gibt, meist aus Fachwerk. Für die frühere Verbreitung ist dies gewiss nur insoweit repräEinleitung
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sentativ, als in solchen Gebieten die Dörfer am größten und reichsten waren, sodass sie sich gegen Ende des Mittelalters oder noch später eine Mauer leisten konnten. Aus der Sicht der Bauund Kunstgeschichte kommt eine Diskussion der komplexen funktionalen und rechtlichen Fragen dieses Nachbargebietes der Stadtmauern hier nicht infrage. Da jedoch die Dorfmauern in ihren Formen von spätmittelalterlichen Kleinstadtmauern der jeweiligen Region in der Regel kaum unterscheidbar sind – anders gesagt: da es sich, ungeachtet des Rechtsunterschiedes von Dorf und Stadt, um dieselbe bauliche Entwicklung handelt –, werden erhaltene Dorfmauern im regionalen Teil prinzipiell mitbehandelt. Eine weitere Form der kollektiven Umwehrung bestand darin, dass eine ganze Anzahl von Siedlungen nebst ihrem zugehörigen Umland durch eine gemeinsame Umwehrung gesichert wurde, durch eine „Landwehr“ (vgl. 2.2.12). Eine Landwehr ist aufgrund ihrer stets enormen Länge in gewisser Weise die aufwendigste Form einer mittelalterlichen Siedlungsumwehrung gewesen, jedoch relativiert sich dies bei näherer Betrachtung. Landwehren waren nämlich keine verteidigungsfähigen Befestigungen, sondern das, was militärisch als „Annäherungshindernis“ bezeichnet wird, das heißt, sie waren so gestaltet, dass sie auch ohne Verteidiger ein Hindernis bildeten. In der Regel handelte es sich um mehrfach gestaffelte Wallgräben, die mit dichten (Dornen-) Hecken besetzt waren; bei einiger Pflege, die bis zum systematischen Verflechten der Büsche ging, konnte ein Weg durch eine solche Anlage nur mit erheblichem Zeit- und Arbeitsaufwand gebahnt werden. Dennoch war eine Landwehr im Laufe der Zeit recht einfach anzulegen und man vereinfachte die Arbeit weiter, indem man Wasserläufe, Täler, Steilhänge und andere natürliche Hindernisse in den Verlauf einbezog; im Planbild blieben Landwehren daher fern jeder Regelmäßigkeit. Ein Sonderfall von Landwehren, der die Einbeziehung natürlicher Hindernisse besonders deutlich macht, waren die „Talsperren“ in den Gebirgen, wo die Berge den Großteil des Schutzes bildeten und eine Sperre am Taleingang oder einer Engstelle genügte; die geringe Länge und das leicht verfügbare Material ermöglichten hier sogar Mauern und Türme, wie etwa bei den „Letzinen“ der Urschweiz. 16 I. Systematischer Teil
Vor allem im norddeutschen Flachland weist vieles darauf hin, dass Landwehren schon vor dem Aufblühen des Städtewesens ein verbreitetes Mittel territorialer Abgrenzung waren. Insoweit kann man sagen, dass die Städte – deren Landwehren seit dem 13. Jahrhundert belegbar sind, allerdings mit dem Höhepunkt erst im 15. Jahrhundert – nur spät ein längst bewährtes Mittel übernahmen, um auch ihrem landwirtschaftlich wichtigen Umland einen gewissen Schutz zu bieten. Nur diese funktional eingeschränkte Spätphase der städtischen, meist durch „Warten“ ergänzten Landwehr kann im Zusammenhang unseres Themas interessieren. Zwei Siedlungsformen stehen den „echten“ Städten vom Bild und teilweise auch von der Funktion her so nahe, dass man sie als Grenzfälle den Städten zuordnen kann: Markt und Burgfreiheit. Sie unterscheiden sich primär in der Rechtsform, was allerdings auch Folgen für die bauliche Ausprägung hatte, nämlich in dem Sinne, dass ihre eingeschränkte Selbstbestimmung sie meist an stärkerer Entwicklung hinderte. Der „Markt“ als eigenständige Siedlungsform tritt uns heute vor allem noch in Bayern und im österreichischen Raum entgegen und es weist vieles darauf hin, dass dies das Ergebnis einer bewussten landesherrlichen Politik war. Wie schon ausgeführt, war der Markt im Grunde die Vorstufe und der funktionale Kern jeder Stadt, wobei eine echte Stadt aber Rechte und Möglichkeiten besaß, die über Wirtschaftliches im engen Sinne weit hinausgingen. Einer Siedlung das Marktrecht zu verleihen, ihr aber weitere städtische Freiheiten zu verweigern, war aus der Sicht des Landesherrn also augenscheinlich ein Versuch, die Vorteile einer Stadt zu nutzen, ohne sie in eine allzu ausgeprägte Selbstständigkeit zu entlassen. Ob es in der Absicht der Herzöge von Bayern und weiterer, vor allem süddeutscher Landesherren des 13. Jahrhunderts lag, die von ihnen gegründeten Märkte auf Dauer in dieser rechtlichen Vorform und damit Abhängigkeit festzuhalten, oder ob die Weiterentwicklung zu „vollständigen“ Städten im Rechtssinne zwar beabsichtigt war, aber aus irgendwelchen Gründen nicht recht funktionierte – dies wird auch von historischer Seite nur schwer umfassend zu klären sein. Unter dem Aspekt der Stadtbefestigungen genügt die Feststellung, dass viele der
Märkte, besonders auffällig in Bayern, sich nicht erkennbar von „echten“ Kleinstädten unterscheiden, dass sie insbesondere oft auch (bescheidene) Befestigungen besaßen. Die Befestigungen der Märkte werden daher in den Regionalkapiteln ebenso mit einbezogen wie jene der Dörfer. Eine weitere Übergangsform zur echten Stadt war die „Burgfreiheit“, das heißt eine kleine, direkt einer Burg angeschlossene und befestigte Siedlung, die herrschaftlich und auch wirtschaftlich voll von dieser abhing (Abb. 3). Sie ist einerseits kaum mehr als eine größere und planmäßiger bebaute Vorburg, andererseits kaum weniger als eine Kleinstadt – deren auch rechtlichen Status sie in manchen Fällen durchaus erreichte. Normalfall war jedoch das Fehlen städtischer Rechte, was sich nicht zuletzt in der Bezeichnung „(Burg-)Freiheit“ spiegelt. Gemeint ist jene Ansiedlung, die von der „Freiheit“ des adligen Burgherrn profitierte – Freiheit von Steuern und Abgaben, auch von fremdem Gericht –, obwohl sie nicht innerhalb der eigentlichen (Kern-) Burg lag. Im Rheinland trat alternativ auch der Begriff „Tal“ auf, der eine der typischen Lagen solcher Siedlungen charakterisiert, nämlich unterhalb der eigentlichen Burg im Tal bzw. am Hang; die andere typische Lage war auf gleicher Höhe mit der Burg, im Flachland, vor dem Halsgraben, oder auf dem Rest eines größeren Gipfelplateaus. Es fällt auf, dass sich derartige Burgstädtchen am Westrand des deutschen Sprachraumes häufen, im Rheinland, Westfalen und dem westlichen Hessen, aber auch im Elsass, in Baden und in der Westschweiz. Es liegt daher nahe, hier eine Anregung durch die in Frankreich verbreitete Form des bourg castral zu vermuten, mit einem wohl ähnlichen Hintergrund – relativ einkommensstarke Burgherren, die ihre qualifizierteren Untertanen nicht in die „freien“ Städte abwandern lassen und ihnen daher wenigstens gewisse städtische Vorzüge bieten wollten, etwa einen kleinen Markt, aber vor allem auch Schutz durch Befestigungen. Angesichts der Kleinheit der Anlagen kann aber kaum überraschen, dass diese Befestigungen eher bescheiden blieben. Im Bereich des Rheinischen Schiefergebirges ist zum Beispiel deutlich, dass die Zäune und Gebücke erst ab der Zeit um 1400 und bis ins 16. Jahrhundert hinein durch Mauern ersetzt wurden, und in Westfalen gibt
es noch einige Fachwerktore des 16. Jahrhunderts. Die Ummauerungen, die auch anderswo kaum vor das 14. Jahrhundert zurückgehen, weisen in der Regel höchstens einen Torturm auf (Tengen / Baden, spätes 13. Jahrhundert?; Staufenberg / Hessen, „1401“), aber es gibt auch Ausnahmefälle wie etwa Braunfels (Hessen) mit einem Doppelturmtor des 15. Jahrhunderts oder insbesondere Sonnenberg bei Wiesbaden, wo das „Tal“ bei einer Länge von maximal 120 m doch vier ausgesprochen hohe Türme besitzt! Auch bei einer so ungewöhnlich aufwendigen Annäherung an das Bild echter Stadtmauern darf man nicht vergessen, dass sich hier keineswegs unabhängiger Bürgerstolz zeigte, sondern die besonderen Möglichkeiten eines Adligen, der Siedlung und Mauer als Teil seiner darüber aufragenden Burg verstand. Dass eine mittelalterliche Stadt auch Funktionen einer „Festung“ übernehmen konnte, hat Carl Haase in einem gern zitierten Aufsatz von 1963 vorgetragen „Die mittelalterliche Stadt als Festung“ und in einem Buch über die Befestigungen der Städte ist dieses Thema zu diskutieren. Darf oder muss man gar die mittelalterliche Stadt als „Festung“ verstehen? Zunächst muss dafür der Begriff der „Festung“ geklärt werden, der zumindest in der neueren Architekturgeschichte konkreter definiert wird, als Haase und andere ältere Historiker es taten. Dabei spielen zwei Aspekte die entscheidende Rolle, nämlich der des Militärs und jener der Artillerie. Eine Festung im strengen Sinne ist ein verteidigungsfähiges Bauwerk, das von militärisch organisierten Einheiten verteidigt wird, und zwar unter Verwendung von Artillerie bzw. Feuerwaffen; dabei steht hinter dem Begriff des „Militärs“ notwendigerweise auch der des Staates, denn nur ein entwickeltes Staatsgebilde benötigt eine Armee zur Verteidigung seines Territoriums und kann sie finanzieren. Aus dieser Definition geht hervor, dass Festungen neuzeitliche Phänomene sind, da von Artillerie im Sinne systematisch unterhaltener und genutzter Geschütze erst seit dem 15. Jahrhundert, von einem Militär im Sinne des „stehenden Heers“ erst im 17. Jahrhundert die Rede sein kann. In diesem engeren Sinne konnte eine mittelalterliche Stadt durch moderne Befestigungen und eine Garnison zwar Einleitung
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sekundär zur Festung gemacht werden – was seit den „Landesfestungen“ des 16. Jahrhunderts oft der Fall war –, aber im Mittelalter selbst konnte sie noch keine „Festung“ sein. Jedoch hat es im Mittelalter und noch früher durchaus gewisse Vorformen von Festungen gegeben, die in unserem Zusammenhang von Interesse sind. Die Kastelle des Römischen Reiches waren durchaus militärische Anlagen im engeren Sinne und manche große Burgen konnten spätestens ab dem 12. / 13. Jahrhundert über eine beachtliche Anzahl von Burgmannen verfügen, von einer Ordensburg mit ihrer Kriegerkaste ganz abgesehen. Allerdings erfüllten gerade die Burgen damit nur im weitesten Sinne das Kriterium einer „Garnison“, während von einer Prägung der Bauformen durch „Artillerie“ (= Wurfgeschütze) noch keine Rede sein konnte. Diesem letzteren Kriterium kamen höchstens manche Ordensburgen in den Kreuzfahrerstaaten etwas näher, wo im 13. Jahrhundert Wurfgeschütze bereits sehr effektiv eingesetzt wurden und in Ansätzen die Bauform zu prägen begannen. Die mittelalterliche Stadt war dagegen primär ein ökonomisch funktionierendes Gebilde, das Abb. 3 Reifferscheid (Nordrhein-Westfalen) als Beispiel einer „Burgfreiheit“. Die nur mit der „Freiheit“ des Burgherrn ausgestattete, ummauerte Siedlung ist kaum größer als die Burg selbst (Dehio Nordrhein-Westfalen I, 2005).
18 I. Systematischer Teil
seine Befestigungen in erster Linie zum eigenen Schutz anlegte und unterhielt, und auch wenn die Bürgerschaft durchaus zu ihrer Verteidigung organisiert war (vgl. 3.2.), so war dies doch nicht ihr ursprünglicher Daseinszweck, sondern nur dessen Folge. Nichtsdestoweniger konnte eine Stadt natürlich strategische Bedeutung haben, weil ihre Verteidigungswerke samt Verteidigern, ihre wirtschaftliche Stabilität und nicht zuletzt ihre pure Größe es ihr erlaubten, prinzipiell mit jeder Burg zu konkurrieren bzw. sie in ihrem strategischen Wert zu übertreffen. Ein Landesherr konnte folglich die Gründung von Städten durchaus auch dazu verwenden, wichtige Plätze – eine Region, eine Grenze, eine Straße – zu sichern, oder er konnte vorhandene Städte entsprechend einsetzen und ausgestalten; dies machte zuletzt etwa Chr. Müller für mehrere ludowingische Kleinstädte in Thüringen wahrscheinlich. Neben einer sorgfältigen Lagewahl (vgl. 2.2.1.1.) und dem Ausbau ihrer eigenen Befestigungen konnte dabei auch die Kombination mit einer Burg ein sinnvolles Mittel sein – oder die Ansiedlungen von Burgmannen in der Stadt (vgl. 2.2.10.1.). Diese strategische Bedeutung bestimmter Städte blieb aber in jedem Falle eine Zusatzfunktion, die die wirtschaftlichen Kernfunktionen der Stadt nur ergänzte bzw. auf sie aufbaute, sie aber keineswegs etwa ersetzen konnte und sollte – die Stadt war höchstens „auch“ territorialpolitischer Stützpunkt, wurde aber nie vollständig zu einem solchen. Zudem bleibt im Rahmen der architekturgeschichtlichen Betrachtungsweise dieses Buches zu betonen, dass die besondere strategische Funktion einer Stadt in der Regel nicht an der Gestalt ihrer Befestigungen abzulesen ist. Auch wenn man in der historischen oder der Heimatliteratur nicht selten die Akzentuierung findet, eine Stadtbefestigung sei besonders „stark“ gewesen – oder die Stadt eben eine „Festung“ oder „Bastion“ –, so wird man diese Metaphorik aus dem Baubefund heraus kaum je bestätigt finden. Sicher waren die Befestigungen der Städte verschieden stark ausgebaut, insbesondere im Spätmittelalter, nach langer Entwicklung, aber in aller Regel wird man eher feststellen, dass sich darin Größe, Alter und Wirtschaftskraft der Stadt ausdrückt und dass eine allzu starke Betonung des Strategischen gegenüber dem Wirtschaftlichen bei der Stadtgründung später eher zu einer Stagnation führte.
1. Forschungsstand und Methodik 1.1. Probleme und Ziele der Stadtmauerforschung „Ueber das Alter der Stadtmauern lässt sich nichts Bestimmtes sagen; sie mögen die ursprüngliche Palisadenbewehrung allmählich ersetzt haben, und Erneuerungsarbeiten kamen jedenfalls häufig vor.“ G. Voss, Stadt Meiningen und die Landorte, Jena 1909 (Bau- u. Kunstdenkmäler Thüringens, Sachsen-Meiningen, Bd. I, 1. Abth.), S. 235
Diese Formulierung des thüringischen Inven tarisators Anfang des 20. Jahrhunderts brachte die architekturgeschichtliche Problematik der Stadtmauern schon vor einem runden Jahrhundert auf den Punkt. So eindrucksvoll manche Mauern erhalten sind, so schwer fällt es, ihre Entstehungszeit im Einzelnen zu fassen. Dieses Problem teilen die Mauern mit einem Großteil der mittelalterlichen Architektur, und zwar aufgrund der zeittypischen Seltenheit von Schriftquellen; sie sollten in der Regel Rechtsverhältnisse dokumentieren, während Bauvorgänge nur ausnahmsweise, zum Spätmittelalter hin zunehmend, Erwähnung fanden. Bei Profanbauten und gar Befestigungsanlagen kommt erschwerend hinzu, dass das weitgehende Fehlen von Schmuckformen auch die kunsthistorische Stildatierung erschwert, die sonst den Schriftquellenmangel wenigstens teilweise ausgleichen kann. Und wenig hilfreich ist auch, wie Voss schon skizzierte, die Tatsache, dass ausgedehnte und jahrhundertelang funktionierende Bauten wie Stadtmauern schon durch normale Maßnahmen der Instandhaltung und Modernisierung eine Fülle von „Bauabschnitten“ aufweisen, die eine Betrachtung und Datierung der Mauer als einheitliches Bauwerk gar nicht zulassen, und dies umso mehr, als kaum eine Mauer lückenlos erhalten ist (Abb. 4). Und als ein zentrales Problem der Sachlage bleibt schließlich anzuführen, wiederum mit Voss, dass die Anfänge der meisten Befestigungen schon deswegen außerhalb einfacher Erkenntnismöglichkeiten liegen, weil es sich um recht bald ersetzte Anlagen aus Holz und Erde gehandelt hat.
Jede Gesamtdarstellung eines Bautypus wird grundsätzlich zwei miteinander verbundene Ziele anstreben. Zunächst geht es darum, die Entwicklung des Typus als solche zu klären, und dann auf dieser Grundlage um das Verständnis, welche historischen Bedingungen diese Entwicklung vorangetrieben und geformt haben. Angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten kann es nicht überraschen, dass selbst das erste dieser beiden Ziele für die Stadtbefestigungen noch in weiter Ferne liegt. Weit über 90 Prozent dessen, was seit dem 19. Jahrhundert über Stadtmauern publiziert wurde, bezieht sich auf die Mauer nur einer einzelnen Stadt, aber unter diesen Hunderten von Veröffentlichungen sind jene viel zu selten, die Forschung im strengeren Sinne vorgelegt haben, also Auswertung der Schriftquellen, Bauforschung am aufgehenden Bestand oder archäologische Erfassung – oder gar Datierung verschwundener Teile. Gerade unter den älteren, selten von Bau- oder Kunsthistorikern geschriebenen Monographien überwiegen vielmehr solche, die nur summarisch die Reste beschreiben bzw. den ehemaligen Verlauf der Mauer zu rekonstruieren suchen. Gerade bei kleineren Städten und dort, wo Zerstörung die Befestigung aus dem Bewusstsein schwinden ließ, fehlen Darstellungen der Mauern außerdem oft gänzlich und Datierungsversuche beschränken sich allzu häufig auf die methodisch unhaltbare Gleichsetzung der Ersterwähnung als Stadt mit der Bauzeit der erhaltenen Teile – jede Stadt hatte dieser simplifizierenden Denkweise zufolge von Anfang an eine Mauer und alle Reste gehören zu ihr, die man sich dabei als Bau „aus einem Guss“ denkt (vgl. 1.4.). Dass solche Simplifikationen in 1. Forschungsstand und Methodik
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Abb. 4 Worms (Rheinland-Pfalz), steinrechte Ansicht eines Stadtmauerabschnitts beim Stift St. Andreas als Beispiel eines mehrphasigen Befundes mit Befundnummern; hochmittelalterlich sind nur die grau unterlegten Teile (vgl. Abb. 37; O. Wagner / A. de Filippo in: Wormsgau, 30, 2013).
der Tourismuswerbung gängig sind, liegt auf der Hand, aber leider findet man sie auch oft auf den an sich verdienstlichen Informationsschildern vor Ort, wo man doch mehr Sachverstand einfordern dürfen sollte. Angesichts solch grundsätzlicher Probleme, eine Mauer „per se“ zu interpretieren, darf man a priori einige Erwartungen auf den Vergleich zwischen den Stadtmauern einer Region richten – Typisches könnte im Vergleich erkannt werden und das an einem Ort Undatierbare besser einzuordnen sein. Leider aber fehlen solche vergleichenden Untersuchungen bisher so gut wie völlig. Im Grunde sind für den gesamten deutschen Raum nur drei größere Arbeiten zu nennen, die dieses Ziel methodisch sinnvoll angestrebt haben. Die Dissertation von Udo Mainzer behandelte 1973 die Stadttore des Rheinlandes, dabei stand die Rezeption der großartigen Kölner Mauer des frühen 13. Jahrhunderts im Zentrum, und Heinrich Trost hat schon 1959 die besonders schmuckreichen Stadttore im Backsteingebiet insbesondere von Brandenburg und Mecklenburg thematisiert. Beide Arbeiten verfolgten einen dezidiert kunsthistorischen Ansatz und griffen daher aus dem Gesamtzusammenhang der Mauern die Tore heraus, also deren schmuckreichste Einzelbauten, die am ehesten Aussagen über die Entwicklung von Formen und den symbolischen Gehalt zulassen. Einer gänzlich anderen Methodik verpflich20 I. Systematischer Teil
tet ist dagegen das jüngste der drei vorliegenden Überblickswerke, das erst 1995–99 dreibändig die Stadt- und Landmauern (= Stadtmauern und Landwehren) der Schweiz zu erfassen sucht. Hier handelt es sich um das (mit geringen Lücken) flächendeckend angelegte Inventar aller Stadtmauern eines Landes, das vor allem Untersuchungsergebnisse zusammenstellt, die mit den Mitteln von Archäologie und Bauforschung erzielt wurden. Damit spiegelt es den Eintritt in eine neue, noch recht junge Phase der Forschung, die – über das Betrachten und Interpretieren hinaus – zum ersten Mal „untersucht“, das heißt auch ins stratigraphische und technische Detail geht, um das Bauwerk, seine Bauphasen und Funktionen möglichst umfassend zu verstehen. Der kunsthistorische Formenvergleich spielt in den Stadt- und Landmauern zwar eine geringere Rolle, weil zusammenfassende Betrachtungen der Initiative der Autoren überlassen blieben. Dafür aber zeigen die Stadt- und Landmauern, warum solche Vergleiche bisher nur begrenzt möglich sind, weil nämlich wenige Mauern gut untersucht sind und es methodisch inakzeptabel ist, sich auf jene zu beschränken, die durch die Zufälle der Jahrhunderte besser erhalten sind. Nicht nur wegen seiner Sorgfalt, sondern auch wegen dieser korrekten Widerspiegelung eines noch bruchstückhaften Wissensstandes ist der Schweizer Ansatz vorbildhaft und wird hoffentlich Nachfolge auch in anderen Ländern und Regionen finden.
1.2. Zur Literatur Weitaus die meiste Literatur, die zum Thema dieses Buches gehört, behandelt nur einzelne Städte und kann, wegen ihrer Verschiedenartigkeit, kaum zusammenfassend charakterisiert werden. Sie ist hier im dritten Teil des Literaturverzeichnisses aufgeführt, die Auswertung erfolgt im zweiten Band dieses Werkes. Eine Literatur zum Thema, die über die einzelne Stadt hinausging, hat es dagegen bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht gegeben. Zwar behandelte die im 19. Jahrhundert aufblühende „Burgenliteratur“ selten genug auch Stadtmauern, quasi als Exkurs, aber der ahistorische, im Grunde nur an der Beschreibung „militärischer“ Funktionen interessierte Ansatz dieser Darstellungen verhinderte nennenswerten Gewinn. Der Forschungsstand, sofern dieses Wort hier angebracht ist, besteht daher neben den reinen „Mauermonographien“ aus Werken, die das Thema in einem größeren Rahmen lediglich mitbehandeln. Im Wesentlichen geht es dabei um zwei recht unterschiedliche Arten von Literatur, nämlich um Inventare von Baudenkmälern und um Darstellungen der Geschichte einer Stadt. Beide Publikationsarten haben seit dem 19. Jahrhundert eine Fülle von Veröffentlichungen hervorgebracht, aber beide haben auch die Stadtbefestigungen fast immer am Rande gelassen und – wegen der auch hier vorliegenden Beschränkung auf stets nur einen Ort – keine für das Thema weiterführende Fragestellung entwickelt. Die Bestandsaufnahmen der Kunstdenkmäler, die für einen großen Teil des deutschen Raumes vorliegen, aber immer noch riesige Lücken haben, durchliefen ab dem 19. Jahrhundert eine Entwicklung, die von recht summarischen Übersichten über oft aufwendige („Groß-“)Inventare bis hin zu den eher auf die Administration zielenden, sehr knappen Kartierungen und Listen („Denkmaltopographien“) der Gegenwart führten. Wissenschaftlichen Gewinn erzielten dabei fast nur die aufwendigen „Großinventare“, wobei aber wirklich eindringende Untersuchungen von Mauern die Ausnahme blieben; positiv hervorgehoben seien etwa Lübeck (Hugo Rathgens), Köln (Hans Vogts) oder Basel (Casimir Hermann Baer). In vielen anderen Fällen bleibt die Darstellung jedoch unbefriedigend, und Überschriften wie
das häufig gewählte „Lage und Befestigung der Stadt“ deuten einen der Gründe an. Die Befestigung wurde nämlich oft weniger als funktional und ästhetisch gestaltetes Bauwerk erfasst, sondern eher als topographisches Merkmal, nämlich als Grenze der Stadt. Der selten bauanalytische Blick der Autoren führt ferner dazu, dass oft selbst einfachste Fragen offenbleiben: War ein Torturm einmal höher, ein Turm ursprünglich ein Schalenturm oder deuten seine Scharten auf Feuerwaffen? Noch weniger darf Derartiges natürlich vom Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler („Dehio“) erwartet werden, das naturgemäß den Forschungsstand nur ordnet und knapp resümiert, aber vorhandene Lücken in Erfassung und Analyse nicht schließen will und kann. Als dramatisches Beispiel der Folgen darf hier Hollfeld in Oberfranken angeführt werden, das neben erheblichen Mauerteilen sogar einen bescheidenen, aber vollständigen Torbau bewahrt hat, der jedoch sowohl im „Dehio“ als auch im Handbuch der Historischen Stätten verschwiegen wird. Weit häufiger wirkt sich negativ aus, dass dem Kunsthistoriker nur der erhaltene und „künstlerisch“ gestaltete Bau etwas gilt; wo einer Stadt ein stattlicher Torturm geblieben ist, aber nicht mehr als das, wird man im „Dehio“ in der Regel das Stichwort „Stadtbefestigung“ finden. Blieben jedoch noch 90 Prozent der Mauer, nur leider ohne Türme und weitgehend verbaut, so wird der „Dehio“ durch Nichterwähnung das unzutreffende Bild einer Stadt ohne Mauerreste vermitteln. Trotz solcher Schwächen bietet er nach wie vor einen flächendeckenden Einstieg zumindest in die erhaltene Substanz, manchmal die einzige Beschreibung überhaupt. Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass sein Patron, Georg Dehio, der bisher Einzige war, der eine nach Vollständigkeit strebende Geschichte der deutschen Kunst (1930–34) vorgelegt hat, in der die Stadtmauern nicht übergangen, sondern angemessen gewürdigt wurden. Die Geschichte einzelner Städte ist recht häufig auf gutem Niveau geschrieben worden, wobei die „Städtebücher“ bzw. „Städteatlanten“ Flächendeckung anstreben und bei dem Prototyp der Gattung, Erich Keysers Deutschem Städ1. Forschungsstand und Methodik
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tebuch, auch erreicht haben; sie zählen zu den wichtigsten Hilfsmitteln, wenn es um Stadtmauern geht. Allerdings dokumentieren auch sie, als historisch angelegte Werke, nur einen Teil des Faktenmaterials und können das häufige Fehlen eines interdisziplinären Arbeitsansatzes nicht überbrücken. Die Daten aus den Schriftquellen werden in zuverlässiger Weise dokumentiert, wobei zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht aufgearbeitete Archivalien natürlich unerfasst bleiben, und die erhaltenen Bauten knapp aufgelistet; bei den „Städteatlanten“ geben die Pläne einen in aller Regel zuverlässigen und vollständigen Überblick über das ehemals Vorhandene. Gegenüber den Angaben zu Bauabfolge und Datierung ist bei dieser Literaturgattung aber grundsätzlich Vorsicht geboten, da häufig die Aussagen der Schriftquellen ohne Berücksichtigung bau- und kunsthistorischer Methodik absolut gesetzt werden, bzw. weil keine Diskussion der Widersprüche zwischen Quellenlage und Baubefund stattfindet. Das ebenfalls für einen ersten Überblick unverzichtbare, wenn auch leider in manchen Bänden veraltete Handbuch der Historischen Stätten verhält sich zu den monographischen
Städtegeschichten und den „Städtebüchern“ wie der „Dehio“ zu den Großinventaren – es bietet knappe Überblicke, will und kann sich aber aus der Abhängigkeit vom Forschungsstand nicht lösen. Bei einer flächendeckenden „Begehung“, wie ich sie vorgenommen habe, zeigt sich außerdem, weit ausgeprägter als beim „Dehio“, die Verschiedenartigkeit der Bände; die Bearbeiter haben sich offensichtlich von Land zu Land recht unterschiedlich verpflichtet gesehen, auf die Befestigungen einzugehen. Als äußerst hilfreiche neuere Veröffentlichung sei abschließend die Karte der mittelalterlichen Städte in Mitteleuropa genannt, die Heinz Stoob 1988 veröffentlicht hat. Sie vermittelt ein im Grundsatz vollständiges Bild der Siedlungen – mit Ausnahme der Dörfer –, in denen mit einer ehemaligen oder erhaltenen Befestigung zu rechnen ist; dabei unterliegen die Angaben zu ehemaligen Holz-Erde-Befestigungen aber naturgemäß dem Vorbehalt archäologischer Prüfung. Die Vollständigkeit der Erfassung ist hoch, obwohl – bei Hunderten von Städten und der inhomogenen Literatur verständlich – kleine Lücken nicht gänzlich vermieden sind (etwa eine Stadt mit der Bedeutung von Waiblingen).
1.3. Bauinschriften und Baunachrichten Im weitaus größten Teil der Literatur, die man für das Thema Stadtbefestigungen verwenden kann, kommen Schriftquellen, obwohl sie neben den Bauten selbst der wichtigste Ausgangspunkt jeder Erkenntnis sind, nur indirekt vor. In aller Regel werden Jahreszahlen oder Zeiträume, die offensichtlich der Schriftüberlieferung entnommen sind, als gesicherte Ergebnisse verwendet, aber die Quelle selbst und ihr Aufbewahrungsort wird kaum je angegeben, die Literatur, in der sie exakt zitiert sein könnte, nur gelegentlich. Eine Diskussion der Schriftquellen, also eine Abklärung des grundsätzlich immer vorhandenen Interpretationsspielraumes, ist also kaum je anzutreffen. Diese Tatsache, die keineswegs auf den Themenbereich der Stadtbefestigung beschränkt ist, sondern für weite Teile der (älteren) Architekturgeschichte, der Inventare und Kunstführer gilt, weist auf ein Problem hin, nämlich 22 I. Systematischer Teil
auf das der oft ungenügenden Auswertung der Quellen. Denn mittelalterliche Schriftüberlieferung enthält nur selten Aussagen, die unsere heutigen Fragen direkt und eindeutig beantworten können. Eine gewisse Annäherung an die Erwartungen des Historikers ist erst im Spätmittelalter zu verzeichnen, als Ratsprotokolle, städtische Rechnungsbücher, Wachordnungen, Wächterund Bewaffnungslisten, um nur besonders konkretes Quellengattungen zu nennen, sich direkt auf einzelne Bauteile und Bauvorgänge zu beziehen begannen (vgl. 3.1.). Aber auch sie stecken noch, ganz abgesehen von der seltenen und zufallsbedingten Erhaltung, voller Interpretationsprobleme. Zwar werden manche Bauteile eindeutig angesprochen – Tore und wichtige Türme mit feststehenden Namen –, aber anonyme bzw. wechselnd benannte Bauteile wie Mauer-
abschnitte, Zwinger, Wehrgänge oder Gräben bleiben meist auch dann unidentifizierbar, wenn Kosten und Zeitpunkt einer Baumaßnahme eindeutig angegeben sind. Hinzu kommt, dass im Spätmittelalter, insbesondere im 15. / 16. Jahrhundert, die weitaus meisten Mauern längst existierten und lediglich verstärkt oder ausgebessert wurden, womit die relativ detaillierten Quellen dieser Phase nur wenig zu der zentralen Frage beitragen können, wann die Mauern ursprünglich errichtet wurden. Bevor wir uns daher der komplizierteren Frage zuwenden, wie aus älteren, andersartigen Quellen auf die Entstehungszeit oder gar Gestalt von Stadtbefestigungen geschlossen werden kann (siehe 1.4.), sei kurz auf die seltenen Datierungen an den Bauten selbst eingegangen. Auch sie ordnen sich der Aussage unter, dass schriftliche Angaben zu Datierungen erst im Spätmittelalter aufkommen. Trotz Literaturauswertung und eigenen Begehungen mag noch manche Inschrift unentdeckt sein, aber das Gesamtbild scheint dennoch aussagekräftig. Vor dem Ende des 14. Jahrhunderts sind mir nur drei Inschriften bekannt geworden – jene am Goslarer „Teufelsturm”, er sei 1280 vom Grafen von Blankenburg als Buße für einen Viehraub erbaut worden (Abb. 432), jene von 1323 am Nürnberger Turm „Männereisen“ und eine aus demselben Jahr am „Untertor“ in Dambach (Unterelsass; Abb. 5). Ende des 14. Jahrhunderts sind Inschriften zu nennen in Aschaffenburg („Sandtor“ 1380, gemeint ist wohl die Stadterweiterung), Zons („Zollturm“ 1388) und Heilbronn („Götzenturm” 1392). 1401 folgt der Torturm von Staufenberg / Hessen, 1413 Inschriften in Lauingen und am „Diebsturm“ in Witzenhausen; an der Spitalkirche in Aichach nennt eine Inschrift 1418 den Mauerbau Ludwigs des Gebarteten von Bayern-Ingolstadt, womit Schärding zu vergleichen ist, wo eine Tafel im Kirchturm (Abb. 292) den Beginn von Bauten desselben Herzogs 1429 festhält. Weitere Beispiele bis ins frühe 16. Jahrhundert sind Stadthagen (Stadtwappen und „1423“ auf dem Türsturz eines Turmes), nochmals Goslar („Kegelworthturm“ 1459), Billigheim / Pfalz (Torturm 1468), Haltern („Siebenteufelsturm“ 1501) und Borken („Diebesturm“ 1504). Fast alle Beispiele gehören also in die Zeit, in der Bauinschriften in Deutschland allgemein
Abb. 5 Dambach-la-Ville (Elsass), Bauinschrift am Untertor: „Im Jahre des Herrn 1323, an den 12. Kalenden des Juli, wurde der erste Stein dieser Stadt gelegt“ – ein seltenes Beispiel, dass der Baubeginn einer Stadtmauer am Bauwerk datiert wurde.
zunehmen; auffällig ist damit an den Inschriften der Stadtmauern eher ihre große Seltenheit. Dabei verpflichtet auch ihre Aussagekraft stets zur Diskussion im größeren Rahmen, wie eines der jüngsten Beispiele belegen kann. Ein Rondell in Büdingen – an einer der spätesten umfassend erneuerten Stadtbefestigungen Deutschlands – trägt das Datum „1511“, das aber lediglich den Tod des Erbauers als Gedenkinschrift dokumentiert; das Rondell selbst existierte nachweislich schon 1489! Wendet man sich damit den Schriftquellen im engeren Sinne zu, der Überlieferung auf Papier, Pergament und Ähnlichem, so ist auch hier zunächst nach jenen Aufzeichnungen zu fragen, die direkt von der Erbauung einer Befestigung berichten. Das Ergebnis ist dabei einerseits dem bei den Bauinschriften vergleichbar – auch solche Nachrichten sind selten und interpretationsbedürftig –, andererseits beginnen sie doch deutlich früher als die Inschriften und spiegeln damit die reale Entwicklung weitaus besser. Schon 1140–43 entstand ein Ruhmgedicht auf den Mauerbau in Trier. 1160 wurde die Mainzer Mauer als Strafe für die Ermordung des Erzbischofs von Kaiser Friedrich I. mindestens teilweise abgerissen und 1171 wies Friedrich Aachen an, sich neu zu befestigen. 1180 erlaubte derselbe Kaiser die Vollendung des Wallgrabens von Köln; 1187 aber musste ein dortiges Tor 1. Forschungsstand und Methodik
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wieder bis aufs Erdgeschoss abgetragen werden. 1229 baute ein Konverse des Zisterzienserklosters Himmerod das „Untere Tor“ von Zell / Mosel – die früheste Erwähnung des Baumeisters einer Befestigung; das Tor aber existiert nicht mehr. 1248 verzichtete der Markgraf von Meißen auf Einspruch gegen Mauern und Gräben in Merseburg und auch das nahe Naumburg durfte erst 1276 Gräben oder Planken mit Erkern beginnen. 1279 erlaubte der Erzbischof von Köln den Bürgern von Zülpich, ihr „Städtchen mit Mauern zu stärken“ (oppidum muro firmare), und 1294 erteilte Erzbischof Sigfrid Kempen Stadtrechte, wobei er anmerkte, die Bürger hätten schon viel Mühe in den Mauerbau gesteckt (er dauerte dennoch bis Ende des 14. Jahrhunderts!). In Brandenburg erhielt Prenzlau 1287 die landesherrliche Erlaubnis zum Mauerbau, worauf bis 1361 etliche weitere brandenburgische Städte folgten. Ornbau erhielt 1317 die Befestigungserlaubnis des Bischofs von Eichstätt, ebenso wieder 1464, wobei wohl erst das zweite Datum die Entstehung von Mauer und Zwinger markiert. Die „Wildunger Altarchronik“ berichtet zum 8. September 1319, die Mauer von Wildungen sei begonnen worden – die früheste quellenmäßige Datierung einer hessischen Mauer, auf die bis 1547 / 48 (Flörsheim) etliche weitere folgten. In Quedlinburg wurde chronikalisch 1337 der Graf von Regenstein verpflichtet, nach erfolgloser Belagerung sieben Türme zu bauen. 1360 erlaubte Graf Heinrich von Montfort, Immenstadt zu befestigen, und 1350 wurde die portze[,] die nuweliche vur unser stat van Andernach enbuzen gebuwet is[,] erwähnt, was wohl das erhaltene „Koblenzer Tor“ meinte. Arberg in Mittelfranken wurde zwischen 1383 und 1415 durch zwei Türme verstärkt. Und schließlich wurde 1498 in Dillingen ein Vertrag geschlossen: Der Bischof von Augsburg hatte einen Zwinger und die Vorstadtmauer gebaut, für deren Erhaltung Bischof und Stadt gemeinsam sorgen wollen. Die erdrückende Mehrzahl dieser (zumeist ersten) Erwähnungen der Befestigung bezieht sich auf eine Anweisung des Landesherrn oder Königs, der die Anlage einer Befestigung entweder wünschte oder zumindest erlaubte, ausnahmsweise auch einmal ihre Zerstörung verfügte. Das verwundert nicht, waren doch weitaus die meisten Städte keineswegs selbstständig, sondern 24 I. Systematischer Teil
unterlagen wie alle anderen Siedlungen und deren Bewohner den Inhabern der feudalen Herrschaftsgewalt. Im 12. Jahrhundert galt dies auch noch für die ganz großen Handelsstädte wie etwa Köln, die dann im 13. Jahrhundert teilweise ein beachtliches Maß an Freiheit erringen konnten. Aus architekturgeschichtlicher Sicht ist zu dieser Art von Quellen anzumerken, dass eine Erlaubnis zur Befestigung noch nicht heißt, dass die Mauer unmittelbar danach begonnen oder gar schnell vollendet wurde – und falls ihre Erbauung durch die besondere Formulierung oder weitere Quellen belegbar oder zumindest wahrscheinlich ist, bleibt immer noch zu fragen, welche Form sie anfangs hatte. Bei den beispielhaft zitierten Nachrichten ist nur in fünf Fällen (von 20) vom Bau oder von der Existenz einer wirklichen Mauer die Rede, in drei weiteren von einzelnen Toren und Türmen. In zwei Fällen (Köln, Naumburg) sind explizit Anlagen aus Holz und Erde angesprochen, sonst aber bleibt die Art der Befestigung genauso offen wie letztlich der Baubeginn. Einen direkteren Schluss auf Bauarbeiten lassen Steuerbefreiungen zu, die ebenfalls vom Landesherrn zum Zwecke der Befestigungen ausgesprochen wurden (vgl. 3.1.). In einer Zeit, die noch kaum ein Instrumentarium besaß, eingenommenes Geld über längere Zeit aufzubewahren oder es gar „arbeiten zu lassen“, bestand die normale Form finanzieller Förderung darin, eine Einnahmequelle – Ländereien, Steuern, Zölle usw. – zeitweise abzutreten. Steuerbefreiungen für die Befestigung waren daher weitverbreitet, vor allem als „Ungeld“, eine ausgesprochen ertragreiche Verkaufssteuer auf alkoholische Getränke. Gerade in den auch hier weit überwiegenden spätmittelalterlichen Fällen besteht zwar das bekannte Problem, dass zwischen der Erbauung der Mauer und einer ebenfalls finanziell aufwendigen Instandsetzung nicht unterschieden werden kann, aber zumindest eine frühe Quelle ist hier als aussagekräftiger hervorzuheben: das zufällig erhaltene staufische Steuerverzeichnis von 1241. Es erfasst Städte in staufischem Besitz und ihr Steueraufkommen dieses Jahres, wobei aus Steuererlässen mit einiger Vorsicht Schlüsse auf laufende oder schon abgeschlossene Befestigungsarbeiten gezogen werden können; angesichts des frühen Zeitpunktes handelt es sich in der Regel wohl um die erste Ummauerung.
Alle anderen Arten direkter Erwähnungen des Befestigungs- und Mauerbaues treten gegenüber den Erlaubnissen und Finanzierungshilfen des Landesherrn in den Hintergrund, wie etwa das erwähnte Gedicht, das den Trierer Mauerbau feiert, oder auch der Vertrag zwischen dem bischöflichen Stadtherrn und dem Rat in Dillingen 1498. Aus seiner Seltenheit ist nicht etwa zu schließen, dass der Rat anderswo nichts mit dem Mauerbau zu tun hatte. Im Spätmittelalter war der Rat vielmehr in aller Regel Träger des Mauerbaues, was sich in den schon erwähnten typisch städtischen Quellen wie Ratsprotokollen oder Rechnungsbüchern zeigt; das Besondere in Dillingen war jedoch die Finanzschwäche und Abhängigkeit der Stadt, die so spät noch eine Unterstützung des Stadtherrn erforderte. Viel häufiger als diese Fälle, wo wirklich die Entstehung der Stadtbefestigung berührt wird, ist
nach alledem die zufällige Ersterwähnung ihrer Existenz. Die Mauer gehört dabei selbst nicht zum inhaltlichen Kern des Schriftstückes, sondern wird nur aus praktischen Gründen berührt. Auch hier geht es fast immer um Juristisches, das heißt etwa um Verkauf oder Verpachtung von Grundstücken, Beschreibungen von Teilen der Stadt usw., wobei man in einem Zeitalter, das noch keine exakten Pläne kannte, die Lage eines Objektes dadurch festhielt, dass man angrenzende, besonders markante Bauten und Orte ansprach; die Befestigung als eindeutige Stadtgrenze war dafür besonders geeignet. Das Kernproblem solcher Erwähnungen der Existenz einer Mauer besteht grundsätzlich darin, dass sie keine Aussage darüber enthalten, wie lange sie schon existierte – die Mauer konnte bei einer derartigen Ersterwähnung, um es zu pointieren, eben noch im Bau, aber auch schon mehrere Jahrhunderte alt sein.
1.4. Historische Schlüsse auf die Zeit der Befestigung Mit dieser Aussage ist eine weiter gehende Frage berührt, die in der Literatur implizit und explizit eine zentrale Rolle spielt: Mit welchen historischen, auf die Schriftquellen bezogenen Methoden kann man in jenem Normalfall, wo direkte Hinweise auf die Entstehungszeit der Befestigung fehlen, diese Zeit dennoch ungefähr bestimmen? Der in Historikerkreisen wohl häufigste Rückschluss ist jener von der Verleihung der „Stadtrechte“ bzw. städtischen „Freiheiten“ auf den Bau der Mauer, der aber von kritischen Vertretern der Zunft mit gutem Grund zurückhaltend angewendet wird. Die Problematik beginnt schon damit, dass der oft unscharf verwendete Begriff nicht nur einen Kern von Privilegien umfasst – die persönliche Freiheit des Bürgers samt Grundbesitz und Erbrecht, ein eigenes Gericht –, sondern von Fall zu Fall verschieden ausgestaltet und durch weitere Rechte ergänzt wurde. In den meisten Fällen wird die spezifische Rechtsausstattung erst zu einem relativ späten Zeitpunkt greifbar, und es ist deshalb nicht zu beweisen, dass alle Rechte in einem formellen Verleihungsakt zusammen erteilt wurden. Die Rechte können in mehreren Stufen verliehen worden sein und sie
wurden auch gelegentlich erneuert, etwa weil die erste Verleihung folgenlos geblieben war oder weil sich das Recht einer anderen Stadt bzw. „Stadtrechtsfamilie“ als praktikabler erwies. Im Endergebnis ist daher eher selten der effektive Zeitpunkt der „Stadtgründung“ bzw. „Stadtrechtsverleihung“ bekannt, sondern diese Rechte oder Teile davon werden meist erst in einer Stadt fassbar, die schon seit einer nicht genau bestimmbaren Zeit bestanden hat. Schon deshalb sind allzu direkte Schlüsse von der Verleihung der Stadtrechte auf den Mauerbau selten tragfähig. Zudem bleibt das Verhältnis des Zeitpunktes der Befestigung zu jenem einer Rechtsverleihung stets klärungsbedürftig. Zwar mag es normal gewesen sein, dass auf die Verleihung bzw. die Stadtgründung möglichst schnell eine Umwehrung aus Holz und Erde und dann einige Jahrzehnte später die weitaus aufwendigere, der exakten Planung und mühsamen Finanzierung bedürftige Mauer, im eigentlichen Sinne von Steinen und Mörtel, folgte (vgl. 2.2.1.4). Aber Ausnahmen sind nie ganz auszuschließen – eine noch rechtlose „Nichtstadt“ (Dorf, Burgfreiheit, Marktflecken) kann im Einzelfall sehr wohl eine 1. Forschungsstand und Methodik
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Mauer gehabt haben, eine rechtliche „Vollstadt“ andererseits kann das Stadium des Mauerbaues aus Gründen wirtschaftlicher Unterentwicklung spät oder nie erreicht haben. Eine wichtige Rolle in der stadtgeschichtlichen Literatur spielt auch der Versuch, aus bestimmten Bezeichnungen in den Quellen auf die Befestigung von Siedlungen bzw. ihre Stadteigenschaft zu schließen – ein Ansatz, der für das Hoch- und Spätmittelalter inzwischen vor allem durch Archäologie und Historische Bauforschung bedeutend ergänzt und teilweise überholt ist (vgl. 1.6.). Im Mittelpunkt stand und steht dabei die Bedeutung der besonders häufig auftretenden Bezeichnungen „civitas“ und „oppidum“, wobei freilich auch die – hier nur am Rande interessierende – Entwicklung von der Antike zum Frühmittelalter eine bedeutende Rolle spielte (Gerlach 1913, Schlesinger 1954). „Civitas“ bezeichnet nach herrschender, vielfach belegbarer Meinung im Hoch- und Spätmittelalter die verfasste Bürgergemeinde, das heißt die Stadt im voll entwickelten rechtlichen Sinne (die dann auch, wie Carla Mayer jüngst betonte, im Spätmittelalter vor allem für ihre politischen und kulturellen Errungenschaften gelobt wurde, kaum noch für die offenbar selbstverständliche Befestigung). Ist folglich seit dem 12., spätestens dem 13. Jahrhundert klar, dass „civitas“ eine Stadt und damit prinzipiell ein befestigtes Gemeinwesen meint, so sind die Anfänge leider auch hier nicht ganz so eindeutig. In der Frühzeit bezeichnete „civitas“ auch „Domburgen“ und „Landesburgen“, die zwar zu wichtigen Anknüpfungspunkten gerade früher und großer Städte wurden (vgl. 2.1.2., 2.1.3.), aber nach Funktion und Bewohnerschaft selbst noch keine waren; die ältere historische Forschung hat den Übergang vom einen zum anderen und damit eine Entwicklung von zentraler Bedeutung oft allzu wenig thematisiert. Aber auch sonst kann es frühe Fälle geben, bei denen die Erwähnung einer „civitas“ oder auch von „cives“ (Bürgern) noch nicht auf eine Stadt im Sinne einer rechtlich definierten und planerisch neu gestalteten Anlage deutet, sondern erst auf eine gewachsene und daher vielleicht noch unbefestigte Marktsiedlung wie verschiedentlich in Baden und Oberschwaben. Eine sicherlich aussagekräftige Abfolge bietet dabei das als Stammsitz der Welfen wichtige Ravens26 I. Systematischer Teil
burg: 1109 noch „suburbium“ – also Siedlung bei der Welfenburg –, hat es 1152 die Stufe des „forum“ (Markt) erklommen; an diesem Markt hatte sich dann bis 1224 eine „universitas burgensium“ (verfasste Bürgerschaft) gebildet, die dann 1251 unter dem üblichen Begriff „civitas“ erscheint; die Ummauerung fällt dabei jedenfalls erst in spätstaufische Zeit, deutlich nach 1200. Noch direkter auf die Entwicklung zur ummauerten Stadt dürften die Fälle weisen, bei denen „civitas“ und „oppidum“ aufeinanderfolgen, wie etwa Offenburg (1139 „locus“, 1148 „castrum“, 1233 „civitas“, 1246 „oppidum“) oder Hannover (1189 „civitas“, 1202 „oppidum“) – wobei es leider aber auch die umgekehrte Reihenfolge gibt (Freyburg / Unstrut: 1229 „oppidum“, 1261 „civitas“). Ist „civitas“ als Wort und Begriff vom rechtlich definierten Bürger abgeleitet, worin letztlich auch die Zweifel in Bezug auf die Befestigung gründen, so weist das weit häufigere „oppidum“ direkter auf die Befestigung hin, bedeutete es doch eben dies im klassischen Latein. Im Mittelalter kennzeichnete „oppidum“ den Normalfall der Epoche, nämlich die relativ kleine, neben Markt und Handel auch durch Ackerbürger geprägte Stadt. Dabei umfasste der Begriff aber offenbar auch manchen Marktflecken; H. Stoob hat für dieses umfangreiche und vielfach undurchsichtige Feld den Begriff der „Minderstädte“ geprägt. Auch für diese meist unbefestigten, stadtartigen oder stadtähnlichen Siedlungen hatte das Mittelalter zwar Begriffe – wie „burgus“, „fleccen“, „wigbold“, „suburbium“, „Freiheit“ und andere –, aber die Grenze war eben fließend. Ergänzende Charakterisierungen wie „oppidum forense“ (Marktort: Amberg um 1140 / 60) oder „firmissimum oppidum“ (sehr festes Städtchen: Durlach 1273) verdeutlichen gelegentlich, dass die Spannweite des Möglichen schon Zeitgenossen bewusst war. Dass „oppidum“ noch keineswegs zwingend die Mauer belegt, zeigt das 1297 so genannte und mit Lindauer Recht versehene Tettnang, für das dem Grafen von Montfort erst 1330 von Ludwig dem Bayern erlaubt wird, das er seinen fleccen zu Tetebache vesten mach … mitt mauren und graben, wies er will, als ein statt. Im Extremfall konnte die „Festigkeit“ des Ortes ganz ohne menschliche Zutat auskommen, wie Küstrin, das – schon 1261 als „oppidum“ erwähnt – bis 1446 nicht einmal „Planken“ besaß,
sondern nur eine Lage zwischen Flüssen und Sümpfen aufwies (vgl. 2.2.1.1.). Jedenfalls hat die Forschung für viele Regionen des deutschen Raumes die Bedeutung von „oppidum“ als kleine Stadt oder stadtähnliche Siedlung konstatiert. In der Schweiz dominiert der Begriff neben offensichtlichen Synonyma wie „burgus“, „munitio“, „urbs“ oder „stetli“; Lichtensteig etwa erscheint 1271 als „oppidum seu munitio“. Virneburg in der Eifel wird ab 1246 manchmal „oppidum“ genannt – etwa damals entstand seine Mauer –, später „Städtlein“ oder auch „Tal“, das heißt nichtstädtische Burgfreiheit. In Westfalen meinte „oppidum“ in der Regel das, was deutsch „wigbold“ (Weichbild) genannt wurde, also den Markt mit begrenzter Rechtsausstattung, der gelegentlich später zur echten Stadt erhoben wurde (zum Beispiel Cloppenburg: 1411 Wigboldrecht, 1435 Stadtrecht von Münster); Pattensen war 1299 „oppidum“, aber im 15. Jahrhundert wieder „wicbelde“; hier im Flachland war die Holz-Erde-Befestigung der Normalfall. In Unterfranken und Thüringen war „oppidum“ ab dem 13. Jahrhundert das übliche Wort für kleine Städte, wobei man sich vor allem in Thüringen nicht sicher ist, wie anfangs ihre Befestigungen aussahen. In Pommern schließlich traf man im 13. Jahrhundert auf ähnliche Zustände wie in Westfalen – „oppidum“ meinte wohl meist noch einen unbefestigten Marktflecken; Naugard etwa wird 1268 noch unschlüssig „villa sive oppidum“ genannt („Dorf oder Städtchen“). Weitere Bezeichnungen, die deutlich seltener auftreten, aber gleichfalls auf Befestigung schließen lassen oder bei denen dies zumindest diskutiert wurde, sind neben dem schon angesprochenen „munitio“ (Befestigung) auch „castrum“ und „castellum“ bzw. „burc“, schließlich „burgus“. Die offenbar ähnliche Bedeutung von „oppidum“ und „munitio“, beides meinte eine kleine Stadt oder stadtartige Siedlung, war schon berührt worden. Darüber hinaus kann man sich fragen, ob nicht „munitio“ doch in noch engerem Sinne die Befestigung als solche gemeint hat, quasi ohne die Stadt, zumindest in Einzelfällen. Grebenstein in Nordhessen wird 1311 „nova municio“ genannt; sollte das etwa meinen, die Ummauerung habe schon bestanden, aber die Stadt im vollen Rechtssinne noch nicht? Ähnliche Überlegungen mag man daran knüpfen, dass Haßfurt 1230 noch
„munitio“ ist, 1243 aber „oppidum“ – von der weitgehend leeren Mauer zur echten Stadt? Dass „munitio“ enger an der Mauer als Bauwerk hängt, zeigt schließlich 1254 Eglisau, wo „munitio et porta“ angesprochen werden – was wohl doch nicht „Stadt und Tor“ meint, sondern eher „Mauer und Tor“. Die frühen Städte in der Schweiz wurden oft als „castrum“ bezeichnet, und das seit der Antike in optimaler Berglage befestigte Breisach (Baden) erscheint zwischen 939 und 1002 mehrfach als „oppidum“ oder „castellum“; damals war es natürlich noch keine Stadt, aber was sonst – eine „Landesburg“? Jedenfalls erinnert dies daran, dass die Endung „-burg“ im Frühmittelalter den ersten Städten zugewiesen wurde, vor allem jenen, die sich hinter römischen Mauern sicherten (Straßburg, Regensburg, Salzburg und andere). Nachklänge dieses älteren Sprachgebrauches gab es jedenfalls bis ins 13. Jahrhundert, wie auch etwa das junge Kaufbeuren bestätigt, das 1240 in der ersten deutsch verfassten Urkunde überhaupt als „burc“ bezeichnet wurde; man darf hier auch erwähnen, dass die auf „-burg“ endenden Namen der Adelsburgen fast durchweg erst im 15. Jahrhundert auftraten, indem man die ursprünglich auf „-berg“ lautenden Namen umwandelte. In Franken, wo die römischen Vorgänger fehlten, meinten „castrum“, „castellum“, „urbs“ und „civitas“ im 10. / 11. Jahrhundert die „Landesburgen”, die damals politische, aber mit angefügten Siedlungen auch schon wirtschaftliche Mittelpunkte waren. Ab Ende des 12. Jahrhunderts tritt hier die Bezeichnung „burgus“ neu auf, die man wegen ihrer Etymologie auch auf Befestigung zu beziehen versucht hat. Heute ist man davon eher abgekommen und sieht in ihnen Marktsiedlungen bei Königs- oder Herrenhöfen, also gleichfalls direkte Vorstufen von Städten. Der „burgus“ des Klosters Neuwerk grenzte 1181 / 86 an zwei Tore von Goslar, war aber eben noch nicht identisch mit der Stadt, sondern mit einem ihrer rechtlich weiterhin selbstständigen älteren Kerne. Auf eine weitere Verwirrungsmöglichkeit sei nur knapp hingewiesen, weil sie noch selten bemerkt wurde: Auch „Schloss“ kann eine kleine, stadtartige Siedlung meinen. Ein gutes Beispiel ist Ottweiler im Saarland, wo 1393, als die Stadtmauer schon bestand, „slozz, burg und vorburg“ genannt sind, was mit unseren Worten hieße: 1. Forschungsstand und Methodik
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Städtchen bzw. „Burgfreiheit“, Burg und deren Vorburg; erst 1550 wurden hier städtische Freiheiten verliehen. Eine letzte Frage, die sich auf die Aussagekraft von Bezeichnungen bezieht, hat mit der Lageangabe „intra“ bzw. „extra muros“ zu tun, die nicht selten zum Beleg der Ummauerung wurde. Aber ist die Formulierung auch im technischen Sinne wirklich ernst zu nehmen, meinte sie wirklich immer die Befestigung aus Stein und Mörtel? Denn die Tradition auch dieser Bezeichnung geht bis in die Antike zurück, und daher darf man sich fragen, ob sie nicht längst den formelhaften Bedeutungsgehalt von „in der Stadt“ bzw. „außerhalb der Stadt“ angenommen hat – unabhängig davon, wie deren Grenze nun konkret markiert war. Die Forschung geht überall davon aus, dass der „murus“ der Formel wirklich eine Mauer war, und so halte ich es auch in diesem Buch; aber Zweifel sind durchaus vertretbar. Zusammenfassend ist also zu sagen, dass bestimmte Bezeichnungen in den Quellen –
vor allem „civitas“ und „oppidum“ – in der Regel durchaus auf eine fortgeschrittene bzw. im rechtlichen Sinne abgeschlossene Stadtwerdung deuten, und damit auch in gewisser Weise auf Befestigung. Allerdings ist der direkte Schluss auf die steinerne Befestigung, die „Mauer“ im technischen Sinne, oder gar auf die Mauer in der heute noch fassbaren Form fast immer fahrlässig. Sicherlich bedeutete das durch diese Worte belegte Konzept „Stadt“, dass man Befestigung beabsichtigte, aber ob diese – gerade bei frühen Erwähnungen – noch in Planung, im Bau oder vollendet war, bleibt im Einzelfall zunächst offen, so wie es auch stets klärungsbedürftig bleibt, ob es sich zunächst um Holz-Erde-Anlagen oder ausnahmsweise von Anfang an um eine Mauer gehandelt hat. Die Bezeichnungen in den Quellen sind damit wichtige Fingerzeige, aber Sicherheit über die bauliche Realität einer bestimmten Zeit lassen auch sie kaum zu.
1.5. Abbildende Quellen Abbildungen von Stadtmauern sind vor dem 16. / 17. Jahrhundert kaum vorhanden und vor dem 18. / 19. Jahrhundert in ihrer Aussagekraft recht begrenzt. Zwar sind Stadtsiegel, die im Wesentlichen die Herrschaft über eine Stadt symbolisierten – gleich, ob die eines Stadtherren oder der Stadt selbst –, bis mindestens ins 13. Jahrhundert zurück zahlreich erhalten, im Prinzip also bis in die Entstehungszeit der meisten Städte, und gelegentlich als realistische Abbildungen von Befestigungen interpretiert worden. Beispielsweise in Hessen findet man in der Literatur mitunter die Argumentation, eine Stadt habe zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Mauer besessen, weil das Siegel einer Urkunde dieser Zeit gemauerte Bauteile zeigt – in der Regel ein Tor innerhalb einer symmetrischen Gruppierung, dahinter oft einen Sakralbau. Diese Argumentation ist aber abzulehnen, und zwar deswegen, weil die Siegelbilder nahezu immer eine symbolhaft idealisierte Architektur zeigen, bei der bis in die Antike zurückgehende Darstellungstraditionen deutlich wichtiger waren als der Versuch, die 28 I. Systematischer Teil
Realität getreu abzubilden. Die Mauer auf einem solchen Siegel will gewiss vermitteln, dass dahinter bereits eine Stadt steht, bei der Befestigung zumindest als Anspruch eine Selbstverständlichkeit war – dass die Befestigung im Jahr des Siegels schon die konkrete bauliche Ausprägung einer Mauer besaß, hieße aber, die Aussagekraft zu überfordern. Dass es dennoch in seltenen Fällen unbestreitbare Annäherungen des Siegelbildes an eine reale Architektur gab, hilft im Regelfall nicht weiter, weil wir diese Ähnlichkeit ja nur feststellen können, wenn die letztere selbst erhalten oder noch greifbar ist. Erst ab der Zeit um 1500 und danach – mit Hartmann Schedel (1493), Sebastian Münster und Georg Braun / Frans Hogenberg (1572–1618) – kommt die nach Genauigkeit strebende bildliche (und auch textliche) Darstellung ganzer Städte auf. Vor allem die für den Typus namengebenden „Topographien“ des Frankfurter Verlegers und Kupferstechers Matthäus Merian aus dem mittleren 17. Jahrhundert sind bis heute populär geblieben, weil sie von einer großen Anzahl
europäischer Städte ein höchst anschauliches Bild ihrer in den Grundzügen noch mittelalterlichen Gestalt geben, und zwar nicht selten das früheste. Die Befestigungen spielen bei solchen Darstellungen, ob von realem Stadtpunkt vor der Stadt gezeichnet, ob aufwendig konstruierte Vogelschau, natürlich eine zentrale Rolle und sind für das Verständnis des ehemaligen Gesamtzusammenhanges unersetzlich, gerade auch als Dokumentation verschwundener Teile, von denen wir sonst wenig oder nichts wüssten; das gilt insbesondere für die Tore und noch mehr für deren Vorwerke, mit denen das 19. Jahrhundert fast immer konsequent aufgeräumt hat (Abb. 6). Darüber hinaus allerdings bleibt die Aussagekraft solcher überwiegend in Kupfer gestochenen Gesamtansichten – nicht der Detailansichten, die es ausnahmsweise auch gab – engstens begrenzt. Die Mauern wurden von den Zeichnern, und noch mehr von den Stechern, nicht ohne Grund als letztlich immer wieder ähnlich aussehende Bauwerke aufgefasst und das trug neben der Kleinheit des Maßstabes Entscheidendes zu einer stark schematisierten Darstellung bei. Die Aussagen, die man aufgrund dieser Quellen über verschwundene Einzelbauten machen kann, sind daher in der Regel begrenzt; selbst so entschei-
dende äußerliche Merkmale wie der Grundriss eines Turmes oder seine Dachform können falsch sein, und erst recht ist es unmöglich, aus diesen Darstellungen Aussagen zur Entstehungszeit der Bauteile oder Umbauten abzuleiten. Ähnliches gilt im Übrigen für die gleichfalls ab dem 16. Jahrhundert aufkommenden Festungspläne, die die mittelalterlichen Befestigungen als einbezogene oder angrenzende Teile oft mit darstellen, in der Regel aber nur grob im Grundriss. Besser wurde die Situation erst mit der wachsenden Verbreitung von Detaildarstellungen, die im 18. Jahrhundert begann und ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreichte. Spätestens ab der Romantik wurden auch einzelne Tore und Türme bzw. die Partie „An der Stadtmauer“ zum verbreiteten Motiv. Sowohl Gemälde als auch Drucke, vor allem Stahlstiche, entstanden nun in beeindruckender Fülle und bieten – gerade in der Epoche, in der auch die Abrisse ihren Höhepunkt erreichen – Information über Bauten, über die wir sonst kaum etwas wüssten. Das gilt ähnlich für zeichnerische Umbauplanungen, die ebenfalls ab dem 18. Jahrhundert gelegentlich auftraten, aber erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Archiven der Bauämter systematisch gesammelt wurden; ihre Aussagekraft ist in der Regel
Abb. 6 Düren (Nordrhein-Westfalen) aus der Vogelschau; Kupferstich von Matthäus Merian, 1647. Ein graphisch gelungenes Beispiel, wie Merian die Befestigungen einer Stadt darstellte, von denen heute nur Reste erhalten sind (Merian, Topographia Westphaliae, 1647). 1. Forschungsstand und Methodik
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dadurch beschränkt, dass der Altbau nur erfasst wurde, soweit er für die Planung nötig war. Im Rahmen dieses Buches gilt jedenfalls, dass von diesen Darstellungen des 18. / 19. Jahrhunderts in der Regel nur jene ausgewertet wurden, die schon
halbwegs im Zusammenhang der Stadtmauern publiziert sind, da es schlicht unmöglich ist, der ungeheuren Fülle dieser Dokumente in Museen, Archiven, Antiquariaten oder gar in Privatbesitz nachzuspüren.
1.6. Archäologie und Historische Bauforschung Wie einleitend gesagt, war in der älteren Literatur die vertiefte Auseinandersetzung mit einer Stadtmauer als Bauwerk die seltene Ausnahme. Erst in den letzten Jahrzehnten, mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg und der zunehmenden Verbreitung akademischer Bildung, entwickelten sich Forschungszweige, die auch diesen Bautypus bis ins Detail zu untersuchen begannen: Mittelalterarchäologie und Historische Bauforschung. Beide bilden in gewisser Weise einen gemeinsamen Gegenpol zum Vorgehen der traditionellen Kunstgeschichte, indem sie zunächst gerade nicht stilistische Merkmale einordnen und den Gesamtüberblick suchen, sondern mit letztlich technischer Methodik Schichten, Entwicklungen und Brüche erfassen, um der späteren Interpretation auf historischer Ebene ein verbessertes Fundament zu schaffen. Diese verbesserte Interpretation kann natürlich nur auf lange Sicht entstehen, gegenwärtig sehen wir uns noch einer beständig wachsenden Menge von Einzelergebnissen gegenüber, die im topographischen Band II dieses Buches bereits eine wichtige Rolle spielen, und auch dort, wo die Archäologie die einzige Erkenntnismöglichkeit bietet, vor allem bei den frühen Befestigungen aus Holz und Erde (vgl. 2.2.1.3.). Trotz der zeitraubenden Verdichtung zu übergreifenden Erkenntnissen haben Mittelalterarchäologie und Historische Bauforschung jedenfalls eine neue Phase der Forschung eingeleitet, in der gesichertes Wissen von bisher unbekannter Detailliertheit und Konkretion an die Stelle einer bisher eher oberflächlichen Betrachtung der Bauten zu treten beginnt; als Beispiel seien etwa die bereits zusammenfassend ausgewerteten Grabungen im Land Brandenburg genannt, die zeigen, dass die Mauern relativ häufig über vorher schon genutztes bzw. bebautes Gelände geführt wurden. Dass freilich auch in Zukunft Interpretationsprobleme auftre30 I. Systematischer Teil
ten werden, wenn das Faktenmaterial sich stärker verdichtet hat, kann etwa Duderstadt belegen, wo etliche Einzeluntersuchungen an der Mauer zu recht unterschiedlichen Ergebnissen und Deutungen führten, sodass erst deren nachträgliche Gesamtauswertung ein halbwegs geschlossenes Bild der lokalen Entwicklung ermöglichte. Zu den grundlegenden Rahmenbedingungen von Archäologie und Bauforschung gehören neben der Finanzierung der zeitaufwendigen Arbeit auch der vorgefundene Zustand und die Zugänglichkeit der Areale und Bauten. (Alt-)Städte sind kleinteilig parzelliert, dicht und vielphasig bebaut und Objekte intensiver Interessen ihrer Bewohner und Nutzer. Genaue Untersuchungen des Bodens oder erhaltener Bauten haben es daher nahezu immer mit vielfach veränderter, schwer analysierbarer Substanz zu tun und sie kommen nur unter günstigen Bedingungen zustande. So wird man heute nur ganz selten ein Stadttor oder einen Turm finden, der nicht jahrhundertelang als Gefängnis oder Armenwohnung gedient hat, der vom Abbruch der Zinnen oder gar der Obergeschosse und vom Einbruch größerer Fenster verschont blieb – was „echter“ aussieht, ist in der Regel restauriert und damit unter dem Aspekt der Bauforschung eher noch schwerer zu analysieren. Wenn in diesem Buch eher wenig über die mittelalterlichen Nutzungen von Innenräumen gesagt werden kann, so liegt das also nicht nur an der schweren Zugänglichkeit der weit überwiegend nicht öffentlich zugänglichen Bauten, sondern auch daran, dass fast immer nur intensive Bauforschung den Urzustand klären könnte, nicht aber reine Betrachtung. Außerdem ist es von regionalen Traditionen abhängig, wie stark die neuen Forschungsansätze in Ländern und Städten zum Zuge kommen; so ist die Archäologie im norddeutschen Flachland
ab dem frühen 20. Jahrhundert stets recht einflussreich gewesen, während die Möglichkeiten der noch jungen Bauforschung von Land zu Land und Ort zu Ort bisher sehr verschieden sind, vor allem wohl deswegen, weil die Möglichkeiten zu einem sinnvolleren Umgang mit der denkmalwerten Substanz, die sie eröffnet, in Bauwesen und Verwaltung erst langsam begriffen werden. Aber regionale Sonderbedingungen prägten den Zustand der Mauern schon weit früher, und damit auch den methodischen Ansatz und Aufwand, der zu ihrem Verständnis nötig ist. So führte der Mangel an Steinmaterial im glazial geprägten Flachland – in Norddeutschland, aber auch in weiten Teilen Bayerns – nicht nur zu verspäteter Errichtung relativ weniger Mauern, sondern auch dazu, dass sie nach dem Verlust ihrer Funktion bald und weitgehend wieder abgetragen wurden. Der Effekt, der auch von Burgen bekannt ist, führt zu einer deutlich eingeschränkten Kenntnis der Mauern solcher Regionen – bis es zu einer breit angelegten Forschung mit archäologischen Mitteln kommt, die dann sogar zu Erkenntnissen führen kann, die in Regionen mit besser erhaltenen Mauern noch fehlen. Ein bisher nirgends beschriebener, aber eng verwandter Effekt betrifft das Vorhandensein von Mauergassen (vgl. 2.2.3.6.). In ganz Süddeutschland sind Mauergassen die Ausnahme, die Parzellen stoßen dort meistens direkt an die Mauer. Die städtische Bebauung wurde dort spätestens ab dem 15. / 16. Jahrhundert,in der Schweiz manchmal schon beim Mauerbau, bis an die Mauer herangeführt, worauf diese sich allmählich zur vielfach durchbrochenen und veränderten, oder gar ganz erneuerten Hausfassade wandelte. Kommt dazu noch ein Bruchsteinmauerwerk, das gegen Witterungseinflüsse Verputz erfordert, so sind unmittelbare Analysen der Bausubstanz heute nur im Falle größerer Baumaßnahmen möglich. In manchen Fällen ist die Mauer auf diese Weise so vollständig aus dem Bewusstsein verschwunden, dass die Bewohner und manchmal sogar Wissenschaftler unter „der“ Stadtmauer die vorgelagerte Zwingermauer verstehen und die verbaute Hauptmauer schlicht übersehen (Abb. 7). Dagegen hat das Vorhandensein einer Mauergasse – in Norddeutschland, aber auch in
Abb. 7 Amberg (Oberpfalz) als Beispiel einer Stadtmauer, die wegen der fehlenden Mauergasse später zu Hausfassaden umgenutzt werden konnte. Nur die durchlaufende Flucht und die beiden verbauten Rundtürme lassen noch ahnen, dass es sich um die Stadtmauer handelt.
großen Städten und bei späteren Mauern des Südens – die Mauer in der Regel vor allzu starker Verbauung und Veränderung geschützt, falls sie nicht systematisch beseitigt wurde. Zwar wurden auch hier manchmal Häuser an die Mauer gelehnt, aber das waren in der Regel kleine Fachwerkhäuser, die sie als Stütze benötigten und sie schon deshalb weniger veränderten. Ein wichtiger Aspekt der jüngeren Archäologie und Bauforschung ist das Aufkommen naturwissenschaftlicher Datierungsmethoden, die die Einordnung auch von Stadtmauern schon hier oder dort auf zuverlässigere Grundlagen gestellt haben. Dies gilt vor allem für die Dendrochronologie, die etwa in Baden-Württemberg schon für eine Reihe von wichtigen Mauern angewendet wurde (unter anderen durch Burghard Lohrum in Schwäbisch Gmünd, Villingen, Konstanz). Wie diese ein mit historischen Mitteln gewonnenes Bild nicht nur festigen, sondern zugleich stark verändern können, zeigt etwa Kaiserslautern. Schon 1253 als „oppidum“ erwähnt, ab 1276 Reichsstadt, würde man hier, mitten im Sandsteingebiet mit seinem optimalen Baumaterial, durchaus eine Mauer des 13. Jahrhunderts annehmen, aber die an zwei Stellen ergrabenen Fundamentpfähle der Mauer wurden erst 1330– 33 geschlagen.
1. Forschungsstand und Methodik
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2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung 2.1. Vorbilder und Vorläufer 2.1.1. Spätrömische Befestigungen Städte gehen als Phänomen, einschließlich ihrer Befestigungen, bis in die Jungsteinzeit zurück; Jericho im Jordantal gilt gemeinhin als das älteste Beispiel, mit ergrabenen Mauerresten und einem Turm der Zeit um 7000 v. Chr. Die Blüte des antiken Städtewesens erreichte den späteren deutschen Raum in römischer Zeit und brachte vom 1. bis 4. nachchristlichen Jahrhundert im Westen und Süden, vor allem an Rhein und Donau, einige hervorragende Beispiele von Stadtmauern hervor. Daneben entstand, vor allem im 3. / 4. Jahrhundert, eine erhebliche Anzahl von Kastellen zur Sicherung der Grenzen und Verkehrswege, deren Größe und starke, turmreiche Mauern durchaus schon den Dimensionen einer kleinen mittelalterlichen Stadtmauer entsprachen oder sie übertrafen. Die Stärke und technische Qualität dieser römischen Befestigungen sicherten ihnen auch
nach dem Zusammenbruch des Imperiums und der Verödung der Städte und Militäreinrichtungen ein langes Überleben, und als im Frühmittelalter neue Machtkonzentrationen und Handelsmittelpunkte heranwuchsen boten sie diesen weitaus mehr Sicherheit, als es sonst mit den begrenzten Mitteln der Zeit möglich gewesen wäre. Voraussetzung dafür war natürlich die örtliche Kontinuität, die in den meisten Fällen über christliche Kultstätten bzw. Bischofssitze zustande kam, aber natürlich auch mit der Verkehrslage zu tun hatte. So sicherten sich bedeutende Städte wie Köln, Trier, Mainz, Straßburg oder Regensburg noch bis ins 12. Jahrhundert im Wesentlichen hinter römischen Mauern, die nur in Köln und Regensburg schon vor 1000 durch befestigte Vorstädte ergänzt worden waren. Beispiele für kleinere Städte, die in römischen Kastellmauern entstanden, finden sich westlich des Rheins (Zabern / Saverne, Boppard
Abb. 8 Boppard (RheinlandPfalz), das Kastell aus dem mittleren 4. Jahrhundert ist eine der besterhaltenen spätrömischen Befestigungen im deutschen Raum. Vorbilder für mittelalterliche Stadtmauern wurden derartige Anlagen aber nicht (A. Freiherr von Ledebur), Kunstdenkmäler Rheinland-Pfalz, Bd. 8, St. Boppard, 1988).
32 I. Systematischer Teil
(Abb. 8), Koblenz, Andernach, Bitburg), oft mit noch imposanten Resten, aber auch in Österreich, wo etwa das 1517 restaurierte Doppelturmtor von Traismauer (Abb. 280) einen römischen Vorgänger hatte. Die Vorstellung, dass die römischen Mauern für die Stadtmauern des Mittelalters vorbildhaft geworden seien, liegt unter diesen Umständen nahe – noch mehr, wenn man bedenkt, dass im 12. / 13. Jahrhundert fraglos noch viel mehr von ihnen als heute erhalten war. Aber obwohl im Nachbargebiet der Burgenforschung die Ableitung von römischen Kastellen und „burgi“ im 19. Jahrhundert zeitweise stark propagiert wurde, fehlt Entsprechendes für die Stadtmauern weitgehend. Lediglich die in der Tat ungewöhnlichen und frühen Doppelturmtore von Köln, deren Ähnlichkeit mit römischen Bauten beachtlich ist – man vergleiche das „Hahnentor“ (zweites Viertel des 13. Jahrhunderts) mit der „Porta Ostiensis“ in Rom (im Wesentlichen Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr.) –, haben früh zu der Idee römisch-imperialer Einwirkung geführt. Da Köln selbst einen älteren Tortypus ohne vorspringende Rundtürme besaß (1. Jahrhundert n. Chr.), wird hier nicht ohne Grund das Vorbild des Brückenkopfkastells Deutz angenommen, und auch die Trierer „Porta Nigra“ als besterhaltenes römisches Stadttor in Deutschland dürfte hier mitspielen. Die Kölner Mauer aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte im Rheinland eine vielfältige Nachfolge, die deshalb mindestens zum Teil als indirekte antike Einwirkung verstanden werden darf; dabei bleibt freilich zu beachten, dass um 1200 auch im benachbarten Frankreich eine eigenständige Befestigungstradition mit Rundtürmen und Doppelturmtoren entstand, die im Laufe des 13. Jahrhunderts auch in die Regionen am Rhein eindrang und das Kölner Vorbild überlagerte. Von dieser wichtigen Ausnahme abgesehen, fehlen aber in Deutschland Hinweise auf ein Weiterwirken der (spät)antiken Mauern und ihrer Formen so gut wie völlig. Man kann zwar auf die voll vorspringenden Rundtürme der um 1000 entstandenen Domburg in Hildesheim („Bernwardsmauer“) verweisen, der Türme an der karolingischen Pfalz Ingelheim ähnelten, und auch einzelne Türme an dieser oder jener frühen Burg des 10. / 11. Jahrhunderts, aber dies sind seltene
Ausnahmen in einem frühmittelalterlichen Gesamtbild, das zunächst lange durch Holz-ErdeAnlagen und Trockenmauerwerk, dann durch turmlose Mauern und erst ab dem 13. Jahrhundert wieder durch Türme geprägt wurde – und auch dann zunächst fast nie durch runde Türme und noch weniger durch solche, die sowohl innen wie außen wie die römischen vorsprangen. Und auch andere Hauptmerkmale der spätantiken Befestigungen sind an den mittelalterlichen Mauern in aller Regel nicht wiederzufinden. So sind für die Kastelle des 3. / 4. Jahrhunderts im Rheinland neben den Rundtürmen auch extreme Mauerdicken zwischen 2 m und 3 m üblich, dabei aber schlichte Tordurchlässe. Im Mittelalter wird man ganz im Gegenteil kaum je Mauern finden, die 2 m dick sind oder mehr (vgl. 2.2.3.1.), und die Tore sind als Tortürme fast immer die entscheidenden Akzente der Mauern; man darf also bei grundsätzlich gleicher Bauaufgabe von absolut gegensätzlicher Gestaltung sprechen. Die Erklärung für dieses Auseinanderklaffen liegt im Grunde auf der Hand. Hinter den Bauten des späten Imperiums standen ein durchorganisiertes Staatswesen, ein effektives Militär und eine funktionierende Finanzverwaltung. Damit konnten sich die entstehenden Städte des 12. / 13. Jahrhunderts noch lange nicht messen, auch wenn sie Zentren eines Wirtschaftssystems waren, das sich langsam wieder formierte. Ihr kulturelles und ökonomisches Bezugssystem war vergleichsweise rudimentär und gewann erst über Jahrhunderte hinweg langsam an Solidität, was sich auch in der Entwicklung der Befestigungen zeigte. Ein Staat von der Stärke des Imperium Romanum entstand bis über die frühe Neuzeit hinaus nicht mehr, und dementsprechend sind erst die Festungen des entwickelten Absolutismus in ihrem Bauaufwand wieder mit den Städten und Kastellen der Spätantike zu vergleichen.
2.1.2. Frühmittelalterliche Burgen Neben den Stadt- und Kastellmauern in jenem Teil Deutschlands, der zum Imperium Romanum gehört hatte, kommt auch eine weitere Gruppe von Bauten als Vorbild der hoch- und spätmittelalterlichen Stadtmauern infrage. Denn in jener Zeit, als sich die Ansätze des mittelalterlichen 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Städtewesens herauszubilden begannen, gab es natürlich bereits andersartige, nichtstädtische Befestigungen. A priori spricht Wichtiges dafür, in diesen frühmittelalterlichen Burgen eher die unmittelbaren „Väter“ der Stadtmauern als Bauwerke als in den römischen Mauern zu suchen. Denn die wirtschaftlichen, politischen und technischen Voraussetzungen solcher Burgen des 8.–11. Jahrhunderts waren prinzipiell dieselben wie für die Anfänge der bürgerlichen Niederlassungen. Und da viele der frühen Burgen – die ja noch keine Adelsburgen waren, sondern im weitesten Sinne „staatlichen“ Funktionen und als Fliehburgen dienten – durchaus die Größe späterer Städte erreichten, gab es auch insoweit eine Ähnlichkeit ihrer Umwehrungen. In manchen Fällen entstanden Städte später in solchen Befestigungen, zum Beispiel Paderborn, Obermarsberg, Weilburg / Lahn, Kassel, Fulda, Amöneburg oder Nabburg. Der Forschungsstand zu den Burgen der karolingischen, ottonischen und salischen Zeit war und ist allerdings von aufwendigen archäologischen Untersuchungen abhängig, daher lückenhaft und kann hier nicht im Detail referiert werden. Er reicht aber dafür aus, einige ausgewählte und besser untersuchte Anlagen zu betrachten, um Schlaglichter auf die Gestalt der Umwehrungen bzw. ihrer Einzelelemente zu werfen. Interessant sind in diesem Zusammenhang die großen karolingischen Grenzburgen in Nordhessen wie Christenberg und Büraberg – wohl ein Vorgänger der Stadt und des Bischofssitzes Fritzlar – und einige frühe Pfalzen, vor allem das großflächig ergrabene Tilleda. (Abb. 9) In (Ober-)Franken (Würzburg, Hammelburg) und der Oberpfalz (Nabburg, Cham) hat W. Emmerich ottonische „Landesburgen“ mit Pfarrkirche, Siedlung und Fiskalbezirk beschrieben, denen Vergleichbares in Thüringen entsprochen haben dürfte („urbs“ Erfurt 729; Gotha, Altenburg, Eisenberg). Von besonderer Bedeutung sind schließlich die frühen „Domburgen“, die deswegen gesondert behandelt werden (vgl. 2.1.3.). In der Regel handelte es sich dabei um Anlagen, denen vom Reich – oder dessen Amtsträgern wie Herzögen oder Grafen – neben strategischen Funktionen auch administrative Aufgaben als „Mittelpunktsburgen“ zugewiesen waren. Sie beherbergten vielfach Kirchen und gewiss Raum für den Rückzug der Bevölke34 I. Systematischer Teil
rung in Notzeiten; oft lagen sie in Grenzregionen und sicherten Handelsplätze. Die Umwehrungen solcher Burgen – bei flacherem Gelände von Gräben verstärkt, die oft mehrfach gestaffelt waren – bestanden in der Regel aus Wällen, gegebenenfalls mit stützenden Holzeinbauten und mit Holz oder Mauerwerk verstärkter Außenfront; aber auch Trocken- und Mörtelmauerwerk ohne Hinterschüttung trat durchaus schon in karolingischer Zeit auf. Gerade von der letzteren Form zur steinernen Stadtmauer führte natürlich der denkbar kürzeste Weg, aber auch für die hinterschüttete Mauer – oder reziprok formuliert: den mauerverkleideten Wall – gibt es nach jüngeren Forschungsergebnissen bei frühen Stadtumwehrungen des südwestdeutschen Raumes Vergleichsbeispiele (vgl. 2.2.3.2.). Die Tore der frühmittelalterlichen Befestigungen waren noch nicht durch aufragende Türme gesichert, sondern durch überlappende oder parallel geführte Mauerteile, von denen aus der Ankömmling über eine längere Strecke beschossen werden konnte (Zangentor, eingezogenes Tor, Torgasse). Erst an deren innerem Ende können in vielen Fällen aus Fundamenten oder Pfostenlöchern Torkammern festgestellt werden, über denen mindestens ein verteidigungsfähiges Obergeschoss anzunehmen ist; aber schon dies ist nur Vermutung, die Annahme turmartiger Bauten wäre höchstens bei steinernen Kammertoren diskutabel. Eine Entwicklung von solchen Torformen zu dem bei deutschen Stadtmauern normalen Torturm (2.2.5) ist also nicht gesichert, aber vorstellbar. Wir wissen ja über die Tore der frühen Holzbefestigungen kaum etwas und eher noch weniger über die Tore der vor 1200 entstandenen Mauern. Immerhin waren die frühesten, noch spätromanischen Tortürme in Deutschland deutlich niedriger als die späteren (vgl. 2.2.5.1.), was man als Folge einer Entwicklung aus noch bescheideneren Vorgängern verstehen könnte. Und auch rudimentäre Torgassen kommen bei Stadtmauern des 13. / 14. Jahrhunderts vor, allerdings nur noch sehr selten (vgl. 2.2.5.5.). Auch sonst sind Türme bei frühmittelalterlichen Burgen Ausnahmen, was natürlich primär damit zu tun hat, dass erst Mörtelmauerwerk höhere Bauten ermöglicht und dass dieses anfangs noch selten war.
Abb. 9 Beispiele stadtähnlicher Siedlungen in vorstädtischer Zeit. Die Pfalz Tilleda (Sachsen-Anhalt; oben) besaß im 10. / 11. Jahrhundert eine Vorburg mit zahlreichen Handwerkerhäusern, der Büraberg (Hessen, Mitte) war eine fränkische Burg des 8. / 9. Jahrhunderts mit Bischofssitz; die Rekonstruktion zeigt die Ostecke. Alt Lübeck (Schleswig-Holstein) war eine slawische Burg mit Handwerker- und Kaufmannssiedlung (Grimm, Tilleda, Bd. 2, 1990; Wand, Die Büraburg, 1974; Ausflüge zu Archäologie, Geschichte und Kultur in Deutschland, 56: Hansestadt Lübeck).
Was die Bebauung und Nutzung ihres Innenraumes oder gar den rechtlichen Status ihrer Bewohner betrifft, waren diese Burgen natürlich etwas anderes als Städte. Freilich steht auch diese Aussage unter dem Vorbehalt höchst begrenzter Grabungsergebnisse. In den karolingischen Be-
festigungen Büraberg und Christenberg sieht man mit gutem Grund noch rein militärische Befestigungen, funktionale (nicht formale) Nachfolger römischer Kastelle. Bei späteren Anlagen wird die Händler- oder Handwerkersiedlung meist neben der Befestigung vermutet, aber ein 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Ausgrabungsergebnis wie jenes der Pfalz Tilleda zeigt, dass es vom 10. bis 12. Jahrhundert auch schon innerhalb der Befestigungen dichte Besiedlung bäuerlicher und handwerklicher Art geben konnte. Das, was ohne Ausgrabung, also nahezu immer, gerne als „Vorburg“ bezeichnet wird, kann demnach in dieser Zeit schon einen Charakter entwickelt haben, den man als eine der Vorstufen zu wirklichen Städten verstehen darf. Auch im ehemals slawisch besiedelten, erst vom 10. bis zum 13. Jahrhundert vom deutschen Adel eroberten und kolonisierten Gebiet – in der Spätphase waren dies noch Schlesien, Brandenburg, Mecklenburg, Pommern und das spätere Ostpreußen, vor dem 12. Jahrhundert auch große Teile von Sachsen und anderen Gebieten weiter westlich – gab es schon zuvor Burgen mit Mittelpunktsfunktionen. Einige von ihnen, und weitere außerhalb der später deutschen Territorien, sind aufwendig ergraben (Alt-Lübeck, Spandau, Oppeln und andere). In der Regel handelte es sich um fürstliche oder „Kastellanei“-Burgen, die Zentren einer mehrteiligen Siedlungsverdichtung bildeten. Typisch war neben der Wasser- und Sumpflage die sehr enge Bebauung der umwehrten „suburbien“, die nicht nur Fischern und Handwerkern dienten, sondern auch schon ersten Händlern, vor allem aber die hoch entwickelte Holzarchitektur. Sie wird für die deutschen Stadtbefestigungen dieses Raumes anfangs sicher eine Rolle gespielt haben, aber unser beschränktes Wissen über diese Frühphase verbietet dazu noch detailliertere Aussagen (vgl. 2.2.1.3.). Sicher ist dagegen, dass die neu gegründeten deutschen Städte oft an slawische Burgen und Siedlungskonzentrationen anknüpften, womit sie sich vorhandene Strukturen auch bezüglich des Verkehrs zunutze machten. In der Regel aber entstanden die Städte in einiger Entfernung neben den slawischen Anlagen, die auf ihren Inseln für die weit großzügiger angelegten deutschrechtlichen Städte zu wenig Platz boten, geschweige denn für Erweiterungen. Im relativ früh eroberten Sachsen wurde das Land ab dem 10. Jahrhundert in „Burgwarden“ organisiert, das heißt, Befestigungen oder „Landesburgen“ blieben weiterhin Zentren der politischen Organisation. In manchen Fällen waren dies mit Sicherheit die örtlich beibehaltenen 36 I. Systematischer Teil
slawischen Anlagen; als Beispiel sei Bautzen genannt, das schon 1002 als „civitas“ bzw. „urbs“ genannt ist. In der Regel wissen wir aber noch nichts über die frühe Gestalt der Befestigungen, die Zentren dieser „Burgwarde“ waren. Als Beispiele für Städte, die neben wichtigen slawischen Burgen entstanden, seien in Brandenburg Jüterbog, Köpenick, Prenzlau, Spandau, Tangermünde und Brandenburg selbst genannt, in Mecklenburg Rostock, wo 1189 zuerst ein „forum“ bei der Burg genannt ist. In Pommern entsprachen diesem Ablauf Altentreptow, Belgard, Cammin, Demmin, Kolberg, Pyritz, Schivelbein, Stargard, Stettin, Stolp, Treptow, Usedom und Wolgast.
2.1.3. Domburgen Die befestigten Immunitäten der Bischofssitze, die „Domburgen“, gehörten zu den wichtigsten Vorgängern bzw. Ausgangspunkten der mittelalterlichen Städte, denn sie boten gute Möglichkeiten für Handwerk und Handel. Sie entsprachen in ihrer politischen Bedeutung durchaus den schon angesprochenen „Mittelpunktsburgen“, übertrafen sie aber als zugleich geistige und religiöse Zentren noch deutlich. Eine Mehrheit religiöser Gemeinschaften – Stifte und Klöster, wie sie sich um Bischofssitze ballten – benötigte nicht nur in erheblichem Umfang Güter des täglichen Bedarfs, sondern auch Wertgegenstände für Liturgie und Kirchenschatz. Geistliche und Mönche waren außerdem die besten Organisatoren der Zeit, weil sie schreiben konnten, Bildung besaßen und einer gesamteuropäisch und darüber hinaus etablierten Organisation angehörten. Dass die frühesten wirklichen Städte des Mittelalters gerade an und aus Bischofssitzen entstanden, ist daher leicht erklärlich. In der Regel bildete sich der Markt vor dem wichtigsten Tor der Domburg, aber als große Ausnahme lag er auch einmal innerhalb der Mauern, wie offenbar in Osnabrück, wo der Mauerverlauf allerdings bisher nicht sicher erfasst ist. Es war bereits erwähnt worden, dass die Entwicklung vom geistlichen Zentrum zum Marktort sich auch im Wortgebrauch der Quellen spiegelt, indem vor allem „civitas“ oder auch „urbs“ beides nacheinander bezeichnen konnten, ohne dass die Entwicklung von der Domburg zur wirk-
lichen Stadt erkennbar würde – eine Tatsache, die die Geschichtsforschung bis weit ins 20. Jahrhundert hinein dazu gebracht hat, die Anfänge echter Städte und auch ihrer Befestigungen deutlich zu früh anzusetzen. Noch Haase musste daher 1963 in seinem Aufsatz über die „Stadt als Festung“ betonen, dass die mittelalterliche Stadt im eigentlichen Sinne mit der bürgerlichen Ansiedlung beginnt und nicht bereits mit der Domburg. Weil die Domburgen – und auch einige wichtige Stifte und Klöster – in jeder Hinsicht Mittelpunkte der damaligen Welt waren, zogen sie nicht nur die frühen Märkte und Händlersiedlungen an, sondern besaßen auch Umwehrungen, die im Rahmen ihrer Zeit hohen Standard erreichten. Damit sind nicht nur die römischen Mauern gemeint, in denen sich die Bischofssitze vor allem an Rhein und Donau einrichteten – Straßburg, Mainz, Köln, Trier, Regensburg, Augsburg –, sondern noch mehr die Bischofssitze außerhalb des ehemaligen Imperiums. Zwar bildeten auch hier, wie bei anderen Burgen und später den Städten, sicherlich Holz-Erde-Befestigungen den Anfang und lange den Normalfall. Durch Grabung nachgewiesen oder zumindest naheliegend sind sie etwa in Speyer, Münster, Halberstadt, Bremen und Hamburg; in Augsburg ist, trotz der weiterbenutzten römischen Mauer, im 10. Jahrhundert die Rede nur von „Wällchen und Palisaden“. Aber Mauern traten hier besonders früh auf, manche erhielten früher und konsequenter als andere Befestigungen Türme und ihre Torbauten waren aufwendiger. Freilich sind wir über dies alles nur noch aus Schriftquellen und einigen Grabungen informiert. Mauern um die Domburgen entstanden, so wie es bisher aussieht, vom mittleren 10. Jahrhundert bis zum mittleren 12. Jahrhundert, wobei die Entwicklung offenbar im Süden begann, vermutlich von den Resten römischer Mauern beeinflusst. In Augsburg wollte Bischof Ulrich Mitte des 10. Jahrhunderts die erwähnten Wälle durch Mauern ersetzen, die aber beim Ungarnangriff 955 noch niedrig und turmlos waren. In Passau wurde ein älterer, die ganze Halbinsel samt Dom schützender Abschnittswall im 10. Jahrhundert erneuert („Römerwehr“) und auch in Trier gab es um 1000 schon eine neue Mauer (wobei der davorliegende Markt, ab dem frühen 12. Jahrhundert wallgesichert, schon 1140–43 ebenfalls
ummauert wurde). In Norddeutschland ist der steinverkleidete Wall der bischöflichen Nebenresidenz Soest, wohl aus dem 9. Jahrhundert, der älteste Fall, während die meisten Beispiele jünger sind, so etwa in Münster (Mauer um 1100), in Osnabrück (spätestens frühes 12. Jahrhundert) und bei dem reichen Kloster Fulda (Mauer um 1150–65). In diesen Fällen bleibt zumeist unklar, ob die Mauern schon Türme besaßen; immerhin ist die ausdrückliche Erwähnung, sie hätten 955 in Augsburg noch gefehlt, ein Indiz, dass sie zumindest von manchen als normaler Bestandteil betrachtet wurden. In einigen Fällen wissen wir jedoch sicher von Türmen, und zwar nicht von vereinzelten, sondern von regelmäßig gereihten, die wiederum an Römisches erinnern. Das große Kloster St. Gallen errichtete zwischen 953 / 54 und 975 eine Befestigung mit 13 Türmen – die früheste Anlage mit Türmen, von der wir wissen, bei der man aber bisher nur vermuten kann, dass sie das Kloster selbst umgab. Die anderen mit Türmen versehenen Mauern liegen im Norden und entstammen der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Unter Bischof Bernward (993–1022) entstand die schon erwähnte Mauer in Hildesheim, die eine ältere Befestigung ersetzte und voll vorspringende Rundtürme besaß. Bremen, ursprünglich umwallt, sollte zwischen 1032 und 1043 eine getürmte Mauer erhalten – man unterstellt dort quadratische Türme –, der Bau wurde aber abgebrochen; ähnlich sollte der „Heidenwall“ in Hamburg, der neben der „Hammaburg“ auch die Siedlung in Halbinsellage schützte, um 1035 / 43 durch eine Mauer mit zwölf Türmen ersetzt werden, was auch nicht zustande kam. Über die Tore dieser Domburgen sind wir in ähnlicher Weise informiert, das heißt in der Regel nur aus Schriftquellen. Offenbar gab es öfter Kapellen in den Obergeschossen, die die Doppelbedeutung der „Dom-Burg“ unterstrichen. Interessanterweise ist gerade dies ein Element, das auch bei besonders frühen Stadttoren wiederkehrte, bei Bischofsstädten (Köln), aber auch bei anderen (Soest, Goslar; vgl. 2.2.5.6.). In Hildesheim, wo die Tore der Bernwardsmauer solche Kapellen besaßen, ist in der Stiftskirche Heilig-Kreuz das wohl einzige Tor dieser Art weitgehend erhalten geblieben (Abb. 10). Offenbar hatte man die Domburg wenige Jahrzehnte 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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nach der Ummauerung schon gegen Osten erweitert und einen mächtigen Torbau mit dreischiffiger Torhalle und entsprechender Kapelle im Obergeschoss errichtet; eben dieser wurde schon bald, 1079, zur Stiftskirche umgestaltet – aus einem „Haus des Krieges“ (domus belli) in eines des Friedens, wie der Chronist berichtet. Als Sonderfälle befestigter Bischofssitze, die einer anschließenden Stadtentwicklung besonderen Vorschub leisteten, seien noch kurz jene angesprochen, bei denen aufgrund der Topographie offenbar keine separate Domburg entstand, sondern von vornherein ein größeres Gebiet gesichert wurde, das neben dem Domstift viel mehr Platz zur Entfaltung bot. In der Regel handelte es dabei um Spornlagen bzw. Halbinseln, bei denen eine Abriegelung der einzigen, relativ schmalen Angriffsseite ökonomischer als eine längere und trotzdem ein kleineres Gebiet schützende „Burg“ inmitten des Sporns war. Prototypisch darf man Passau nennen, wo die Spitze zwischen Donau und Inn auf natürlich vorgegebener Geländekante durch einen Wall gesichert war, der im 10. Jahrhundert als Mauer erneuert wurde; das geschützte Gelände reichte der Stadt dann bis ins Spätmittelalter aus. Direkt vergleichbar ist Konstanz, ursprünglich eine Halbinsel zwischen Rhein, Boden- und Untersee. In Basel ging der Abschnittswall auf dem Sporn letztlich auf eine keltische Befestigung zurück, war aber doch etwas klein, sodass eine weiter gespannte Ummauerung („Burkardsmauer“; Abb.300) schon vor 1100 entstand. Hamburg schließlich ähnelte Passau und noch mehr Konstanz, aber hier war die Abschnittsbefestigung des „Heidenwalls“ erst die zweite Entwicklungsstufe nach der „Hammaburg“, die älter war und isoliert dahinterlag.
Abb. 10 Hildesheim (Niedersachsen). In der Kirche Heilig Kreuz ist ein Torbau der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts verbaut, im Grundriss quadratisch markiert. Unten ein Rekonstruktionsversuch des Inneren von J. Bohland (A. Rieger, Die Kreuzkirche in Hildesheim, 1962).
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2.1.4. Frühformen von Städten Domburgen und „Landes-“ oder „Mittelpunktsburgen“ waren Herrschaftssitze, die der allmählichen Herausbildung von Märkten und der Ansiedlung spezialisierter Produzenten einen Anknüpfungspunkt und Schutz boten. Nach dem gegenwärtigen, immer noch nur punktuell vertieften Kenntnisstand war dies vermutlich der häufigste Fall der Entstehung früher Städte. Das Augenmerk der historisch orientierten Städteforschung hat daneben schon früh einer Form früher Handelsplätze gegolten, bei denen solche Herrensitze oder Plätze staatlicher Amtsträger keine nennenswerte Rolle spielten, den sogenannten Wiken (oder Wieken; vom germanischen Wort für Bucht oder Umzäunung), die insbesondere an den Küsten von Nord- und Ostsee entstanden und an Flüssen, die von dorther befahrbar waren. Das besondere Interesse solcher Anlagen liegt aus historischer Sicht vor allem auch darin, dass man hier nicht ohne Grund von einer Art früher Selbstverwaltung der Kaufleute ausgeht, die manche Züge des späteren Marktund Stadtrechts vorweggenommen hätte. Ob solche nur den wirtschaftlichen Gesetzen folgenden Handelsplätze wirklich nichts mit Herrensitzen zu tun hatten und ob sie im Einzelfalle befestigt waren, ist natürlich wieder eine Frage, die fast nur durch Archäologie zu klären ist, weswegen das Thema hier auch nur kurz berührt werden soll. Im Wesentlichen sind es die umfangreichen Ausgrabungen in Haithabu (Schleswig-Holstein; Abb. 11) gewesen, die verdeutlicht haben, was an solchen Orten schon vor 1000 möglich war; in Haithabu waren die Bedingungen für die Forschung ideal, weil der Ort später verödete und die Bodenfunde daher unzerstört und zugänglich blieben. Nicht nur war diese frühe „Stadt“ schon äußerst dicht bewohnt und bebaut, sondern der Reichtum der Bewohner genügte auch, um vor 968 eine starke, 1300 m lange und 10 m hohe
Abb. 11 Haithabu (Schleswig-Holstein), Rekonstruktionsversuch des befestigten Handelsplatzes im Zustand des 10. Jahrhunderts (GEOEPOCHE ).
Umwallung zu schaffen, die dann bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts in neun Phasen verstärkt wurde. Edith Ennen hat hier einen allgemeinen Strukturwandel der westeuropischen „Wike“ im 10. Jahrhundert erschlossen, der freilich noch stark der Veranschaulichung durch Grabungsergebnisse an anderen Orten bedürfte; gerade auch die Frage, wie die fraglos öfter vorhandenen Befestigungen aussahen und wann sie entstanden sind, bedürfte solcher Klärungen. Jenseits der Küsten bzw. der Verbreitungsgebiete der „Wike“ ist es, soweit ich sehe, bisher unmöglich, frühe befestigte Siedlungen ohne Anschluss an einen Herrschaftssitz sicher zu fassen. Als Beispiel der Problematik sei Ladenburg erwähnt, wo ein kleiner Bereich im Zentrum der römischen Stadt nach Einschätzung der örtlichen Forschung schon im 9. / 10. Jahrhundert eine 2 m dicke Mauer samt Graben erhielt, die man als Sicherung eines wormsischen (Wirtschafts-) Hofes versteht. Bei scharfer Betrachtung ist aber die Funktion dieses später dicht verbauten Kernbereiches der Stadt ebenso ungeklärt wie die genaue Datierung.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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2.2. Befestigungen und Mauern vom 12. bis zum 16. Jahrhundert Die Blütezeit der mittelalterlichen Stadtbefestigung – im Sinne der „Mauer“, des Bauwerkes aus Steinen und Mörtel – lag im 12. Jahrhundert und vor allem im 13. Jahrhundert, wenn man vor allem auf die vorbildhaften Mauern der wichtigsten Städte abhebt. Sie zieht sich aber unübersehbar bis ins 14. / 15. Jahrhundert und gar in den Beginn des 16. Jahrhunderts hin, wenn man die oft bedeutenden Modernisierungen oder neuen, äußeren Mauern größerer Städte und vor allem die Fülle der Kleinstadtmauern zum Maßstab macht. Im Folgenden werden die Elemente dargestellt, aus denen die Befestigungen in dieser langen Zeit bestanden, basierend auf aussagekräftigen Beispielen desselben Materials, das im regionalen Teil dieses Buches vorgelegt wird. Ziel ist dabei nicht nur die formale und funktionale Charakterisierung dieser Elemente, sondern ebenso und mehr noch die Darstellung ihrer Entwicklung. Auch der Aufbau der folgenden Kapitel folgt dem historischen Ablauf, indem die Holz-Erde-Befestigungen, die meist am Beginn standen, auch hier den Anfang, und jene Bauformen, die erst in Reaktion auf die Feuerwaffen entstanden, den Abschluss bilden.
2.2.1. Vorstufen der Mauer Dass eben erst gegründete Städte zunächst nur provisorisch gegen Angriffe gesichert wurden, liegt auf der Hand. Einerseits waren sie Objekte, die schnell zum politischen Störfaktor werden oder auch einen Raubzug lohnen konnten, andererseits sagt schon der gesunde Menschenverstand, dass der Aufwand des Mauerbaues in der Aufbauphase einer Stadt noch kaum zu leisten war. Eine Hunderte Meter lange, mehrere Meter hohe und 1–2 m starke Mauer, ergänzt durch etliche Türme, bedeutete ein Bauvolumen, das selbst größere Kirchen deutlich übertraf, auch wenn der Aufwand an Ornamentik bzw. Steinmetzarbeit weit hinter dieser zurückblieb. Eine wirtschaftlich florierende Stadt konnte diese enorme Leistung erbringen, indem sie Arbeit und Finanzmittel über viele Jahre verteilte (vgl. 2.2.1.5.) – aber keine Stadt florierte schon in den allerersten Jahren. 40 I. Systematischer Teil
Die häufige Gleichsetzung von „Befestigung“ und „Mauer“ hat in der älteren Literatur – in der Heimatforschung, aber auch bei den mit Baulichem wenig befassten Historikern – dazu geführt, dass man manchen Städten, die nach der Schriftüberlieferung früh Bedeutung erlangten, von Anfang an, mindestens ab dem 12. Jahrhundert, Mauern zuschrieb. Im national gesinnten 19. und frühen 20. Jahrhundert erreichte dies einen Höhepunkt, wenn bedeutende und damals geradezu mystifizierte Dynastien mit der Stadtentstehung zu tun hatten, etwa die Staufer, Welfen oder Zähringer. Hinweise darauf, dass manche Städte gerade in der Frühzeit auch Befestigungsteile aus Erde und Holz besessen haben, wurden dagegen kaum zum Ausgangspunkt kritischer Forschung. In der Seltenheit solcher Belege sah man in der Regel den Beweis ihrer Unwichtigkeit, anstatt sich zu fragen, ob sich in deren Unscheinbarkeit nicht eher die Kargheit der Quellen spiegelt, nicht aber die wirkliche Bedeutung des Phänomens. Auch die Tatsache, dass in vielen Regionen frühe Mauern im Baubestand kaum zu finden sind, trotz durchaus vorhandener Städte – zum Beispiel in Niedersachsen praktisch bis ins 15. Jahrhundert, ähnlich in Oberund Niederbayern, aber auch etwa in Thüringen mindestens bis Ende des 13. Jahrhunderts –, wurde lange übersehen bzw. gab keinen Anlass zu kritischen Fragen. Die ins Detail vordringende Forschung ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere die Mittelalterarchäologie, hat gerade in diesem Punkt zu veränderten Einschätzungen geführt. Obwohl es vor dem mittleren 12. Jahrhundert in Deutschland durchaus einige wenige Mauern gab, hat die Mehrheit der frühen Städte auch in Bezug auf ihre Befestigungen fraglos bescheidener ausgesehen, als man früher annahm. Selbst, wenn man also unterstellt, dass Städte prinzipiell von Anfang an befestigt waren (vgl. 2.2.1.6.), so ist das Augenmerk zunächst – bevor es um die wirklichen „Mauern“ geht – auf zwei Alternativen zu richten, nämlich einerseits auf die Nutzung natürlicher Gegebenheiten und andererseits auf die einfach und schnell zu errichtende Befestigung aus Erde und Holz, deren
große Bedeutung mit der Dauer der Forschung immer klarer hervortritt. 2.2.1.1. Nutzung des Geländes Eine Stadt muss, um gut und dauerhaft zu funktionieren, Anforderungen verschiedener Art erfüllen, die teilweise in deutlichem Widerspruch zum Aspekt der Verteidigung stehen. Der Handel forderte eine verkehrsgünstige Lage, die Versorgung der Bewohner Nähe zum Agrarland und vor allem zum Wasser, das auch für Mühlen und Gewerbe wichtig war. Eine Schutzlage entweder auf steiler Höhe oder zwischen Gewässern an allen oder fast allen Seiten – die beiden Hauptfälle, die man bei Befestigungen aller Art und Zeitstellung findet – ist damit nur schlecht vereinbar. Schwierigkeiten bereitete insbesondere die Wasserversorgung, die für die wenigen Bewohner einer Burg auch in Höhenlage lösbar, aber für die zahlreichen Bürger einer Stadt allzu aufwendig war. Deswegen sind deutsche Städte in echter Berglage selten, im Gegensatz zu großen Teilen des Mittelmeerraumes, wo Zisternen wegen des sommerlichen Wassermangels ohnehin nötig waren. Es überrascht deshalb nicht, wenn viele Städte eine indifferente oder sogar ungünstige Verteidigungslage zeigen. Der Aspekt der Verteidigung spielte bei ihrer Gründung – oder der Entstehung der Vorgängersiedlung – eben nicht die ausschlaggebende Rolle. Die Lage am Wasser und an den Verkehrswegen schien vielmehr den Gründern so wichtig, dass sie eine Befestigung in
Abb. 12 St. Goarshausen (Rheinland-Pfalz) als klassisches Beispiel einer Stadt am Mittelrhein, deren Befestigung in der Burg Neukatzenelnbogen („Katz“) gipfelte; von den zur Burg führenden Schenkelmauern sind beim rechten Turm noch Reste erhalten.
Kauf nahmen, die nur mühsam zu verteidigen war, weil sie zum Beispiel unter einem überhöhenden Berghang verlief. Derartiges findet man im gesamten deutschen Raum; als markantes Beispiel seien jene Städte im Mittelrhein- und Moseltal genannt, die die Lage am Fluss damit bezahlten, dass sie von den steilen Schieferhängen unmittelbar überragt wurden, oft so steil, dass sie bergseitig ganz auf Mauern verzichteten. Eine Burg über der Stadt bot zwar oft punktuellen Schutz, der Großteil der Siedlung blieb aber einem Angriff von oben ausgesetzt. (Abb. 12). Dennoch gibt es auch Städte in Schutzlage, und zwar – von manchen beherrschend liegenden Burgstädtchen einmal abgesehen – am ehesten unter den Gründungsstädten, deren Lagewahl unabhängiger von engen örtlichen
Abb. 13 Drosendorf (Niederösterreich), Baualterplan. Die Stadt nutzt einen Bergsporn, der nur im Süden bei der Burg leicht zugänglich war (R. Woldron / R. Rhomberg, Drosendorf, 2007). 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 14 Berlin und Cölln um 1200, schematische Rekonstruktion. Die Doppelstadt war ein Beispiel für die Schutzlage auf Fluss inseln, wobei Flussübergänge von Fernstraßen gleichfalls wichtig waren (A. von Müller, Edelmann … Bürger …, 1979).
Vorgaben erfolgte und daher einem optimalen Verhältnis der verschiedenen Einflussfaktoren näherkommen konnte. Die meisten Beispiele findet man im nordostdeutschen Flachland – Mecklenburg, Brandenburg, Pommern und Preußen –, wo sich die späte und systematische Gründung der meisten Städte in optimaler Weise mit den Geländeverhältnissen verband; aber auch im gleichfalls spät erschlossenen österreichischen „Waldviertel“ gibt es Städte in geschützter Höhenlage, die dort teilweise durch die Verlegung der Vorgängersiedlung entstanden (Abb. 13). In Norddeutschland verband die Lage auf sandigen Flussinseln oder zwischen eiszeitlich geprägten See- und Sumpfsystemen oft in idealer Weise das Wasserbedürfnis der Siedlung mit dem Schutz gegen unerwünschte Annäherung; der lockere Sandboden erlaubte außerdem die mühelose Anlage von Gräben, auch für den Betrieb von Wassermühlen. Als bekanntere Beispiele für die Nutzung von Flussinseln oder Deltasituationen seien Hamburg, Berlin / Cölln (Abb. 14), Küstrin, Brandenburg / Neustadt und Havelberg genannt; in manchen Fällen mögen künstliche Durchstiche die Situation ergänzt haben. Von Seen umgeben ist Ratzeburg; weniger spektakulär lehnen sich letztlich die meisten Städte Nord- und Ostdeutschlands an einen oder mehrere Seen an, wobei sumpfige, inzwischen meist trockengelegte Niederungen oft fast einen Rundumschutz schufen. 42 I. Systematischer Teil
Auch in den anderen Regionen Deutschlands gibt es vergleichbare Fälle, aber nur verstreut. Man darf Geithain in Sachsen erwähnen („civitas“ 1209), das anfangs nur durch aufgestaute Bäche in den beidseitigen Tälern gesichert war, während die Mauern nicht vor das 14. Jahrhundert zurückreichen; ähnlich sind die Anfänge von Weimar zu beschreiben. Stauteiche – streng genommen künstliche Anlagen, die aber mit überschaubarem Aufwand natürliche Angebote maximal nutzen – schützten zum Beispiel auch Dinkelsbühl, Burgau in Bayerisch Schwaben und etliche kleine Städte in der Oberpfalz, wo Stauteiche wegen des Bergbaues ohnehin verbreitet waren, auch Litschau in Niederösterreich. Ein eindrucksvolles Beispiel ist schließlich die Kernstadt von Passau, die zu den beiden reißenden Flüssen hin wohl nie eine Mauer besaß, sondern, seit dem Spätmittelalter, nur die hohen Rückwände der Steinhäuser und einzelne Tore und Rondelle. Abschließend bleibt zu fragen, was eine verteidigungstechnisch günstige Lage für die weitere Entwicklung der Stadt und ihrer Befestigungen eigentlich bedeutet hat. Auch dies ist eine der vielen Fragen, für die es keine Antwort aus den Quellen gibt, sondern nur Rückschlüsse und die Interpretation gewisser wiederkehrender Phänomene. Fraglos bedeutete ein besonderer Schutz durch Abhänge oder Gewässer einen wirtschaftlichen Vorteil, weil man so mit deutlich geringerem Bauaufwand gleiche Sicherheit wie bei einer Stadt ohne solche Lage erzielen konnte. Dennoch kann man in der Realität kaum eine geradlinige Beziehung zwischen Lage und Stärke der Befestigung feststellen, weil es einfach noch andere starke Einflussfaktoren gab – eine durch die Lage gesicherte Stadt kann dennoch stark ausgebaut sein, weil sie reich oder strategisch wichtig war, auch eine ungünstig liegende Stadt kann schwache Befestigungen behalten haben, weil ihre Wirtschaftskraft nun einmal mehr nicht trug. Eine deutlichere Beziehung zwischen Lage und Ausbaustand findet man am ehesten wieder in Nord- und Nordostdeutschland. Dort nämlich sind nicht nur die Städte in sicherer See- und Sumpflage besonders häufig, sondern auch jene, die nach herrschender Ansicht nie befestigt wurden. Es wird zwar zu zeigen sein (vgl. 2.2.1.6.), dass es sich dabei kaum um unbe-
festigte Städte handelte, sondern eher um solche, die das Stadium der Holz-Erde-Befestigung nie überschreiten konnten, aber die natürlich gesicherte Lage könnte durchaus den Verzicht nicht auf künstliche Sicherung schlechthin, aber doch auf die teure Mauer nahegelegt haben. Freilich sind auch hier andere Erklärungsmuster nicht zu übersehen, wie vor allem der Steinmangel in diesen Regionen und die späte Entstehung der Städte, durch die ihre wirtschaftliche Entwicklung mit der allgemeinen Krise des 14. Jahrhunderts kollidierte. 2.2.1.2. Wälle und Gräben Gräben vor den Mauern und diesen wiederum vorgelagerte Wälle waren, oft mehrfach hintereinander gestaffelt, eines der definierenden Elemente der Stadtbefestigungen in ihrer Blütezeit (vgl. 2.2.9.). Zugleich sind Wälle und Gräben aber eine der technisch einfachsten Befestigungsformen – von ungelernten Arbeitern fast überall in begrenzter Zeit herstellbar –, die schon nach gesundem Menschenverstand, aber auch nach manchen Befunden und Quellen sicher die erste Umwehrung von Städten darstellten. Beide Tatsachen zusammen bedeuten ein erhebliches Erkenntnisproblem: Es gibt durchaus eine gewisse
Wahrscheinlichkeit, dass die Gräben und Wälle bei sehr vielen Städten die ältesten Teile der gesamten Befestigung sind, aber die weitgehende Undatierbarkeit solcher technisch einfachen und zudem häufig veränderten Anlagen lässt in aller Regel keine Aussage mehr zu, ob es wirklich so ist. Ein gutes Beispiel ist der Wall, der früher Bardowiek umgab; eine neuere Arbeit kommt zu den Ergebnis, dass er einerseits erst durch die Abbildung bei Georg Braun / Frans Hogenberg 1585 / 88 belegt ist (Abb. 15), andererseits aber schon bei einer erfolglosen Belagerung durch Heinrich den Löwen 1189 existiert haben mag. Man muss also auf Schriftquellen und archäologische Befunde zurückgreifen, um Wälle und Gräben als frühe Befestigungsformen bzw. Vorgänger der späteren Mauern nachzuweisen. Dabei zeigt sich schnell und mit aller Deutlichkeit, dass für die Entwicklung vom Wallgraben zur steinernen Befestigung keine absoluten Zeiträume festgelegt werden können, vielmehr gab es Befestigungen aus Holz- und Erde vom 10. / 11. Jahrhundert bis in die frühe Neuzeit. Lediglich die relative Abfolge tritt immer wieder hervor: Die Mauer folgt auf den Wallgraben. Den Beispielen aus Quellen und Grabungen ist außerdem voranzuschicken, dass Gräben und
Abb. 15 Bardowiek (Niedersachsen), der Stich des 16. Jahrhunderts zeigt als erste verfügbare Quelle eine Umwallung, die dennoch bis ins 12. Jahrhundert zurückgehen könnte (Braun-Hogenberg, Civitates, 1585 / 88). 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Wälle in der Regel sicherlich von weiteren, meist hölzernen Bauteilen ergänzt wurden, von denen wir leider nur selten Spuren finden. Insbesondere wird man so gut wie immer mit Palisaden oder Zäunen zu rechnen haben, die den Verteidigern Deckung boten. Anlagen ausschließlich aus Erde kann es kaum gegeben haben, weil sie nicht effektiv zu verteidigen waren, sondern nur kombinierte Holz-Erde-Werke; es spiegelt mehr die Forschung als die historische Realität, wenn beide hier in getrennten Kapiteln dargestellt werden. Gelegentlich anzutreffende Versicherungen von Archäologen, es habe auf den Wällen anfangs nichts weiter gegeben, ist vorsichtig zu begegnen; selbst wenn die Wallkrone vollständig erhalten wäre, was nach Jahrhunderten der Erosion grundsätzlich unwahrscheinlich ist, braucht ein Zaun doch nur alle paar Meter einen Pfosten. Außerdem kann die Mauer eine Palisade an gleiAbb. 16 Landsberg (Hessen), eine Planaufnahme der Stadt, die nur 1226–31 existiert hat; die Befestigung bestand in dieser Anfangsphase nur aus einem doppelten Wallgraben (Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 7: Landkreis Kassel).
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cher Stelle ersetzt haben, was deren Spuren vernichtet hätte – beide Befunde aber sind archäologisch leicht zu verfehlen. Eine Anschauung von frühen Wall-GrabenBefestigungen geben heute nur noch wenige Städte, die nach kurzer Existenz wieder aufgegeben wurden, sodass sie das Stadium des Mauerbaues gar nicht mehr erreichten. Genannt sei Landsberg in Nordhessen, um 1226 gegründet, aber schon 1231 zerstört, von dem nur die gemauerten Keller der (zweifellos hölzernen) Häuser blieben und eben der Graben zwischen zwei Wällen, mit Erdbrücken an den Torstellen (Abb. 16); vergleichbar sind Rosenthal bei Peine, das 1223 gegründet, nach nur dreißig Jahren zum Dorf herabsank und noch Wallreste besitzt, oder Freyenstein in Brandenburg, von dessen 1287 verlegter, wenig älterer Erstanlage ebenfalls noch Wall- und Grabenreste erkennbar sind. Der Fall von Ulm liegt etwas anders, ist aber ebenfalls anschaulich, weil hier Grabungsergebnisse und Quellen seltenerweise nebeneinanderstehen. Ulm war im 12. Jahrhundert ein wichtiger Stützpunkt der Staufer und man mochte daher lange nicht glauben, dass es noch im 13. Jahrhundert nur „hölzerne Mauern“ (lignea moenia) besessen haben soll, aber archäologisch ist inzwischen erwiesen, dass der älteste Stadtkern über die Stauferzeit hinaus neben einzelnen Tortürmen nur einen Wallgraben besaß (auf dem man eine Palisade als „hölzerne Mauer“ vermuten muss). Die quellenmäßigen Belege für Wallbefestigungen reichen erwartungsgemäß weit zurück. Köln sicherte 948 die Rheinvorstadt beidseitig mit Wallgräben, 1106 erhielten drei weitere Vorstädte „Wälle und Türme“(!). Konstanz besaß lange nur einen Wall aus „Seekreide“, für den man 1122 Material besorgte. Der Chronist Lambert von Hersfeld erwähnt um 1076, dass das „Bergdorf“, eine Bergarbeitersiedlung als Vorgängerin von Goslar, Wälle und Planken besaß. In Aachen, wo schon 1137 ein fossatum erwähnt ist, entstand ab 1171 eine neue Umwehrung, wohl immer noch ein Wall, der aber vermutlich schon eine Front aus Mauerwerk besaß; weil diese inzwischen mehrfach nachgewiesene Form am Übergang zu echten Mauern steht, wird sie unten gesondert behandelt (vgl. 2.2.3.2). Um 1170 / 80 waren auch wichtige Städte noch mit Wällen gesichert. Neben Aachen bele-
gen dies etwa Hildesheim – es besaß 1167 ein vallum, aber „Hagen“ und „Altstadt“ wurden nach Grabungsbefund sicher wenig später ummauert – und vor allem Köln, wo man ab 1154 über eine weiträumige Sicherung der Vorstädte, Klöster und Stifte nachdachte. 1180 erlaubte dann Friedrich I. die Vollendung eines Wallgrabens „von bewundernswerter Breite und Höhe“, wobei aber schon um 1200 eine Mauer erwähnt wird. Weitere Beispiele für Wälle in der Zeit vor und um 1200 sind Schleswig (mit steinernem „Nordertor“) und wohl auch Stade, das um 1168– 81 durch Heinrich den Löwen „mächtig“ befestigt wurde, ferner Münster (Mauerbau im späten 13. Jahrhundert). Weiter südlich ist Sangerhausen (1204 vallis et aggeribus bene munitum) zu nennen, ferner Creuzburg in Thüringen (vallum 1213), Lichtenfels (Wall um 1200, Palisade 1231) und Altenstadt (frühes 13. Jahrhundert) in Franken, schließlich Rosheim im Elsass (1218 vallum). Vom 13. bis 15. Jahrhundert, wo Wallgräben nur noch den notdürftigen Ersatz (oder die Ergänzung) von Mauern darstellten, werden sie in den Schriftquellen dennoch kaum seltener erwähnt, was fraglos mit der wachsenden Dichte der Überlieferung zu tun hat. Sie waren weiterhin manchmal Erstbefestigungen, weit häufiger und bis in die Zeit um 1600 aber Umwehrung kleiner Städte, besonders im Flachland. Im späteren Wallgräben als Hauptumwehrung im 14. und im 15. Jahrhundert Spätmittelalter legten auch einige größere norddeutsche Städte wieder Umwallungen als weit gedehnten Schutz ihrer Vorstädte an, für die eine Mauer zu kostspielig gewesen wäre. Im westfälischen und niederrheinischen Gebiet besaßen im 13. / 14. Jahrhundert offenbar noch viele kleine Städte (Weichbilder, oppida) Wallgräben, erwähnt etwa in Warendorf 1236 (Wall, Graben), Kamen 1263 (Gräben, Planken), Jülich 1278 (Wall, Graben) oder Euskirchen, das bis zum Mauerbau 1355 umwallt war. Ein gutes Beispiel ist Bochum, das 1345 entfestigt, aber bald neu umwallt wurde, 1428 als „Stadt“ angesprochen wurde, aber nie eine Mauer erhielt. Krempe erhielt 1333 die Erlaubnis, Wall, Graben, Palisaden und vier Tore anzulegen, ähnlich Hattingen 1369 (Mauer erst 16. Jahrhundert). Dölken besaß 1387 nur Wall, Graben und Pali-
saden, Xanten (Stadtrecht 1228) hatte 1389 verfallene Wälle und begann seine Mauern 1444; Waldfeucht wurde 1389 befestigt und hat bis heute nur Wälle. Insgesamt hat man im nördlichen Rheinland zwischen dem frühen 13. und dem späten 14. Jahrhundert vierzehn Holz-ErdeBefestigungen belegen können, die erst zu dieser Zeit entstanden. Im Süden Deutschlands ist die Stadterweiterung „Freyung“ in Landshut von besonderem Interesse; 1338 gegründet, sollte sie binnen drei Jahren durch einen Graben gesichert werden. In Bayern behielten auch viele Märkte bis ins 16. Jahrhundert Holz-Erde-Umwehrungen, lediglich mit hölzernen oder steinernen Toren. Im übrigen Süddeutschland gibt es einzelne Nachrichten über Holz-Erde-Befestigungen bis ins 15. / 16. Jahrhundert. Weißenhorn besaß bis 1470 / 80 Wall, Graben und Zaun, dann wurden zunächst die Tore in Stein ersetzt, die Mauer folgte ab 1504. Wallerstein behielt immer Wall, Graben und Tore, trotz des Ummauerungsrechtes von 1471. Künzelsau schließlich hatte 1495 Wall und Graben und 1525–52 sind Tore belegt – die Mauer folgte erst 1767–86! Einen weitgedehnten, großenteils erhaltenen Erdwall um seine Vorstädte legte Göttingen ab 1362 an; auf ihm wurde ein Geschützrohr der Zeit um 1400 gefunden. Er wurde um 1447–54 ausgebaut, wohl mit Stützmauern, Rondellen und Torzwingern, ein weiteres Mal 1533–77, vermutlich mit Streichwehren. In Erfurt entstand ein ähnlicher Wall ab 1375, in Hildesheim als Zusammenschluss der drei bisher getrennten Städte um 1400, schließlich in Duderstadt, noch wohl erhalten, ab 1498. In Göttingen und Duderstadt zeigen diese Wälle zumindest in ihren Ausbaustufen schon deutlich die Prägung durch Artillerie und einige norddeutsche Umwallungen des 16. Jahrhunderts verdeutlichen noch entschiedener, wie die mittelalterliche Tradition der Erdbefestigungen hier nahtlos in die Rondell- und Bastionärbefestigungen der frühen Neuzeit überging (Krempe 1533–1607, Rendsburg 1536–1694, Wildeshausen ab 1544, Jever 1553–57, Otterndorf um 1580,Winsen, Vechta, Cloppenburg). Die archäologischen Belege für Wallgräben als Vorgänger von Mauern, die in den letzten Jahrzehnten gleichfalls nicht mehr selten sind, bestätigen weit stärker als die Quellen, dass der 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 17 Duderstadt (Niedersachsen), archäologische Forschungen klärten die Abfolge von Umwallung und Mauer. Die Mauer entstand hinter dem abgeflachten Wall, aber in anderen Fällen wurde die Mauer auch auf den Wall oder vor ihn gesetzt (vgl. Abb. 20; Konze / Röwer-Döhl, Göttinger Jahrbuch, 1994).
Höhepunkt dieser Befestigungsform früh anzusetzen ist, vom 10. bis zum 12. Jahrhundert. Warum die Grabungen nur selten jüngere Wälle erfasst haben, ist nicht ganz klar; möglicherweise wurde das Interesse der Archäologen manchmal von ihrem historischen Vorwissen gelenkt. Der schon angesprochene Wall von Haithabu, vor 968 angelegt und in Funktion bis Mitte des 11. Jahrhunderts, ist der älteste bisher archäologisch nachgewiesene, aber ein Wallgraben noch des 10. Jahrhunderts ist auch in Duisburg ergraben, ein Graben des 10. / 11. Jahrhunderts wird in Halle vermutet (wo noch 1182 ein vallum civitatis mit einem steinernen Tor erwähnt wird). Der mehrphasige Wall des späten 11. Jahrhunderts in Schaffhausen war 10 m breit, aber nur 2,5 m hoch(?). Braunschweig erhielt wohl um 1100 einen Wallgraben (auf den Mitte des 12. Jahrhunderts ein Fundament in Trockenmauer- / Lehmtechnik gesetzt wurde, dann eine Mörtelmauer mit Dendrodatum 1177 + / –2). In Würzburg ergrub man als erste Befestigung (um 1000 oder eher 11. Jahrhundert?) einen Wallgraben; auf die Verfüllung eines der Gräben wurde dann eine Mauer gesetzt, noch vor einer Stadterweiterung 1195 / 99. Ein Wall des 11. / 12. Jahrhunderts ist schließlich in Echternach ergraben.
Wallgräben als ergrabene Vorgänger von Mauern
46 I. Systematischer Teil
Aus dem 12. Jahrhundert gibt es weit mehr Befunde. In Lüneburg fand man zuunterst einen Wall samt Palisade(!) und Wassergraben, darauf folgte ein dreifacher Wall, beides vor 1147; noch 1254 sind plancae civitatis erwähnt. In Zürich wird ein Wall mit aufgesetzter dünner Mauer spätestens ins mittlere 12. Jahrhundert datiert, in Marburg sicherte wohl zu dieser Zeit ein Graben den ältesten Stadtkern. Halberstadt, wo die Domburg ab dem 8. Jahrhundert Gräben besaß, sicherte sich wohl ebenfalls ab der Mitte des 12. Jahrhunderts durch Wallgräben, die nach der Zerstörung durch Heinrich den Löwen 1179 erneuert und dann durch eine 1199 erwähnte Mauer bekrönt wurde; ein Wall ist unter ihr noch sichtbar. Weitere Umwallungen noch des 12. Jahrhunderts sind um die ältere Talstadt von Rottweil, um den Stadtkern von Winterthur und um jenen von Weißenburg in Franken nachgewiesen. In Niedersachsen mit seiner aktiven Archäologie sind Wallgräben des 12. Jahrhunderts um vier Städte nachgewiesen. Göttingen hatte eine fünfeckige Umwallung der Jahrhundertmitte, mit Holzversteifung, die im Süden schon um 1180 wieder eingeebnet wurde. Der Markt Einbeck besaß Mitte des 12. Jahrhunderts schon einen 15 m breiten Graben, Hannover einen Wallgraben und ebenso die schon im 14. Jahrhundert aufgelassene Stadt Nienover. Ein Wallgrabensystem, auf das schon 1198 die Mauer gefolgt war, ist schließlich in Querfurt ergraben; und sowohl in der „Altstadt“ als auch in der „Neustadt“ von Brandenburg sind Wall und Graben unter den Mauern des 13. Jahrhunderts und später nachgewiesen. Die wenigen archäologischen Befunde aus dem 13. Jahrhundert und später entsprechen im Grundsatz jenen des 11. / 12. Jahrhunderts. Hilpoltstein in Franken erhielt vor 1230(?) eine erste Umwallung, unter dem „Antoniterhaus“ in Memmingen wurde ein Wall der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ergraben, auf den dann, auch noch vor 1250, eine Mauer aus Tuffsteinbrocken gesetzt wurde. Wall und Graben von Duderstadt, das 1247 zuerst belegbar ist, sind vielfach erfasst (Abb. 17), wobei die Mauer schon um 1276 / 79 existierte. In Kolberg war 1289 zumindest eine Vorstadt von einem Erdwall umgeben. Die erste Sicherung des 1292 gegründeten Celle bestand
gleichfalls in einem Wall, und Potsdam erhielt, als einziges wirklich spätes Beispiel, das ergraben ist, um 1520 einen Wall, der aus Schlamm(!) „aufgeschüttet“ wurde. Zum Thema „Wall als Vorgänger der Mauer“ gehört schließlich, jenseits wissenschaftlicher Untersuchung, eine Beobachtung, die man beachtlich oft macht. Viele Stadtmauern, besonders im norddeutschen Flachland, aber durchaus darüber hinaus, stehen nämlich zumindest teilbereichlich auf Wällen, die von kaum merklicher bis zu 3 m Höhe reichen. Dieses eher unauffällige Phänomen, das zweifellos auch oft durch Straßenbau verändert bzw. eingeebnet ist, wurde in der Literatur selten angesprochen und ist daher bis heute fast völlig undiskutiert. Die wohl einzig sinnvolle Erklärung für solche Befunde besteht darin, dass der Wall nichts anderes als die der Mauer vorausgehende Befestigung ist, die man beim Mauerbau unter anderem deswegen weiterbenutzte, weil sie einen zusätzlichen Überhöhungseffekt sicherte. Als anschauliche Beispiele aus verschiedenen Regionen, die leicht vermehrbar wären, seien etwa genannt: Korbach, Werl, Gandersheim, Halberstadt, Frankenhausen und etliche brandenburgische Mauern. 2.2.1.3. Befestigungen aus Holz Neben dem Ausheben von Erdreich und dessen Aufschütten zu Wällen ist die Verwendung von Holz die zweite Möglichkeit, schnell eine provisorische, aber wirksame Befestigung zu errichten. Holz ist noch heute in vielen Regionen massenhaft vorhanden und im Mittelalter, als der Wald weit größere Teile Europas bedeckte, war es noch besser verfügbar. Es ist leicht und schnell zu verarbeiten und erlaubt – im Gegensatz zu reinen Wallgräben, die auch bei beträchtlicher Steilheit nur Reiter aufhalten können – die Errichtung von senkrechten, mehrere Meter hohen Wänden, die auch gegen Angreifer zu Fuß bzw. mit Steighilfen zu verteidigen sind. Ihr Nachteil, der die Mauer grundsätzlich zur besseren Lösung macht, war jedoch die vergleichsweise geringe Haltbarkeit des Materials, das nicht nur gegen Brand anfällig ist, sondern auch gegen die ganz normale Witterung, die es ohne aufwendige Pflege innerhalb weniger Jahrzehnte verrotten lässt. Trotz dieser Nachteile ist vor allem im Gebiet der deutschen Ostkolonisation ein bemerkens-
wert hoher Prozentsatz von Städten konstatiert worden, die nie über Holzbefestigungen hinauskamen; in Schlesien etwa geht man von 30 bis 40 Prozent aus. Wie verbreitet Holzbefestigungen auch sonst in den nördlichen Regionen Europas waren, verdeutlicht besonders griffig das englische Wort „town“, das dem deutschen „Zaun“ entspricht und ursprünglich wohl jene neuen Städte charakterisierte, denen die Steinmauer der römischen Städte (civitas = „city“) fehlte. Auch für die mittelalterlichen Anfänge zahlreicher anderer Bautypen war Holz, wie wir heute wissen, von hoher Bedeutung, etwa für Kirchen, Klöster, Burgen, Bürgerhäuser und Bauernhöfe. Im Einzelfall sind frühe Holzbauten in den Quellen nachweisbar, wobei allerdings in der Regel der Stellenwert der hölzernen Teile innerhalb komplexerer Anlagen offenbleibt; gerade die Kombination mit Gräben und Wällen muss prinzipiell immer erwogen werden, auch wenn diese in den Quellen nicht erwähnt sind. Genaueres zu diesem Punkt können in günstigen Fällen die Grabungsergebnisse bieten, die auch zu dieser Thematik in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden sind. Aber auch die Ergänzung der Mauer durch hölzerne Anlagen ist in Einzelfällen belegbar, etwa in Nürnberg und Naumburg, wo Mitte des 14. Jahrhunderts Zäune als Sicherung der Mauerbaustelle belegbar sind, in Nordhausen 1434 um eine Vorstadt oder in Chemnitz, wo Abb. 18 Wien, auf dem Schottenaltar (um 1470) ist im Hintergrund der „Flucht nach Ägypten“ die Umwehrung einer westlichen Vorstadt von Wien dargestellt: ein Zaun und eine Streichwehr aus Flechtwerk (Museum im Schottenstift).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 19 Frankfurt / Oder (Brandenburg), Rekonstruktionsversuch der Palisade mit Wehrgang, die wohl direkt nach der Stadtgründung 1253 auf einem Wall entstand (Archäologie in Berlin und Brandenburg, 1993 / 94).
1331 die Untertanen des benachbarten Klosters halfen, die Stadt zu „umzäunen“. Im letzteren Falle geht nämlich aus der Quelle hervor, dass der Zaun vor der Mauer steht – die Klosterleute durften im Notfall in den Zwischenraum flüchten –, dass er also einem Zwinger entsprach. Im Prinzip hat es offenbar vier Arten hölzerner Befestigungen gegeben. Der durch Holzaussteifungen verstärkte Erdwall, bei antiken und frühmittelalterlichen Befestigungen durchaus häufig (murus gallicus, Pfostenschlitzmauer und Ähnliches), scheint bei Stadtbefestigungen keine Rolle gespielt zu haben. Die massivste Art der hölzernen Befestigung von Städten war daher die Palisade, die aus senkrecht eingegrabenen, dicht gereihten Baumstämmen besteht. Bestimmte Einzelbefunde belegen, dass Palisaden beachtlich hoch sein und Wehrgänge besitzen konnten; auch Erker (die vermutlich mit propugnaculum gemeint sind) und „berchfrede“ (Türme, Blockhäuser?) sind gelegentlich belegbar. Die Palisade wird gerne als Synonym für hölzerne Befestigungen schlechthin verwendet, aber es gibt etliche Hinweise darauf, dass auch Zäune häufig waren. Wir kennen geflochtene Zäune vornehmlich aus spätmittelalterlichen Abbildungen (Abb. 18), Bretterzäune hingegen erscheinen als „Planken“ vor allem in den Quellen. Zäune waren weniger massiv als Palisaden, aber schneller herzustellen, da man nur alle paar Meter einen Pfosten eingraben musste; für die „Planken“, die man sich horizontal befestigt vorstellen muss, war aber eine Sägemühle die Voraussetzung. Eine noch leichtere Befestigung stellte das Gebück dar, im Prinzip eine kunstvoll verflochtene Dornen48 I. Systematischer Teil
hecke, die meist nur noch durch Straßen- oder Flurnamen nachweisbar ist (vgl. 2.2.9., 2.2.12.). Deswegen ist es meist auch schwierig, zu sagen, ob ein Gebück die Hauptbefestigung darstellte oder nur eine zusätzliche Vorfeldsicherung, etwa auf einem Außenwall; auch eine engere Datierung ist in der Regel nicht möglich. Die Grabungsergebnisse kann man mit Schwäbisch Hall beginnen, wo die Solequelle durch eine kräftige Palisade samt Torbau geschützt war, deren Stümpfe unter dem Wasserspiegel des Kochers erhalten waren; sie waren sicher nicht jünger als das zugehörige spätromanische „Sulfertor“. Die Pfostenlöcher eines hölzernen Torturmes sind auch in Neustadt / Saale ergraben, das 1248 als parvum munitum (wenig befestigt) bezeichnet und erst im späten 14. Jahrhundert ummauert wurde. In Lemgo, dessen Stadtrechte 1245 bestätigt wurden, ist ein 18 m breiter Wassergraben nachgewiesen, dahinter eine schräg eingerammte Palisade und auf der Grabensohle eine Bretterwand („Planken“?); die Mauer wurde dann (um 1265?) auf Pfahlgründung in den Graben gesetzt. Besonders klar sind die Ergebnisse in Einbeck – die „Neustadt“ entstand um 1230 / 40 und erhielt einen 11–20 m breiten, flachen Graben; Torschwellen und Grabenbrücken konnten auf 1244 –6 / +8 und 1250 dendrodatiert werden. Schon 1264 wurde der Zehnte für den Mauerbau verwendet; ein Holztrog für den Mörtel wurde 1271 + / –10 hergestellt. Besonders anschaulich sind Ergebnisse im 1253 gegründeten Frankfurt / Oder. In beackerten Boden (Furchen!) wurde hier eine Palisade
mit schräg abgestütztem Wehrgang gesetzt (Abb. 19) – auch die Lagerfeuer der Arbeiter sind nachgewiesen –, davor ein schwacher Graben angelegt (3 m breit, 1,5 m tief); später wurde auf diesen Graben ein Wall geschüttet, darauf dann die 1312 zuerst erwähnte Mauer gesetzt. Der selten vollständige Befund zeigt, mit welcher Komplexität der Entwicklung man binnen weniger Jahrzehnte rechnen muss. In Wachtendonk konnten Palisaden auf 1257 dendrodatiert werden, auch Reste in Spandau, deutlich hinter der Mauer des mittleren 14. Jahrhunderts, gehören ins 13. Jahrhundert (Abb. 20). Wall, Graben und Palisade wurden in Borken undatiert erfasst und in Liebenwerda ließ sich als Torgauer Tor anhand von vier Pfostenlöchern ein 5 m breiter Bau erweisen; die Brücke davor ist auf 1485 / 87 dendrodatiert. Die Quellen zum Thema beginnen mit den Planken, die das Goslarer „Bergdorf“ schon um 1076 besaß, setzen sich dann aber erst im 13. Jahrhundert fort. Bonn besaß 1244 lignea
propugnacula super fossatum (= Palisaden mit Erkern(?) und Graben), aber bereits neue Steintore (novas portas de lapidibus); die Mauer wurde dann 1291 erwähnt. Trachenberg in Schlesien sagte der adlige Gründer in der Gründungsurkunde 1253 zu, er werde die Stadt auf seine Kosten mit Bretterzaun und Graben umwehren (de nostris sumptibus civitatem blancis et fossatis munire). Unklar ist, was mit den plancas sive murum in Rinteln 1257 gemeint war – ein Bretterzaun, der erst teilweise durch die Mauer ersetzt war oder der es bald werden sollte? Neubrandenburg erhielt 1261, 13 Jahre nach der Gründung, die Bestätigung seines Stadtrechtes nebst der Erlaubnis, Holz ad palisadam im Stadtwald zu schlagen. 1280 akzeptierte Köln die 1275 erfolgte Befestigung von Steinheim in Westfalen, sofern diese befristet bleibe – gewiss kein Hinweis auf eine Mauer! 1276 erlaubte der Markgraf von Meißen der Stadt Naumburg, dass es Gräben, einen Schaufelwurf tief, und Planken mit Wehrerkern anlegen dürfe; die Mauer folgte erst in der Mitte
Abb. 20 (Berlin-)Spandau, archäologisch erfasste Gräben und Palisaden des 13. Jahrhunderts hinter der Stadtmauer des 14. Jahrhunderts (R. Maczijewski, Ausgrabungen in Berlin, 3, 1972; ergänzt). 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 21 Bamberg (Oberfranken), Umwehrung einer Vorstadt aus Blockwerk mit Streichwehren und Bretterzaun 1493 (Hartmann Schedel, Weltchronik; Ausschnitt).
des 14. Jahrhunderts. Treptow (Mecklenburg) erhielt schon bei seiner Gründung 1277 das Recht auf Holzbefestigung; 1299 folgte die Erlaubnis zum Mauerbau. Weitere Nachrichten zu Holzbefestigungen im 13. Jahrhundert seien nur aufgezählt. Helmstedt besaß 1230 eine Holzbefestigung, die man bis 1244 durch eine Mauer ersetzte; Iserlohn wurde 1265 verlegt und erhielt zunächst Palisaden. Bocholt erhielt 1201 Weichbildrecht und 1222 münstersches Stadtrecht, hatte aber noch 1309 plancas; Rheinberg, Stadt seit 1233, hatte noch 1290 plancis et propugnaculis, Ziegel für die Mauer sind dann bis 1311 erwähnt. 1263 besaßen Borken und Kamen „Planken“, 1269 Uelzen fossata et plancas (Mauerbau 1380–87). Beeskow (Brandenburg) hatte 1272 Gräben und Planken, Stralsund (städtische Rechte 1234 / 40) 1278 noch Planken, seine Mauer entstand um 1280–1310; ähnlich besaß Rostock (1218 lübisches Recht, 1252 / 62 drei Städte) noch bis 1286 Planken, obwohl man das backsteinerne Kuhtor schon auf 1262 datiert. Dass Holzbefestigungen in Mecklenburg bis ins 14. Jahrhundert normal waren, zeigt auch Schwerin mit Planken bis zur Mitte des Jahrhunderts. Auch anderswo gibt es Belege für Holz bis weit ins 14. Jahrhundert. 1300 sollte in Zürich ein Maurer die Rückfront seines Hauses „an der swyren statt“ (= anstelle der Palisaden) aufführen – eine typische Nachricht für ein Land fast ohne Mauergassen (vgl. 2.2.3.6.). Stolp (Pommern) wurde 1310 zur Stadt erhoben; man sagte ihr zehn Jahre Steuerfreiheit ab dem Zeitpunkt zu, an dem die Palisaden fertig waren. Hersbruck 50 I. Systematischer Teil
erhielt 1313 und 1329 die Erlaubnis für Zaun und Graben und Namslau (Schlesien) war bis 1348 „alleyne mit blancken und graben befestiget“, dann wurde es durch Karl IV. erworben, der 1350 den Grundstein zur Mauer legte. Weitere Nachrichten betreffen etwa Bocholt (Planken 1309), Kupferberg in Franken („Plancken“ 1327), Dietfurt (Oberpfalz, Holzbefestigungen bis ins 15. Jahrhundert) und die 1378 / 83 befestigte Hamburger Jacobivorstadt, die teils noch um 1400 Palisaden besaß. Im Rheinischen Schiefergebirge wurden die Zäune und Gebücke in der Regel zwischen dem 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch Mauern ersetzt und auch im Ordensland Preußen sind zwischen den 1330er und 1370er Jahren vielfach noch Holzbefestigungen belegt. Im 15. Jahrhundert lassen die Quellenbelege für Holzbefestigungen keineswegs merklich nach. In Fürstenau bei Osnabrück werden 1402 neue Planken geplant und zwei „Bergfrede“ an den Toren wiederaufgebaut; man interpretiert sie als Holztürme, während noch jüngere „Bergfriede“ in Schleswig als Blockhäuser zur Verstärkung des Walles gedeutet werden. In Drossen (Brandenburg) gab es bis 1477 eine „leimerne“ (mit Lehm verstrichene oder gar aus Lehmziegeln bestehende?) Mauer, die erst damals in Stein erneuert wurde. Weitere Beispiele des 15. Jahrhunderts, in der Regel Sicherung längst bestehender Siedlungen, findet man etwa in Tütz (Schlesien; 1409 Plankenzäune, Wall, Graben) oder in Cadolzburg (Mittelfranken), das 1414 „umbgraben und verplanckt“ und 1450 mit „Schrancken“ versehen, dann aber bald ummauert wurde. Die
Wiener Vorstädte erhielten ab 1439 einen Flechtzaun mit steinernen Rondellen (Abb. 18), in Küstrin, das 1397 noch offen auf seiner Insel lag, waren Planken 1446 erst beabsichtigt. Auch in Kindberg (Steiermark) wurden 1479 angesichts der Türkengefahr Zaun und Graben geplant, Bamberg ist noch bei Hartmann Schedel 1493 mit Bretterzäunen dargestellt, die auch hölzerne Streichwehren hatten (Abb. 21); hier waren bischöfliche Mauerverbote ab 1291 der Hintergrund. Für Deutsch Krone in der Neumark sind im 15. Jahrhundert Befestigungen und Burg aus Holz bezeugt, ähnlich in Märkisch Friedland. Im berühmten und umkämpften Geldern sind die Rechnungen für den Ausbau in Holz um 1500 erhalten, und schließlich besaß Rust im Burgenland 1512 noch einen „spöldtenzaun“ (Zaun aus gespaltenen Baumstämmen), dem erst 1614 im Zeichen der Türkengefahr die Mauer folgte. Dass die um 1220 gegründete „Neustadt“ Hildesheim an der Seite gegen die „Altstadt“ noch 1572 nur Zäune besaß, war sicher ein Zeichen der Schwäche gegenüber diesem Nachbarn, mit dem man im Streit lag; denn an den anderen Seiten gab es durchaus Mauern. Auch sonst behielten manche größeren Städte teilbereichlich immer Holzbefestigungen, aber eher an schlecht angreifbaren Seiten wie etwa zum Fluss (zum Beispiel Elbing, das ab dem späten 13. Jahrhundert ummauert war). Obwohl Grabungsergebnisse und Erwähnungen in den Quellen nur ein Schlaglicht auf Gesamtumfang und Charakter des Phänomens „Holzbefestigung“ werfen, reichen sie doch, um zwei Prinzipien anschaulich zu machen. Einerseits gab es Holzbefestigungen bis in den Beginn der Neuzeit; sie sind also sicher als „provisorische“ Vorstufe der Mauer zu verstehen, aber derartige Vorstufen überlebten in manchen Orten bis ins Spätmittelalter, was die Unterschiedlichkeit lokaler Verhältnisse entschieden unterstreicht. Andererseits zeigen einige ausdrückliche Erlaubnisse von Landesherren – oder auch Ermunterungen, Holzbefestigungen möglichst bald zu bauen –, dass Holzbefestigungen keineswegs grundsätzlich als schwach empfunden wurden, sondern als durchaus effektive Anlagen. Der Vorteil der Mauer lag, in der Sicht der Zeitgenossen, vielleicht eher in ihrer größeren Haltbarkeit als in einer entscheidend besseren Verteidigungsfähigkeit.
2.2.1.4. Dauer bis zum Mauerbau Aus der Feststellung der letzten Kapitel, dass der Mauer oft eine Befestigung aus Holz und Erde vorausging, ergibt sich die Frage, wie lange es gedauert hat, bis auf diese erste Umwehrung – bzw. auch auf die Entstehung der Stadt – die Mauer im engeren Sinne folgte, also die Umwehrung in Stein. Im Prinzip ist diese Frage leicht zu beantworten. So wie die relativ schnell und billig herzustellende Sicherung aus Gräben, Wällen und Holzanlagen zur Anfangsphase einer Stadt passte, wo Arbeitskraft und Finanzen für andere Aufgaben höchst angespannt waren, so entsprach der extrem umfangreiche und aufwendige Bau einer Mauer, oft mit vielen Türmen, jener deutlich späteren Phase, in der Wirtschaftskraft und Organisation des Gemeinwesens bereits so stabil waren, dass auch die enormen Kosten einer solchen dauerhafteren Sicherung aufgebracht werden konnten. Die Frage, wie lange es bis zum Bau der Mauer dauerte, kann nur in seltenen Fällen konkret beantwortet werden, deren „statistischer Wert“ natürlich begrenzt bleibt. Nur neun Jahre vergingen in Wartenberg (Ordensland Preußen) zwischen Gründung sowie Holzbefestigung (1364) und Beginn des Mauerbaues (1373–1401). Duderstadt existierte schon 1247, zunächst mit Wall und Graben, die Mauer dann um 1276 / 79, was drei Jahrzehnte ergibt, und diese Spanne findet man auch in Remagen, wo 1357 Karl IV. die Befestigung erlaubte, aber 1387 die im Bau befindlichen Mauern niedergelegt werden mussten, und in Kolberg, wo der 1241 gegründete Markt 1264 Ummauerungsrecht erhielt und der Bau 1272 begann. Extrem anschaulich sind, dank Grabungen und mehreren Dendrodatierungen, die Abläufe in Einbeck. Nachdem um 1230 / 40 die Neustadt entstanden war, sind Torschwellen und Grabenbrücken auf 1244 –6 / +8 und 1250 dendrodatiert; 1264 wird dann der Zehnte für den Mauerbau verwendet und ein Holztrog für Mörtel ist 1271 + / –10 datiert. Der Abstand von Holz- und Mauerbefestigung lag demnach auch hier bei rund 30 Jahren. In Bonn ist 1244 noch die Rede von den lignea propugnacula und neuen Steintoren, von der Mauer erst 1291, was mindestens ein halbes Jahrhundert ergibt, und Kaiserslautern (1253 op2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 22 Rheinbach (NordrheinWestfalen). Der Plan des frühen 19. Jahrhunderts zeigt eine ausgedehnte Umwallung wohl vorstädtischer Entstehungszeit. Beim Mauerbau des frühen 14. Jahrhunderts wurde das Stadtgebiet erheblich verkleinert (vgl. Abb. 273; Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, 4.2, 1898).
pidum) war ab 1276 Reichsstadt, aber die Fundamentpfähle der Mauer wurden erst 1330–33(d) geschlagen, was 54 oder gar 80 Jahre ergibt. Eine ähnliche Frist findet man im ungleich größeren Köln, wo der äußere Befestigungsring ab 1154 diskutiert wurde, 1180 ein Wallgraben im Bau war und die äußere Mauer knapp vor 1200 erwähnt wird. 60 Jahre vergingen zwischen der Gründung (1244) von Friedland (heute Mecklenburg) und der Erlaubnis zum Mauerbau 1304. Ungewöhnlich ist der Fall von Menden (Westfalen), das schon 1276, als es wohl kölnische Stadt wurde, ein befestigtes Dorf war. Nach der Schlacht bei Worringen durch die Gegner des Erzbischofs entfestigt, erhielt es ab 1292 wiederum nur Graben und Palisade; es folgten zwei weitere Entfestigungen (1313, 1344) und erst dann die Ummauerung – mehr als 68 Jahre nach der Stadterhebung und noch länger nach der ersten Umwehrung. Ähnlich hatte Kamen schon 1263 Gräben und Planken, wurde1278 entfestigt, erhielt 1342 Stadtrecht und noch später, also 80 52 I. Systematischer Teil
oder mehr Jahre nach der ersten Umwehrung, endlich die Mauer. Rund 100 Jahre vergingen in Osnabrück bis zum Mauerbau; 1171 privilegierte Friedrich I. die Bürger der Stadt und verlieh ihnen Befestigungsrecht, aber kein erhaltener Teil der Mauer ist vor der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden. Ähnlich lange, eigentlich aber 300 Jahre, benötigte das kleine Themar in Thüringen. Es wurde 1319 Stadt, 1390 wurde die Mauer verboten, 1457 dann erlaubt; erbaut wurde sie erst von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts (Abb. 218). Kompliziert war auch der Ablauf in Dudeldorf (Rheinland-Pfalz); nach dem Stadtrecht 1345 wird dem Stadtrichter noch bei der zweiten Bestätigung dieser Rechte 1384 erlaubt, nach Geld und Hilfe für den Mauerbau zu suchen. Das erhaltene Obertor ist jedoch erst „1453“ datiert. Uelzen, 1269 mit Gräben und Planken versehen, baute 111 Jahre später, 1380– 87 seine Mauer; bei Celle, gegründet 1292 und zunächst umwallt, ist die Mauer 1407 belegbar,
also nach 115 Jahren. In Hattingen wurden 1369 Wall und Graben genehmigt, die Mauer entstand erst im 16. Jahrhundert. Babenhausen erhob ein Ungeld für die Mauer 1441, also 146 Jahre nach dem Stadtrecht von 1295, und noch ein Jahr länger brauchte Ornbau (Mittelfranken), das schon 1317 Befestigungserlaubnis vom Bischof von Eichstätt erhielt, seine Mauern aber offenbar erst errichtete, als diese Erlaubnis 1464 erneuert wurde. Aber mit rund anderthalb Jahrhunderten ist die maximale „Wartezeit“, die wir in den Quellen finden, noch keineswegs erreicht, vielmehr nennen sie uns mindestens sechs Fälle von teils weit über zwei Jahrhunderten. Lauchheim erhielt Befestigungsrecht schon 1397 / 1402, 1431 dann volles Stadtrecht, aber seine Mauer entstand erst um 1600–20; vergleichbar ist Ohrdruf in Thüringen, das 1348 Stadt wurde, ummauert aber erst um 1560–80. Xanten hatte Stadtrecht ab 1228, 1389 wurde erwähnt, das seine Wälle verfallen sind, aber die Mauer wurde erst 1444 begonnen – 216 Jahre nach der Stadtgründung. Kindelbrück in Thüringen entwickelte sich im Sinne einer Berg-und-Tal-Bahn: Obwohl es 1291 Stadtrecht erhielt, wird es 1366 wieder villa genannt, erhält 1372 wieder Stadtrecht, aber erst 1508 wird die Mauer auf strengen landesherrlichen Befehl begonnen, nach 217 Jahren. Dillenburg im Westerwald wird schon 1254 oppidum genannt, erhält 1344 durch Ludwig den Bayern Stadtrecht, aber erst 1588–1618 eine Mauer – 244 Jahre. Künzelsau schließlich – freilich auch ein extrem verspätetes Beispiel – verfügte schon 1495 über Wall und Graben, besaß 1525–52 Tore, aber die Mauer wurde erst 1767–86 erbaut, 272 Jahre nach der Ersterwähnung der Befestigung, und wohl nur noch als Zollmauer. Es gibt auch Fälle, in denen der Mauerbau eine Verkleinerung der Befestigung bedeutet hat; sie sind aus den Schriftquellen allerdings nicht zu erschließen. In der Regel fällt vielmehr auf, dass im Gelände oder auch nur in der Parzellierung eine rundlich ovale Gesamtform erkennbar geblieben ist, aus der die Stadtmauer einen Teil „herausgeschnitten“ hat. Derartiges findet man ganz deutlich etwa in Rheinbach bei Bonn (Abb. 22, Mauer um 1290–1323), (Sooden-)Allendorf (Mauer noch 13. Jahrhundert?), in Xanten (Mauer nach 1444) und – auch im Namen
anschaulich – in Tangermünde, wo der Stadtteil „Hühnerdorf“ zwar noch in der Umwallung lag, beim Mauerbau im 14. / 15. Jahrhundert aber ausgeschlossen wurde. Auch in Ettlingen und Bruchsal gibt es archäologische Belege der Reduzierung. In Rheinbach und Tangermünde gestaltete man die Verkleinerung der Stadt so, dass die Burg in die auch sonst verbreitete Ecklage kam. Hauptgrund solcher Verkleinerungen war aber gewiss der Zwang zur Sparsamkeit, der zur Aufgabe dünn besiedelter oder als minder wichtig eingeschätzter Teile der älteren Stadt oder Siedlung führte. So ist sicherlich auch das eindrucksvollste Beispiel solcher Verkleinerungen zu erklären, nämlich Friesach in Kärnten, wo sogar Reste der älteren Marktummauerung weit außerhalb der Stadtmauer des 13. Jahrhunderts erhalten sind (Abb. 273). Zusammenfassend ist festzustellen, dass die „Wartezeit“ auf die Mauer sehr lang sein konnte, falls die Mauer überhaupt realisiert wurde. Fristen unter 30 Jahren sind Ausnahmen, dafür kommen Spannen von über zwei Jahrhunderten mehrfach vor! Natürlich kann die geringe Anzahl überlieferter Beispiele das reale Bild verschoben haben; man mag sich wirklich kaum vorstellen, dass die Masse der Städte mehr als einige Jahrzehnte bis zum Mauerbau gebraucht haben soll. Eine Bestätigung dieser Annahme darf man vielleicht darin sehen, dass unter den „Wartezeiten“ von nicht mehr als 60 Jahren recht bedeutende Städte sind, während unter jenen, die weitaus länger benötigten, kleine oder abgelegene Städte von fraglos geringer Wirtschaftskraft klar überwiegen. Dennoch bleibt als Ergebnis festzuhalten, dass von der Stadtgründung bis zum Mauerbau in der Regel mit etlichen Jahrzehnten zu rechnen ist, dass aber auch weit über zwei Jahrhunderte durchaus möglich sind. Jedenfalls erweisen diese Fälle den gerade in der lokalen Literatur nicht seltenen Schluss, dass die Stadtgründung zugleich den Beginn des Mauerbaues markierte, mit jeder wünschenswerten Deutlichkeit als falsch. Und als weitere Komplikation ist zu notieren, dass das Stadtrecht keineswegs zwingende Voraussetzung der Befestigung war; es wurde durchaus auch Orten verliehen, die zumindest schon Holzumwehrungen besaßen (und manchmal auch bereits Mauern). 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Freilich gibt es bekanntlich keine Regel ohne Ausnahme. In ganz wenigen Fällen kann schon heute belegt oder wahrscheinlich gemacht werden, dass die Mauer gleich mit der Stadtgründung begonnen wurde. So ist die Mauer von Villingen um 1209 / 10(d) bis um 1241 datierbar, jene von Neuleinigen (Pfalz) entstand nach dem Baubefund in einem Bauvorgang mit der 1238–41 datierbaren Burg, die ihrerseits erst den Beginn der Besiedlung an dieser Stelle bildete, und auch in Dillingen (oppidum 1220) wird man Ähnliches vermuten dürfen, entstand doch die Burg um 1220 und auch ein Stadttor zeigt noch romanische Merkmale. Weitere Verdachtsfälle gibt es sicherlich, vor allem bei Stadtgründungen des Spätmittelalters, aber in der Regel werden vertiefte Untersuchungen nötig sein, um die Gleichzeitigkeit wirklich zu belegen. Hinter solchen Ausnahmefällen standen fraglos Stadtgründer, die besonders hohen Aufwand treiben konnten, um ihrer Unternehmung zum Erfolg zu verhelfen, denn für die Anlockung jener Stadtbewohner, die das Konzept erst mit wirtschaftlichem Leben füllen konnten, war eine von Anfang an vorhandene hohe Sicherheit sicher ein ähnlich geeignetes Mittel wie die allgemein üblichen Privilegierungen. 2.2.1.5. Dauer und Förderung des Mauerbaues Ist schon die „Wartezeit“ bis zum Mauerbau schwierig zu ermitteln, so ist die Frage noch problematischer, wie lange der Bau einer Mauer dauerte. Selbst, wenn die mittelalterlichen Quellen reicher fließen würden, als sie es nun einmal tun, bliebe es erfahrungsgemäß schwierig, vor allem das Ende des Baues exakt zu bestimmen. Denn bei umfangreichen Bauvorhaben – man weiß das von großen Sakralbauten oder von Befestigungen der frühen Neuzeit, bei denen oft eher von einem Erlahmen der Kraft die Rede sein kann, nicht von einer „offiziellen“ Fertigstellung – pflegten die letzten Bauarbeiten mehr oder minder unmerklich in die ersten Instandsetzungen und Modernisierungen überzugehen. Die wenigen Beispiele, bei denen wir etwas von der Länge spätmittelalterlicher Baumaßnahmen erfahren, darf man genauso wenig verallgemeinern wie die „Wartezeiten“, denn selbstverständlich hing die Dauer der Arbeit von den verfügbaren Ressourcen – Geld, Arbeitskraft, Material –, von 54 I. Systematischer Teil
den politischen Umständen und manch anderem ab, konnte also a priori sehr verschieden sein (vgl. 3.1.). Gelegentlichen Meldungen extrem kurzer Bauzeiten – in wenigen Jahren bis hin zu der Behauptung, die Mauer sei in einem einzigen Jahr entstanden – wird man eher mit Misstrauen begegnen. In der Forschung neigte man oft dazu, vor allem auch in der älteren heimatgeschichtlichen Literatur, die Bauleistung zu heroisieren, als frühes Beispiel aktiven Bürgerstolzes. Bei großen, wirtschaftlich blühenden und politisch aktiven Städten war eine funktionierende und moderne Befestigung zweifellos ein Muss, aber ganz zu Anfang waren auch diese Städte erst im Aufbau und strotzten keineswegs vor Wirtschafts- und Finanzkraft. Und erst recht dürfte die Realität bei der weit überwiegenden Anzahl kleiner Städte ganz anders ausgesehen haben. Am deutlichsten wird dies bei jenen Fällen, bei denen Städte über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg von ihrem Stadtherrn immer wieder aufgefordert wurden, die Mauer zu bauen bzw. zu vollenden, wobei sowohl Versprechungen als auch Strafandrohungen Mittel der Wahl waren. Von acht Jahren Bauzeit – freilich nur für eine Verstärkung der Befestigung – spricht eine Inschrifttafel in Schärding / Inn: „der stat zwinger“ und „der stat graben“ seien ab 1429 in acht Jahren angelegt worden. Mindestens 15 Jahre sind in Neuburg / Donau zu konstatieren, denn 1332 gab es dort bereits Mauern, aber noch 1347 wurde für ihren Bau der Zoll erlassen. In Zülpich wurde der begonnene Mauerbau 1279 abgebrochen und dann 1376–93 erst vollendet. Zumindest 34 Jahre dauerte der Mauerbau in Eltville, der 1313 erwähnt wurde und 1347 vollendet war. Waren dies alles kleinere Städte, so baute Regensburg, eine der größten Städte des damaligen Deutschland, letztlich 116 Jahre an seiner äußeren Mauer; nachdem sie chronikalisch 1284 begonnen wurde, bezeugen Bauinschriften Arbeiten an der Hauptmauer bis 1320. Die avzer mauer im graben – was die Contrescarpe oder den Zwinger meint – ist 1330–1400 durch weitere Inschriften belegt. Angeblich 1321–68 war die Mauer von Butzbach im Bau, also 47 Jahre. Sehr genau kennen wir den Ablauf in Namslau (Schlesien), der trotz des Druck ausübenden kaiserlichen Bauherrn
65 Jahre dauerte. Karl IV. legte 1350 den Grundstein und mahnte 1359 den Weiterbau an, 1371 waren die Haupttore fertig, 1388 war das Wassertor im Bau, in den 1390er Jahren Türme und 1415 wurde die Mauer als fertig bezeichnet. Die Mauern von Bischofstein im Ordensland waren 1401 im Bau, aber 1460 / 70 noch nicht fertig. 1294 erteilt Erzbischof Sigfrid von Köln Kempen Stadtrechte und merkt an, die Bürger hätten schon viel Mühe in den Mauerbau gesteckt; er dauerte dennoch bis Ende des 14. Jahrhunderts, also ein rundes Jahrhundert. Und noch länger scheint es in Duderstadt gedauert zu haben, wo die 1276 / 79 erwähnte Mauer wohl Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen und bis zum späten 14. Jahrhundert im Bau war. Auch aus der Betrachtung der Bauformen lässt sich gelegentlich eine lange Bauzeit erahnen. Die Problematik hierbei ist allerdings, dass es sich durchaus auch um Erneuerungen verschwundener Teile bzw. mehrere Bauphasen gehandelt haben kann, eventuell auch um einen sehr raschen Wandel der Formen; nur genaue Bauuntersuchungen oder eine sehr gute Quellenlage können in solchen Fällen vielleicht Sicherheit bringen. Relativ sichere Beispiele für solchen Formwandel in langer Bauzeit findet man vor allem im brandenburgischen Backsteingebiet, etwa in Jüterbog oder Zerbst, wo eine Feldsteinmauer des mittleren(?) 13. Jahrhunderts sich bis zu den typischen Wiekhausformen des (späteren?) 14. Jahrhunderts fortentwickelte. Auch Tangermünde, wo die Entwicklung von rechteckigen Wiekhäusern verschiedener Form bis zu Rundschalen (des 15. Jahrhunderts?) führte und in einer Erneuerung der Haupttore um 1440–70 endete, gehört zu diesen Fällen. Zeitlich eher knapp erscheint dagegen Beeskow, wo eine typisch wehrganglose Wiekhausmauer (ab Ende des 14. Jahrhunderts) zunächst mit gezinntem Wehrgang ergänzt und nach 1450 an der Flussseite mit echten Rondellen abgeschlossen wurde. Doch sollte man aus diesen Beispielen – gleich ob aus Quellen oder Baubeobachtung belegt – nicht allzu viel schließen. Es sind zu wenige Fälle und es ist zu unsicher, was die Quellen genau meinen oder in welchen Zeiträumen sich Formen wandelten. Zurückzubehalten ist letztlich wohl nur die Tatsache, dass auch die Realisierung der Mauer, ähnlich wie die „Wartezeit“ auf sie,
sehr verschiedene Zeit benötigen konnte – von ein bis zwei Jahrzehnten bis zu über einem Jahrhundert. Wichtig für den Ablauf des Mauerbaues waren die Einwirkungen der jeweiligen Landesherren, auf die wir schon mehrfach, auch bei den Holzbefestigungen, getroffen waren. Obwohl es gelegentlich Verbote des Mauerbaues oder gar drakonischere Maßnahmen gab – Friedrich I. ordnete in Köln und Mainz sogar Abbrüche an, was nach dem 12. Jahrhundert aber nicht mehr vorkam –, überwiegen bei Weitem fördernde Maßnahmen, das heißt die Erlaubnis des Mauerbaues bis hin zu deren (Mit-)Finanzierung, aber auch die Ermahnung, dieser Erlaubnis bald und konsequent nachzukommen. Auf Beispiele für die direkte Kostenübernahme waren wir schon getroffen, etwa in Trachenberg 1253. Normal war hier aber nicht die modernen Verhältnissen entsprechende Hergabe von Geld, sondern die Abtretung von Material, Rechten oder Einkünften. Genannt sei etwa die Erlaubnis, Holz zu schlagen (Neubrandenburg 1261) oder sich „Sponsoren“ zu suchen (Dudeldorf 1384), auch der Erlass von Steuern, vor allem aber die Abtretung von Einnahmen wie Zöllen und vor allem dem allgegenwärtigen „Ungeld“, einer lukrativen Steuer auf alkoholische Getränke. Dies wird hier nicht vertieft, da dazu ein eigenes Kapitel eingefügt ist (vgl. 3.1.). Auch die Erlaubnis zur Befestigung – zunächst der Holz-Erde-Befestigung, dann der Mauer – war vom 13. bis ins 15. Jahrhundert so häufig, dass die Beispiele hier nicht wiederholt werden müssen. Dass die erlaubten Mauern im Interesse der Landes- bzw. Stadtherren waren, zeigen fast noch deutlicher ihre Mahnungen dort, wo der Mauerbau zu langsam voranging. Das Beispiel von Namslau 1349 war genannt worden, wo Karl IV. neun Jahre nach dem Grundstein den Weiterbau forderte. In Müncheberg (heute Brandenburg) drohte Herzog Wratislaw von Pommern 1319 den Bürgern mit einer jährlichen Strafe, solange die Mauer unvollendet ist; im gleichen Jahre fuhren alle Dörfer im Lande Leubus Steine dafür an. Eher mit Lob versuchte es Erzbischof Sigfrid von Köln 1294, als er Kempen Stadtrecht verlieh und den schon weit vorangetriebenen Mauerbau anerkannte. Noch geschickter war der Herzog von Pommern, der Stolp 1310 zur Stadt erhob und 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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eine zehnjährige Steuerbefreiung für den Zeitpunkt versprach, wenn die Palisaden fertiggestellt sein würden. Vor allem in Bayern und Tirol gibt es Diskussionen unter Historikern darüber, ob der Landesherr nicht das Stadtrecht generell erst unter der Bedingung verliehen hat, dass die Mauer fertig war. In beiden Ländern übten die Landesherren ihre Macht überdurchschnittlich konsequent aus, was die Kontroversen verständlich macht. In Bayern ist ab dem späten 14. Jahrhundert oft der Fall festzustellen, dass der Herzog das Markt- und Befestigungsrecht verlieh und zugleich das volle Stadtrecht in Aussicht stellte, sobald die Mauer fertig sei – eine recht konsequente Politik, die aber trotzdem oft keineswegs zur Fertigstellung der Mauer führte! In Tirol gab es wohl eine ähnliche Politik, aber durchaus auch Gegenbeispiele. Imst zum Beispiel erhielt 1312 Stadtrecht und sollte binnen zehn Jahren die Mauer erbauen, schaffte es aber nicht; hingegen wurde Rattenberg schon 1333 / 40 befestigt, erhielt aber keineswegs bald danach, sondern erst 1393 Stadtrecht. 2.2.1.6. Städte ohne Befestigung? Vor allem von historischer Seite wurde früh festgestellt, dass eine nicht geringe Anzahl mittelalterlicher Städte dem Augenschein nach unbefestigt war; H. Stoob hat in seiner Karte der befestigten Städte dafür eine besondere Signatur eingeführt, die vor allem im Osten des deutschen Raumes sehr häufig auftritt; für Sachsen etwa kam man auf 174 „offene“ Städte gegenüber nur 74 mit Befestigung durch Mauern oder Wallgräben. Nachvollziehbar hat sich aus solchen Feststellungen gelegentlich die Diskussion entwickelt, ob die Befestigung wirklich ein definierender Bestandteil der mittelalterlichen Stadt war. Dem ist an dieser Stelle nicht weiter nachzugehen – nicht nur, weil die Frage der Definition von „Stadt“ heute flexibler gesehen wird, sondern einfach, weil es hier vor allem um die Befestigung als Bauwerk geht. Was also ist aus diesem Blickwinkel zur Frage der „Stadt ohne Befestigung“ zu sagen? Aus den letzten Kapiteln ist klar geworden, dass Befestigung keineswegs immer „Mauer“ bedeutet hat, dass vielmehr Anlagen aus Erde und Holz bzw. Gräben sehr häufig waren. Diese aber sind, wie schon der gesunde Menschenverstand 56 I. Systematischer Teil
belegt, höchst anfällig, wenn sie nicht regelmäßig gepflegt werden. Holz verrottet innerhalb weniger Jahrzehnte und muss erneuert werden, Wälle werden allein durch Regen im Laufe der Zeit wieder in die vorgelagerten Gräben hineingespült, diese verlanden auch ohne benachbarten Wall oder werden verfüllt. Dabei ist weiterhin nicht zu vergessen, dass die Bewohner der Stadt nicht nur durch den Verzicht auf Pflegearbeiten zum Verfall beitragen konnten, sondern von allem Anfang an auch aktiv. Denn die Befestigung war ja auch ein Hindernis zwischen der Stadt selbst und den Vorstädten, Mühlen, Äckern, Wiesen usw. vor der Stadt; Abkürzungen zwischen intra und extra muros waren daher ebenso naheliegend wie die Nutzung der Wälle und Gräben selbst, etwa als Weide, Garten oder Fischteich. Abstrakt gesagt: Schon die Alltagsinteressen der Bürger standen in einem grundsätzlichen Konflikt mit ihrem Bedürfnis nach Sicherheit und bewirkten insofern eine Art Erosion der Befestigungen, vor allem, wenn diese aus wenig dauerhaftem Material bestanden (aber auch Mauern wurden aus den gleichen Gründen geschädigt, etwa durch Einbruch von Pforten und Fenstern). Daraus ergibt sich, dass Holz-Erde-Befestigungen auch früh, also schon im Mittelalter selbst, wieder abgegangen sein können, wenn die Stadt eine allzu lange Zeit nicht die Kraft aufbrachte, sie durch eine Mauer zu ersetzen. In diesem Falle können sie durchaus verschwunden sein, ohne dass eine einzige Quelle beschreibender oder abbildender Art Zeugnis von ihrer Existenz ablegt. Man darf ja nicht vergessen, dass dieser Fall nur kleine Städte von geringer Wirtschaftskraft betroffen haben dürfte, deren frühe Schriftüberlieferung in aller Regel ausgesprochen spärlich ist, genauso wie vor dem 18. / 19. Jahrhundert die Darstellung in Plänen. Gerade im Falle vieler vermeintlich unbefestigter Städte im östlichen Flachland – Brandenburg, Pommern, teils auch Sachsen und Schlesien – liegen mehrere Faktoren auf der Hand, die diesen Ablauf gefördert haben dürften. Späte Gründung – in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts oder noch später – verkehrsferne Lage, Mangel an Baumaterial und geringer Ertrag der eiszeitlichen Böden haben die Entwicklung solcher Städte verzögert, sodass ihr Mauerbau oft bis Mitte des 14. Jahrhun-
derts nicht begonnen war; die dann einsetzende große Wirtschaftskrise, zuletzt das Aufkommen der Feuerwaffen, dürfte ein Übriges getan haben, um den Mauerbau endgültig zu verhindern. In solchen Fällen könnte letztlich bestenfalls die Archäologie klären, ob nicht doch eine Befestigung vorhanden war; Drebkau oder Rhinow in Brandenburg sind etwa Beispiele oder am anderen Ende des deutschen Sprachraumes Lebnitz in der Steiermark, das 1296 Befestigungsrecht erhielt, aber nie eine Mauer. Da die Archäologie aber immer nur Einzelfälle untersuchen kann, während die vermeintliche „Stadt ohne Befestigung“ regional durchaus ein häufiges Phänomen war, ist mit einer wirklichen, das heißt halbwegs flächendeckenden Klärung auch langfristig kaum zu rechnen. Für die Frage, ob Befestigung ein unabdingbares, definierendes Merkmal der mittelalterliche Stadt gewesen sei, bedeutet all dies, dass sie nach wie vor nicht abschließend zu beantworten ist. Jedoch steigt die ohnehin hohe Wahrscheinlichkeit, dass wirklich jede mittelalterliche Stadt befestigt werden sollte – und es gerade zu Anfang fast immer auch wirklich war –, durch diese Feststellungen und Überlegungen nochmals deutlich an. Dafür spricht nicht nur, dass die eindrucksvolle Mehrheit der Städte in Stein befestigt war, und auch nicht nur die weitere Tatsache, dass in einer zunehmenden Anzahl von Fällen außerdem Holz-Erde-Befestigungen nachgewiesen sind. Auch die Erkenntnis, dass sehr wohl Befestigungen verschwunden sein können, ohne dass wir etwas von ihnen wissen, verstärkt die Annahme, dass „Stadt“ und „Befestigung“ im Mittelalter wirklich unabdingbar miteinander verbunden waren.
2.2.2. Stein als Baumaterial Dass das anstehende Gestein die Architektur einer Region in hohem Maße prägte, ist eine grundlegende Erkenntnis der Kunstgeschichte. Der hervorragende Kalkstein etwa der Ile de France leistete der hohen Qualität der sich entwickelnden gotischen Architektur Vorschub, Werkstein aus Caen wurde schon in der Romanik in weite Teile Englands exportiert; die gestalterischen Möglichkeiten guten Buntsandsteins sind allgemein bekannt, etwa am Oberrhein oder
unteren Main. Auch umgekehrt ist man sich bewusst, dass das Fehlen eines anstehenden guten Natursteins Folgen hatte. Der Backstein als Ersatz brachte in Norddeutschland und anderen glazial geprägten Regionen eine verspätete, aber formal eigenständige Blüte der Architektur hervor; nicht ganz so bekannt, aber in seinen Folgen vergleichbar ist der Transport von Werkstein auf geeigneten Flüssen, etwa von Drachenfels-Trachyt oder Mayener Basalt bis zum Niederrhein. Für die Stadtmauern besaß das Baumaterial einen fast noch höheren Stellenwert, denn hier ging es wenig um ornamentale Gestaltung, sondern um pure Masse. Kein anderer mittelalterlicher Bautypus, mit Ausnahme vielleicht einer großen gotischen Kathedrale, umfasste ein vergleichbares Bauvolumen und war folglich in so hohem Maße durch die Beschaffung des Baumaterials wie die Stadtmauern geprägt. Der Wirkungsmechanismus der geologischen Verhältnisse wird im norddeutschen, eiszeitlich geprägten Flachland besonders deutlich. Es beginnt damit, dass die überwiegend sandigen und kiesigen Böden einen deutlich geringeren landwirtschaftlichen Ertrag brachten, was den Zeitpunkt der Besiedlung verzögerte und ihre Dichte begrenzte. Daher entstanden a priori weniger Städte als anderswo und auch ihre Entwicklungsgeschwindigkeit und Wirtschaftskraft blieben meist auf niedrigerem Niveau. Hatte eine solche Stadt dann aber verspätet den Punkt erreicht, an dem der Mauerbau wirtschaftlich tragbar schien, so zeigten sich weitere Probleme. Stein ist in solchen Gegenden ein seltenes Material (Feldstein), er war schlecht zu bearbeiten (Granit und andere sehr harte Gesteine) oder musste mit einer besonderen, erst zu erlernenden Technologie künstlich hergestellt werden (Backstein), was teuer und deshalb oft recht zeitraubend war. Entstanden dann aber doch Mauern – überwiegend im 14. / 15. Jahrhundert, also ein halbes bis ganzes Jahrhundert später als anderswo –, dann war auch ihre „Überlebenschance“ geringer als anderswo. Denn die Seltenheit des Steinmaterials blieb ja auch später bestehen. Sobald die Mauern daher ihre Funktion teilweise oder ganz einbüßten, wurden sie, deutlich konsequenter als in den Natursteingebieten, als „Steinbruch“ ausgebeutet; sie verschwanden daher schneller und vollständiger als in Natursteingebieten. 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 23 Zu Quadern bearbeiteter Feldstein – in der Regel skan-dinavischer Granit oder ein anderes Urgestein – kommt praktisch nur im eiszeitlich geprägten Norddeutschland vor; Prenzlau (Brandenburg), Seitenwand des Blindower Tores, Unterbau nach 1287.
In den Natursteingebieten, also in den Mittel- und Hochgebirgen, ist das Gegenteil solcher Verhältnisse weniger deutlich zu erkennen, weil die Abläufe selbstverständlicher erscheinen; die vergleichsweise gute Verfügbarkeit des Natursteins führte zu mehr und früher errichteten Mauern, die sich auch besser erhalten haben, weil die Steinbrüche den Nachschub an frischem Material jederzeit sicherten. Im Hochgebirge, das heißt in den Alpen, prägte die Geologie die Verhältnisse allerdings noch anders. Das extreme Verhältnis zwischen einer sehr begrenzten Siedlungs- und Landwirtschaftsfläche einerseits und großen siedlungsfeindlichen Regionen andererseits begrenzte die Anzahl und Größe der Städte entscheidend; nur an den wichtigsten Handelsstraßen gab es eine hinreichende wirtschaftliche Grundlage. Damit gab es dort auch nur wenige und in der Regel eher bescheidene Stadtmauern. 58 I. Systematischer Teil
2.2.2.1. Bruchstein und Feldstein Verständlicherweise ist Stein als Material dann besonders unaufwendig verfügbar, wenn es vor der Verarbeitung gar nicht oder nur minimal bearbeitet wird. Bei einem Bautypus wie Stadtmauern, der grundsätzlich durch ein sehr großes Bauvolumen und daher sehr hohe Kosten gekennzeichnet ist, herrschte diese Form der Steinbearbeitung bzw. des Mauerwerks deshalb vor; alle anderen Formen des Materials, also die stärker bearbeiteten Natursteinquader und die künstlich hergestellten Backsteine, sind demgegenüber Ausnahmen, die meist nur regional auftreten. Das im Prinzip billigste Steinmaterial boten die bereits angesprochenen Feldsteine aus den eiszeitlichen Grundmoränen, zumindest dann, wenn die Natur sie schon in einer verarbeitungsfähigen Größe bereitstellte. Neben dem norddeutschen Flachland, wohin die Eiszeit skandinavisches Material verschleppt hatte, findet man derartiges Material („Moränenkiesel“) naturgemäß auch im gesamten Voralpenland, also vor allem in Ober- und Niederbayern, Oberschwaben und in der nördlichen und westlichen Schweiz. Die schon beschriebenen schlechten Bedingungen, die in diesen Regionen für die Besiedlung im Allgemeinen herrschten, führten jedoch dazu, dass Mauern aus Feldstein – oder zumindest mit Teilen aus Feldstein – insgesamt eher selten sind. Findet man im Voralpenland durchaus gelegentlich Mauern, die völlig oder weitgehend aus Moränenkieseln bestehen, so sind diese im weit größeren norddeutschen Flachland – zwischen Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und dem Ordensland Preußen – seltene Ausnahmen. Dort gehen nur sehr wenige Mauern oder Einzelbauten wie Tore ins 13. Jahrhundert zurück und sind aus reinem Feldstein, der dann auch oft quaderähnlich bearbeitet worden ist (Abb. 23). Im Normalfall erscheint in Norddeutschland im 14. / 15. Jahrhundert Feldstein in Kombination mit Backstein, das heißt, er wurde meist nur im Fundament und dem unteren Teil der Mauer verwendet. Hauptgrund dürfte die hier meist beachtliche Größe der Steine sein, die ein Transportproblem schuf und in Verbindung mit ihren rundlichen Formen nur sehr dicke und gestalterisch unbefriedigende Mauern erlaubt hätte. Weitaus verbreiteter sind Mauern aus Bruchstein, also Mauern, die Bruchstein für die großen
Flächen verwenden, Quader oder zumindest größer zugerichtete Stücke allein für die Eckverbände. Sie entfalten in aller Regel keine besondere Aussagekraft, weil sie nicht nur zahlenmäßig der fast überall auftretende Normalfall sind, sondern auch charakteristisch für die Hauptbauzeit der Stadtmauern vom (mittleren) 13. Jahrhundert bis ins (frühe) 16. Jahrhundert. Eben in diesem Zeitraum herrschte diese sparsame und in einer Phase intensiven Bauens daher besonders verbreitete Technik ganz allgemein bei fast allen Bautypen vor, sodass die Stadtmauern sich unspektakulär ins Gesamtbild einordnen. Oft oder sogar meistens dürfte dieses Mauerwerk unter Verputz gelegen haben, was den äußeren Eindruck deutlich anders gestaltete, als er heute meist anzutreffen ist; wie oft dies der Fall war, können allerdings nur aufwendige Einzeluntersuchungen bestimmen. Das rheinische Schiefergebiet ist der einzige Fall, bei dem das Bruchsteinmauerwerk quasi zum künstlerischen Mittel wurde, denn das besonders klein und plattig brechende Gestein musste mit einem Übermaß an Mörtel verarbeitet und oberflächlich verstrichen werden und wurde so nahezu zum plastisch formbaren Material; es begünstigte eine Architektur, die mit Formen etwa von Türmen oder Erkern stärker als sonst bei Stadtmauern üblich experimentierte. Bruchsteinmauern bieten ungewöhnlich schlechte Möglichkeiten der Datierung und der Feststellung von Bauphasen bzw. Umbauten. Ist der Verputz gut erhalten oder gar erneuert, sind derartige Aussagen völlig unmöglich, aber auch bei freiliegendem Mauerwerk bleibt es schwierig, derartige Feststellungen zu treffen. Die Steinform ist zufällig, eine besonders sorgfältige, zum Beispiel lagerrechte Verarbeitung ist selten angestrebt worden, Mörtel ist nicht absolut, sondern bestenfalls im Vergleich datierbar; und gerade bei geringen Steingrößen konnten Umbauten oft erfolgen, ohne dass man sie sicher erkennen kann. Dennoch gibt es, wenn auch nur in Ausnahmefällen und Randbereichen, Datierungsmöglichkeiten, selbstverständlich nur im Sinne grober Faustformeln; das sei betont, weil die Aussagekraft von Mauerwerk, gerade vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, oft überschätzt wird. Dazu gehört vor allem die sauber lagerrechte Verarbei-
tung von geeignetem Material, die von anderen Bautypen wie Burgen und Kirchen als Merkmal romanischen Mauerwerks bekannt ist. So zeigt etwa ein Mauerstück in Wasserburg / Inn, das man auf etwa 1220 datiert, Flusskiesel in sauberen Schichten. Etwas häufiger findet man Fischgrätmauerwerk (opus spicatum), das bei plattig brechendem Material höhere Schichten ermöglicht, aber stets nur bereichsweise auftritt (Abb. 24). Als Beispiele sind zu nennen Speyer (um 1070–1100) – die älteste erhaltene Mauer im deutschen Raum –, Goslar (um 1100–30?), Fulda (um 1150–65), schließlich Dieburg (1212 / 20 civitas), Wiener Neustadt und andere Mauern des späten 12./frühen 13. Jahrhunderts in Österreich. Auch die Mauern belegen also, dass Fischgrätmauerwerk prinzipiell romanisch ist, dabei aber keineswegs, wie manche Forscher unterstellen, auf wenige Jahrzehnte genau datierbar. Dass schichtenrechtes und Fischgrätmauerwerk bei Stadtmauern seltene Ausnahmen sind, ist natürlich schon darin begründet, dass nur ein kleiner Teil der Mauern noch aus so früher Zeit stammt; dabei ist ferner nicht zu vergessen, dass auch in der Romanik viele Bruchsteinmauern keine besonderen Merkmale aufwiesen. Ein frühes Phänomen, für das es noch keine Vergleiche gibt, ist offenbar die Ausführung des Fundamentes in Trocken- und Lehmmauerwerk, die in Braunschweig festgestellt wurde (Mitte des 12. Jahrhunderts). Im Spätmittelalter, in dem die schnelle und billige Herstellung von Mauerwerk absolut vorherrschte, gab es zumindest eine Grenzform von Bruchsteinmauerwerk, die sich grob zeitlich einordnen lässt. Zahllose Beispiele findet man etwa im nördlichen Hessen, wo der größte Teil der Mauern zwischen etwa 1350 und 1500 entstand; jedoch ist die Form weit darüber hinaus verbreitet, wenn auch wohl eher mit Schwergewicht im 15. Jahrhundert. Diese Form besteht darin, großen Brocken mit grobem Werkzeug (Zweispitz, Hammer) zumindest einen halbwegs glatten Spiegel zu verschaffen und sie dann unter Verwendung kleiner Steine und Splitter zu einer recht sauberen Fläche zu verarbeiten. Die Brocken zeigen dabei in der Regel Zangenlöcher, also Spuren einer aufwendigen Hebetechnik; sie deuten an, dass es sich letztlich um eine sparsame Abwandlung des großflächigen Quader2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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einmal durchlaufende Schichten, sondern das Material wurde völlig ungeordnet verarbeitet, wie es gerade in die Hand kam; Verputz ist dabei vorauszusetzen. Ein anschauliches Beispiel bietet Zons am Niederrhein (ab 1373), wo der fehlende Naturstein durch praktisch alles ersetzt wurde, was der Fluss heranbringen konnte, vor allem durch Basalt, Tuff und Backstein.
Abb. 24 Wiener Neustadt (Niederösterreich), Opus spicatum an der Stadtmauer aus dem späten 12. Jahrhundert.
werks handelt, das zur gleichen Zeit auch verwendet wurde (vgl. 2.2.2.2.). Eine letzte grob datierbare Mauerwerksvariante des Spätmittelalters und auch der frühen Neuzeit war extremes Mischmauerwerk, insbesondere unter Verwendung von Backstein oder Backsteinbruchstücken (Abb. 25). Dabei wurden keine geschlossenen Partien angestrebt, oft nicht Abb. 25 Zons (Nordrhein-Westfalen), Mischmauerwerk an der Stadtmauer (spätes 14. Jh.). Unten wurden Basalt und Tuff verwendet, vulkanische Materialien, die auf dem Rhein verschifft wurden, oben vor Ort gebrannter Backstein. Die geplanten Wehrgangbögen blieben unausgeführt.
60 I. Systematischer Teil
2.2.2.2. Quader und hammerrechte Quader Angesichts des enormen Bauvolumens von Stadtmauern und des daraus abzuleitenden Zwanges zu billigen Materialien und Techniken sollten Stadtmauern, bei denen die gesamten Mauerschalen aus aufwendig herzustellenden Quadern bestehen, im Grunde auszuschließen sein. Dennoch gibt es solche Mauern als relativ seltene Ausnahmen, wobei offenbar zwei Faktoren, meist in Kombination, entscheidend waren. Einerseits hat Quadermauerwerk die Anmutung des Soliden, ein Effekt, der aus der Antike herzuleiten ist und im Mittelalter durch Kirchen, Burgen und andere funktional herausragende Bauten weitergeführt wurde. In der späten Romanik gab es daher zumindest vereinzelt Mauern, deren Außenschalen vollständig aus hammerrechtem Quaderwerk bestanden, und ab dem 14. Jahrhundert, vor allem aber im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert, wurde echtes Großquaderwerk oft für herausgehobene Einzelbauten, also Tore oder Türme, verwendet. Andererseits wird Quaderwerk durch die Merkmale bestimmter Gesteine erleichtert. Insbesondere die verschiedenen Arten von Sandstein (und Molasse) und Kalkstein (einschließlich Tuff) erlauben die Herstellung von Quadern mit begrenztem Aufwand, vor allem dann, wenn nur „hammerrechte“ Quader – Quader ohne abschließende Feinbearbeitung der Kanten und Spiegel – hergestellt werden. Hilfreich ist auch eine ausgeprägte Schichtung des Gesteins, die die Herstellung von Quadern gleicher Höhe quasi vorgibt. Noch in spätromanischer Zeit, also in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, gibt es vor allem am Oberrhein eine ganze Reihe von Mauern aus sorgfältig geschichtetem hammerrechten Quaderwerk (Abb. 26). Im Elsass sind – neben einzelnen Backsteinmauern – Colmar, Rufach, Neuweiler, Sulz und Weißenburg zu nennen, im Pfälzischen
und Badischen Worms, Neuleiningen, Annweiler, Bergzabern, Landau sowie Heidelberg und Eberbach. Etwas vereinzelt liegt Kaufbeuren (1240 „burc“), dessen später erhöhte Mauer ähnliches Mauerwerk zeigt (Abb. 352). Eine weitere Gruppe, hier durch das Vorkommen von Kalkstein bzw. Muschelkalk definiert, findet man um Mühlhausen in Thüringen; auch die für die Gegend frühen Mauern der Bischofsstädte Halberstadt und Merseburg weisen Quaderwerk auf, darunter, besonders an den Türmen, nicht nur hammerrechte, sondern auch voll bearbeitete echte Quader. In der Zeit zwischen etwa 1250 und 1400 tritt das hammerrechte Werk zurück, ohne dass in jedem Falle eine exakte Datierung möglich wäre, und es gibt einzelne Fälle von Mauern aus echtem Quaderwerk. Dabei fällt auf, dass in den Regionen des Sandsteins, der Molasse und des Kalksteins echte Quader kaum auftreten, sondern neben dem immer klar dominierenden Bruchsteinwerk weit überwiegend Buckelquader (vgl. 2.2.2.3.). Als Gruppe treten hier einige wenige Mauern aus großen Tuffquadern hervor. Tuff ist ein Gestein, das sich in frischem Zustand sägen lässt und daher ökonomischer herstellbar ist als Glattquader aus anderem Material. Man findet solche Mauern in der Nordwestschweiz (Aarberg, Wangen / Aare) und in Bayern (Mühldorf, „Münchener Tor“ (Abb. 358); Tittmoning; Burghausen, erste Mauer; Weilheim). Diese Städte liegen an Flüssen, die aus den Alpen kommen, sodass auch der leichtere Transport die Quaderverwendung erklärt. Als Sonderfall der Quaderverwendung sei der 1357 als „neu“ bezeichnete „Beginenturm“ in Hannover erwähnt, der aus den Quadern einer romanischen Kirche errichtet wurde (Abb. 433). Im 15. / 16. Jahrhundert treten echte Großquader an Einzelbauten praktisch überall auf, wo brauchbares Gestein anstand. Dabei handelt es sich, entsprechend der allgemeinen Entwicklung der Stadtbefestigungen, stets nur um Einzelbauten und Verstärkungen, also um Tore, Türme sowie artillerietaugliche Bauten wie Rondelle und Streichwehren (Abb. 27). Dass man die weit höheren Kosten des Großquaderwerks nun wieder auf sich nahm – zu denen auch die bei diesen Gewichten unvermeidlichen Hebezeuge (Kräne, Zangen) beitrugen –, war nicht nur in dem begrenzten Umfang solcher Bauten begrün-
Abb. 26 Egisheim (Elsass), die innere Stadtmauer als Beispiel eines spätromanischen Mauerwerks aus hammerrechten, in sauberen Schichten verlegten Quadern.
det, sondern sicherlich auch in der wachsenden Bedeutung der Feuerwaffen. Zweifellos hielt Großquaderwerk den Geschützen kurzfristig besser stand als kleinteiliges Bruchsteinwerk; dass dies bei lang andauerndem Beschuss bedeutungslos wird, erkannte man erst langsam. Die nächste Stufe, den Verzicht auf Mauerwerk zugunsten „unzerstörbarer“ Erdschüttungen, erreicht man erst im Übergang zur Neuzeit (vgl. 2.2.11.7.). 2.2.2.3. Buckelquader Buckelquader kennen wir aus dem deutschen Burgenbau etwa seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, mit einer ausgesprochenen Blütezeit bis Mitte oder Ende des 13. Jahrhunderts und weiteren Vorkommen bis ins Spätmittelalter. Unbestritten ist, dass Buckelquader an Burgen – nach Anfängen, in denen sie wohl Sparform echter Quader waren – schnell eine ornamentale Form wurden, mit der nicht nur fortifikatorische, sondern auch herrschaftliche, das heißt adlige Macht symbolisiert werden sollte; die zeitweise propagierte, aber unbeweisbare Unterstellung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Buckelquader seien ein Symbol allein der staufischen Dynastie gewesen, ist seit Längerem auf dem Rückzug. Technisch gesehen sind Buckelquader entweder echte Quader, bei denen der Spiegel (die sichtbare Seite) nicht glatt gearbeitet wurde, oder es sind grob zugeschlagene Stücke, bei denen zu2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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mindest der Spiegel rechteckige Kanten erhalten hat, sodass beim lotrechten Vermauern der Eindruck echten Quaderwerks entsteht. In beiden Fällen liegt der Arbeitsaufwand deutlich höher als bei hammerrechten Quadern, wenn auch die letztere Form einen Teil des Aufwandes, das exakte Ausrichten, auf die Maurer übertrug. Dass man daher ganze Stadtmauern oder zumindest längere Teile davon aus Buckelquadern errichtet hätte, so wie man es von zahlreichen Burgen des süddeutschen Raumes kennt, ist angesichts des enormen Unterschieds im Bauvolumen eigentlich schlecht vorstellbar, aber es gibt durchaus solche Fälle. Aus schon erklärten Gründen liegen sie alle in Kalkstein- und Sandsteinregionen. Abb. 27 Luzern (Schweiz), der Nölliturm von „1513“, ist ein Beispiel für qualitätvolles Großquaderwerk aus der Spätzeit der mittelalterlichen Stadtbefestigung, mit Spiegelquadern am Sockel.
62 I. Systematischer Teil
Interessanterweise ist offenbar kaum eine dieser Buckelquaderstadtmauern noch zur „Stauferzeit“ entstanden; eine Ausnahme ist offenbar (Schwäbisch) Gmünd, wo die Reste der inneren Mauer derzeit noch vor 1250 datiert werden. Aber selbst die betreffenden Mauerteile in Esslingen, einer wichtigen Reichsstadt nahe dem Hohenstaufen, dürften erst nach dem Tod Friedrichs II. erbaut worden sein, ab den 1260er Jahren. Schorndorf erhielt seine Buckelquadermauer sicher erst kurz vor deren Ersterwähnung 1299 und in Weinsberg und Öhringen gibt es zwar erhaltene Buckelquaderteile, aber keine guten Datierungen; auch sie dürften noch ins 13. Jahrhundert gehören. Weiter östlich sind im Kalksteingebiet Dillingen und Oettingen zu nennen. In Dillingen möchte man annehmen, dass die Mauer direkt nach der 1220 ersterwähnten Burg entstand; der Ort ist 1258 „oppidum“, ein Tor zeigt noch romanische Formen. Damit wäre Dillingen neben (Schwäbisch) Gmünd die älteste Buckelquadermauer, die wir bisher kennen, eine gräfliche Anlage aus der späten Stauferzeit. Die Mauer von Oettingen mit beidseitigen Buckelquadern wird 1293 / 94 zuerst genannt und dürfte nicht viel älter sein (Abb. 28). Die größte und besonders geschlossene Gruppe von Buckelquadermauern findet man im Sandsteingebiet Frankens, allerdings erst im 14. / 15. Jahrhundert. Vorläufer war hier Dinkelsbühl, wo der untere Teil des „Wörnitztores“ und ein Mauerteil mit beidseitigen Buckelquadern noch aus dem späten 13. Jahrhundert stammen. Die Ummauerung der „Lorenzerstadt“ von Nürnberg dürfte wohl ab 1305 entstanden sein – die Quellenlage ist umstritten – und zeigt Buckelund Glattquader gemischt. Dass die Mauer von Weismain und Mauerteile in Kulmbach noch in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückgehen, wird vermutet. Den Höhepunkt der fränkischen Buckelquadermauern bildet jedenfalls die äußere Mauer von Nürnberg, die 1346–1407 entstand (Abb. 29); trotz ihres Umfanges und des Turmreichtums wurde sie so gut wie vollständig aus Buckelquadern aufgeführt; offenbar erst gegen Ende ging man zu Bruchstein und Backstein über. Nürnberg fand in vielen kleineren Städten Frankens bis ins 15. Jahrhundert hinein eine reiche Nachfolge, vor allem in der Nähe Nürnbergs, aber auch bis etwa Bayreuth. Als besonders späte
Beispiele seien Cadolzburg genannt (nach 1450) und Neunkirchen / Brand, wo die zwei Ortsteile 1479 und gar erst 1502 / 03 in Buckelquadern ummauert wurden. Fasst man zunächst den Erkenntnisstand zusammen, der sich aus der Betrachtung vollständiger Buckelquadermauern ergibt, so zeigt sich, dass Buckelquader an Stadtmauern erst in jener Zeit in Mode kamen, als sie bei Burgen schon im Niedergang waren, das heißt ab der Mitte des 13. Jahrhunderts, aber – vor allem im Sandsteinland Franken – schwergewichtig erst im 14. / 15. Jahrhundert. Dies erinnert an Frankreich, wo Buckelquader gleichfalls erst im späteren 13. Jahrhundert aufkamen, dort an Stadtmauern und an Burgen. Das Phänomen ist schwer zu erklären, jedoch wird man zwanglos erwägen dürfen, dass der Rückgang im Burgenbau in Deutschland, der spätestens Ende des 13. Jahrhunderts einsetzte, Steinmetzen freisetzte, die die vertraute Formensprache zumindest gelegentlich auf die zahllos entstehenden Stadtmauern übertrugen. Häufiger als ganze Stadtmauern wurden einzelne Bauteile der Mauer mit Buckelquadern verkleidet, und zwar fast immer Tor- und andere Türme; Bachdurchlässe sind das einzige weitere Beispiel (Weißenburg / Elsass vor 1260, Basel um 1300). Die Beschränkung der aufwendigen, aber auch repräsentativen Technik auf die ohnehin hervorstechendsten Teile der Mauer liegt auf der Hand. Die Anfänge liegen auch hier im deutschen Südwesten, wo der Buckelquader in staufischer Zeit den Burgenbau prägte. Das Martinstor im zähringischen Freiburg (Abb. 96), der Mauer sekundär eingefügt, ist mit seiner Dendrodatierung ins Jahr 1200/01 nicht nur der älteste sicher datierte Torturm Deutschlands, sondern auch der erste in Buckelquadern. Auch in Rottweil wurden Türme aus Buckelquadern um 1220–40 einer Bruchsteinmauer hinzugefügt und im nahen Villingen sind zwei Tortürme auf 1232 / 33 und 1267 + / –10 dendrodatiert. In Franken sind der anfangs niedrigere Torturm des „Weißen Turmes“ in Rothenburg (Abb. 371) und in Nürnberg der Torturm des „Laufer Schlagturmes“ sowie der „Wasserturm“ sicher noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zu setzen. Esslingen mit dem 1268 zuerst erwähnten „Wolfstor“, das kissenförmige Buckelquader aufweist
Abb. 28 Oettingen (Bayerisch Schwaben), Buckelquaderwerk aus Kalkstein an der östlichen Stadtmauer, Feldseite (2. Hälfte des 13. Jahrhunderts).
(Abb. 30), und den deutlich jüngeren, aber formal angelehnten Türmen des „Schelztores“ (um 1286–1300) und des „Pliensautores“ (1297 erweitert) schließt die südwestdeutsche Gruppe ab. Als Südausläufer darf man noch Basel nennen, mit dem erwähnten Bauwerk am Birsigeinlauf (erst um 1300), ferner Solothurn, wo das „Bieltor“ und einige Halbrundschalen Buckelquader zeigen, das „Wynigentor“ in Burgdorf (1276d) und früh, aber auf den Sockel begrenzt den Berner „Zytgloggen“ (um 1220 / 30). Danach setzen Buckelquadertürme erst wieder gegen Mitte des 14. Jahrhunderts ein. In Franken gehört die äußere Mauer von Rothenburg (um 1330 / 40–1400) mit ihren Tortürmen und dem „Faulturm“ (Abb. 53) zu den eindrucksvollsten Beispielen. Danach bleibt Franken, das ja vor allem mit der äußeren Mauer von Nürnberg und ihrer Nachfolge das Herzland des Buckelquaders im 14. / 15. Jahrhundert bildet, auch mit zahlreichen weiteren Türmen ein Buckelqua2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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derland. Zu nennen sind Tortürme etwa in Altdorf, Forchheim, Höchstadt, Wolframs-Eschenbach und Münnerstadt, Türme neben dem Tor in Lichtenfels, Herzogenaurach oder Gunzenhausen; ein früherer Torturm in Neustadt / Kulm (Oberpfalz) kann als Ausläufer gelten, der Heilbronner „Götzenturm“ (Württembergisch Franken) ist das wohl einzige inschriftlich datierte Beispiel (von „1392“; Abb. 391). Außerhalb Frankens sind etwa das „Koblenzer Tor“ in Andernach, mit Feldseite in Basaltbuckelquadern (vor 1350), der bemerkenswerte „Romäusturm“ von Villingen (1390 / 91d, erhöht 1429 / 39; Abb. 334), schließlich in der Nordschweiz Türme in Zofingen („Pulverturm“, 1361 / 63) und Laufenburg („Schwertlinsturm“) zu nennen.
Abb. 29 Nürnberg, Buckelquaderwerk aus Sandstein an einer Streichwehr des Zwingers (um / nach 1400).
64 I. Systematischer Teil
Dass Buckelquader bis ins 15. / 16. Jahrhundert weiter verwendet werden und irgendwann eher unauffällig in eine italienisch geprägte Rustika übergehen, zeigt vor allem eine kleine Gruppe im Bereich von Hochrhein und Bodensee, zu der neben öffentlichen und Patrizierbauten vor allem drei Stadttore gehören. Das baukörperlich reiche Baseler „Spalentor“ (vor 1398; Abb. 128) zeigte als ältestes Beispiel eine auf Einzelbereiche beschränkte, kissenförmige Rustika, während das Überlinger „Franziskanertor“ (1494; Abb. 346) und das wegen einzelner Renaissanceformen wohl noch jüngere Konstanzer „Schnetztor“ (Abb. 31) als Beispiele frühen toskanischen Einflusses verstanden werden. Auch verstreute Beispiele aus anderen Regionen können das Weiterleben der Form im 15. / 16. Jahrhundert belegen, etwa Schwäbisch Gmünd („Fünfknopfturm“, Dachwerk 1423 / 24d), das Vortor des „Einersheimer Tores“ in Iphofen (Franken), das Rondell „Dicker Turm“ in Bergzabern (Pfalz, um 1500?), ein Ecktürmchen des Aschaffenburger „Herstalltores“ von „1545“ und schließlich die mächtigen Tore und Rondelle von Solothurn mit ihrer großen Spiegelrustika (erste Hälfte des 16. Jahrhunderts; Abb. 234, 314). Auch der allein erhaltene Sockel des „Inntores“ in Innsbruck ist vielleicht dazuzurechnen. Der weitaus häufigste Fall von Buckelquadern an Stadtmauern ist jedoch die Beschränkung auf kleinere Bereiche einzelner Bauteile, eine Aussage, die für andere mittelalterliche Profanbauten ähnlich gemacht werden könnte, etwa für Burgen, Bürgerhäuser und andere städtische Bauten. Allgegenwärtig sind insbesondere Buckelquader an Ecken, wenn auch weniger häufig als Glattquader an gleicher Stelle, gelegentlich gibt es Sockel aus Buckelquadern (zum Beispiel Straßburg, an Mauerteilen des frühen 13.–15. Jahrhunderts); alle anderen Formen sind selten, etwa Strebepfeiler aus Buckelquadern (Worms, frühes 13. Jahrhundert, aber auch Überlingen, „Aufkirchertor“, nach 1450; Abb. 348), Gewände von Öffnungen oder auch einzelne Buckelquader in sonst glatten Flächen (Bautzen, „Lauenturm“, um 1400). Dabei liegt das Schwergewicht der Eckbuckelquader wiederum deutlich in den Gebieten mit gutem Naturstein, also vor allem mit Sand- und Kalkstein. Es seien nur einige besonders frühe und besonders späte Beispiele genannt, zwischen de-
nen zahllose andere, häufig nur ungenau datierte Bauten angeführt werden könnten. Frühe Eckbuckelquader findet man an der schon 1196 im Bau befindlichen Mauer von Worms, aber auch etwa in Wien, Wiener Neustadt und an anderen österreichischen Mauern der Zeit um 1200. Am anderen Ende der Skala rangieren Bauten am Oberrhein und Alpenrand, aus der Mitte und der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, etwa an Tortürmen in Diessenhofen, Laufenburg, Stein am Rhein und am „Churer Tor“ in Feldkirch (wohl von 1591). 2.2.2.4. Backstein Die Verwendung von Backstein hat vor allem in Norddeutschland eine leicht verspätete, aber sehr eigenständige und beeindruckende Formenwelt auch im Stadtmauerbau hervorgebracht. Die Tore etwa in der Mark Brandenburg oder Einzelbauten wie das Lübecker Holstentor genießen einen hohen Bekanntheitsgrad und führen ein wenig zu dem falschen Eindruck, das Phänomen sei auf diesen Raum begrenzt. Es gibt jedoch weitere, wenn auch etwas kleinere mittelalterliche Backsteingebiete in Deutschland, bei denen gleiche Ausgangsbedingungen zum gleichen Material führten. Im Grundsatz sind dies Regionen, wo Fels nicht an die Oberfläche tritt bzw. von Kiesen oder Sanden überdeckt ist; neben den eiszeitlich geprägten Regionen Norddeutschlands und des Voralpenlandes gilt dies auch für breite Flusstäler, beispielsweise am Oberrhein. Backstein ist im Prinzip ein Ersatzmaterial für Naturstein, das dessen Festigkeit und Haltbarkeit dort verfügbar machen sollte, wo Naturstein nicht oder nur in ungeeigneter Art zur Verfügung stand. Ob es im Mittelalter vor Ort aus antiker Tradition bekannt war oder ob die Technologie neu importiert wurde, etwa aus Norditalien – beide Meinungen werden vertreten –, ist hier nicht zu diskutieren, vor allem auch deswegen, weil Backstein in aller Regel zuerst für Sakralbauten verwendet wurde. Die Herstellung von Backsteinen, vor allem in den enormen Mengen, die eine Stadtmauer erforderte, war sehr aufwendig. Um über Jahrzehnte Tonmaterial in entsprechender Menge zu beschaffen, Brennöfen in Betrieb zu halten und den Transport zu organisieren, bedurfte es – noch mehr als schon allgemein für den Mauerbau – einer finanziell kräftigen und
Abb. 30 Esslingen (Baden-Württemberg), „Wolfstor“, „kissenförmiges“ Buckelquaderwerk der Feldseite, aus Sandstein (um 1220 / 40). Abb. 31 Konstanz (Baden-Württemberg), „Schnetztor“, Rustika (zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts, ab 1976 erneuert).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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gut entwickelten Stadt. Dem entspricht die schon behandelte Tatsache (vgl. 2.2.1.6.), dass es in den typischen Backsteinregionen, vor allem Nordund Ostdeutschlands, viele Städte gibt, die es gar nicht bis zum Mauerbau brachten. Die frühesten Stadtbefestigungen mit Backstein findet man im Norden, wo Dänemark für frühe Backsteinverwendung bekannt ist und wo unter anderen Heinrich der Löwe große Backsteinkirchen errichtete oder förderte (Dom Lübeck, Dom Ratzeburg, Jerichow und andere). Dass das Danewerk, eine der wichtigen Landwehren Deutschlands (vgl. 2.2.12.; Abb. 483), schon ab 1158 / 63 eine Backsteinfront erhielt, steht also durchaus in einem Zusammenhang, und ebenso die erste, nur 75 cm dicke und von Strebepfeilern gestützte Backsteinmauer von Lübeck, die auf etwa 1181 datiert wird; ihr folgte ab 1217 die weit längere Backsteinmauer um die gesamte Halbinsel. Auch die verschwundene, vor 1229 errichtete Mauer von Bremen, fraglos von Lübeck abhängig, ist so zu verstehen und ebenso die für 1229 erwähnte, bisher aber nur archäologisch bestätigte Mauer von Brandenburg überrascht nicht, sie war ein Vorläufer des im späteren 13. Jahrhundert einsetzenden brandenburgischen Backsteinbooms. In einigen wichtigeren Städten am Westufer des Oberrheins, nach heutigen Begriffen in direkter Nähe zu den Natursteinvorkommen der Vogesen, trat Backstein gleichfalls früh auf, wobei hier bei den Bischofsstädten auch römische Anregungen erwogen werden. Die Wormser Mauer (vor 1200 bis um 1230) besaß zumindest einige Backsteinzinnen, das dortige „Martinstor“ war gänzlich aus Backstein. Völlig aus Backstein war auch die lange und mit zahlreichen großen Türmen ausgestattete Mauer von Straßburg, die um 1200–50 entstand (Abb. 64). Das gilt nach Grabungen auch für die verschwundene Mauer von Hagenau und für zumindest einen Torturm in Schlettstadt, die beide noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts gehören. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts umwehrte auch Speyer, dessen erste Mauer noch aus dem 11. Jahrhundert stammte, seinen Hafen in Backstein, später (ab 1325) auch seine verschiedenen Vorstädte. Ein kleiner Rest in Hagenbach (um 1300) zeigt, dass auch kleinere Städte der Gegend Backsteinmauern besaßen. 66 I. Systematischer Teil
Augsburg wies die älteste Backsteinmauer weiter östlich auf, vielleicht noch aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Erste Backsteinmauern in Schlesien, wo romanische Sakral- und Profanbauten in die erste Jahrhunderthälfte zurückreichen, entstanden vielleicht schon ab den 1260er Jahren, sicher nach 1290. Beschränkten sich die ersten Backsteinmauern im 13. Jahrhundert auf wenige wichtige Städte in ganz verschiedenen Regionen, so sah das 14. Jahrhundert – durchaus analog zur allgemeinen Entwicklung der Stadtbefestigungen – die Ausbreitung des Materials vor allem bei der Masse kleinerer und mittlerer Städte Norddeutschlands und im Voralpenland, also dort, wo großflächig der Naturstein fehlte. Im südlichen Verbreitungsgebiet trifft man Backsteinmauern im Umkreis von Augsburg etwa ab 1300, Ulm begann seine äußere Backsteinmauer wohl 1316. In Nördlingen, wo Naturstein kein Problem war, zeigt die äußere Mauer (1327 bis etwa 1390) teils nur eine Backsteinbrustwehr (Abb. 32), teils ist sie ganz aus diesem Material. In Bayern war offenbar die äußere Mauer von München (ab 1315 / 19) der Startschuss für die Backsteinmauern; die Stadt legte in Bogenhausen eigens Ziegeleien an. Es folgten die Straubinger Mauer ab 1341 und später viele weitere Mauern, darunter so bedeutende wie in Ingolstadt. In Norddeutschland findet man Backstein an niederrheinischen Mauern ab etwa 1310; es bleibt im ganzen 14. und 15. Jahrhundert das normale Material. In Westfalen ist Backstein dagegen erstaunlicherweise eher selten (Borken, Warendorf, Coesfeld, Werne). In dem anderen ganz großen Verbreitungsgebiet des Backsteins – im Kern die Mark Brandenburg mit Randbereichen im heutigen Sachsen-Anhalt (Zerbst), im nördlichen Sachsen (Belgern, Pegau, Delitzsch, Bautzen Lauenturm) und Schlesien, nördlich davon auch das von Lübeck aus stark beeinflusste Mecklenburg – und in Vorpommern beginnt der Boom der Mauern gleichfalls kurz vor 1300; 1311 werden, ein früher Fall, Ziegel zum Mauerbau in Rheinsberg erwähnt. In dieser Region wird im gesamten 14. und 15. Jahrhundert eifrig gebaut, während das Material auch in die Regionen weiter östlich vordrang, nach Hinterpommern, in die Neumark und ins Ordensland.
Abb. 32 Nördlingen (Bayerisch Schwaben), die Brustwehr der äußeren Mauer bestand, im Gegensatz zum Bruchstein der Mauer selbst, von Anfang an aus Backstein (1327 bis um 1390); auch für Reparaturen und die Verkleinerung der Zinnen zu Schießfenstern wurde im 15. / 16. Jahrhundert Backstein verwendet.
Die besonderen Eigenschaften des Backsteins ermöglichten eine aufwendig wirkende, aber relativ leicht herzustellende Ornamentik, die die Backsteinmauern von den Natursteinmauern deutlich unterschied; sie tritt natürlich an anderen Bautypen ähnlich und noch reicher auf, insbesondere im Sakralbau. Ornamente konnten aus Ton leicht in Formen gestrichen und zu Hunderten gebrannt werden; der Aufwand war durch die nur einmalige Herstellung der Form weitaus geringer als bei entsprechender Steinmetzarbeit. Dennoch blieb diese Art Ornamentik (Terrakotta, zum Beispiel Schivelbein / Pommern) an Stadtmauern extrem selten und auch profilierte Steine waren nicht sehr häufig; am ehesten traten noch einfache Formen wie Fasen oder Viertelrundungen auf. Normal und optisch prägend waren dagegen Blendgliederungen bzw. Lisenen und Bänder, die aus normalen Mauersteinen einfach durch Vor- und Zurücksetzen der Mauerfluchten entstanden (Abb. 33); die normierten Maße der Steine – wiederum auf die Herstellung in Formen zurückzuführen – machten dies den Maurern ohne großen Mehraufwand möglich. Selbst das Verputzen und das meist weiße Fassen der Blenden blieben im Aufwand begrenzt, wenn man es mit dem vollflächigen Putzen einer Bruchsteinmauer vergleicht. Die Blendgliederungen waren so normal, dass ein Torturm mit völlig glatten Mauerflächen (Barth, „Dammtor“, um 1475; Abb. 522) als erstaunliche Ausnahme erscheint. Dass
die Gliederungen mit Blenden, Lisenen und Bändern wirklich für das Material typisch sind, nicht für die Schönheitsvorstellungen und Moden einer Region, wird vielleicht dort am deutlichsten, wo wenige Backsteinbauten in einer sonst von Naturstein dominierten Landschaft stehen. So findet man im Oberschwäbischen Einzelbauten des späten 14. und 15. Jahrhunderts, die backsteintypische Lisenen- bzw. Bändergliederungen zeigen (Biberach, Türme des späten 14. Jahrhunderts; Mindelheim 1365–89; Dillingen, „Leitentor“, vor 1498), während diese Form sonst in dieser Gegend unbekannt ist. „Zahnschnitte“ aus übereck gereihten Steinen, die im Backsteingebiet keineswegs etwa romanisch sind, oder (meist horizontale) Bänder aus vorgestreckten Mauersteinen, als Ersatz für profilierte Gesimse, sind weitere Beispiele für backsteintypische, unaufwendige, aber wirkungsvolle Gliederungen. Schmucksysteme der beschriebenen Art erlauben vielfältige Abwandlungen, die sowohl regional als auch zeitlich gebunden sein können. So findet man etwa im Brandenburgischen und darüber hinaus anfangs eine wenig gegliederte Feldseite der Tortürme, während im 14. / 15. Jahrhundert die reiche Blendgliederung der Stadtseite auch hierhin übergriff. In Pommern, wo im 14. Jahrhundert manchmal Blendmaßwerk verwendet wurde, setzte im 15. Jahrhundert eine Tendenz zu besonders schlichten Blendgliederungen ein, zunächst in zwei Reihen, dann, in der zwei2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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ten Hälfte des Jahrhunderts, entstanden extrem hohe Felder, die über dem Erdgeschoss beginnen und über die ganze Turmhöhe bis in den Giebel aufsteigen. Im Ordensland Preußen schließlich findet man bei den Tortürmen überwiegend ungegliederte Turmschäfte und eine Verlagerung der reichen Blendgliederung in den obersten Teil bzw. auf die Giebel. Eine allgemeine, das ganze Backsteingebiet übergreifende Tendenz dieser formalen Entwicklung im Stadtmauerbau lässt sich bisher kaum formulieren, es müssten vielmehr genaue regionale Untersuchungen angestellt werden. Bisher liegt dazu lediglich jene von Heinrich Trost von 1959 vor, die im Wesentlichen das Gebiet der ehemaligen DDR umfasst, also Brandenburg, Mecklenburg und Vorpommern. Abb. 33 Preußisch Holland (Ordensland Preußen), die Stadtseite des Torturmes zeigt eine für das Ordensland charakteristische Blendgliederung, die aus normalen (nicht profilierten) Backsteinen hergestellt ist (Chr. Herrmann).
Ein Schmuckelement von backsteintypischer Schlichtheit, dessen Herkunft und Verbreitung exakter einzuschätzen ist, sind Rautenmuster aus den schwarz gebrannten Köpfen normaler bzw. fehlgebrannter Mauersteine (Abb. 34). Dieses Motiv, das im frühen 14. Jahrhundert an Ordensburgen entwickelt wurde, hat erwartungsgemäß sein Schwergewicht im Ordensland, jedoch findet man es, überwiegend im späten 14. Jahrhundert und bis ins frühe 16. Jahrhundert, auch in Schlesien (Namslau, Guhrau, Kreuzburg, Liegnitz), in Pommern (Stargard, Rostock „Zwinger“ am Steintor, 1526–32) und Brandenburg (Beeskow); das westlichste Vorkommen fand ich in Borken in Westfalen („Kuhmturm“, „Diebesturm“). Farbig glasierte Steine wurden dagegen an Stadtmauern kaum verwendet, etwa am „Kröpeliner Tor“ in Rostock und am „Knieper Tor“ in Stralsund; das aufwendigste Beispiel bieten die schwarz glasierten Fensterwimperge am „Bautor“ der pommerschen Bischofsstadt Cammin. Verschiedentlich ist versucht worden – bei Bauten aller Art, nicht nur bei Stadtmauern – aus den Backsteinverbänden Datierungen abzuleiten. Aus den Beobachtungen an Stadtmauern ist festzuhalten, dass die Verbände offenbar eher an Regionen als an Zeiten gebunden waren. In Mecklenburg war schon in romanischer Zeit der „wendische Verband“ (an Kirchen) üblich, der dort, in Brandenburg und auch in Pommern immer vorherrschend blieb. In Schlesien (und Polen) herrscht dagegen der Kreuzverband vor; in Ostpreußen schließlich treten, was man mit der späten Entstehung der dortigen Mauern erklären mag, vielleicht auch mit Maurern verschiedener Herkunft, Block- und wendischer Verband nebeneinander auf. Engere Datierungen wird man daher meines Erachtens aus dem Auftreten bestimmter Verbände in der Regel kaum ableiten können.
2.2.3. Die Hauptmauer Die Mauer selbst – wenn man sie definieren will: der aus Stein aufgemauerte, die gesamte Stadt umziehende Baukörper von mehreren Metern Höhe und relativ geringer Dicke, der durch Türme, Tore, Gräben usw. ergänzt und verstärkt wurde – war der von der Funktion her grundlegende, zugleich aber in der Gestaltung schlich68 I. Systematischer Teil
Abb. 34 Rautenmuster aus Backsteinen mit schwarzen Köpfen kamen im Ordensland auch an Stadtbefestigungen vor. Links ein Eckturm der Stadtbefestigung von Braunsberg („Pfaffenturm“), rechts ein Eckturm („Efeuturm“) im gleichfalls vom Orden befestigten Lauenburg (Pommern), beide wohl zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts (Foto Chr. Herrmann; Die Baudenkmäler der Provinz Pommern, 3, 2, 2: Bütow u. Lauenburg,1911).
teste Teil der Stadtbefestigung. Sie wird hier als „Hauptmauer“ bezeichnet, um sie von den davor verlaufenden Zwingermauern (vgl. 2.2.7. und 2.2.8.) zu unterscheiden. Variieren konnten bei der Hauptmauer, wenn man das Baumaterial einmal beiseitelässt (vgl. 2.2.2.), insbesondere die Abmessungen und die der aktiven Verteidigung dienenden Einrichtungen, das heißt der Wehrgang und die Schießscharten. Die Schlichtheit der Hauptmauer – die noch deutlicher wird, wenn man sich verdeutlicht, dass viele Mauern kaum Türme besaßen (vgl. 2.2.4.3.) – ist nicht ganz so selbstverständlich, wie es heute angesichts der zahllos erhaltenen Stadtbefestigungen erscheint. Bei frühgeschichtlichen und antiken Mauern gab es durchaus komplexere Formen wie die sogenannten Kasemattenmauern, bei denen aus der Mauer selbst und aus hinten an sie angebauten lückenlosen Reihen von Räumen eine Einheit gebildet wurde, indem deren Dächer zugleich den Wehr-
gang bildeten. Solche Kasemattenmauern gab es bei frühmittelalterlichen Befestigungen noch gelegentlich, etwa bei der karolingischen Büraburg nahe Fritzlar, aber bei den Stadtmauern des Hoch- und Spätmittelalters sind sie unbekannt. In ihre Tradition könnte man lediglich jene Fälle stellen, in denen Bürgerhäuser von Anfang an direkt an die Mauer angebaut wurden, sodass ihre Rückwand und die Mauer identisch waren. Diese Fälle, die wegen der zahlreichen typischen Veränderungen städtischer Bebauung nur durch Archäologie bzw. Bauforschung sicher nachgewiesen werden können, mehren sich in den letzten Jahren im süddeutschen Raum, vor allem in der Schweiz (vgl. Bd. II, Topographischer Teil, 4.). Sie sind dennoch etwas grundsätzlich anderes, weil die Häuser in der Regel mehrgeschossig waren und komplexere Innenräume besaßen, sodass der Wehrgang bestenfalls durch sie hindurchgeführt wurde. Eine Ähnlichkeit zur älteren Form der Kasemattenmauer besteht hier 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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nur im Prinzip, indem kollektive Verteidigung mit individueller Nutzung der Räume / Häuser (Wohnen, Arbeiten, Lager) baulich gekoppelt wurde. Ob sich vielleicht das eine aus dem anderen entwickelt hat, ob also frühmittelalterliche Kasemattenmauern den Städten als Anregung gedient haben könnten, kann jedenfalls bisher nicht gesagt werden. 2.2.3.1. Maße der Hauptmauer Wie hoch und dick waren Stadtmauern? Darauf gibt es zunächst zwei unbefriedigende Antworten, nämlich einerseits: Das ist sehr unterschiedlich, und andererseits: Das ist zumeist noch gar nicht zuverlässig festgestellt worden. Um zunächst den zweiten Punkt zu erläutern: Es ist keineswegs so einfach, wie es scheint, die Dicke einer Stadtmauer zu messen. Zwar stehen manche Mauerteile noch frei und haben Durchbrüche, die das Messen einfach machen, aber in der Mehrzahl der Fälle sind die Mauern wenn nicht zerstört, dann zumindest eingebaut oder verändert, abgesehen von der Unklarheit, ob sie an jeder Stelle und auf jeder Höhe gleich dick waren. Daher finden sich zwar in Beschreibungen von Mauern oft Maße, aber diese sind häufig Schätzmaße und es bleibt unklar, ob sie für jede Stelle der Mauer galten; sicher kann man meist nur sein, wenn Bauforschung stattgefunden hat. Ein Vergleich von acht Mauern im Schweizer Kanton Aargau (Abb. 35) ergibt beispielsweise, dass die meisten Mauern dort um 0,90 m (= drei Fuß?) dick und einschließlich der Zinnen 8–9 m hoch waren, bei Extremwerten allerdings nur 0,60 m Dicke und 14 m Höhe aufwiesen. In Niederschlesien (Abb. 36) ergibt ein entsprechender Vergleich Dicken zwischen 0,80 m und 2,20 m, wobei die meisten zwischen 1,10 m und 1,60 m und die Höhen zwischen 7,00 m und 9,60 m liegen. In beiden Fällen sind dabei die höchsten Mauern nicht zugleich die dicksten. Dies zeigt bereits, dass die Maße der Mauern von Landschaft zu Landschaft leicht schwankten; die schweizerischen Kleinstädte unterscheiden sich deutlich von den größeren und meist später ummauerten schlesischen Städten. Dennoch ist die Schwankungsbreite nicht wirklich groß, auch wenn man bedenkt, dass die mit Abstand höchste Mauer (Rheinfelden) ausgerechnet im Gebiet der schwachen Mauern steht. 70 I. Systematischer Teil
Auch eine viel umfangreichere Sammlung von Maßen würde daher wohl bei der Erkenntnis enden, dass die weitaus meisten (Haupt-)Mauern zwischen 0,80 m und 1,60 m dick und einschließlich Zinnen 7–9 m hoch waren. Werte unterhalb dieses Mittelfeldes kommen angesichts der hohen Anzahl wenig finanzkräftiger Kleinstädte durchaus vor – etwa in Dürnstein (Wachau): Dicke um 0,50 m am schwer zugänglichen Felshang –, ebenso gelegentlich dickere und höhere Mauern oder zumindest Mauerabschnitte, aber das bleiben Ausnahmen, die das Gesamtbild nicht ändern. Interessanter als eine solche statistische Abschätzung ist aber die Frage, ob in den Maßen der Mauern eine Entwicklung erkennbar wird, etwa von relativ niedrigen und schwachen Mauern zu höheren und stärkeren. Ausgangspunkt für diese Frage kann nicht nur die Tatsache sein, dass der äußerst aufwendige Mauerbau stets eine Versuchung zur Sparsamkeit auch in den Maßen schuf, sondern auch eine konkrete Quelle – ein ausgesprochener Ausnahmefall. In einem viel zitierten (und oft verallgemeinerten) Privileg König Konrads IV. von 1238 für Murten in der Westschweiz wurde nämlich festgelegt, dass eine dort zu errichtende Mauer unten etwa 1,80 m dick sein solle und oben etwa 1,20 m, bei einer Höhe von etwa 3,60 m (Maße aus Fuß umgerechnet). Dabei erscheint die Dicke relativ beachtlich, die Höhe eher gering, selbst dann, wenn man unterstellt, dass zu den 3,60 m noch die Brustwehr gerechnet werden muss. Die Vermutung, dass Stadtmauern anfangs, in romanischer Zeit, noch relativ niedrig waren, lässt sich auch sonst belegen. Die besonders frühe Mauer von Speyer (um 1061–1100) war 1 m dick; ihre Zinnen lagen wohl kaum mehr als 4 m hoch, aber wir kennen das damalige Bodenniveau nicht zuverlässig. In Basel (um 1080– 1100) lagen die Zinnen definitiv nicht höher und es gab keinen Wehrgangabsatz (bei dieser Höhe ist ein auf dem Boden stehender Wehrgang denkbar; vgl. 2.2.3.5.). Auch bei der wohl um 1150–65 entstandenen Mauer von Fulda lagen die Zinnen nur 4,50 m über dem (heutigen) Boden (Abb. 437). In Eisenach, dessen Mauer vielleicht vor 1172 begonnen wurde, aber überwiegend wohl eher ins frühe 13. Jahrhundert gehört, liegt der Wehrgang ebenfalls stellenweise nur 1,70 m
über dem heutigen Gelände; in Lübeck (ab 1181) war die Mauer 0,75 m dick, in Neuss (ab 1180) 0,60 m. Auch in Köln lässt sich schließlich eine niedrigere Mauer wohl der Zeit um 1180–1200 belegen, indem deren Zinnen in den höheren Neubau um 1210–50 integriert sind. Weiterhin sind in den rheinischen Bischofsstädten Worms und Mainz niedrige Mauern erkennbar bzw. belegbar geblieben – in Worms mit Backsteinzinnen –, die wohl in die Zeit um 1200 gehörten und im ersteren Falle recht bald, in Mainz erst im 14. / 15. Jahrhundert erhöht wurden (Abb. 37). Ähnliche Befunde kann man in Kaufbeuren sehen, wo die Mauer aus der Zeit vor 1240(?) wohl noch vor 1300 erhöht wurde; in Straßburg könnte die Mauer der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts nach einem mit Zinnen erhaltenen Stück im Süden ähnlich niedrig gewesen sein. Eberbach am Neckar schließlich, dessen Mauer ins zweite Viertel des 13. Jahrhunderts gehört, zeigt einen Wehrgang dicht über dem erhaltenen Mauertor. Um 1200 und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gibt es jedoch auch schon Beispiele für stärker dimensionierte Mauern; sie belegen wieder einmal, dass allzu geradlinige Entwicklungsvorstellungen problematisch sind, weil man von Anfang an mit wirtschaftlich oder anders begründeten Einflussfaktoren bzw. Ausnahmefällen rechnen muss. Die Mauer von Halberstadt war 1,90 m dick, jene der verschwundenen Bergwerkstadt Prinzbach besaß 2,50 m dicke Fundamente; auch die Mauer von Zug, aus dem frühen 13. Jahrhundert, war 1,90 m dick und wurde relativ bald auf 10 m erhöht. In Hainburg und Marchegg, in Niederösterreich, findet man im frühen
Abb. 35 Die variable Dicke und Höhe der Hauptmauern wurde erst in wenigen Landschaften vergleichend dokumentiert, wie hier für den Aargau (Schweiz) (vgl. Abb. 36; Stadt- und Landmauern, Bd. 2).
und mittleren 13. Jahrhundert um die 2,20 m dicke Mauern. Einen gewissen Rekordwert bietet Fritzlar, das 1232 eingenommen worden war, und daraufhin eine Mauer von nicht weniger als 2,75–3,25 m Dicke baute! Auch Freiberg, wie Prinzbach eine reiche, nur weit größere Bergwerkstadt, besaß eine ab 1233 erwähnte, 2,50 m dicke und 9 m hohe Mauer. Weit im Osten sei Jauer in Schlesien erwähnt, mit 2,10 m Dicke. Als Gegenbeispiel einer frühen Mauer, die offenbar alles andere als stark war, sei hier Mühlhausen in Thüringen angeführt, dessen romanische Mauer nach dem Baubefund langsam einstürzte und schon im 14. Jahrhundert neu aufgemauert und erhöht werden musste; ein vergleichbares Problem ist aus Konstanz bekannt.
Abb. 36 Vergleich der Querschnitte niederschlesischer Stadt mauern: 1. Kanth; 2. Ohlau; 3. Strehlen; 4. Neumarkt; 5. Breslau, äußere Mauer; 6. Breslau, innere Mauer (Mury obronne miast dolnego Śląska). 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 37 Gelegentlich lassen vermauerte Zinnenreihen die mehrfache Erhöhung der Mauer erkennen. Links die Ostmauer von Worms, rechts steinrechte Zeichnung eines entsprechenden Befundes aus Oberwesel (beide Rheinland-Pfalz; rechts: Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz, Stadt Oberwesel, Bd. II; vgl. Abb. 4).
Entsprechend der anfangs begrenzten Höhe vieler Mauern waren nachträgliche Erhöhungen häufig. Sie sind dort deutlich zu erkennen, wo die ersten Zinnen in der Erhöhung erhalten blieben oder wenn sich die Erhöhung zumindest in der Mauertechnik oder im Material unterscheidet. In vielen Fällen allerdings, bei denen nichts davon der Fall war oder spätere Veränderungen oder Verdeckungen aufwendige Forschungsmethoden erfordern würden, müssen wir davon ausgehen, dass die Erhöhung bisher nicht erkennbar ist. So gibt es etwa im Neckarland Mauern des späten 13. Jahrhunderts, die teils erstaunlich hoch sind (Bönnigheim 9 m, Waiblingen bis 12 m), ohne dass eine Erhöhung ablesbar wäre. Beispiele sichtbarer Erhöhungen in der Zeit vor 1250 waren in den rheinischen Bischofsstädten schon genannt worden, Oberwesel wäre dort zu ergänzen (Abb. 37). Für das Spätmittelalter darf man als besonders anschauliches Beispiel einer Kleinstadtmauer Stadtilm in Thüringen nennen, wo die Mauer der Zeit um 1300 nur 3 m hoch war und im 15. Jahrhundert auf fast 8 m erhöht wurde. In der Schweiz sind mehrere Beispiele genauer untersucht worden. Die bis zum späten 15. Jahrhundert dreimal erhöhte Mauer von Murten ist hier ein besonders eindrucksvolles Beispiel (Abb. 209). Im kleinen Lenzburg, wo die 1376 begonnene Mauer zunächst nur 5,1 m hoch war, wurde sie nur wenig später auf 8 m erhöht. Das große Schaffhausen erreichte dagegen nach einer Erhöhung um 1400 nicht weniger als 11,5 m. In Chur schließlich fand die letzte Erhöhung noch 1542 statt, als man anderswo im 72 I. Systematischer Teil
Zeichen der Artillerie schon zu betont niedrigen Bauten und Erdwällen überging. Als prinzipiellen Grund der Entwicklung zu höheren Mauern wird man kaum eine rasante Entwicklung der Belagerungstechnik anzunehmen haben, sondern eher eine wachsende wirtschaftliche Fähigkeit der Städte, sich auf die Bedrohung einzustellen. Eine erhebliche Mauerhöhe war in einem Zeitalter, in dem man die Mauern zu ersteigen versuchte und jeder Meter Höhe auch mehr Überblick über das Vorfeld bedeutete, von Anfang an wünschenswert; die frühen Mauern von größerer Höhe, die angesprochen wurden, belegen dies hinreichend. Wenn man trotzdem oft Mauern errichtete, an deren Zinnen man mit keineswegs extrem langen Leitern gut herankam, sobald man sie über den Graben gebracht hatte, dann bedeutet dies sicherlich vor allem, dass ein höherer Bauaufwand nicht möglich war. So betrachtet, war der Schritt von der frühen Holzbefestigung zur ersten Mauer gar nicht so groß, wie er uns heute erscheint, weil die Erstere stets verschwunden, die Letztere oft erhalten ist. Es handelte sich vielmehr in beiden Fällen noch um Sparformen, die erst durch weiteren Ausbau jenen Zustand erreichten, der uns heute als vollständige Stadtmauer erscheint. 2.2.3.2. Wälle mit Mauerfront Zwischen dem „reinen“ Erdwall, der höchstens auf seiner Krone eine Palisade trägt, und der ebenso „reinen“ Mauer, die beidseitig frei steht, gibt es eine Zwischenform, die man an vielen Beispielen von der Antike bis ins frühe Mittel-
alter belegen kann: den Wall, der feldseitig eine Mauerverkleidung besitzt. Die Vorteile einer solchen Anlage gegenüber den beiden anderen Formen liegen auf der Hand; der reine Wall ist leicht zu ersteigen, die frei stehende Mauer kann ausschließlich als – technologisch anspruchsvolle, daher teure – Mörtelmauer ausgeführt werden, will man sie nicht als Trockenmauer so breit machen, dass sie praktisch schon wieder ein Wall wäre. Solche Wälle mit Mauerfront wurden in der Antike auch zur Umwehrung von Städten angelegt, wie als herausragendes und frühes Beispiel die republikanische, sogenannte „Servianische Mauer“ von Rom (390 v. Chr.) belegt, deren agger (Wall) feldseitig eine aufwendige Quaderverblendung besaß. Dass eine solche Anlage von außen durchaus so solide wirken konnte wie eine frei stehende Mauer, kann heute die wilhelminisch rekonstruierte Umwallung der „Saalburg“ im Taunus veranschaulichen, die hier nur als Einzelbeispiel eines römischen Kastells im späteren Deutschland angeführt sei. Auch bei den vielfältigen frühmittelalterlichen, nichtstädtischen Befestigungen in Deutschland, die hier nicht im Einzelnen auszubreiten sind, war die Form sehr häufig, wobei nicht nur Stein zur Verblendung der Front verwendet wurde, sondern zum Beispiel auch Holz – dann wurde die Steilheit der Front durch Verankerungen im Erdkörper gesichert – oder sogar Grassoden. Dass auch mittelalterliche Städte gelegentlich solche Wälle mit Mauerfront besaßen, blieb lange unbeachtet, obwohl es Hinweise gab; erst jüngere Grabungsergebnisse haben das Thema besser ins Licht gerückt. In den benachbarten, früh entwickelten Städten Basel und Freiburg im Breisgau wurden in den letzten Jahren Umwallungen des späten 11. bzw. der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts festgestellt, die nicht nur eine gemauerte Vorder-, sondern auch eine ebensolche Rückfront besaßen. Der bis 5 m erhöhte und bis 6 m breite Weg auf diesem Wall – die Maße stammen aus Freiburg – (Abb. 38) wurde zuerst in Basel mit dem schweizerischen Begriff des „Rondengangs“ belegt, der die Inhalte der Begriffe „Wehrgang“ und „Mauergasse“ vereint, da die Wächter ihre Rundgänge sowohl auf als auch hinter der Mauer machen konnten. In der Tat vereinte eine breite Wallkrone hinter der
Brustwehr gewissermaßen die Funktionen von Wehrgang und Mauergasse, indem sie nicht nur Standort der Verteidiger sein konnte, sondern – im Gegensatz zum schmalen Wehrgang der frei stehenden Mauer – auch Platz für die Bewegung einer größeren Anzahl von Menschen oder auch für Transportzwecke bot. Erst der Übergang zur frei stehenden Mauer mit schmalem Wehrgang (vgl. 2.2.3.4.) machte die ebenerdige Gasse nötig, um die letzteren Aufgaben zu übernehmen (vgl. 2.2.3.6.). Die hintere Stützmauer, die in Basel und Freiburg erst an kleinen Abschnitten der Mauer festgestellt wurde, kann am ehesten mit bereits vorhandenen und bebauten Grundstücken hinter dem Wall erklärt werden; eine raumfressende Wallböschung hätte sie noch stärker beschnitten, die teurere Mauer ließ mehr von ihnen bestehen. Im oberrheinisch-alemannischen Raum gab es noch mehr Wälle mit Mauerfront, die wohl bis ins 14. Jahrhundert hinein entstanden. Die Mauer von Villingen, nach Dendrodatum 1209 / 10 im Bau, besaß noch die Wallschüttung dahinter, aber auch schon einen hölzernen Wehrgang. In Offenburg, wo die Befestigung 1241 zumindest geplant war, weisen Indizien auf den Wall, auch in Zürich kann man ihn vermuten. Wesentlich jünger und als benachbarte Kleinstädte vermutlich direkt vom Vorbild Freiburg abhängig waren Münster im Breisgau (nach Mitte des 13. Jahrhunderts) und Waldkirch (1341 als Stadt belegt). Weiter nördlich besaßen frühe Städte im niederrheinisch-westfälischen Raum gelegentlich mauerverkleidete Wälle, bei denen aber noch keine systematischen Grabungen vorliegen. Das gilt etwa für Paderborn, wo der vermutlich zwischen 1127 und 1146 entstandene Wall mindestens 3 m hoch war; Dortmund und Geseke waren wohl Nachfolger in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die auf Initiative Friedrichs I. ab 1171 in Aachen entstehende Umwehrung war offenbar ein mauerverkleideter Wall und dasselbe darf man für die kaum später begonnene äußere Umwallung von Köln vermuten, denn dort sind in der nach 1200 begonnenen Mauer Teile einer niedrigeren gezinnten Mauer erkennbar geblieben, die die Wallfront gebildet haben dürfte (Abb. 39). Insgesamt wird man den Wall mit Mauerfront beim gegenwärtigen Forschungsstand als 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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eine frühe, schwerpunktmäßig ins 11. / 12. Jahrhundert gehörende Übergangsform betrachten, die noch frühmittelalterlichen, nichtstädtischen Vorbildern folgte, letztlich an den westdeutschrheinischen Raum gebunden blieb und sich bald verlor. Sie wird schon wegen der Seltenheit früher Städte eine Ausnahme gewesen sein, aber weitere Ausgrabungen könnten die bekannten Fälle dennoch deutlich vermehren, weil die Wälle später in der Regel eingeebnet und überbaut worden sein dürften. 2.2.3.3. Fundamentierung Die sorgfältige Planung der Fundamente bzw. der Gründung ist beim heutigen Bauen selbstverständlich. Die Eigenschaften des Untergrundes, die erwartbare Setzung, die frostfreie Gründungstiefe, die Beschaffenheit des Fundamentes selbst, sein Schutz gegen Feuchtigkeit – das alles und mehr hat man heute gut im Griff, so dass Bauschäden aufgrund problematischer Fundamente bei Neubauten kaum noch vorkommen. Grundsätzlich würde man annehmen, dass Befestigungen gerade in jenem Zeitalter, als das Unterminieren die häufigste Zerstörungsmethode war, eher noch solidere Fundamente besaßen, zumindest, wenn sie nicht auf Fels gebaut oder durch hohes Grundwasser geschützt waren. Rein funktionales Denken müsste folglich zu der Annahme führen, dass die Mauern in weiterhin erheblicher Dicke tief ins Erdreich (oder in den Graben) „hinabreichten“, um die Zerstörung durch Unterminierung zu erschweren. Was wir über die Fundamente der Stadtmauern wissen, ist natürlich eng begrenzt, weil
sie nur in wenigen Fällen zugänglich geworden sind, durch Ausgrabungen, manchmal auch durch Erdrutschung oder durch Entfernung von Erde zu anderweitiger Verwendung. Die seltenen Fälle zeigen jedoch mit einiger Deutlichkeit, dass von einer soliden Fundamentierung im heutigen Verständnis kaum die Rede sein konnte. In den meisten Fällen trifft vielmehr das zu, was Walter Haas etwas überrascht, aber sehr anschaulich zur Mauer der „Lorenzer Stadt“ von Nürnberg festgestellt hat, die (spätestens um 1300) auf Sand erbaut wurde: „Jeder leidlich motivierte Dackel hätte sie untergraben können.“ Auch in Duisburg, unter der mindestens ins mittlere 12. Jahrhundert zurückgehenden Mauer, wurde eine sehr flache Fundamentierung festgestellt und in Neuss fanden die Archäologen, dass die (frühestens ab 1180 erbaute) Stadtmauer oder auch nur ihre Fundamentgrube nicht mehr nachweisbar war, obwohl alte Darstellungen ihren Verlauf eindeutig zeigten und in der Neuzeit nur wenige Dezimeter Erdoberfläche abgetragen worden waren. In Konstanz, und ähnlich schon um 1000 an der Hildesheimer Domburg, muss eine erste Mauer so schnell gekippt sein, dass man sie aufgeben musste und umgehend eine neue direkt dahinter bzw. darauf errichtete; dass die nach 1288 erbaute Ziegelmauer von Düsseldorf bald vom Rhein unterspült wurde und umstürzte, ist ebenfalls durch das Fehlen jeglicher Fundamentierung erklärlich. Schließlich wurden bei den fränkischen Stadtmauern von Hof und Rodach aus dem 13. / 14. Jahrhundert archäologisch Fundamenttiefen von nur 15 bzw. 50 cm festgestellt.
Abb. 38 Freiburg im Breisgau, die Rekonstruktionsskizze der Stadtbefestigung im Zustand um 1150 zeigt die Aufschüttung hinter der Mauer, deren sekundäre Abstützung durch eine schräge „Schürze“ (vgl. Abb. 40) und eine gemauerte Contrescarpe (Porsche, Die mittelalterliche Stadtbefestigung von Freiburg / Br., 1994).
74 I. Systematischer Teil
Aussagen über „die“ Fundamentierung der mittelalterlichen Stadtmauer sind bei der geringen Anzahl solcher Ergebnisse natürlich noch nicht möglich. Was wir schon wissen, mahnt aber ein weiteres Mal zu größter Vorsicht gegenüber den vor allem in älteren Werken verbreiteten Rückschlüssen, mittelalterliche Befestigungsbauten müssten so oder so ausgesehen haben, weil „militärische“ Notwendigkeiten das erfordert hätten. Ein kräftiges, auch nur 2 m abgetieftes Fundament hätte allein den Aufwand an Material und Maurerarbeit um ein Drittel oder noch mehr erhöht, wobei Erdarbeiten noch gar nicht angesetzt sind. Angesichts dessen, was wir oben schon zum enormen Umfang der Bauaufgabe bzw. zur Problematik der Materialbeschaffung festgestellt hatten, finden wir hier wohl ein weiteres Indiz dafür, welch zentrale Bedeutung diese Faktoren in der Realität besaßen. Auch die Feststellung bei verschiedenen Grabungen in Brandenburg, dass die Feldsteinfundamente nur selten mit Lehm oder Mörtel gebunden waren, deutet durchaus in dieselbe Richtung. Eine Sonderform der Fundamentierung, die auf den ersten Blick schwer zu verstehen ist, bestätigt diese Erwägungen ebenfalls, allerdings erst auf den zweiten Blick: die Fundamentbögen. Unter „Fundamentbögen“ werden hier Bögen zwischen Pfeilern verstanden, die die Mauer tragen, wobei sie sich aber vollständig unter der Erde befinden. Gelegentlich kann man die Bögen aus der Erde ragen sehen (Abb. 39), selten sind sie bei Grabungen freigelegt worden. Vor allem in Köln und im nördlichen Rheinland war diese
Art der Gründung offenbar normal – Blankenberg / Sieg zeigt den Befund (Abb. 426) besonders deutlich an der Hauptmauer (Mitte des 13. Jahrhunderts) und am Zwinger (14. Jahrhundert?) –, aber manche Einzelfälle deuten an, dass sie auch darüber hinaus oft vorkam. Beispielsweise zeigt Frankenhausen (Thüringen; Mitte des 13. Jahrhunderts) den Befund, ebenso weite Strecken der gut erhaltenen äußeren Mauer von Rothenburg ob der Tauber (Ende des 14. Jahrhunderts; Abb. 39). Was aber war der Zweck dieser Art Gründung? Auf den ersten Blick sind auch die Fundamentbögen fortifikatorischer Unsinn, bieten sie Abb. 39 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), Fundament bogen der äußeren Mauer, der heute (wegen der Abtragung eines vorangegangenen Walles?) aus dem Boden ragt (oben). In Köln wurde ein Punktfundament solcher Bögen beim Abbruch der Mauer dokumentiert (Wiethase, Kölner Thorburgen …, 1884).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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doch den Mineuren quasi „unterirdische Tore“ zwischen den Pfeilern. Eine technisch naheliegende Erklärung läge darin, dass die „Punktfundamente“ (Pfeiler) bis auf tragfähigen Boden heruntergeführt sind, weil die oberen Schichten unzuverlässig schienen; jedoch spricht wenig dafür, dass solche Verhältnisse besonders häufig waren; bei eindeutig sumpfigem Grund baute man eher Pfahlroste. Näher liegt die Deutung, dass es sich doch um eine Sicherung gegen Unterminierung handelt. Geht man nämlich von der Verbreitung extrem flach gegründeter Mauern aus, so boten die Fundamentbögen einen Vorteil: Eine solche Mauer konnte punktuell untergraben wer-
Abb. 40 Freiburg im Breisgau, die Mauer des mittleren 12. Jahr hunderts wurde an einen Geländeabfall durch eine schräge „Schürze“ sekundär abgestützt (vgl. Abb. 38; Porsche, Die mittel alterliche Stadtbefestigung von Freiburg / Br., 1994).
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den, ohne sofort einzustürzen; nur die gezielte Zerstörung auch eines Pfeilers konnte hier zum Erfolg führen. Um den Pfeiler zu treffen, musste man die Bögen jedoch von außen sehen, was in der Regel nicht der Fall war. Denn die Bögen lagen meist knapp unter Bodenniveau oder aber wurden an der Außenseite durch eine niedrige Anschüttung nachträglich kaschiert. Für diese Anschüttung kann man etwa schon die Mauer von Soest (zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts?) oder auch Helmstedt (um 1230–44) zitieren; jene von Duderstadt (Mitte 13. Jahrhundert bis spätes 14. Jahrhundert?) ist deswegen interessant, weil Ausgrabungen dort an mehreren Stellen zeigen konnten, wie die Gründung pragmatisch auf den Untergrund reagierte – neben außen angeschütteten Fundamentbögen fand man im sumpfigen Bereich auch Pfahlgründungen und weitere Arten der Fundamentierung. Die Maskierung der Bögen durch Anschüttung ist natürlich oft schwer zu erkennen, weil es sich im Prinzip ja auch um Reste eines älteren Walles handeln kann (vgl. 2.2.1.2.); ein Indiz ist aber, wenn dem „halben Wall“ kein zweiter an der Stadtseite entspricht. Was die Herstellung der Fundamentbögen be trifft, wird man davon ausgehen dürfen, dass sie in der Regel anders als normale Bögen erstellt wurden. Man wird sicherlich keine Bretterschalung benutzt haben, für die man erst ein großes Loch hätte ausheben und nach Aufmauerung wieder verfüllen müssen. Vielmehr ist anzunehmen, dass hier der anstehende Boden selbst als Schalung diente, dass man also die Pfeiler ohne Verwendung von Brettern in rechteckige Löcher mauerte und dann das Erdreich dazwischen „abrundete“, um die (Stich-)Bögen direkt darauf mauern zu können. Pfahlgründungen bzw. Balkenroste unter der Mauer dürften bei feuchtem Boden durchaus häufig gewesen sein, sind aber nur durch Grabung festzustellen; Beispiele fanden sich bei vielen Grabungen in Brandenburg, aber auch etwa in Kiel und bei der Vorstadt „Stadelhofen“ von Konstanz, am Bodenseeufer. Ein weiteres, eher unauffälliges Phänomen, das sich erst auf den zweiten Blick als Aspekt einer bestimmten Fundamentierungsart zu erkennen gibt, ist der steile, grabenseitige Anzug des unteren Mauerteiles. Er ist nicht sehr häufig, sondern findet
sich vor allem bei Mauern der Zeit vor 1250 im weiteren Oberrheingebiet (Freiburg im Breisgau, Offenburg, Gengenbach, Rottweil), aber etwa auch in Nürnberg im 14. Jahrhundert. Bei der Mauer von Freiburg im Breisgau aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ist archäologisch festgestellt worden, dass dieser schräge Mauerteil („Schürze“), der aus der Grabentiefe aufsteigt und die senkrechte eigentliche Mauer stützt, nachträglich entstanden ist, aber offenbar mit geringer Verzögerung; wahrscheinlich sollte er nach einer Verbreiterung und Vertiefung des Grabens die durch Abrutschung und auch Untergrabung gefährdete Mauer sichern (Abb. 40). Die innere Grabenwand wurde durch ihn effektiv und optisch zum Sockel der Mauer selbst. Die etwas jüngeren Mauern gleicher Form ahmten dies zumindest formal nach; dass die „Schürze“ auch bei ihnen sekundär entstand, scheint aber eher unwahrscheinlich. Zusammenfassend kann man also feststellen, dass Stadtmauern, von dem letzten Fall einmal abgesehen, sehr wenig gegen Unterminierung geschützt waren, obwohl dies, wenn man von zerstörungsfreien Methoden wie Übersteigen oder Überrumpeln absieht, die übliche Methode des Eindringens in die Befestigung war. Lediglich die Fundamentbögen kann man als eine gewisse Vorsorge gegen Untergrabung verstehen, deren Wirksamkeit aber auch eng begrenzt blieb. Sparsamkeit prägte die Fundamentierung also weit stärker als ein Denken in den Kategorien von Angriff und Verteidigung, für dessen Umsetzung augenscheinlich einfach die Mittel fehlten. 2.2.3.4. Wehrgang und Brustwehr Die Stadtmauer des deutschen Raumes wurde – lässt man Türme, Zwingermauern und andere ergänzende Bauteile weiterhin beiseite – fast nur von der Mauerkrone aus verteidigt. Das ist nicht selbstverständlich, denn bereits in der Antike hatte es komplexere Modelle gegeben, bei denen mehrere Schussebenen übereinanderlagen. Als erhaltene Beispiele seien etwa die Aurelianische Mauer von Rom genannt, die in ihrem Endzustand des späten 3. Jahrhunderts zwei Wehrgänge übereinander besaß (was bei der Ummauerung des Vatikans im 10. Jahrhundert übernommen wurde), auch die „Landmauer“ von Konstantinopel (um 412–422 n. Chr.) oder die unter Justinian
im frühen 6. Jahrhundert errichtete Mauer von Resafa (Syrien). Dass Derartiges auch im Mittelalter anregend wirkte, jedoch nur im Mittelmeerraum, verdeutlicht etwa ein Blick auf den Ausbau des Crac des Chevaliers in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts oder auf die im 16. Jahrhundert neu entstandene Mauer von Jerusalem. Schießscharten im unteren Teil der Mauer – vom Boden aus zugänglich, nie von einem unteren Wehrgang – gab es jedoch in Deutschland nur in zwei Regionen bzw. Epochen, einerseits im nördlichen Rheinland, andererseits gelegentlich in der Spätzeit des Stadtmauerbaues im 15. / 16. Jahrhundert, als schwache Mauern mit Gewehrscharten in Stehhöhe entstanden, ohne Wehrgang auf der Mauerkrone (vgl. 2.2.11.1.). Im Rheinland dürfte die um 1210–50 entstandene aufwendige Mauer von Köln das Thema vorgegeben haben, indem sie je eine Schlitzscharte, vom Boden aus bedienbar, in der Mitte jedes Wehrgangbogens anordnete; dass dabei ein (spät)römisches Vorbild anregend gewirkt hat, wie bei den Doppelturmtoren dieser Mauer, darf man erwägen, kann aber dieses eventuelle Vorbild nicht mehr benennen (Abb. 41). Das Kölner Modell wurde dann bis ins 14. Jahrhundert verschiedentlich rezipiert, etwa in Oberwesel schon um 1240, in Aachen (ab 1257) und Recklinghausen (um 1300?); im 14. Jahrhundert sind Menden (Westfalen, keine Wehrgangbögen), Zülpich (1376–93) und weiter südlich Boppard, Nassau und Oberlahnstein zu nennen; am weitesten von Köln entfernt ist die Vorstadtmauer des mainzischen Miltenberg (um 1346). Späte Beispiele solcher tief liegender Scharten aus dem 15. / 16. Jahrhundert sind schon deswegen selten, weil damals kaum noch Mauern neu entstanden, sondern eher einzelne Abschnitte, etwa als Reparatur oder Umbau. Ein Beispiel wohl des 15. Jahrhunderts ist Landshut in Bayern, in Stargard (Pommern) und in Rostock am erneuerten Steintor gibt es Entsprechendes aus dem 16. Jahrhundert. In Jena wurden nachträglich große Schlüsselscharten in 2 m Höhe in die bestehende Mauer eingefügt. Der Wehrgang und seine Ausgestaltung sind nach dem Gesagten das funktionale Kernstück der Hauptmauer. Bevor wir uns ihm zuwenden, ist aber eine Frage zu behandeln, die man leicht übergehen könnte: Hat eigentlich jede Mauer ei2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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nen Wehrgang auf ihrer Krone gehabt oder gab es auch Mauern ohne Wehrgang? Dies ist wieder einmal eine jener Fragen, für die man ob ihrer Grundsätzlichkeit eine einfache und klare Antwort erhofft, die man aber aufgrund der fragmentarischen Erhaltung mittelalterlicher Bauten leider keineswegs erhält. Abb. 41 Köln, die Mauer, die spätestens ab den 1210er Jahren auf einem etwas älteren Wall entstand, besaß als wohl erste im deutschen Raum unter den Wehrgangbögen Scharten, die vom Boden aus benutzbar waren; der im Foto sichtbare Wall mag ursprünglich etwa einen Meter höher gewesen sein, wie auch die Tufffundamentbögen in der Mauer andeuten (Rekonstruktionsversuch bei Wiethase, Kölner Thorburgen …, 1884).
78 I. Systematischer Teil
Fraglos spricht schon die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Wehrgänge der Normalfall waren; das Fehlen von Scharten in unteren Mauerteilen und die verbreitete Turmarmut (vgl. 2.2.4.3.) machten Wehrgänge bei weitaus den meisten Mauern unverzichtbar, weil sie ausschließlich von dort verteidigt werden konnten. Zugleich aber ist unbestreitbar, dass die meisten Mauern zu zerstört sind, um eindeutige Aussagen über den Wehrgang zu machen, und dass gerade frühe Darstellungen des 16. / 17. Jahrhunderts Wehrgänge bzw. Zinnen oft auch dort schematisierend darstellen, wo sie in Wahrheit nachweislich fehlten. Im Einzelfall wird oft nicht mehr geklärt werden können, ob wirklich und in welcher Form Wehrgänge vorhanden waren. Als Beispiele von Mauern, die auf den ersten Blick mit ihren Türmen ganz normal wirken, aber auf den zweiten Blick keine Wehrgänge besaßen, seien etwa Wimpfen im Tal (Württemberg), die Vorstadt „Freiheit“ in Homberg / Efze (Hessen), Borken und Haltern (Westfalen) oder Reichenbach, Münsterberg, Patschkau und Pitschen (Schlesien) genannt; sie zeigen, vom späten 13. Jahrhundert bis um 1500 entstanden, aber in ihren Regionen jeweils vollkommen isoliert, wie verbreitet und zugleich ungewöhnlich Wehrganglosigkeit war. Aber es sind auch zwei wichtige Gruppen von wehrganglosen Mauern fassbar – eine regional definierte, die brandenburgischen „Wiekhausmauern“, und eine zeitlich definierte, die schon berührten Mauern des 15. / 16. Jahrhunderts, die nur Feuerwaffenscharten in Stehhöhe besaßen. Auf die letztere, nur verstreut auftretende Spätform bleibt im Zusammenhang der spezifischen Entwicklungen des Artilleriezeitalters zurückzukommen (vgl. 2.2.11.1.). Das „Wiekhaussystem“ war dagegen eine bemerkenswerte Sonderform der Mauer, der im 13. bis 15. Jahrhundert praktisch alle Mauern im damaligen Brandenburg angehörten (also auch solche im heutigen Mecklenburg-Vorpommern und Polen); Ausläufer der Form finden sich in Sachsen-Anhalt (Zerbst, Schmiedeberg, Kemberg), in Sachsen (Delitzsch), Schlesien (Lüben, Namslau, Neumarkt, Falkenberg, Gleiwitz) und weit im Westen ausnahmsweise in Uelzen. Typisch für das „Wiekhaussystem“ (vgl. die detaillierte Darstellung in Band II: 26. Brandenburg) war die vollständige Verlagerung der Verteidigung in regelmäßig gereihte,
fast immer rechteckige Türme, die „Wiekhäuser“, die mit mehreren Schartengeschossen ausgestattet und nur von der Mauergasse zugänglich waren. Sie beherrschten durch ihre enge Stellung, in Abständen zwischen 20 und 40 m, das Vorfeld ähnlich gut wie die Scharten eines Wehrgangs, auf den deswegen verzichtet werden konnte. Die Abstützung der Mauer durch die Türme machte es zudem möglich, sie nach oben immer schwächer auszubilden; ob das System von den Baumassen her „billiger“ als eine Mauer mit Wehrgang war, ist angesichts der zahlreichen, wenn auch niedrigen Türme aber anzuzweifeln. In Nachbargebieten Brandenburgs gab es im Übrigen Fälle, verstehbar als Kombination mit dem überregional Üblichen, bei denen das Wiekhaussystem mit Wehrgängen kombiniert wurde; wichtigstes Beispiel ist das Deutschordensland Preußen. Als seltener Ausnahmefall sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, dass es auch wehrganglose Mauern gab, bei denen nur kleine Abschnitte der Mauern mit Zinnen versehen waren; das gilt etwa für die um 1500 entstandenen Vorstadtmauern von Worms und Bautzen, und zwar jeweils beidseitig von Toren. Die äußere Mauer von Basel (1361 / 62–98) soll im größten Teil ihres Umfanges zwar Zinnen, aber keine Wehrgänge besessen haben. In allen drei Fällen handelte es sich um ausgedehnte und spätere äußere Mauern, deren Verteidigungsfähigkeit schon aus Mangel an Verteidigern ein Problem war; offenbar verzichtete man deshalb auf die pflegebedürftigen Wehrgangkonstruktionen, täuschte aber durch die Zinnen zumindest eine gewisse Wehrhaftigkeit vor. Die Betrachtung des Wehrganges selbst kann in drei Punkte gegliedert werden: die Gestaltung der Brustwehr, die Frage der Überdachung und schließlich die formal höchst vielfältigen stadtseitigen Abstützungen des Wehrganges, der meist breiter als die Mauer war, die ihn trug. Bis zum Artilleriezeitalter waren nach allen Anzeichen Zinnen, eine im Prinzip seit der Antike bekannte Bauform, die normale Form der Brustwehr – eine nicht überdachte, nicht allzu dicke Mauer von Mannshöhe, mit mindestens mannsbreiten Lücken, durch die die Verteidiger das Vorland beobachten, schießen oder sich hinausbeugen konnten. Die höheren Brustwehrteile
zwischen den Lücken, die „wintberge“, enthielten oft zusätzliche Schlitzscharten, die beim Hinausschießen mit Bogen oder Armbrust eine bessere Deckung boten; manchmal, etwa in Österreich, gab es sie nur in jeder zweiten oder dritten Zinne. Die Zinnen sind in weitaus den meisten Fällen mitsamt der Mauerkrone verschwunden, aber dennoch blieben viele Beispiele erhalten; wo die Mauer nicht bis heute gepflegt wurde und etwa unter einem Dach lag, wurden sie meist durch Erhöhung der Mauer oder zumindest durch Einbau von Scharten im Spätmittelalter geschützt (vgl. 2.2.11.3.). Zinnen bieten wenige Möglichkeiten zur formalen Variation (solange man sich wohlgemerkt mit originalen Zinnen befasst und nicht mit den heute häufigeren Zierzinnen des 19. / 20. Jahrhunderts). Dennoch zeigen die wenigen Fälle, bei denen einmal Zinnen einer Region vermessen und verglichen wurden (Abb. 42), dass kaum zwei Fälle absolut gleich sind – typisch mittelalterlich, es gab nur „Daumenwerte“, keine Normen. Als erhaltene Beispiele ungewöhnlicher Maße seien etwa Kaufbeuren (um 1230?) mit ungewöhnlich breiten Zinnen (Abb. 352) und Kirchberg / Jagst (nach 1373) mit Zinnen von 7–8 m(!) Breite genannt. Schlitzscharten in den Zinnen sieht man etwa noch in Marbach (vor 1282), Leonberg (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts[?], Zinnen 6 m breit mit gemauerten „Giebeln“) in Württemberg, auf der äußeren Mauer von Nördlingen (1327–90; Abb. 32), und auf verschiedenen Mauern des 14. / 15. Jahrhunderts im südlichen Hessen, ebenfalls meist mit gemauertem Giebeldach, zum Beispiel in Eltville; in Österreich sind etwa Drosendorf und Dürnstein von Interesse, regionaltypisch mit gemauertem „Giebeldach“. In Thüringen ist Stadtilm zu nennen (vor 1303), ganz im Norden Stralsund (um 1280–1310). Der Zufall der Erhaltung lässt natürlich keine Schlüsse auf die frühere Verbreitung zu. Dies gilt erst recht für die normalen Zinnen ohne Schlitze. Erhaltene Beispiele bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts findet man unter anderem in Speyer (um 1070–1100; Abb. 409), Duisburg (Mitte des 12. Jahrhunderts; Abb. 420), Fulda (um 1150–65), Konstanz, Heidelberg, Memmingen („Kalchvorstadt“), Wertheim (im Altan der Burg), Worms, Dieburg und Burg bei Magdeburg. Jüngere oder schlecht datierbare Zinnen sind 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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noch in Friesach (Kärnten), in der Thuner Neustadt, in Liestal, Bregenz, Wiedlisbach (Schweiz), in Wildberg / Nagold, Herrenberg, Rottenburg (Württemberg) und Krautheim, in Jauer (Schlesien), in Rostock und Wismar zu sehen. Dass Wehrgänge vor dem Zeitalter der Feuerwaffen überdacht waren, ist unwahrscheinlich. Aus der Tatsache, dass bisher keine hölzernen Wehrgangkonstruktionen vor das 15. Jahrhundert datiert werden konnten, lässt sich zwar wenig schließen, denn es handelt sich bisher um viel zu wenige Fälle, und natürlich könnte es ältere Konstruktionen gegeben haben, die damals nur ersetzt wurden. Aber Holzkonstruktionen samt Dachdeckung stellen einen Zusatzaufwand dar, der nicht wirklich erforderlich war, solange man die feuchtigkeitsempfindlichen Feuerwaffen nicht systematisch verwendete; demnach Abb. 42 Verschiedene Zinnenformen und -maße im Kanton Aargau (Schweiz): 1: Lenzburg, Phase 2; 2: Zofingen, Phase 1; 3: Bremgarten, Phase 2; 4: Bremgarten, Phase 1; 5: Lenzburg, Phase 1 (P. Frey in: Stadt- und Landmauern, Bd. 2, 1996).
darf man mit einigem Grund annehmen, dass Wehrgangdächer tatsächlich erst im 15. Jahrhundert üblich wurden. Die wenigen in größerem Umfang erhaltenen Wehrgangdächer – etwa Nördlingen, Murten, teilweise Rothenburg – zeigen als ältesten Bestand in der Regel Konstruktionen, die sehr sparsam mit dünnen Hölzern, weitem Stützenabstand und einem Minimum an Kopfbändern auskommen (Abb. 43). Kaum vor das Spätmittelalter dürften auch jene Fälle zurückgehen, bei denen ein Wehrgang, zumeist als Gang in Fachwerkkonstruktion, durch das Dach eines angelehnten Hauses führte; zumindest ist kein Fall untersucht, bei dem eine solche Konstruktion vor das 15. Jahrhundert zurückginge. Die Zugänge zu den Wehrgängen sind heute nur noch ganz selten zu finden; ein eindrucksvolles Beispiel ist die Mauer von Oberwesel, noch aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wo mehrere schmale Steintreppen im älteren Mauerteil erhalten sind (Abb. 44). Unverkennbar sind Wehrgangtreppen aus Stein absolute Ausnahmen gewesen; gelegentlich findet man ihre Reste noch in besonderen Bauteilen wie vor allem Torzwingern, die von keinem anderen Bauteil aus erreichbar waren. Holztreppen waren fraglos weitaus häufiger und man findet sie auch noch gelegentlich; aber keine, die ich näher betrachten konnte, war noch mittelalterlich. Wo Türme vorhanden waren, wird man zwanglos annehmen können, dass ihre Treppen zugleich den Zugang zum Wehrgang vermittelten; ein beachtlich frühes, womöglich aus der Bauzeit des Turmes stammendes Beispiel bietet noch der „Luegisland-Turm“ in Luzern. 2.2.3.5. Abstützung des Wehrgangs Die Wehrgänge, im engeren Sinne die umlaufende schmale Plattform hinter der Brustwehr, wären bei den meisten Stadtmauern zu schmal gewesen, wenn sie einfach nur auf der Mauer selbst gelegen hätten. Geht man von einer Dicke der Brustwehr aus, die bei 0,60–0,80 m lag, so blieb bei durchschnittlicher Dicke der Mauer selbst ungefähr nochmals dieselbe Breite für die Plattform und das reichte keineswegs, um zwei Bewaffnete aneinander vorbeizulassen. Da dies aber fraglos eine Minimalanforderung effektiver Verteidigung war, wurde die Plattform bei einer großen Anzahl von Mauern – dem heutigen Au-
80 I. Systematischer Teil
Abb. 43 Weißenburg in Bayern (Mittelfranken), Wehrgangkonstruktion an der Nordwestecke der älteren Stadtmauer, dendrochronologisch 1450 datiert (D. Burger).
genschein nach bei der eindeutigen Mehrzahl – verbreitert, indem man die Gehbeläge aus Stein oder Holz stadtseitig vorkragen ließ und sie auf verschiedenartige Weise abstützte. Wie vielfältig die Methoden der Verbreiterung selbst an einer einzelnen Mauer waren, kann heute noch die besonders gut erhaltene äußere Mauer von Rothenburg ob der Tauber veranschaulichen – einfach vorkragende Steinplatten, teils durch Kragsteine abgestützt, teils zusätzlich durch Bögen zwischen Kragsteinen, an anderen Stellen durch Strebepfeiler (Abb. 45). Deutlich wird in dieser längst nicht vollständigen Sammlung möglicher Formen vor allem der pragmatische Charakter der Konstruktionen. Neben dem einfachen Absatz auf der hinreichend dicken Mauer war die stadtseitige Vorkragung einer hölzernen Plattform die wohl einfachste Möglichkeit, einen Wehrgang zur Verfügung zu stellen, vor allem bei besonders dünnen Mauern. Entsprechend den geringen Mauerdicken der Frühzeit, sahen so offensichtlich die Wehrgänge etwa in Speyer (um 1070– 1100) und Basel (um 1080–1100) oder auch in Duisburg (um 1120 bis Mitte des 12. Jahrhunderts; Abb. 420) aus. Auch später wurde diese einfache Form noch verwendet, etwa in Franken kann man noch Beispiele finden. Eine weitere Möglichkeit, einen hölzernen Wehrgang zu konstruieren, bestand bei Mauern mäßiger
Höhe darin, die Konstruktion hinter der Mauer auf den Boden zu stellen; bei Wehrgängen, die oft nur 3–4 m über dem Boden lagen, erforderte dies keineswegs besonders lange Stützen. Wie alle Holzkonstruktionen sind auch solche kaum erhalten, sodass die frühere Häufigkeit nicht einzuschätzen ist. In Friedberg bei Augsburg ist ein Rest wohl des späten 14. Jahrhunderts erhalten (Abb. 354), in Neustadt / Donau weist manches auf einen solchen Wehrgang hin; bei den um-
Abb. 44 Oberwesel (Rheinland-Pfalz), eine gemauerte Wehrgangtreppe an der rheinseitigen Mauer.
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fänglichen Grabungen in Duderstadt wurden in der Mauergasse Balkenlöcher gefunden, die auf eine derartige Konstruktion noch im 13. Jahrhundert deuten. Die einfachste Art einer Wehrgangverbreiterung in Stein bestand darin, die Plattform mit Steinplatten zu belegen und diese etwas überkragen zu lassen. Begreiflicherweise war dies vom Steinmaterial abhängig und auch bei gutem Material war die Vorkragung aufgrund der Bruchgefahr begrenzt. Am ehesten findet man diese noch immer schlichte Konstruktion im Sandsteingebiet, zum Beispiel recht häufig in Franken oder in Herrenberg (Württemberg). Wo Schiefer zur Verfügung stand – ein von Natur plattiges Gestein, das aber eher dünne und kleine Platten bildet –, also insbesondere im Rheinischen Schiefergebirge, wurde oft mit viel Mörtel über mehrere Schichten hinweg eine schräge Vorkragung aufgemauert. Wo man die Steinplatten weiter auskragen lassen wollte bzw. ihnen nicht traute, waren Konsolen die einfachste Art der Unterstützung; auch dies ist vor allem im Sandsteingebiet anzutreffen, als frühe Beispiele aus spätromanischer Zeit seien etwa Wertheim oder Rufach im Elsass genannt; im letzteren Falle belegen sogar regelrechte lange „Balken“ die Bruchfestigkeit des Materials. Die Konsolen als solche konnten durch Bögen ergänzt werden, eine wesentlich aufwendigere Form, die offenbar erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufkam und im 15. Jahrhundert im süddeutschen Raum weitverbreitet war. Ein Beispiel von besonderer Komplexität bietet hier die auch sonst sehr aufwendige und vorbildhafte äußere Mauer von Ingolstadt (ab 1363, Abb. 46), bei der gestufte Konsolen Bögen trugen, aus denen wiederum eine äußere Konsolenreihe vorkragt. Solche Komplexität war offenbar die Ausnahme, aber Backstein taucht bei den sonst einfachen Bögen öfter auf, entsprechend der späten Verbreitung dieser Form (zum Beispiel in Hessen in Steinheim, an der äußeren Mauer von Gelnhausen, Babenhausen und Hanau – oder in der Rothenburger Spitalvorstadt). Die bisher behandelten, meist formal anspruchslosen Arten der Wehrgangverbreiterung haben gemeinsam, dass sie sich entweder auf die Mauerkrone beschränkten oder dass ihre (Holz-) Stützen leicht verschwinden konnten. Davon 82 I. Systematischer Teil
unterscheidet sich jene aufwendigere Methode der Wehrgangabstützung, die dem heutigen Eindruck nach die häufigste war: der Wehrgangbogen, also regelmäßig gereihte Strebepfeiler an der Innenseite der Mauer, die oben durch Bögen miteinander verbunden sind und zusammen den inneren Teil des Wehrganges tragen. Der Eindruck, dass diese Methode der Wehrgangverbreiterung häufiger als die bisher beschriebenen war, ist freilich eine optische Täuschung; sie hatte aufgrund ihrer größeren Solidität nur eine weit bessere Chance, erhalten zu bleiben, und auch ihre „architektonische“ Anmutung sicherte ihr allgemein größere Aufmerksamkeit. Verdeutlichen muss man sich auch, dass die aufwendigen Wehrgangbögen – immerhin mussten sie über Schalung gemauert werden und erforderten zusätzliche Eckverbände – bei genauer Betrachtung noch eine andere Funktion hatten, als nur den Wehrgang zu tragen, und dass sie eigentlich auch kein Mehraufwand waren. Denn die Strebepfeiler waren zugleich eine zusätzliche Aussteifung der Mauer, die es erlaubte, den übrigen Mauerkörper dünner zu machen – in modernen Begriffen war eine solche Mauer ein „Skelettbau“, bei dem die Bögen allein für Standfestigkeit sorgten, während die weit größeren Mauerflächen dazwischen auf eine minimale Dicke, durchaus unter 1 m, reduziert werden konnten. Was also konstruktiv und ästhetisch anspruchsvoller war, bedeutete zugleich Materialeinsparung, und diese war bekanntlich eines der dringendsten Ziele beim Stadtmauerbau. Strebepfeiler ohne Bögen darüber würden die Aussteifungsfunktion zwar auch erfüllen, aber wegen ihres großen Abstandes von meist einigen Metern würden sie zusätzliche Abstützungen für die Wehrgangplatten erfordern. Dies sieht man etwa in Rothenburg ob der Tauber (Abb. 45), auch in der „Ulmer Vorstadt“ von Memmingen und in Heidingsfeld bei Würzburg; insgesamt aber sind es seltene Ausnahmen. Wehrgangbögen, in der Regel rund-, manchmal auch spitzbogig, waren dagegen weitverAbb. 45 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), die Nordseite der äußeren Mauer nahe dem „Klingentor“ zeigt verschiedene Möglichkeiten, den Wehrgang abzustützen: Kragsteine, Strebepfeiler und Wehrgangbögen.
Kolumnentitel
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Abb. 46 Ingolstadt, rekonstruierende Darstellung der äußeren Mauer (1363–90) mit dem über Bögen und Konsolen aus Backstein innen vorgekragten Wehrgang (Kunstdenkmäler Oberbayern, I, 1, 1895).
breitet, mit einem eindeutigen Schwergewicht entlang des Rheines. Bei Stadtmauern – bei Burgen mag es noch ältere Fälle geben – dürfte einmal mehr die äußere Mauer von Köln das früheste Beispiel sein (um 1210–50; Abb. 41). Ihr Konzept mit je einer Schlitzscharte unter jedem Bogen wurde im nördlichen Rheinland bis ins 14. Jahrhundert oft kopiert. Als wichtige und teils erhaltene Beispiele seien Aachen (nach 1257), auch etwa Goch (vor 1366) und Zons (ab 1373; Abb. 25) genannt, wo die Bögen teils unvollendet blieben; interessant sind Duisburg, Neuss und Düren, wo im 13. Jahrhundert die Wehrgangbögen an ältere Mauern angesetzt wurden. Weiter südlich ist Frankfurt am Main (wohl 1223–39; Abb. 439) die früheste Mauer mit Bögen und danach bleiben sie – etwa in Koblenz, Andernach, Mayen (nur an Teilen der Mauer), Limburg, Wetzlar – in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und im 14. Jahrhundert üblich, wobei aber die „kölnischen“ Scharten unter den Bögen eher Ausnahmen sind. Weitere Beispiele des 14. / 15. Jahrhunderts findet man auch im rheinischen Teil Hessens (zum Beispiel Eltville, Butzbach [ausnahmsweise stichbogig], Hofheim, Homburg, Neudorf, Nidda, Rüdesheim, Büdingen, Darmstadt, Zwingenberg, Rauschenberg). In Fulda wurden die Bögen erst im 15. Jahrhundert an die weit ältere, gleichzeitig erhöhte und unter den Bögen mit Schlüsselscharten versehene Mauer angebaut. 84 I. Systematischer Teil
Am Oberrhein scheinen die Bögen etwas später üblich geworden zu sein. Aus dem späten 13. Jahrhundert findet man sie in Ladenburg und in Speyer, wo sie der älteren Mauer um 1280 in Backstein hinzugefügt wurden. In Worms gehören die Wehrgangbögen erst zur zweiten Erhöhung der Mauer, die ins späte 13. Jahrhundert oder ins 14. Jahrhundert gehört. Auch im 14. / 15. Jahrhundert findet man noch wichtige Beispiele, so zum Beispiel an der äußeren Mauer von Basel (1361 / 62–98) oder der Vorstadtmauer von Miltenberg (um 1346); kleinere Beispiele sind Wachenheim (nach 1341), Neckarbischofsheim (um 1356–78) und Kirchheimbolanden, wo es ausnahmsweise zwei Bogenreihen übereinander gibt (nach 1368; Abb. 411). Im 15. Jahrhundert entstanden Mauern mit Wehrgangbögen etwa in Dalsheim (um / nach 1400), (Idar-)Oberstein (nach 1414) und um 1500 in Pfeddersheim und Jockgrim in der Pfalz, in Groß-Winternheim und Nieder-Ingelheim in Rheinhessen. Auch im süddeutschen Raum sind Wehrgangbögen im Wesentlichen eine Sache des 14. / 15. Jahrhunderts – mit zwei Ausnahmen. Die älteste ergrabene Mauer von Würzburg, sicher vor 1195 / 99 erbaut, hatte eng gereihte, massive Strebepfeiler an der Innenseite, die man mit Bögen ergänzen könnte – es wäre die älteste deutsche Mauer mit Wehrgangbögen! Noch vor 1300 (schon 1219–28?) entstand auch die Mauer der reichen Salinenstadt Reichenhall. In Fran-
ken sind sonst nur Nürnberg (1346–1407) und eventuell Bayreuth zu erwähnen. Im Alpenvorland kann man Landsberg / Lech nennen (nach 1315[?], teils unvollendete Bögen), ferner die Stadterweiterung von Memmingen (ab 1329[?]); in Donauwörth wurden die Wehrgangbögen ab 1420 der Mauer hinzugefügt, ähnlich in Augsburg der erhöhten Mauer der Kernstadt. In (Alt-) Bayern datieren die wenigen Beispiele noch später – Schrobenhausen (1389–1419, stichbogig), Landshut (15. Jahrhundert) besitzt besonders hohe Wehrgangbögen mit Scharten darunter aus dem 15. Jahrhundert, ferner Dingolfing – und in ganz Österreich konnte ich nur in Stein / Donau und Friesach kurze Mauerabschnitte mit Wehrgangbögen finden. Insgesamt spiegelt also der süddeutsche Raum offensichtlich wider, wie das System der Bögen langsam vom Rhein aus nach Osten vordrang.
Im norddeutschen Raum ist im Grundsatz Entsprechendes festzustellen. In Göttingen findet man rheinisch beeinflusste Wehrgangbögen aus dem mittleren 13. Jahrhundert, ähnlich frühe auch in Gotha und vielleicht Frankenhausen. In Sachsen-Anhalt sind Reste in Halle, Zerbst, Kalbe / Saale und Freyburg / Unstrut erhalten; sie sind nicht näher datierbar (14. Jahrhundert?), nur im letzten Falle wurde als Sonderfall ein Mauerteil um 1540 errichtet. Auch in den südwestlichen, ehemals magdeburgischen Teilen Brandenburgs findet man in Görzke und Jüterbog Mauerteile mit Wehrgangbögen, wohl noch des 13. Jahrhunderts, auf die bald der Weiterbau im Wiekhaussystem folgte. In Sachsen stellte ich Beispiele nur noch in Döbeln (14. Jahrhundert?) und, extrem spät, an der 1541–56 errichteten Mauer von Marienberg fest, wo die tragenden Pfeiler ausnahmsweise trapezoiden Grundriss
Abb. 47 Die Mauergasse verläuft direkt an der Mauer entlang, aber stellenweise lehnen sich auch kleine Bauten an die Mauer. Links: Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), die Mauergasse hinter der äußeren Mauer des 14. Jahrhunderts, vom Turm des „Rödertores“; rechts: Templin (Brandenburg).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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zeigen. Noch weiter östlich findet man Wehrgangbögen nur an drei Mauern des Ordenslandes, in Kulm (um 1267) und wohl erst im 14. Jahrhundert in Elbing und Marienburg, offenbar in allen Fällen nur an Teilen der Mauer. 2.2.3.6. Mauergasse Eine stadtseitig direkt an der Mauer entlangführende Straße, die Mauergasse (Abb. 47), gilt insbesondere in Norddeutschland als selbstverständlicher Bestandteil jeder Stadtbefestigung, während es weiter südlich, vor allem in der Schweiz, als ebenso normal gilt, dass Grundstücke und Bebauung direkt an die Mauer stoßen (Abb. 48). Beide Auffassungen erweisen sich bei einer übergreifenden Betrachtung der mittelalterlichen Städte als richtig bzw. regional begründet, bedürfen aber der Differenzierung und ohnehin der Erklärung. Einerseits reicht die Region ohne Mauergassen weit über die Schweiz und den alemannischen Raum hinaus und umfasst im Prinzip das gesamte Süddeutschland. Andererseits gibt es auch in Süddeutschland Städte mit Mauergasse und in Norddeutschland solche ohne, nur dass es sich jeweils um den Ausnahmefall handelt. Die Abgrenzung der beiden Gebiete ist keine klare Linie, es gibt eher eine Durchdringungszone, die im Westen ziemlich genau mit der Nordgrenze des Schiefergebirges zusammenfällt, während sie im Osten bis nach Franken und in die Oberpfalz hinunterreicht; eine Übersicht folgt am Ende des Kapitels. Kleine Städte zeigen auch im Norden eine leichte Tendenz zum Verzicht auf die Mauergasse; andererseits besaßen große Städte auch in Süddeutschland oft Mauergassen. Ist schon dies ein Hinweis darauf, dass Vorhandensein oder Fehlen der Mauergasse etwas mit dem internen Funktionieren der Städte zu hatte, so kann man die Tatsache, dass Mauergassen vor allem bei späten Städten und Mauern ab Ende des 13. Jahrhunderts und vor allem im 14. / 15. Jahrhundert üblich sind, in gleicher Richtung ausdeuten. Zum Beleg solcher Interpretationsansätze muss man sich zunächst die Vor- und Nachteile des Konzepts „Mauergasse“ verdeutlichen. Eine durchlaufende Straße direkt an der Mauer bietet im Angriffsfalle vor allem die Möglichkeit, Truppen und Material schnell und in einiger Menge 86 I. Systematischer Teil
an eine angegriffene Stelle zu bringen; dies ist die Hauptfunktion der Mauergasse, die weit in die Antike zurückzuverfolgen ist und bei römischen Städten der Normalfall war (via sagularis, auch bei vielen Kastellen; im Mittelalter findet man unter den ganz seltenen Erwähnungen des Phänomens in Langensalza den Begriff retro murum). Allein für solche raumgreifenden Aktionen benötigte man wirkliche Straßen; ein einzelner Wächter hätte genauso gut und zudem mit Überblick über Graben und Vorland auf dem Wehrgang (falls vorhanden) patrouillieren können. Wenn die Mauergasse in der Schweiz „Rondengang“ heißt, so steckt dahinter eine komplexere Organisation der Wache – die an bestimmten Stellen der Mauer fest postierten Wachen wurden zusätzlich durch übergeordnete Amtsträger kontrolliert, die für ihre Runden („Ronden“), meist zu Pferde, die Mauergasse nutzten. Aber die Mauergasse hatte noch einen weiteren Vorteil, indem sie die Mauer auch in Friedenszeiten zugänglich hielt. Denn es war keineswegs so, dass die normalen Bürger ihre Mauer aus Einsicht in deren Funktion konsequent instand hielten. Es gab vielmehr auch Individualinteressen, die sie schädigten und vor allem dann wirksam wurden, wenn private Grundstücke oder gar Häuser gegen die Mauer stießen. Ein privater Ausgang zu den Feldern, ein Aborterker zum Graben, ein zusätzliches Fenster oder auch nur die außen unsichtbare Aushöhlung der Mauer, um einen Raum zu vergrößern – all dies lag nahe und geschah oft und konnte einem Angreifer in die Hände spielen. Die Mauergasse verhinderte das, erlaubte die jederzeitige Kontrolle der Mauer auch von innen und erleichterte den Zugang bei Bauarbeiten entscheidend. Aus diesen Feststellungen ergibt sich eine Aussage, die auch in den Quellen gelegentlich bestätigt wird, obwohl Details der Befestigungen dort selten angesprochen werden: Anlage und Instandhaltung einer Mauergasse waren grundsätzlich im Interesse der Obrigkeit, die die Bedeutung der Stadtbefestigung, ihrer Funktionalität und Erhaltung hoch einschätzte – höher als viele Stadtbewohner, denen man in diesem Punkte nicht recht trauen konnte. Schriftliche Belege aus dem 14. Jahrhundert gibt es dafür in München, wo Ludwig der Bayer 1315 explizit die Mauergasse hinter der geplanten „äuzzere[n] …
Abb. 48 Vergleich einer norddeutschen Stadt mit Mauergasse (Königsberg in der Neumark, Polen, Umzeichnung eines Plans von 1724) mit einer süddeutschen ohne Mauergasse (Frauenfeld, Schweiz, Gemälde um 1762), wo die Mauer im 18. Jahrhundert bereits weitgehend in Häuserfassaden aufgegangen ist (E. J. Siedler, Märkischer Städtebau im Mittelalter, 1914; Stadt- und Landmauern, I, 1995).
Rinchmauer“ forderte, und in Regensburg, wo es der Rat war. Im Umkehrschluss kann man aus solchen Feststellungen auch die nirgends schriftlich festgehaltenen Motive ermitteln, die zum Verzicht auf Mauergassen führten. Weit wichtiger als die erwähnte Versuchung, die Mauer zu durchbrechen, um dem einzelnen Grundstücksbesitzer Vorteile zu verschaffen, waren zweifellos der Wert des Bodens, der für die Mauergasse benötigt wurde, und die Besitzverhältnisse an diesem Boden. Wo die Befestigung um eine schon vorhandene Siedlung entstand, musste sie oft oder
fast immer über Grundstücke geführt werden, etwa über die Gärten und Felder, die an bäuerliche Höfe anschlossen; in Köslin (Pommern) ist als große Ausnahme der Vertrag von 1288 erhalten, in dem sich das städtische Nonnenkloster mit dem Rat über die Anlage der Mauergasse auf seinem Grund einigte. Waren solche rechtlichen Klärungen in Zeiten robuster Herrschaftsverhältnisse – keineswegs alle Stadtbewohner oder Bauern waren im heutigen Sinne Eigentümer ihrer Höfe – natürlich einfacher durchsetzbar als heute, wo Planungen durch Einsprüche um viele Jahre verzögert werden können, so konnten 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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doch Anordnungen unterlaufen werden, indem man eine anfangs festgelegte Mauergasse unauffällig wieder in Privatnutzung übernahm, oder konnte auch ein Stadtgründer bzw. Stadtherr zu der Überlegung gelangen, den landwirtschaftlich wertvollen Boden nicht durch eine „unnötige“ Mauergasse weiter zu reduzieren. Deswegen war die Anlage einer Mauergasse wohl nicht allein eine Frage einer durchsetzungsfähigen Obrigkeit, sondern auch von deren zunehmender Erfahrung – anschaulich gesagt: Eine neue Mauer machte zunächst immer einen guten Eindruck, ob ohne oder mit Mauergasse, erst die folgenden Jahrzehnte dürften jene Probleme mit Verteidigung, Überwachung und Instandhaltung gezeigt haben, für die allein die Mauergasse eine konsequente Lösung darstellte. In dem ergrabenen, frühen Fall von Basel, das im Bischof einen zum Durchgreifen fähigen Herrn
Abb. 49 Basel, die Entwicklung der inneren Mauer in schematischer Darstellung, nach Untersuchungen am Leonhardsgraben 47. Oben einfache Mauer um 1100, in der Mitte Anfügung eines Turmes im späten 12. Jahrhundert, unten neue äußere Mauer mit „Rondengang“ dahinter, 13. Jahrhundert (Zeichnung S. Tramèr in R. D’Aujourd’hui, in: Unsere Kunstdenkmäler, 41, 1990 / 2).
88 I. Systematischer Teil
hatte, wird eine solche Entwicklung dadurch belegt, dass die wallartig überhöhte Mauergasse erst nachträglich vor einer schon vorhandenen Mauer entstand (Abb. 49); das nahe gelegene und früh damit verglichene Freiburg im Breisgau belegt dagegen, dass man auch ganz neu angelegte Befestigungen über bereits bebaute Grundstücke herüberführte – beides sind Beispiele dafür, wie obrigkeitlicher Wille sich über schon vorhandene Eigentums- und Bebauungsstrukturen hinwegsetzte, in Basel aber eben erst nachträglich. Dass Derartiges vielleicht öfter geschah, als das heute noch bekannt ist, kann etwa das kleine, mainzische Obernburg in Unterfranken andeuten, wo die Mauer ab 1344 entstand, während erst ein Jahrhundert später auf kurfürstlichen Befehl „alle Scheuern, Stallungen und Gärten von der Ringmauer abgerückt“ werden mussten, um eine Mauergasse zu schaffen. Die These der wachsenden Erfahrung mit den Nachteilen der gassenlosen Mauer passt auch gut zu der Feststellung, dass Mauergassen erst bei späten Mauern des 14. / 15. Jahrhunderts typisch werden. Im süddeutschen Raum findet man die Mauergasse vorzugsweise in den Stadterweiterungen, im norddeutschen und vor allem nordostdeutschen Raum, wo sie der Normalfall war, sind Mauern der Zeit vor 1300 ohnehin selten. Im Zusammenhang des langsamen Aufkommens der Mauergassen wird man auch die in manchen Regionen (Oberpfalz, Franken, Elsass) verbreiteten Mauern sehen, wo nur einzelne Abschnitte der Mauer von einer Gasse begleitet waren; wahrscheinlich hat man hier pragmatisch die Mauergasse angelegt, wo dies noch möglich war – etwa auf Feldern oder wenig genutztem Land –, und darauf verzichtet, wo Bebauung oder Nutzung schon dichter waren. Eine recht verbreitete Vorstellung zur gassenlosen Mauer lässt sich bisher weder aus den Quellen noch aus archäologischen Befunden bestätigen – dass nämlich Mauerabschnitte von jenen Bürgern verteidigt wurden, deren Grundstück direkt an sie grenzte. Zwar ist dies eine naheliegende Idee, wenn man bedenkt, wie schwer eine gassenlose Mauer über die Grundstücke hinweg und durch die Bebauung hindurch mit Verteidigern besetzt werden konnte, aber soweit das Thema bisher untersucht wurde, konnte nirgends eine entsprechende städtische Verfassung
nachgewiesen werden. Alle bekannten Modelle bestehen vielmehr darin, dass entweder Angehörige bestimmter Zünfte oder Bewohner bestimmter Viertel gewisse Teile der Mauer verteidigten, ganz unabhängig von der Beziehung einzelner Grundstücke zur Mauer (vgl. 3.2.). Auch Fälle, wo die Mauer quasi „grundstücksweise“ erbaut wurde, sind bisher kaum bekannt (Basel?, Schaffhausen?); die meisten Mauern mit anstoßenden Grundstücken, die in der Schweiz schon näher untersucht wurden, sind in einem Zuge errichtet worden, mit nachträglich angebauten Häusern, was wieder auf eine obrigkeitlich gelenkte und einheitlich geplante Baumaßnahme schließen lässt. Und bestimmte frühe Inschriften (vgl. 3.2.) deuten analog darauf hin, dass zum Beispiel Bewohner benachbarter Siedlungen auch jeweils für bestimmte größere Mauerabschnitte zuständig waren. Dennoch soll hier nicht ausgeschlossen werden, dass das Modell „Grundstückseigentümer verteidigt die Mauer hinter seinem Haus“ existiert hat; es müsste freilich ein sehr frühes, quasi vorstädtisches Modell gewesen sein, das in den späteren Zeiten größerer Quellendichte schon wieder verschwunden war. Die Breite von Mauergassen lag selten unter 4 m – nur in Hessen mit seinen meist späten Mauern des 14. / 15. Jahrhunderts waren die dort nicht allzu häufigen Mauergassen offenbar schmaler und wurden häufig später überbaut –, oft aber lag sie auch deutlich darüber, bis zu über 8 m. Diese auffällige Breite, die in mittelalterlichen Städten sonst nur von Hauptstraßen erreicht oder übertroffen wurde, führte später in vielen Fällen dazu, dass man bescheidene, aber immerhin bis zu 3–4 m tiefe Häuser an die Mauer anbauen konnte (Abb. 50) – in der Regel für die Stadtarmut und eben deswegen auf städtischem Grund –, wobei dennoch eine nutzbare Straßenbreite übrig blieb. Warum gab es dermaßen breite Mauergassen? Eine einfache Erklärung ist, dass hier Raum für Lager- oder Abstellzwecke bereitgehalten wurde, zum Beispiel für Baumaterial oder Flüchtlinge in Kriegszeiten, damit wäre die Mauergasse Ergebnis bewusster Planung. Eine interessante Erwägung ist andererseits, dass die breite Mauergasse zumindest in manchen Fällen auf einen Wall zurückgehen könnte, der mehrere Meter tief war, während die ihn später ersetzende Mauer nur 1–2 m be-
nötigte. Die normale Gasse wäre dann einfach der später eingeebnete Wall, die besondere Breite hätte sich aus der Gasse hinter dem Wall und dessen eigener Breite ergeben. Da selbst bei heute noch sichtbaren Wällen ohne Grabung nicht zu klären ist, ob die Wälle wirklich älter als die darauf stehende Mauer sind, können allerdings nur besonders glückliche Grabungsergebnisse zumindest in Einzelfällen zeigen, ob es eine solche Abfolge von Wall und Mauergasse gegeben hat. Ein Beispiel bietet bisher etwa Lemgo, wo die Mauer vor die ältere Palisade in den Graben hineingebaut wurde, sodass eine 20 m(!) breite Mauergasse entstand; ähnliche Abläufe – die Mauer wird vor die ältere Umwehrung gebaut, sodass deren Einebnung die Stadt vergrößert – sind auch in Frankfurt / Oder und Spandau (Abb. 20) nachgewiesen. Abschließend soll eine knappe Übersicht über die Verbreitung der Mauergassen die dargestellte regionale Verbreitung belegen. In der Schweiz besaßen schon die berühmten Zähringerstädte keine Mauergassen und dies blieb auch bei den späteren Städten allgemein üblich; dass Häuser von Anfang an direkt an die Mauer gebaut wurden, ist durch Mauergassen, regionaler Archäologie und Bauforschung Überblick schon für das 12. Jahrhundert belegt (Basel, Freiburg im Üechtland), weit häufiger für das 13. / 14. Jahrhundert (Diessenhofen, Zug, Stein am Rhein, Burgdorf, Wiedlisbach, Unterseen (Abb. 304), Wil, Willisau, Aarberg, Werdenberg). Ähnlich sah es in Tirol und im übrigen Alpenraum aus, wo entsprechend intensive Untersuchungen bisher aber fast völlig fehlen. In Bayern sind Mauergassen zunächst unüblich, mit der Ausnahme wohl des noch spätromanischen Wasserburg am Inn und der schon erwähnten äußeren Mauer von München (1315); erst im späten 14. und 15. Jahrhundert kamen die Mauergassen stärker auf (Ingolstadt, Deggendorf, Pfaffenhofen, Schrobenhausen, Beilngries; teilweise in Abensberg, Kelheim, Neustadt). Ähnlich ist das Bild im bayerischen Schwaben und in Oberschwaben: In einer Landschaft, die generell auf die Gasse verzichtete, war Augsburg eine frühe Ausnahme noch des 13. Jahrhunderts, im 14. / 15. Jahrhundert folgten weitere Beispiele (die Erweiterung des 14. Jahrhunderts in Ulm, Nördlingen und Memmin2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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besitzen recht häufig Mauergassen zumindest hinter Teilabschnitten der Mauer. Ganz ähnlich ist Franken zu beschreiben, wobei schon die Lorenzerstadt in Nürnberg, dann aber vor allem die dortige äußere Mauer und ebenso jene von Rothenburg und Dinkelsbühl systematisch Mauergassen aufweisen; sie stammen alle aus dem 14. Jahrhundert, wobei die älteren Stadtkerne durchweg keine Mauergassen hatten. Auch in Hessen waren Mauergassen eher Ausnahmen; im 12. / 13. Jahrhundert besaß nur Fritzlar weitgehend eine Gasse, in Limburg ist sie schon 1276 belegbar; im 14. / 15. Jahrhundert konnte ich fünfzehn sichere Beispiele von Mauergassen zählen, die weitgehend oder total umlaufen. Bei der Fülle kleiner Städte vor allem in Oberhessen heißt dies, dass die Mehrheit ohne Mauergasse auskam. Im Oberrheinischen findet man im Prinzip die gleichen Phänomene wie weiter östlich. Über Freiburg im Breisgau war schon gesprochen worden, daneben findet man Mauergassen in den jüngeren Teilen von Heidelberg und teils in Pforzheim – sonst fehlen sie fast völlig (Ausnahmen des 15. Jahrhunderts in Zell / Harmersbach und Lahr). Auf der anderen Rheinseite, im Elsass und in der Pfalz sah es ganz ähnlich aus; Abb. 50 Butzbach (Hessen), in die Wehrgangbögen der Mauer die Mauern des 13. Jahrhunderts in Straßburg, (um 1321–68) wurden ab dem 15. Jahrhundert Fachwerkbauten Colmar und Rufach besaßen teilweise Mauergaseingebaut, zunächst als Lager. Obwohl die Innenräume nur etwa 1,5 m tief sind, wurden sie später für lange Zeit bewohnt. sen, selbst bei den Bischofsstädten Straßburg, Worms, Speyer und Mainz traten sie nur in den Vorstädten auf, bei den jüngeren Städten fehlen gen / Süderweiterung, Gundelfingen, Lauingen, sie fast völlig. Im Rheinischen Schiefergebirge Höchstadt, Mindelheim, Weißenhorn, Dillingen / treten die Gassen gleichfalls nur bei größeren Ostvorstadt, Isny, Ravensburg). Weiter westlich Städten auf, bei kleinen gibt es sie charakteristisind das Neckarland und Württembergisch Fran- scherweise nur ganz im Norden (Ahrweiler, Reken weitgehend mauergassenlos; Esslingen be- magen, Sinzig). sitzt teilweise, Reutlingen, Heilbronn und WeinsWeiter nördlich, in der norddeutschen Tiefberg haben generell Mauergassen, alle noch im ebene, kehrt sich das Verhältnis exakt um, hier ist 13. Jahrhundert; ab dem späten 14. Jahrhundert die Mauergasse absolut normal. Das gilt für den treten sie im Neckarland gelegentlich auch bei nördlichen Teil des Rheinlandes und für Westfakleineren Städten auf, im abgelegeneren Würt- len, wo das Phänomen wohl von der bedeutentembergisch Franken aber weiterhin kaum (Mer- den, ab den 1220er Jahren errichteten Mauer von gentheim). Köln ausging; nur sehr kleine Städte verzichteten Als Mischgebiete erscheinen die Oberpfalz, hier ausnahmsweise auf die Mauergasse. Über Franken und Hessen. Die äußere Mauer von das eher städtearme Flachland des heutigen NieRegensburg besitzt eine (vom Rat angeordnete) dersachsen zieht sich die Erscheinungsform bis Mauergasse, auch die größeren Städte Amberg, in das gebirgige, südliche Niedersachsen und Neumarkt und Weiden und wenige späte Klein- nach Sachsen-Anhalt hinüber, wo die Mauerstädte; so weit entspricht dies den Regionen wei- gasse jedenfalls im 14. / 15. Jahrhundert normal ter südlich, aber die oberpfälzischen Kleinstädte war, wohl auch schon im 13. Jahrhundert, wo 90 I. Systematischer Teil
aber unsere Kenntnis allzu beschränkt ist; noch stärker gilt dies für Sachsen mit seinen enormen Substanzverlusten, wo kaum noch Aussagen möglich sind. Schlesien gehörte ebenfalls zu den Gebieten, in denen die Mauergasse üblich war. Den Höhepunkt der Mauergassenregion stellen jedoch Brandenburg und die Länder an der Ostsee dar, bis nach Ostpreußen hinauf; hier sind die wenigen, meist sehr kleinen Städte ohne Mauergasse auffällige Ausnahmen. Vor allem für das große Brandenburg muss man sich verdeutlichen, dass Mauergassen hier unverzichtbar waren, weil das um 1300 entwickelte und dann fast ausnahmslos angewandte „Wiekhaussystem“ ohne Wehrgänge auskam, sodass ohne Mauergassen überhaupt keine schnelle Besetzung der Wiekhäuser und kein Umrunden der Mauer möglich gewesen wäre. In Elbing im Ordensland ist die Mauergasse schon 1238 erwähnt, hier war sie also von allem Anfang an selbstverständlich.
2.2.4. Die Türme Obwohl das Wort „Mauer“ vom Mittelalter bis heute als weitaus häufigstes Synonym für die mittelalterliche Stadtbefestigung verwendet wird, war und ist es in Wahrheit nicht die umlaufende, gestalterisch eher reizlose Mauer, die in dieser langen Zeit das Bild der Stadtbefestigungen prägte und im Bewusstsein verankerte. Wer sich eine Stadtmauer vorstellt – und alles spricht dafür, dass dasselbe schon im Mittelalter galt –, der hat vor allem einen Ring von Türmen vor seinem inneren Auge, der die Peripherie der Stadt markiert, rhythmisiert und quasi einen Sockel bildet, über den sich die Türme der Kirchen, des Rathauses und anderer Bauten innerhalb der Stadt nochmals als Einzelakzente erheben (Abb. 51). Jedoch ist dieses Bild keineswegs so typisch mittelalterlich, wie meist unterstellt wird. Denn die zentrale Bedeutung der Mauertürme für die Verteidigung und ästhetische Wirkung der Städte bildete sich einerseits nicht erst im Mittelalter heraus, sondern es gab sie bereits in der Antike. Zudem zeigt eine nähere Betrachtung der Stadtbefestigungen, dass die Türme auch im Mittelalter nicht so fest zum Bauprogramm der Mauern gehörten, wie man heute unterstellt, weil man sich verständlicherweise vor allem be-
sonders eindrucksvolle, das heißt vor allem turmreiche Stadtmauern vorstellt. Es gab vielmehr zahlreiche turmlose und turmarme Mauern, vor allem in der Frühzeit und bei kleinen Städten. Ist damit eine große Variationsbreite in der Gestaltung der Mauern markiert, so zeigt eine genauere Betrachtung, dass der Variantenreichtum auch bei dem funktional und formal eher schlichten Bautypus der Stadtmauer genauso hoch war, wie wir es im Grunde bei allen mittelalterlichen Bautypen kennen. Die vorindustrielle Epoche war eben eine Zeit handwerklicher Produktion, als das Gestaltungsbedürfnis der Menschen über oft sehr lange Bauzeiten hinweg wirken und immer wieder Abwandlungen der Form schaffen konnte, selbst dann, wenn sich die funktionalen Ansprüche nicht gewandelt hatten. Durch die Häufigkeit der Türme, ihre Verteilung im Mauerverlauf, ihr bauliches Verhältnis zur Mauer und schließlich ihre Form und Detailgestaltung als Einzelbau oder Turmart konnten ganz verschiedene Gesamteindrücke entstehen, sowohl infolge einer einheitlichen Planung als auch im Laufe der Zeit durch Umbau und Ergänzung. Erweckt diese Einleitung zum Thema der Türme zunächst den Eindruck, diese seien von überwiegend ästhetischer Bedeutung gewesen, so wird dies im folgenden Abschnitt korrigiert, indem zunächst die Funktionen der Türme dargestellt werden. Dabei werden aus eben diesen funktionalen Gründen die Tortürme ausgespart (vgl. 2.2.5.), und ebenso die Türme bzw. besser: Streichwehren der Zwingermauern (vgl. 2.2.8.3.). 2.2.4.1. Defensive Funktionen der Türme Türme sind ein so selbstverständlicher Bestandteil der mittelalterlichen Stadtmauer, dass die Frage nach ihrer genauen Funktion selten gestellt worden ist. Der tiefere Grund für dieses Versäumnis liegt, hier wie so oft, in den Quellen, die in der Bauzeit der meisten Türme, vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, kein Wort über das Thema verlieren; erst ab dem Spätmittelalter lassen sie in Einzelfällen Nutzungen erkennen, die aber in aller Regel nachträglich entstanden waren. Diese Sekundärnutzungen sind auch der Grund, warum die wenigsten Türme noch in ihrer Urgestalt erhalten sind; sie wurden, falls überhaupt in voller Höhe erhalten, in der Regel verbaut, meist zu Wohnzwecken, oder restauriert. Auch insoweit 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 51 Rothenburg ob der Tauber bietet in der nur wenig überhöhenden Darstellung Matthäus Merians ein Beispiel, wie stark die Mauertürme das Bild einer Stadt prägten; nur die Türme der Pfarrkirche und des Rathauses ragen noch höher auf (M. Merian, Topographia Franconiae, 1656?).
kann man also nur noch bei einem Bruchteil der erhaltenen Türme unmittelbare und leicht verständliche Hinweise auf die Art der ursprünglichen Nutzung finden. Es ist keine Frage, dass die Türme primär der Verteidigung dienten. Ein Vergleich mit den Bergfrieden der Burgen, die ähnlich weit verbreitet waren, zeigt zudem, dass sie es in noch höherem Maße als diese waren. Der Bergfried konnte im Angriffsfalle, so zumindest ist die herrschende Meinung, als letzter, wenn auch fraglos wenig bequemer Rückzugsort der Verteidiger dienen; Städte hatten dafür zu viele Bewohner und zudem konnten zahlreiche Türme, die Schalentürme nämlich (vgl. 2.2.4.8.), stadtseitig gar nicht verteidigt werden. Der Bergfried konnte ferner, durch geschickte Positionierung an der Angriffsseite, die Burg gegen Wurfgeschosse decken, was bei den weit größeren Städten natürlich unmöglich war. Dehnt man den Vergleich auf die Wohntürme der Burgen aus, so wird die funktionale Beschränkung der Mauertürme noch deutlicher, 92 I. Systematischer Teil
denn Stadtmauertürme waren anfangs, mit äußerst seltenen Ausnahmen einzelner Räume, eindeutig unbewohnbar. Wenn die Türme also nicht nur primär, sondern fast ausschließlich der Verteidigung dienten, wie erfüllten sie diese Aufgabe? Gedeckte Standplätze für Schützen bot auch die Mauer selbst – zumindest bei jener Mehrzahl aller Mauern, die Wehrgänge aufwiesen – und die Schießscharten, die auch die Türme meist besaßen, boten insoweit keine entscheidenden Vorteile. Lediglich Scharten, die in der Seitenwand des Turmes angeordnet sind, wo sie vor die Mauer vorspringt, konnten einen zusätzlichen Vorteil bringen: die Möglichkeit, den Angreifer seitlich, aus der Deckung heraus effektiver zu beschießen. Diese Möglichkeit, die „Flankierung“, spielte in der Neuzeit, beim „bastionären“ System des 16.–19. Jahrhunderts, die entscheidende Rolle, als der gesamte Grundriss der Befestigungen konsequent so gestaltet wurde, dass der „flankierende Schuss“ wirklich alle Außenmau-
ern erreichen konnte. Die Idee der recht tief angeordneten, flankierenden Scharte in der Seite eines vorspringenden Bauteiles ist aber weitaus älter, findet sich vor allem schon bei spätrömischen und byzantinischen Befestigungen. Umso erstaunlicher ist es daher, dass die flankierende Scharte bei den mittelalterlichen Stadtmauertürmen ziemlich selten war. Eine wichtigere Rolle spielte sie vor allem bei zwei exakt abgrenzbaren Baugruppen: den (halb) runden Türmen des 13. Jahrhunderts im nördlichen Rheinland – die in Köln wohl römisch, später auch französisch beeinflusst waren – und den ebenfalls meist runden Türmen, die im Zeichen der Feuerwaffen ab dem 15. Jahrhundert häufig wurden, besonders auch als „Streichwehren“ an den Zwingern („bestreichen“ ist im Wesentlichen ein Synonym für „flankieren“). Der normale Mauerturm des deutschen Raumes im 13. / 14. Jahrhundert besaß zwar oft Scharten, meistens einfache Schlitzscharten, aber diese waren überwiegend frontal angeordnet, und wenn sie doch in den Turmseiten lagen, dann blieb ihre Wirkung fast immer beschränkt, weil sie in den oberen Geschossen angeordnet waren und auch die Türme oft zu wenig vorsprangen, sodass der Mauerfuß aus ihnen nicht einsehbar war. Es ist in Deutschland kaum möglich, eine Regel dafür zu erkennen, wie weit die Türme vor die Mauer vorsprangen. Im Normalfall treffen die Kurtinen etwa in der Mitte auf die Seitenwand des Turmes – wobei „Mitte“ als die mittleren beiden Viertel der Wandlänge definiert sei –, aber die Variationsbreite umfasste durchaus auch die beiden Extreme, also einerseits den Turm, dessen Front ohne Vorsprung im Mauerverlauf liegt, als auch andererseits jenen, der in ganzer Tiefe außen vorspringt. Nur eben ist der letztere Fall, der für systematische Anwendung der Flankierung an sich die besten Voraussetzungen bot, recht selten, tritt durchaus nicht konsequent in Verbindung mit flankierenden Scharten auf und ist außerdem so verstreut, dass eine besondere Absicht im Auftreten weit vorspringender Türme nicht zu erkennen ist. Man kommt vielmehr an dem Eindruck nicht vorbei, dass das Vorspringen der Türme von Stadt zu Stadt und manchmal sogar von Turm zu Turm neu entschieden wurde und dass man dabei keinen allgemeinen Regeln folgte, schon gar nicht der Zielvorstellung konsequenter
Flankierung. Einen Extremwert bieten hier jene ganz wenigen Beispiele von Stadtmauertürmen, die vollständig hinter der Mauer standen, sie gar nicht oder höchstens leicht berührend (Lindenfels, Ortenberg, Gelnhausen, alle in Hessen; Wertheim, Crailsheim, Neudenau in Württembergisch Franken; Abb. 52). Obwohl diese meist runden Türme – das Beispiel des quadratischen Rothenburger „Markusturms“ (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) ist die Ausnahme – am ehesten an die Bergfriede bestimmter Burgen erinnern, stammen sie Vorsprung vor die Mauer, fast alle erst aus dem 15. JahrFlankierung hundert, also eben aus der Zeit, in der im Zeichen der Feuerwaffen das Gegenteil dieser Turmstellung aufkam, nämlich das weit vorspringende, besonders bewusst platzierte Rondell. Als anschauliches Beispiel seien auch die „Wiekhäuser“ bzw. Schalentürme des brandenburgischen Raumes angesprochen, bei denen eine optimierte Wehrhaftigkeit schon deswegen wünschenswert war, weil sie in Abwesenheit von Wehrgängen die einzigen Standorte der Verteidiger waren und die Kurtinen mit verteidigen mussten. Trotzdem springen die Wiekhäuser meist nur wenige Dezimeter, maximal in ihrer halben Tiefe vor und verzichteten so gut wie völlig auf seitliche Scharten; vor allem das Erdgeschoss, wo sie am effektivsten gewesen wären, ist grundsätzlich schartenlos. Deutlicher könnte nicht demonstriert werden, dass der Wert flankierender Scharten nicht begriffen wurde, auch wenn es Weiterentwicklungen gab, wie etwa in Ostpreußen, wo nicht nur Wehrgänge existierten, sondern auch mehr seitliche Scharten, bis zu mächtig vorspringenden, schartenreichen Bollwerken wie etwa in Lauenburg. Auch der Abstand der Türme voneinander zeigt, dass fortifikatorische Überlegungen nicht allzu konsequent verfolgt wurden, zumindest nicht vor dem Zeitalter der Feuerwaffen. Zwar findet man in der lokalen Literatur manchmal die Überlegung oder gar Behauptung, die Turmabstände seien von der Schussweite von Bogen oder Armbrust abgeleitet. Aber solche Annahmen kollidieren nicht nur mit der allzu geringen Rolle flankierender Scharten, sondern noch mehr mit der Tatsache, dass die Turmabstände sehr unterschiedlich waren, sowohl im Vergleich 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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der Städte untereinander als auch oft genug von Turm zu Turm an derselben Mauer. Auch hier lag der bestimmende Faktor gewiss in den verfügbaren Mitteln – reiche Städte haben die Türme sogar dichter gestellt, als die recht erhebliche Schussweite der Armbrust es erforderte, weniger finanzkräftige konnten überhaupt kaum Türme erbauen (vgl. 2.2.4.3.). Nach alledem ergibt sich, dass die Höhe der Türme neben ihrer puren Festigkeit nicht nur ihre wichtigste, sondern ihre praktisch allein entscheidende Eigenschaft war. In einer Zeit, in der Fernwaffen zwar existierten, aber entweder in der Reichweite beschränkt – wie Pfeil und Bogen – oder aber aufwendig und daher selten waren – wie größere Wurfmaschinen bzw. Bliden –, war eine höhere Position der Schützen ein entscheidender Wert. Sie verbreiterte jenen Streifen vor der Mauer, in dem der Angreifer gesehen, beschossen oder beworfen und in seinen Aktivitäten behindert werden konnte, und mehr war mit den Mitteln des Zeitalters nicht zu erreichen. Erst die enorm vergrößerte Schussweite und Durch-
schlagskraft der Feuerwaffen, die im 15. Jahrhundert allmählich wirksam wurden, änderte das. Die Bedeutung der Turmhöhe wird besonders dort erkennbar, wo einzelne Türme extrem hoch aufgeführt wurden, um einen bestimmten Überblick zu sichern, der von einem normalen Turm aus nicht möglich gewesen wäre. Damit sind einerseits jene Türme gemeint, mit denen man eine nahe gelegene Burg kontrollieren wollte, die eine Bedrohung im Sinne stadtherrlicher Ansprüche darstellte (vgl. 2.2.10.1.). Interessanter für das Thema des Überblicks über das Vorfeld sind aber andererseits jene Türme, die „nur“ das Land überblicken sollten und die in der Regel deswegen so hoch aufgeführt wurden, weil Hügel oder Bodenwellen sonst den Ausblick eng begrenzt hätten. Ihre Funktion wurde dort am deutlichsten, wo sie den Namen „Luginsland“ trugen; solche Fälle sind aus München, Marktredwitz und Memmingen bekannt, in diesen Fällen wohl aus dem 14. Jahrhundert, und vor allem aus Augsburg, wo 1515 ein Turm von höchst komplexer Form und 60 m(!) Höhe errichtet wurde, dessen Abb. 52 Lindenfels (Hessen), der Rundturm (Mitte / 2. H. 14. Jh.) steht hinter der Ecke der Hauptmauer; heutiger Zustand und Darstellung bei Matthäus Merian (Topographia Palatinatus Rheni, 1645).
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Standfestigkeit gerade für 17 Jahre ausreichte (Abb. 349). Auch die anderen „Luginslande“ sind leider nur in Resten erhalten. Wohlerhaltene Beispiele für besondere, das Vorfeld beherrschende Turmhöhe bieten dagegen noch Aachen, („Langer Turm”), Rothenburg („Faulturm”; Abb. 53), Dinkelsbühl („Grüner Turm“) und Iphofen („Faulturm“), durchweg aus dem 14. Jahrhundert; in Aachen und Dinkelsbühl sind die Türme gegen überragende Berge platziert. In Iphofen ist die Funktion in einer Wachordnung anschaulich beschrieben: „So der Türmer ein gerenn im Felde und sonst was feindschaft betrifft ersieht“, so soll er das mit einem Trompetenstoß anzeigen. Die Türme hatten natürlich Innenräume und die Idee liegt nahe, dass auch sie dem defensiven Zweck nutzbar gemacht wurden, etwa, indem sie von Verteidigern bewohnt wurden (vgl. 2.2.4.2.), oder zumindest zur Aufbewahrung von Waffen. Für die Aufbewahrung von Waffen fehlen jedoch alle Befunde. Schon die Häufigkeit von Schalentürmen deutet darauf hin, dass man die Innenräume der Türme eher wenig benötigte, denn bei ihnen fehlte zumindest oft der schützende bzw. in Mauerwerk ausgeführte Abschluss gegen die Witterung. Zudem waren gerade wertvollere Waffen (Schusswaffen, Blankwaffen) in der Frühzeit der Städte meist Eigentum der Bürger bzw. Verteidiger, die sie schon aus Gründen der Pflege fraglos zu Hause verwahrten. Für die AufbewahHöhe der Türme rung in den Türmen kam daher ohnehin nur „billiges“ Verbrauchsmaterial wie etwa Pfeile oder Steine zum Werfen infrage. Dies jedoch forderte kaum wandfeste Einrichtungen in den Türmen, die bis heute hätten überleben können. Erst im spätesten Mittelalter und der frühen Neuzeit dürfte sich daran etwas geändert haben, weil zunehmend auch Söldner für die Städte kämpften und weil mit den Feuerwaffen neuartiges Gerät aufkam, das nicht mehr leicht transportabel war. Erst jetzt wurde es sinnvoller, ein gewisses Maß von Waffen im städtischen Besitz – also unter der Obhut des Rates – bereitzuhalten, und dabei kamen neben den neuen Zeughäusern für das Großgerät wohl auch die Türme für Handfeuerwaffen und Blankwaffen infrage. Eine Anschauung dessen gibt noch in besonders wertvoller Weise die Waffenkam-
mer im „Wiener Tor“ in Hainburg (Niederösterreich); auch in einem 1875 abgebrochenen Turm in Klausen / Tirol wurden angeblich noch Waffen gefunden, nachdem der Turm lange nicht mehr betreten worden war. Das bei Weitem bekannteste Beispiel für derartige nachträgliche Nutzungen der Türme in der Neuzeit sind jedoch die Pulvertürme, ein weitverbreitetes, bis heute oft noch im Namen überliefertes Phänomen. Mit der Verbreitung der Geschütze und Handfeuerwaffen musste Pulver auf Vorrat gehalten werden, nicht nur bei festungsmäßig ausgebauten Städten, sondern bei jeder noch unterhaltenen Befestigung. Die Mauertürme waren, wenn man sie mit guten Türen versah, dafür ideal, nicht nur, weil sie selbst Bestandteil der Mauer waren, sondern auch wegen der Stadtrandlage, die im Falle einer Explosion den Schaden begrenzte. Abb. 53 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), der Faulturm der äußeren Mauer (spätes 14. Jahrhundert) ist ein Beispiel für einen besonders hohen Stadtmauerturm, der eine bessere Kontrolle eines problematischen Vorgeländes ermöglichte.
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Ein wichtiger Aspekt der Wehrfähigkeit der Türme war ihre Verbindung mit den anderen Teilen der Befestigungen und der Stadt. Um mit dem Zweiten zu beginnen, so ist es keinesfalls gesichert, dass der Normalturm immer einen Zugang auf Straßenniveau besaß; zwar ist das heute fast immer so, aber die Fälle, bei denen die Pforte definitiv aus der ersten Bauzeit stammt, sind seltene Ausnahmen. Anzunehmen ist daher, dass es neben dem von der Stadt direkt zugänglichen Turmtypus auch jenen gab, der unter einem Zugang ins Obergeschoss ein nur von oben zugängliches „Verlies“ besaß, vergleichbar mit den Bergfrieden der Burgen. Eine sichere Aussage, wie häufig diese letztere Art Turm war, ist aber schwer möglich. Ein gewisser Hinweis kann aus der Art der oberen Eingänge gezogen werden (vgl. unten), denn vor allem der Normalfall des Turmes mit durchgeführtem Wehrgang war nicht mehr in der Art eines Bergfrieds zu isolieren. Und nimmt man die große Häufigkeit der Schalentürme hinzu, die von vornherein auf jede Abschließbarkeit verzichteten, so darf wohl gesagt werden, dass der bergfriedartig isolierte Turm bei Stadtmauern die Ausnahme war; als seltenes Beispiel seien wieder der „Markusturm“ in Rothenburg ob der Tauber und der „Lachnersturm“ in Waldenburg / Hohenlohe genannt, beides Türme noch aus dem 13. Jahrhundert mit isolierten Hocheinstiegen (Abb. 146, 389). Vieles spricht dafür, dass die Türme im Normalfall auch die Aufstiege auf den Wehrgang enthielten, dass also ihre Innentreppen zugleich diesen Zweck erfüllten. Allerdings ist auch hier der gesunde Menschenverstand das entscheidende Argument – warum hätte man gesonderte Aufstiege zum Wehrgang bauen sollen, wenn ein Turm wenige Meter weiter dasselbe bot? –, während der Befund uns weitgehend im Stich lässt. Denn die Treppen, gleich ob in den Türmen oder direkt zu den Wehrgängen, waren in aller Regel aus Holz und daher ist kaum je eine original erhalten; um über die Gesamtorganisation der Aufgänge etwas auszusagen, wäre eine Mauer mit umfassend erhaltenen mittelalterlichen Holzteilen nötig, eine völlig unrealistische Anforderung. Steinerne Treppen existierten zwar auch, aber nur als Ausnahmen; an den Mauern bzw. Kurtinen gibt es kaum erhaltene Treppen (etwa in Oberwesel / Mittelrhein; Abb. 44), in 96 I. Systematischer Teil
Türmen (und Tortürmen) schon einige mehr. Die steinernen Treppen gehörten zum Beispiel zur Normalausstattung eines Haupttypus der brandenburgischen Wiekhäuser, die, da nicht durch Wehrgänge verbunden, jeweils eigenständiger und schneller Zugänglichkeit bedurften. Die sehr steilen, überwölbten und verschließbaren Treppen von der Mauergasse zum Obergeschoss lagen hier in der Seitenwand des Turmes, die selten erhaltenen Läufe zu weiteren Geschossen darüber (Abb. 494). Diese Anordnung der Mauertreppe ist gut nachvollziehbar; in der Turmfront wäre die Mauer geschwächt worden, an der Stadtseite fehlte bei Schalentürmen die Mauer, anderenfalls wäre hier meist der Eingang zum Erdgeschoss im Weg gewesen. Aus diesem Grunde liegen auch sonst steinerne Treppen praktisch immer in der Seitenwand. Sie treten als Sonderfälle quasi im gesamten deutschen Raum auf, aber ohne erkennbares System oder auffällige regionale Verdichtung. Die Frage, ob die Treppe nur bis ins erste Obergeschoss oder noch weiter hinaufführte, würde fast immer genauere Untersuchung des Einzelbaues erfordern. Beim Verhältnis des Turmes zum Wehrgang der Mauer gab es prinzipiell zwei Formen: dass der Wehrgang durch den Turm hindurch oder dass er Verhältnis zwischen Turm und stadtseitig um ihn herum Wehrgang führte. Zwei weitere theoretische Möglichkeiten fehlen in der Praxis: die feldseitige Herumführung des Wehrganges und seine Unterbrechung durch den Turm, was zeigt, dass das Durchlaufen des Wehrganges möglichst um die gesamte Stadt herum und auch die direkte Einwirkung des Turmes auf das Vorfeld entscheidende Werte waren. Der Normalfall war die Hindurchführung des Wehrganges durch ein Obergeschoss des Turmes, in der Regel durch das erste; dazu ist das Wesentliche bereits gesagt worden, nämlich, dass es die Turmräume in das System der Wehrgänge integrierte. Bei der Herumführung des Wehrganges war es dagegen möglich, den Turminnenraum ohne Unterbrechung des Wehrganges zu isolieren (sofern der Turm auch im Erdgeschoss keine Pforte besaß). Dennoch gewinnt man nicht den Eindruck, dass in dieser Isolierung der Innenräume der Hauptgrund der Wehrgangführung lag, sondern eher in Dimen-
sion und Grundrissform der Türme. Denn das Verschließen der Türme war natürlich gerade im Verteidigungsfalle sinnwidrig, wenn man auch die Türme besetzen musste; zudem war ein Abschluss der Turmräume auch bei Hindurchführung des Wehrganges möglich, nämlich durch eine Innenwand. Es fällt zudem auf, dass die Herumführung des Wehrganges weit öfter bei kleinen und bei runden Türmen zu beobachten ist, was leicht nachvollziehbare konstruktive Gründe hat. Denn die Schwächung des Mauerwerks durch gleich zwei Pforten fällt bei einem rechteckigen Turm mit Seitenlängen von 6 bis 8 m wenig ins Gewicht, bei einem mit 4 bis 6 m schon deutlich mehr, und bei einem kleinen Rundturm verschärft sich das Problem wegen der fehlenden Ecken nochmals, am meisten, wenn der Durchgang nicht radial, sondern eher tangential durch den Turm geführt wird. Dies ist die beste Erklärung dafür, dass man etwa in Hessen, wo relativ späte und schlanke Rundtürme dominieren, zumeist jenen charakteristischen Kranz von vorkragenden Konsolen an der Stadtseite findet, der die Steinplatten oder Bretter des Wehrganges trug und über dem dann auch die Pforte liegt (Abb. 54). Mit der Beobachtung, dass die stadtseitige Herumführung vor allem bei kleinen Türmen zu beobachten ist, passt es gut zusammen, dass das Phänomen recht eindeutig erst im 14. / 15. Jahrhundert auftrat. Denn erst in dieser Zeit entstanden die Mauern der zahlreichen kleinen Städte, deren Türme ihrem bescheidenen Etat entsprachen. Ein weiterer Erklärungsansatz dürfte darin liegen, dass vorkragende Konstruktionen im 13. Jahrhundert wohl noch überwiegend in Holz ausgeführt wurden. Man vergleiche etwa die herumgeführten Wehrgänge an den Toren in Münstereifel oder die Balkenlöcher der Hurden an den Mauertürmen in Oberwesel, beide aus dem mittleren 13. Jahrhundert, wobei die meisten Beispiele heute nicht mehr leicht kenntlich sein dürften, weil die Balken verrottet sind und ihre Löcher oft zugemauert wurden. Als gut erhaltene Beispiele für stadtseitig herumgeführte Wehrgänge auf Konsolen seien von Norden nach Süden aufgeführt: ein Rundturm in Ingelfingen (Württembergisch Franken), der „Pfeifferturm“ in Eppingen, Türme in Kaub und Münstermaifeld im Rheinischen Schiefer-
gebirge, ein Rundturm in Einbeck (15. Jahrhundert), mehrere Türme in Hameln (1401–66) und der „Schnabelturm“ im schlesischen Striegau von 1378. Wehrgänge, die über unten dickere Mauern (und teils zusätzliche Konsolen) geführt sind, kann man noch in Bacharach und Oberlahnstein am Mittelrhein sehen, am „Balkenturm“ in Borgentreich (Westfalen) sowie an einem Rundturm in (Bad) Hersfeld. Auf Rundbögen um den Turm geführt sind schließlich Wehrgänge in Steinheim am Main und Reinheim im Odenwald. Bei all diesen Beispielen handelt es sich um kleine Städte und Türme, die vom 14. Jahrhundert bis zum mittleren 15. Jahrhundert entstanden. Zusammenfassend darf also zum „normalen“ Mauerturm in Deutschland gesagt werden, dass er außer seiner Funktion in der Verteidigung kaum weitere Aufgaben zu erfüllen hatte und dass er dieser Hauptaufgabe fast immer in eher Abb. 54 Witzenhausen (Hessen), der Diebesturm (1413) ist ein typisches Beispiel, wie der Wehrgang stadtseitig auf Konsolen um den Turm herumgeführt wurde; die Holzteile sind selbstverständlich modern.
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schlichter Weise entsprach – er setzte auf Höhe und meist auch auf Schießscharten, aber kaum auf Flankierung. Lediglich auf seine Einbindung ins System der gesamten Mauer und ihrer Wehrgänge wurde konsequent geachtet. Der „anonyme“ Charakter der Türme spiegelte sich im Übrigen auch in ihren Bezeichnungen. Wir kennen sie erst aus spätmittelalterlichen Quellen, als viele Türme schon seit Längerem existierten und auch ihre Bezeichnungen Zeit gehabt hatten, sich herauszubilden. Diese „Namen“ sind im Allgemeinen – und bei den Tornamen wird Ähnliches festzustellen sein – von pragmatischer Art, das heißt, sie wurden beispielsweise nach den Farben ihrer Dächer oder des Putzes, anderen Auffälligkeiten des Äußeren („Storchenturm“), meist aber nach angrenzenden Bauten, deren Funktionen oder Besitzern genannt. Dabei ist auch oft festzustellen, was die Forschung nicht eben erleichtert, dass die Bezeichnungen wechselten oder verschiedene gleichzeitig in Gebrauch waren. Die Türme als Einzelbauten waren auch nach diesen Indizien in den Augen der Zeitgenossen offenbar eher Gebrauchsgegenstände als Symbole. 2.2.4.2. Nichtdefensive Nutzungen der Türme Warum Mauertürme im Mittelalter kaum zum Wohnen genutzt wurden, obwohl dies bei der Enge vieler Städte, der Armut mancher Bewohner und dem ungenutzten Volumen der Türme auf den ersten Blick nahezuliegen scheint, war schon bei den Ausführungen über die Mauergasse (vgl. 2.2.3.6.) begründet worden. Die Standund Bewegungsflächen der Verteidiger, also Wehrgänge und Turmräume, mussten frei gehalten werden, und mit unabgestimmten Aktionen der Stadtbewohner, die dies behindert hätten, musste grundsätzlich immer gerechnet werden. Nebennutzungen der Türme wurden daher sicherlich aus dem gleichen Grunde vermieden, wie Mauergassen geschaffen wurden, nämlich, um die Verteidigungsfähigkeit nicht einzuschränken. Aber waren die Türme anfangs wirklich nie bewohnt? Nachdem ein hoher Prozentsatz der Stadtmauertürme in der Neuzeit, nach Aufgabe der Verteidigungsfunktion, zum Wohnen und anderen Zwecken umgebaut worden ist, ist zunächst zu fragen, an welchen Merkmalen eine 98 I. Systematischer Teil
auch ursprüngliche Bewohnbarkeit der Türme denn heute noch erkennbar wäre. Aborterker sind an den Türmen recht häufig, in der Regel auf der Höhe der anschließenden Wehrgänge oder im obersten Geschoss, und zwar verständlicherweise an der Grabenseite. Bewohnbarkeit beweisen sie nicht, denn auch die Wachen und Verteidiger benötigten solche Einrichtungen. Überhaupt ist der Aufenthalt der Verteidiger in den geräumigeren und besser vor der Witterung geschützten Türmen etwas, womit man zu rechnen hat und was auch weitere Merkmale der Türme erklären könnte, die man sonst einer Wohnfunktion zurechnen würde. Insbesondere gilt dies für die Durchfensterung, denn natürlich benötigten die Innenräume der (Voll-)Türme ein Minimum an Licht, auch dann, wenn sie nicht bewohnt waren, und sei es nur, um das Benutzen der Treppen zu erleichtern. Bei Weitem die meisten originalen Fenster an Stadtmauertürmen erfüllen nicht mehr als diesen Anspruch, das heißt, sie sind in der Regel klein und rechteckig und verzichten auch fast immer auf Profilierung und weiteren Schmuck. Dass man ihnen kaum technische oder gestalterische Aufmerksamkeit zuwandte, wird deutlich etwa auch im Rheinischen Schiefergebirge, wo Fenstergewände aus Basalt oder Sandstein besonders wichtig gewesen wären, weil das örtliche mörtelreiche Schiefermauerwerk besonders zum Zerbröckeln neigt. Man findet trotzdem fast nur gemauerte Gewände aus Schiefer, die stets witterungsgefährdet waren, oder bestenfalls Blockzargen aus Holz; aus größerer Entfernung zu beschaffende Werksteine galten für Mauertürme offenbar als zu teuer. Nur ganz selten zeigen Mauertürme Fenster, die, etwa als Doppel- oder Kreuzstockfenster, einen höheren formalen Anspruch erheben und damit an zeitgenössische Bürgerhäuser oder Burgen erinnern. Derartiges fand man etwa – nur als Auswahl – am achteckigen Eckturm in Hainburg / Donau, am rechteckigen „Ketzerturm“ in Zürich und auch am „Langen Turm“ in Aachen, beide aus dem 13. Jahrhundert. Aus dem 14. Jahrhundert kann man entsprechend etwa den „Straubinger Turm“ in Cham (Oberpfalz) zitieren und nach 1337(?) erbaute Schalentürme in Quedlinburg, wo die spitzbogigen Doppelfenster genast sind und damit schon fast schmuckreich wirken; der
große „Graue Turm“ in Fritzlar zeigt ein Kreuzstockfenster zum Graben hin (Abb. 55). Sind nun solche seltenen Fenster Belege für bewohnbare Räume im Turm? Wohl nicht zwingend, denn ihre Funktion kann auch ornamental gewesen sein, ein Versuch, den allzu kahlen Turmkörper etwas zu akzentuieren. Insbesondere kommt man auf diese Idee, weil die Fenster überwiegend an der Feldseite der Türme angebracht sind, wo sie die Außenwirkung der Stadt bereichern und notfalls als Schießscharten dienen konnten, wo sie aber zugleich den Schüssen der Angreifer im direktesten Sinne „offen standen“, während eine Verlegung an die Stadtseite dies ohne Nachteile verhindert hätte. Einen wirklich bewohnbaren Raum in Stadtmauertürmen wird man nach alledem nur dann erkennen können, wenn eine Mehrheit von Merkmalen – Abort, Fenster, Kamin und andere – die Wohnfunktion belegt. Ein solcher Turm muss entweder gut erhalten und zugänglich sein oder seine Merkmale müssen durch Bauforschung eindeutig nachgewiesen sein. Beide Fälle sind recht selten und daher kann bisher nur eine sehr geringe Anzahl von Türmen genannt werden, in denen sich Menschen von Anfang an dauerhaft und halbwegs bequem aufhalten konnten. Der deutlichste Fall ist der inschriftlich und dendrodatierte „Kaiserturm” in Villingen (1370–72), in dem eine Stube mit Kachelofen lag, die feldseitig ein Gruppenfenster mit Kreuzblumenbekrönung besitzt (Abb. 56). Der runde „Dicke Turm“ in Euskirchen (nach 1355) hat einen Gewölberaum mit Fenstern und Kaminen; in beiden Fällen wird man nicht eigentlich einen Wohnraum vermuten, sondern eher einen Raum für das Kommando im Belagerungsfall, vielleicht noch eher eine Stube für Feste und Gelage, etwa des Rates oder einer Zunft. In Gundelsheim am Neckar besitzt ein Rundturm gegen den Neckar über der Wehrplatte noch ein weiteres Geschoss mit Rechteckfenstern und einem Erker; die Nähe zur Burg, die über ein kurzes Wehrgangstück erreichbar war, deutet hier auf eine Art „Belvedere“, das eigentlich auf die Burg zu beziehen ist. Am Mittelrhein findet man etwa in Sankt Goarshausen, gleich zweimal in Kaub, in Bacharach und Rhens quadratische oder runde Ecktürme am Rhein, mit mehreren beheizbaren, gut durchfensterten, über einen Treppenturm
Abb. 55 Fritzlar (Hessen), „Grauer Turm“. Aufwendigere Fenster formen, die in ihrer Formgebung über Lichtschlitze und kleine Rechteckfenster hinausgehen, sind an Stadtmauertürmen selten; hier ein Kreuzstockfenster an der Feldseite des „Grauen Turms“
zugänglichen und teils gewölbten Geschossen (Abb. 405). Hier darf man nun sicherlich an den Sitz von Amtsträgern denken, am verkehrsreichen Mittelrhein vor allem an den eines Zolleinnehmers; in Monheim steht neben dem landseitigen Haupttor ein gut erhaltener Wohnturm der Zeit um 1420, der wohl analog zu deuten ist. Auch die monumentalen „Wahrzeichentürme“ an den Ecken mehrerer rheinischer Städte (Oberwesel, Andernach, Köln; vgl. 2.2.4.10.) mögen sich aus solchen Funktionen entwickelt haben, betonten aber primär die Symbolwirkung. Im Ordensland Preußen schließlich findet man mehrfach neben der Pfarrkirche rechteckige Ecktürme mit ungewöhnlichem, die anderen Türme deutlich übertreffendem Volumen. Sollten es die 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Wohnungen der Pfarrer gewesen sein, die bei der recht einheitlichen Entstehung der dortigen Gründungsstädte mitgeplant und mitausgeführt wurden? Abb. 56 Villingen (Baden-Württemberg), die Feldseite des „Kaiserturms“ (1370–72) mit dem Gruppenfenster einer beheiz baren Stube im Geschoss unter der Wehrplatte – seltenes Beispiel eines besser nutzbaren Raumes in einem Stadtmauerturm (B. Jenisch, Villingen, 1999).
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Insgesamt unterstreichen diese wenigen Bauten, für die es eine wahrhaft erdrückende Anzahl von Gegenbeispielen gibt, die oben schon getroffene Feststellung, dass Stadtmauertürme im deutschen Raum in der Regel einfach ausgestattete, nur defensiven Zwecken dienende Bauten waren. Die Ausnahmen scheinen jeweils Sonderlösungen, keineswegs Beispiele eines Typus. Zwar werden genauere Untersuchungen erhaltener und umgebauter Türme die Anzahl der Fälle sicherlich vermehren, aber angesichts des schon jetzt erkennbaren extremen Zahlenverhältnisses dürfte sich schwerlich etwas an der Kernaussage ändern, dass bewohnbare Türme Ausnahmen waren. Anders steht es mit einer weiteren Funktion der Türme, die ebenfalls mit dem „dauernden Aufenthalt von Menschen“ zu tun hat, wenn auch unter recht anderen Türme als Gefängnis Vorzeichen: Sie dienten als Gefängnisse. Neben der Bezeichnung „Pulverturm“ sind jene Namen, die auf die Gefängnisfunktion der Türme hinweisen, wohl die häufigsten: „Bürgerturm“, „Diebsturm“, „Hexenturm“, „Fronfeste“, „Faulturm“, „Stock(haus)turm“, „Schuldturm“ und „Arrestturm“ (Schlesien), „Folterturm“ und „Malefizturm“ (Schwäbisch Hall), „Bürgergehorsam“ und andere mehr. Die Anfänge auch dieser Funktion lagen wahrscheinlich im Mittelalter, als die leeren, aber mauerstarken und ohnehin von Wachen kontrollierten Türme sich dafür geradezu anboten. Reste aus so früher Zeit gibt es aber kaum, erklärlich aus der Primitivität der damaligen „Ausstattung“, außer festen Türblättern oder Bodenklappen und Ringen zum Anschließen der Ketten ist hier wenig zu erwarten. Immerhin gehört der älteste Fall, als ein Turm nachweislich als Gefängnis umgebaut wurde, noch ins Mittelalter, ein „1431” bezeichneter Eckturm in Forchtenberg (Württembergisch Franken); ob ein von vornherein mit Abschlusswand errichtetes Wiekhaus in Rössel im Ordensland wirklich von Anfang an, also im 14. Jahrhundert, ein Gefängnis gewesen ist, wäre zu prüfen. 1548 jedenfalls war der Turm am „Eckstädter Tor“ in Freyburg / Unstrut schon ein Gefängnis und der 1556 erbaute „Spittelturm“ in Bremgarten, der bis Anfang des 19. Jahrhunderts als Gefängnis diente, bewahrt eine Fülle von Inschriften und Graffiti. Die enorme Mehrzahl der erhaltenen Gefängnistürme – oft sind es die ein-
zigen, die aufgrund ihrer Funktion die Zerstörung der Mauer überlebten – verdankt ihre überlieferte Form aber erst dem 18. / 19. Jahrhundert, wobei Reste älterer Ausstattungen verschwanden. Auch die Quellen zu den Gefängnissen sind weit überwiegend erst neuzeitlich. Die Art der Ausbauten ist prinzipiell immer ähnlich und kann etwa am untersuchten Turm des „Marientores“ in Naumburg belegt werden (Abb. 57). Es entstand ein neues Treppenhaus, die Zellen wurden durch Querwände abgetrennt; größere, vergitterte Fenster und von außen heizbare Öfen belegen verbesserte Einsichten in menschliche Minimalbedürfnisse. Die typischen, rechteckigen und axial geordneten Gitterfenster sind das Merkmal, das solche Umbauten bis heute auch von außen kenntlich macht. Eine Wächterwohnung wurde nun gern in der Nähe untergebracht, weshalb Toranlagen besonders geeignet waren (Abb. 498), auch mehrere kleinere Zellen pro Geschoss waren denkbar. Das Ende dieses räumlich allzu beschränkten Gefängnistypus kam im 19. Jahrhundert, als mit dem rapiden Anstieg der Bevölkerungszahlen viel größere Gefängnisse neuen Typs erbaut wurden. Ein Turm, der durch einen Anbau im Volumen lediglich verdoppelt wurde, wie die Günzburger „Fronfeste“ war nun eine Ausnahme. Eine eher seltene, aber optisch wirkungsvolle Nebenfunktion von Stadtmauertürmen war die als Windmühle. Der Mühlentypus des „Holländers“ verfügt über ein drehbares Oberteil auf einem hohen, festen Unterbau, wofür sich ein Mauerturm geradezu anbot; die Mühle war natürlich in Kriegszeiten sehr gefährdet, aber im Frieden profitierte sie von der Höhe des Turmes. Bei besonderer Höhe musste das drehbare Oberteil von einer umlaufenden Galerie aus bewegt werden („Galerieholländer“). Eine solche Galerie in noch gotischen Formen findet man bei einem ehemaligen Tor in Köln (vor 1446; Abb. 199); dort gab es früher mehrere der Art. In Kempen ist eine Mühle auf 1581 datiert, die anderen, auch am Niederrhein, sind in der Regel noch jünger; auch die Mühlen auf den Türmen stellten also eine weitgehend erst nachmittelalterliche Nutzung der Stadtmauertürme dar. Schließlich sei der „Zytturm“ in Luzern erwähnt, der schon mit seiner Errichtung 1403 eine große, aus der ganzen Stadt sichtbare Uhr
Abb. 57 Naumburg (Sachsen-Anhalt), „Marientor“, Turmgeschosse mit Gefängniszellen wohl des frühen 19. Jahrhunderts. Die Zellen waren durch Öfen beheizt, die durch den Wärter von der gleichzeitig eingebauten Treppe aus bedient wurden (vgl. Abb. 147; Th. Biller in: Forschungen zu Burgen und Schlössern, Bd. 5).
erhielt – als öffentliche Uhr zeittypisch, während aber sonst eher Rathaus- und Kirchtürme diese Funktion übernahmen. 2.2.4.3. Turmlose und turmarme Mauern Türme gehören zwar unabdingbar zur heutigen Vorstellung einer mittelalterlichen Stadtbefestigung, in der Realität jedoch waren Mauern, die keine oder fast keine Türme besaßen, ausgesprochen häufig. Deutlich wird dies vor allem dann, wenn man ausschließlich die Mauertürme betrachtet, also die Tortürme mit ihrer anderen Funktion beiseitelässt. Wenn eine Mauer außer an den Toren keine Türme besitzt, wird sie im Folgenden als „turmlos“ bezeichnet und als „turmarm“, wenn sie nur einen Mauerturm aufweist. Die Betrachtung wird zeigen, dass turmlose und turmarme Mauern einerseits in der Frühzeit der Stadtmauern auftraten – oft wohl auch ohne Tortürme, also wirklich vollkommen turmlos (vgl. 2.2.6.1.) –, andererseits aber auch noch bei den späten Mauern kleinerer Städte. Der Nachweis, dass eine Mauer wirklich keine Türme besaß, ist dabei nicht einfach zu erbrin2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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gen, denn ihr pures Fehlen stellt ja noch keinen Beweis dar; sie könnten schließlich später abgebrochen sein. Streng genommen, bedarf es also einer vollständig erhaltenen Mauer, um sagen zu können, dass Türme effektiv nie vorhanden waren, und Derartiges gibt es bekanntlich nur noch sehr selten. In der Praxis kann man anfänglich turmlose oder turmarme Mauern aber auch dann wahrscheinlich machen, wenn Türme eindeutig sekundäre Anbauten sind, und zwar mehrere Türme und nicht solche untergeordneter Art, sondern Haupttürme an wichtigen Stellen der Mauer, etwa an Ecken. Besonders, wenn dieses Phänomen bei bedeutenden und früh ummauerten Städten auftritt, wird man an eine anfangs turmlose Mauer denken dürfen. Selbstverständlich – und das sei bei so diffiziler Problemstellung nochmals besonders unterstrichen – können Grabungen, Bauuntersuchungen und eventuell Quellen auch in solchen Fällen gelegentlich Türme „zum Vorschein bringen“, die unbekannt waren; Beispiele bieten etwa die frühen Mauern von Basel und Worms. Dass aber gleich mehrere Türme entdeckt werden, sodass eine turmarme komplett zu einer „turmreichen“ Mauer umdeklariert werden müsste, ist doch eher unwahrscheinlich. Die frühen turmlosen und turmarmen Mauern, entstanden bis Mitte des 13. Jahrhunderts, findet man vor allem entlang der Rheinschiene und in der Nordschweiz, was zwanglos damit zusammenhängt, dass hier ohnehin die frühesten Mauern entstanden. Speyer, die um 1070–1100 entstandene, offenbar älteste mittelalterliche Mauer Deutschlands, zeigt keiTurmlose Mauern nerlei Hinweise auf Tor- oder bis Mitte des Mauertürme; diese wurden 13. Jahrhunderts offenbar erst ab dem mittleren 13. Jahrhundert ergänzt. In Basel („Burkhardsmauer“, um 1080–1100) ist neuerdings ein ursprünglicher Eckturm erwiesen; mindestens ein Rechteckturm wurde außerdem relativ bald vorgesetzt (Abb. 99; für den Eckturm mag es ein nur noch indirekt belegbares Pendant in Worms gegeben haben). Befestigungen des 12. Jahrhunderts, die erst im 13. Jahrhundert Türme oder zumindest Tortürme erhielten, findet man auch in Duisburg (um / nach 1120 / 25) und in den Zähringerstädten, von denen der mauerbekleidete Wall von Freiburg im Breisgau 102 I. Systematischer Teil
(um 1120–50, Tortürme ab der Zeit um 1200) das älteste Beispiel bietet. Das andere Freiburg erhielt bald nach 1157(?) eine Mauer an der Angriffsseite, ähnlich Bern (um 1200?), wobei Tortürme nicht vor etwa 1230 belegbar sind. Beide Städte befestigten noch im 13. Jahrhundert Vorstädte und auch dort verzichtete man noch auf Mauertürme. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gab es am Oberrhein erste Tortürme, etwa in Freiburg, und beispielsweise in Worms oder Straßburg wurden auch schon Mauern errichtet, die ausgesprochen turmreich waren. Dennoch entstanden in spätstaufischer Zeit weitere turmlose Mauern, teils in Reichs- und anderen wichtigen Städten; in dieser Phase gibt es auch erste Beispiele weiter östlich. Das pfalzgräfliche Heidelberg erhielt eine 1225 erwähnte Mauer mit abgerundeten Ecken (Abb. 330), deren Türme und Tortürme nach allen Indizien erst im 14. / 15. Jahrhundert ergänzt wurden. Das nach 1227 ummauerte, kleinere Eberbach / Neckar ist ein wertvoller Fall, weil alle vier Ecktürme erhalten und eindeutig sekundär sind und weil sogar eines der romanischen, turmlosen Tore erhalten ist (Abb. 104) – ein besseres Bild einer turmlosen romanischen Mauer gewinnt man heute nirgends mehr. Weiter neckaraufwärts war die Mauer von Heilbronn wohl 1241 schon fertig, aber ihre erhaltenen Ecktürme entstanden erst im 14. Jahrhundert; ähnlich kann man Marbach beschreiben. Auch die Reichsstädte Esslingen und Reutlingen besaßen schon gegen Mitte des 13. Jahrhunderts Mauern; die Buckelquadermauer in Esslingen besaß Tortürme, aber offenbar keine weiteren Türme, in Reutlingen wurde der Wehrgang sekundär verbreitert und das Tübinger Tor ist wenige Jahrzehnte jünger. In Villingen schließlich, wo zahlreiche Dendrodaten vorliegen, entstand die Mauer im frühen 13. Jahrhundert, die Tortürme um 1230–70 und die sonstigen Türme erst Ende des 14. Jahrhunderts. Außerhalb des südwestdeutschen Raumes sind die erkennbaren Beispiele früher turmarmer Mauern selten. Oberwesel am Mittelrhein besaß anfangs einen einzigen Halbrundturm zur Bergseite, 1241 / 42 dendrodatiert und fraglos von der turmreichen Kölner Mauer angeregt. Das münzenbergische Dieburg hatte eine turmlose Mauer mit abgerundeten Ecken, was an Heidel-
berg erinnert; die bis zum 14. / 15. Jahrhundert turmlose Mauer von Münzenberg selbst dürfte Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sein. Weiter östlich, wo ohnehin nur wenige Mauern vor 1250 entstanden, sind die Beispiele der turmarmen Mauer noch seltener. Schongau im Voralpenland, sicher noch 1225 / 40 befestigt, besitzt eine voll erhaltene Mauer, deren Tor- und Mauertürme alle erst ins 15. Jahrhundert gehören. In Wertheim am Main fehlen alle Hinweise auf ursprüngliche Türme der spätromanischen Mauer und in Mühlhausen / Thüringen steht es ähnlich, wobei turmlose Ecken gut erhalten sind. Für das nahe Gotha (Mitte des 13. Jahrhunderts) ist Turmlosigkeit aus alten Abbildungen belegbar. Bis Mitte des 13. Jahrhunderts – also grob bis zum Ende der Romanik – könnte man turmlose oder turmarme Mauern auch in dem Sinne interpretieren, dass Türme noch nicht „in Mode“ waren; Turmlose Mauern ab Ende des 13. Jahr dementsprechend müsste hunderts sich diese Art Mauer ab dem späten 13. Jahrhundert verlieren. Das war jedoch nicht der Fall, vielmehr finden sich ganze Landschaften, in denen weiterhin turmlose und turmarme Mauern vorherrschten, und auch dort, wo das nicht der Fall war, kamen einzelne turmarme Kleinstadtmauern zumindest vor. Da es sich nun, in der „Boomphase“ des Stadtmauerbaues, meist um kleinere Städte handelte, bestätigt dies letztlich den Aspekt der Finanzschwäche, der zum vorläufigen oder auch endgültigen Turmverzicht führte. Turmlosigkeit – immer mit Ausnahme der Tortürme – war in dieser Phase praktisch für den gesamten Alpenraum typisch, also für die österreichischen Alpenländer, Tirol und die deutschsprachige Schweiz, auch für das Voralpenland in Österreich, Bayern, Oberschwaben und schließlich das Oberrheingebiet. Vor dem 15. Jahrhundert war hier ein einziger Mauerturm pro Mauer schon eine seltene Ausnahme. Im Elsass setzte sich die Tradition der turmlosen Kleinstadtmauer aus romanischer Zeit (Maursmünster, Neuweiler, Egisheim, Rosheim, Rufach) bis ins mittlere 14. Jahrhundert fort und auch in Baden waren Mauertürme bis 1300 Ausnahmen (Freiburg / Neuburg, Waldkirch, Lichtenau) und blieben es zumindest im Südteil des Landes bis zum 15. Jahrhundert. In der Schweiz bietet das
ergrabene, 1292 ersterwähnte und nach der Ermordung König Albrechts 1309 zerstörte (Alt-) Eschenbach eine schöne „Momentaufnahme“ einer turmlosen Kleinstadtmauer; sie war noch unvollendet, sollte aber eine gemauerte Contrescarpe erhalten (Abb. 58). Im bayerischen Schwaben ist die 2,7 km lange äußere Mauer von Nördlingen (um 1327–90) erwähnenswert, denn ihr hervorragender Zustand lässt die Aussage zu, dass alle Türme erst nachträglich angefügt wurden. Das Rheinland stellte unter jenen überwiegend westlichen Landschaften, die schon im 13. Jahrhundert zahlreiche Mauern entstehen sahen, die Ausnahme dar. Hier hatte schon Köln vor 1250 und dann ein deutlicher französischer Einfluss zur frühen Verbreitung von Mauern mit eng gereihten Rundtürmen geführt (vgl. 2.2.4.6.). Dennoch gibt es auch hier turmarme Einzelfälle, etwa die ab 1257 entstehende äußere Mauer von Aachen, die anfangs kaum Türme besaß. Schon direkt östlich, in Hessen, sah die Lage ganz anders aus, weil der Höhepunkt des Mauerbaues erst später einsetzte. Gibt es am hessischen Oberrhein um / nach 1300 zumindest einzelne turmlose Kleinstadtmauern (Steinau, Lindenfels, vielleicht Neckarsteinach, Zwingenberg), die an den badischen Raum anschließen, so findet man im nördlichen (Ober-)Hessen gleichzeitig nur unklare Verdachtsfälle turmloser Befestigungen (Grebenstein, Eschwege, Lauterbach, Gudensberg, Melsungen, etwas deutlicher Allendorf), während der Höhepunkt des Mauerbaues erst um 1350–1500 lag, mit nahezu genormten Rundtürmen (vgl. 2.2.4.6.). Überhaupt war es Merkmal der östlicheren Gebiete, dass die meisten Mauern erst im 14. / 15. Jahrhundert entstanden, wobei dann schon ein gewisser Turmreichtum üblich war, aber daneben immer noch turmarme Mauern vorkamen. So scheinen in der Oberpfalz die dort frühen Mauern von Cham (vor 1266) und Nabburg anfangs turmlos gewesen zu sein. In Franken einschließlich Württembergisch Franken war die turmlose oder turmarme Kleinstadtmauer im späteren 14. und frühen 15. Jahrhundert durchaus noch normal, obwohl gerade hier bei den mittleren und großen Städten Turmreichtum üblich war, mit berühmten Beispielen wie Rothenburg oder Dinkelsbühl, von Nürnberg 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 58 Alt-Eschenbach (Schweiz), eine wohl im 13. Jahrhundert gegründete und 1309 schon wieder zerstörte Zwergstadt im Kanton Luzern, im Anschluss an eine ältere Burg, wurde 1944 / 45 ergraben. Sie war von einer turmlosen Mauer umgeben (W. Drack in: Innerschweizerisches Jahrbuch für Heimatkunde 19 / 20, 1959 / 60).
zu schweigen. Auch Thüringen kann ähnlich beschrieben werden; nach einer romanischen turmarmen Mauer wie Mühlhausen und neben jüngeren, durchaus turmreichen Mauern gab es noch im 15. Jahrhundert Kleinstadtmauern ohne Türme wie etwa Kölleda oder Clingen; aussagekräftig ist auch ein Fall wie Freyburg / Unstrut, dessen turmlose Mauer, wohl aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, erst Mitte des 15. Jahrhunderts mit 14(!) Rundtürmen verstärkt wurde. Das angrenzende Sachsen bleibt wegen der fast völligen Zerstörung seiner Mauern auch hier eine Erkenntnislücke. Eine bemerkenswerte Ausnahme war dagegen Schlesien, dessen Mauerbau im 13. Jahrhundert mit einer bemerkenswerten Vielfalt von turmreichen Mauerformen begann und erst ab Mitte des 14. Jahrhunderts zu sparsameren Mauern überging(!), bei denen Türme fast nur noch neben den Toren standen (vgl. Brandenburg, Sachsen-Anhalt); vor Mitte des 14. Jahrhunderts scheint diese Form kaum nachweisbar (Habelschwerdt, Groß-Strehlitz, Pitschen, Sagan?). Die weitgehend erhaltene Mauer von Neumarkt bei Breslau zeigt das Ende dieser Entwicklung: Im 14. Jahrhundert turmlos begonnen, fügte man bald (brandenburgisch beeinflusste?) Wiekhäuser und Wehrerker hinzu; im 15. Jahrhundert wurden schließlich die ältesten Teile mit vorgesetzten Halbrundschalen verstärkt. Im norddeutschen Flachland, das eher mauerarm war und wo wenig erhalten ist, kann man 104 I. Systematischer Teil
nur näher untersuchte Einzelbeispiele turmloser Mauern nennen. So fehlen Belege für Türme der ins 12. Jahrhundert zurückgehenden Braunschweiger Mauer und auch an die um 1230–44 erbaute Mauer von Helmstedt wurden die Türme erst im 14. / 15. Jahrhundert angebaut; in (Hannoversch) Münden ist die ab 1247(?) erbaute Mauer archäologisch erwiesen (Abb. 430), ihre erhaltenen Halbrundtürme gehören aber alle erst in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaute schwache Backsteinmauer von Buxtehude erhielt erst nachträglich (Eck-)Türme. Im Bereich der Magdeburger Börde gibt es schließlich eine ganze Gruppe kleinststädtischer Mauern des 15. Jahrhunderts, wo Türme nur neben den Toren standen, manchmal erkennbar erst nachträglich hinter die Mauer gesetzt (Aken, Burgtor; Hettstedt, Turm 1434). Die Wiekhausmauern Brandenburgs schließlich, um 1300 entwickelt und das gesamte 14. Jahrhundert beherrschend, waren eines der eindrucksvollsten Beispiele von turmreichen Mauern im deutschen Raum. Dennoch gab es auch hier in der Frühzeit vor 1300 Einzelbeispiele von Mauern, die zumindest turmarm waren (Brandenburg, Stendal, Berlin, Zerbst in Sachsen-Anhalt); Zielenzig, 1519 im Bau, ist mit seinen lediglich zwei Türmen ein ganz isoliertes Beispiel einer sehr späten turmarmen Mauer in Brandenburg. Die beachtliche Anzahl von turmlosen und turmarmen Mauern, die über das gesamte Mit-
telalter hin zu beobachten ist – angesichts der Schwierigkeit, den Befund sicher nachzuweisen, hat man zudem eine hohe Dunkelziffer anzunehmen –, bedeutet offenbar, dass die Errichtung einer Mauer zunächst ohne Türme ein verbreitetes Verfahren war, und zwar nicht nur in den Anfängen des Mauerbaues, sondern auch bei den weit zahlreicheren Mauern des Spätmittelalters. Ist diese Tatsache bisher höchstens hier und dort angedeutet worden, so ist sie doch relativ gut erklärlich. Die Mauer stellte auch ohne Türme durchaus schon einen Schutz dar, der den von einem Wall oder einer Palisade gebotenen deutlich übertraf; insoweit war es bei begrenzten Mitteln durchaus sinnvoll, ihren Ring zunächst zu schließen und die Errichtung der Türme auf später zu verschieben. Dies dürfte etwa in Fritzlar so gewesen sein, wo das Franziskanerkloster 1237 Baugelände „vom Tor bis zum nächsten Turm“ erhielt, wobei aber die Mauer im 13. Jahrhundert an dieser Seite noch turmlos war und der betreffende Turm ein Bau erst des 14. / 15. Jahrhunderts ist; dennoch war er 1237 offenbar schon geplant! 2.2.4.4. Anordnung und Gruppierung Die turmlose oder turmarme Mauer war, obwohl häufiger als meist angenommen, insgesamt doch eindeutig die Ausnahme bei den deutschen Stadtbefestigungen. Normal war vielmehr jene Art von Mauer, die in halbwegs regelmäßigen Abständen mit Türmen verstärkt war, sodass nicht die vergleichsweise niedrige und unakzentuierte Mauer allein die Außenwirkung der befestigten Stadt bestimmte, sondern eben der „Kranz“ der Türme. Dieses Bild war und ist noch immer so suggestiv, dass es in der Regel nicht nur für das häufiger auftretende Phänomen, sondern für das Bild der Stadtmauer schlechthin gehalten wird. Unter formalen Gesichtspunkten gibt es im Prinzip zwei Typen der turmreichen Mauer, mit ganz unterschiedlicher Wirkung. Die Turmreihung kann betont regelmäßig gestaltet sein, das heißt, die Türme sind von gleicher oder fast gleicher Form, Dimension und Detailgestaltung und sind zudem in gleichbleibenden Abständen angeordnet. Dies ergibt ein Bild von betontem Gleichmaß, wie man es in der gleichzeitigen Architektur sonst nur im Sakralbau findet, in der Pfeiler- und Fensterreihung der Kirchenschiffe,
Kreuzgänge oder Strebewerke. Der andere Fall besteht darin, dass zwar viele Türme mit der Mauer verbunden sind, dass ihre Abstände aber keineswegs gleich sind und dass vor allem die Türme selbst mehr oder minder unterschiedlich aussehen. Die Wirkung einer solchen Stadtmauer ist weit abwechslungsreicher oder „malerischer“, obwohl die zusammenfassende Wirkung des Turmkranzes grundsätzlich dieselbe ist. Bevor die Begründung und Verbreitung dieser beiden unterschiedlichen Fälle untersucht werden, sei ein seltener Sonderfall der Turmgruppierung angesprochen, der im Grunde zu den schon angesprochenen Fällen turmarmer Mauern gehört, aber durch die besondere Anordnung des einzigen Mauerturmes bestimmte entwicklungsgeschichtliche Aspekte berührt. Bei einer geringen Anzahl südwestdeutscher Stadtbefestigungen der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden Türme nämlich in einer Weise eingesetzt, die unmittelbar aus dem gleichzeitigen, in dieser Region hoch entwickelten Burgenbau abgeleitet scheint. Am deutlichsten tritt dies in (Schwäbisch) Hall entgegen, das quasi auf einem Sporn liegt und seine entsprechend ausgeprägte Angriffsseite durch die Anordnung eines Rechteckturmes in ihrer Mitte sicherte; da Mauertürme fehlten und die Tortürme tiefer standen, ergibt sich das Bild einer ungewöhnlich ausgedehnten Burg mit „Frontturm“ (Abb. 59). Noch eindrucksvoller ist der Rottweiler „Hochturm“ (Abb. 78), der nachträglich auf den die Stadt überragenden Berg gesetzt und mit ihr durch Schenkelmauern verbunden wurde; er ist nicht nur augenscheinlich der früheste Mauerturm, der in Baden-Württemberg erhalten ist, sondern er spielte auch eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Schalentürme (vgl. 2.2.4.8.). Verwandte Fronttürme in Städten findet man in Waldenburg („Lachnersturm“; Abb. 389), rechteckig wie in Hall, und in Waiblingen. Esslingen schließlich schützte sich in einer ersten, an Rottweil erinnernden Erweiterung nicht durch einen Turm auf dem überragenden Berg, sondern durch eine breite Schildmauer. Dass derartig burgähnliche Lösungen für Stadtbefestigungen so selten geblieben sind, dürfte seinen Hauptgrund darin haben, dass die durchschnittliche Größe mittelalterlicher Städte in aller Regel einen Bauplatz mit nur einer An2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 59 Schwäbisch Hall (Württembergisch Franken), Rekonstruktionsversuch der Stadtmauer in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Türme 8 und 9 und der Zwinger am „Schiedgraben“ sind aber fraglos jünger. 14 ist der bergfriedartige „Folterturm“. (E. Krüger, Die Stadtbefestigung von Schwäbisch Hall, 1966).
griffsseite ausschloss. Sobald aber lange Partien der Mauer in gleichem Maße angreifbar und durch mehrere Türme geschützt waren, konnte von einer Ähnlichkeit mit den weit kleineren und zumeist eintürmigen Burgen keine Rede mehr sein. Unter den beiden oben definierten Fällen der vieltürmigen Mauer war in Deutschland der „malerische“ Fall mit verschiedenartigen, etwas unregelmäßig verteilten Türmen eindeutig häufiger, wobei das Schwergewicht dieser Art Mauer erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und im 15. Jahrhundert lag. Eine der einfachsten Erklärungen für diese Feststellung liegt darin, dass bis zu dieser Spätzeit schon recht viele Mauern verstärkt worden waren und dass diese Verstärkungen meist in Türmen bestanden, die mehr oder minder pragmatisch gestaltet wurden und damit das unregelmäßige Erscheinungsbild der Mauer verstärkten. Die erhebliche Anzahl anfangs turmloser oder turmarmer Mauern (vgl. 2.2.4.3.) war ein wichtiger Grund für die sekundäre Anfügung von Türmen, aber ein anderer dürfte auch in einem Wandel der ästhetischen Vorstellungen gelegen haben. Denn in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte es durchaus schon Mauern mit recht regelmäßig gereihten und gleichförmigen Türmen gegeben und auch im 14. / 15. Jahrhundert gab es wichtige Beispiele dafür, von spätrömischen Vorbildern und solchen außerhalb Deutschlands ganz abgesehen. Auch beim Anbau einzelner Türme hätte 106 I. Systematischer Teil
man diesem Ideal der Regelmäßigkeit schließlich nacheifern können. Das ästhetische Ideal der Spätgotik, das zum Abwechslungsreichen und Komplexen tendierte, im Extremfall sogar zum Krausen und Skurrilen, dürfte also bei der Gestaltung der Mauern ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts durchaus eine Rolle gespielt haben (s. 2.2.11.1.). Im 13. Jahrhundert war die formale Variationsbreite noch ebenso eng begrenzt wie die Anzahl der Fälle. Ein noch romanisches Beispiel bietet etwa Hainburg bei Wien, wo manche von den regelmäßig angeordneten quadratischen Türmen übereck stehen und ein Eckturm achteckig ist; um 45 Grad gedrehte Türme, vor allem an den Ecken, findet man auch sonst an relativ frühen Mauern Österreichs, gelegentlich sogar Fünfecktürme (Wiener Neustadt, Laa / Thaya, Leoben, Bruck / Mur). Auch etwa im Neckarland herrschte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts der rechteckige Turm vor, wobei die seltenen Türme aber nur an wichtigen Stellen und daher ziemlich unregelmäßig stehen. Unter jenen Mauern, die ab den 1330er Jahren den Höhepunkt der „malerischen“ Turmgruppierung bildeten, zeigen aus naheliegenden Gründen die ausgedehnteren das Phänomen besonders anschaulich, „Malerische“ Gruppierung in der Regel äußere Mauern um einen Kranz herangewachsener Vorstädte. Ein berühmtes Beispiel ist Rothenburg ob der Tauber, wo man um 1330 / 40 im Süden und
Osten mit runden und quadratischen Türmen begann, aber gegen 1400 im Norden mit Rundschalen abschloss (Abb. 60); noch vielförmiger ist das nahe Dinkelsbühl (äußere Mauer, 1372 bis um 1420). Halbrunde und rechteckige Schalen zeigt die äußere Mauer von Schwäbisch Gmünd (1399–1424) und ausgesprochen abwechslungsreich war auch die leider fast völlig verschwundene äußere Mauer von Frankfurt am Main (ab 1333). In Breslau mischte die schon etwa 1290– 1330 erbaute äußere Mauer rechteckige und halbrunde Türme, was deswegen besonders interessant ist, weil in Schlesien sonst zwischen den 1260er Jahren und der Mitte des 14. Jahrhunderts betont regelmäßige Turmreihungen vorherrschten, nämlich Rechtecktürme in Niederschlesien und Rundtürme in Oberschlesien. Schlesien verdeutlicht damit in besonderer Weise, was man in den anderen Fällen ausgedehnter Mauern bzw. großer Städte schon vermuten konnte: dass nämlich die besondere Länge einer Mauer ein Grund sein konnte, die Turmformen bewusst zu variieren, um Monotonie zu vermeiden. Allerdings wird gleich zu zeigen sein, dass zur gleichen Zeit andere, ähnlich umfangreiche Mauern wichtiger Städte durchaus das Gegenteil an-
strebten, nämlich eine betonte Regelmäßigkeit. Und in die gleiche argumentative Richtung weist die Beobachtung, dass auch bei Mauern von sehr begrenztem Umfang, bei denen also nur Bedarf und Raum für wenige Türme war, Wert auf formale Abwechslung gelegt wurde. Um wieder im süddeutschen Raum zu beginnen: Mindelheim und Kaufbeuren (um 1360–1420) mischen runde und rechteckige Türme, ebenso das fränkische Seßlach (1335–65); die Vorstadt von Öhringen in Hohenlohe (um 1334–57) ergänzte ihre Rundtürme durch zwei rechteckige, während das nahe Ingelfingen vier Rechteckschalen durch einen Rundturm ergänzt. Das besonders späte, schon in die Feuerwaffenzeit gehörende Waldkirchen (1451–79) im Bayerischen Wald besitzt neben rechteckigen und runden auch polygonale Türme. Eben dieser erhöhte Variantenreichtum, nochmals bereichert durch Wehrerker, prägte schon im 14. Jahrhundert zahlreiche Mauern des Rheinischen Schiefergebirges; als Beispiel unter vielen ist Dausenau an der Lahn zu nennen, das neben zwei rechteckigen fünf weitere Türme in jeweils anderer Form aufweist! (Ober-)Hessen ist mit seinen fast normiert wirkenden Rundturm-
Abb. 60 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), verschiedene Turmformen der äußeren Mauer des 14. Jahrhunderts. Vorn der „Weiberturm“, ein kleiner Rundturm, dann der rechteckige „Thomasturm“ – vor beiden Streichwehren des Zwingers – und der Turm des „Würzburger Tores“; ganz hinten der wieder rechteckige Turm „Kummereck“. Kolumnentitel
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mauern des 14. / 15. Jahrhunderts das ebenso klare wie nahe Gegenbeispiel; eine Abwechslung der Turmformen zeigen hier – neben dem sekundär turmverstärkten Fritzlar – nur wenige kleine Städte. Weiter östlich wiederum findet man in Thüringen Beispiele betonter Abwechslung, etwa bei der langen und großenteils erhaltenen Mauer von (Langen-)Salza (ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts), das zwar neben zwei halbrunden Türmen und mauerhohen Rundschalen überwiegend quadratische Türme aufweist, diese aber im Detail unterschiedlich ausgestaltet. Noch größere Vielfalt findet man im spät ummauerten Tennstedt (1448–89) und in Heldburg (erst ab Mitte des 16. Jahrhunderts), wo man einen polygonalen Turm, einen vollrunden und einen innen abgeflachten Rundturm findet, schließlich eine Rundschale. Ähnlich kann man die Reste in Wittenburg in Mecklenburg beschreiben (um 1400), wo drei quadratische Türme, eine Rechteckschale und ein Rundturm in reichen Schmuckformen erhalten sind – nach heutigem Eindruck ein Ausnahmefall in der Region. Lag das Gemeinsame der Mauern mit betont abwechslungsreichen Turmformen vor allem in ihrer späten Entstehung ab dem 14. Jahrhundert, wobei sie aber mehr Gleichmäßige oder minder dicht über den Reihung der Türme gesamten deutschen Raum verteilt waren, so fällt es bei dem alternativen Gestaltungsprinzip wesentlich leichter, überschaubare Gruppen zu benennen. Mauern mit gleichmäßiger Reihung prinzipiell gleich geformter Türme waren einerseits – neben den turmlosen und turmarmen Mauern – überregional typisch für die Mauern größerer Städte des 13. Jahrhunderts, andererseits gab es im 14. / 15. Jahrhundert klar erkennbare Gruppen derartiger Mauern. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts besaßen etliche wichtige und früh ummauerte Städte des deutschen Raumes Mauern mit regelmäßig angeordneten quadratischen oder rechteckigen Türmen, meist von stattlichen Ausmaßen. Am Oberrhein kann man in Straßburg und Worms noch nachvollziehen, wie so etwas aussah, in Basel wurden zumindest einige solche Türme sekundär vorgesetzt. Zürich und die Luzerner „Kleinstadt“ waren etwas jüngere Beispiele weiter im Süden, Landau, Münstereifel und Nide108 I. Systematischer Teil
ggen weiter nördlich. Im Neckarland war wohl die Pliensauvorstadt von Esslingen (ab 1286) das erste Beispiel einer solchen Mauer. Interessanterweise sind Mauern mit gereihten Rechtecktürmen aber auch sehr viel weiter östlich schon früh belegbar, so vor allem in Erfurt – womöglich schon vor 1200, mangels Resten schwer datierbar –, in Magdeburg und auch in Halberstadt. In der reichen Bergwerksstadt Freiberg, deren (dennoch bisher spät datierte) Mauer 1233 erwähnt wird, stand alle 100 m ein vorspringender quadratischer Turm, der über dem Wehrgang die Form einer Schale mit Schlitzscharten annahm. In Bautzen und Görlitz schließlich wird die Reihung rechteckiger bzw. quadratischer Türme erst ins frühe 14. Jahrhundert datiert – die Bautzener Mauer existierte schon 1282 –, wobei in beiden Fällen eine frühere Datierung nicht auszuschließen ist. In Schlesien schließlich, zu dem Görlitz schon gehörte, herrschten zwischen etwa den 1260er Jahren und der Mitte des 14. Jahrhunderts regelmäßig gereihte, gleiche Türme völlig vor, in Niederschlesien rechteckige Türme, in Oberschlesien Rundtürme und Rundschalen, die vielleicht auf böhmische Vorbilder zurückgehen. Die Reihung runder Türme, überwiegend von Rundschalen, gab es ab dem früheren 13. Jahrhundert noch in zwei anderen Regionen Deutschlands. Einerseits war die bedeutende Mauer von Köln (um 1210–50) der Ausgangspunkt einer solchen Gruppe (Abb. 66). Die Kölner Formen wurden früh etwa in Bonn, Neuss, Siegburg, Andernach, Duisburg und anderen rheinischen Städten übernommen und weiterentwickelt; später mischten sie sich mit französischen Einflüssen und schufen eine der besonders geschlossenen Stadtmauerlandschaften Deutschlands. Die andere Gruppe, vermutlich vom Rheinland inspiriert, hatte ihren Ausgangspunkt offensichtlich in Lübeck, wo ab 1217 eine Backsteinmauer mit teilweise eng gereihten Rundschalen entstand (Abb. 61). Von Lübeck abhängig war einerseits offenbar Bremen, andererseits eine ganze Gruppe von Backsteinmauern in Mecklenburg, deren Verbreitung sich ziemlich gut mit der Verbreitung des lübischen Rechtes in den Ostseeraum hinein deckt. Das wichtigste Beispiel der regelmäßigen Reihung gleicher Türme im 14. Jahrhundert
Abb. 61 Lübeck, die Stadtmauer am „Burgtor“ um 1450, Rekonstruktionsversuch. Der Unterbau des Tores gehört noch zu der um 1180 in Backstein erneuerten Burg (vgl. Abb. 67, 186), die Rundschalen zur Mauer des frühen 13. Jahrhunderts (vgl. Abb. 67) (Bruns / Rathgens, Bauund Kunstdenkmäler ... Lübeck, I, 1, 1939).
war zweifellos das brandenburgische Wiekhaussystem, eine Schöpfung der Zeit um 1300, die über ein Jahrhundert lang in einem sehr großen Gebiet verbindlich blieb; es reichte von Brandenburg über Pommern bis ins Ordensland Preußen (vgl. Bd. II, Topographischer Teil, 26.). Typisch Regelmäßige Reihung im 14. Jahrwar die fast immer regelhundert mäßige, dichte Reihung von rechteckigen Schalentürmen (Wiekhäusern) genormter Form, die einzeln zugänglich waren, weil die Mauern (außer im Ordensland) keine Wehrgänge besaßen. Einzelne höhere, vollrunde Türme akzentuierten die allzu gleichmäßige Reihung und stellten zugleich verschließbare Räume zur Verfügung. Die Reihung gleicher Türme, gelegentlich durch solche anderer Form rhythmisiert, findet man im späteren 14. Jahrhundert ähnlich eindrucksvoll im herzoglich bayerischen Ingolstadt (Abb. 62); sie brachte bis ins frühe 15. Jahrhundert eine Reihe deutlich erkennbarer Nachfolger in der Region hervor. Die weit gedehnte Ingolstädter Mauer (ab 1361) reihte über siebzig normierte Rundschalen, höher und schmuckreicher als die brandenburgischen Wiekhäuser und durch einen aufwendig abgestützten Wehrgang verbunden; die gelegentlichen höheren Türme sind hier rechteckig oder fünfeckig. Die Gestaltung ist im Detail also gänzlich anders als in Brandenburg, aber das Prinzip ist dasselbe. Die typischen hohen Halbrundschalen der Ingolstädter Art findet man außerdem, manchmal nur an
Partien der Mauer, in Wemding (Mauer nach 1343 begonnen, zunächst wohl mit rechteckigen Türmen!), Abenberg (1348 Ummauerungserlaubnis), Schrobenhausen (Mauer 1389–1419, neben Rundschalen auch vollrunde, quadratische und polygonale Türme), Friedberg bei Augsburg (ummauert ab 1409 von Ludwig dem Gebarteten von Bayern-Ingolstadt), Aichach (nur ein Turm dieser Form, aber eine Inschrift belegt Ludwigs Arbeiten 1418) und schließlich undatiert in einzelnen Mauerabschnitten von Donauwörth, Giengen und Pappenheim. Auch die umfangreich erhaltene äußere Mauer von Landsberg am Lech (um 1420 / 25) dürfte letztlich in diesen Zusammenhang gehören. Wenn die brandenburgischen Wiekhausmauern und die „Ingolstädter Gruppe“ zwar durch dasselbe gestalterische Grundprinzip verbunden, aber dennoch im Detail ganz unterschiedlich sind, so gibt es eine weitere wichtige Gemeinsamkeit zwischen ihnen, die einiges erklärt, nämlich das Baumaterial. Backstein ist ein in seinen Maßen normiertes Material, das quasi eine logische Aufforderung enthält, mit immer wieder gleichen Mauermaßen und Formen zu planen (vgl. 2.2.2.4.). Die gesamte Backsteingotik ist durch dieses Prinzip geprägt, auch wenn die kleinteiligere Gliederung etwa der Giebel, Fenster oder Blenden auf den ersten Blick abwechslungsreicher und rhythmischer als eine turmreiche Stadtmauer erscheint. Backstein macht eine einmal gefundene Lösung besonders leicht wiederholbar, und es scheint, dass die daraus resul2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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tierende Ästhetik schnell akzeptiert wurde. Dies war in Bayern übrigens auch schon vor Ingolstadt der Fall gewesen, nämlich bei der 1315 / 19 begonnenen äußeren Mauer von München, die als erste des Landes Türme regelmäßig reihte, hier aber wiederum rechteckige. Noch deutlicher wird der Einfluss des Backsteins, wenn man zu den beiden großen Backsteingebieten Deutschlands – der norddeutschen Tiefebene und dem Alpenvorland – das nächste im Süden heranzieht, das hier allerdings nicht zum Thema gehört. In der Poebene findet man, etwa im Herrschaftsgebiet der Scaliger, in Venetien und vor allem auch im Herzogtum Mailand, ab dem 14. Jahrhundert Backsteinmauern mit regelmäßiger Turmreihung, zumeist mit Rechtecktürmen; als höchst sehenswertes Beispiel sei hier nur die um 1360 / 62 erbaute Mauer der paduanischen Stadt Montagnana genannt. Allerdings blieb die regelmäßige Turmreihung im 14. Jahrhundert keineswegs auf die Backsteingebiete beschränkt. Man findet etwa auch in den Natursteingebieten Franken, Hessen und Thüringen einzelne Beispiele derartiger Ge-
staltung, allerdings wohl nicht in der Häufigkeit und formalen Vollendung wie in den Backsteinregionen. So kann man im Fränkischen – an sich einer Hochburg „malerischer“ Turmabwechslung – durchaus Mauern mit sehr regelmäßig gereihten quadratischen oder rechteckigen Türmen finden, darunter etwa Mergentheim (um 1335–61), dessen querrechteckige, nicht vor die Mauer springende Türme weit älter wirken, vor allem aber die äußere Mauer von Nürnberg (1346–1407), eine der wichtigsten deutschen Mauern überhaupt, bei der die quadratischen Volltürme und Schalen nur durch ganz wenige halbrunde und polygonale Türme ergänzt sind; die Süderweiterung von Weißenburg (begonnen 1372 / 76; Abb. 377) perfektioniert diese Regelmäßigkeit noch. Bei den die Region völlig dominierenden „Rundturmmauern“ Hessens beruht der gleichmäßige Eindruck vor allem auf der sehr konsequent durchgehaltenen Grundrissform; genauere Betrachtung zeigt aber, dass Dicke und Höhe durchaus etwas variieren können, ebenso die Verteilung bei recht großen Abständen, von der nicht seltenen Verwendung runder Schalen
Abb. 62 Ingolstadt, an der äußeren, in Backstein ausgeführten Mauer (1361–1434) reihten sich halbrunde Türme (rechts, restauriert), zwischen die gelegentlich ein stärkerer Fünfeckturm gesetzt war (links, unrestauriert und mit sekundärem Durchbruch).
110 I. Systematischer Teil
Abb. 63 Lauenburg (Polen), eine Gründung des Deutschen Ordens im späteren Hinterpommern, ist als nahezu quadratisches Kastell eine Ausnahme im mittelalterlichen Städtebau, wobei aber die Rechtecktendenz vieler Gründungsstädte gute Voraussetzungen bot (Die Baudenkmäler der Provinz Pommern, 3, 2, 2: Bütow und Lauenburg, 1911).
ganz abgesehen. Eben solche Rundschalen, recht eng gesetzt, trifft man auch bei einer Gruppe thüringischer Mauern, die ab etwa 1320 entstanden (Eisfeld, Hildburghausen, Saalburg, Heringen), aber im Gesamtzusammenhang der thüringischen Mauern ähnlich isoliert waren, wie dies schon in Franken konstatiert wurde. Bei kleineren Befestigungsformen – spätrömischen Kastellen und mittelalterlichen Burgen – war das Kastell eine der überzeugendsten Möglichkeiten der regelmäßigen Turmanordnung. Die Ecken eines Quadrates oder Rechteckes wurden dabei mit Türmen gleicher Form besetzt, die Kurtinen mit weiteren Türmen regelmäßig unterteilt – sicherlich eine der wirkungsvollsten Befestigungsformen der Architekturgeschichte, die Spitzenprodukte wie etwa die süditalienischen Kastelle Friedrichs II. oder bereits früher die umayyadischen Kastellförmige Städte Paläste des Vorderen Orients ermöglichte. Für Städte scheint das Kastell auf den ersten Blick eine weniger geeignete Form; zwar gibt es nicht wenige rechteckige Gründungsstädte, aber allein
ihre vergleichsweise großen Dimensionen scheinen ein architektonisches Gesamtkonzept wie das Kastell zur Wirkungslosigkeit zu verdammen. Dennoch gibt es Beispiele kastellförmiger Städte, und zwar hauptsächlich im 14. Jahrhundert. Man muss sich dabei verdeutlichen, dass die Mehrzahl mittelalterlicher Städte recht klein war und dass gerade „auf dem Reißbrett“ geplante Städte anfangs wirklich wie ein Einzelbauwerk in einer wenig bebauten Umgebung standen, abgesehen davon, dass mancher Entwurf auf dem Papier weit besser als in der Realität wirkt. Am stärksten waren solche Formen im Deutschordensland Preußen verbreitet, wo die Tendenz zur Rechteckanlage allgemein stark war und kräftige Ecktürme eine große Rolle spielten; als Höhepunkt sei hier Lauenburg genannt, ein perfektes Quadrat mit achteckigen Ecktürmen und acht sehr großen Wiekhäusern pro Seite (wohl drittes Viertel des 14. Jahrhunderts; Abb. 63). Die ordensländischen Anlagen strahlten offensichtlich auch nach Pommern und Brandenburg aus, wo sie aber nur (späte) Ausnahmen in einer Region bildeten, für die sonst die rund2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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liche, eckturmlose Mauer typisch war; in Pommern sind Greifswald, Dramburg, Greifenberg und Stettin als mehr oder minder kastellartige Städte zu nennen, in der Neumark Arnswalde, in der Altmark schließlich Tangermünde mit quadratischen Ecktürmen zur Wasserseite und runden zum Land. Einzelne kastellartige Ummauerungen findet man auch in Thüringen (Pößneck, Neustadt / Orla, Jena) wie in Sachsen (Marienberg, eine Idealstadt mit Ummauerung von 1541–56) und in diesem Zusammenhang darf man letztendlich wohl auch einige rheinische Städte nennen, die – obwohl nicht rechteckig – allein die Ecken mit Rundtürmen betonten, während sie sonst Rechtecktürme besaßen (Münstereifel, Nideggen, Bacharach). Dies sind aber nach Gesamtform und auch topographischer Lage bereits Grenzfälle, die zwar Turmformen für eine gewisse Akzentuierung nutzten, aber keine wirklichen Kastelle mehr waren. Insgesamt unterstreichen sie nochmals, dass das Streben nach der regelmäßigen, optisch unmittelbar wirksamen Gesamtform bei Stadtmauern die Ausnahme war. Die bewusst abwechslungsreiche Anordnung von Türmen, so darf man zusammenfassen, ist ein Phänomen, das im deutschen Stadtmauerbau erst im 14. Jahrhundert aufkommt, nachdem bis dahin neben der turmarmen Mauer durchaus die regelmäßige Turmreihung der Normalfall war, freilich bei einer insgesamt noch weit geringeren Anzahl von Stadtmauern. Im 14. Jahrhundert aber prägte das Prinzip der abwechslungsreichen Turmanordnung die Mehrzahl der Mauern, wobei jene Mauern eine wichtige Rolle spielten, die erst durch das pragmatische Anbauen einzelner Türme im Endeffekt diese Gestalt gewannen. Daneben existierte aber weiterhin das Gestaltungsprinzip der Reihung gleicher Türme, sodass hier zwar eine gewisse Entwicklung der ästhetischen Vorstellungen greifbar wird – von regelmäßiger Strenge zu malerischer Abwechslung –, die aber die grundsätzliche Wahlfreiheit der Planer nie völlig beseitigte. 2.2.4.5. Quadratische und rechteckige Türme Obwohl es im Prinzip eine beträchtliche Anzahl denkbarer Grundrissformen bei Stadtmauertürmen gibt, sind in der Realität nur zwei Formen wirklich häufig, neben denen alle weiteren seltene Ausnahmen bleiben: der quadratische oder an112 I. Systematischer Teil
nähernd quadratische Turm und der runde oder zumindest feldseitig runde Turm. Während der Letztere, bei aller Häufigkeit, doch zu bestimmten Zeiten weitgehend fehlte und zu anderen auffällig stark in den Vordergrund trat (vgl. 2.2.4.6.), ist der quadratische oder rechteckige Turm praktisch zu allen Zeiten und nahezu überall gebaut worden, höchstens mit einer geringeren Häufigkeit in bestimmten Regionen und Zeiten. Gerade diese Häufigkeit des quadratischen Turmes beschränkt seine Aussagekraft sowohl für ästhetische als auch für Datierungsfragen; er war einfach „nichts Besonderes“. Im Folgenden sollen daher nur einige Notizen zu seinem frühesten Auftreten und zu jenen Regionen zusammengetragen werden, in denen die Häufigkeit später etwas schwankte. Zur Variationsbreite des Grundrisses kann im Grunde nur gesagt werden, dass ein zentimetergenaues Quadrat hier wohl genauso selten war wie ein betontes Rechteck, ein Rechteck also, bei dem die Seitenlängen so stark voneinander abweichen, dass es nicht nur im Grundriss auffällt, sondern auch in der Realität. Unübersehbar war der quadratische Turm das Ideal, dem man sich in der Praxis mehr oder minder perfekt annäherte, während das Rechteck nur als große Ausnahme gewählt wurde. Warum das so war, ist kaum zu sagen. Der quadratische Turm, der von allen Seiten gleich aussieht, vertritt schon ein ästhetisches Ideal, während man sich bei den rechteckigen Türmen durchaus auch fortifikatorische Überlegungen vorstellen könnte. Denn die Rechtecktürme – romanische Beispiele gab es etwa in Basel, (Schwäbisch) Hall und vor allem Worms, für solche des 14. Jahrhunderts sei Mergentheim genannt – standen stets mit der breiteren Seite frontal zum Feld, was etwas mehr Standplätze für Verteidiger bedeutete und etwas mehr Deckung für die dahinterliegende Stadt, während die geringere Tiefe des Baukörpers einen Mehraufwand an Material und Mauerarbeit vermied. Der Vorteil scheint aber nur gering, wozu die Seltenheit der Turmform durchaus passt. Bis Mitte des 13. Jahrhunderts waren die damals noch seltenen Türme fast immer quadratisch; Ausnahmen bildeten ab etwa 1220 lediglich Köln und Lübeck, beide Ausgangspunkt einer ganzen Gruppe von Mauern und vielleicht miteinander zusammenhängend (vgl. 2.2.4.6.).
Abb. 64 Straßburg, die vier Türme am Einlauf der Ill – „gedeckte Brücken“, weil sie durch überdachte Holzbrücken miteinander verbunden waren – gehörten zur Ummauerung der Stadt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Zwei heute allerdings wenig beeindruckende Beispiele kann man als Beleg anführen, dass es schon um 1100 oder gar früher quadratische Mauertürme gab. Reste des einen, mit der „Burkhardsmauer“ von Basel um 1100 als Eckturm in markanter Lage entstanden, wurde erst vor wenigen JahRechtecktürme im 12. / 13. Jahrhundert ren unter jüngerer Überbauung festgestellt. Sein Gegenbeispiel in Worms, gleichfalls ein Eckturm und nur noch auf älteren Plänen belegbar, könnte nach ersten Überlegungen sogar in die Zeit um 1000 zurückgehen. Beide nehmen bisher jedenfalls in unserem Kenntnisstand eine isolierte Position ein. Hingegen waren ab der Zeit um 1200 – noch immer wurden nur wenige und in der Regel größere Städte ummauert – quadratische Türme bereits weitverbreitet. Im österreichischen Raum sind eine ganze Reihe vor allem von Gründungsstädten zu nennen, darunter etwa Wiener Neustadt, Hainburg, Friesach, wobei die Turmform bis mindestens Mitte des 14. Jahrhunderts vorherrschte. In der Schweiz können bis Ende des 13. Jahrhunderts vor allem Zürich und Luzern angeführt werden, wobei Türme dort sonst bis 1300 Ausnahmefälle, aber gegebenenfalls auch quadratisch waren. Im Oberrheingebiet waren mit Basel und Worms schon zwei Beispiele romanischer Rechtecktürme genannt worden, wobei vor allem Worms mit ehemals 26 ab
spätestens 1196 erbauten Türmen ein eindrucksvolles Beispiel war. Ihm kann man durchaus gleichberechtigt Straßburg gegenüberstellen, mit ähnlich zahlreichen und großen, aber quadratischen Backsteintürmen, die bereits konsequent mit Scharten ausgestattet waren (Abb. 64); vom Straßburger Vorbild wurden auch etliche kleinere Städte der Umgebung angeregt, deren Mauern aber erst gegen 1300 entstanden. Speyer, mit seiner weitaus älteren Mauer, passte man gegen Mitte des 13. Jahrhunderts durch neue Tortürme und Türme dem Standard der anderen Bischofsstädte an. Auch bei kleineren Städten des pfälzischen und badischen Raumes mag es schon im mittleren 13. Jahrhundert quadratische Türme gegeben haben (etwa Weißenburg / Elsass, Annweiler, Offenburg). In Luxemburg / Stadt wird die mit quadratischen Türmen besetzte Mauer neuerdings um 1170–90 datiert. Weiter östlich wird der Bestand früher quadratischer Türme schon geringer; vor allen ist hier die konsequente Reihung weit seltener anzutreffen. Der deutlichste Fall im Alpenvorland ist noch Reichenhall – angeblich von 1219–28, aber erst 1275 erwähnt – mit einigen recht schlanken Türmen, während ein einzelner, außenfluchtender Turm der Backsteinmauer von Augsburg in der Datierung unsicher ist, ähnlich ein Eckturm der „Kalchvorstadt“ von Memmingen und Türme in Kempten, wobei für die erste Mauer von Nördlingen im Gegenteil gerade die Existenz der 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Türme belegbar ist. Im Fränkischen waren die bergfriedartigen, rechteckigen Türme von Hall, Rottweil und Waldenburg schon erwähnt worden und von mehreren quadratischen Türmen der ersten sicher belegten Mauer von Nürnberg (um 1240?) ist auch nur der „Wasserturm“ erhalten. Im Nordosten treten dagegen im 13. Jahrhundert wieder gereihte Rechtecktürme auf, so, als habe es einen Einfluss vom Oberrhein gegeben, der Süddeutschland aussparte, aber über Thüringen letztlich auch Sachsen und Schlesien erreichte. Sicher noch in die erste Hälfte des Jahrhunderts gehörten Eisenach – vielleicht auch Erfurt –, Halberstadt, Magdeburg und Merseburg (um 1215–65), wobei zumindest in Eisenach und Halberstadt auch Schalentürme anzutreffen sind, die aber leider kaum enger datierbar sind (vgl. Bd. II, Topographischer Teil, 21. und 22.). In Sachsen ist Freiberg mit seiner 1233 erwähnten Mauer ein frühes Beispiel, als Bergwerkszentrum mit dem noch früheren Goslar vergleichbar (Abb. 65), und in Bautzen besaß die 1282 erwähnte Befestigung entweder von Anfang an Rechtecktürme, oder diese wurden erst im 14. Jahrhundert angebaut. Ähnlich stellt sich die Frage im nahen Görlitz und damit ist Niederschlesien erreicht, das ab etwa 1260 einige Mauern mit Rechtecktürmen erhielt (Löwenberg, Goldberg, um und nach 1300, dann Bunzlau, Glogau und die äußere Mauer von Liegnitz, nach Abb. 65 Freiberg (Sachsen), ein Rechteckturm der Mauer, Stadtseite. Die sehr regelmäßig mit solchen Türmen versehene Mauer wird lokal erst ins 14. Jahrhundert datiert, ist aber schon 1233 erwähnt.
114 I. Systematischer Teil
1338 begonnen). Selbst im Ordensland Preußen, wo kaum Mauern vor dem 14. Jahrhundert entstanden, lassen sich in den frühesten Mauern, jenen von Thorn / Altstadt (um 1250–62) und Kulm (um 1267), Rechteckschalen feststellen (in Kulm aber auch einige halbrunde). Im 14. und 15. Jahrhundert verliert sich die Vorherrschaft der quadratischen Türme nahezu überall, das heißt, Rundtürme treten nun auch dort neben sie, wo diese im 13. Jahrhundert noch gefehlt hatten. Dabei fällt es, vor allem wegen der Datierungsprobleme im Einzelfall, meist schwer, den Mischung der Turmformen im Zeitraum der Veränderung 14. / 15. Jahrhundert zu bestimmen; es können nur wenige etwas klarere Beispiele genannt werden. So wurde etwa die äußere Mauer von Amberg in der Oberpfalz um 1326 begonnen, und zwar im Westteil zunächst mit kleinen, quadratischen Schalentürmen mit geschlossenem Erdgeschoss, später ging man dann zu runden und halbrunden Türmen über, ergänzt durch einen turmlosen Zwinger; der Zeitpunkt des Formwechsels ist offen, denn noch 1435, 110 Jahre später, war die Mauer im Bau. Auch allgemein besaßen die Oberpfälzer Mauern bis gegen Mitte des 14. Jahrhunderts nur wenige, dann aber quadratische Türme, danach wurden ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Rundtürme und -schalen üblich. Halbwegs erkennbar ist die Abfolge auch in Thüringen, wo auf die Rechtecktürme des 13. Jahrhunderts (Eisenach, eventuell Erfurt) zunächst ab den 1320er Jahren eine deutliche Tendenz zu Rundturmmauern folgte, dann aber ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wieder rechteckige Türme dominieren. Ähnlich wie in Schlesien mit seinen klar nebeneinanderstehenden Gruppen ganz verschieden gestalteter Mauern wird man hier einander abwechselnde Einflüsse anderer Regionen vermuten dürfen, etwa des Rheinlandes oder des benachbarten Hessen bei den Rundtürmen des 14. Jahrhunderts. Anderswo mag es durchaus ähnliche Abläufe und Einflüsse gegeben haben, nur dass eine weniger glückliche Überlieferung uns das nicht mehr erkennen lässt. Wesentlich klarer als in diesen „Mischgebieten“ des 14. / 15. Jahrhunderts sind naturgemäß die Räume zu erfassen, in denen die Rechtecktürme ganz entschieden in den Hintergrund tra-
ten oder – gerade im Gegenteil – weiterhin dominierten. Das Erstere fällt bemerkenswerterweise besonders in Gebieten auf, die sich weiträumig um den Mittel- und Niederrhein gruppieren, also eben dort, wo schon ab der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ausgehend von Köln, der quadratische Turm völlig hinter den runden zurückgetreten war. Das bleibt am Niederrhein und auch im kölnisch dominierten Westfalen letztlich bis ins 15. Jahrhundert so, auch Hessen wird man in diesem Zusammenhang sehen müssen (vgl. 2.2.4.6.). Noch interessanter ist allerdings die Formenvielfalt, die sich im 14. / 15. Jahrhundert im Rheinischen Schiefergebirge entwickelt, wo es im 13. Jahrhundert noch kaum Mauern gegeben hatte. Gerade die beiden größten Städte zwischen Bingen und Koblenz, Oberwesel und Bacharach, gehen hier zwar konsequent zu quadratischen Türmen über – als nördlichste Vorposten des mainzischen Bereichs –, aber die vielen Kleinstadtmauern des späteren 14. und 15. Jahrhunderts vermeiden letztlich jede einfache Form, das heißt, sowohl Rundtürme als auch Rechtecktürme kommen zwar als Einzelfälle vor, aber das Grundprinzip ist hier vielmehr die extreme Abwechslung der Turmform, bei der möglichst keine Grundform mehr als ein- oder zweimal pro Mauer vorkommen sollte, auch wenn dies zu ganz ungewöhnlichen oder gar unfunktionalen Turmformen führte. Es war schon gesagt worden, dass es das mörtelreiche Schiefermauerwerk war, das diese Variationsbreite ermöglichte und förderte (vgl. 2.2.2.1.). Aber hinter diesem technischen Aspekt dürfte besonders deutlich eben das Grundprinzip sichtbar werden, das ganz allgemein ab dem späteren 14. Jahrhundert die Stadtmauern prägte – Abwechslung wurde nun meist der strengen Reihung gleicher Formen vorgezogen. Selten sind die Regionen, bei denen man nach dem 13. Jahrhundert noch von eindeutiger Vorherrschaft der quadratischen bzw. rechteckigen Türme sprechen kann. Im Bereich des Spessarts kann man gut ablesen, wie westlich, im mainzischen Territorium bzw. am nördlichen Oberrhein, Rechtecktürme vorherrschten, östlich davon, im Würzburgischen, aber runde; eine ähnliche Grenze war schon am Mittelrhein nördlich von Bacharach und Oberwesel beobachtet worden. Auch im Kerngebiet des heutigen Sach-
sen-Anhalt, soweit es nicht zum Backsteingebiet gehörte, blieben quadratische Türme, wie sie früh schon in Magdeburg und Halberstadt auftraten, bis ins 15. Jahrhundert die Normalform (Quedlinburg, Blankenburg, Aschersleben, Staßfurt). Als aufwendige Beispiele von späten Mauern mit ausschließlichen Rechtecktürmen, und zwar in sonst eher turmarmen Gegenden, seien die Luzerner „Museggmauer“ (vollendet 1408) und die Salzburger „Bürgerwehr“ (1487 / 88 mit älteren Teilen) genannt – und auch das Kuriosum einer „1700“ datierten Rechteckschale in Laupen (Kanton Bern). Das eindrucksvollste Beispiel der Vorherrschaft rechteckiger Türme im Spätmittelalter war jedoch das Wiekhaussystem, das sowohl funktional wie optisch von der engen Reihung rechteckiger Schalentürme beherrscht war. Es wurde um 1300 zweifellos in Brandenburg entwickelt, ohne dass die Vorbilder oder Vorstufen eindeutig erkennbar wären (vgl. Bd. II, Topographischer Teil, 26.), und beherrschte die Region bis hinüber nach Pommern und Ostpreußen bis ins späte 15. Jahrhundert. Auch im Wiekhaussystem gab es allerdings einzelne Rundtürme, kaum mehr als zwei oder drei pro Mauer, die vielleicht auch erst in einer etwas jüngeren Entwicklungsphase aufkamen. 2.2.4.6. Runde und halbrunde Türme Während der quadratische oder rechteckige Turm im 13. Jahrhundert fast überall vorherrschte und danach auf nicht allzu klar fassbare Weise seltener wurde bzw. in Konkurrenz mit anderen Formen trat, sind die Verbreitungsgebiete und -zeiten der runden Türme klarer definiert. Einerseits gab es bereits ab dem frühen 13. Jahrhundert Gebiete, in denen die Vorherrschaft des quadratischen Turmes nicht galt. Die meisten von ihnen liegen am Westrand des deutschen Sprachgebietes und lassen sich daher recht überzeugend mit französischen Vorbildern erklären; jedoch gibt es auch andere Gebiete und in Einzelfällen andere Erklärungsansätze. Andererseits wurden Rundtürme ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts häufiger. Nun kamen weitere Regionen hinzu – meist solche, in denen es bis dahin kaum Mauern gegeben hatte –, die von Rundtürmen klar dominiert werden, und gleichzeitig waren Rundtürme ein wichtiger Teil jener 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 66 Köln, ein Schalenturm. Links Innenansicht und Grundrisse 1883, vor dem Abriss, mit Umbauten des 19. Jahrhunderts (Wiethase, Kölner Thorburgen …, 1884). Rechts oben Rekonstruktionsversuch des Urzustandes (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts), Schnitt (Th. Biller), unten Ausschnitt des Stiches von Mercator, 1571.
Entwicklung, die bei den quadratischen Türmen schon angesprochen worden war: Immer mehr Mauern suchten eine ästhetische Wirkung, die in der Abwechslung der Turmformen liegt. Die früheste Mauer im deutschen Raum, die konsequent runde Mauertürme und auch Tore mit feldseitigen runden Türmen verwendete, war die äußere Mauer von Köln, die um 1210–50 entstand. Ihre halbrunden Schalen, in Abständen von 75 bis 95 m, waren über dem mit Schlitzscharten versehenen Erdgeschoss halbkuppelgewölbt und besaßen im Obergeschoss Rundbogenfenster (Abb. 66). Vor allem die Doppelturmtore, deren Türme aus demselben Modell entwickelt waren, haben in Köln früh Rundtürme und zu der Überlegung geführt, -schalen des dass es sich hier um eine ei13. Jahrhunderts in genständige Fortentwicklung Köln und Lübeck jener spätrömischen Befestigungsformen handelte, deren Reste es im Rheinland verschiedentlich gibt, vor allem auch in Köln selbst und dem gegenüberliegenden Kastell Deutz. Zwischenstufen zwischen den spätrömischen Befestigungen selbst kann man in den älteren, schlecht dokumentierten Stadterweiterungen von Köln selbst suchen, oder auch in Neuss, wo an der Ummauerung des 116 I. Systematischer Teil
12. Jahrhunderts, auch an jener des Damenstiftes, Rundtürme belegt sind. Das Kölner Vorbild wirkte nicht nur im Rheinland selbst – gut erhaltene oder dokumentierte Beispiele noch des 13. Jahrhunderts bieten etwa Bonn, Andernach und Ahrweiler –, sondern auch östlich davon, im kölnisch dominierten Westfalen und darüber hinaus. Noch als Bauten der ersten Hälfte bis Mitte des 13. Jahrhunderts kann man etwa die Mauern bzw. sekundär eingefügten Türme in Rüthen, Attendorn, Siegen, Hamm, Blankenberg / Sieg, Osnabrück und Soest interpretieren, um nur einige sichere Beispiele zu nennen. Wenn man den Betrachtungszeitraum bis Ende des 13. Jahrhunderts erweitert, so treten selbst einzelne Türme in Münster, Göttingen und Goslar ins Blickfeld, die diesem Einfluss zuzurechnen sind, und letztlich dürfte etwa noch die ab 1355 entstandene Mauer von Euskirchen oder auch jene von Xanten (ab 1389) in derselben Tradition stehen. Freilich ist dabei nicht zu vergessen, dass die romanischen, spätrömisch angeregten Formen, die man in reiner Form vor allem in Köln und Bonn traf, auch im rheinländischen Flachland selbst ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts einem Wandel unterlagen, den man auf
französische Einflüsse zurückführen kann, der zugleich aber auch die gewandelten Formvorstellungen der Gotik spiegelt. An die Stelle der breit gelagerten, niedrigen Schalen von Köln, die man – da anfangs offenbar kaum höher als die Mauer selbst – mit einer vor allem bei Archäologen verbreiteten Begrifflichkeit auch als „Bastionen“ bezeichnen könnte, traten bald vollrunde, deutlich höhere Türme, die die Mauer stärker akzentuierten, dabei aber nicht mehr so regelmäßig gereiht wurden. Diese Turmform beherrschte im 14. / 15. Jahrhundert fast den ganzen Westen und Nordwesten Deutschlands sowie – als Einzelakzent von Wiekhausmauern – auch den Nordosten. Bevor der französische Einfluss im Westen Deutschlands näher behandelt wird, ist aber eine zweite frühe Gruppe von Rundturmmauern anzusprechen. Ihr Ausgangspunkt ist Lübeck, wo ab 1217 eine Backsteinmauer mit halbrunden Schalen entstand, die Schlitzscharten und Rundbogenfenster besaßen (Abb. 67). Das frühe Datum dieser Mauer, der mit Abstand ältesten an der gesamten deutschen Küste, erklärt sich fraglos einerseits aus der herausragenden Bedeutung Lübecks als Handelszentrum, von dem aus der gesamte Ostseeraum erschlossen wurde. Andererseits war hier die frühe Verwendung des Backsteins sowohl durch die dänischen Könige wie durch Heinrich den Löwen als Stadtgründer sicher wichtig. Vorbild für die Form der Türme dürfte jedoch Köln gewesen sein, nicht allein wegen der Ähnlichkeit der Turmform, sondern fast mehr noch wegen des Fehlens anderer oder besserer Vorbilder zu so früher Zeit. So, wie das Vorbild der Kölner Mauer seine Wirkung vor allem im kölnisch beherrschten Rheinland und in Westfalen entfalten konnte, durchaus aber auch darüber hinaus, so prägte Lübecks Mauer ein weites Gebiet entlang der Ostseeküste und weit ins Hinterland hinein, etwa dasselbe Gebiet, in dem auch die Übernahme des lübischen Stadtrechtes der Normalfall war. Lübisch beeinflusst war etwa, um nur wichtige und halbwegs datierte Beispiele zu nennen, die Mauer von Rostock (um 1260–90), jene von Greifswald (1264 Ummauerungsrecht), die hervorragend erhaltene von Templin (um 1300? Abb. 68) und jene von Parchim (1310 im Bau).
Das brandenburgische Friedland (Mauererlaubnis 1304) baute zunächst „lübische“ Rundschalen und ging dann, noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, zum Wiekhaussystem über. Das Aufkommen von Burgen in Kastellform mit Rundtürmen und entsprechenden Stadtmauern in Frankreich unter der Regierung von König Philippe II. Auguste (1180–1224), daher „forti Französisch beeinflusste Rundtürme im fication philipienne“ (Jean 13. Jahrhundert Mesqui), gehört zu jenen Entwicklungen im europäischen Befestigungswesen, die in den letzten Jahrzehnten besondere Beachtung gefunden haben, insbesondere natürlich in der französischen Abb. 67 Lübeck, die besterhaltene Rundschale der Mauer, an der Ostseite der Stadt. Die ab 1217 entstandene Mauer mit solchen Türmen war die früheste an der deutschen Ostseeküste (vgl. Abb. 61).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Forschung. Aber auch in Deutschland bzw. im elsässisch-pfälzischen Oberrheingebiet ist der Einfluss von französischen Befestigungen des späten 12. Jahrhunderts – wie etwa des Louvre, der Ummauerung von Paris und weiterer königlicher Burgen – seit einiger Zeit konstatiert worden (Cord Meckseper, Robert Will, Stefan Ulrich). Tatsächlich ist der Einfluss der formal so charakteristischen Bauten im Königreich Frankreich auch im deutschen Stadtmauerbau deutlich zu fassen, und zwar verständlicherweise vor allem entlang der Westgrenze des Sprachraumes – der hier von Süden nach Norden gefolgt wird –, aber auch weiter östlich. Der Westteil der deutschsprachigen Schweiz grenzte an die Grafschaft Savoyen, in der es eine bedeutende Gruppe von französisch beeinflussten Kastellburgen gab, aber auch nicht kastellförmige Burgen mit gerundeten Flankentürmen (Chillon). Es wundert daher nicht, dass auch im angrenzenden deutschen Gebiet Mauern mit Abb. 68 Templin (Brandenburg), eine Rundschale aus Feldstein mit Scharten aus Backstein. Die wohl um 1300 entstandene Mauer von Templin, die fast ausnahmslos mit solchen „Türmen“ ausgestattet ist, gehörte zu vielen vergleichbaren des lübeckischen Einflussgebietes.
118 I. Systematischer Teil
Rundtürmen des 13. Jahrhunderts auftreten. Zu nennen wäre Murten, dessen Befestigung 1238 privilegiert wurde und wo drei kleine Rundtürme zum Originalbestand gehören. In Kaiserstuhl gab es neben quadratischen Türmen am Rhein auch zwei auf 1260 dendrodatierte Halbrundtürme; der erhaltene besitzt eine Schlitzscharte. In der Unterstadt von Burgdorf wurde eine Halbrundschale auf 1276 dendrodatiert, in Schaffhausen zwei Rundtürme auf 1283 und 1296. Auch in Solothurn gibt es Halbrundtürme in Buckelquadern, ebenso in Basel an der inneren Mauer, die man in die zweite Hälfte bzw. an das Ende des 13. Jahrhunderts datiert; in Basel hatten sie Nachfolger an der äußeren Mauer (1361 / 62–98), wo sie aber zeittypisch mit anderen Formen gemischt wurden. Im Oberrheingebiet, Elsass und Baden, blieben die Mauern im ganzen 13. Jahrhundert turmarm, aber in Einzelfällen wurden gegen Ende des Jahrhunderts die Ecken in auffälliger Weise durch Rundtürme mit Schlitzscharten betont (Zellenberg, Rappoltsweiler, Ladenburg). Den Höhepunkt im Badischen bildete die Reihung von Halbrundschalen, die wohl schon um 1250–80 die Bergseite der Vorstadt „Neuburg“ von Freiburg im Breisgau bildeten (Abb. 328); sie fanden allerdings bis weit ins 14. Jahrhundert hinein kaum Nachfolge. Das Herzogtum Lothringen griff selbst über die Sprachgrenze hinweg; es kann nicht verwundern, dass es hier schon früh ausgesprochen „französische“ Mauern gab, mit langen Schlitzscharten und Schrägsockeln an den Türmen, die genauso gut in der Ile de France stehen könnten. Genannt seien vor allem Metz (um 1225) und Saarburg (Stadtrecht 1226; Abb. 69), auch in Diedenhofen / Thionville, Saargemünd / Sarreguemines und St. Avold gab es Derartiges. Neuleiningen in der Pfalz – vor allem die Burg (um 1238–41), aber auch die Stadtmauer – kann als östlichster Ausläufer dieser Gruppe verstanden werden; sonst treten Rundtürme in der westrheinischen Pfalz erst im 14. Jahrhundert auf, etwa in der ab 1325 entstandenen Gilgenvorstadt von Speyer, aber auch an diversen Kleinstadtmauern (St. Johann, Kusel, Meisenheim, St. Wendel und andere). Zu den französischen bzw. lothringischen Einflussgebieten gehören auch der kurtrierische
Abb. 69 Saarburg / Sarrebourg (Lothringen), Reste der Mauer, die den Prinzipien der im Königreich Frankreich entwickelten fortification philipienne entsprach (um 1213–40). Typisch sind die in regelmäßigen Abständen vorspringenden Rundtürme mit steilem Schrägsockel und hohen (hier nicht erkennbaren) Schlitzscharten.
Raum und die wiederum rittlings auf der Sprachgrenze sitzende Grafschaft Luxemburg. Die nicht genau datierte Mauer, die Trier selbst im (frühen?) 13. Jahrhundert erhielt, zeigt bescheidene Rundtürme mit Schlitzscharten; die 1276–91 erbaute Mauer von Koblenz war ein noch bedeutenderes Beispiel, nicht nur durch die erhaltenen Baurechnungen, ist aber leider fast restlos verschwunden. Kleinere, aber formal aufwendige Mauern verschiedener Territorien findet oder fand man außerdem in Hillesheim (vor 1306, luxemburgisch), Welschbillig (nach 1291, Reich) und Monreal (nach 1291[?], virneburgisch). Eine „französische“ Rundturmmauer besaßen aber auch Echternach (vor 1239) und die bescheideneren Städtchen Vianden, Grevenmacher und Larochette (13. / 14. Jahrhundert). Nördlich an den trierischen und luxemburgischen Raum schloss das kölnische Gebiet an, dessen besonders frühe und anfangs wohl auch noch nicht französisch bestimmte Entwicklung schon dargestellt wurde, vor allem im Laufe des späteren 13. Jahrhunderts glichen die dortigen, nun relativ schlanken und hohen Rundtürme aber den im Süden und auch im Osten davon üblichen. Hessen – im Sinne von Oberhessen; der im Mittelalter zu anderen Territorien gehörende Teil am Rhein folgte anderen Gesetzmäßigkeiten – war im 14. / 15. Jahrhundert das vielleicht ausgeprägteste Rundturmgebiet Deutschlands. Wegen seiner zentralen Lage zwischen dem Rheinland einerseits und den mittel- und ostdeutschen Regionen späteren Mauerbaues andererseits ist die Frage nach der Entstehung der hessischen Turmformen natürlich besonders interessant. Eine
zentrale Rolle spielte hier offensichtlich Marburg, wo die erste Mauer (um 1180 / 90) schon vor ihrer Erweiterung durch einen runden Turm verstärkt wurde; die Erweiterung (um 1235–50) besaß runde Tourellen, die auch ein Doppelturmtor bildeten, sowie eine größere Rundschale. Die Tourellen waren im Rheinland im 13. Jahrhundert noch nicht üblich – in Aschaffenburg wurde, wohl auch im 13. Jahrhundert, eine Mauer mit Tourellen um den Stiftsbereich gezogen –, wohl aber im Burgenbau des Grenzraumes weiter westlich und in Frankreich selbst. Man wird die Vorbilder daher eher direkt in Ostfrankreich als im benachbarten Rheinland suchen müssen. Die Marburger Rundtürme fanden im Hessen des 13. Jahrhunderts zunächst kaum Nachfolge – Fritzlar besaß an der nach 1232 erbauten Mauer nur zwei Halbrundtürme, Korbach (Mauer 1265 erweitert) drei, und erst an der 1322 erwähnten Mauer von Zierenberg erscheint eine Reihung von Türmen, die zumindest bis in Mauerhöhe massiv waren, wohl nach Marburger Vorbild. Frühe Rundtürme findet man östlich von Hessen heute nur noch in Oberschlesien, wobei es in Thüringen und vor allem in Sachsen mit seinen weitgehend verschwundenen Mauern unerkannte Einzelfälle geben mag. Schlesien gilt nicht ohne Grund als Region, die ihre Bauformen auf vielfältigen Wegen importierte, und in der Region südlich und südöstlich von Breslau könnten diese Einflüsse über Böhmen aus Frankreich gekommen sein. So besitzt die 1282 erwähnte Mauer des vor 1224 von Ottokar I. von Böhmen gegründeten Leobschütz Stümpfe von halbrunden Türmen und von solchen mit vorgelegter Spitze (Abb. 473); die bereits 1333 reparierte 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Mauer von Reichenbach zeigt Halbrundschalen (Abb. 474), kaum höher als die Mauer, die keinen Wehrgang besaß(!); Ähnliches findet man in Münsterberg, dessen Mauer 1336 existierte, und im schwer datierbaren Patschkau (Abb. 475), schließlich ähnlich in Bolkenhain, Lauban, Glatz und Sprottau. Die Häufigkeit runder Türme im 15. Jahrhundert ist schon der Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aufgefallen und, da man damals noch stark militärisch funktional dachte und die Schriftquellen noch kaum ausgewertet waren, brachte man das vermeintliche Rundtürme im Aufkommen runder Türme mit 14. und 15. Jahr- der Entwicklung der Feuerwafhundert fen in Verbindung. Richtig daran ist so viel, dass der für Feuerwaffen ausgebaute Rundturm bzw. das „Rondell“ in der frühen Feuerwaffenzeit des 15. / 16. Jahrhunderts eine beherrschende Rolle spielte, weil die Rundform sowohl das Schussfeld als auch die Widerstandsfähigkeit erhöhte (vgl. 2.2.11.5.). Ebenso richtig ist aber, dass die Blütezeit des Rundturmes nach den Anfängen im 13. Jahrhundert bereits im 14. Jahrhundert lag, als von einer wirklichen Verbreitung der Feuerwaffen noch keine Rede sein konnte und als auch die Türme selbst noch keinerlei Einrichtung für diese Waffen zeigten. Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurden Rundtürme in etlichen Regionen üblich, die weit über die Verbreitungsgebiete des 13. Jahrhunderts hinausgehen. Teils knüpften sie unmittelbar an diese Regionen an bzw. können als Weiterentwicklung weniger früher Rundturmmauern im Gebiet selbst gelten – vor allem am Mittelrhein, in Hessen und Westfalen –, teils traten sie nun in anderen Regionen weiter südlich und vor allem östlich auf, die aber insgesamt auch ein relativ geschlossenes Verbreitungsgebiet ergaben, das nämlich vom alemannischen Raum über Bayern, die Oberpfalz und Franken bis nach Thüringen reichte. Die Rundturmmauern des 13. Jahrhunderts im Kölnischen und Trierischen bewirkten in beiden Gebieten bis zum Ende des Mittelalters ein Vorherrschen der Rundtürme, nun weniger in Form von Schalen, sondern mehr als hohe Volltürme, von denen die meisten Kleinstadtmauern nur jeweils wenige besaßen. Genauso sind die 120 I. Systematischer Teil
normalen Mauern des 14. / 15. Jahrhunderts in Westfalen zu beschreiben, das auch schon früh zum kölnischen Einflussraum gehört hatte, und schließlich in der Pfalz, im Sinne des südlich ans Schiefergebirge anschließenden rheinischen Raumes. Im Schiefergebirge selbst bildete sich aufgrund der besonderen Eigenschaften des Baumaterials eine der formenreichsten Stadtmauerlandschaften Deutschlands heraus, in der keine Turmform beherrschend war, sondern die bewusste Variation. Dass Oberhessen die wohl eindrucksvollste und reichste Rundturmlandschaft Deutschlands wurde (Abb. 70), kann nicht überraschen, wenn man die Vorläufer des 13. Jahrhunderts seit Marburg und die Tatsache in Betracht zieht, dass es im 14. / 15. Jahrhundert fast allseitig von Regionen umgeben war, in denen gleichfalls der Rundturm herrschte. Dass man gerade die frühen hessischen Rundturmmauern, bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als Vermittler der Form in die Regionen weiter östlich verdächtigen darf, also nach Franken, Thüringen und vielleicht Schlesien, war schon angesprochen worden. Neben der ausschließlich mit runden Volltürmen ausgestatteten Mauer gab es in Hessen auch Mauern mit Rundschalen und lediglich einzelnen Volltürmen; die Abstände waren gleichmäßig, aber relativ groß. Bei sehr wechselnden Maßen – die Durchmesser reichten von nur 3 m(!) bis über 9 m, die meisten lagen bei 5–6 m – wurden stets hohe, „gotische“ Proportionen angestrebt. Der Einstieg führte meist ins erste Obergeschoss, über einem kuppelgewölbten Untergeschoss, wobei der Wehrgang auf dieser Höhe auf Konsolen um den Turm herumgeführt wurde; im obersten Geschoss lag oft eine Wachstube mit Rechteckfenstern, darüber vermutlich recht häufig ein gemauertes Spitzdach. Insgesamt sind das Formen, die sich bei späten Rundtürmen auch außerhalb Hessens oft ähnlich finden. Als eindrucksvoller Sonderfall sei der „Graue Turm“ in Fritzlar berührt, ein monumental dimensionierter Halbrundturm des späten 13. Jahrhunderts, der 1541 nochmals umgebaut wurde. Der späteste datierte Rundturm in Oberhessen findet sich in Eschwege (1531), im später hinzugekommenen rheinischen Teil des Landes kann man dem Türme in Zwingenberg („1532“) und Flörsheim (1547 / 48) gegenüberstellen.
Auch in der Pfalz – etwa in Ingelheim oder Pfeddersheim – und in Baden waren Rundtürme gegen und nach 1400 normal; ein eindrucksvolles Beispiel war die Vorstadt von Heidelberg (um 1392–1600), ein stärker ausgeschmücktes Beispiel bietet noch der „Simmelturm“ in Bretten (um 1450?). Mehrere große Stadterweiterungen des 14. Jahrhunderts in der Schweiz setzten vollständig oder überwiegend auf Rundtürme, so die um 1344–46 begonnene zweite Westerweiterung von Bern, die äußere Mauer von Basel (1361 / 62– 98) und die letzte Erweiterung von Freiburg im Üechtland (um 1370–1416); auch in kleineren Städten gibt es einzelne noch spätere Rundtürme (Bremgarten 1407–15; Murten 1470–1514). In Bayern gewinnt die Mauer mit regelmäßig gereihten Schalen mit der schon behandelten äußeren Mauer der Herzogsresidenz Ingolstadt (ab 1361; Abb. 62) eindrucksvolle Vorbildwirkung für einen weiten Umkreis, der nach heutigen Begriffen nicht nur Niederbayern umfasst, sondern auch Randgebiete von Schwaben, Franken und der Oberpfalz. In der Oberpfalz, wo die
1326 begonnene Mauer von Amberg nach einiger Zeit zu runden Turmformen überging und in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Rundtürme bzw. -schalen der Normalfall wurden, wird man sich ohnehin fragen müssen, ob nicht die Ingolstädter Gruppe auch hierfür der Anreger war. Freilich kommt für diese Rolle auch der fränkische Raum infrage, wo man das Aufkommen runder Turmformen schon etwas früher beobachten kann, etwa ab den 1330er Jahren – sicher nicht zufällig liegt das Gebiet mit den früheren Rundtürmen zugleich näher an der Rheinachse. Anschaulich für Franken als Mischgebiet mit runden und rechteckigen Turmformen ist etwa (Schwäbisch) Hall, wo zwei ab 1320 / 30 ummauerte Vorstädte ganz unterschiedlich ausgestattet wurden, die eine nur mit rechteckigen Türmen, die andere mit Rundschalen (Abb. 392). Die Mischung der Turmformen findet man auch sonst in Württembergisch Franken und in Mittelfranken im Prinzip während des ganzen 14. / 15. Jahrhunderts; als weitere frühe Beispiele seien AbenAbb. 70 Für Hessen sind runde Mauertürme des 14. / 15. Jahrhunderts charakteristisch, wie hier etwa in Fritzlar. Links der „Rosenturm“ der Altstadtmauer (auf hufeisenförmigem Sockel der Zeit vor 1232?), rechts die Rundtürme an der Westseite der Neustadt.
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berg (1333–47) und Seßlach (1335–65) genannt, als Beispiel geringen Einflusses die großartige äußere Mauer Nürnbergs, die fast völlig auf quadratische Türme setzte. Die äußere Mauer von Rothenburg, ebenfalls noch um 1330 / 40 begonnen, mischte anfangs im Süden und Osten runde und quadratische Türme, aber die um 1400 erbaute Nordfront setzte dann völlig auf runde Schalen. Das anschließende Thüringen, dessen heutiger Südteil („Henneberger Land“) im Grunde zu Franken gehörte, durchlief bezüglich der Rundtürme eine parallele Entwicklung. Ab den 1320er Jahren und bis nach 1350 wurden etliche Mauern mit Rundschalen errichtet (Eisfeld, Hildburghausen, beide ab 1323; Pößneck, Neustadt / Orla, Jena, Saalburg, Heringen, Sondershausen, Saalfeld; schwer datierbar ferner Heiligenstadt, Nordhausen, Remda, Wiehe?). Wernigerode nördlich des Harzes kann als besonders entfernter, aber undatierter Ausläufer dieser Gruppe gelten. Gegen 1400 nahm die Verbreitung der Rundtürme in Franken nochmals deutlich zu. Nun sind nicht nur in Unterfranken Rundtürme absolut üblich – bis hin zu den Mauern von Zeil und Aub, zur Vorstadt von Kitzingen (ab etwa 1470) und schließlich zu den Ummauerungen Julius Echters von Mespelbrunn gegen 1600 –, sondern auch in Mittelfranken ist mehrfach der Übergang von Rechteck- zu Rundtürmen zu beobachten. So war es etwa in Neustadt / Aisch, wo um die Vorstädte zunächst eine „nürnbergische“ Mauer mit Rechtecktürmen begonnen wurde, dann ging man zu einer Bruchsteinmauer mit hohen Rundtürmen über. Ähnliches und noch sehr eindrucksvoll findet man in Merkendorf (1398 bis um 1430) und in Hersbruck (Mitte des 15. Jahrhunderts), hier schon mit Maulscharten für Feuerwaffen. Das heutige Sachsen-Anhalt – soweit es nicht zum Flachland bzw. Backsteingebiet gehört – ist eine weitere Region, in der im 15. Jahrhundert Rundtürme absolut üblich waren. Neben den Gegenden, wo Rundtürme ab dem 14. Jahrhundert dominant waren – oder zumindest entschieden häufiger als in Franken –, stehen jene, die bis zum Ende des Mittelalters die Vorherrschaft turmarmer Mauern oder von Rechtecktürmen bewahrten. Auch dort traten Rundtürme auf, aber nur als Ausnahmen und in 122 I. Systematischer Teil
der Regel auch sehr spät, kaum vor etwa 1400. Zu ihnen sind die meisten Gebiete im Südwesten zu zählen – Tirol, Österreich, Oberschwaben und Bayerisch Schwaben, das Neckarland; in Schlesien entstanden im 15. /16. Jahrhundert einige große, besonders repräsentative Rundtürme, oft auf quadratischem Sockel, die die Tore älterer Mauern sicherten. Im brandenburgischen Wiekhausgebiet, auch in Pommern, waren Rundtürme ebenfalls Ausnahmen, gehörten aber dennoch – wenn auch wohl nicht ganz von den Anfängen des Wiekhaussystems an – zur Normalausstattung der Mauern, nämlich in dem Sinne, dass fast jede Wiekhausmauer über zwei oder drei hohe Rundtürme verfügte, die einzigen Volltürme neben den Toren. Offenbar erst im 15. Jahrhundert kamen auch „runde Wiekhäuser“ auf, also runde Schalentürme, die wie die Wiekhäuser eng gereiht waren und die Mauer nur wenig überragten, allerdings eher selten an ganzen Mauern (Wittstock, Tangermünde, Pritzwalk, Werben), sondern eher als Ausnahme an sonst „normalen“ Wiekhausmauern. Falls sie als wehrtechnischer Fortschritt zu verstehen wären, dann offenbar als einer, der sich nicht wirklich gegen die Tradition der rechteckigen Wiekhäuser durchsetzen konnte. 2.2.4.7. Weitere Turmformen Neben rechteckigen oder quadratischen Türmen einerseits, runden oder zumindest feldseitig gerundeten andererseits gab es noch weitere Turmformen. Der Grundriss konnte entweder in voller Höhe eine andere Form aufweisen – von gleichzeitigen Burgen kennt man etwa achteckige Türme oder solche, denen angriffsseitig eine Spitze vorgelegt war – oder er konnte im oberen Turmteil wechseln. Schließlich gab es Tourellen – schlanke Türme ohne Innenräume zumindest im unteren Teil – und die variantenreiche Sonderform des Erkerturmes oder Wehrerkers. Alle diese Varianten kamen prinzipiell auch bei Stadtmauertürmen vor, aber sie waren große Ausnahmen, gemessen an der enormen Anzahl der rechteckigen und gerundeten Türme. Zudem gehörten sie weit überwiegend in die Spätzeit der mittelalterlichen Stadtmauern ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie ästhetisch irrelevant gewesen wären, denn gerade die ungewöhnlichen oder in
der Höhe variierten Grundrisse waren Mittel zur Akzentuierung der Mauern, etwa an einer Ecke oder an einer sonst besonders exponierten Stelle. Der achteckige Turm ist eine der besonders naheliegenden Abwandlungen des quadratischen Turmes und erzielt in seiner Mischung aus Komplexität und Regelmäßigkeit eine beachtliche ästhetische Wirkung, weswegen er auch im romanischen und Achtecktürme gotischen Sakralbau häufig vorkam. Bei den Stadtmauern geht allein ein donauseitiger Eckturm von Hainburg in die späte Romanik zurück; vergleichbar scheint eine ergrabene polygonale Eckschale in Duisburg („Koblenzer Turm“, um 1200?), die im 14. Jahrhundert in Backstein sechseckig erneuert wurde (Abb. 420). Aus dem späten 14. Jahrhundert kann als weiterer Eckturm am Fluss der Kölner „Bayenturm“ genannt werden, dessen schmuckreicher Oberbau auf einen romanischen quadratischen Sockel aufgesetzt wurde. Älter und weithin sichtbar ist der „Wasserturm“ in Luzern, dessen Holzaufsatz auf 1339 datiert ist, was für den ganzen Turm gelten dürfte (Abb. 71). Weiter östlich werden die Achtecktürme im 14. Jahrhundert etwas häufiger, entsprechend der späteren Entstehungszeit der meisten Mauern. Erwähnenswert sind etwa der „Rabenturm“ in Mühlhausen (Thüringen; Abb. 452), der stadtseitig geöffnet ist; in Schlesien sind die beiden Türme am „Striegauer Tor“ in Jauer und am „Niedertor“ in Neustadt zu nennen, ferner ein sekundär eingefügter Mauerturm in Striegau. Noch etwas häufiger waren Achtecktürme im Backsteingebiet. Das beginnt mit den gut gestalteten Türmen des „Mühltores“ in Brandenburg (1411; Abb. 268) und des „Hühnerdorfer Tores“ in Tangermünde (Abb. 500), bleibt in Pommern eher bescheiden (Wollgast, Erkerturm in Gollnow) und erreicht seinen Höhepunkt im Ordensland. Dort waren Achtecktürme vor allem an Ecken üblich, häufig mit quadratischem Sockel (Elbing, Lauenburg (Abb. 34), Konitz, Strasburg, Preußisch Stargard), aber auch manchmal als normale Mauertürme (Danzig, Thorn). Polygonale Türme von weniger regelmäßiger Form als das Achteck sind eher noch seltener. Einen Höhepunkt bildet hier der Raum des Rheinischen Schiefergebirges, wo im 14. / 15. Jahrhundert die Variation der Grundrissform ins Extrem
getrieben wurde. Neben rechteckigen Türmen findet man fünf- und sechseckige, trapezförmige, einen „Fächerturm“ spätrömischer Art (Engers) und noch unregelmäßigere, kaum in Kürze beschreibbare Formen. Relativ regelmäßig sind noch Rechtecktürme, bei denen die feldseitigen Ecken abgeschrägt sind – fünf Seiten des Achtecks wie bei den Chorbauten gotischer Kirchen. Man findet sie gelegentlich im Ordensland und auch im Rheinischen – erwähnenswert sind zwei Türme in Hameln und der „Fillerturm“ im na- Unregelmäßig polygonale Türme und Türme mit hen Alfeld (Abb. 434), angriffsseitiger Spitze beide wohl aus der Zeit um 1400 oder noch jünger –, aber insgesamt bleiben sie seltene Ausnahmen, obwohl es außerhalb des deutschen Raumes berühmte und gut erhaltene Beispiele gibt (Visby / Gotland, Montagnana / Venetien). Abb. 71 Luzern (Schweiz), der „Wasserturm“, der den Ausfluss der Reuss aus dem Vierwaldstätter See kontrolliert, ist eines der Beispiele eines achteckigen Turmes im Rahmen einer Stadtbefestigung; der Holzaufsatz ist 1339 dendrodatiert.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Türme mit angriffsseitig vorgelegter Spitze, eine gelegentlich im Burgenbau nicht nur Deutschlands auftretende Form, beabsichtigten wohl vor allem, anfliegende Wurfgeschosse seitlich abzulenken. Dies konnte eigentlich nur funktionieren, wenn die Angriffsseite schmal und der Aufstellungsort der Wurfmaschine daher festgelegt war, was bei einer Stadt kaum so sein konnte. Deswegen blieben solche Türme dort Ausnahmen. In Hainburg an der Donau findet man neben „normal“ in die Mauer eingebundenen quadratischen Türmen auch solche, die um 45 Grad über Eck gedreht waren, ein Experiment ohne Nachfolge. Wenig jünger sind wohl die zugespitzten Rundtürme im oberschlesischen Leobschütz, das vor 1224 von Ottokar I. von Böhmen gegründet wurde und dessen Mauer 1282 schon existierte (Abb. 473). Alle weiteren Beispiele stammen erst aus der Spätzeit um und
Abb. 72 Neckarbischofsheim (Baden–Württemberg), der in schriftlich „1448“ datierte fünfeckige Turm ist zeitweise als ein Vorläufer der echten Bastionen angesprochen worden, ist aber nur ein Beispiel für die Experimentierfreude der frühen Feuerwaffenzeit. (Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, 8,1: Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch, 1909).
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nach 1400, so wohl ein Eckturm in Reichenweier / Oberelsass, ferner das rhomboide, übereck gestellte „Dreikönigstürmchen“ in Dinkelsbühl oder der runde, zugespitzte „Diebsturm“ in Grünberg / Hessen, der bergfriedartig an der Angriffsseite steht. Sind diese Bauten noch echte Türme, so sind andere schon typische Experimente der Feuerwaffenzeit, etwa ein Fünfeckturm in Mühlhausen, bei dem nur die Spitze vor die Mauer ragt, der fünfeckige Turm in Neckarbischofsheim von „1448“ (Abb. 72), der Solothurner „Krummturm“ (1462 / 63), ein Turm in Weißenburg / Mittelfranken von 1469 oder schließlich der nur unten zugespitzte, runde „Wollenweberturm“ im hessischen Korbach (1505). Der Wechsel der Grundrissform mit zunehmender Turmhöhe ist eine Form, die erst in der Spätzeit aufkam und dann nur für einzelne Türme an exponierter Stelle verwendet wurde. Die einfachste Variante war hier ein quadratischer Sockel, auf den ein runder oder auch achteckiger Oberbau aufgesetzt war. Die Häufigkeit derartiger Achtecktürme in Ostpreußen war schon angesprochen worden, in Schlesien wurde mehrfach die Rundturmvariante verwen- Wechselnder Grundriss auf verschiedenen Höhen det, und zwar bis ins frühe 17. Jahrhundert hinein (Patschkau; Löwenberg, „Bunzlauer“ und „Laubaner Tor“; Abb. 73), womit man die Tortürme von Nördlingen vergleichen kann. Einen runden Turm auf quadratischem Sockel, der innen achteckig ist, ist auch der „Diebesturm“ im westfälischen Borken (um 1500). Die Seltenheit der Beispiele und die weite Entfernung zwischen ihnen verdeutlicht, dass es sich um eine Ausnahmeerscheinung handelte. Gerade als solche wurden derartige Türme allerdings auch zum Ausgangspunkt eines der eindrucksvollsten Phänomene im gesamten deutschen Stadtmauerbau – großer und auch ornamental besonders ausgestatteter „Wahrzeichentürme“, die meist an Mauerecken und an Flussufern stehen und unten im Zusammenhang anderer Entwicklungen noch besonders behandelt werden (vgl. 2.2.4.10.). Ausnahmeerscheinungen bei den Türmen waren auch Tourellen – schlanke, meist runde Türme ohne Innenraum oder mit einen Innenraum erst zuoberst, selten höher als die Mauer
(etwa Augsburg, Nordvorstadt; Limburg, „Katzenturm“; Wimpfen im Tal). Marburg / Lahn hatte, noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, so ziemlich die einzige Mauer, die diese Form mehrfach und ausnahmslos anwendete. Wenn man MarTourellen, Mauer- versprünge burg in einem erweiterten und „Scheintürme“ Sinne zum rheinischen Einflussgebiet rechnet, so ist aber die Region benannt, in der solche Formen noch am ehesten auftraten, und zwar eher noch häufiger im Burgenbau; offenbar handelte es sich um eine Sparform der weit häufigeren halbrunden Türme und Schalen. Noch sparsamer als selbst der kleinste Turm war es, einfach die Mauer selbst um ein kurzes Stück – meist 2–3 m – verspringen zu lassen. Zwar fehlte dabei die Überhöhung, aber der Versprung erlaubte den Blick und den Schuss auf die anschließende Mauerpartie, sei es vom Wehrgang aus, sei es aus tiefer sitzenden Scharten. Dass von dieser Möglichkeit so gut wie kein Gebrauch gemacht wurde, belegt ein weiteres Mal, was schon bei der Funktion der Türme selbst festgestellt worden war, dass nämlich die Idee des „flankierenden“ Beschusses in der Zeit vor den Feuerwaffen noch keine nennenswerte Rolle spielte, nicht einmal in dem Sinne, dass von den Wehrgängen und Wehrplatten aus seitlich geschossen wurde. Das eindrucksvollste, weil besonders systematische Beispiel solcher Versprünge bot die flussseitige Mauer des niederbayerischen Landshut (Abb. 74) und Ähnliches gab es in Schwäbisch Gmünd. Beide stammten erst aus der Zeit um 1400 und dem 15. Jahrhundert und das gilt auch für einen sekundär eingebauten Versprung in Marbach / Neckar, sodass man diese Fälle schon fast in die Feuerwaffenzeit einordnen kann, die ohnehin stark mit Flankierung experimentierte. Das einzige wesentlich frühere Beispiel fand ich an der Mauer von Türkheim im Elsass, die ab 1311 entstand. Als letztes, ebenfalls seltenes Phänomen, das aber die Vielfalt der formalen und ästhetischen Möglichkeiten nochmals unterstreicht, sind die „Scheintürme“ anzuführen: Bauten, die frontal von der Feldseite den Eindruck eines Turmes mit Zinnen oder Wehrgang vermitteln, während eine genaue Betrachtung zeigt, dass es sich nur um Mauerstücke handelt, die – in der gleichen Stärke
Abb. 73 Löwenberg (Schlesien), der „Bunzlauer Turm“ ist ein Beispiel eines Rundturmes mit quadratischem Sockel, wie er in Schlesien häufiger war; hier könnte der Sockel noch ins 13. Jahrhundert zurückgehen (Chr. Herrmann).
wie die Mauer selbst oder geringfügig stärker – turmartig hochgeführt sind. Sie erinnern damit an die Schildmauern der Burgen, deren Funktion sie aber nicht erfüllen konnten, weil eine vergleichsweise schmale Burg so halbwegs geschützt werden konnte, aber nicht ein Flächenphänomen wie eine Stadt (das einzige mir bekannte Beispiel einer „echten“ Schildmauer, die eine Stadt schützte, ist Esslingen, wo die Schildmauer vor 1268 der Mauer hinzugefügt wurde). Derartige Türme auf der Ecke einer Mauer – wie bei den benachbarten und verwandten Mauern von Lindenfels und Eberbach im Odenwald – könnte 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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man noch als eine Art reduzierte Schalentürme verstehen, zumal die geknickte Grundrissform Standfestigkeit sicherte. In Stadtilm (Thüringen) oder Maienfeld (Graubünden) gibt es aber solche gezinnten Mauerstücke auch über geradem Grundriss im Mauerverlauf, die wirklich nichts anderes als ein (statisch labiler) Versuch sein können, einen Turm vorzutäuschen. Maienfeld wird dabei der nördlichste Ausläufer eines italienischen Phänomens sein, denn etwa in Venetien oder der Lombardei gab es Derartiges häufiger. Um den Verteidigern einen etwas geräumigeren und wettergeschützten Aufenthalt zu verschaffen, benötigte man nicht unbedingt einen Turm mit seinem erheblichen Bauaufwand. Man konnte vielmehr auch ein „Häuschen“ auf die Mauer selbst setzen und damit jedenfalls die Turmmauern in etlichen Metern Höhe „einsparen“. Natürlich war die Ersparnis Wehrerker umso größer, je kleiner man das Häuschen auf der Mauer machte, und dies hatte Grenzen. Insbesondere ergab die normale, deutlich unter 2 m liegende Dicke der Mauer keinen brauchbaren Innenraum mehr, wenn man nicht beide Seiten des Hauses auskragte. Diese Merkmale ergaben einen kleinen Bau von 3–5 m Länge, parallel zur Mauer gemessen, und einer Innenraumbreite von etwa 2–2,5 m, meist mit Abb. 74 Der seltene Fall einer Mauer in „Sägezahn“-Anordnung ist in Landshut (Niederbayern) in alten Darstellungen dokumentiert; rechts das Sandtner-Modell von 1571, links der Merianstich von 1657 (von Reitzenstein, Die alte bairische Stadt, 1967; Merian, Topographia Bavariae, 2. Aufl. 1657).
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einem Satteldach, dessen First gleichfalls parallel zur Mauer verlief. Steinerne Erker dieser Art kamen als vereinzelte Bauten hier und dort vor, treten aber in einer gewissen Dichte vor allem in zwei Regionen auf, die sicher nicht zufällig auch spätmittelalterliche Höhepunkte schmuckreicher Mauerarchitektur bilden, in beiden Fällen ausgehend von einem kleinteiligen Baumaterial. Einerseits findet man Wehrerker im rheinischen Schiefergebiet, mit Ausläufern am Niederrhein und im benachbarten Hessen. Sie kommen hier kaum vor 1400 auf – Zons (nach 1373; Abb. 424) dürfte ein eher frühes Beispiel sein – und reichen bis in die Feuerwaffenzeit hinüber, etwa am „Zollhof“ in Bacharach, wo sie Schlüsselscharten besaßen. Charakteristisch war im Rheinland die Vorkragung auf Konsolen oder auf Maßwerkfriesen aus Werkstein, wobei neben rechteckigen (Oberwesel) auch runde oder polygonale Erker auftraten (Boppard, Bacharach, Cochem, Ediger, ehemals Mainz, dort als „Letzen“ bezeichnet). Typisch war ferner, dass die Erker die Mauertürme nicht ersetzten, sondern nur ergänzten; gut erkennbar ist das zum Beispiel noch in Sonnenberg bei Wiesbaden oder in Ober-Ingelheim. Dies und die Tatsache, dass die Mauern der Region stets Wehrgänge besaßen, geben den Wehrerkern des Rheinlandes einen eher gestalterischen Akzent,
während sie wehrtechnisch nicht wirklich notwendig erscheinen. Als Ausnahme, wo tatsächlich ein Mauertor von einem Wehrerker überhöht wird, sodass gleichsam ein Torturm vorgetäuscht wird, ist das „Balduinstor“ in Cochem (Mitte des 14. Jahrhunderts) zu nennen. Das andere Gebiet mit etwas höherer Dichte von Wehrerkern ist die Backsteinregion, in der sie mit den Mauern als Ganzes gleichfalls fast immer ins 14. / 15. Jahrhundert gehören. Da in Brandenburg und darüber hinaus wehrganglose Mauern verbreitet waren, muss man die Erker hier, wo sie gleichfalls fast immer mittig zwischen den Türmen bzw. Wiekhäusern saßen, in höherem Maße funktional verstehen: Sie vermehrten die Standplätze der Verteidiger. Typisch sind hier hohe, aus Backstein aufgemauerte Konsolen bzw. regelrechte schmale Stützpfeiler. Wohlerhaltene Beispiele findet man noch in Neumarkt und Bernstadt (Schlesien), in Brandenburg in Beeskow, Friedeberg, Prenzlau und Königsberg (Neumark), schließlich in Pyritz / Pommern, wo sie außen aus dem Anzug senkrecht aufsteigen und damit geradezu an flache Wiekhäuser erinnern, während sie stadtseitig auf 3,5 m hohen Backsteinkonsolen ruhen (Abb. 75). Eine naheliegende Annahme ist im Übrigen, dass derartige Erker weitaus häufiger waren, als wir es noch feststellen können, und zwar als Holzkonstruktionen, von denen wegen des witterungsbedingten Verfalls vor allem der Mauerkronen alle Spuren verschwunden sind. Die erhaltenen oder belegbaren Erker aus Mauerwerk wären dann lediglich die besonders aufwendige Spätform eines weit häufigeren Phänomens. Nur besonders frühe Abbildungen wie etwa in den „Schweizer Chroniken“ der Zeit um 1500 können derartige Konstruktionen noch belegen. Eine Mischung aus einem echten Turm und einem Erker ist jene Form, bei der ein schlanker Turm auf Strebepfeilern ruht, die einseitig oder beidseitig aus der Mauer vorspringen. Die Strebepfeiler geben dabei bessere Stabilität – wichtig vor allem, wenn ein Erkertürme höherer, turmartiger Aufbau darauf sitzt (Abb. 76) –, während zugleich gegenüber einem normalen Turm Mauerwerk eingespart wird. Alle mir bekannt gewordenen „Türme“ dieser Art gehören erst in die Zeit um 1400 und
Abb. 75 Beeskow (Brandenburg), Wehrerker, hier wohl aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Wehrerker sind, verglichen mit Türmen, eine Sparform, die nur noch selten erhalten ist, aber oft verschwunden sein dürfte. Abb. 76 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), Feldseite eines Rundturmes, der beidseitig auf Strebepfeiler aufgesetzt ist, an der Westseite der äußeren Mauer (spätes 14. Jahrhundert).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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danach. Auch sie sind nur in wenigen Gebieten etwas häufiger, vor allem in Franken. Dort sind mehrere schlanke Rundtürme an der Mauer von Rothenburg die wohl berühmtesten Bauten dieser Art, insbesondere der „Große“ und der „Kleine Stern“ in der Spitalvorstadt (um 1410–15). Weitere weniger beachtete Beispiele gibt es aber in Feuchtwangen (um 1388 / 95), dessen elf runde oder eckige Türme alle auf Strebepfeilern balancierten; andere Fälle findet man in Ansbach, Langenzenn, Fladungen, Neustadt, Heidingsfeld, Homburg, Zeil und in Württembergisch Franken in Niedernhall, Laufen, Grünsfeld, Freudenberg, Wimpfen im Tal und Marbach. Am Niederrhein bietet wiederum Zons neben den Erkerhäuschen auch einen Achteckturm auf Strebepfeilerfuß, während in Mayen und Rhens als Sonderfall regionaltypische Halbrundtürme vorkommen, die ausnahmsweise nicht in die Mauergasse vorspringen, sondern nur über sie auskragen. Im Backsteingebiet ist schließlich wieder Beeskow zu nennen, zudem zwei Türme in Hinterpommern, ein achteckiger in Gollnow, ein rechteckiger in Lassan. Erker auf Strebepfeilern – also keine mehrgeschossigen Aufbauten, sondern nur kleine, brustwehrgeschützte Plattformen – waren dagegen selten; dies überrascht nicht, denn für das geringe Gewicht war der Strebepfeiler im Grunde überflüssig. Ein schönes Beispiel ist in Mühlhausen / Thüringen erhalten; der rechteckige Erker besitzt je eine Zinnenlücke pro Seite und einen umlaufenden Wasserschlag (Abb. 453). Auch die verschwundene äußere Mauer von Erfurt (um 1410–83) besaß mehrere Runderker auf Strebepfeilern. 2.2.4.8. Entwicklung des Schalenturms Der Schalenturm – ein Turm, der nur zum Feld hin dreiseitig geschlossen ist, während die stadtseitige Wand fehlt – ist bei den Stadtmauern des deutschsprachigen Raumes ein sehr häufiges Phänomen; vermutlich waren Schalentürme sogar häufiger als (allseitig geschlossene) Volltürme. Eine statistisch gesicherte Aussage ist in diesem Punkt nicht möglich, einerseits, weil ein hoher Prozentsatz der ehemals vorhandenen Türme undokumentiert verschwunden ist, andererseits, weil selbst bei einem erhaltenen Turm nicht immer einfach zu erkennen ist, ob 128 I. Systematischer Teil
er ursprünglich ein Schalenturm war. Denn viele Schalentürme sind nachträglich auch an der Stadtseite geschlossen worden und dort, wo dies in Mauerwerk geschah oder gar verputzt wurde, ist der ursprüngliche Charakter des Schalenturmes meist nicht mehr abzulesen. Nur Rissbildungen machen diese Entwicklung gelegentlich erkennbar und ganz klar wird die Sache fast immer anhand eines Grundrisses, der die deutlich dünnere Wand zur Stadt zeigt; nur fehlt ein solcher Grundriss bisher in den meisten Fällen. Neben gemauerten Rückwänden, die nach Fenster- und anderen Formen durchaus noch manchmal ins 14. / 15. Jahrhundert gehören dürften, gibt es bei ursprünglichen Schalentürmen auch verschiedentlich Rückwände in Fachwerk (Abb. 77), die in ihrem heutigen Zustand so gut wie nie ins Mittelalter zurückgehen. Bei der Witterungsanfälligkeit von Holzkonstruktionen, insbesondere bei hoch aufragenden, dem Regen besonders ausgesetzten Bauten, die zudem seit dem 17. Jahrhundert meist kaum noch gepflegt wurden, bedeutet dies allerdings nicht viel; die ab dem Spätmittelalter zu beobachtende Tendenz, die unangreifbare Seite des Schalenturmes mit einer dünneren, aus Holz gebauten Wand zwar nicht vor Angriffen, wohl aber gegen die Witterung zu schützen, kann dennoch weit zurückreichen, ohne dass wir dies noch belegen könnten. In diesem Licht sind auch die Gründe für die Schalenform als solche zu reflektieren; Schriftquellen dazu fehlen, wie praktisch immer zu solch rein funktionalen Aspekten. Im 19. Jahrhundert, in dem man betont militärisch dachte, wurde gelegentlich erwogen, die offene Rückseite habe dem leichteren Transport von Kriegsmaterial in die Turmgeschosse gedient. Das ist kein unsinniger Gedanke, jedoch hätten große Luken wie etwa in Speichern dasselbe ermöglicht, ohne das eingelagerte Material der Witterung auszusetzen. Deswegen wird man auch bei den Schalentürmen an den wirtschaftlichen Aspekt denken müssen, der schon bei Material und Bautechnik, auch bei der Form der turmarmen Mauer, berührt worden war. Die Rückwand wegzulassen oder sie in billigerer Technik auszuführen, bedeutete eine erhebliche Einsparung an Material, Steinbruchund Maurerarbeit, ohne dass ein statischer oder wehrtechnischer Nachteil damit verbunden war,
Abb. 77 Die Rückseite von Schalentürmen ist heute nur noch selten offen (links: Oberwesel, Rheinland-Pfalz, der restaurierte „Stein gassenturm“ von 1243). Die Türme wurden meist – und wohl auch schon früh – mit einer leichten (Fachwerk-)Wand geschlossen, um die Geschosse nutzen zu können, rechts Reichenweier im Elsass, Obertor („Dolder“, um 1300, Fachwerk spätes 16. Jh.).
denn der Angreifer konnte den Turm von hinten erst angreifen, wenn er bereits in der Stadt und damit ohnehin alles verloren war. Schon ab der Mitte des 13. Jahrhunderts macht es keinen Sinn mehr, die Entwicklung und Verbreitung des Schalenturmes zu untersuchen, denn ab dieser Zeit war die Form enorm weit verbreitet. Sucht man nach den Anfängen, so ist zunächst einmal festzustellen, dass Schalentürme in der Antike, Anfänge im 13. Jahrhundert insbesondere in spätrömischer Zeit, offenbar unbekannt waren, archäologisch nicht ganz sichere Einzelfälle beiseitegelassen. Sie waren demnach zumindest in Europa eine mittelalterliche „Erfindung“ und als solche sind sie schon recht bald nach 1200 nachzuweisen, und zwar sowohl bei Mauertürmen als auch bei Tortürmen. In Duisburg wird die ergrabene polygonale Schale, die später als „Koblenzer Turm“ neu errichtet wurde, schon auf um 1200 datiert (Abb.
420). Dass ein so früher Schalenturm denkbar ist, zeigen die zahlreichen Halbrundschalen der ab etwa 1210 errichteten äußeren Mauer von Köln (Abb. 66), deren Erdgeschoss in der Halbkuppel überwölbt war, und auch die vielleicht von Köln beeinflussten, ab 1217 entstandenen halbrunden Backsteinschalen von Lübeck (Abb. 67). Ob es Vergleichbares auch in Österreich dermaßen früh gab, etwa in Bruck / Leitha, müsste dagegen noch genauer erforscht werden. Im deutschen Südwesten, wo die Mauertürme ohnehin erst weit später aufkommen, ist der bergfriedartig allein stehende Rottweiler „Hochturm“ (Abb. 78) trotz dieser Isolierung ein wichtiger Vorläufer der Schalentürme, denn schon der Erstbau öffnete sich in jedem Geschoss in zwei Rundbögen zur Stadt und die bald folgende Erhöhung, noch gegen 1240, wiederholte dies mit Spitzbögen. Dass unter den sekundär an die Mauer gesetzten Schalen in Oberwesel der „Rheingassenturm“ (Abb. 77) auf 1243 dendrodatiert wer2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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den konnte, ist damit schon keiner der ältesten Fälle mehr. Und dass die Form schon bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts auch die Gebiete ganz im Osten erreicht hatte, können die ordensländischen Mauern von Thorn / Altstadt (um 1250–62) und Kulm (um 1267) belegen, die schon rechteckige Schalen aufweisen, in Kulm auch einige halbrunde. Frühe Tortürme, die sich zumindest im Obergeschoss zur Stadt öffneten, waren etwa das Eisenacher „Nicolaitor“ (wohl um 1200) und der „Zeitglocken / Zytgloggen“, das erste Westtor von Bern (um 1220 / 30); beide wurden später geschlossen und erhöht. Aus wenig späterer, noch romanischer Zeit stammten beispielsweise der verschwundene „Spalenschwibbogen“ in Basel und der Nürnberger „Laufer Schlagturm“, die beide anfangs Schalen waren. Später war der Typus des Torturmes weitverbreitet, der nur das Erdgeschoss stadtseitig „schloss“, also ein Tor mit
Abb. 78 Rottweil (Baden-Württemberg), der „Hochturm“ von der Stadtseite mit den drei eine Art Schalenturm bildenden großen Öffnungen (zwei Bauphasen bis um 1240) sowie dem Aufsatz von 1579 (C. Meckseper).
130 I. Systematischer Teil
Gewände einbaute, darüber aber den Turm völlig öffnete. Dass die Rückseite von Türmen sich nicht gänzlich, sondern nur geschossweise in Bögen öffnete – die manchmal ein dahinterliegendes Gewölbe spiegeln, öfter aber nur gewöhnliche Balkendecken maskieren –, ist ohnehin mehrfach zu beobachten. Am Oberrhein findet man etwa schon bei den noch romanisch wirkenden Rechtecktürmen von Worms (um 1200 bis mindestens 1230) geschossweise Doppelbögen, ähnlich, fast maßwerkartig, am eng verwandten „Altpörtel“ in Speyer (Abb. 79). Bei den Toren ist außerdem auf das noch romanische, 1228 erwähnte „Rheintor“ in Andernach zu verweisen, das in beiden Geschossen jeweils als tonnengewölbter Raum geöffnet war. Dass diese Form aber auch später nicht ausstarb, zeigen etwa – als im weitesten Sinne rheinische Beispiele – der „Tylenturm“ in Korbach, mehrere Türme in Soest mit Doppelöffnungen (um 1250), der ganz ähnliche „Bocksturm“ in Osnabrück, der das Motiv viergeschossig aufweist, und noch später der entsprechende Heidelberger „Hexenturm“. Selten waren dagegen stadtseitig geschlossene Türme, die sich nur erdgeschossig im Bogen öffneten (Münstereifel, Göttingen, beide Mitte des 13. Jahrhunderts). Die Verbreitung früher Schalen, die sich zur Stadt nicht einfach in voller Höhe und Breite öffneten – wie es ab dem späten 13. Jahrhundert normal war –, sondern vielmehr geschossweise als Bogen oder Doppelbogen, könnte man als Indiz verstehen, dass der Schalenturm damals erst aus Volltürmen entwickelt wurde, wie sie an frühen Stadtmauern, noch mehr aber auf Burgen auftraten. Man hätte dann zunächst nicht gewagt, die bei einer Stadt besser geschützte Rückwand einfach total wegzulassen, sondern zunächst nur geschossweise Öffnungen vorgesehen, aus den schon diskutierten Gründen der Sparsamkeit und des Materialtransports. Zugleich blieb dem Turm dabei auch noch halbwegs jene Optik der Geschlossenheit und Solidität, die man in der Romanik offenbar für unabdingbar hielt. Erst nach dem Übergang zur Gotik, die ihre Konstruktion allgemein offener zeigte, und mit der Entstehung nun zahlloser Mauertürme hätte man im Sinne dieser These die Hemmungen verloren, das Mauerwerk einer Turmseite vollständig wegzulassen
Abb. 79 Speyer, das Altpörtel (Unterteil bis unter die große Uhr um 1230–50), Ansichten der Feld- und Stadtseite. Die Ausbildung der Stadtseite kann als reichere Variante eines Schalenturmes verstanden werden (J. Behles, Das Altpörtel zu Speyer, 1978).
und damit entweder sein Inneres oder eine weitaus „billigere“ Wand zu zeigen. 2.2.4.9. Öffnungen und Ornamentik Angesichts der Tatsache, dass die Mauertürme so gut wie ausschließlich Wehrfunktionen erfüllten, und dass sie insbesondere kaum je bewohnbare Räume enthielten (vgl. 2.2.4.1. und 2.), kann es nicht überraschen, dass „Schmuck“ im weitesten Sinne an den Türmen fast völlig fehlte. Die Strenge des Baukörpers, die Qualität der Mauertechnik und auch die gesamthafte Wirkung der Türme einer Stadt, der „Turmkranz“ des 19. Jahrhunderts, waren die ästhetischen Mittel, die hier zur Anwendung kamen, vergleichbar mit der Ästhetik von Burgen, aber noch reduzierter als dort, wo es neben Mauern und Türmen auch Wohn-, Repräsentations- und Sakralbauten gab. Insbesondere galt diese Beschränkung der Gestaltungsmittel für die Zeit bis etwa Mitte des 14. Jahrhunderts; danach traten im Zeichen der Spätgotik einige zusätzliche Gliederungs-
elemente auf, die in aller Zurückhaltung die Strenge der Bauten etwas milderten. Auch dann allerdings blieb es eine seltene Ausnahme, dass mehrere Schmuckelemente gemeinsam einen Bau aufwerteten (vgl. 2.2.4.10.). Einen Sonderfall bildete in dieser Zeit jedoch das Backsteingebiet, wo sich – begünstigt durch die Normierung des Baumaterials und die leichte Herstellbarkeit von Profilen, Friesen usw. – ein ganz eigenes, ausnahmsweise nicht auf die Stadtmauern beschränktes System spezifischer Schmuckformen herausbildete. Im Inneren normaler Mauertürme – also nicht bei den seltenen Ausnahmefällen, die doch Zusatzfunktionen übernahmen, und auch nicht bei Tortürmen – fehlte praktisch jeder Schmuck. Zwar haben neuzeitliche Umbauten, vor allem zu Wohnzwecken oder als Gefängnisse, viele Türme verändert und viele weitere sind bisher nie untersucht oder auch nur im Detail beschrieben worden, aber es kann kein Zufall sein, dass die doch umfangreiche Literatur und die nicht 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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wenigen Besichtigungen, die ich selbst vornahm, nirgends Reste von mittelalterlichen Wandmalereien, profilierten Pforten und Nischen oder gar von Reliefs oder Skulpturen festgestellt haben; offenbar gab es sie nicht. Auch die gelegentlich auftretenden Gewölbe – am ehesten über dem Erdgeschoss oder unter der Wehrplatte – waren offenbar rein funktionaler Natur, das heißt, sie schützten gegen Brand oder schufen eine tragfähigere Decke als die weitaus üblicheren Balkendecken. Dementsprechend waren es in der Regel einfache Tonnen oder höchstens Kreuzgratgewölbe. Entsprechend dem rein funktionalen Charak ter der Innenräume, waren auch die Pforten – von der Stadt in den Turm, ganz selten als bergfriedartige Hochsteinstiege oder als Verbindung zu den anschließenden Wehrgängen – in der Regel von einfachster Art. Zwar gab es neben Rechteckpforten durchaus auch den Spitz- oder Rundbogen, aber schon eine einfache Fase des Gewändes war eine Ausnahme. Noch reichere Profilierungen kommen kaum vor und sind dann Hinweise auf eine Sonderfunktion des Turmes. Als Beispiel sei das gestäbte Gewände zum Obergeschoss des Rundturmes an einer Ecke von Balingen genannt (wohl um 1430) – der Turm gehörte zwar zum Zwinger der Stadtmauer, war aber mit der Stadtburg verbunden und wurde von den Burgherren mitgenutzt, eine absolute Ausnahme – und ohnehin keine Schmuckform war die Zugbrücke am Hocheinstieg des Turmes, der neben dem „Neustädter Tor“ in Zülz (Schlesien) stand (Abb. 477). Fenster waren an Mauertürmen a priori eher selten, denn zur Feldseite waren sie nicht sinnvoll, zur Stadtseite besaß ein großer Teil der Türme ohnehin keine Wand. Nur wenn man die Innenräume eines Vollturmes etFensterformen was besser belichten wollte, als es durch die Scharten möglich war, wurden wenige Fenster eingebaut, am ehesten an der Stadtseite oder in den oberen Teilen; gerade im Geschoss unter der Wehrplatte kommt dies vor, das wahrscheinlich oft als zwar primitiver, aber wettergeschützter Aufenthalt der Wächter diente. Der größte Teil der originalen Fenster an Mauertürmen – auch hier stammt der Großteil heute vorhandener Fenster erst von nachmittelalterli132 I. Systematischer Teil
chen Umbauten – ist von einfachster Form, in der Regel klein, rechteckig und mit unprofiliertem Gewände. Extreme Beispiele, dass hier das Billigste gerade gut genug war, findet man im Rheinischen Schiefergebirge – das Schiefermauerwerk ist sehr witterungsgefährdet und muss zur Vermeidung von schnellem Verfall sorgfältig unter Putz gehalten werden; die Einfassung von Öffnungen mit Werkstein (Basalt, Sandstein) oder zumindest Holz war hier eigentlich geboten. Da aber solches Material Zusatzkosten bei Transport und Bearbeitung verursacht hätte, sparte man es dennoch fast immer ein. Bis ins mittlere 14. Jahrhundert blieben etwas reichere Fensterformen seltene Ausnahmen. So fand man etwa an einem der Türme in Zürich (Mitte / zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) ein spitzbogiges Doppelfenster und ein ähnliches ist am „Straubinger Turm“ in Cham (Oberpfalz) erhalten. Beide zeigen zum Feld, ein Kreuzstockfenster im „Langen Turm“ in Aachen jedoch zur Stadt, ähnlich wie am „Grauen Turm“ in Fritzlar (Abb. 55). Etwas jüngere, spitzbogig genaste Doppelfenster findet man an mehreren großen Rechteckschalen in Quedlinburg, die wohl nach 1337 entstanden. Ab dem späteren 14. Jahrhundert wurden die Formen der Fenster an den Mauertürmen ein wenig „reicher“, was aber im Grunde nur heißt, dass sie der allgemeinen Entwicklung einfacher Fensterformen in der Spätgotik folgten, ohne sich den weit aufwendigeren Formen des repräsentativen Profan- oder gar des Sakralbaues ernsthaft zu nähern. Noch immer war die weit überwiegende Anzahl der Fenster klein und rechteckig, aber nun traten – zumindest im Westen und Süden des deutschen Raumes – manchmal einfache Profilierungen wie Fase oder Kehlung auf, auch schlichteste Formen des Anlaufes. Als Gegenbeispiel kann etwa das Ordensland Preußen dienen, wo ich im gesamten erhaltenen Bestand nur noch ein einziges profiliertes Fenster notieren konnte (Braunsberg, „Pfaffenturm“). In Westfalen und dem südlichen Niedersachsen findet man im 15. Jahrhundert gelegentlich kleine „Gesimse“ aus einfachen Steinplatten über Rechteckfenstern (Stadthagen, Bodenwerder, Einbeck). Echte, etwas aufwendigere Schmuckformen an Rechteckfenstern sind erst im 16. Jahrhundert zu finden, in dem sie schon deswegen extrem selten
bleiben, weil kaum noch Neubauten an den Mauern entstanden; genannt sei etwa ein Eckturm der Mauer von Flörsheim (Rheinhessen, 1547 / 48) mit typischen großen Renaissancefenstern. Mehrlichtige Fenster blieben auch im späten 14. Jahrhundert und danach eine extreme Ausnahme. Ab etwa 1370 treten im nördlichen Rheinland an manchen Mauertürmen Kreuzstockfenster und Rechteckfenster mit einem Kämpfer auf, größer als die sonst üblichen Fenster und mit Werksteingewänden; Zierfriese aus Werkstein begleiten sie häufig. Weiter östlich trifft man Derartiges nur selten; die zweilichtigen Rechteckfenster der Türme in Langensalza (Thüringen; ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts) seien als Beispiel genannt, oder zwei Türme in Aken (Sachsen-Anhalt). Ebenso selten waren Fenster, die den Spitzbogen verwendeten oder gar auf Maßwerkformen anspielten. Das nach heutigem Kenntnisstand einzigartige Gruppenfenster des „Kaiserturmes“ in Villingen (1390 / 91; Abb. 56) war schon angesprochen worden. Der Einfluss von Maßwerkformen beschränkt sich auf seltene genaste Spitzbogen fenster wie etwa am „Beginnenturm“ in Hanno ver (vor 1357) oder an mehreren Türmen der äußeren Mauer von Dinkelsbühl (um 1372– 1420), die in Wahrheit doch nur kleine Rechteckfenster mit Blendmaßwerk auf dem Sturz sind (Abb. 80). Echte Maßwerkfenster findet man dann erst in der letzten Phase der Spätgotik, etwa am „Leipziger Turm“ in Halle (vor 1478), der das zweite Vortor des „Galgtores“ sicherte (Abb. 228). Als absoluten Einzelfall kann man ein geohrtes Fenster, wohl des mittleren 16. Jahrhunderts, in Heldburg (Thüringen) an den Abschluss dieser Auflistung setzen. Der Schaft der Türme bzw. die große Mauerfläche, die er bot, wurde kaum je durch angefügte oder vorspringende Bauteile gegliedert oder bereichert. Erker kamen zwar vor, waren aber rein funktionale Bauteile, nämlich Aborte oder Wurferker. Dabei sind Aborterker offenbar weit häufiger gewesen; sie lagen meist in den Geschossen, durch die der Wehrgang führte – hier waren sie auch für alle Verteidiger schnell zu erreichen und lagen meist geschützt in der Ecke zur Mauer –, oder in dem Geschoss direkt unter der Wehrplatte, das man in solchen Fällen für eine Wächterstube halten darf. Wehrerker –
Abb. 80 Dinkelsbühl (Mittelfranken), „Krugsturm“ (nach 1372). Fenster mit Schmuckformen, hier mit Blendmaßwerk, waren an einfachen Mauertürmen ausgesprochene Ausnahmen.
ein Element, das durchaus ästhetisch eingesetzt werden kann, wie man außerhalb des deutschen Raumes bzw. im Burgenbau verschiedentlich sehen kann – sind bei den deutschen Mauertürmen gleichfalls die große Ausnahme. Zwar mögen Holzerker bzw. Hurden häufiger gewesen sein, als wir das heute feststellen können – die ungewöhnlich gut erhaltenen Türme in Oberwesel waren als Beispiel Das Äußere der Mauertürme für Hurden schon genannt worden –, aber steinerne Erker waren selten. Gelegentlich findet man sie bei den späten Rundtürmen in Hessen (14. / 15. Jahrhundert), besonders eindrucksvoll etwa in Grebenstein (um 1400; Abb. 89); auch ein Turm in Borgentreich (Westfalen) ist zu nennen. Wie wenig die zusätzliche Gliederung des Baukörpers von Interesse war, zeigt auch das Fehlen von Strebepfeilern, die im gleichzeitigen gotischen Sakralbau ein ungemein verbreitetes Gliederungselement waren und auch in den Burgenbau, etwa der Backsteinregionen, wenigstens gelegentlich Eingang gefunden hatten. Natürlich waren Strebepfeiler primär ein konstruktives Element, das durch Gewölbe erforderlich wurde und damit bei den fast immer gewölbelosen und zudem dickwandigen Stadtmauertürmen ent2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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behrlich war. Dennoch kamen sie vor, und zwar als Abstützung gegen den vorgelagerten Graben, jedoch nur bei Tortürmen (Worms, Ladenburg, Ulm). Bei einfachen Mauertürmen habe ich im gesamten deutschen Sprachraum nur ein einziges Beispiel gefunden, einen unauffälligen kleinen Turm des 14. / 15. Jahrhunderts in dem brandenburgischen Städtchen Triebel. Nach den bisherigen Ausführungen über Pforten- und Fensterformen sowie die Einfachheit des Baukörpers ergibt sich schon logisch, dass die im Sakral- und im anspruchsvolleren Profanbau der Romanik und Gotik wichtigsten Schmuckarten und -formen bei Stadtmauertürmen keine Rolle spielten. Den Türmen fehlten – im Gegensatz zu den Toren (vgl. 2.2.5. und 2.2.6.) – Inhalt und „Bedeutung“, die sich auf dieser Ebene hätten spiegeln können, und die Mauer war ohnehin teuer genug, sodass offensichtlich jeder nicht unbedingt nötige Kostenfaktor unterdrückt wurde. Die einzige Ausnahme von dieser Regel hatte charakteristischerweise eine große, an den Burgen bis ins 12. Jahrhundert zurückgehende Tradition: das Buckelquaderwerk (vgl. 2.2.2.3.). Viele Buckelquadertürme an derselben Mauer oder gar eine ganze Mauer aus Buckelquadern waren zwar seltene Ausnahmen; hier ist vor allem an die äußere Mauer von Nürnberg und an ihre Nachfolger im Franken des 14. Jahrhunderts zu erinnern. Aber einzelne Türme mit Buckelquaderwänden kamen auch sonst vor, vor allem im süddeutschen Raum, und zwar ebenfalls vom 13. bis ins frühe 15. Jahrhundert. Nur ein Gestaltungselement spielte unter diesen Voraussetzungen ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine etwas wichtigere Rolle, nämlich die Gliederung der Mauerflächen durch einfache Horizontalbetonungen wie Absätze, Gesimse und Friese. Die Unterteilung des hoch aufragenden Turmkörpers in geschossähnliche Abschnitte, im Sinne eines besseren Gleichgewichts zwischen vertikalen und horizontalen Kräften, war eine naheliegende Maßnahme, sofern man einfache Türme überhaupt als ObHorizontal- jekt bewusster Gestaltung ansah. gliederungen Aber auch bei der Mauer selbst trat gleichzeitig die optische Abgrenzung des Wehrganges mit gleichen Mitteln auf (vgl. 2.2.3.4.), also die gestalterische Betonung eines funktionalen Unterschiedes. 134 I. Systematischer Teil
Als Beispiele eher einfacher Gliederungen, die aber systematisch und in großem Maßstab angewendet wurden, seien aus dieser Phase die äußeren Mauern von Nürnberg und Ingolstadt genannt; in Nürnberg – und Nachfolgern wie Altdorf und Lauf – waren der Wehrgang und manchmal auch die Wehrplatten von Türmen durch Unterschrägung abgesetzt, in Ingolstadt sind es die Wehrplatten der zahlreichen Schalentürme. Diese Betonung der Wehrplatten durch vorspringende Schrägen unter der Brustwehr war ohnehin recht häufig; zum Beispiel zeigen dies etliche Türme in Langensalza (Thüringen). Im 15. Jahrhundert wird es geradezu normal, etwa an zahlreichen Rundtürmen des fränkischen und auch schwäbischen Raumes, hier oft als Wasserschläge. Auch in Hessen war die Absetzung der Wehrplatte im 14. / 15. Jahrhundert häufig, in einfacher Weise durch ein vorgestrecktes Steinband oder das Vorspringen der gesamten Brustwehr, etwas aufwendiger als schräge oder unterkehlte Vorkragung, manchmal über Rund- oder Spitzbogenfriesen, die, sicherlich nach rheinischen Vorbildern, in Nordhessen vorkamen. Fast verbindlich waren einfache Absätze oder unterkehlte Gesimse, unter dem Wehrgang oder auch zwischen Geschossen, an den Rondellen und Streichwehren des 15. / 16. Jahrhunderts, wie etwa vielfach in Vellberg (1466–99). Als späte Beispiele seien die Wasserschläge und Cordongesimse der Rondelle im thüringischen Themar angeführt, erst aus dem 16. / 17. Jahrhundert. Im preußischen Ordensland war der Wehrgang dagegen oft durch zwei Backsteinreihen abgesetzt, zwischen denen ein horizontales Band geputzt und wohl auch farbig gefasst war – technisch ein typisches Mittel der Backsteinregion. Wasserschläge in mehreren Höhen eines Turmes blieben dagegen auf größere bzw. besonders wichtige Türme beschränkt, und dies waren überwiegend die Tortürme. Ein gutes Beispiel ist die äußere Mauer von Dinkelsbühl mit vielfältigen Turmformen, unter denen nur Tor- und die größten Rechtecktürme diese Gesimse zeigen (Abb. 81). Ein Einzelbeispiel ist ein mächtiger, rechteckiger Schalenturm in Lich (Hessen, um 1400), der charakteristischerweise im 15. / 16. Jahrhundert zum Kirchturm aufgerüstet wurde. Weitaus verbreiteter, obwohl zugleich aufwendiger, waren im 14. / 15. Jahrhundert Friese,
insbesondere Bogenfriese. Sie kamen praktisch nur unter der Wehrplatte bzw. den Brustwehren vor und verwendeten fast immer Rundbögen; die seltenen Spitzbögen machten optisch wenig Unterschied (Bretten, „Simmelturm“ mit Reliefzier, um 1450?). Hier gab es ein eindeutiges Hauptverbreitungsgebiet, in dem die Beispiele dermaßen häufig sind, dass einzelne Städte nicht genannt werden müssen; es umfasste Wehrbauten aller Art, also neben Stadt- und Dorfmauern vor allem auch Burgen. Dieses Gebiet umfasste den Mittelrhein, im Sinne des Schiefergebirges, aber auch des nördlichen Oberrheins, sodass die Territorien von Mainz – die spätmittelalterliche Mauererhöhung von Mainz besaß Rundbogenfriese – und der Pfalzgrafen als Zentrum erscheinen müssen. Dass die Rundbogenfriese insoweit eine politische Bedeutung besaßen, scheint aber angesichts ihrer Verbreitung über viele, auch kleine Herrschaften kaum belegbar. Neben den Städten und befestigten Dörfern am Mittelrhein, in Rheinhessen, am Pfälzerwald und in den südlichen Teilen des heutigen Hessen bis zum Odenwald – eines geographisch recht geschlossenen Bereiches – fällt besonders das weite Ausgreifen nach Osten auf. Das Gebiet vor dem Spessart gehörte noch zu Mainz, aber die Rundbogenfriese sogar im Bereich des Neckars und seiner Nebenflüsse sind dennoch häufig; genannt sei hier Möckmühl (vor 1373), wo nicht nur die Rundtürme, sondern auch der Wehrgang Rundbogenfriese besitzen, die farbig gefasst waren (Abb. 82). Als Ausläufer besonders weit im Norden und Osten seien Borken in Westfalen (Diebesturm 1504) und Schmalkalden in Thüringen („Pulverturm“, 15. Jahrhundert) genannt. Maßwerkfriese, ein weit aufwendigerer Schmuck, der auch besseres Steinmaterial erforderte, scheinen erst im 15. Jahrhundert aufgekommen zu sein, meist ebenfalls in rundbogiger Form. Auch hier lag das Hauptverbreitungsgebiet an Burgen, Stadtmauern und anderen städtischen Bauten am Rhein, vor allem am Niederrhein, wo der Eifelbasalt verwendet werden konnte. Als Beispiel in ganz anderer Region sei die Traufe des „Weißen Turms“ (1476–84) in Biberach in Oberschwaben angeführt (Abb. 231). Mit den Bogenfriesen, die sich ja in aller Regel im obersten Teil der Türme befanden – unter der Brustwehr oder sogar direkt unter der Traufe –,
Abb. 81 Dinkelsbühl (Mittelfranken), der „Dönersturm“ ist eines der seltenen Beispiele für die Verwendung von Stockwerkgesimsen an einem Stadtmauerturm; sie sind hier allerdings auf die Ecken beschränkt.
war schon jene Zone der Türme berührt worden, die ab dem späten 14. Jahrhundert am stärksten durchgestaltet wurde, nämlich der obere Abschluss und das Dach. Jedoch bleiben noch einige ornamentale Möglichkeiten anzusprechen, die Abb. 82 Möckmühl (Württembergisch Franken), Mauer und Turm (vor 1373) an der Ostseite der Stadt mit Rundbogenfriesen, die ursprünglich farbig gefasst waren.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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sich auf den Turmschaft bzw. die Wandflächen beziehen und, über Fenster und Wappen, Reliefs, Friese hinaus, überhaupt erst Bemalung den Bereich der Ornamentik im eigentlichen Sinne berühren; dementsprechend ist hier die Rede von extrem seltenen Erscheinungen. Das Wappen der Stadtherrschaft bzw. der Stadt selbst war im Spätmittelalter das wichtigste Herrschaftszeichen, das daher gerne auch an der Mauern gezeigt wurde. Ebenso begreiflich ist allerdings, dass es vor allem dort angebracht wurde, wo es der Ankömmling gut sehen konnte, also an den Toren (vgl. 2.3.5.8; Abb. 83). Wappen an Mauertürmen sind selten; am ehesten treten sie noch an jenen Türmen auf, die an besonders angreifbarer oder zumindest sichtbarer Stelle angeordnet und daher ohnehin voluminöser und aufwendiger ausgestattet waren. Als Beispiele seien hier der „Dönersturm“ in der um 1372–1420 errichteten Mauer von Dinkelsbühl (Abb. 81) genannt, ferner der „Kattenturm“ (noch 14. Jahrhundert?) in Wolfhagen (Hessen), schließlich der „Romäusturm“ in Villingen (an der Erhöhung von 1429 / 39); das Wappen der Stadt und jenes des Reiches am „Dicken Zwinger“ in Goslar (1517) ist ein Beispiel, dass Artillerietürme auch insoweit Nachfolger der Mauertürme waren. Abb. 83 Dinkelsbühl (Mittelfranken), Wappen am „Rothenburger Tor“, rechts die drei Ähren des Stadtwappens, links der Reichsadler; die Farbfassung ist modern. Im Vordergrund sieht man die Schießscharten des Vortores.
136 I. Systematischer Teil
Entsprechend selten waren Reliefs oder gar Skulpturen anderen Inhalts an Mauertürmen. Wenn am „Zollturm“ in Zons ein „1388“ datiertes Relief den Stadtgründer mit St. Petrus in einer Maßwerknische zeigt, so ist dies ein Höhepunkt der Gestaltung; freilich war dies als Wohnturm einer Zollstelle ein Sonderbau, der zudem Rechte eines Erzbistums sicherte. Vergleichbar war die Statue des namengebenden Heiligen am Basler „Thomasturm“ (um 1400), die das flussab liegende Mauereck am Rhein akzentuierte und sich an die Schiffer wandte. Bescheidener wirkt der wappenhaltende Engel am Traufgesims des Vaihinger „Pulverturmes“, der 1493 als Stiftung zweier Familien entstand (Abb. 84), und auch die Renaissancemaske am Meininger „Wasserturm“ ist ein Sonderfall, da der Turm zu einem vornehmen Wohnhaus gehörte. Alle diese Beispiele von Wappen und Reliefs sind außerdem nicht nur seltene Ausnahmen, sondern sie gehören auch in die Spätphase des Mauerbaues ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Ein weiterer Aspekt der Außengestaltung von Mauertürmen ist uns heute praktisch nicht mehr greifbar, dürfte aber eine wichtige Rolle gespielt haben – die Bemalung. Bei Stadtmauern und ihren Türmen spielte zu allen Zeiten das billige Bruchsteinmauerwerk eine wichtige Rolle, damit auch der Verputz, und man kann sich daher gut vorstellen, dass zumindest exponierte Türme gelegentlich farbig gestaltet waren. Da es sich dabei um nichts unbedingt Nötiges handelte und die Mauern ohnehin teure Instandhaltung forderten, da zudem spätestens im 17. Jahrhundert eine lange Phase der Vernachlässigung einsetzte, ist davon kaum je etwas erhalten. Auch sind die modernen Methoden restauratorischer Untersuchung, die auch geringe Reste von Farben feststellen können, auf Stadtmauern offenbar kaum je angewendet worden – vielleicht, weil man zu Recht kaum mit Befunden rechnete. Das einzige Beispiel, das ich auf meinen Reisen im gesamten deutschen Sprachraum fand, bei dem sich die Farbfassung eines Mauerturmes hat feststellen und restaurieren lassen, ist der „Gemalte Turm“ in Ravensburg (um 1400 / 1418; Abb. 85). Auch im Rheinland findet man heute wieder etliche farbig gefasste Stadtmauertürme – in der Regel weiß mit rot abgesetzten Gliederungen –, jedoch ist dies eine ab den 1960er Jahren entstandene
Restaurierungsmode, deren Beleg im Einzelfall oft zweifelhaft ist; auf weitere Einzelbeispiele erhaltener Bemalungen bleibt bei den Toren zurückzukommen (vgl. 2.2.5.8.). Dass schlichte Horizontalgliederungen das wohl wichtigste „Schmuck“-Element jüngerer Stadtmauertürme waren und dass diese besonders gerne unter der Wehrplatte bzw. ihren Zinnen oder auch an der Dachtraufe angewendet wurden, war bereits vermerkt worden. Schon mit diesen meist einfachen, höchstens in Bogenreihungen besteWehrplatte und Dachform henden Mitteln wurde also der obere Abschluss des Turmes besonders hervorgehoben, der ja in der Tat die naheliegende Stelle für solchen Aufwand war, weil er weit in die Landschaft hinaus wirkte. Deswegen wurden, wieder erst im 14. / 15. Jahrhundert, auch noch andere Bauteile in diesem Bereich besonders ausgestaltet: die Zinnen der Wehrplatte und vor allem das Dach. Die Zinnen bzw. – wie sie im Mittelalter gelegentlich genannt wurden – die „wintberge“ sind zunächst eine funktionale Form. Sie sollten Verteidiger gegen Beschuss decken und boten dabei im Grunde nur zwei Möglichkeiten der Verzierung: Die feldseitige Ansicht konnte mit aufgelegten Gliederungen versehen werden und der obere Abschluss eine besondere Form erhalten. Die einfachste Art, die Ansicht zu bereichern, war die Herumführung eines Gesimses, etwa eines Wasserschlages um Zinnenlücke und Zinne herum; hier gibt es vereinzelte Beispiele, kaum vor 1400, etwa im Rheinland und in Hessen (Kassel „Druselturm“; Butzbach, „Hexenturm“; Lich). Etwas aufwendiger war schon die Gestaltung der Zinne als Blende, was etwa in Ingolstadt (1363–1430) zu den wichtigen Gestaltungsmerkmalen gehört; auch hier bietet das Rheinland im 15. Jahrhundert besonders viel (Andernach, „Runder Turm“; Oberwesel, „Zennerturm“ und andere), auch in der Variante, dass die Seiten eines achteckigen Turmgeschosses als solche mit Blenden versehen wurden (Seligenstadt, 1461– 63). Den Höhepunkt findet man jedoch – wie eigentlich allgemein, wenn es um Schmuckreichtum geht – im 15. Jahrhundert in der vor allem brandenburgischen und auch pommerschen Backsteinregion. Hier, wo der Backstein die einfache Herstellung auch komplexer Formen er-
Abb. 84 Vaihingen an der Enz (Baden-Württemberg), wappenhaltende Skulptur eines Engels am Eckrondell („Pulverturm“) des Zwingers; die beiden Wappen links sind jene der Familien, die den Turm finanzierten, daneben das Erbauungsjahr „1492“. Abb.85 Ravensburg (Baden-Württemberg), der wahrzeichenhafte „Gemalte Turm“ (um 1400 / 1418) an der Ecke der Unterstadt ist ein seltenes Beispiel dafür, dass eine spätmittelalterliche, wohl italienisch beeinflusste Farbfassung wiederhergestellt werden konnte.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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138 I. Systematischer Teil
möglichte, wurden die Blenden mit Bogen- und vereinfachten Maßwerkformen bereichert, die in Verbindung mit der übrigen Gestaltung solch später Türme und Tore ein besonders reiches Bild ergaben (Abb. 86). Beim oberen Zinnenabschluss war, gesamteuropäisch gesehen, zweifellos der Schwalbenschwanz die meistverbreitete Schmuckform; entstanden im 13. Jahrhundert in Oberitalien und dort im Spätmittelalter weitverbreitet, fand sie im übrigen Europa mit der Renaissance eine teils erhebliche Verbreitung. Im Spätmittelalter war sie im deutschen Raum aber noch selten, man findet sie etwa an einem niedrigen Rundturm einer Vorstadt in Memmingen (1445–71) oder in Pfeddersheim (Rheinpfalz, um 1500). Als Westausläufer einer in Polen und weiter östlich verbreiteten Form der Renaissance sind die runden Zinnen der „Alten Wasserkunst“ in Bautzen zu verstehen (1558). Auch andere Schmuckformen waren offenbar selten, etwa die getreppten Zinnen am „Roten Turm“ in Friedberg (Hessen) und an einigen Türmen in Bautzen (um 1500) oder die fialenartigen Aufsätze in Ingolstadt; für beides findet man Vergleiche in Wales und Irland, aber ein Zusammenhang scheint kaum erkennbar. Bei den Formen des Turmdaches ist natürlich zunächst einmal zu betonen, dass dessen originale Holzkonstruktion natürlich in der großen Mehrzahl aller Fälle verschwunden ist, auch wenn der Turm als solcher überlebt hat. Dennoch ergibt eine beachtliche Anzahl erhaltener Dächer zusammen mit alten Darstellungen ein recht gutes Bild der ehemaligen formalen Vielfalt. Die große Mehrzahl der Türme besaß ein hölzernes Dachwerk in Zelt-, Kegel- oder verwandter Form, bei den kompakten Grundrissen der Türme, dem horizontalen Abschluss der Brustwehren und der guten Verfügbarkeit von Holz und Zimmerleuten war dies die naheliegende Lösung. Jedoch gab es, als Ausnahme, auch andere Formen. Die dachlose Plattform dürfte schon deswegen kaum vorgekommen sein, weil die extreme Mehrzahl der Türme nur Balkendecken Abb. 86 Tangermünde, das „Neustädter Tor“ (um 1440–70), das die für das Backsteingebiet charakteristische Ornamentik zu einem seiner Höhepunkte führt, besitzt u. a. Zinnen, die mit einer Art Maßwerkblenden geschmückt sind.
Abb. 87 Bernau (Brandenburg), Blick in das gemauerte Spitzdach. Solche Dächer, hier in Backstein, kamen in einigen Gegenden des deutschen Sprachraumes nicht nur auf Stadtmauertürmen vor, etwa in Österreich, Sachsen-Anhalt, Hessen und Brandenburg (vgl. auch Abb. 89, 147).
besaß, die durch Undichtigkeiten sehr gefährdet worden wären. Zudem wäre diese Form bei der vielfachen Erneuerung gerade des Dachbereiches und dem üblichen, relativ anfälligen (Bruchstein-)Mauerwerk der Brustwehren heute kaum noch nachweisbar. Vor allem im Rheinland mit seinem Schiefermauerwerk findet man oft gemauerte, dachförmige Zinnen, die – wenn nicht allzu verfälschend restauriert – sicher unter freiem Himmel lagen. Hier wird man mit Dächern rechnen dürfen, die hinter Zinnen und Wehrgang nur den Innenraum des Turmes schützten, wobei der Wehrgang durch Wasserspeier entwässert wurde (figürliche Beispiele etwa in Grebenstein [Abb. 89], Züschen, beide in Hessen); der äußere Eindruck kam dabei einer Plattform zumindest nahe. Weit häufiger waren, zumindest in bestimmten Regionen, gemauerte Spitzdächer, die eben dieser Form mit umlaufen2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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dem, offenem Wehrgang entsprachen. Sie sind häufig an Burg- und Stadtmauertürmen in Sachsen-Anhalt – gut erhaltene Beispiele findet man etwa in Naumburg, Jena oder Staßfurt –, weiter östlich in Brandenburg (Abb. 87) und Schlesien; auch in Österreich war das Steindach verbreitet, ist aber auf Stadtmauertürmen kaum erhalten. Die Form des Satteldaches zwischen Giebeln bietet sich bei Türmen wenig an, weil sie eher für längliche Grundrisse taugt. Dennoch trat die Form gelegentlich auf, in bestimmten Regionen sogar häufiger. Das brandenburgische Wiekhaus des 14. / 15. Jahrhunderts war mit seiner querrechteckigen Form für ein Satteldach geeignet und man darf davon ausgehen, dass diese Form mit Traufen zur Stadt- und Feldseite hier normal war; jedoch sind nur in vier(!) Fällen von vielen Hunderten noch Giebelreste erhalten (Abb. 88). Einzelne Fälle von gegiebelten Türmen gibt es noch im fränkischen Raum (Dinkelsbühl, Greding), in Oberschwaben und in der Schweiz wa-
ren sie etwas häufiger, oft als Treppengiebel, von etwa 1350 bis ins frühe 16. Jahrhundert. In diesem südwestdeutschen Raum, in dem die Giebel auch an Tortürmen auftraten, dienten sie eindeutig als Würdeform, offenbar als Zitat der Giebel von Patrizierhäusern. Eine noch aufwendigere Verwendung als Schmuckform blieb dagegen seltene Ausnahme, etwa in Langensalza (Thüringen), wo es Giebel über allen vier Turmseiten und darüber ein steiles Spitzdach gab. Die bisher angesprochenen Varianten der Wehrplatten und Turmdächer bestanden in der formalen Variation funktionaler Notwendigkeiten – der Wehreinrichtungen und des Daches als Witterungsschutz –, nicht eigentlich in Schmuck, das heißt in der Hinzufügung von „Überflüssigkeiten“ zwecks rein ästhetischer Wirkung. Aber auch dieses Phänomen gab es durchaus, und zwar in Form von Ziererkern bzw. „Eckwarten“. Ausgangspunkt der Entwicklung waren dabei sicherlich echte Wehrerker, die vor allem an Ecken aus der Brustwehr vorsprangen und ein verbes-
Abb. 88 Nur sehr wenige Wiekhäuser haben Reste ihrer Dächer bzw. Giebel bewahrt: links Königsberg, rechts Bärwalde, beide in der ehemaligen Neumark (Polen).
140 I. Systematischer Teil
noch eine runde Eckschale, deren Wehrplatte über einem Rundbogenfries mit Erkern versehen ist. Dass solche Formen vor den Veränderungen der Neuzeit gerade im mittelrheinischen und hessischen Gebiet häufig waren – auch an Burgen und Patrizierhäusern, etwa in Frankfurt – kann recht gut die weitgehend verschwundene äußere Mauer von Frankfurt am Main verdeutlichen. Neben dem „Eschenheimer Torturm“, einem der schönsten Bauwerke an deutschen Stadtmauern, der unter anderen Schmuckelementen auch Erker an der Wehrplatte besitzt (Abb. 131), zeigt hier der „Rententurm“ (1455 / 56 von Eberhard Friedberger) polygonale, schieferverkleidete DacherAbb. 90 Schwäbisch Gmünd (Württemberg), der „Fünfknopfturm“ spiegelt schon in seinem Namen seine formale Besonderheit, nämlich die Bekrönung mit fünf Erkern, die fortifikatorisch nur bedingt effektiv waren (vgl. Abb. 213; T. Radt).
Abb. 89 Grebenstein (Hessen). Selten wurden Mauertürme so stark verziert wie hier: fortifikatorisch nutzlose „Balkone“ bzw. offene Erker nach vier Seiten, figurale Wasserspeier und eine Kreuzblume auf dem gemauerten Kegeldach.
sertes Schussfeld boten (und in Ausnahmefällen auch Wurflöcher). Ein gutes Beispiel sind die quadratischen Türme der äußeren Mauer von Nürnberg (1346–1407): Fast jeder von ihnen besaß, nur an der Feldseite, runde Eckerker, in Buckelquaderwerk wie die Türme selbst. Ein schönes, aber in seiner Region vereinzeltes Beispiel bietet der „Fillerturm“ in Alfeld (Niedersachsen) mit Runderkern an der Wehrplatte, die gestalterisch aufwendig über Halbkegeln auskragen (Abb. 434). In anderen Fällen wird noch deutlicher, dass die Erker zugleich der Verteidigung und dem Schmuck dienten, etwa in Grebenstein (Hessen), dessen Rundtürme (um 1400) jeweils gleich drei Erker am obersten Geschoss besitzen, aber auch eine vorgekragte Brustwehr, figürliche Wasserspeier – vergleiche das nahe Züschen – und eine Kreuzblume auf der Dachspitze (Abb. 89). In Steinheim am Main steht 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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ker, vor allem aber dokumentieren alte Ansichten eine Fülle derartiger Gestaltungen an heute verschwundenen Türmen. Dass solche reinen, wehrtechnisch zumindest überflüssigen Formen selbst im Artilleriezeitalter überlebten, mag als gut erhaltener Fall die fast 50 m lange, wohl 1486 begonnene Streichwehr verdeutlichen, die den Einfluss der Ohle in Breslau deckte und deren bewusst flache, schartenreiche Mauern trotzdem eine Mehrzahl von Erkertürmchen trugen (Abb. 178). Mit dem Frankfurter „Rententurm“ war bereits eine Form berührt worden, die wahrscheinlich weitaus verbreiteter als die steinernen Erkertürmchen im Bereich der Brustwehr war – nämlich hölzerne Erkertürmchen, die als Teil des Dachwerkes erst über der Traufe saßen; auch dies war eine Form, die in der Spätgotik keineswegs nur an Stadtmauertürmen auftrat, sondern auch an Burgen und städtischen Profanbauten. Solche Erkertürmchen, in der Regel mit extrem spitzen Dächern wie auch ihre steinernen Vorbilder, waren von diesen in ihrer Wirkung kaum zu unterscheiden; das gilt auch für alte Darstellungen, etwa Matthäus Merian, die Derartiges in enormer Anzahl wiedergeben. Sie waren aber aufgrund des leichter zu bearbeitenden Materials weit billiger herzustellen und dürften daher die große Mehrzahl derartiger Bauteile gebildet haben. Dass die Besonderheit ihrer Gestaltung die Bürger durchaus beeindruckte, belegen drei noch gut erhaltene Beispiele, bei denen die Erkertürmchen den Namen des Turmes hervorbrachten. In Kaufbeuren (um 1400 / 1420) und in Schwäbisch Gmünd (Dachwerk 1423 / 24) gibt es je einen „Fünfknopfturm“ (Abb. 90), in Augsburg einen „Fünfgratturm“ (Mitte des 15. Jahrhunderts).
2.2.4.10. „Wahrzeichentürme“ Die stärkere formale Ausgestaltung von Stadtmauertürmen im Spätmittelalter – warum diese Formulierung den Sachverhalt besser als Begriffe wie „Schmuck“ oder „Ornamentik“ trifft, wurde schon begründet – fand ihren Höhepunkt in einer Art von Türmen, bei denen die Symbolwirkung wichtiger als die Befestigungsfunktion geworden war. Sie sind seltene Ausnahmen, da solche Aufgaben sonst – wenn man nicht überhaupt auf dergleichen verzichtete – den Toren 142 I. Systematischer Teil
überlassen blieben (vgl. 2.2.5.). Für diese Art von Türmen gibt es bisher keine Bezeichnung, was durch ihre geringe Anzahl erklärlich ist, aber angesichts ihrer besonderen Bedeutung nicht befriedigt. Da sie meist der einzige Turm ihrer Art in der betreffenden Stadt sind und in der Regel an einer Stelle erbaut wurden, die ein Maximum an Wirkung garantierte, wäre es durchaus begründet, sie als „Stadttürme“ zu bezeichnen. Jedoch ist dieser Begriff schon besetzt: Er meint Türme, die in der Regel in irgendeiner Weise dem Rathaus zugeordnet sind – ein durchaus verwandtes Phänomen, aber eben im Inneren der Stadt, am Sitz der Selbstverwaltung bzw. am Markt als wirtschaftlichem Zentrum. Ich bezeichne die beschriebene Art von Stadtmauertürmen daher als „Wahrzeichentürme“. Der bekannteste Fall der Wahrzeichentürme sind jene Türme des späteren 14. bis mittleren 15. Jahrhunderts, die in mehreren mittelrheinischen Städten direkt am Flussufer stehen, wo sie den Schiffen weithin sichtbar die Stadt ankündigten und eher nebenbei die Schiffslände vor Angriffen und manchmal auch Eisgang schützten (Oberwesel, „Ochsenturm“, 1356d [Abb. 91]; Köln „Bayenturm“, Aufstockung um 1400; Andernach „Runder Turm“, vor 1452; Rüdesheim, „Adlerturm“, 15. Jahrhundert mit älterem Kern). Charakteristisch ist neben der markanten Standortwahl dieser Türme ihre weit überdurchschnittliche Höhe, in der Regel mit einem schlankeren, runden oder polygonalen Aufsatz, und die Ausstattung mit dem reichen Schmuckapparat der Zeit, also Simsen, Schmuckzinnen, Ziergiebeln, Steindächern mit Krabben usw.; interessanterweise besitzen sie gelegentlich sogar aufwendig eingewölbte Räume, obwohl deren Nutzung durchaus unklar bleibt. Vermutliches Vorbild dieser Turmform waren die im 15. Jahrhundert ergänzten Türme einer Anzahl rheinischer Burgen, der Grafen von Katzenelnbogen und anderer Bauherren, die aber von den städtischen Türmen vor allem in der Detailgestaltung weit übertroffen wurden. Als weiteren, bescheideneren Ausgangspunkt der Form kann man jene ebenfalls rheinseitigen Ecktürme mancher Städte im Schiefergebirge ansehen, die vielleicht stadtherrlichen Amtsträgern wie Zollkontrolleuren zur Wohnung dienten (Kaub, Sankt Goarshausen [Abb. 405], Bacharach, Rhens, Zons).
Abb. 91 Oberwesel (Rheinland-Pfalz), der „Ochsenturm“ ist mit seiner Höhe und reichen Gliederung – dem schlankeren Aufsatz, den über Bogenfriesen vorkragenden Zinnen – eines der besterhaltenen Beispiele von „Wahrzeichentürmen“ in den Mittelrheinstädten (Die Kunstdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Tl. 9, Bd. 2, 2: Stadt Oberwesel, 1997).
Ausläufer der mittelrheinischen „Wahrzeichentürme“ findet man auch in anderen Regionen. Zu nennen ist etwa der verschwundene „Neuturm“ (um 1500) an der Ecke einer Vorstadt von Worms und, eindrucksvoll erhalten, der „Spitze Turm“ in Wertheim, der die Taubermündung in den Main markiert (wohl Mitte des 15. Jahrhunderts). Er geht vom Rund ins Achteck über, dann folgt über einem Maßwerkfries die Wehrplatte mit Runderkern an allen acht Ecken, die man sich früher wohl mit Spitzdächern vorstellen muss – ein extrem reiches Bild! Ein weiter entferntes Beispiel ist der bereits wegen seiner Farbgestaltung erwähnte „Gemalte Turm“ (1400– 1417; Abb. 85) in Ravensburg, ein vom Rhein weit entfernter Vertreter der Türme mit schlankerem Oberbau. Dass bei derartigen Wahrzeichentürmen die Funktion im engeren Sinne nicht wichtig war, sondern vielmehr die Wirkung in die Landschaft hinein, zeigt sich schon dort, wo der betreffende Turm, weitab vom ältesten Stadtkern, von Rat-
haus und Patriziersitzen, die Ecke einer sozial eher nachrangigen Vorstadt einnahm (Oberwesel, Worms, Ravensburg); noch deutlicher wird es in Randfällen, bei denen es sich gar nicht um Mauertürme handelt. So eignete sich etwa in Miltenberg der Torturm der jüngsten Vorstadt zum Wahrzeichen, weil er flussnah steht und sich das Tal hier weit öffnet, sodass der „Spitze Turm“ mit seiner reich gestalteten Wehrplatte viel weiter sichtbar als die anderen Teile der Stadtbefestigung war (Abb. 382). Noch deutlicher ist der Fall des Westturmes der Kirche St. Martin in Oberwesel (1435d; Abb. 92). Die Kirche steht erhöht und daher vom Rhein gut sichtbar hinter der Mauer einer Vorstadt; die übereinandergestaffelten Zinnen des Turmes mögen durchaus genutzt worden sein, aber wichtiger war fraglos das dem Rhein zugewandte Bild, zusammen mit dem älteren „Ochsenturm“ – insgesamt eines der reichsten unter den deutschen Stadtmauern. Dass es auf die Wirkung ankam, nicht auf die eigentliche Funktion des Turmes, zeigen schließ2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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lich einzelne Sonderfälle von Tortürmen, die im 15. / 16. Jahrhundert eindeutig nicht mehr zu Verteidigungszwecken erbaut wurden, weil sie nämlich aufgrund von vorherigen Stadterweiterungen gar nicht mehr die Stadtgrenze bildeten, sondern bereits im Stadtinneren standen. Diese Entwicklung war angesichts der Häufigkeit von Stadterweiterungen keineswegs selten und man kann sich ohne Weiteres denken, dass Tore der älteren Mauer bei solchen Entwicklungen nicht immer abgerissen wurden – zweifellos der Normalfall –, sondern erhalten blieben, weil sie inzwischen als Ausdruck städtischer Identität empfunden wurden. Das wird in den meisten Fällen Vermutung bleiben müssen, aber es ist dort unverkennbar, wo der nutzlos gewordene Torturm sogar ganz neu gebaut wurde. Das beste Beispiel bot hier München; der „Schöne Turm“ wurde 1479 anstelle eines Torturmes der ältesten Mauer aus der zweiten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts errichtet, der schon seit der Erbauung der äußeren Mauer ab 1315 / 19 im Stadtinneren lag (Abb. 93). Der aufwendig bemalte Neubau entsprach seinem Namen, er besaß polygonale Ecktürme mit Blendengliederung, Stockwerkgesimse und innen Kreuzrippengewölbe in allen sechs Geschossen. An einen anderen Torturm derselben Ummauerung, das „Talburgtor“, wurde später das gotische Rathaus angebaut – die Baugruppe entstand 1971 / 72 neu – und durch diese Doppelfunktion wird besonders anschaulich, wie eng verwandt die zu den Rathäusern gehörigen „Stadttürme“ etwa des niederländisch-flandrischen oder auch des norditalienischen Raumes mit solchen „Wahrzeichentürmen“ waren. Als weitere Beispiele von Tortürmen, die bereits im Inneren der Stadt wahrzeichenhaft neu gestaltet wurden, seien mehrere verschwundene Türme in Augsburg, das Überlinger „Franziskanertor“ (1494 mit baldigem Umbau) und der
Abb. 92 Oberwesel (Rheinland-Pfalz), der Turm der Pfarrkirche St. Martin (1435d) stand direkt hinter einer gefährdeten Partie der Stadtmauer und ist symbolhaft mit Wehrbauelementen ausgestattet (vgl. Abb. 194).
Abb. 93 München, der „Schöne Turm“ entstand 1479 als Nachfolger eines Tores der inneren Stadtmauer. Längst im Stadtinneren stehend, war er kein Wehrbau, sondern städtisches Symbol, wie u. a. die reiche Bemalung unterstrich. Die Spitzdächer waren auf diesem Stich (1805) schon entfernt; der Turm wurde zwei Jahre später abgerissen.
144 I. Systematischer Teil
„Siegelturm“ im schweizerischen Diessenhofen (1545 / 46) genannt; der „Zwölferturm“ in Sterzing war immer noch der brennerseitige Torturm, als er 1468 sehr hoch mit Maßwerkfenstern und Treppengiebel zum nicht mehr wehrhaften Symbol der Stadt verändert wurde (Abb. 299). Es ist vielleicht kein Zufall, dass all diese Beispiele aus dem Süden des deutschen Sprachgebietes stammen, also aus der Nähe Italiens. Die späteren Beispiele dieser Entwicklung, aus nachmittelalterlicher Zeit, werden unten noch besonders angesprochen (vgl. 2.2.5.10) Am entgegengesetzten Ende des deutschen Raumes, aus Pommern und der angrenzenden Neumark, sind ähnlich aufwendig gestaltete Mauertürme aus dem späten 14. und 15. Jahrhundert bekannt, insbesondere solche von besonderer Höhe, bei denen ein schlanker, runder oder polygonaler Aufsatz auf einen gleichfalls schon recht hohen quadratischen oder rechteckigen Sockel aufgesetzt ist, von Schmuck durch Formsteine, Blenden usw. ganz abgesehen (Pasewalk, Stargard, Pyritz, Cammin, Gartz, Friedeberg; Abb. 516, 517). Diese Türme wirken jedoch weitaus weniger wahrzeichenhaft als bei den schon genannten Beispielen, und zwar nicht nur deswegen, weil sie nicht an breiten Flüssen und nicht einmal an besonders exponierten Stellen stehen. Vielmehr besaßen zumindest größere Städte der Region auch Tortürme vergleichbarer Formgebung, wodurch die Wirkung der Mauertürme relativiert wurde. Die besonderen Turmformen waren in dieser Zeit und Region also Varianten einer besonders reichen, backsteingotischen Gestaltung, die nicht nur mehrere Türme und Tore in einer Stadt, sondern darüber hinaus auch etwa Kirchen, Rathäuser und Patrizierhäuser erfasste. „Wahrzeichen“ städtischen Reichtums und Stolzes war hier eher das Stadtbild in seiner Gesamtheit, nicht ein einzelner Turm.
2.2.5. Der Torturm In Bezug auf die Türme war bereits festgestellt worden, dass die äußere Erscheinung der mittelalterlichen Stadt weniger durch die Mauer im engeren Sinne, sondern weitaus mehr durch den Ring der Mauertürme geprägt wurde. Dies galt für den noch etwas entfernten Betrachter, der die Stadt insgesamt oder zumindest größere Teil ihrer Pe-
ripherie überblicken konnte. Die Aufmerksamkeit des Besuchers, der sich der Stadt näherte und sie schließlich betrat, beanspruchte jedoch ein Einzelbauwerk noch weit stärker, nämlich das Tor. Die mittelalterliche Stadt hatte zwar in einer Welt häufiger gewaltsamer Konflikte allen Grund, ihre Wehrhaftigkeit zu erhalten und zu betonen, aber sie lebte nun einmal von Produktion und Handel, auch auf ganz direkte Weise von ihrem Umland, also von ihren Außenbeziehungen. Das Tor als Nahtstelle zwischen Stadt und übriger Welt ermöglichte und veranschaulichte beides: Öffnung für die Verkehrsströme und wehrhafte Abschließung; damit war es das wohl beste denkbare Symbol für das Wesen der mittelalterlichen Stadt. Dass es immer wieder auf Wappen und Siegeln erschien – in Sachsen etwa galt dies für über die Hälfte der mittelalterlichen Städte –, lag folglich ausgesprochen nahe. Geeignet war das Tor für diesen besonderen Zweck natürlich nur unter der Voraussetzung, dass es selbst repräsentative Architektur war, und das heißt vor allem, dass es ein Turm war oder Türme besaß, denn repräsentative, aber im Prinzip ohne Türme auskommende Torfassaden, wie sie in der Antike und dann wieder ab der Renaissance verbreitet waren, fehlten im Mittelalter fast völlig. Dass das Stadttor jener Teil der Stadtmauer war, der als einziger in höherem Maße formal ausgestaltet wurde, hat auch die themenbezogene Forschung geprägt. Die beiden einzigen deutschen Bücher wissenschaftlichen Charakters, die nicht nur einzelne Stadtmauern beschreiben, sondern die Ebene des regionalen Vergleichs betreten, befassen sich mit Toren und lassen den Rest der Befestigung unbehandelt. Und es ist bezeichnend, dass beide Werke von Kunsthistorikern stammen und Regionen behandeln, in denen die Tore außergewöhnlich anspruchsvolle Gestaltungen aufweisen; Heinrich Trost behandelte 1959 die besonders schmuckreichen Tore der mitteldeutschen Backsteinregion, Udo Mainzer 1973 vor allem die kölnisch-rheinischen Doppelturmtore. Aus diesen beiden wichtigen Arbeiten auf die Tore des gesamten deutschen Raumes zu schließen, müsste allerdings in die Irre führen. Denn im deutschen Raum herrschte die Form des relativ schlicht gestalteten Torturmes – im Sinne eines Turmes, der in seinem Erdgeschoss 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
145
die Durchfahrt enthielt – so entschieden vor, dass Nichtspezialisten ohne Weiteres meinen könnten, es hätte gar keine anderen Formen gegeben (vgl. 2.2.5.). Das antikisch inspirierte Doppelturmtor trat in Deutschland regional und zeitlich nur als Ausnahme auf (vgl. 2.2.6.4.) und ebenso begrenzt war eine Form, die sich bei oberflächlicher Betrachtung vom Torturm wenig unterscheidet – der Turm ohne Durchfahrt, der unmittelbar neben dem Tor stand (vgl. 2.2.6.3.). Weitere Formen, Mauertore, Torbauten, Ausfalltore usw., treten schon wegen ihrer formalen Bescheidenheit weit weniger hervor. Dass in Deutschland auch die Tore in aller Regel Türme waren, widersprach im Grunde ihrer besonderen symbolhaften Funktion, denn damit waren die Tore im Rahmen der gesamten Befestigung nicht einzigartig, vielmehr waren sie auf diese Weise Türme unter anderen, die nur noch durch Besonderheiten in Dimension und Gestaltung hervorgehoben werden konnten. Dementsprechend wird sich im Folgenden zeigen, dass viele Merkmale zumindest der größeren Mauertürme, die im letzten Kapitel dargestellt wurden, bei den Tortürmen ähnlich anzutreffen sind; besonders zu betonen bleiben daher jene Merkmale, die die Tortürme trotz allem hervorheben. War bei den Mauertürmen (vgl. 2.2.4.) festgestellt worden, dass sie im Mittelalter offenbar keine Namen, sondern höchstens utilitäre Bezeichnungen trugen, die zudem häufig erst ab dem Nachmittelalter belegbar sind, so wird man bei den Toren anderes vermuten, Namengebung weil sie funktionsgemäß viel stärder Tore ker wahrgenommen und auch symbolhaft empfunden wurden. Und in der Tat trugen die Tore – die Tortürme und alle anderen Formen, mit Ausnahme ausgesprochener Nebentore und Pforten – praktisch immer Namen, die zumeist bis heute im Bewusstsein verankert sind, oft sogar dann, wenn das Tor als Bau längst verschwunden ist und nur eine Örtlichkeit noch daran erinnert. Genauere Betrachtung zeigt allerdings, dass diese Bezeichnungen der Tore auch kaum jemals Folge eines bewussten Aktes der Bauherren waren, also keine „Namen“ in einem ideellen Sinne. Absolut vorherrschender Fall war vielmehr die Benennung des Tores nach der Siedlung, die man auf der hinausführenden Straße erreichte. 146 I. Systematischer Teil
Streng genommen, ist in diesen Fällen der vermeintliche Torname gar kein Name, sondern nur eine Richtungsangabe, eher etwas wie ein Wegweiser bzw. der übernommene, ebenfalls praktisch zu verstehende Name der Straße. Dennoch mag gelegentlich selbst in solchen Bezeichnungen ein gewisser „politischer“ Bedeutungsgehalt mitschwingen, wenn nämlich nicht einfach ein wenige Kilometer vor der Stadt liegendes Dorf den Tornamen hergab, was durchaus üblich war, sondern eine weiter entfernte, aber wichtigere Stadt; dann nämlich gab die Stadt, aus der das Tor hinausführte, mit dem Tornamen quasi zu verstehen, dass sie „in einer höheren Liga“ als die kleineren Siedlungen ihres Umlandes spielte. Als besonders eindrückliches Beispiel sei das kleine Waldenburg in Hohenlohe genannt, das ein „Mainzer Tor“ besaß, obwohl Mainz keineswegs die nächste große Stadt war, sondern fast 200 km entfernt liegt. Hier wollten sich die Grafen von Hohenlohe, die Burg und Stadt um 1250 offenbar als neuen Hauptsitz gründeten, als gleichrangig mit dem ungleich mächtigeren Erzbistum in Szene setzen – und es war wohl auch eher das Territorium von Mainz, das hier angesprochen wurde, nicht die Stadt; die Nennung eines Territoriums oder einer Landschaft vor dem Tor kommt auch sonst manchmal vor (Freiburg im Breisgau, „Schwabentor“; Landsberg am Lech, „Bayertor“; Oppenheim, „Gautor“). Und eine weitere Variante desselben variablen Prinzips war die Nennung nach vorgelagerten Wasserläufen („Elbtor“, „Rheintor“, „Isartor“) oder auch bedeutenden Verkehrsbauten („Brückentor“). Andere Benennungen waren noch pragmatischer, so vor allem die in kleinen Städten weitverbreiteten nach der Lage in der Stadt bzw. im Gelände („Obertor“, „Untertor“ / „Niedertor“) oder, seltener, nach der Himmelsrichtung (Schleswig, „Nordertor“; Regensburg, „Ostentor“). Ausgesprochen alltagsbezogen sind schließlich Namen, meist an nicht ganz so wichtigen Toren größerer Städte, die von bestimmten Nutzungen bzw. Nutzergruppen hergeleitet wurden, etwa „Kornpforte“ von Getreidetransporten, „Fischerpforte“ gegen die Anlegestellen, oder verschiedene Namensformen, die mit Viehhaltung in der Stadt und den außerhalb liegenden Weiden zu tun hatten („Viehtor“, „Kuhtor“, „Tränktor“, „Trifttor“
und Ähnliches). Den pragmatisch bzw. ungewollt entstandenen Namen darf man schließlich die seltenen, aber aussagekräftigen Bezeichnungen zuordnen, die etwas mit der Entwicklung der Befestigung zu tun haben dürften. So dürfte etwa das verschiedentlich anzutreffende „Steintor“ an eine Holz-Erde-Befestigung erinnern, in der ein Tor aus Mauerwerk eine Ausnahme war; und das Speyerer „Altpörtel“ war offenbar unter mehreren Toren das älteste. Nur zwei Arten von Tornamen – beide weitaus seltener als die Namen nach nahen Siedlungen oder die anderen pragmatischen Benennungen – könnten zumindest auf den ersten Blick als bewusste, bedeutungsgeladene Schöpfungen verstanden werden. Einerseits sind dies die Farbnamen, andererseits die Personen- bzw. Heiligennamen. Im Falle der seltenen Farbnamen – sie bleiben auch dann selten, wenn man die entsprechend benannten Mauertürme hinzunimmt – wird man in der Regel an die Farbe eines längst verschwundenen Anstriches („Weißer Turm“ in Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber, „Rotes Tor“ in Augsburg) oder auch an die erst im Laufe der Jahrhunderte eingetretenen Färbung eines Steinmaterials (Rottweil, „Schwarzer Turm“) denken dürfen. Obwohl hinter dem Anstrich immerhin bewusste Gestaltung gesteckt hat, rezipierte der Name in solchen Fällen jedenfalls nur das banale Erscheinungsbild und keine tiefere Bedeutung. Und dasselbe ergibt sich letztendlich bei der Verknüpfung von Toren mit Heiligennamen. Denn in aller Regel bezogen sich solche Namen – „Martinstor“, „Petritor“, „Nicolaitor“, „Marientor“ / “Frauentor“ – nicht auf Funktionen oder Räume des Tores selbst, sondern auf Kirchen oder Kapellen, die dem Tor benachbart waren; besonders anschaulich kann man das heute noch beim Eisenacher „Nicolaitor“ nachvollziehen. Letztlich handelt es sich also auch hier wieder um eher praktische Bezeichnungen, die nicht etwa einen Weihegehalt vermitteln, sondern eher pragmatisch eine Lage bezeichnen, ähnlich dem gelegentlich auftretenden Namen „Burgtor“ (etwa Lübeck, Rothenburg, Nürnberg „Vestnertor“). Dass eine Torkapelle, wie sie in Klöstern, Domburgen, Burgen oder eben auch gelegentlich frühen Städten bestanden, den Tornamen auslieh, ist die absolute Ausnahme. Genannt sei die Goslarer „Klauskapelle“, die als romanische Kapelle direkt neben
dem Tor erhalten ist – aber ebenfalls in Goslar konnte die Kapelle im „Breiten Tor“ dessen beschreibenden Namen nie vertreiben. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass Stadttore zwar in aller Regel Namen besaßen, anders als die Masse der Mauertürme, dass diese Namen aber kaum je bewusst verliehen worden waren. Die absolute Regel waren vielmehr pragmatisch entstandene Bezeichnungen, die sich auf Wegziele, Lage, Funktion oder äußere Merkmale bezogen. 2.2.5.1. Der Baukörper Dass gerade der Torturm zur entschieden bevorzugten Torform in Deutschland wurde, ist nicht schwer zu verstehen. Die Turmform besitzt die Vorteile, die bei den Mauertürmen bereits genannt wurden, er überblickt und beherrscht das Vorfeld besser als die Mauer selbst bzw. ein niedrigerer Bau. Zugleich wirkt er, und das ist für ein Tor wichtig, symbolhaft und repräsentativ. Dabei bleiben sein Volumen und damit seine Kosten begrenzt bzw. gestaltbar, indem zumindest die Höhe variiert werden konnte. Bei der Grundrissform gab es da enge Grenzen, denn eine gewisse Durchfahrtsbreite konnte genauso wenig wie eine statisch notwendige Mauerdicke unterschritten werden; in der Regel ist ein Torturm daher ungefähr quadratisch mit Seitenlängen um 7–10 m. In der geringen formalen Variationsmöglichkeit liegt dabei zugleich der Hauptnachteil der Bauform; die Tortürme gleichen sich recht weitgehend, eher selten gelang eine individuelle Gestaltung, die das Tor unverwechselbar werden ließ. Was die Höhe betrifft, so ist zunächst eine frühe Form aus der ersten Hälfte bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts festzustellen, die nur ein, Frühe Tortürme bis Mitte des 13. Jahrhunderts höchsten zwei Obergeschosse aufwies und damit eher block- als turmförmig wirkte; die Charakterisierung als „romanisch“ drängt sich auf, wenngleich kaum jemals Einzelformen einen „Stil“ im engeren Sinne erkennen lassen. Die nicht allzu häufigen Beispiele dieses frühen Typus – meist erhöht und verändert und daher heute nicht mehr direkt erkennbar – sind fast im gesamten deutschen Sprachraum verstreut. Das Lübecker „Burgtor“ (1180er Jahre) war of2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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fenbar in dieser Frühform noch Tor der Burg, nicht der Stadt, aber das „Nordertor“ in Schleswig war wohl nicht allzu viel jünger und auch die vergleichbaren Rostocker Tore („Kuhtor“ [Abb. 489], „Petritor“, „Kröpeliner Tor“) entstanden wohl um 1260. Ähnlich wird man die noch romanischen Unterbauten des „Tangermünder“ und des „Uenglinger Tores“ in Stendal datieren (Abb. 94), während die nach 1287 erbauten Tore in Prenzlau („Blindower Tor“ [Abb. 490], „Steintor“ mit Turm neben dem Tor) und etwa gleichaltrige Tore in Zerbst (Abb. 459), im Süden des Backsteingebietes, zeigen, dass diese Form im Osten Deutschlands bis gegen Ende des 13. Jahrhunderts angewendet wurde. Weiter südlich, im Mittelgebirgsraum, ist der Unterbau des Eisenacher „Nicolaitors“ auf um 1200 (oder gar, einer Sage entsprechend, schon vor 1172?) zu datieren und sogar mit einer Biforie
zur Feldseite ausgestattet (Abb. 119). Schließlich scheint im Süden Deutschlands die „Blockform“ in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufzukommen, das zeigen etwa der ebenfalls später erhöhte „Weiße Turm“ in Rothenburg ob der Tauber (um / nach 1200; Abb. 371) und der entsprechende Fall des Schlettstädter „Niedertors“ (zweites Viertel des 13. Jahrhunderts; Abb. 319), Bern („Zytgloggen“ um 1220–30; Abb. 303) und Rottweil (Schwarzer Turm, 1242 + / – 2d) (Abb. 95); das „Münchener Tor“ in Mühldorf am Inn, als einziges Beispiel in Altbayern, dürfte auch noch ins 13. Jahrhundert gehören. Neben derart „blockförmigen“, nur bedingt turmartigen Toren gab es allerdings von Anfang an auch solche von größerer Höhe, die – bei einer gewissen Gedrungenheit – eindeutiger die Bezeichnung als „Turm“ verdienten. Wichtigstes Beispiel ist hier das Freiburger Martinstor, das
Abb. 94 Stendal (Sachsen-Anhalt), das „Tangermünder Tor“ war ursprünglich, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ein niedrigerer Bau aus Granitquadern, der dann um 1440 erhöht wurde.
Abb. 95 Rottweil (Baden), der „Schwarze Turm“ (das Obere Tor), dendrochronologisch datiert 1242 + / – 2, ist ein süddeutsches Beispiel für einen der niedrigen Tortürme noch spätstaufischer Zeit. Grundriss und Rekonstruktion der Stadtseite im Zustand von 1564, nach der Darstellung auf der „Pürschgerichtskarte“ (C. Meckseper).
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mit einem Dendrodatum von 1200 / 1201 der früheste sicher datierte Torturm Deutschlands ist; es besaß zwei Geschosse über der Torfahrt (Abb. 96). Noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts gehören weitere süddeutsche Tortürme, von denen hier nur einige gut erhaltene Beispiele zur Veranschaulichung angeführt seien, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Als eine Art Übergangstypus kann man das Mainzer „Eisentor“ betrachten, das mit seinem reich profilierten, säulen- und löwengeschmückten Torgewände zu den aufwendigsten Toren Deutschlands gehört (Abb. 97); offen ist aber bisher, ob es ursprünglich ein oder zwei Obergeschosse besaß. Eindeutig höhere Tortürme der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Oberrheingebiet sind aber wohlerhalten die Wormser „Fischerpforte“ und das anfangs dreigeschossige, später erhöhte „Altpörtel“ in Speyer (Abb. 79). Weiter östlich entstanden noch vor der Jahrhundertmitte das Esslinger „Wolfstor“ (Abb. 337) und der „Laufer Schlagturm“ in Nürnberg. Einzelbeispiele für die baukörperliche Gestaltung von Tortürmen ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis um 1500 zu nennen, erübrigt sich. Denn ausgehend von den „normal hohen“ Tortürmen bereits der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, etablierte sich in dieser langen Zeit eine in unzähligen Beispielen und fast im ganzen deutschen Raum vertretene Form des mehrEntwicklung ab der zweiten Hälfte geschossigen Torturmes, dedes 13. Jahrhunderts ren Variationsbreite gering blieb. Zwei bis drei, maximal vier Obergeschosse, deren Höhe erheblich variieren konnte, über der Durchfahrt, dann die Wehrplatte, das ergab einen Turm von ausgewogener Proportion, vergleichbar etwa mit der Mehrzahl der Bergfriede vor allem des 13. Jahrhunderts. Dass viele dieser Türme Schalen waren, wie eine Großzahl der gleichzeitigen Mauertürme, änderte ihr Erscheinungsbild zumindest an der Feldseite nicht wesentlich. Besonders niedrige Tortürme, erinnernd an die Blockform des 13. Jahrhunderts, aber betont breit und flach, kamen später nur noch als regionale Sonderform vor. Man findet Derartiges gelegentlich im süddeutschen Raum, etwa in Luzern, an der zweiten Erweiterung von Bern und der äußeren Mauer von München, aber auch in
Abb. 96 Freiburg im Breisgau, das „Martinstor“, hier in seinem Zustand vor der Aufstockung des späten 19. Jahrhunderts, um 1880, ist mit der Dendrodatierung 1200 / 01 der derzeit älteste exakt datierte Torturm Deutschlands.
Abb. 97 Mainz, das spätromanische „Eisentor“ (um 1200–1240) entstand als prunkvoller Empfangsbau an der Rheinlände. Ursprünglich wohl nur zweigeschossig, wurde es später zum Torturm erhöht.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Bietigheim, Schwäbisch Hall und als besonders späte Bauten in kleineren Städten Württembergisch Frankens; im Westen sind mehrere Tore in Luxemburg zu nennen. In mehreren Städten Pommerns entstanden im späteren 15. Jahrhundert blockhaft niedrige Torbauten, die wohl bereits eine Reaktion auf die Artillerie darstellten (Stargard [Abb. 520], Stralsund, Stolp, Usedom, Belgard). Andererseits blieben betont hohe Tortürme ebenfalls Ausnahmen und traten kaum vor dem späten 14. Jahrhundert auf. Neben dem Aspekt des besseren Überblicks über das Vorfeld betonten sie besonders wichtige Stadteingänge. Als regional gestreute Beispiele, alle aus der Zeit um 1400, seien etwa das „Bayertor“ in Landsberg am Lech (Abb. 121), das „Würzburger“ und „Rödertor“ in Rothenburg ob der Tauber und das „Kröpeliner Tor“ in Rostock (Abb. 124) genannt. Ganz gelegentlich wurde der Baukörper des Torturmes feldseitig durch Strebepfeiler bereichert, die fraglos in erster Linie eine bessere Abstützung gegen den vorgelagerten Graben bewirken sollten, aber natürlich auch die architektonische Wirkung bereicherten. Frühe Beispiele sind in Worms und dem davon abhängigen Ladenburg erhalten, ferner das „Tübinger Tor“ in Reutlingen aus der ersten bzw. zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ein weiteres ist in Ulm ergraben. Erst in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts gehören etwa das „Johannistor“ in Aschersleben, das Bernauer „Steintor“ (Abb. 498) und ein Türmchen neben dem Tor in Triebel (Brandenburg). In all diesen Fällen blieben die Strebepfeiler in ihrer Höhe beschränkt und daher in ihrer praktischen Funktion noch klar erkennbar. Theoretisch, wenn man von Formen des gotischen Kirchenbaues ausgeht, wären auch Strebepfeiler möglich gewesen, die die Ecken des Turmes in voller Höhe akzentuieren oder sogar als „Ecktürmchen“ dessen Traufe überragen; etwa im französischenglischen Raum gehörte diese Form zu den wichtigen formalen Möglichkeiten, vor allem im Burgenbau. Deutsche Tortürme dieser Form waren jedoch totale Ausnahmen und kamen nur in der schmuckreichen Spätzeit vor. Genannt seien das „Äußere Sülztor“ in Lüneburg (1440) mit vier runden Ecktürmen und der Münchener „Schöne Turm“ mit vollständig hochgeführten Eckstrebepfeilern, der 1479 als „Wahrzeichenturm“ einen 150 I. Systematischer Teil
älteren Turm innerhalb der Stadtmauer ersetzte (vgl. 2.2.4.10. [Abb. 93]). Das „Neubrandenburger Tor“ in Friedland (Brandenburg), wohl auch aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, ist das einzig erhaltene Tor dieser Art, mit achteckigen Ecktürmen (Abb. 167). Die Schalenform trat bei den Tortürmen ebenso früh auf wie bei den Mauertürmen (vgl. 2.2.4.8.), nämlich bald nach 1200, und war in den folgenden Jahrhunderten ähnlich häufig wie bei diesen, wohl sogar häufiger als Volltürme. Anfänge der Schalenform bei den Toren Eindeutig feststellbar ist die effektive Verbreitung genauso wenig wie bei den Mauertürmen, denn bei der großen Mehrzahl der Türme wurde die Stadtseite später mit Mauern oder verputzten Fachwerkwänden geschlossen, sodass die Schalenform heute selbst bei voll erhaltenen Tortürmen nicht mehr direkt zu erkennen ist. Die frühesten Fälle aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zeigen in der Gestaltung der Stadtseite eine Variationsbreite, die verdeutlicht, dass man anfangs noch mit Formen experimentierte; auch dies erinnert an die gleichzeitigen Mauertürme. Bereits das Eisenacher „Nicolaitor“, eines der frühen, noch „blockförmigen“ Tore, war im einzigen Obergeschoss stadtseitig offen; dieses schlichteste aller Modelle tritt auch schon beim ebenfalls blockförmigen Berner „Zytgloggen“ auf (um 1220 / 30) und das sicher wenig jüngere Esslinger „Wolfstor“ ist ein früher Vertreter eines höheren Schalenturmes dieser einfachen Art, ebenso wie der „Laufer Schlagturm“ in Nürnberg. Neben diesem einfachsten aller Modelle – bei dem über der Torfahrt einfach die Wand aller weiteren Geschosse fehlt und erst das Dachwerk den Abschluss bildet – steht die „Kornpforte“ in Andernach (um 1220?) als stabilere, aber auch aufwendigere Lösung, bei der sich zwei Rundbogentonnen übereinander zur Stadt öffnen; ein ähnliches Bild bot bei den Mauertürmen der gleichzeitige „Hochturm“ in Rottweil (Abb. 78). Einzigartig ist auch die Stadtseite des Altpörtels in Speyer (gegen Mitte des 13. Jahrhunderts; Abb. 79), drei Geschosse hoch aufgelöst in doppelte Spitzbogenöffnungen, die wiederum in drei hohen Rundbogenblenden zusammengefasst sind, offenbar eine reichere Variation der in Speyer
und auch anderswo üblichen Mauertürme, die sich zur Stadt in Doppelbögen öffneten. Derartige Gestaltungen waren jedoch offenbar zu aufwendig, um eine Nachfolge zu finden. Die Zukunft gehörte – und auch dies entspricht wieder ganz der Entwicklung bei den Mauertürmen – neben dem Vollturm der einfachsten Form des Schalenturmes, deren Anfänge schon beschrieben worden sind. Bei den Tortürmen bedeutete das in aller Regel, dass die Torfahrt stadtseitig im Bogen geschlossen war – hinter dem aber kaum je ein Gewölbe, sondern fast immer nur eine Balkendecke lag – und dass sich darüber der gesamte Turmschaft als durchlaufender „Schlitz“ in der Höhe aller Turmgeschosse öffnete. Gelegentlich schloss die mehrgeschossige Öffnung oben mit einen zweiten (Spitz-)Bogen, was den Anblick etwas weniger nüchtern gestaltete, aber wohl nur einer besseren Aussteifung der Seitenwände und einem solideren Auflager des Daches diente. Als gut erhaltenes Beispiel für diese Form, die bei Mauertürmen auch und ähnlich selten auftrat, sei der „Klingentorturm“ in Rothenburg genannt (Abb. 98). Ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war der schalenförmige Torturm in der beschriebenen schlichten Form so weit verbreitet, dass sich ein weiteres Mal die Anhäufung von Beispielen nicht lohnt. Ein besonders schöner Fall ist die „Oberpforte“ in Ortenberg (Wetterau), nach ihren Knospenkapitellen wohl aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts (Abb. 125), die auch in ihrer beachtlichen Höhe schon ein voll entwickelter Vertreter des „gotischen“ Typus ist. Als Region mit einer ganzen Reihe von derartigen Tortürmen noch aus der Zeit vor 1300 wäre etwa das Neckarland zu nennen. In streng funktionaler Sicht war bei einem Torturm der quadratische oder rechteckige Grundriss nur im Erdgeschoss notwendig, wo er durch die Breite des durchgeführten Weges mehr oder minTortürme mit der erzwungen war; runde runden oder polygo- nalen Aufsätzen Formen hätten hier eine unverhältnismäßige Vergrößerung und komplizierte Formen der Torgewände gefordert. In den oberen Geschossen fehlte dieser funktionale Zwang, daher war hier im Prinzip ein Übergang zu einer anderen, schlankeren Grundrissform möglich, insbeson-
dere zu einer polygonalen oder runden. Dass derartige Turmformen vorkommen, war schon im Zusammenhang der Mauertürme (vgl. 2.2.4.7.) angesprochen worden, und vor allem bei den „Wahrzeichentürmen“ (vgl. 2.2.4.10.) war schon deutlich, dass solche Türme, die in aller Regel Abb. 98 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), die Stadtseite des „Klingentorturms“. Der Ende des 14. Jahrhunderts entstandene Turm war über der Durchfahrt anfangs ein Schalenturm, wurde aber später geschlossen und erhöht.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 99 Köln, das in seiner baukörperlichen Gestaltung ungewöhnliche (zweiphasige?) „Severinstor“, hier die Feldseite im Zustand von 1883 (Wiethase, Kölner Thorburgen …, 1884). Abb. 100 Königsberg in der Neumark (Polen), das „Schwedter Tor“ (um 1420 / 30) gehört zu den baukörperlich reichsten Tortürmen des deutschen Raumes.
152 I. Systematischer Teil
auch stark ornamentiert sind, in gewisser Weise den formalen Höhepunkt mittelalterlicher Stadtmauern in Deutschland bilden. Bei den Toren, die quasi von Natur aus im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen, war die Form mit schlankerem Aufsatz deutlich stärker als bei den Mauertürmen verbreitet. Ihr Höhepunkt lag auch hier im späteren 14. und im 15. Jahrhundert, also in der Spätgotik, und sie spielten eine entscheidende Rolle in jenen Regionen, die damals erst eine verspätete Blütezeit des Stadtmauerbaues erlebten, während es sonst bei Einzelbauten blieb. Als frühe, ungewöhnliche, aber wohl anregende Beispiele können allerdings schon das Kölner „Severinstor“ (Abb. 99) und das sicherlich davon abhängige „Grimmelstor“ in Siegburg genannt werden, beide noch aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Vor allem im Backsteingebiet des nordöstlichen Brandenburg, wo die Tore oft jünger als die Mauern selbst sind, findet man eine reiche Variationsbreite von Tortürmen dieser Form, die teilweise zum Besten der deutschen Stadtmauer architektur gehören; dabei gab es hier auch vergleichbare Kirchtürme. Zu nennen sind kleinere Tortürme bzw. Türme neben dem Tor etwa in Lenzen (Mecklenburg), der vom Achteck zur Rundform übergeht, in Reetz und in Cottbus. Einen Höhepunkt bildeten die um 1420–40 entstandenen Tortürme von Königsberg in der Neumark mit achteckigem Aufsatz, zwei Zinnenkränzen und gemauerten Spitzdächern (Abb. 100); sie dienten mindestens den Toren der nahen Städte Lippehne und Schönfließ zum direkten Vorbild. In Prenzlau kann noch die Entwicklung einer besonders reichen Ausprägung nachvollzogen werden. Hier wurde das bestehende, im Grundriss quadratische „Blindower Tor“ in runder Form erhöht, wobei die problematische Übergangszone durch einen vorgekragten Holzwehrgang kaschiert wurde (Abb. 490). Dieses aus der Not geborene Motiv setzte dann um 1470 der Neubau des Turmes neben dem „Mitteltor“ in Mauerwerk um, wobei der im Grundriss achteckige Wehrgang mit Rundscharten über Konsolen und Stichbögen eine unverwechselbare Form ergab (Abb. 115). Den künstlerischen Höhepunkt erreichte die Entwicklung zweifellos mit den Tortürmen
Steffen Boxthudes in Stendal und Werben sowie mit dem Turm neben dem „Neustädter Tor“ in Tangermünde. Die reich mit Blenden, Zierzinnen und dem sonstigen Apparat der späten Backsteingotik versehenen Türme beeindrucken durch ihre kräftigeren Proportionen, die dem herkömmlichen Begriff von Gotik Hohn sprechen. Insbesondere beim „Elbtor“ in Werben (um 1460 / 70; Abb. 101) handelt es sich im Grunde schon um ein typisches Rondell, dem auch der Aufsatz keine Turmform mehr geben kann. Letzter Ausläufer dieser bereits durch die Artillerie geprägten Form ist der „Zwinger“ am Rostocker „Steintor“ (1526–32), ein Kanonenrondell mit 6,5 m dicken Mauern, der den schlankeren Aufsatz nur noch äußerlich andeutet. Und ein Spätling entgegengesetzten Charakters ist das „Rostocker Tor“ im mecklenburgischen Ribnitz, dessen breiter quadratischer Block mit niedrigem Achteckaufsatz auf jede Wehrhaftigkeit verzichtet und völlig auf allseitig gleiche Blendgliederungen setzt; das geradezu an Zentralbauten der Renaissance gemahnende Tor ist leider undatiert (Abb. 506). Außerhalb des Backsteingebietes waren derar tige Torturmformen nur verstreute Ausnahmen, wobei es sich allerdings fast immer um bemerkenswerte Bauten handelt. Um ausnahmsweise im Osten zu beginnen, kann man etwa in Schlesien Türme in Bautzen und Görlitz („Reichenbacher Turm“, Abb. 466) und im Fränkischen solche in Münnerstadt („Dicker Turm“) und Gunzenhausen nennen. In Ingolstadt ist das 1385 begonnene „Kreuztor“ ein Höhepunkt dieser Form nicht nur in Bayern; die Art, wie der Übergang vom quadratischen Unterbau zum Achteckaufsatz durch Erkertürmchen bereichert wird, erinnert direkt an Tore des östlichen Brandenburg und lässt hier Zusammenhänge erahnen (Abb. 102). Mit dem „Jacobertor“ in Augsburg (1445) schließlich wird eine Region berührt – etwa das heute bayerische Schwaben mit dem weiteren Kristallisationspunkt Nördlingen –, in der eine weitere Gruppe von Tortürmen mit schlankerem Aufsatz beheimatet war. Sie hatte ihren Schwerpunkt jedoch in nachmittelalterlicher Zeit und wird daher als gesondertes Phänomen noch behandelt (vgl. 2.2.5.10.).
Abb. 101 Werben (Sachsen-Anhalt), das „Elbtor“ (Steffen Boxthude, 1464–70), hier von der Feldseite, zeigt noch die Formen später Backsteingotik, wird aber von einem Rondell flankiert, bei dem die Turmform nur noch durch den Aufsatz angedeutet ist (T. Radt).
Abb. 102 Ingolstadt, das „Kreuztor“, inschriftlich datiert 1385, ist eines der schönsten Backsteintore Deutschlands. Die Bleistiftzeichnung um 1850 zeigt es noch vor der Verfüllung des Grabens (Stadtarchiv Ingolstadt, Nr. 4518).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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2.2.5.2. Das Torgewände Das Tor im engsten Sinne, also die Toröffnung mit ihrem Gewände, war jener Teil des Torturmes – und auch der übrigen Bauformen von Toren –, der sich für ornamentale Gestaltung am stärksten anbot. Es war nicht nur dem Ankömmling zugewendet, sondern konnte von ihm auch aus nächster Nähe betrachtet werden, weniger als die oberen Teile des Turmes und völlig im Gegensatz zur gesamten übrigen Stadtmauer, die man nur über einen breiten Graben hinweg sehen konnte. Die Annahme, dass die Torgewände dementsprechend aufwendig gearbeitet waren, wird aber in der Realität nicht wirklich bestätigt. Zwar findet man zumeist Werksteingewände, und einfachste Gestaltungen wie etwa Stufung oder Fasung waren nicht selten, aber gemessen an dem, was im romanischen und gotischen Sakralbau, aber auch an anspruchsvolleren Profanbauten wie etwa Burgen zu finden ist, blieben die Gewände der Stadttore fast immer ausAbb. 103 Blankenberg / Sieg (Nordrhein-Westfalen), Gewände und Scharten des „Katharinentors“ (Mitte des 13. Jahrhunderts). Der Scheitelwulst, eine typische Form rheinischer Spätromanik tritt hier noch spät auf; die differenzierte Schartenform ist auch im Rheinland eher selten.
154 I. Systematischer Teil
gesprochen schlicht. Darin darf man durchaus einen bewussten Gestaltungswillen sehen, denn an kaum einer Stelle der Stadtmauern wären die Fähigkeiten der Steinmetzen so wirkungsvoll und zugleich sparsam einsetzbar gewesen – ein Gewände war ohnehin nötig, der Umfang möglichen Mehraufwandes für Ornamentik eng begrenzt, die Nahwirkung maximal. Wenn man also dennoch bei einfachen, aber durchaus kraftvollen Gestaltungen blieb, so sollte damit offenbar ausgedrückt werden, dass Wehrhaftigkeit der Geist dieser Bauten war, nicht etwa religiöse Bedeutung, und stadtherrliches oder bürgerliches Selbstverständnis eben nur insoweit, als es wehrhaft war. Diese Art von Toröffnung fügte sich gut in eine Architektur ein, die auch sonst fast vollständig auf der Anordnung von Baukörpern und kaum auf Detailgestaltung beruhte, also eine spezifische Wehrbauarchitektur, wie wir sie ähnlich auch bei Burgen finden. Die Grundform der Toröffnung war in der großen Mehrzahl der Fälle der Spitzbogen, was keiner Diskussion bedarf, da ja die Blütezeit der Stadtmauern vom 13. bis zum 15. Jahrhundert lag, also der Gotik entsprach. Die zweithäufigste Gestaltung war der Rundbogen, der natürlich bei den spätromanischen Bauten bis Mitte des 13. Jahrhunderts und ebenso selbstverständlich bei den Spätformen im 16. Jahrhundert vorkam, nicht erst in der Renaissance, sondern bereits in der Spätgotik; auch in der Zwischenzeit war der Rundbogen aber keineswegs völlig tabu. Alle anderen Bogenformen (Stichbogen, Korbbogen) waren ausgesprochen selten und am ehesten im Zusammenhang späterer Veränderungen zu finden, die wegen der fortdauernden Verkehrsbedeutung der Durchfahrten natürlich recht häufig vorkamen. Dass Stürze bzw. gerade überdeckte Öffnungen fehlen, kann nicht überraschen; die erforderliche Breite der Öffnung, kaum je unter 2,50 m, hätte die Tragfähigkeit sowohl von Stein als auch von Holz überfordert. Die einfachste denkbare „Profilierung“, nämlich das im Querschnitt rechteckige Gewände, war ausgesprochen häufig, nicht nur dort, wo schlechtes Steinmaterial mit reicher Mörtelverwendung dies nahelegte – etwa im Rheinischen Schiefergebirge –, sondern durchaus auch bei Verwendung guten Werksteins, der detailliertere Bearbeitung zugelassen hätte. Die Fasung – mit
Abb. 104 Eberbach (Baden-Württemberg), das südöstliche Stadttor der spätstaufischen Stadtmauer (nach 1227 / 31) ist ein seltenes (heute leider stark zugewachsenes) Beispiel eines noch romanischen Mauertores (ältere Ansichtskarte).
Abb. 105 Andernach (Rheinland-Pfalz), das Gewände des „Koblenzer Tores“. Der voluminöse Torbau dürfte nach einer Schriftquelle etwa im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts entstanden sein.
oder ohne schlichtem Anlauf – als zweiteinfachste Gestaltung ist ähnlich weit verbreitet; in beiden Fällen würde die Nennung von Einzelbeispielen daher nur ein falsches Bild ergeben. Eine regional gebundene Ausnahme war auch das Auftreten eines „Scheitelwulstes“ im Spitzbogen, typisch für die rheinische Spätromanik, etwa am „Katharinentor“ in Blankenberg / Sieg noch Mitte des 13. Jahrhunderts zu finden (Abb. 103). Etwas häufiger, aber immer noch selten, war die Stufung des Gewändes, wobei die in der Regel nur zwei Stufen höchstens gefast oder leicht gekehlt wurden, um die kraftvolle Wirkung nicht zu schädigen. Diese Form dürfte unter ersten gotischen Einflüssen gegen Mitte des 13. Jahrhunderts aufgekommen sein, zumindest stammen die frühesten datierbaren Beispiele, den Rhein entlang, aus dieser Zeit; genannt seien etwa Neuleiningen, wiederum Blankenberg / Sieg („Katharinentor“, Abb. 103) und Siegburg („Grimmels-
tor“, „Mühlentor“). Aber das Brückentor in Limburg (um 1315–65) zeigt, dass die Form auch im 14. Jahrhundert aufgegriffen werden konnte, und in Franken ist eine Streuung zu beobachten, die bis zum 15. Jahrhundert reichte (etwa Weißenburg, Leutershausen, Wassertrüdingen, Wolframs-Eschenbach, im letzten, jüngsten Falle zusätzlich profiliert). Auch diese etwas aufwendigere Form bietet also keinen Anhalt für engere Datierungen, sie ist im Grunde in der gesamten Gotik und Spätgotik denkbar und ebenfalls den Sonderformen der Wehrbauarchitektur zuzuordnen. Geschrägte oder profilierte Kämpfer, eine ebenfalls recht schlichte Form der Bereicherung, sind vor allem bei den seltenen spätromanischen Toren zu finden. Genannt seien etwa – um die breite geographische Streuung anzudeuten – Mühldorf / Inn, Eberbach am Neckar (Abb. 104) oder Marburg / Lahn. Das erwähnte Brückentor 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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in Limburg, spätestens aus dem mittleren 14. Jahrhundert, scheint für die Kämpfer schon ein spätes Beispiel zu sein. Offenbar zog man in der Spätgotik das schlichtere, nicht durch ein Horizontalglied unterbrochene Gewände vor; man fühlt sich entfernt an den in derselben Epoche aufkommenden Brauch erinnert, bei Stützen im Kirchenbau auf Kapitelle und Kämpfer zu verzichten, zugunsten einer durchlaufenden Linie von Dienst und Rippe. Das Auftreten reicherer, mehrteiliger und durch tiefere Ausarbeitung schattenwerfender Profilierungen wäre nach der allgemeinen Stilentwicklung auch bei Stadttoren spätestens ab dem mittleren 14. Jahrhundert zu erwarten. Ein Fall wie das „Koblenzer Tor“ von Andernach, wohl nicht allzu lange vor 1350 entstanden, macht immerhin klar, dass Derartiges sogar in höchst wuchtigen Formen möglich war (Abb. 105), ebenso wie das offenbar gleichzeitige Vortor Abb. 106 Reutlingen, das „Tübinger Tor“, Feldseite. Der im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts entstandene Torturm ist mit seiner Portalgestaltung und den Strebepfeilern, die auf die städtische Pfarrkirche verweisen, ein seltenes Beispiel aufwendiger Detail gestaltung (vgl. Abb. 342; Stadtarchiv Reutlingen).
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der dortigen „Kornpforte“, aber daneben gab es im Rheinland nur in Lechenich bescheidene Profilierungen. Und etwa in Franken, ebenfalls einer reichen Stadtmauerlandschaft mit zahlreichen erhaltenen Toren, findet man nach dem romanischen Gewände des „Weißen Turmes“ in Rothenburg (Abb. 371) gerade einmal in Lauf an der Pegnitz, am Untertor Karls IV., eine mehrteilige Profilierung, dann, schon um 1400, Ähnliches an den Tortürmen von Wolframs-Eschenbach – mehr aber nicht. Diese extreme gestalterische Zurückhaltung lässt Fälle wie das Mainzer „Eisentor“ oder das „Tübinger Tor“ in Reutlingen schon fast als Kuriositäten erscheinen, deren besonders reicher Schmuck auch durch herausragende Sonderfunktionen – die in beiden Fällen unbelegbar bleiben – nicht erklärbar würde. Das romanische „Eisentor“ in Mainz war ein zwei- oder dreigeschossiger Torturm, dessen breite Toröffnung eingestellte Säulen, eine reich profilierte Archivolte und – im deutschen Stadtmauerbau nach gegenwärtigem Kenntnisstand einzigartig – sogar Portallöwen besitzt (Abb. 97)! Das Tor ist sicher als Hauptzugang der Stadt von der Schiffslände am Rhein zu verstehen, und man mag erwägen, es mit dem wichtigen Selbstverwaltungsprivileg in Verbindung zu bringen, das die Stadt 1244 erhielt – aber gesichert ist dies nicht. Die reiche Ausgestaltung des „Tübinger Tores“ in Reutlingen, aus der beginnenden Gotik und schon insoweit etwas ganz anderes als das „Eisentor“, ist funktional noch schwerer zu erklären (Abb. 106). Ein kräftiger Torturm, mehrfach durch Wasserschläge gegliedert, besitzt ein dreifach(!) gestuftes Gewände, das eng mit einem Portal der dortigen Marienkirche verwandt ist. Ist schon dies ungewöhnlich aufwendig, so ist der Wimperg mit Krabben und Kreuzblume über dem Gewände absolut einzigartig; die Ausstattung wirkt ausgesprochen sakral und dies wird durch einen Dreipass mit gemalter Kreuzigung auf dem Wimperg und zusätzlich durch die diagonal angesetzten, nur erdgeschosshohen Eckstrebepfeiler mit weiteren Kreuzblumen noch gesteigert. Man würde in diesem Tor eine Kapelle vermuten und die ebenfalls bisher einzigartigen Ausmalungsreste des 14. Jahrhunderts im Inneren mögen auch in diese Richtung weisen; aber die Schalenform gibt insoweit zu
Abb. 107 Köln, das „Hahnentor“. Rechts sind noch die bei der Restaurierung 1888 entstandenen Rundbogenfenster erhalten, links hat man sie bei der Wiederherstellung nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg weggelassen (vgl. Abb. 149).
denken und ebenso das Fehlen aller Quellen in dieser Richtung. Das Fehlen von Analogien für die beiden Einzelfälle Mainz und Reutlingen, die einige Jahrzehnte auseinanderliegen, mag teils mit dem Verschwinden vieler Tore zusammenhängen, aber die grundlegendere Erklärung möchte ich nach wie vor in einer spezifischen Wehrbauarchitektur sehen, deren Formenrepertoire grundsätzlich eher schlichtere Mittel umfasste. Das sei an einem letzten Beispiel belegt, das hier wegen seines durchaus zeittypischen Torgewändes und seiner anderen Grundform nicht besonders erwähnt werden musste, nämlich dem spätromanischen Kölner „Hahnentor“ (Abb. 107). Es öffnete sich auf die Straße nach Aachen, deren besondere Bedeutung in der dort stattfindenden Königskrönung durch den Kölner Erzbischof und dem folgenden Einzug in Köln lag. Das Tor ist demnach durchaus monumental betont, aber eben nicht durch „Schmuck“, sondern durch die imposantere Form des breit gelagerten Doppelturmtores, das hier, zur Unterscheidung von seinen Kölner Geschwistern, durch Doppelfenster im Mittelteil und (restaurierte) Rundbogenfenster in den Türmen besonders würdig ausgestaltet wurde. Äußerst selten sind Torflügel höheren Alters erhalten geblieben; ihr Holz war der Witterung
und erheblicher Abnutzung unterworfen und überlebte daher kaum je die anderthalb Jahrhunderte, seitdem die Tore nicht mehr nachts geschlossen wurden, geschweige denn das halbe Jahrtausend seit dem Ende des Mittelalters. Das älteste erhaltene Beispiel dürfte im Vorstadttor von Berching in der Oberpfalz sein, das wohl erst nach 1500 erbaut wurde; die Torflügel werden noch aus dieser Zeit stammen. Sie enthalten eine spitzbogige Schlupfpforte und – was sicher erst eine späte Entwicklung war – dreieckige Gewehrscharten. Beachtlich alt sind auch die Flügel des „Untertores“ in Dambach (Unterelsass), die „1645“ bezeichnet waren, und zwar interessanterweise direkt neben dem selbst „1323“ bezeichneten Gewände (Abb. 5). 2.2.5.3. Die Durchfahrt Der beidseitig geöffnete Raum im Erdgeschoss eines Torturmes, die Durchfahrt oder Torkammer, eignete sich im Prinzip ebenso wie die feldseitige Front zu repräsentativer Gestaltung, man hätte ihn als vornehmen Empfangsraum interpretieren und ausstatten können. In der Praxis sind derartige Ansätze jedoch sehr selten, was sich wiederum ins Bild einer funktionsbetonten, ihre Wirkung fast nur im Baukörper suchenden Architektur fügt. 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 108 Augsburg, „Vogeltor“ (1445), der hängende Schlussstein im Gewölbe der Durchfahrt ist im deutschen Raum einzigartig.
Der praktische Charakter der Durchfahrt zeigt sich allein schon darin, dass es in aller Regel zur Stadt hin kein zweites verschließbares Tor gab. Der Raum öffnete sich in der Regel im Bogen – meist Spitz- oder Rundbogen – zur Stadt, aber dieser Bogen besaß kein Gewände im Sinne eines Anschlages für die Torflügel, sondern er entsprach einfach der Tiefe der Mauer, die er zu tragen hatte. Das gilt interessanterweise selbst dann, wenn der Turm gar keine stadtseitige Wand besaß, sondern sich oberhalb der Durchfahrt als Schalenturm öffnete; theoretisch hätte in solchen Fällen auch die Torfahrt keines gemauerten Abschlusses bedurft, aber dies fand sich höchstens bei sehr einfachen Toren kleiner Städte. Der Bogen wurde also aus ästhetischen oder auch konstruktiven Gründen für wichtig erachtet, aber er hatte nichts mit Torflügeln zu tun. Die Offenheit der Durchfahrt zur Stadt ist ein erster wichtiger Hinweis, dass diesem Raum auch keine Verteidigungsfunktion zugewiesen war. Theoretisch hätte man die Durchfahrt ja wie eine Art überdeckten Torzwinger nützen können; der Feind, der das feldseitige Tor zerstört hat, wäre durch ein zweites, inneres Tor aufgehalten worden, sodass man ihn von oben hätte bekämpfen können. Die Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – auch und vor allem über Burgen – liebte solche Ideen, aber die Realität widerlegt sie komplett. Sicherlich sind viele Balkendecken über den Durchfahrten von 158 I. Systematischer Teil
Tortürmen später erneuert worden, aber es wirkt doch sehr unwahrscheinlich, dass dabei wirklich alle Spuren von Wurflöchern oder Ähnlichem verschwunden sein sollen. Außer gelegentlichen Luken, die zum Lastenaufziehen gedient haben dürften, und den Öffnungen über Treppen, findet man aber keinerlei Öffnungen mehr, geschweige denn solche von eindeutig wehrhaftem Charakter. Damit wird bestätigt, was schon das Fehlen stadtseitiger Torflügel recht eindeutig belegt: Die Tortürme besaßen nur einen einzigen Torverschluss; wer diesen zerstört hatte, befand sich de facto in der Stadt. Als Ausstattungen der Durchfahrt, die über die nackten Wände und Flachdecken hinausgingen, sind nach alledem im Grunde nur drei Punkte anzusprechen; Sitznischen, Treppen zu den Obergeschossen und Gewölbe. Die Sitznischen befanden sich nicht selten, aber doch in der Minderzahl der Fälle, in den seitlichen Wänden der Torfahrt, und zwar fast immer beidseitig. Sie waren in der Regel mehrere Meter breit, boten so Platz für mehrere Personen und waren in schmuckloser Weise überwölbt, kaum je mit Quadern oder gar Profilierung; als aufwendige Ausnahme sei in Nürnberg der „Weiße Turm“ genannt, bei dem die Nischen im Kleeblattbogen schließen. Für wen die Sitze vorgesehen waren, ist – soweit ich finden konnte – nicht aus Schriftquellen bestimmbar. Ganz gewiss dienten sie der Bequemlichkeit der Torwächter, vielleicht auch jener von Personen, die kontrolliert wurden. Man darf bezweifeln, dass anderen der Aufenthalt an so neuralgischer Stelle erlaubt war. Die Einwölbung der Torfahrt war ebenfalls eine Ausnahme, vor allem, wenn man von den völlig schmucklosen Tonnenwölbungen absieht. Beispiele von anspruchsvoll gestalteten Wölbungen der Torfahrt sind fast nur aus der Spätgotik bekannt. Als frühe Fälle, gegen und um 1300, können die Tore von Gengenbach in Baden und das Regensburger „Ostentor“ genannt werden, die Kreuzrippengewölbe mit kräftigen Rechteckrippen aufweisen, aus dem späteren 14. Jahrhundert stammt das Kreuzgratgewölbe in der Torfahrt des Jenaer „Johannistores“; wenig jünger ist der Helmstedter „Hausmannsturm“ mit Kreuzrippenwölbung und Rose auf dem Schlussstein. Etwas häufiger werden solche Gestaltungsansätze aber erst im 15. Jahrhundert
und dann bis in die Renaissance hinein. Im westund süddeutschen Raum kann das „Martinstor“ in Eltville (um 1400), noch mit Kreuzrippenwölbung, genannt werden, dann, mit Variationen von Stern- und Netzgewölben, das Augsburger „Vogeltor“ (1445, mit hängendem Schlussstein! Abb. 108), das zeitnahe Breisacher „Specktor“ und das „Obertor“ in Weißenhorn (um 1470 / 80). Diesen süddeutschen Beispielen schließen sich ziemlich nahtlos Bauten in Renaissanceformen an, auf die noch zu kommen ist (vgl. 2.2.5.10.). Dass Gewölbe in der Durchfahrt auch im Backsteingebiet mit seinem reichen Schmuckapparat des 14. / 15. Jahrhunderts auftraten, kann nicht überraschen, und auch nicht, dass die Entwicklung hier wieder etwas zeitversetzt erst im 15. Jahrhundert lag. Für diese Region früh ist das unvollendete Sterngewölbe im „Treptower Tor“ in Neubrandenburg (um 1400), das Werbener „Elbtor“ (um 1460 / 70) besitzt ein Kreuzrippengewölbe. Dem Neubau des Bernauer Steintores (1485) – hier ist nicht nur die Durchfahrt kreuzrippengewölbt, sondern auch alle Geschosse darüber sind es – kann man das etwa gleichaltrige „Altperwer Tor“ in Salzwedel zur Seite stellen, und ein sehr spätes Beispiel (1553) ist das Vortor des „Salzwedeler Tors“ in Gardelegen, bei dem die Durchfahrt mit ihrem Sterngewölbe zwischen zwei wuchtigen Rondellen eingespannt ist. Dass Schmuckgewölbe in der Torfahrt einen ungewöhnlich hohen Aufwand darstellten, bestätigt schließlich auf eine ganz andere Weise das Deutschordensland Preußen. Hier sind beachtlich viele Fälle festzustellen, bei denen Schmuckwölbungen beim Bau der Tore zwar angelegt wurden – durch Konsolen bzw. Gewölbeansätze an den Wänden –, deren Ausführung aber stets unterblieb. 2.2.5.4. Das Fallgatter Fallgatter und Zugbrücke gehören zu den schier unverzichtbaren Zutaten eines allzu populären Mittelalterbildes; ein Filmarchitekt, der uns ein Burg- oder Stadttor ohne diese Zutaten zu präsentieren wagte, müsste den Beruf wechseln. Also hatte jedes Stadttor ein Fallgatter und eine Zugbrücke – oder etwa nicht? Was die Zugbrücke betrifft, liegen die Verhältnis durchaus etwas komplexer; worauf jedoch erst später einzugehen bleibt (vgl. 2.2.7.2.). Das
Fallgatter jedoch – ein hölzernes, massives Gitter, das vor oder in der Toröffnung herabgelassen werden konnte – war tatsächlich sehr verbreitet, und zwar im Grunde seit den Anfängen der steinernen Stadtbefestigungen. Allerdings sah sein Gebrauch wesentlich prosaischer aus, als uns die Fabel suggerieren will. Beim Freiherrn von Münchhausen findet sich das Motiv des vom Fallgatter halbierten Pferdes, charakteristischerweise erst im 18. Jahrhundert; nach solch dramatisierender Vorstellung ließ man das Fallgatter erst heruntersausen, wenn sich der Angreifer bereits darunter befand – er wäre also nicht nur einfach am Eindringen gehindert, sondern regelrecht zerschmettert worden! Schon ein wenig gesunder Menschenverstand führt solche Ideen ad absurdum. Die Führungen und Aufhängungen der Gatter waren keineswegs so exakt, dass sie ein Niedersausen innerhalb eines bestimmten Sekundenbruchteils sichern konnten, schon gar nicht, nachdem dies jahre- oder jahrzehntelang nicht vorgekommen war. Solche Vorstellungen gehören ins Industriezeitalter mit seinen metallenen, gut geölten und regelmäßig gepflegten Maschinen. Die Idee, man könne einen galoppierenden Reiter oder rennenden Fußkämpfer mit dem Fallgatter exakt treffen, ist also fern der Realität – und ein missglückter Versuch wäre höchst gefährlich gewesen, denn ein in die Stadt durchdringender Angreifer hätte dort ein Blutbad anrichten können. Die Funktion des Fallgatters war also wesentlich undramatischer. Die Torflügel waren die größte Schwachstelle jeder Stadtmauer, weil sie nicht aus Stein waren. Zwar konnte man dickes und hartes Holz verwenden und die Außenseite mit Eisen beschlagen, aber der Dicke des Holzes waren durch die notwendige Beweglichkeit Grenzen gesetzt. Der Rammbock, ein einfaches und daher sicher oft verwendetes Werkzeug, konnte hier also relativ schnell Erfolge erzielen und dagegen war das Fallgatter ein gutes Mittel. Seine dicken Balken vermehrten den Widerstand des Tores erheblich, zumal es sich durch sein Gewicht mit eisernen Spitzen in den Boden rammte; und das konnte notfalls schnell geschehen. Jeder meint heute zu wissen, wie ein Fallgatter aussah; dafür sind vor allem zahlreiche Rekonstruktionen des 19. Jahrhunderts verantwortlich, aber auch die Tatsache, dass Fallgatter noch nor2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 109 Basel, das „Spalentor“ besitzt neben dem Fallgatter eine hintere Sperre aus einzeln absenkbaren Balken, die sekundär in das nach 1356 erbaute Tor eingefügt wurde. Links Ansicht im ersten Obergeschoss, rechts Fotos beider Sperren in heruntergelassenem Zustand (1920, Fotos im Tor).
male Bestandteile von Festungen dieser Epoche waren. Die Feststellung, dass in Deutschland kaum mittelalterliche Fallgatter in situ erhalten sind, wird vor diesem Hintergrund vielleicht überraschen; wenn man jedoch überlegt, dass das Gatter lebensgefährlich wurde, wenn seine Aufhängung verrottete oder verrostete, und dass seine Entfernung daher spätestens im 19. Jahrhundert der sparsamste Weg der Verkehrssicherung war (falls nicht gleich das ganze Tor abgerissen wurde), dann wird verständlich, dass erhaltene mittelalterliche Fallgatter wertvolle Seltenheiten sind. Gut erhalten ist etwa das doppelte Fallgatter am Basler „Spalentor“ (Abb. 109), das wahrscheinlich in die Zeit vor 1400 zurückgeht. Dass die Gatter ein Gitterwerk bildeten, wie das äußere am „Spalentor“, belegen auch mittelalterliche Abbildungen, etwa auf Siegelbildern oder in den Schweizer Bilderchroniken des 15. Jahrhunderts. Was heute noch von den Fallgattern zeugt, sind in der Regel also nur die schlitzartigen Führungen bzw. „Rillen“, in denen es herabglitt. Wegen des Gewichts bzw. der hohen Kräfte, die auftreten konnten, wenn sich das Gatter etwa verkantete, waren diese Führungen so gut wie immer aus Werkstein (wiewohl man Holzkonstruktionen als nicht mehr nachweisbare Billiglösung nicht völlig ausschließen kann); Vincent Mayr belegte an internationalen Beispielen, dass 160 I. Systematischer Teil
die Führungsschlitze zwischen elf und 23 cm breit waren. Bei den Führungen gab es verschiedene Varianten; prinzipiell ist zwischen der Aufhängung des Gatters im Inneren des Turmes und jener an der Außenseite zu unterscheiden. Wenn das Fallgatter im Inneren des Turmes aufgehängt war, was es natürlich weit besser vor der Witterung schützte, war seine Führung in das Gewände des Tores eingebaut, wobei nur die Spitzen im Bogen sichtbar blieben. Diese Lösung war aufwendig, denn für den Schlitz im Gewände, der maßhaltig bis zum Obergeschoss hinaufgeführt werden musste, bedurfte es sorgfältiger Steinmetz- und Maurerarbeit. Es ist daher aussagekräftig, dass diese haltbarere und teurere Lösung praktisch seit den Anfängen der steinernen Stadttore in zahlreichen Beispielen nachweisbar ist. Das eindrucksvollste Beispiel bieten wieder einmal die ab 1220 entstandenen Kölner Tore, die insoweit für das gesamte nördliche Rheinland bis ins 14. Jahrhundert vorbildhaft blieben. Um die Verbreitung der Form in dieser Zeit anzudeuten, als der Boom der Mauern erst begann, genügt es außerdem ein Beispiel vom Oberrhein zu nennen, das „Mauertor“ in Neuleiningen (um 1238–41), und eines aus Brandenburg, das noch romanische „Tangermünder Tor“ in Stendal (Abb. 94).
Die einfachere Alternative, das feldseitig vor die Wand gehängte Fallgatter, trat in mehreren Variationen auf. Die aufwendigste Form bestand darin, eine flache, im Stich-, Spitz- oder Rundbogen abschließende Nische einzubauen, in deren Seiten die Führungsrinnen eingearbeitet waren. In dieser Nische, die mindestens die doppelte Höhe des Torgewändes besaß und daher die Architektur des Turmes mitprägte, hing das Gatter noch etwas geschützt, war aber im Prinzip dem Wetter ausgesetzt; man kommt daher zu der Idee, es handele sich bei dieser Lösung eher um einen gestalterischen, weniger um einen funktionalen Ansatz, quasi um eine Überhöhung und Tiefenstaffelung des eigentlichen Torgewändes. Auch diese Lösung geht noch in die Zeit vor und um die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück, frühe Beispiele findet man etwa in Speyer („Altpörtel“; Abb. 79), Worms („Fischerpforte“) und im nahen und eng verwandten Ladenburg („Martinstor“; Abb. 110); im Neckarraum gibt es wenig jüngere Beispiele (Esslingen, „Pliensautor“, vor 1297; Bönnigheim, „Köllesturm“, nach 1286). Man könnte daher die Deutung erwägen, diese Form, die später in Einzelbeispielen weitverbreitet war, sei noch vor 1250 am Oberrhein entwickelt worden und habe sich von dort her verbreitet. Die nächsteinfachere Form – auch sie hat in Baden und im Elsass ein besonders geschlossenes Verbreitungsgebiet – waren relativ breite Lisenen, die beidseitig vom Tor der Turmwand vorgelegt waren und in deren Seiten die oft gerundete Führung eingearbeitet war. Es scheint so, als ob auch diese schlichte, aber konstruktivstabile Form weit ins 13. Jahrhundert zurückgegangen sei; zumindest dürfte der nur in Abbildungen überlieferte „St.-Johann-Schwibbogen“, ein Baseler Torturm, schon um 1220 diese Art Fallgatterführung besessen haben. Immer noch recht früh, aber auch wegen seiner aufwendigen Gestaltung erwähnenswert ist der Torturm der „Oberpforte“ in Ortenberg / Wetterau, wohl aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts; die Lisenen des Fallgatters sind dort an den Kanten mit schlanken Rundstäben geziert, die ein Knospenkapitell(!) tragen (Abb. 125). Die einfachste Art, ein Fallgatter vor die Turmwand zu hängen, bestand darin, eine Reihe von „Klauensteinen“ anzubringen, also von hakenförmigen Werksteinen, die in Abständen von etwa
1–2 m einzeln in der Turmwand saßen und die senkrechten Randhölzer des aufgezogenen Gatters hakenförmig umfassten (Abb. 111). Es ist klar, dass dies den Aufwand an Steinmetzarbeit minimierte, aber zugleich das Risiko vergrößerte, dass das herabrutschende Gatter sich verkantete. Die Lösung war aber so weit verbreitet, dass man dieses Problem offenbar durch hinreichend dichte Anordnung der Steine im Griff hatte. Gingen die drei bisher beschriebenen Formen – Gatter im Gewände, Gatternische, Lisenen – alle in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück, so war die Sparform der Klauensteine vor allem im 14. / 15. Jahrhundert üblich, und zwar in großen Teilen des deutschen Raumes; eine Fülle von Beispielen kann man etwa noch in Franken besichAbb. 110 Ladenburg (Baden-Württemberg), das „Martinstor“ besitzt eine typische Stichbogennische für das hochgezogene Fallgatter.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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tigen. Das früheste Vorkommen ist wohl in Tirol zu notieren, wo etliche Tortürme mit Klauensteinen noch ins späte 13. und frühe 14. Jahrhundert gehören. Als einzigartiger Fall – zumindest heute, anderswo mögen Rost und Instandsetzungen ihr Werk getan haben – ist der unsicher datierte Turm des „Hachtores“ (13. oder 14. Jahrhundert) in Rüthen / Westfalen zu nennen, bei dem das Gatter zwar in einer Rundbogennische hing, aber nicht durch steinerne „Schienen“ oder Klauensteine gehalten wurde, sondern durch beidseitig je drei eingemauerte Eisenstifte. Ein erwähnenswerter Einzelfall ist auch das äußere „Frauentor“ in Mühlhausen (Thüringen; 15. Jahrhundert), bei dem das vor der Wand hängende Gatter durch ein giebelförmiges Gesims zumindest gegen direkt herablaufendes Wasser geschützt wurde, Abb. 111 Glurns (Südtirol), eine Reihe von Klauensteinen am „Malser Tor“ (nach 1507) war die sparsamste Art der Befestigung und Bewegung des Fallgatters.
162 I. Systematischer Teil
wobei aber der gestalterische Aspekt wohl wichtiger war. Und eben dies gilt natürlich auch für das „Obertor“ in Nabburg (1565), den heute einzigen Fall, bei dem die Klauensteine ornamental gestaltet waren. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert traten alle beschriebenen Formen nebeneinander auf, mit einem gewissen Zurücktreten des Schlitzes im Torgewände und besonderer Häufigkeit der Klauensteine. Als späte Beispiele für die im Gewände geführten Gatter kann man etwa die aufwendigen Reutlinger Tortürme (um 1390 / 1400), das Limburger „Brückentor“ (um 1315–65) oder den „1401“ datierten Torturm des sehr kleinen hessischen Staufenberg nennen. Aussagekräftiger für die Unentschiedenheit, die man den Formen entgegenbrachte, wobei neben den vier Hauptformen durchaus auch das Tor ohne Gatter zu nennen bleibt, sind solche Regionen oder gar einzelne Städte, wo sie nebeneinander auftraten. So fand man in Pommern noch im 15. Jahrhundert neben der besonders verbreiteten Gatternische auch die Variante mit den Lisenen und Tortürme völlig ohne Fallgatter. In Saalfeld in Thüringen gab es neben der spitzbogigen Gatterblende auch die Lösung mit den Lisenen und schließlich Klauensteine, wobei es solche Fälle weit häufiger gegeben haben mag, wir dies aber nicht mehr wissen, weil letztlich nur wenige Städte mehrere Tore in so gutem Zustand bewahrt haben, dass solche Vergleiche möglich wären. Zwei Kuriosa sind abschließend zu erwähnen, nämlich Tortürme, bei denen das Fallgatter ausnahmsweise an der Stadtseite des Turmes angebracht war (Zülpich, „Weiertor“, nach 1291; Altdorf, „Oberes Tor“, zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts). In Anbetracht der schon behandelten Tatsache, dass die Durchfahrten der Tortürme gemeinhin zur Stadt nicht einmal Torflügel besaßen (vgl. 2.2.5.3.), handelt es sich hier um ganz isolierte Versuche, die Torfahrt quasi als eine Art Zwinger mit zwei hintereinander gestaffelten Verschlüssen umzudeuten. Die Frage, wie eigentlich das Fallgatter herabgelassen und wieder aufgezogen wurde, ist nur noch anhand minimaler Befunde ansatzweise zu erklären. Das außen vor die Wand gehängte Gatter benötigte zumindest ein Loch für das Seil oder die Kette, an der es aufgehängt war; man darf voraussetzen, dass es immer nur eines war,
um ein Verkanten durch ungleichen Zug zu verhindern. Dieses Loch war naturgemäß klein und ist daher so gut wie immer später vermauert worden bzw. unter Putz verschwunden. Am ehesten hat es bei den Gatterblenden überlebt, im Scheitel des Bogens, wo es vor Regen gut geschützt ist. Oft hat man den Eindruck, dass Seil oder Kette einfach durch das untere Ende einer Schlitzscharte geführt waren. Jedenfalls fehlten offenbar grundsätzlich Laufrollen oder andere besonders durchdachte Einrichtungen zur Führung des Seiles; da das Gatter nur in seltenen Notfällen bewegt wurde, war das Seil eher durch die Witterung als durch Abrieb gefährdet. Auch die Winde, die man vor allem zum Hochziehen des Gatters benötigte, ist meiner Kenntnis nach nur in Basel (Abb. 109) erhalten; jedoch könnte im Inneren heute schwer zugänglicher Bauten noch die eine oder andere Überraschung warten. Das Herablassen des Gatters erfolgte sicher nicht vorsichtig mit der Winde, sondern durch „Fallenlassen“, damit sich die Spitzen in den Boden bohrten. 2.2.5.5. Maueranschluss, Zugänge und Treppen Der beidseitige Anschluss der Mauer an den Torturm war in der Regel von schlichtester Art. Die naheliegende Vermutung, es sei auf Flankierung geachtet worden, wird durch die Realität widerlegt, die bei den Tortürmen durchaus nicht anders als bei den Mauertürmen (vgl. 2.2.4.1.) aussieht. Die Türme springen keineswegs besonders weit vor die Mauer vor, um damit Flankierung zu ermöglichen, und insbesondere Scharten in der Torfahrt, die die beste Wirkung geboten hätten, weil sie auf der Höhe des Angreifers lägen, waren ausgesprochene Ausnahmen; erst im Artilleriezeitalter kommen sie gelegentlich vor, also im 15. / 16. Jahrhundert. Die oberen Turmteile enthalten zwar auch bei Tortürmen öfter seitliche Scharten, aber das Anstoßen der Mauer im mittleren Teil der Turmseitenwände führte dennoch oft zu „toten Winkeln“ vor der Mauer. Andererseits war es im Prinzip natürlich möglich, den Maueranschluss so zu gestalten, dass der Platz direkt vor dem Tor von der Mauer aus flankierbar war. Dafür musste der Turm nur einige Meter hinter der Mauerflucht gebaut und die Mauer entsprechend rechtwinklig abgeknickt
werden; so entstand eine kurze Torgasse, die beidseitig von den Wehrgängen der Mauer beherrscht wurde. Diese Lösung ist gelegentlich anzutreffen, allerdings so selten gegenüber dem direkten Maueranschluss an die Turmseiten, dass gerade dies ein weiteres Mal die weitgehende Missachtung effek- Kurze Torgassen tiver Flankierung zeigt. Und auch im Falle solcher Torgassen zeigt das grundsätzliche Fehlen von tief liegenden Scharten, dass nicht in der Kategorie der Flankierung gedacht wurde. Es gab solche Torgassen sehr früh, wie vor allem das Baseler „Albanstor“ schon um 1100 zeigt. Da Torgassen bei frühmittelalterlichen Befestigungen häufig waren – Wälle mit ihrer viel größeren Tiefe legten solche Formen nahe, aber auch bei frei stehenden Mauern kamen sie gelegentlich vor –, darf man hier sicherlich ein Nachwirken solch älterer Formen annehmen. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, am Oberrhein und in Südwestdeutschland, gab es an den damals noch eher seltenen Mauern weitere, teils verschwundene Tore etwa in Straßburg, Oppenheim („Gautor“, mit trapezoider Torgasse) und Villingen (um 1230–70); der Sonderfall der Aachener Tore um 1300 ist etwas anders zu deuten, denn dort ging es bei unterschiedlicher Grundrissform der Tore jedenfalls um die Anordnung aufwendiger Wurfvorrichtungen über und vor dem Tor, die fraglos auf französisch-englischen Einfluss zurückzuführen sind. Auch Tortürme, die hinter einer älteren Mauer erbaut wurden, etwa in Freiburg im Breisgau („Predigertor“, 13. Jahrhundert) oder Konstanz („Schnetztor“, 15. Jahrhundert), sind sicherlich Sonderfälle; hier ging es wohl eher um den Schutz der Baustelle durch die erst nachträglich entfernte Mauer vor dem Turm. Die Form starb mit diesen frühen Beispielen nicht aus, blieb aber später ebenso selten. Ein berühmtes Beispiel bieten mehrere Tortürme der äußeren Mauer von Rothenburg, die Ende des 14. Jahrhunderts entstanden (Abb. 112); nicht allzu weit davon findet man in Langenburg in Hohenlohe wieder eine trapezoide Torgasse, die aber mit ihren Schlüsselscharten fraglos erst im 15. Jahrhundert entstand. Damit sind wir in der Zeit, in der auch das Doppelturmtor seine zweite Blüte erlebte, das zwischen den beiden Rund2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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türmen ebenfalls eine torgassenartige, durch Scharten beherrschbare, zugleich aber architektonisch weit anspruchsvollere Situation bildete (vgl. 2.2.6.4.). Als absoluter Ausnahmefall sind abschließend die ab 1291 erbauten Tortürme von Zülpich zu erwähnen, die mit parallel geführten Mauern ein Stück vor die Mauer vorgeschoben wurden, das Gegenteil einer Torgasse. An sich ist dies eine naheliegende Idee, der starke Turm konnte so ein viel größeres Umfeld vor dem Tor beherrschen und man hatte einen besseren Blick auf die Au-
Abb. 112 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), „Würzburger Tor“. Vor dem Tor bildete die Mauer eine kurze Torgasse; Rekonstruktion des Zustandes vor dem Bau von Vortor und Zwinger.
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ßenseite der Mauer und in die Gräben. Später begriff man die Vorteile solch vorgeschobener Bauten, wie die Barbakanen und manche Rondelle und Streichwehren des 15. / 16. Jahrhunderts zeigen (vgl. 2.2.11.4. und 2.2.11.5.); aber auch schon im 12. / 13. Jahrhundert gab es außerhalb des deutschen Raumes weit vor die Mauer gestellte Türme, etwa die Form der torre albarrana in Spanien, die isoliert steht und nur durch eine gewölbte Brücke mit dem Wehrgang der Mauer verbunden ist. Ein derartiges Bemühen um noch bessere Beherrschung und Flankierung des Vorfeldes war dem deutschen Raum vor der Feuerwaffenzeit eindeutig fremd. Was die Zugänge zu den Innenräumen der oberen Geschosse betrifft, unterschieden sich Tortürme nicht prinzipiell von Mauertürmen vergleichbarer Größe. In seltenen Ausnahmefällen sind ihre Zugänge wie an den Bergfrieden von Burgen gestaltet, das heißt als isolierte Hochein- Zugänge zu den oberen Turmräumen stiege, sodass man den Turm durch Entfernen der hölzernen Treppe oder Leiter isolieren konnte. Ein früher Fall ist das Freiburger „Martinstor“ (1200 / 1201), mit stadtseitigem, rundbogigem Hocheinstieg, und damit vergleichen kann man etwa den „Weißen Turm“ in Rothenburg mit seiner hoch gelegenen Konsolsturzpforte (Abb. 113) und das „Sulfertor“ in (Schwäbisch) Hall, beide noch vor 1250 entstanden. Ein isoliertes, spätes Gegenbeispiel ist der Turm neben dem „Neustädter Tor“ in Zülz (Schlesien), dessen Hocheinstieg sogar eine Zugbrücke besaß (gegen 1400; Abb. 477); er war ein Vertreter einer Turmart, die man sonst in Österreich, Böhmen und angrenzenden Regionen eher auf Burgen findet. In diesen seltenen Fällen des Hocheinstiegs wären allerdings stets zusätzliche Untersuchungen nötig, um zu erweisen, dass es nicht von Anfang an zusätzliche Ausgänge auf den Wehrgang gab, die die Isolierung des oberen Turmteiles aufgehoben hätten. Der „normale“, in vielen Hunderten von Exemplaren erhaltene und belegbare Torturm des deutschen Raumes war jedenfalls auf eine unspektakuläre Weise mit der Außenwelt verbunden, die ihn gerade nicht als isoliert verteidigungsfähiges Werk kennzeichnet. Das Grundproblem des Zuganges zu den Obergeschossen
Abb. 113 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), der „Weiße Turm“, Stadtseite. Der um / nach 1200 entstandene Turm der inneren Stadtmauer besaß anfangs nur ein Obergeschoss mit Hocheinstieg; der Zinnenkranz darüber ist auf Höhe des Fensters noch ablesbar.
Abb. 114 Villingen (Baden-Württemberg), „Riettor“, der Zugang zu den Obergeschossen des Turmes ist als vorgekragte, pragmatisch geführte Steintreppe an der Seitenwand entlanggeführt.
lag hier natürlich darin, dass die Durchfahrt den Einbau einer normalen Treppe im Erdgeschoss verhinderte; sie wäre einfach im Weg gewesen. Die einfachste Lösung lag darin, die Treppe parallel zur hindurchführenden Straße an eine Seitenwand zu verlegen, was noch gelegentlich anzutreffen ist, aber wegen der geringen Haltbarkeit des Holzes keine Aussagen zum mittelalterlichen Zustand mehr ermöglicht. Was jedoch noch in vielen Fällen erhalten ist, ist die in Mauerwerk ausgeführte Variante dieser einfachsten Umgehung der Torhalle – eine Treppe, die in der Seitenwand des Torturmes oder auch eines andersartigen Torbaues eingebaut ist. Diese Lösung findet man etwa schon in den Kölner Torbauten der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und bei vielen davon abhängigen Toren des nördlichen Rheinlandes. Auch in den späten Toren Brandenburgs und des weiteren Backsteingebietes
ist diese solidere Lösung weitverbreitet, wie übrigens auch im Wiekhaustypus der Region; sie führte dort beachtlicherweise meist zu einer Asymmetrie der sonst sehr regelmäßigen und schmuckreichen Tore, weil die Wand mit der Treppe deutlich dicker sein musste. Eine pragmatische, nicht in der Seitenwand, sondern an ihr entlanggeführte Variante bietet das „Riettor“ in Villingen (Abb. 114). Man wird annehmen müssen, dass viele Tortürme Holztreppen dieser Art ins erste Obergeschoss besessen haben, die aber nicht erhalten sind. Dabei muss man sich außerdem klarmachen, dass kein zwingender Grund bestand, die Treppe innerhalb der Torfahrt anzuordnen. Außen an der Seitenwand des Turmes war ein ebenso gut nutzbarer Platz, denn dort konnte man zum Wehrgang aufsteigen und durch die Wehrgangpforte auf kaum längerem Weg in 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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den Turm treten; ein Dach gegen Nässe war hier zusätzlich nötig, die Anordnung der Treppe war aber weniger störend für den Verkehr. Da die Verbindung des ersten Turmobergeschosses mit den Wehrgängen die Regel war – ebenso wie bei der großen Mehrzahl der Mauertürme und wie dort ohne besondere Merkmale an den Pforten –, kann man letztlich nicht einmal ausschließen, dass manche oder viele Tortürme völlig auf direkte Treppen zu ihren Obergeschossen verzichteten. Denn bei nur geringfügiger Nutzung der Obergeschosse, die durchaus üblich war, mag es genügt haben, diese über die Wehrgänge zu erreichen. In späterer Zeit, vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, führte die schlechte Zugänglichkeit der oberen Turmteile gelegentlich zum Anbau eines Treppenturmes, der aber charakteristischerweise meist nur die „Problemzone“ bis zum ersten oder zweiten Obergeschoss überbrückte und kaum je die Gesamthöhe des Turmes erreichte; als Beispiel sei das „Klever Tor“ in Xanten genannt. Er dürfte in der Regel ein Hinweis auf eine fortbestehende oder neue Nutzung der Obergeschosse sein, etwa als Wohnung oder Archiv, ohne dass dies bisher untersucht wäre. In den oberen Turmgeschossen darf man davon ausgehen, dass geradläufige Holztreppen jeweils von Geschoss zu Geschoss der Normalfall waren, ebenso wie in den Mauertürmen. Diese Lösung kann man in vielen erhaltenen und zugänglichen Türmen noch sehen, ohne dass ich je den Eindruck hatte, eine noch mittelalterliche Treppe vor mir zu haben. Steinerne Treppen, also geradläufige Treppen oder Wendeltreppen in der Mauerdicke, waren bei Tortürmen extrem selten; Beispiele für Wendeltreppen habe ich insbesondere im Rheinischen Schiefergebirge gefunden (Linz, Mayen, Rhens; Dudeldorf 1453; Oberwesel, „Koblenzer Tor“), wo es auch in Mauertürmen einzelne Vergleichsfälle gibt. Hintergrund der aufwendigeren Treppe dürfte auch hier die Bewohnbarkeit dieser im späten 14. und im 15. Jahrhundert entstandenen Bauten gewesen sein. 2.2.5.6. Funktionen der Obergeschosse Bei den Mauertürmen war festzustellen, dass ihre Räume in aller Regel ungenutzt blieben bzw. ausschließlich der Verteidigung dienten; be166 I. Systematischer Teil
wohnbare Türme waren seltene Ausnahmen, die in der Regel offenbar auf zusätzliche Funktionen zurückgingen (vgl. 2.2.4.2.). Im Grundsatz stellt sich auch hier heraus, wie unter vielen anderen Aspekten, dass Tortürme eigentlich nicht als eigenständiger Bautypus gelten können, sondern, dass sie im Grunde nur funktionsbedingte Variationen der Mauertürme waren, bei denen zwar Einzelaspekte stärker ausgearbeitet wurden, wirklich originelle Merkmale aber fast immer fehlten. Man muss sich grundsätzlich fragen, warum die Tortürme so bescheiden blieben. Denn eigentlich war das Stadttor, im Gegensatz zur Randlage normaler Mauertürme, ein durchaus besonderer Ort im baulichen Gefüge der Stadt. Es Verzicht auf repräsentative Nutzungen besaß überdurchschnittliche ästhetische Wirkungsmöglichkeit nach innen wie nach außen und enthielt außerdem Räume, die sich theoretisch durchaus für die Aufnahme städtischer Funktionen anboten. Natürlich gibt es zumindest zwei naheliegende Erklärungen, warum die Räume des Tores wenig genutzt wurden: die exponierte Lage im Falle eines Angriffs und die unbequeme Erschließung der übereinanderliegenden Räume. Beide Gründe sind aber nicht wirklich stichhaltig. Wenn man etwa die Torhäuser der Burgen Edwards I. in Wales betrachtet – große, in den Obergeschossen mit Hallen und Wohnräumen ausgestattete, über Wendeltreppen zugängliche Doppelturmtore des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts –, so wird deutlich, dass ein Tor in dieser Epoche sehr wohl repräsentative Räume aufnehmen und gleichzeitig ein Kernpunkt der Verteidigung sein konnte; Varianten der edwardianischen Torhäuser in englischen Städten unterstreichen dies. Wenn man daher in Deutschland fast immer bei der für solche Nutzungen wenig geeigneten Form des Torturmes blieb, so ist dies also fraglos Beleg für einen mangelnden Willen dazu. Die Stadt bzw. ihr Rat als das Gremium, das die Unterbringung öffentlicher oder repräsentativer Funktionen in den Toren hätte beschließen können, legte offenbar keinen Wert auf eine Selbstdarstellung als Verteidiger der Stadt, sondern verstand die gesamte Befestigung inklusive
der Tore primär als funktionale Notwendigkeit, vielleicht außerdem als Ausdruck städtischen Selbstbewusstseins am Stadteingang. Ein machtbewusster und kämpferischer Angehöriger des Hochadels, wie zum Beispiel Edward I. von England, mochte das ganz anders sehen und sich symbolisch in vorderster Linie postieren. Der Rat und das Patriziat aber empfanden offensichtlich eher das Rathaus und andere städtische Bauten – Kaufhaus, Metzig, Gildehäuser und dergleichen – als Ausdruck ihrer Rolle, deren Lage um den Markt etwas anderes betonte. Handel und Reichtum waren die Grundlage „bürgerlich“patrizischen Selbstverständnisses, weit mehr als militärische Kampfbereitschaft. Diese war zwar notwendig und wurde auch in gewissem Maße zur Außendarstellung der Stadt genutzt, aber sie blieb peripheres Mittel zum Zweck und konnte daher Bauformen verwenden, die keine repräsentativen Innenräume umfassten. Lediglich eine nichtdefensive Sonderfunktion von Tortürmen bleibt zu reflektieren, für die das Basler „Spalentor“ das wichtigste Beispiel ist. Das Tor ist der Spalenvorstadt zugeordnet, in der es spätestens um / nach 1300 – also weit vor der Errichtung des bestehenden Tores (Abb. 128) – eine „Vorstadtgesellschaft“ gab, eine Art Ausschuss der dort wohnenden Bürger, der in Vertretung des Rates öffentlich-rechtliche Funktionen innerhalb der Vorstadt versah, bis hin zur niederen Gerichtsbarkeit (und der bis heute existiert, wenn auch der früheren Funktionen weitgehend entkleidet). Die „Vorgesetzten“ dieser Gesellschaft tagen bis heute im Torturm, der dementsprechend stadtseitig gut durchfenstert ist. Ob es Derartiges auch anderswo gab, bliebe von historischer Seite zu prüfen, soweit die Quellen es hergeben. Der „normale“ deutsche Torturm jedoch unterschied sich in seiner Ausstattung wenig von den Mauertürmen. Seine Obergeschosse – mindestens eines bei den blockförmigen Toren des früheren 13. Jahrhunderts, bis zu sieben bei besonders hohen Türmen der Zeit um 1400, zum Beispiel in Ausstattung rein defensiver Tortürme Rothenburg ob der Tauber – blieben offenbar im Normalfall bis auf die Treppen und, wohl im zweiten Obergeschoss, die Winde für das Fallgatter leer. Die Decken waren in aller Regel Balkendecken, nur über der Durchfahrt (vgl. 2.2.5.3.) gab es öfter
Abb. 115 Prenzlau (Brandenburg), das „Mitteltor“ – der Name ergibt sich aus der Stadterweiterung davor – ist eines der gestalterisch aufwendigsten Tore in Brandenburg. Der vorgekragte Wehrgang setzt hölzerne Wehrgänge an den älteren Stadttoren in Stein um.
einfache Tonnenwölbungen, ähnlich manchmal unter der Wehrplatte. Sie dürften unten vor allem mit Feuersicherheit zu tun gehabt haben, oben mit besserer Tragfähigkeit für Kriegsmaschinen oder später Feuerwaffen. Die Einwölbung weiterer Geschosse, insbesondere des ersten Obergeschosses direkt über dem Tor oder auch aller Geschosse des Turmes, war die große Ausnahme. Auch die Ausstattung der meisten Tortürme mit Einrichtungen zur Verteidigung – Scharten, Wurferkern, Zinnen – hat sich nicht sehr von jener eines größeren Mauerturmes unterschieden. Einfache Schlitzscharten, zwar innen erweitert, aber meistens ohne Schartennische, sind häufig, ihre Verteilung entbehrt aber wie bei den Mauertürmen fast immer aller defensiven Raffinesse. Zwar werden sie aus offensichtlich ästhetischen Gründen oft an der Front mittig angeordnet, sodass je eine Scharte pro Geschoss mit der Toröffnung eine axiale Mittenbetonung ergibt; wehrtechnisch ist das aber bedeutungslos. Ebenso entfalten Schlitzscharten in den Seiten der Türme oft eine gewisse flankierende Wirkung, weil man von dort vor die Mauer oder zumindest 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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schräg über sie hinweg in den Graben schießen konnte; aber auch hier fehlte offensichtlich fast immer die letzte Effektivität, denn die Scharten sind kaum je vollständig vor die Mauerflucht gerichtet bzw. die Türme springen nicht genug vor, um dies zu ermöglichen. Erst das Feuerwaffenzeitalter, als jedoch nur noch wenige Tortürme völlig neu entstanden, brachte hier etwas mehr Konsequenz, die aber das Gesamtbild nur noch marginal prägen konnte. Auch vorkragende Wurfeinrichtungen bzw. -erker waren bei Mauertürmen nur als Ausnahme festzustellen gewesen, mit dem Vorbehalt, dass Holzkonstruktionen verschwunden sein können. Das gilt ein weiteres Mal analog für die Tortürme, mit seltenen Ausnahmen in der Spätzeit um und nach 1400. Am auffallendsten ist eine Gruppe von besonders hohen Türmen in Mecklenburg und Pommern, die auf etwa halber Höhe einen allseitig umlaufenden, vorkragenden Holzwehrgang besaßen; der bedeutendste Fall ist das „Kröpeliner Tor“ in Rostock, dem pommersche Vergleichsbeispiele in Demmin, Altentreptow und Anklam zur Seite gestellt werden können. Das reich durchgestaltete Prenzlauer „Mitteltor“ (Abb. 115) kann als späte Umsetzung des Prinzips in Stein verstanden werden, nachdem dieses am dortigen „Blindower Tor“ vielleicht sogar entstanden war, indem nämlich der umlaufende Holzwehrgang die Stelle kaschierte, an der die Aufstockung des frühen 15. Jahrhunderts auf den Erstbau des 13. Jahrhunderts aufsetzte. Eine weitere Variante von Wurfeinrichtungen, die im Backsteingebiet vor allem im 15. Jahrhundert öfter auftrat, sind „Brücken“, die hoch über dem Torweg zwischen Strebepfeiler gespannt waren (Abb. 541, 542, 566). Dagegen war der einfache Wurferker, den man gerade über der Toröffnung häufig erwarten würde, in Wahrheit eher selten; als Beispiel, dass er eigentlich mehr als Schmuckelement eingesetzt wurde, sei der „Rangenturm“ in Ziegenhain (Hessen) genannt, der den Erker mit Blenden und Wappen versieht und auch sonst Scharten und Fenster bewusst schmückend einsetzt. Späte Tortürme waren auch in bestimmten Regionen gelegentlich mit Maschikuli an der Wehrplatte versehen; sie werden unten noch im Zusammenhang der Gestaltung des oberen Abschlusses der Türme behandelt, da auch sie in 168 I. Systematischer Teil
aller Regel ein starkes ästhetisches Moment beinhalteten. Grundsätzlich anders sah es übrigens bei den in Deutschland seltenen Doppelturmtoren aus – etwa in Aachen oder Hainburg / Niederösterreich (vgl. 2.2.6.4.) –, deren englische Vertreter oben schon als Beispiel bemüht wurden, dass das Torinnere ganz anders als in deutschen Tortürmen genutzt wurde. Auch in den hier weit stärker entwickelten Wurfeinrichtungen über dem Tor zeigt sich die grundsätzliche Andersartigkeit dieser westeuropäischen Bauform. Dass Mauertürme nur in Ausnahmefällen bewohnbar waren, wurde bereits betont (vgl. 2.2.4.2.) und auch, dass es hier natürlich große Wissenslücken gibt, die sich aus den umfangreichen Abbrüchen, Umnutzungen und Umbauten ergeben, Bewohnbare Räume in Tortürmen auch aus der schweren Zugänglichkeit vieler Türme heutzutage. Dass bei den Tortürmen letztlich dasselbe Bild entsteht, obwohl man aus guten Gründen hier anderes annehmen könnte, war oben schon erörtert und auf einer grundsätzlichen Ebene zu erklären versucht worden. Wie bei den Mauertürmen gibt es aber auch hier Einzelfälle, die doch auf Bewohnbarkeit zumindest einzelner Räume hindeuten. Bevor Beispiele genannt werden, sei nach der Quellenlage gefragt, die solche Einzelphänomene erklären könnte. Darauf gibt es eine einfache Antwort: Eine solche Quellenlage existiert nicht. Zwar muss man auch hier wieder damit rechnen, dass manche Quellenbestände nicht hinreichend erschlossen oder nur ungenau interpretiert sind, aber dies könnte letztlich doch nur eine dünne Quellenlage erklären, nicht aber das vollständige Fehlen jedes schriftlichen Hinweises in einer immerhin umfangreichen Literatur, in der sich auch einige von Historikern intensiv durchgearbeitete Fälle finden. Es bedarf also einer anderen Erklärung und diese liegt auch auf der Hand: Die bewohnbaren Räume wurden auf einer sozialen Ebene genutzt, die für die städtischen Quellen des 13. / 14. Jahrhunderts einfach „unter der Sichtlinie“ lag, also nicht vom Rat oder den ratsfähigen Geschlechtern, wohl nicht einmal von Bürgern, sondern von städtischen Bediensteten, für die man hier sozusagen „Dienstwohnungen“ schuf. In den Tortürmen sind natürlich Wohnungen von Torwächtern besonders naheliegend,
vergleichbar den manchmal bis heute genutzten Wohnungen der Feuerwächter auf hohen Kirchtürmen, bei denen die Nähe zur Aufgabe ja auch höher als ein bequemer Zugang zur Wohnung bewertet wurde. Auch diese Deutung liegt aber lediglich nahe und ist keineswegs völlig sicher. Denn belegbar ist im Grunde nur, dass es manchmal Räume in den Türmen gab, in der Regel direkt über der Durchfahrt, die neben Fenstern und einem Aborterker auch einen Kamin enthielten. Als frühes Beispiel sei hier die „Fischerpforte“ in Worms genannt, ein rechteckiger Torturm der schon um 1200 im Bau befindlichen Mauer, der nach seinen Schmuckformen selbst aber wohl erst um / nach 1230 entstand. Im ersten Obergeschoss (Abb. 116) findet man hier vierseitig Spitzbogenfenster – dabei typischerweise die einzige Biforie mittig gegen die Feldseite –, in einer stadtseitigen Ecke einen großen Kamin und in der anderen Reste eines Aborts. Da der Raum zudem gegen den stadtseitig herumgeführten Wehrgang abschließbar war und sich entschieden gegen die höheren, nur mit Scharten ausgestatteten Geschosse absetzt, wird man hier mit aller Vorsicht eine abgeschlossene „Wohnung“ vermuten, nicht nur einen Raum zum Aufwärmen für Wächter, die woanders wohnten. Eine ähnlich komplexe Argumentation führt beim „Steintor“ in Bernau (Brandenburg) zu der Annahme, hier sei eine Wohnung für einen Wächter geschaffen worden, der nicht nur das Tor, sondern auch das städtische Gefängnis beaufsichtigte. Als der Torturm nach einem Brand 1485 in wuchtigen Proportionen wieder aufgebaut wurde, erhielt er im ersten Obergeschoss einen Raum mit Kamin und Abort, der zudem über einen gemauerten, auf Bögen ruhenden Laufgang mit einem Rundturm verbunden wurde, der als Gefängnis diente (Abb. 498). Als weit späteres Beispiel einer vermutlichen Wächterwohnung mit Wendeltreppen, Kamin und Abort in gewölbtem Raum ist das „Osthofentor“ in Soest (1523–26) von Interesse, allerdings verdeutlicht es in seiner Ausstattung zugleich die Interpretationsfragen, mit denen man es bei grundsätzlichem Quellenmangel stets zu tun hat. Das „Osthofentor“ ist mit seinen symmetrischen, polygonalen Eckerkern aus Maßwerk eines der schönsten spätgotischen Tore Deutschlands und
diese Erker gehören räumlich zur vermutlichen Wächterstube (Abb. 126). Selbstverständlich aber dienten sie nicht der Steigerung des Wohnkomforts – und auch nicht der Wehrhaftigkeit –, sondern allein der architektonischen Außenwirkung des Tores. Dies führt zu der grundsätzlichen, schon bei den Mauertürmen berührten Frage, ob und was man aus Schmuckelementen des Turmäußeren, insbesondere aus formal anspruchsvollen Fenstern, für die Nutzung der Innenräume eigentlich schließen darf; auf die Frage wird gleich noch einzugehen sein. Weitere Beispiele von Tortürmen, deren Ausstattung auf „Dienstwohnungen“ deuten dürfte, findet man im späteren 14. und im 15. JahrhunAbb. 116 Worms, „Fischerpforte“, Grundrisse von Erdgeschoss / Durchfahrt und erstem Obergeschoss (Aufmaß Th. Biller). Mit Doppelfenster und Kamin ausgestattete Wächterstuben oder -wohnungen in Tortürmen sind nur selten noch unverändert fassbar.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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dert vor allem im Rheinland, etwa beim „Koblenzer Tor“ in Oberwesel, in Linz, Mayen, Rhens und Dudeldorf. Letztlich aber bedarf es unbedingt weiterer Bauuntersuchungen, um in diesen und vor allem auch in weiteren, bisher nicht erkennbaren Fällen jene baulichen Ausstattungen zu dokumentieren, aus denen man auf solche Wohnnutzungen der Tortürme schließen kann. Ist man für die Zeit bis etwa 1400 für die Fragestellung bewohnbarer Tortürme allein auf derartige Baubefunde angewiesen, weil Schriftquellen fehlen, so sieht es im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit gelegentlich besser aus. Nun gibt es hier oder dort Hinweise „Rathäuser“ in auf Nutzungen in Tortürmen – Tortürmen und Torbauten anderer Art –, die mit der Verteidigung nichts zu tun hatten. Beachtlicherweise ist dabei der häuAbb. 117 Marktbreit (Unterfranken), der älteste Teil des Rathauses (1579–1600) bildet den Oberbau des „Maintores“. Rathäuser in Stadttoren sind im deutschen Raum nur selten belegbar, keines ist in mittelalterlicher Form erhalten.
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figste Fall jener des „Rathauses“, allerdings ist die absolute Anzahl immer noch gering und die betreffenden Städte waren in der Regel von minderer Bedeutung, sodass man davon ausgehen kann, dass die Ratsstube im Torturm eher eine Notlösung in solchen Fällen war, bei denen ein repräsentatives Rathaus am Markt nicht finanzierbar war oder einfach nicht lohnte. Dass es sich dabei auch um eine frühe Lösung gehandelt haben kann, die später durch ein „richtiges“ Rathaus ersetzt wurde, deutet vielleicht der Fall von Oberwesel an, wo ein Torturm der ältesten Mauer den Namen „Altes Rathaus“ trug; ihn ergänzte offenbar ein benachbarter Fachwerkbau, aber auch schon im 17. Jahrhundert ein weiteres Rathaus. Auch in anderen Fällen muss man vermuten, dass ein bescheidener Versammlungsraum im Torturm am Anfang der Entwicklung stand, aus dem dann durch Um- und Anbauten vor allem im späteren 15. und im 16. Jahrhundert „richtige“ Rathäuser entstanden, wenn auch an ungewöhnlicher Stelle. Dass Lage am Markt und neben dem Tor auch in einer wichtigen Stadt ausnahmsweise vereinbar waren, zeigt heute noch – als Rekonstruktion – München, aber nicht nur original, sondern auch typischer ist das kleine Erlach (Bern), wo sich das Rathaus ab dem mittleren 15. Jahrhundert aus dem Tor entwickelte, mit einem kleinen Saalbau aus dem 16. Jahrhundert; in der Schweiz vergleichbar war das 1478 über dem „Obertor“ von Werdenberg (St. Gallen) erbaute, nicht erhaltene Rathaus. Aufwendige Ausbauten der Renaissance gibt es etwa noch in Marktbreit (über dem Tor, um 1600; Abb. 117), Erbach im Odenwald (Anbau an das einzige Tor des „Städtels“) und vielleicht in Maissau (Niederösterreich), wo die Fassade erst im Barock entstand, wie etwa auch in Königstein im Taunus. Charakteristisch für diese Beispiele – man mag als Sonderfall die Marktschreiberei im hausförmigen „Mittertor“ in Rosenheim anfügen – ist, dass es sich um unbedeutende Städte handelte, fraglos auch Spätentwickler, was städtische Freiheit und Ratsverfassung betraf. Die kleinen Rathäuser im und am Stadttor waren keine echte Alternative zu dem eigentlichen mittelalterlichen Rathaustypus am Markt und mit großem Saal, sondern sie waren nur manchmal die pragmatische Lösung für die kleine, spät entwickelte Stadt.
2.2.5.7. Fenster Fenster waren wie bei Mauertürmen auch bei Tortürmen eher selten und, soweit sie doch vorhanden sind und nicht von späteren Umbauten stammen – durchweg unverändert etwa am Jenaer „Johannistor“ –, weit überwiegend von bescheidener Art, das heißt fast immer klein und rechteckig. Es gibt jedoch Ausnahmen – und zwar bei den Tortürmen deutlich häufiger als bei den Mauertürmen –, bei denen wesentlich aufwendigere Fensterformen erscheinen und dann auch meist die wichtigsten Elemente der äußeren Gestalt sind. In Weiterführung der Frage nach eventuellen Raumnutzungen in den Tortürmen ist hier zu fragen, ob solche Fenster vielleicht die bisher vermissten Hinweise auf besonders genutzte Innenräume sein könnten? Es scheint jedoch nicht so, als ob man derartige Fenster von den Innenräumen her erklären könnte. Vielmehr fällt auf, dass aufwendigere Fensterformen in der Regel eben dort zu finden sind, wo der gesamte Turm stärker geschmückt ist, wo also auch beim Torgewände mehr Aufwand getrieben wurde, wo Gesimse, Friese, Wappen usw. erscheinen. Zwar ist a priori nicht auszuschließen, dass reichere Fensterformen in manchen Fällen etwas über besondere Räume im Turm aussagen, aber es bedürfte weiterer Indizien in den Räumen selbst, um dies hinreichend wahrscheinlich zu machen. Als Beispiel bietet sich das „Rothenburger Tor“ in Dinkelsbühl an, das stadtseitig nicht nur im – innen unauffälligen – obersten Geschoss ein Maßwerkfenster zeigt, sondern auch im ersten Obergeschoss eine symmetrische Gruppe von Öffnungen aus einem Kreuzstockfenster und zwei Rechteckfenstern (Abb. 118). Welche Funktion hatte der kreuzgratgewölbte Raum dahinter? War er nur Wohnung eines Gefängniswärters, weil im Geschoss darüber eine Zelle von „1555“ eingebaut ist, oder doch mehr? Wir wissen es nicht – und kaum an einer anderen Einzelthematik der deutschen Stadtbefestigungen wird so deutlich, wie nötig Bauforschung zur Klärung jener Fragen bleibt, bei denen uns die spärlichen Schriftquellen des Mittelalters im Stich lassen. In der Regel waren die Fenster der Tortürme, auch wenn es sich um einfache kleine Öffnungen oder gar nur um Schlitzscharten handelte, an den beiden wichtigen Seiten gegen das Feld und ge-
Abb. 118 Dinkelsbühl (Mittelfranken), die Stadtseite des „Rothenburger Tores“. Reichere Fensterformen wie hier das im 1. Obergeschoss und das Maßwerkfenster im obersten Geschoss unter dem Renaissancegiebel sind auch an Tortürmen selten.
gen die Stadt in Achsen angeordnet und schufen schon mit diesem einfachen Mittel ein Minimum an architektonischer Gestaltung. Freilich drängte sich diese Anordnung schon wegen der Schlankheit des Baukörpers auf und war daher kein allzu überraschendes Konzept auch in einer Zeit, die im Profanbau erst selten „Fassaden“ gestaltete. Größere bzw. mindestens zweilichtige romanische Fenster kommen an Stadtmauern selten vor, weil nur wenige Mauern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sind (vgl. 2.2.10.3.). Vereinzelt sind Fenster in den Mauern selbst erhal- Gekuppelte romanische Fenster an Tortürmen ten – Belege für direkt angebaute Häuser, die es vor allem im Süden des deutschen Sprachraumes gab; in Mauertürmen fehlen Beispiele, sie besaßen in dieser frühen Zeit nur Schlitzscharten. Schießfenster, an Wehrgängen des späten Mittelalters als überwölbte Abwandlung von Zinnen durchaus verbreitet, fehlen im Mittelalter so gut wie völlig, soweit sie sich nämlich in der Mauerfläche bzw. in einem der Stockwerke öffneten. Bei den Kölner Toren der ersten Hälfte des 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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13. Jahrhunderts, besonders beim „Hahnentor“, treten sie als (restaurierte) Rundbogenfenster ausnahmsweise und die Architektur durchaus bestimmend auf, wohl nach dem Vorbild des römischen Tores des Kastells Deutz; an einem ähnlich alten Mauerturm in Lübeck (Abb. 67) ist Vergleichbares nicht so direkt erklärbar, vielleicht wirkte hier Köln als Vorbild. An Tortürmen gibt es immerhin vereinzelte Beispiele solcher frühen Fenster, aber auch hier kommt die große Mehrzahl mit Schlitzen oder kleinen Rechteckfenstern aus und betont die geschlossene Mauerfläche. Das wohl älteste Beispiel, entstanden um 1200, befindet sich am Eisenacher „Nicolaitor“, eine zweisäulige Biforie mit Rundbogenblende im ursprünglich einzigen Obergeschoss, mittig an der Feldseite (Abb. 119). Abb. 119 Eisenach (Thüringen), die Feldseite des „Nikolaitores“. Die unteren beiden Geschosse des später erhöhten Turmes entstanden wohl um 1200, wobei das Geschoss über der Torfahrt anfangs stadtseitig offen war; die Fenster sind erneuert.
172 I. Systematischer Teil
Schon das nächstjüngere Beispiel, wohl aus dem frühen 13. Jahrhundert, ist aber ein Sonderfall, nämlich der Torturm in Sarralbe in Lothringen; sein dreigekuppeltes Rechteckfenster mit Säulen ist außerhalb Lothringens so nicht vorstellbar und bleibt daher innerhalb des deutschen Raumes eine Randerscheinung. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts zeigt dann der „Laufer Schlagturm“ in Nürnberg eine Biforie im ersten Obergeschoss, also – bei höherem Turm – ganz ähnlich angeordnet wie in Eisenach; erhalten ist davon allerdings nur die mit einem Rundstab profilierte Rundbogenblende, das Fenstergewände ist spätgotisch erneuert (Abb. 372). Bereits spitzbogig, aber wohl etwas älter als Nürnberg ist das Doppelfenster im ersten Obergeschoss der Wormser „Fischerpforte“ (Abb. 116). Damit sind die erhaltenen Beispiele schon erfasst. Trotz ihrer sehr geringen Anzahl verdeutlichen schon diese frühesten echten Fenster in Tortürmen, alle im Geschoss direkt über der Durchfahrt, die Ambivalenz ihrer Aussage. Denn allein in Worms belichtete das Fenster zweifelsfrei einen bewohnbaren Raum, während in Eisenach und Nürnberg nicht nur alle Hinweise auf bewohnbare Räume fehlen, also vor allem Kamine und Aborte, sondern sogar die stadtseitige Wand; es handelte sich in beiden Fällen um frühe Beispiele von Schalentürmen. Auch wenn man, ohne es beweisen zu können, unterstellen wollte, es habe hier zumindest hölzerne Abschlüsse gegeben, so besteht doch zwischen durchaus reichen Fenster zur Angriffsseite und dem Verzicht auf eine steinerne Wand zur Stadt ein ganz erheblicher Widerspruch. Er zeigt bereits hier, schon ganz am Anfang der Entwicklung, dass gerade aufwendigere Fensterformen auch reiner Schmuck der feldseitigen Front sein konnten und keineswegs zwingend auf eine entsprechend vornehme Nutzung von Turmräumen schließen lassen. In der Gotik bestand die einfachste Art, die für Stadtmauern typischen kleinen, oft schlitzartigen Fenster etwas ansprechender zu gestalten, zunächst einmal darin, ihren oberen Abschluss als Spitzbogen auszubilden, oder ausnahmsweise auch Gotische Fensterformen an Tortürmen einmal dreieckig, wie es im Backsteingebiet anzutreffen ist, weil man es aus normalen Backsteinen her-
stellen kann; ganz selten findet man im 15. / 16. Jahrhundert auch einmal kielbogige Abschlüsse (Mindelheim, „Oberes Tor“, vor 1469?). Der Aufwand hierfür war begrenzt; immerhin erfordert dies ein Gewände aus Werkstein, was bei Stadtmauern ja keineswegs selbstverständlich war. Allerdings war auch die Wirkung solch seltener, klein dimensionierter Bögen gering, da man sie nur aus nächster Nähe überhaupt erkennen konnte. Als gestalterische Besonderheit, die eine nennenswerte Wirkung entfaltete, sind auch in der Gotik nur die mehrlichtigen Fenster zu nennen, unter denen die Maßwerkfenster als einzige etwas häufiger auftreten. Noch ins 13. Jahrhundert gehören die Maßwerkfenster an den Rundtürmen neben den Toren von Marchegg (Niederösterreich; Abb. 285), das 1268 von König Otakar I. Přemysl gegründet wurde – ein Beispiel für die besondere Rolle dieses Königs bei der Gotikrezeption in Österreich und Böhmen. Ein Sonderfall anderer Art ist das Regensburger „Ostentor“, mit der Mauer zwischen 1284 und 1320 entstanden, schon baukörperlich eine kreative Kombination von Torturm und Doppelturmtor; es besitzt als wohl einziger Torturm Deutschlands stadtseitig eine Achse von Maßwerkfenstern über alle Obergeschosse (Abb. 120). Und ein dritter, früher Einzelfall macht noch deutlicher, wie individuell der Umgang mit dem Thema „Maßwerk an Tortürmen“ im 13. Jahrhundert war. Die Stadtseite des Speyerer „Altpörtels“ (Abb. 79), in seiner ersten Form noch vor der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden, ist durch eine Art „Maßwerkgitter“ aus Quadern geschlossen, ein Grenzfall von Durchfensterung und Schalenturm. Im 14. / 15. Jahrhundert kommen Maßwerkfenster ähnlich verstreut wie in der frühen Phase der Gotik vor. Der Turm des „Rothenburger Tores“ (um 1372–90) in Dinkelsbühl ist schon erwähnt worden; die äußere Mauer, zu der er gehört, besitzt Blendmaßwerk auch über etlichen kleinen Fenstern der Mauertürme (Abb. 80). Als Beispiele für meist bescheidene, spätgotische Maßwerkoder Blendmaßwerkfenster des 14. / 15. Jahrhunderts an Tortürmen seien genannt: der „Hausmannsturm“ in Helmstedt (Abb. 435), das äußere „Frauentor“ in Mühlhausen (Thüringen), das „Johannistor“ in Aschersleben, das „Vilstor“ in Amberg (Abb. 367) und das „Franziskanertor“ in
Abb. 120 Regensburg, das „Ostentor“ (um 1300) ist mit mehreren Maßwerkfenstern an der Stadtseite ein Ausnahmefall.
Überlingen. Als besonders spätes Beispiel, schon des Artilleriezeitalters, kann der 1478 erwähnte „Leipziger Turm“ am Hallenser „Galgtor“ gelten, ein hoher Rundturm als Teil eines barbakanenähnlichen Vortores (Abb. 228). In der Regel trifft man Maßwerkfenster an solchen Tortürmen, die auch mit anderen Mitteln stärker gestaltet sind. Das galt schon in sehr origineller Form für das Regensburger „Ostentor“ und es galt dann ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in einem relativ normierten Sinne, indem Gesimse, Wappen und reicher ausgearbeitete Dachformen in Kombination mit den Fenstern erschienen. Alle anderen Formen mehrlichtiger Fenster sind noch seltener, sodass hier nur Beispiele pauschal aufgezählt seien. So zeigte etwa der verschwundene Brückentorturm in Kitzingen am Main ein spitzbogiges Doppelfenster, eine typische Form im Profanbau des mittleren und späten 13. Jahrhunderts, das auch hier so datiert werden muss. Der 1366 als „neu“ erwähnte 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Mainzer „Holzturm“, ein rheinseitiges Tor, besitzt ausnahmsweise zwei Achsen spitzbogiger Doppelfenster – eine selten aufwendige Gestaltung, die aber der Bedeutung der Stadt sowie der Höhe des Turmes und seiner Dachgestaltung mit Erkern entspricht. Auch zweilichtige Rechteckfenster, eigentlich eine der häufigsten profanen Fensterformen ab der Spätgotik, kommen bei Stadttoren vor der Renaissance höchstens ganz vereinzelt vor, kaum einmal in größerer Anzahl am gleichen Torturm. Erwähnt sei das „Mitteltor“ (nach 1392) im kleinen Hirschhorn am Neckar, mit zwei- und dreifach gekoppelten Rechteckfenstern, oder – wohl nach 1339 – der sehr regelmäßige, achteckige „Wasserturm“ in Luzern, mit betont engen, die Mittelachsen betonenden Doppelfenstern (Abb. 71); das Gruppenfenster im Dinkelsbühler „Rothenburger Tor“ war schon erwähnt worden. Auch die aufwendigere Variante des gekuppelten Rechteckfensters, das Kreuzstockfenster, tritt im 15. Jahrhundert gelegentlich auf, etwa in den kleinen Türmen neben dem Tor in Aken (Sachsen-Anhalt) oder im Turm neben dem „Münsterberger Tor“ in Neiße (Schlesien), dort als fensterförmige Blende, womit man den „Hexenturm“ in Friedeberg / Neumark vergleichen mag. Zusammenfassend muss es bei der Aussage bleiben, dass reichere, mehrlichtige Fensterformen bei deutschen Tortürmen der späten Romanik und vor allem der Gotik zwar gelegentlich vorkommen, aber so selten und zugleich so unterschiedlich in Form und Anordnung, dass man keinerlei Regelmäßigkeit oder Entwicklung feststellen kann. Unverkennbar handelte es sich eben nicht um ein für Stadtmauern „normales“ Gestaltungsmittel, sondern um ganz sporadische Entschlüsse von Bauherren oder Baumeistern, wenn sie doch einmal einem eigentlich schlichten Bauwerk ein gewisses Maß an Gestaltung verleihen wollten. Sie griffen dann auf zeit- und regionaltypische Fensterformen aus anderen Bereichen des sakralen und „zivilen“ Bauens zurück, weil ein wehrbautypisches Repertoire nicht zur Verfügung stand. Es mag sein, dass wir ein nicht nur reicheres, sondern auch ein klarer geordnetes Bild erhielten, wenn gerade die wichtigen Tore der Städte öfter erhalten wären, aber das bleibt Vermutung.
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2.2.5.8 Schmuck am Turmschaft Neben den Fenstern und dem Torgewände selbst findet man an den Tortürmen – weiterhin in direkter Analogie zu den Mauertürmen – noch andere schmückende Elemente, die man in drei Gruppen gliedern kann: neben eine Strukturierung und Gestaltung der Wandfläche selbst treten gelegentlich weitere Schmuckelemente auf, und schließlich kann die Dachform im weiteren Sinne variiert werden. Die Strukturierung der Wandfläche konnte einmal über das Material der Mauer selbst erfolgen. Dieses Thema ist schon behandelt worden (vgl. 2.2.2.) und muss daher für die Tortürme nicht nochmals angesprochen werden. Es genügt wohl die Erinnerung, dass Bruchsteinmauerwerk schon aus Kostengründen die üblichste Technik war, sodass geputzte oder zumindest glatte Oberflächen, gelegentlich auch aus hammerrechten oder echten Glattquadern, das Gesamtbild entschieden ge- Strukturierung und Gestaltung der prägt haben dürften, auch bei Wandfläche den Türmen und Tortürmen. Es sei ferner erinnert, dass der Buckelquader – die auffälligste Form der strukturierten Wandfläche im hohen und späten Mittelalter – an Stadtmauern selten war, aber gerade an Tortürmen am ehesten auftrat, zuerst im 13. Jahrhundert im deutschen Südwesten, dann ab dem mittleren 14. Jahrhundert in Franken und darüber hinaus, schließlich unter italienischem Einfluss, als „Rustika“ ab der Zeit um 1500 wieder im Südwesten; Beispiele wichtiger Buckelquadertortürme wurden in 2.2.2.3. schon genannt. Bei den weit häufigeren Toren mit glatten Wandflächen kann man im Grundsatz drei Möglichkeiten der Gliederung unterscheiden: mit dem Mittel der Farbe, die horizontale Gliederung durch Gesimse, Friese und dergleichen sowie schließlich die Verwendung von Blenden und Blendsystemen. Muster aus regelmäßig angeordneten Steinen anderer Farbe waren bei Stadttoren und allgemein Stadtmauern große Ausnahmen. Obwohl das Motiv auch an Burgen des Deutschen Ordens verbreitet war und dort wohl sogar entwickelt wurde, kam der Einsatz von Backsteinen mit schwarzen Köpfen in „roten“ Backsteinflächen bei Stadttoren fast gar nicht vor; der quadratische Turm neben dem „Haynauer Tor“ in Liegnitz (Schlesien) ist das einzige
und zudem recht späte Beispiel (um 1400), das ich notieren konnte. Weitaus häufiger und vermutlich sogar die häufigste Gestaltung dürfte die farbige Fassung geputzter Flächen gewesen sein, einfach deswegen, weil geputztes Bruchsteinwerk die billigste Art von Mauerwerk bei Stadtmauern war und weil Bemalung weiterhin die kostengünstigste Art war, derartige Oberflächen ansprechender zu gestalten. Leider muss dies aber eine letztlich unbeweisbare Behauptung bleiben, weil nämlich aus Gründen, die genauso auf der Hand liegen, kaum etwas von der vermuteten Bemalung belegbar geblieben ist. Putz bedarf regelmäßiger Erneuerung in Abständen von einigen Jahrzehnten, Bemalung ist noch empfindlicher, deswegen müssen extrem günstige Umstände vorliegen, damit Farbfassungen wenigstens in erkennbaren Resten das letzte halbe Jahrtausend überstanden haben. In ihrer früheren Wirkung erlebbar sind solche Gestaltungen daher heute meist nur noch, wenn sie aufwendig untersucht, gesichert und restaurierend ergänzt worden sind – und das ist äußerst selten. Gern abgebildet und wohl wirklich das gegenwärtig schönste Beispiel ist das „Bayertor“ in Landsberg am Lech (1422 / 25), ein hoher Torturm mit Vortoren, der mit gemalter Eckquaderung und entsprechenden Fensterrahmungen, einem Fries unter den Zinnen, ferner mit Wappen, einem Kreuzigungsrelief und zugehörigen Engeln in Maßwerknischen einerseits ein gutes Beispiel gibt, wie viele Tortürme früher ausgesehen haben mögen, während er andererseits in seinem Aufwand wohl schon über das Übliche hinausgeht (Abb. 121). Sehenswert sind auch noch die Stadtseiten zweier Tore im kleinen Vöcklabruck (Oberösterreich), auf denen (1502 / 03) Kaiser Maximilian, der Doppeladler, die Wappen der Burgundischen und Österreichischen Erblande und das Stadtwappen in verschiedener Anordnung erscheinen (Abb. 122). „Obertor“ und „Einlasstor“ in Mindelheim, erbaut wohl vor 1469, zeigen noch eine Fassung, die von der Spätgotik bis in den Barock entstand, und machen damit deutlich, dass solche Bemalung am ehesten dort „überleben“ konnte, wo die Bemalung über Jahrhunderte hinweg traditionell erneuert und dabei auch „modernisiert“ wurde. Kleinere Fresken, vielleicht als Teile ehemals größerer Konzepte, haben öfter überlebt, etwa in Nischen, die ihnen
Abb. 121 Landsberg am Lech (Oberbayern), das inschriftlich „1425“ datierte „Bayertor“ ist mit der restaurierten Bemalung seiner Feldseite das wohl eindrucksvollste Beispiel dieses Schmucks, das in Deutschland erhalten blieb.
Abb. 122 Vöcklabruck (Oberösterreich), Feldseite des „Oberen Tores“ mit der restaurierten Bemalung der Zeit um 1502, die Wappen der Besitzungen Kaiser Maximilians I. und zwei in die Stadt reitende Ritter zeigt. 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Schutz boten. Neben Wappen waren dies am ehesten religiöse Symbole, wie etwa das Kreuzigungsfresko am „Wassertor“ in Horb am Neckar (um 1500). Aufgemalte Wappen gab es als Zeichen der Stadtherrschaft zweifellos äußerst häufig, als sparsamere Variante des Wappenreliefs, auf das noch zu kommen ist. Besonders erwähnenswert ist die im Backsteingebiet, das heißt im 14. / 15. Jahrhundert anzutreffende Sonderform der Reihung schräg gestellter Wappen als ausgemalte Putzblenden, die friesartig am oberen Turmteil angeordnet wurde, unter der Traufe oder auf den Zinnen. Genannt seien das Prenzlauer „Steintor“, das „Kröpeliner Tor“ in Rostock (Abb. 124), das „Nonnentor“ in Thorn und beide Tortürme in Marienburg (Abb. 529) – durchweg Tore von erhöhter Bedeutung, meist auch in großen oder territorial bedeutenden Städten. Was die Wappen im Einzelnen vermitteln konnten, zeigt das genauer untersuchte „Rathenower Tor“ in Brandenburg / Altstadt – neben dem Wappen
Abb. 123 Patschkau (Schlesien), der Turm neben dem ehemaligen „Breslauer Tor“, wohl aus dem 15. Jahrhundert, zeigt verschiedene Horizontalgliede rungen: Sockel schräge, Wasserschlag sowie Friese und Blenden am oberen Teil aus Backstein (Chr. Herrmann).
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des Reiches sind dort Bayern, Sachsen-Anhalt, Böhmen und Brandenburg dargestellt, also quasi ein Querschnitt durch die märkische Geschichte des 13.–15. Jahrhunderts (Abb. 499). Die Unterteilung von Turmschäften in geschossartig wirkende Abschnitte – durch Rücksprünge, Gesimse und Friese – war im Sakralbau der Gotik ein übliches Mittel, wobei dieses allerdings in der Regel mit vertikal wirkenden Elementen wie hohen Fenstern oder Maßwerkblenden so Horizontalgliederung – Sockel, Simse, zusammenwirkte, dass die Friese, Vorkragung horizontalen Elemente eher als unauffällige „Grundgliederung“ zurücktraten. Bei Tortürmen etwa ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts – und weit seltener auch bei Mauertürmen (vgl. 2.2.4.9.) – treffen wir diese horizontalen Gliederungen ebenfalls an, aber in aller Regel ohne das „Gegengewicht“ vertikaler Gliederungselemente; es mag allerdings sein, dass hier das heutige Bild täuscht, weil die übrigen Elemente oft nur gemalt waren und verschwunden sind (vgl. Abb. 121). Einfache Sockel, oft schräg abschließend, waren so häufig, dass sich die Nennung von Einzelbeispielen erübrigt; im Backsteingebiet waren sie oft durch Feldsteinverwendung zusätzlich betont, wobei aber Profilierungen extrem selten blieben. Gesimse oder Gesimsstücke auf mehreren Höhen, in der Regel Wasserschläge, findet man etwa in Franken noch in vielen Beispielen, etwa an manchen Türmen in Dinkelsbühl, an den beiden erhaltenen Toren in Weißenburg und den um 1399–1424 entstandenen Tortürmen in Schwäbisch Gmünd, um nur Städte mit mehreren Beispielen zu nennen. Weiter östlich darf man nach demselben Kriterium etwa Aschersleben („Johannistor“, wohl nach 1462), in Schlesien Liegnitz („Glogauer“ und „Haynauer Tor“, um 1400, auch mit Sockeln aus Formsteinen) oder den Turm am „Breslauer Tor“ in Patschkau (Abb. 123) anführen, der neben dem Sockelprofil und Wasserschlägen auch eine vorkragende Wehrplatte und damit fast das ganze Repertoire solch einfacher Horizontalgliederungen besitzt. Die über Schräge oder Kehle vorkragende Wehrplatte war quasi das natürliche Gegenstück zum betonten Sockel, aber im Gegensatz zu diesem war sie ein nur für den Wehrbau typisches Element. Denn die Betonung des Zinnenkranzes
bzw. der Wehrplatte, des wichtigsten Trägers der Verteidigung, lag hier aus inhaltlichen Gründen nahe, während sakrale Turmbauten eher die Öffnung der Glockenstube akzentuierten und den Turmhelm darüber als eine Art Ausklang in den Himmel hinein gestalteten; Beispiele zu nennen, ist ob der großen Verbreitung wiederum fast überflüssig. Auch hier wären fränkische Türme vor allem des 15. Jahrhunderts zu nennen oder – um an Liegnitz und Patschkau anzuschließen – zwei Türme neben Toren in Jauer und Neustadt in Schlesien, aus der Zeit vor und um 1400. Die aufwendigere Variante der vorkragenden Brustwehr waren vorkragende Friese, insbesondere Bogenfriese. Das Kerngebiet war hier der Mittelrhein, die Territorien von Köln, Trier und besonders Mainz, südlich auch das später hessische Gebiet, die Pfalz und angrenzende Herrschaften. Hier war der Rundbogenfries unter der Brustwehr, in Werkstein oder (Schiefer-) Bruchstein ausgeführt, im 14. / 15. Jahrhundert praktisch der Normalfall, der Spitzbogenfries dagegen – obwohl wir uns mitten in der Gotik befinden – kam kaum vor. Im Zusammenhang des allgemeinen Schmuckreichtums der Spätgotik findet man ab etwa 1370 gelegentlich aufwendigere Maßwerkfriese, meist aus (Mayener) Basalt und daher eher nördlich der Moselmündung; erhaltene Beispiele findet man etwa in Andernach, Ahrweiler, Münstereifel, Zülpich, Linz, Neuss oder Zons. Die Streuung der einfachen Rundbogenfriese reichte dabei weit in die anschließenden Regionen hinein, im Norden nach Westfalen (Coesfeld, Dülmen mit Spitzbogenfries; Soest, „Osthofentor“, 1523–26, mit Maßwerkfries), im Süden an den Oberrhein und weit ins Fränkische (etwa Adelsheim, durchweg erst 15. Jahrhundert, Miltenberg, Neubrunn, Hirschhorn, Öhringen, Niederstetten). Darf man insoweit sicherlich von einer recht geschlossenen Einflusszone sprechen, deren Anfänge aber offenbleiben, so wissen wir nicht, ob Vorkommen im süddeutschen Raum und an der Ostseeküste auch als mittelrheinischer „Einfluss“ zu verstehen sind. In Süddeutschland sind ein Mauerturm mit Spitzbogenfriesen in Landsberg am Lech (nach 1315?), das Baseler „Spalentor“ (vor 1398; Abb. 128), Tortürme der äußeren Mauer von Schwäbisch Gmünd (1399–1424) und etliche Vortore des 15. Jahrhunderts in Bayerisch Schwaben zu
Abb. 124 Rostock, das „Kröpeliner Tor“ – der obere Teil entstand um 1400 – zeigt auf zwei Höhen Friese aus Terrakottaplatten bzw. einfachem Blendmaßwerk (vgl. Abb. 504).
nennen. In Rostock finden wir dabei zeitlich weit auseinanderliegende Beispiele: am „Petritor“ der Zeit um 1260 einen Rundbogenfries, an der Aufstockung des „Kröpeliner Tores“ um 1400 einen glasierten Maßwerkfries (Abb. 124). Die Tatsache, dass zwei weit vom Rheinland entfernte, eher vereinzelte Bauten – in Rostock um 1260, in Landsberg am Lech nach 1315 – die ältesten Bogenfriese an Stadtmauern besitzen, die wir enger datieren können, mahnt zur Vorsicht gegenüber der Idee, das Motiv müsse im Rheinland entstanden sein. Immerhin waren Rundbogenfriese schon im romanischen Sakralbau in ganz Europa verbreitet und zudem ist sicherlich der weitaus größte Teil der Friese mit den Turmabschlüssen zerstört worden, sodass wir die wirkliche Verbreitung gar nicht mehr kennen. Blendsysteme zur Gestaltung der Wandfläche waren fast ausschließlich für das Backsteingebiet typisch, oder genauer gesagt: für die verschiedenen Backsteinge- Blendgliederung biete, denn sie treten weit auffäl2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
177
liger auch einmal in den kleinen Backsteingebieten auf, die es außerhalb des deutschen Nordens und Ostens gab, beispielsweise im bayerisch-schwäbischen Raum (Memmingen, Mindel heim, Weißenhorn, durchweg zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts). Dagegen bleibt das Prinzip in den Natursteingebieten die ganz große Ausnahme (Eltville, „Martinstor“, um 1400). Dieses offensichtlich zwingende Band zwischen Material und Wandgliederung ist leicht erklärlich; die in den Maßen normierten Backsteine ließen die Blenden einfach durch Maurerarbeit aus dem ohnehin verwendeten Material entstehen, im Natursteingebiet fehlte entsprechendes Material und Blenden wurden gewöhnlich nur in hoch qualifizierter, also kostspieliger Steinmetzarbeit hergestellt. Die Entwicklung der Blendsysteme im Hauptgebiet des Backsteins – Brandenburg, Mecklenburg, Pommern, dem Deutschordensland, mit Randbereichen in Sachsen und Schlesien – ist ein Thema für sich. Beispiele aus der Zeit vor 1300 fehlen leider; wenn die verschwundenen Rechtecktürme der Lübecker Mauer so alt waren – und dafür spricht manches –, so hätten sie gut gezeigt, wie am Anfang Biforiengruppen standen, die man noch gut vom Werksteinbau des deutschen Westens und Südens herleiten konnte. Für die Stadttore zwischen der Ostsee und Brandenburg hat Heinrich Trost die Entwicklung ab dem 14. Jahrhundert analysiert. Demnach hat man in Brandenburg, Mecklenburg und Pommern anfangs mit Gliederungssystemen zu rechnen, die sich streng an die Geschosse hielten; erst ab der Mitte des 14. Jahrhunderts traten auch vertikale Blenden auf, die sich über mehrere Geschosse zogen, auch bis in die Giebel hinein, wo sie ohne betonten Abschluss endeten. Diese Betonung des Vertikalen sei dann im mittleren 15. Jahrhundert wieder einer Tendenz zur geschossweisen Gliederung gewichen, bis Ende des Jahrhunderts die „oben offenen“ Gliederungssysteme wieder zurückkehrten. Diese hier verkürzt zitierte Entwicklungsvorstellung stellt sich bei Betrachtung aus der Nähe allerdings komplexer dar, weil es noch weit mehr Gliederungsmöglichkeiten gab. Das Auftreten von ungegliederten Geschossen, die unterschiedliche Gestaltung von Stadt- und Feldseite, die Zusammenfassung von zwei Geschossen zu einem Gliederungselement, Strebe178 I. Systematischer Teil
pfeiler und vorkragende Wehrgänge, schließlich Verfeinerungen wie Blendmaßwerk – all dies waren Variationen, deren ästhetische Möglichkeiten man ebenfalls hoch einschätzen muss und die in der fast unendlichen Fülle der Kombinationsmöglichkeiten auch zu einer anderen Entwicklungsvorstellung führen können. Insbesondere kann man kaum ausschließen, dass die wesentlichen Gestaltungsmöglichkeiten bis Mitte des 14. Jahrhunderts entwickelt waren und dann mehr oder minder frei immer neu kombiniert wurden. Unterstützt wird diese weniger stringente Vorstellung durch die Tatsache, dass schließlich nur ein eher geringer Teil der Tore unabhängig datiert ist, was auch zu erheblichen Abwandlungen der von Trost postulierten zeitlichen Abfolge führen kann. Im Sinne einer solch vorsichtigeren Deutung wären dann Tore mit besonders aufwendigem Schmuck – etwa das „Kröpeliner Tor“ in Rostock (Aufstockung um 1400; Abb. 124), das „Treptower Tor“ (um 1400; Abb. 133) in Neubrandenburg oder das Lübecker „Burgtor“ (Aufstockung ab 1444; Abb. 61) – nicht so sehr Marksteine einer bestimmten Formentwicklung, sondern vielmehr Ausdruck von Reichtum und Bedeutung dieser Städte, in der Regel an Straßen zu ebenfalls besonders wichtigen Nachbarstädten. Dass etwa im Falle von Lübeck das „Burgtor“ von demselben Baumeister neu gestaltet wurde, der auch am Rathaus arbeitete, dass in Neubrandenburg direkte Formbezüge zwischen den Giebeln der Tore und jenem der Pfarrkirche festzustellen sind, bestätigt die These zusätzlich – Ziel war die Erhebung der besonders wichtigen Tore auf den Entwicklungsstand der allgemeinen Repräsentationsarchitektur der Zeit, während die typenbezogene Entwicklung der Tore als solche wohl weniger wichtig war. In den anderen deutschen Regionen, in denen Backstein in größerem Umfang an Stadtmauern erschien, spielten die Blendsysteme offensichtlich eine geringere Rolle, und es sind auch relativ wenige Tortürme erhalten. In Sachsen und Schlesien, in Bayern und Schwaben deuten die wenigen erhaltenen Beispiele darauf hin, dass hier das Überspinnen des gesamten Turmschaftes mit Blendsystemen weniger üblich war, sondern eher eine Beschränkung nur auf Ziergiebel oder einzelne Geschosse. Die überwiegend oder voll-
Abb. 125 Ortenberg in der Wetterau (Hessen), „Oberpforte“. Dass die Führungen des Fallgatters mit regelrechten Säulen bzw. Knospenkapitellen geschmückt wurde, ist eine ausgesprochene Ausnahme.
ständig glatten Turmschäfte, die etwa in Schwaben wahrscheinlich von Anfang an verputzt waren, wurden durch die sparsamer eingesetzten Blendsysteme nur kontrastiert, was eine strengere Architektur ergab, die letztlich den Zweck der Befestigung vielleicht angemessener als die Verspieltheit vieler nordostdeutscher Bauten widerspiegelte. Nachdem Blendsysteme zur Gliederung des Turmschaftes vor allem regional eine Rolle spielten und die Gliederung durch Gesimse letztlich genau so viel freie Wandfläche wirken ließ wie ein völlig ungegliederter Turmschaft, der zu allen Zeiten die üblichste LöSkulpturen und Reliefs sung blieb, waren einzelne Schmuckelemente, an besonders auffälliger Stelle angebracht, die im Endergebnis wohl häufigste Art, einen im Charakter eher nüchternen Bautypus wie den Torturm etwas repräsentativer
Abb. 126 Soest (Westfalen), die Architektur des „Osthofentores“ (1523–26) betont vor allem mit seinen stark durchbrochenen Erkern den spätgotischen Schmuckreichtum, der hier in völligem Gegensatz zur Wehrfunktion steht.
zu gestalten. Schon die Fenster waren dafür ein gutes Beispiel (vgl. 2.2.5.7.). Säulen fehlen an deutschen Stadttoren fast völlig – die Fenster waren dafür in der Regel zu schlicht, die Rundstäbe mit Knospenkapitellen am Fallgatter der „Oberpforte“ in Ortenberg (Hessen) sind ein Einzelfall (Abb. 125). Und die Möglichkeit, andere, kleinere Bauteile stärker auszugestalten, wurde kaum je genutzt. Dass beispielsweise Erker, die sich hierfür geeignet hätten, zu Zierelementen umgedeutet wurden, ist kaum je festzustellen, zumal Erker neben der verbreiteten Abortfunktion auch als Wurferker selten waren. Reich durchbrochene Maßwerkerker wie an den Ecken des Soester „Osthofentors“ (1523–26; Abb. 126) waren eine, für die Spätgotik typische Ausnahme; ob der mit Blendmaßwerk gezierte Balkon des Jenaer „Johannistores“ (2. Hälfte des 14. Jahrhunderts) original ist, wäre zu prüfen. 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 127 Trier, erhaltene Teile des Tympanons vom „Neutor“, wohl von 1146, zeigen Christus mit Petrus und dem ersten Bischof, dem heiligen Eucharius, der das Stadt modell trägt. (Abguss im Städtischen Museum Simeonsstift, Original im Rathaus).
Reliefs oder kleinere Skulpturen an der Feldseite von Tortürmen waren die häufigste Art, einen Torturm oder auch eine andere Form von Tor mit einem ornamentalen Akzent zu versehen. Wie fast alle anderen hier dargestellten Arten von „Schmuck“, mit Ausnahme der Blendsysteme des nordostdeutschen Backsteingebietes, gehorchten sie dem Prinzip, primär den Baukörper und die Wandfläche wirken zu lassen und sich diesem Mittel durch geringe Dimensionen und Seltenheit unterzuordnen. Sie waren ferner streng ortsgebunden, denn die meisten dieser Reliefs sind Wappen der Stadtherrschaft – der Stadt selbst, eines adligen Stadtherrn oder der Adler des Reiches –, das heißt, sie sind gar kein Schmuck im engeren Sinne, sondern handwerklich sauber oder gar schmuckvoll ausgestaltete Informationsträger, die den Ankömmling oder auch Angreifer informierten, wessen Machtbereich er betrat. Die andere Hauptgruppe von Skulpturen oder Reliefs an Stadttoren waren religiöse Symbole wie Kruzifixe oder Heiligendarstellungen, deren „Funktionalität“ in einem weiteren Sinne verständlich ist. Auch hier ging es also um einen „Machtbereich“, aber nicht im weltlichen Sinne, obwohl auch dies der Fall sein konnte, wenn die Stadt etwa zu einer geistlichen Herrschaft gehörte oder etwa eine Stadt sich und ihre Herrschaft durch die Darstellung ihres Patrons symbolisierte. Reliefs und Skulpturen sind heute an den Toren häufiger als Bemalungen zu finden, die ja im 180 I. Systematischer Teil
Prinzip dasselbe darstellen bzw. dieselbe Funktion erfüllen konnten. Man muss jedoch davon ausgehen, dass sich hier die früheren Verhältnisse aus Gründen der Erhaltung in ihr Gegenteil verkehrt haben; fraglos war die Bemalung der weitaus häufigere Fall, ist aber im Laufe der Jahrhunderte fast völlig verschwunden, während die widerstandsfähigere Variante aus Stein überlebt hat. Zweifellos waren die Reliefs und Skulpturen die besonders anspruchsvollen Höhepunkte dieser Art Darstellung. Obwohl spätromanische Stadtmauern bzw. Tore selten sind, weil die Blütezeit der Mauern damals erst langsam einsetzte, sind durchaus noch Skulpturen bzw. figürliche Reliefs dieser Entstehungszeit erhalten oder zumindest nachweisbar. Das, soweit ich sehe, älteste ist ein als Spolie erhaltenes großes Tympanon des Trierer „Neutores“, das mit der Mauer um 1140–43 entstand und zweifellos über der Hauptdurchfahrt saß; es zeigt Christus zwischen Petrus und Eucharius (Abb. 127). Man erinnert sich hier an die Tatsache, dass auch in anderen Bischofsstädten, etwa Köln oder Hildesheim, aber auch bei frühen Mauern anderer Städte (Soest, Goslar), die kaum je erhaltenen Torbauten Kapellen enthielten und damit sakral betont waren; dies waren im Bewusstsein der Zeit wohl noch keine „bürgerlichen“ Städte, sondern eher so etwas wie erweiterte Domburgen, die der Bischof entsprechend akzentuierte. Aber schon knapp nach 1200 gab es auch Monumente des Bürgerstolzes – der
verschwundene mittlere Turm der „Steinernen Brücke“ in Regensburg trug unter anderem eine erhaltene romanische Sitzfigur Philipps von Schwaben, der die Stadt 1207 privilegierte. In etlichen weiteren Fällen sind die romanischen Skulpturen zwar erhalten, aber nicht mehr identifizierbar. Das gilt etwa für das Andernacher „Rheintor“ des frühen 13. Jahrhunderts mit zwei vollplastischen, wohl erst sekundär hier angebrachten Männerfiguren oder für das Baseler „Kunostor“ mit dem Relief eines stehenden Mannes auf einem Löwen, den man als „Restbestand“ des romanischen Münsterbaues anspricht; in Sarralbe (Lothringen) trägt der Torturm unidentifizierbare Skulpturen auf den Eckquadern. Spätromanische Löwen wiederum, liegend auf Konsolen, findet man an der aufwendigen Durchfahrt des Mainzer „Eisentores“ (Abb. 97) und – wohl nicht lange vor 1268 – am Esslinger „Wolfstor“ (Abb. 337); am ergrabenen Ulmer „Löwentor“ aus noch staufischer Entstehungszeit sollen sie erst im 14. / 15. Jahrhundert entstanden sein. Die relative Häufigkeit der Löwen, in ganz verschiedenen Regionen und unter ganz verschiedener Herrschaft, lässt in ihnen ein Symbol von allgemeiner Art vermuten, wahrscheinlich stellten sie die Wachsamkeit dar, die zu einem Stadttor gut passt. Nach der staufischen Epoche und letztlich bis ins 16. Jahrhundert hinein spiegeln die erhaltenen Beispiele von Skulpturen an Toren offenbar einen Tendenzwandel zum Religiösen, wobei die Auswahl des Erhaltenen fraglos zufällig ist; nur besonders eindrucksvolle und gut untersuchte Beispiele seien hier genannt. Noch vor 1300 entstand die qualitätsvolle Reiterstatue des heiligen Martin an dem nach ihm genannten Tor in Ladenburg am Neckar (Abb. 110). Zwei Ritterfiguren am Hainburger „Wienertor“ sind in ihrer Bedeutung ungeklärt – Symbole der Stärke und Abwehr oder heilige Könige? Beispiele des 14. Jahrhunderts von eindeutig religiöser Bedeutung bilden etwa das Kruzifixrelief am Regensburger „Ostentor“ (um 1300), die Madonnennischen an etlichen Toren des nördlichen Rheinlandes (Aachen, Nideggen, Zons) oder die Statue des namengebenden Heiligen am auch sonst schmuckarmen Jenaer „Johannistor“. Ein echter Höhepunkt dieser Epoche war jedoch das Basler „Spalentor“ (1398); über der Durchfahrt
steht über dem Stadtwappen eine Madonna mit dem Kind, von beachtlicher Qualität, flankiert von zwei Propheten, jeweils auf figürlichen Konsolen und unter reichen Baldachinen; sie wurden wohl um 1420 dem Tor hinzugefügt (Abb. 128). Dass auch eher bescheidene Tortürme an der Wende zum 15. Jahrhundert relativ reichen skulpturalen Schmuck erhalten konnten, zeigt etwa der Helmstedter „Hausmannsturm“, der stadtseitig eine Marienkrönung in maßwerkbekrönter Nische zeigt, mit Fialen und Rose; noch bescheidener wirkt das Südtor des Marktes Neubrunn (Unterfranken, 1439–59; Abb. 384), an dessen Wehrplatte zwei Hunde(?) den Angreifer bedrohen. Abb. 128 Basel, das „Spalentor“ entstand nach dem Erdbeben 1356, wohl erst im späten 14. Jahrhundert. Die repräsentative und schmuckreiche Gestaltung seiner Feldseite mit dem jüngeren Vortor betont die Bedeutung des Tores, das sich auf die wichtige Straße aus Burgund und dem Elsass bezog.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Das spätgotische 15. Jahrhundert und das frühe 16. Jahrhundert setzten solchen Schmuck konsequent fort, genannt seien die Kaiserdarstellungen am „Breiten Tor“ und an mehreren Rondellen in Goslar (um 1443 bis um 1500), eine hölzerne Madonna am „Unteren Tor“ in Mindelheim, ehemals gerahmt von den Tafelbildern zweier Heiliger, und die Maria Magdalena an der Barbakane des Naumburger „Marientors“ (1456 / 58), die erst nachträglich durch Anfügung eines hölzernen Jesusknaben zur Gottesmutter wurde. In Glogau (Schlesien) sind vom längst verschwundenen „Odertor“ drei Statuen von 1505 erhalten: die Madonna mit dem Kind, die heilige Katharina und der heilige Nikolaus, ehemals auf Konsolen mit „wilden Männern“ und unter Baldachinen, was eine Gruppe ähnlich der älteren in Basel erschließen lässt. Ähnliches lassen auch die leeren Nischen am Soester Osthofentor (1523–26; Abb. 126) vermuten, einem der reichsten spätgotischen Tortürme Deutschlands. Abb. 129 Lauchheim (Baden-Württemberg), das „Untertor“ von 1621 zeigt eine reiche Wappentafel, die damalige Würdenträger des Deutschen Ordens repräsentiert.
182 I. Systematischer Teil
Wappen waren, wie schon beim Thema Bemalung angesprochen wurde, eine dermaßen häufige Darstellung an allen Arten von Toren, dass sich Einzelbeispiele fast erübrigen. Das gilt primär für aufgemalte Wappen, bei denen die Tradition im Grunde bis heute nicht abgerissen ist, aber selbst die weit aufwendigere Form des Wappenreliefs, das man sich in der Regel auch farbig gefasst denken muss, war ausgesprochen häufig. Soweit man es anhand datierter Beispiele prüfen kann – bei gemalten Wappen verhindert das die vielfache Restaurierung –, gehen solche Wappen kaum vor das 14. Jahrhundert zurück. Das älteste Beispiel, das ich feststellen konnte, ist wohl das um 1300 entstandene(?) Wappen am Esslinger „Pliensautor“, das von einem Wasserschlag und symbolisch vom Relief eines Engels geschützt wird. Aussagekräftig für eine Entwicklung, bei der die Wappen erst langsam in Mode kamen, scheinen auch die vollständig erhaltenen Tortürme des äußeren Ringes von Rothenburg; das um 1330 / 40 entstandene „Sieberstor“(Abb. 374) verzichtet noch auf Wappen, die bis gegen Ende des Jahrhunderts folgenden Tore, die auch höher und schlanker sind, zeigen die schlichten Wappen von Reich und Stadt als Paar. Erwähnenswert ist die mehrteilige, im 15. / frühen 16. Jahrhundert entstandene Wappengruppe am Vortor des „Ellinger Tores“ in Weißenburg (Mittelfranken; Abb. 162); über der Durchfahrt prangt der Reichsadler, von Christus behütet und von reicher Maßwerknische umrahmt, beidseitig an den Erkertürmen von zwei Varianten des Stadtwappens flankiert. Reichere Wappengruppierungen dieser Art gipfelten lange nach dem Mittelalter in extrem reichen Gestaltungen, wie man sie am Lauchheimer „Untertor“ (1621) oder in Ellingen (um 1625–63) findet, beide vom Deutschen Orden errichtet; in Lauchheim (Abb. 129) führte die Darstellung der Wappen zahlreicher aktueller Würdenträger des Ordens zu einer großflächigen, klein unterteilten Tafel, die man eher gemalt in einem Innenraum erwarten würde. Wenn man aus dem heute noch vorhandenen Bestand an Skulpturen, Reliefs und Wappen an den Tortürmen – und den seltenen anderen Türmen, die mit Derartigem versehen sind oder waren – überhaupt Schlüsse ziehen will, so wird man am ehesten festhalten, dass sakrale Inhalte seit der Romanik auftraten, aber ihre weitaus
größere, in Einzelfällen auch künstlerisch bedeutende Verbreitung in der Gotik, vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, erlebten. Darstellungen, die man am ehesten als allgemeine Beschwörungen von Kraft und Abwehr deuten möchte – etwa Löwen oder „Trutzköpfe“ –, scheinen nach der Romanik seltener geworden zu sein und wurden mehr oder minder konsequent durch konkrete Herrschaftssymbole ersetzt, nämlich durch die Wappen, die im 14. Jahrhundert zunehmende Verbreitung fanden und dann bis ins Nachmittelalter quasi zum Pflichtprogramm gehörten – in verschiedenen Formen, die vom einfachen, gemalten oder als Relief gearbeiteten Wappen bis zu reichen Gruppierungen, auch in Verbindung mit Skulpturen, reichten. 2.2.5.9 Die Dachform Die Dachzone war in der Gotik und Spätgotik ganz allgemein ein wesentliches Gestaltungsmittel, wobei in unserem Zusammenhang weniger an die reichen Steinhelme und Fialen der Kirchen als vielmehr an die Giebel und Dacherker der Bürgerhäuser, Rathäuser, Wohnbauten in Burgen und auch einzelner Mauertürme an Stadtbefestigungen (vgl. 2.2.4.9.–2.2.4.10) zu denken ist. Angesichts der besonderen städtebaulichen und symbolischen Bedeutung der Stadttore überrascht es daher nicht, dass auch bei ihnen eine reichere Gestaltung der Dachzone zu den wichtigen Gestaltungsmitteln gehört hat, in aller Regel über die übrigen Mauertürme hinausgehend. Vom Grundsatz her ist es dabei möglich, solche Formen zu unterscheiden, die vom Wehrbau inspiriert sind, und solche, die von „zivilen“ Wohn- und Repräsentationsbauten entlehnt sind. Zur ersten Gruppe wird man Erkertürmchen an der Wehrplatte oder im Dach selbst und besonders geschmückte Zinnen zählen, zur zweiten insbesondere das Auftreten von mehr oder minder schmuckreich gestalteten Giebeln. Erkertürmchen an der Wehrplatte – aus Stein mit hölzernen Spitzdächern – oder als Teil des Dachstuhls selbst – als Holzkonstruktion, ausgefacht oder mit Dachdeckungsmaterial verkleidet – waren sehr häufig, wie insbesondere alte Darstellungen des 16. / 17. Jahrhunderts zeigen. Wenn man zudem bedenkt, dass inzwischen von den anfälligen Holzkonstruktionen fraglos der größte Teil verschwunden ist, dass aber auch die
Abb. 130 Mainz, der „Holzturm“ (vor 1366) zeigt steinerne Eckwarten bzw. Erker am Dachansatz, die im 14. / 15. Jahrhundert für den Mittelrhein und den nördlichen Oberrhein charakteristisch waren.
dünnen Brustwehren samt Erkertürmchen recht anfällig waren, dann ist die nicht geringe Anzahl erhaltener Beispiele, auch an vereinzelten Mauertürmen, ein Indiz für die große Verbreitung; hier werden nur besonders gut erhaltene Beispiele angeführt. Relativ sicher datierte und frühe Beispiele in Stein findet man etwa in Meisenheim (nach 1315) Erkertürmchen und Zierzinnen und Neu-Bamberg (nach 1320) in der Nordpfalz oder am weit größeren, wohl 1366 zuerst erwähnten Mainzer „Holzturm“ (Abb. 130), auch die Runderker auf den feldseitigen Ecken der Mauertürme in Nürnberg sind etwa gleich alt (Abb. 375). Das Rheinland des späteren 14. Jahrhunderts war ohnehin eines der Hauptverbreitungsgebiete solcher Eckerker, oft kombiniert mit Rundbogen- oder Maßwerkfriesen (Zülpich, „Münstertor“, 1376– 93; Xanten, „Klever Tor“, 1389–93 [Abb. 425]; 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Kempen, „Kuhtor“; Mayen, Bacharach und Kaub bei Merian); als östliche Ausläufer seien die Vorstadttore in Miltenberg (um 1403 / 05; Abb. 411) und der Turm am „Sacktor“ in Warburg (Westfalen; 1443) genannt. Der „Eschenheimer Turm“ in Frankfurt am Main (1426–28, oberer Teil von Madern Gerthener; Abb. 131) ist auch in der Verwendung der Erkertürme ein herausragendes Beispiel architektonischer Gestaltung – sie erscheinen gleich zweimal, nämlich polygonal, feldseitig am Übergang vom (älteren) Rechteckteil zum runden Oberbau, und rund als Akzentuierung der ebenfalls runden, gezinnten Wehrplatte. Weiter östlich findet man Beispiele in Franken (Nürnberg, Rothenburg, Herzogenaurach und andere), in Schwaben (Biberach, „Ulmer Tor“) oder besonders spät in Eschwege, wo der Turm am „Dünzebacher Tor“ (1531) auf der Traufe sitzende Fachwerktürmchen besitzt. Auch im Gebiet der Ostkolonisation und des Backsteins
Abb. 131 Frankfurt am Main, der „Eschenheimer Torturm“, im Wesentlichen 1400–28 von Madern Gertener erbaut, ist einer der gestalterisch besten Tortürme, die in Deutschland erhalten sind.
184 I. Systematischer Teil
tritt das Motiv auf, wohl nicht zufällig ebenfalls recht spät; so etwa in Pommern (Stargard, „Pyritzer Tor“, 1439; Barth, „Dammtor“, um 1475; Abb. 522) oder in Schlesien (Patschkau, Turm neben dem „Breslauer Tor“, 15. Jahrhundert). Zinnen, die durch Blenden oder umlaufende Bänder bzw. Simse besonders geschmückt waren, waren an Tortürmen in denselben Regionen üblich, wie es schon für die Mauertürme behandelt worden ist (vgl. 2.2.4.9.), und müssen daher hier nicht nochmals belegt werden. Sie treten ebenfalls ab dem späteren 14. Jahrhundert und im 15. Jahrhundert auf, und zwar in vereinzelten Beispielen in fast allen deutschen Regionen; im Rheinland waren sie besonders häufig, in den Backsteinregionen der Normalfall. Der insbesondere mit Fialen und Blendmaßwerk verzierte Giebel ist ebenfalls ein formales Element, das vor allem im 14. / 15. Jahrhundert im Backsteingebiet auftritt; sein repräsentativer Charakter zeigt sich auch darin, dass der Giebel in der Regel beid- Ziergiebel im Backsteingebiet seitig eingesetzt wurde, also auch gegen das Innere der Stadt. Die Bindung an das Material bzw. die Möglichkeit, sehr einfach Formsteine herstellen zu können, verdeutlicht sich besonders dort, wo das Motiv weit außerhalb des bekannteren norddeutschen Backsteingebietes auftritt; als Beispiel seien Ingolstadt (1361–1434) genannt und die davon abhängigen Tore des 15. Jahrhunderts in Vohburg und Erding, die im ebenfalls steinarmen niederbayerischen Grundmoränengebiet liegen. Im Gebiet von Mecklenburg, Pommern, Brandenburg und dem Ordensland bestand die Variationsbreite der Giebelform vor allem darin, wie die Gliederung des Giebels mit jener des Turmschaftes verbunden wurde. Die einfachste, aber vielleicht auch wirkungsvollste Form findet sich im Ordensland, wo der Ziergiebel stets auf einem glatten Schaft saß (Abb. 132). Dagegen war in Brandenburg und in bescheidenerem Maße in Mecklenburg und Pommern die Verzierung auch des Schaftes mit Blendsystemen üblich und dies ergab formale Variationsmöglichkeiten, vor allem jene, die Fialen weit über den Turmschaft herunterzuziehen und so eine betonte Vertikalgliederung zu schaffen. Der nochmals zunehmende Gestaltungsreichtum der Spätzeit in Brandenburg und Pommern – mit Tortürmen, die vor allem runde oder polygonale
Abb. 132 Preußisch Holland (links) und Allenstein, zwei typische Tortürme im Land des Deutschen Ordens. Über den glatten Turmwänden folgt ein stärker gegliederter Giebel (Chr. Herrmann).
Aufsätze besaßen – führte um und nach 1400 sogar dazu, dass Giebel auf quadratischen Tortürmen nun die bescheidenste Form waren, die nur noch bei kleineren Städten auftrat. Als seltene Art, wie auch ein Ziergiebel auf einem quadratischen Turm in seiner Wirkung gesteigert werden kann, ist auf das „Kröpeliner Tor“ in Rostock hinzuweisen, das um 1400 auf sieben Geschosse erhöht und an allen vier(!) Seiten mit Giebeln vor gekreuzten Satteldächern versehen wurde (Abb. 124). Die gleiche Form wies auch das dortige „Kreuztor“ auf. Der enge Zusammenhang der Ziergiebel mit der übrigen Architektur im Backsteingebiet liegt vom Gesamteindruck her auf der Hand, wird aber durch Einzelfälle besonders veranschaulicht. So leitet man den Giebel des Parchimer „Kreuztores“ (um 1300; Abb. 502) aus gutem Grund vom berühmten Westgiebel der Zisterzienserkirche in Chorin her, einem der herausragenden Beispiele früher Gotik in Brandenburg (ab 1266). Dass die direkte Übernahme der For-
men von Kirchen auch noch weit später vorkam, zeigt ferner das „Treptower Tor“ in Neubrandenburg (um 1400), das Anklänge sowohl an die örtliche Marienkirche als auch an jene in Stralsund aufweist (Abb. 133). Detaillierte Vergleiche mit den Giebeln von Bürgerhäusern, von denen ja durchaus der „bürgerliche“ Charakter der Stadtmauerformen abgeleitet sein könnte, sind dagegen bis heute nicht angestellt worden. Der Treppengiebel ist im Mittelalter die wohl schlichteste Art eines Ziergiebels, die auch in Bruchstein und Putz herstellbar ist, ohne Formsteine und sonstigen Aufwand. Obwohl Treppengiebel im 14. / 15. Jahrhundert im städtischen und adligen Profan- Treppengiebel, Steindächer bau weitverbreitet waren, sind sie bei Tortürmen desselben Zeitraumes nicht allzu häufig und traten vor allem im (ober)schwäbisch-alemannischen und in Teilen des fränkischen Raumes auf. Dabei sind hier die Fälle mit Werksteinzier in Form von Fialen Ausnahmen (Memmingen, „Kemptertor“; Tore der 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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„Ulmer Vorstadt“). Zudem zieht sich die Form ins 16. / 17. Jahrhundert hinüber und erweist an den nicht mehr wehrhaften Türmen jener Spätphase endgültig ihre rein repräsentative Funktion (vgl. 2.2.5.10.). Als ungewöhnliche Überhöhung dieser Form, analog zum schon erwähnten „Kröpeliner Tor“ in Rostock, ist die vierseitige Verwendung von Treppengiebeln anzusprechen, die man auch bei den besonders späten Toren in Weißenhorn (um 1470 / 80) findet. Eine letzte Sonderform des Daches auf Tortürmen ist das gemauerte Kegeldach, das allerdings nicht auf Tortürme beschränkt und vor allem auch keine Schmuckform war, sondern einfach eine andere Konstruktionsart des Daches. Statt eines hölzernen Dachwerkes wurde in diesen Fällen ein spitzes Dach über rundem oder polygonalem Grundriss aufgemauert, das allein durch die Wölbwirkung dieser Form hielt. Der handwerkliche Anspruch war dabei eher höher als bei einem hölzernen Dachwerk, der die DeAbb. 133 Neubrandenburg, die reich gegliederte Feldseite des „Treptower Torturmes“ (um 1400) übertrifft die älteren Tortürme der Stadt deutlich.
ckung ersetzende Putz musste laufend instand gehalten werden. Trotz dieser Nachteile besaß diese technische Form, die auch an anderen Türmen, an Burgen und Kirchen auftrat, ein recht großes Verbreitungsgebiet, das allerdings – eben wegen der Anfälligkeit dieser Dächer – nur noch durch einzelne Beispiele markiert wird. Es zieht sich von Hessen (etwa „Eschenheimer Turm“ in Frankfurt) über Thüringen (Jena, „Johannistor“; Naumburg „Marientor“; Langensalza, „Storchennest“; Mühlhausen) bis nach Schlesien hinüber (etwa Patschkau, „Breslauer Tor“). Auch in Brandenburg waren Steindächer sicher recht verbreitet, weil Backstein mit seinen exakten, gleichförmigen Formen hierfür besonders geeignet war (Abb. 87). Schließlich findet man in (Ober- und Nieder-)Österreich noch etliche Beispiele, wenn auch nicht an Stadtbefestigungen. Man muss vermuten, dass das wirkliche Verbreitungsgebiet viel größer war – dass etwa Sachsen dazugehörte, liegt nahe, nur ist dort allgemein wenig erhalten –, dass wir dies aber nicht mehr erkennen können, weil die große Mehrzahl der Dächer irgendwann verfiel und durch pflegeleichtere Holzkonstruktionen ersetzt wurde. Die erhaltenen Beispiele gehen nicht vor das 14. Jahrhundert zurück. 2.2.5.10. Tortürme des 16. / 17. Jahrhunderts Die defensive Funktion von Tortürmen fand ihr Ende, wie die der Türme überhaupt, durch die zunehmende Verbreitung der Feuerwaffen. Die überhöhende Wirkungsmöglichkeit verlor ihre Bedeutung angesichts von Geschützen, die noch aus Hunderten von Metern Entfernung Mauerwerk zerstören konnten; dadurch wurde der Turm selbst zur Gefahr für die Verteidiger und ihre Stadt, wenn er durch Beschuss zum Einsturz gebracht wurde. Nur niedrigere und in ihrer (Stein- oder Erd-)Konstruktion besonders widerstandsfähige Bauten konnten nun noch sinnvoll sein und in diesem Sinne stellt sich die gesamte Entwicklung der Stadtbefestigungen ab dem 15. Jahrhundert immer deutlicher dar, in dem die entscheidenden Entwicklungsschritte der Artillerie stattfanden (vgl. 2.2.11.). Angesichts so klarer Tatsachen sollte man eigentlich annehmen, dass nach dem 15. Jahrhundert keine Tortürme mehr erbaut bzw. die vorhandenen entweder geschütztauglich umge-
186 I. Systematischer Teil
staltet oder aber vernachlässigt wurden. In der Regel trifft das auch zu, aber dennoch gibt es noch in der Renaissance und gar bis in den Barock etliche Bauten und Umbauten, die deutlich machen, dass die repräsentative und symbolische Wirkung einzelner Tortürme das Ende ihrer defensiven Funktion noch für lange Zeit überlebte, ja dass diese Wirkung sogar noch höher als zuvor bewertet wurde. Dass eine Stadt mehrere Tor- und andere Türme in Renaissanceformen umgestaltete oder gar neu erbaute, war eine seltene Ausnahme. Neben Nördlingen, das mit dem „Deininger Tor“ (1517 / 19) und dem „Löpsinger Tor“ (1592; Abb. 357) eine eher ästhetisch gemeinte Torform, mit dem „Berger Tor“ (1574 / 75; Abb. 134) ein artillerietaugliches Modell erprobte, ist hier vor allem Augsburg hervorzuheben, wo Elias Holl mit dem „Wertachbrucker Tor“ (1605), dem „Roten Tor“ (1622; Abb. 350) und den Wassertürmen am „Roten Tor“ und in der „Jacobervorstadt“ die schönsten Bauten dieser Spätphase in Deutschland schuf, in kräftiger, „wehrhafter“ Formensprache der späten Renaissance (Abb. 135). Holls Bauten waren keineswegs die frühesten ihrer Art im süddeutsch-schwäbischen Raum – neben Nördlingen gingen ihnen zum Beispiel noch das „Obere Tor“ in Günzburg (Umbau 1582?) und das „Königstor“ in Oettingen (1594) voran –, aber sie hatten eine beachtliche Nachwirkung. Zu nennen sind, entstanden zwischen 1614 und 1697, Torund andere Türme in Wangen, Ulm, Ehingen, Günzburg, Lauingen, Memmingen, Aichach und Landsberg am Lech; erwähnenswert ist, dass der „Blockhausturm“ in Burgau (1614) und der Vilshofener „Stadtturm“ (1643–47) von italienischen Architekten nach hollschem Vorbild erbaut wurden. Grundsätzlich gab es bei so späten Torneubauten zwei verschiedene Fälle. Einerseits konnten normale Tore neu erbaut werden, das heißt solche, die weiterhin einen Stadteingang bildeten und Verteidigungsfunktion besaßen; fast immer handelt es sich dabei nur um einen einzelnen Turm, in der Regel am wichtigsten Tor. Bei solchen Tortürmen kann man manchmal durchaus feststellen, dass besonders moderne Formen verwendet wurden, aber ähnlich häufig findet man auch Türme, die geradezu entschieden versuchen, „zeitlos“ zu wirken bzw. so auszusehen, als
Abb. 134 Nördlingen (Bayerisch Schwaben), das „Berger Tor“ erhielt seine heutige Form mit zwei Kanonenplattformen 1574 / 75, wobei der Torturm von 1435 / 36 erheblich verkürzt wurde. Abb. 135 Augsburg, das „Wertachbrucker Tor“ (1605) von Elias Holl mit Unterbau des Torturmes aus dem 14. Jahrhundert. Holl gestaltete mehrere Türme in Augsburg neu (vgl. Abb. 350).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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seien sie noch mittelalterlich – hier ging es offenbar um die bruchlose Fortsetzung der Tradition und gerade nicht um das demonstrativ Neue. Ein anderer Fall tritt erst in der Spätzeit auf, nämlich die Ausgestaltung eines Torturmes zu einer Art „Stadtturm“, der einen fehlenden oder bescheideneren Rathausturm ersetzte oder ergänzte. Typisch für solche nur symbolhaft gemeinten Türme ist es in der Regel, dass sie gar nicht mehr zum äußeren aktiven Mauerring gehörten, sondern Relikt eines älteren Mauerringes waren, der längst im Stadtinneren aufgegangen war; häufig führte die Enge des älteren Mauerringes dabei auch dazu, dass der Turm durchaus einen Sichtbezug zum Marktplatz bzw. zum Stadtzentrum aufnehmen konnte und damit mehr in die Stadt als nach außen wirkte. Das Anbringen einer Uhr am Turm, in Verbindung Abb. 136 Bern, der „Zytglogge“ (Zeitglocke = Uhr) war der wichtigste Torturm der ersten Stadtmauer, wurde aber durch die Entstehung einer Vorstadt ins Stadtinnere gerückt und noch später, barock überformt, zum symbolhaften Stadtturm; vgl. Abb. 303.
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mit einer Glocke, die das Dach bekrönte und die Stunde schlug, unterstrich die andersartige Aufgabe solcher Türme. Als klassisches Beispiel sei der Berner „Zytgloggen“ (= Zeitglocke) genannt, das Haupttor der ersten Mauer aus dem früheren 13. Jahrhundert, der die Uhr im 15. Jahrhundert und seine barocke Gestalt 1770 / 71 erhielt (Abb. 136). Aussagekräftig ist auch München, wo gleich zwei Tore der ersten Mauer des mittleren 13. Jahrhunderts im Stadtinneren erhalten blieben bzw. sogar neu erbaut wurden; der Turm des „Talburgtores“ wurde zum Bestandteil des Rathauses, der 1479 erbaute „Schöne Turm“ ersetzte das Westtor in betont ansprechenden Formen: polygonale, unten blendengegliederte Ecktürme mit Spitzhelmen, Stockwerkgesimse, reiche Bemalung und Kreuzrippenwölbung in allen sechs Geschossen (Abb. 93). Im Alpenvorland und im Gebirge selbst sind weitere variantenreiche Beispiele der Zeit um 1500 zu nennen, neben verschwundenen Toren in Augsburg etwa der „Bruckturm“ in Wasserburg am Inn, der wie ein breites, wenn auch zinnenbekröntes Wohnhaus mit bemalter Fassade wirkt, oder das „Franziskanertor“ in Überlingen (1494; Abb 346), wieder im Inneren der Stadt, dessen Rustika wohl auf toskanische Einflüsse zurückgeht; Leoben (Steiermark) besitzt Tortürme, die zwischen 1512 und 1616 entstanden, das winzige und entlegene Ilanz (Graubünden) solche mit Baudaten von 1513 bis 1717. Auch sonst bleibt der Schwerpunkt des Baugeschehens im bayerischen, fränkischen und alemannischen Raum. Nach 1523 errichtete Neustadt / Aisch ungewöhnlicherweise einen bequemeren Torbau neben dem bis heute erhaltenen älteren Turm des „Nürnberger Tores“; 1531 entstand ein neuer Torturm im benachbarten, kleinen Arberg. In den 1530er und 1540er Jahren entstanden Tortürme in der Oberpfalz: 1542 das „Untere Tor“ in Neumarkt, wohl gleichzeitig das oben ins Achteck übergehende „Obere Tor“ von Vilsbiburg, schließlich 1532 und 1565 die beiden Tortürme von Nabburg, die beide auf ältere Mauertore gesetzt wurden, beim „Obertor“, wieder mit oktogonalem Oberbau. Im alemannischen Bereich in der Schweiz ist als frühester Turmbau dieser Phase der „Siegelturm“ in Diessenhofen zu erwähnen, 1545 / 46 durch Martin Heunsler aus Stein am Rhein bereits im Stadtinneren erbaut
(Abb. 313); auch in Stein selbst entstand das nur in Details der Renaissance angehörende „Untertor“ 1552. Weiter im Norden sind bis Mitte des 16. Jahrhunderts nur wenige neue Tortürme zu verzeichnen. Wichtig ist, wieder im Stadtinneren, die Erhöhung des Speyerer „Altpörtels“ (1514) mit reichem Maßwerkgeländer eines umlaufenden Balkons (Abb. 79). Um 1520 / 30 entstand das „Niederntor“ im westfälischen Blomberg, ein recht kleiner Torturm mit riesigen Schlüsselscharten, dessen kugelbesetzter und wappengezierter Giebel aber zu den frühen Renaissancezeugnissen der Region gehört. Konnte man, was die Detailformen betraf, bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts noch von Türmen sprechen, die allgemein spätgotische Merkmale besaßen – ein Beispiel ist das „Untertor“ im thüringischen Heldburg, um 1550 / 60 entstanden, das aber durchaus ein Jahrhundert älter sein könnte – und höchstens im Detail moderne Formen verwendeten, so herrschten in der zweiten Jahrhunderthälfte und darüber hinaus nun eindeutige Renaissanceformen vor. Dies erlaubte es auch, vorhandenen Türmen ein „modernes Kleid“ zu geben, indem nur wenige Schmuckformen erneuert wurden. Als Beispiel seien jene zahlreichen fränkischen Tortürme genannt, die nun durch Giebel und neue Dachwerke zu Renaissancebauten umgestaltet wurden, oder jene typischen Attiken in Schlesien, die aus italienisierenden Schwalbenschwanzzinnen entwickelt und mit Pilastern und Blendbögen geziert waren; diese Formen findet man auch an anderen Profan- und Sakralbauten in Polen und noch weiter östlich. In der Schweiz waren immer noch Giebel üblich, jedoch fast immer schlichte Treppengiebel, nur ganz selten solche mit Schmuckformen der Renaissance (Feldkirch, Lenzburg). In dieser Zeit entstanden auch noch vereinzelt ganze Mauern neu, etwa in Ellingen (Mittelfranken) um 1590 bis 1660, wo neben Türmen in durchaus zeittypischen Formen und einem einfachen Torbau das betont malerisch gruppierte „Pleinfelder Tor“ entstand; der Turm mit achteckigem Oberbau, einem der häufigsten Merkmale der Epoche, wurde durch zwei Flankentürme und vor allem durch eine der reichsten Wappengruppen Deutschlands bereichert (Abb. 137). Die Erneuerung der Tortürme in Nördlingen oder auch deren konsequente Neugestaltung
Abb. 137 Ellingen (Mittelfranken), das „Pleinfelder Tor“, hier die Feldseite, stammt in seiner heutigen Form erst von 1660, was in seiner reichen baukörperlichen Gliederung und den Wappen zum Ausdruck kommt. Wie Lauchheim (Abb. 129) gehörte die Stadt dem Deutschen Orden (H.-H. Häffner).
um 1600 in Wangen (Allgäu) können mit Ellingen halbwegs verglichen werden. Üblich bleiben aber auch jetzt ganz vereinzelte Torneubauten, die über den ganzen deutschen Raum verstreut sind. In der Schweiz sind formal unauffällige Türme in Bremgarten („Obertor“, 1556 / 59) und in Neunkirch („Obertor“, 1574) zu nennen, in Österreich zwei Tore von 1573 und 1613 in Steyr, wobei das jüngere die traditionellere Form zeigt, und die „Wasserkunst“ in Wels (1577–79) mit bemalter Fassade. Am Oberrhein stammt der Turm des „Königsschaffhauser Tores“ in Endingen erst aus dem Jahr „1581“ (Abb. 336), entspricht aber voll den Toren des 14. / 15. Jahrhunderts vor allem im Elsass; im Gegensatz dazu erhielt der „Niggelturm“, ein älterer Eckturm von Gengenbach, 1582 eine Bekrönung in reichen Renaissanceformen. Das Hechinger „Untertor“ (1579) gehört wieder zu dem verbreiteten Typus mit achteckigem Oberteil, während das „Obertor“ in Markgröningen (um 1550), das seinen Neubau wohl der Einbeziehung ins benachbarte Schloss verdankte, und das „Schwaikheimer Tor“ in Winnenden (wohl um 1600) wieder recht traditionell bzw. „undatierbar“ gestaltet sind. Dagegen ent2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
189
standen in Amberg 1564–81 mehrere Vortore in betont zeitgemäßen Formen neu, nämlich in Rustika, wobei einmal ungewöhnlicherweise ein Turm auf das Vortor gesetzt wurde (Abb. 138); auch der Oberbau des Torturmes am „Ziegeltor“ wurde entsprechend erneuert. Die Torfassade (1582) in Neunkirchen am Brand (Mittelfranken) ist das nördlichste Beispiel in Süddeutschland, dann folgen in Thüringen und Schlesien nur vereinzelte Beispiele von Toren aus der Spätzeit (Tennstedt / Thüringen, „Osthöfer Tor“ mit oktogonalem Oberbau, 1579; Glatz / Schlesien, „Böhmisches Tor“, 1568). Erst in Ostseenähe gibt es wieder einige aufwendigere Beispiele, unter denen das Rostocker „Steintor“ (1574–77), das sich vor allem durch sein komplex geformtes, hohes Dach auszeichnet, der einzige komplette Neubau zu sein scheint; es schloss nach der Zerstörung des älteren, zeitweise zur Festung umgebauten Tores die Lücke. Auf ältere Tore aufgesetzte Renaissancegiebel findet man etwa in Stargard („Walltor“, um 1580) und in Tribsees und Greifenberg, alle in Pommern. Ein aussagekräftiger Sonderfall ist schließlich das Nordertor in Flensburg (1595); es entstand als unbefestigter Bau, nachdem die Mauer schon zwei Jahrhunderte vorher abgetragen worden war. Dass die schönsten dieser späten Tore erst nach 1600 durch Elias Holl in Augsburg entAbb. 138 Amberg, das „Wingershofer Tor“, ein Neubau der Renaissance (inschriftlich 1579 / 80), ist dadurch ungewöhnlich, dass der Turm auf die Front des Torzwingers gesetzt wurde.
190 I. Systematischer Teil
standen, wurde bereits erwähnt. Aber auch sonst hörte die Entwicklung im 17. Jahrhundert keineswegs auf, wobei jene Türme, die ganz bewusst mittelalterliche Formen andeuteten, dann allerdings verschwanden; das Hersbrucker „Wassertor“ von 1601 / 02, das sich sorgfältig den anderen, 150 Jahre älteren Türmen der Stadt anpasste, ist hier wohl das letzte Beispiel. Sonst aber waren nun „moderne“ Formen üblich, vor allem weiterhin der achteckige oder runde Oberbau (Gunzenhausen / Mittelfranken, „Blasturm“, 1603; Löwenberg / Schlesien, „Bunzlauer Tor“, um 1616 / 20, und „Laubaner Tor“, 1616–20 [Abb. 480]; Lauchheim, 1621). Ein besonderer Fall ist das höchst repräsentative „Steinheimer Tor“ in Seligenstadt (1603–05), für das man Georg Ridinger als Architekt vermutet hat; der große Torturm zeigt, dem Aschaffenburger Schloss vergleichbar, Stockwerkgesimse, reiche Durchfensterung und eine sehr komplexe Dachform, es fehlen ihm jedoch schon alle Befestigungsmerkmale, mit Ausnahme eines Fallgatters. Bescheidenere Beispiele für ähnlichen Einsatz der Gestaltungsmittel, vor allem die Renaissancegiebel, findet man in Württembergisch Franken etwa in Forchtenberg (1604) und Ilshofen („Haller Tor“, 1609; Abb. 217). Die letzten Nachklänge reichen bis in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg bzw. in den Barock. Die wenigen Beispiele waren nun wieder schlichte quadratische Türme, wenn auch teils von beachtlicher Größe, die nur in den Details den Zeitstil erkennen lassen. Sie dienen der Ergänzung von immer noch genutzten Mauern – so etwa in Mühlhausen / Thüringen, wo das „Innere Frauentor“ 1655 neu entstand, oder in Sursee (Schweiz, „Untertor“, 1674). Der Torturm in Neuenstadt am Kocher – wieder in dem offenbar recht traditionsbewussten Württembergisch Franken – entstand 1701–03 direkt neben dem Schloss, zu dem er architektonisch zweifellos in Beziehung zu setzen ist (Abb. 395). Der eingangs erwähnte Berner „Zytgloggen“ dagegen ist mit seiner reichen Fassade von 1770 / 71 wirklich kein Torturm mehr, sondern eindeutig ein symbolhafter Uhr- und Glockenturm.
2.2.6. Andere Torformen 2.2.6.1. Das Mauertor Das Mauertor, in Süddeutschland auch als „Durchlasstor“ bezeichnet, ist die einfachste denkbare Torform – eine Öffnung in der Mauer ohne jeden ergänzenden Raum oder Baukörper. Es liegt auf der Hand, dass das Mauertor überall dort weitverbreitet war, wo man den baulichen Aufwand eng begrenzen wollte oder musste, also insbesondere bei frühen Mauern und später bei Kleinstädten, aber auch bei untergeordneten Toren ganz normaler, sonst mit Tortürmen oder anderen aufwendigeren Torformen ausgestatteten Mauern. In der Literatur wurde das wenig spektakuläre Thema der Mauertore bisher kaum berührt oder gar vertieft; allein in Heinrich Trosts Buch über die Stadtbefestigungen des Backsteingebietes findet man die theoretische Überlegung, es habe sich wohl um die früheste Torform gehandelt, aber die „späte“ Mauerregion, die er behandelt, ist dabei ganz ungeeignet für die Benennung realer Beispiele. Das Mauertor als Nebentor in bedeutenden, torreichen Städten ist ein Phänomen, das sich heute kaum noch anhand erhaltener Beispiele veranschaulichen lässt. Typischerweise findet man es vor allem an der flussseitigen Front, deren Schiffslände durch zahlreiche Mauertore er-
Abb. 139 Köln, ein Ausschnitt aus dem Holzschnitt von Anton Woensam (1531) zeigt die Stadtmauer an der Rheinlände mit mehreren Mauertoren und vielfältigen Überbauungen.
reichbar war; hier galt es, einen umfangreichen Warenverkehr zu bewältigen, während ein Überraschungsangriff nicht zu befürchten stand. Wegen der fortlaufenden Wirtschaftsbedeutung solcher Hafenzonen sind derartige Nebentore aber kaum je erhalten geblieben; ein berühmtes und anschauliches Beispiel bietet etwa Anton Woensams berühmte Rheinansicht von Köln (1531),
Abb. 140 Dausenau an der Lahn (Rheinland-Pfalz) bietet ein seltenes Beispiel einer Mauer zur Schiffslände, die samt ihren Mauertoren und Pforten weitgehend erhalten ist. Die Türme ganz links und ganz rechts gehörten zu den Toren der Uferstraße, der große Fachwerkbau auf der Mauer ist das Rathaus von 1434.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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bei der man 34 Tore und Pforten zählen kann, darunter 20 Mauertore, die höchstens durch einen Erker oder einen benachbarten Turm gesichert wurden (Abb. 139). Mit einer solchen, zweifellos pragmatisch über Jahrhunderte hinweg entstandenen Vielfalt kann sich keine erhaltene Mauer mehr messen, wenn auch eine Kleinstadt wie Dausenau an der Lahn noch ausnahmsweise eine Anschauung gibt (Abb. 140), ebenso zwei Tore in Steinheim am Main. Wesentlich aussagekräftiger für die Entwicklung der Stadtmauerformen sind jedoch die frühen, in die Romanik zurückreichenden Mauertore, die keine Nebeneinlässe waren, sondern durchaus Haupttore. Auch bei sehr guter Kenntnis des erhaltenen Bestandes an Stadtmauern glaubt man zunächst lange, dass derartige Tore ausnahmslos verschwunden sind und man sie daher nur noch indirekt erFrühe Mauertore, schließen kann. Recht häufig 12. / 13. Jahrhundert stellt man immerhin fest, dass ein Torturm deutlich jünger ist als die Mauer, zu der er gehört, und in sehr wenigen Fällen ist dabei noch erkennbar, wie der Torturm nachträglich an das Mauertor angebaut bzw. darauf aufgesetzt wurde. Beispiele bieten etwa die zwei Haupttore von Nabburg (Oberpfalz; Abb. 366) oder das Neusser „Obertor“ (Abb. 421), das allerdings von Anfang an(?) auch einen flachen Oberbau besaß; im Befund sehr
deutlich ist auch der „Hospitalturm“ in Oberwesel, wo der Schalenturm wohl schon im mittleren 13. Jahrhundert hinter ein Rundbogentor der wenig älteren Mauer gesetzt wurde. Weitaus häufiger aber wurde das ältere Tor beim Neubau des Turmes vollständig abgerissen. In solchen Fällen darf man getrost unterstellen, dass der Torturm nicht etwa einen älteren Turm ersetzt hat – dann hätte man ihn sicherlich eher aufgestockt –, sondern eine deutlich einfachere Torform, deren Beseitigung nicht allzu unökonomisch war. Und als solche Form kommt im Grunde nur das Mauertor infrage. Dabei ist dieser Vorgang nicht nur bei besonders frühen Mauern erkennbar – etwa in Speyer oder Freiburg im Breisgau, beide mit Mauern des 11. und frühen 12. Jahrhunderts und Tortürmen der Zeit um / nach 1200 –, sondern durchaus auch bei späteren Mauern kleinerer Städte; beispielsweise stammen die Tortürme im südlichen Hessen fast durchweg aus dem 15. Jahrhundert, obwohl die dortigen Mauern durchaus ins 13. / 14. Jahrhundert zurückgehen. Jedoch sind wir entgegen dem ersten Anschein doch nicht nur auf solch indirekte und letztlich hypothetische Belege für die Existenz früher Mauertore angewiesen, sondern es gibt durchaus noch einzelne und daher besonders wertvolle Fälle erhaltener romanischer Mauertore. Dass sie als solche bisher kaum benannt worden sind,
Abb. 141 Thun (Schweiz), das „Burgitor“ ist das seltene Beispiel eines Mauer- oder Durchlasstores aus dem späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert. Der flache Risalit mit tonnengewölbter Nische kann keinen Turm, sondern nur eine Plattform getragen haben. (Archäologischer Dienst des Kantons Bern).
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liegt zweifellos in ihrer Unauffälligkeit und auch in der bisher fehlenden Gesamtschau und Entwicklungsvorstellung begründet, durch die der Stellenwert so schlichter Phänomene überhaupt erst begriffen werden kann. Es ist sicher kein Zufall, dass eine ganze Reihe früher Mauertore in der Schweiz erhalten ist, wo es einerseits viele Gebirgsstädtchen gibt, die sich später nur wenig vergrößerten, und wo andererseits eine recht intensive Forschung schon systematisch zusammengefasst worden ist. Noch ins späte 12. Jahrhundert wird ein Rundbogentor in einem verstärkten Mauerabschnitt gesetzt, das unter der Burg Thun erhalten ist („Burgitor“; Abb. 141), ebenfalls um 1200 entstand ein ergrabenes Mauertor im zähringischen Burgdorf. In Zug wurde ein Torturm im späten 13. Jahrhundert vor ein bestehendes Mauertor gesetzt, Ähnliches findet man in Rheinfelden, wohl aus der Zeit nach 1225 mit Tortürmen des 14. Jahrhunderts, und schließlich in Feldkirch (Vorarlberg). In Walenstadt (Graubünden) ist ein Mauertor unverändert erhalten (Abb. 142), in Werdenberg zumindest Gewändereste; weitere Grabungsergebnisse liegen aus Wiedlisbach und Erlach vor. Weiter nördlich ist das Osttor von Eberbach / Neckar, wohl direkt nach 1227 entstanden, mit seinen schlichten Schmuckformen ein besonders wertvolles, weil kaum verändertes spätromanisches Mauertor (Abb. 104); ihm kann man
das Westtor von Neuleiningen (um 1238–41) zur Seite stellen. Sonst aber sind nördlich der Alpen kaum frühe Beispiele der Art erhalten. In Pappenheim kann man das „Obertor“ im Verdacht haben, in Wertheim / Main das „Hirschtor“, in Siegburg könnte das „Holztor“ noch ins 12. Jahrhundert zurückgehen und wurde nachträglich durch zwei Tourellen ergänzt. Die beiden spät modernisierten Mauertore von Nabburg (Oberpfalz; zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts?) waren schon angesprochen worden. Die Feststellung einer allzu begrenzten Ausbeute gilt eher noch mehr für die große Zeit der Stadtmauern zwischen dem späteren 13. und dem frühen 16. Jahrhundert – nun befestigten sich auch kleine Städte nach einem Standard, der mehr oder minder bescheidene Tortürme oder zumindest Torbauten (vgl. 2.2.6.2.) als Selbstverständlichkeit umfasste, und Mauertore waren seltene, schwer erklärliche Ausnahmen. Erwähnt seien als erhaltene, meist umgebaute Beispiele Grebenstein in Hessen („Burgtor“, um 1310–56), Münnerstadt in Unterfranken (zwei Tortürme Späte Mauertore in Kleinstädten vor Rundbogentoren), Wassertrüdingen in Mittelfranken („Obertor“, wohl nach 1388, mit barockem Umbau) und Freistadt in Oberösterreich, wo vor das Mauertor (nach 1363) wohl erst 1482–85 ein Torturm gesetzt wurde. In Österreich, ins-
Abb. 142 Walenstadt (Schweiz), in der nördlichen Stadtmauer (wohl Mitte / zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) ist ein Mauertor erhalten, von außen vermauert, aber sonst unverändert. 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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besondere im alpinen Teil, gibt es noch einige späte Mauertore (St. Andrä, Schladming, Neumarkt) und im Voralpenland fällt zumindest das Überwiegen von Tortürmen des 15. und frühen 16. Jahrhunderts auf, was wieder den indirekten Schluss auf langes Überleben einfacherer Torformen zulässt. Auch in Oberschwaben und vielleicht weiteren Bereichen Süddeutschlands überwiegen späte Tortürme in auffälliger Weise und lenken die Überlegungen daher in dieselbe Richtung.
Abb. 143 Köln, von den Toren der 1106 begonnen Stadterweite rung blieben drei bis ins 19. Jahrhundert verbaut erhalten. Zumindest zwei von ihnen besaßen, wohl nach römischem Vorbild, zwei Durchfahrten. Oben das „Ehrentor“, unten Grundriss (19. Jahrhundert) der „Würfelpforte“ (Kunstdenkmäler der Stadt Köln, Bd. 2, IV., 1930).
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2.2.6.2. Der Torbau Der Torbau, wie er in diesem Kapitel behandelt wird, ist im Grunde negativ zu definieren. Gemeint ist nämlich jedes Gebäude, durch das der Weg in die Stadt hindurchführt, das aber nicht eine jener Formen aufweist, für die es aufgrund ihrer Häufigkeit bzw. optischen Prägnanz feststehende Ausdrücke gibt – also jedes Gebäude mit Durchfahrt, das weder ein Torturm (vgl. 2.2.5.) noch ein Doppelturmtor (vgl. 2.2.6.4.) ist. In der Praxis handelt es sich in aller Regel um Gebäude mit nur einem Obergeschoss – schon bei zwei Obergeschossen muss man von einem Torturm sprechen –, das folglich die anschließende Mauer kaum überragte und daher ähnlich bescheiden wirkte wie ein Mauertor. In dieser optischen Bescheidenheit liegt auch zweifellos der Hauptgrund dafür, dass Torbauten ähnlich selten waren und sind wie Mauertore. Sie treten ebenfalls eher in Kleinstädten (und Dörfern), an Nebentoren größerer Städte und, freilich selten und schwer nachweisbar, als frühe Torform romanischer Mauern auf. Auch sie wurden aufgrund ihres Mangels an Repräsentativität später sehr oft abgebrochen. Dabei muss man sich zudem vor Augen halten, dass die Grenze zwischen Mauertor und Torbau in der Praxis unscharf ist. Wenn etwa hinter das Mauertor ein Gebäude aus Fachwerk gesetzt war oder wenn über dem Mauertor eine Wächterkammer beidseitig vorkragte: Wäre das dann schon als Torbau zu bezeichnen? Und würden wir es, wenn es zerstört oder nur in Resten erhalten ist, überhaupt sicher erkennen? Eine weitere Sonderform des Torbaues bestand darin, dass dieser an einen Turm angelehnt war, der direkt neben dem Tor stand, aber mangels Durchfahrt kein echter Torturm war; diese Form war so
häufig, dass sie hier gesondert behandelt wird (vgl. 2.2.6.3.). Im 12. Jahrhundert sind einige wenige städtische Torbauten belegbar – leider aber nicht erhalten – , die in ihrem Obergeschoss offensichtlich Kapellen enthielten. Sie erinnerten in diesem Punkt an noch ältere Klostertore und Tore von Domburgen, bei denen ein besonderer sakraler Bedeutungsgehalt leicht erklärbar ist; genannt seien die Tore der DomRomanische Torbauten burg von Hildesheim (um 1000) und vor allem als besonders anschaulicher Fall die dortige Kirche „Heiligkreuz“, die vor 1079 durch Umbau eines großen, dreischiffigen Torbaues entstand, der wohl in eine Erweiterung der Domburg führte (Abb. 10). In einer Bischofsstadt wie Köln kann es nicht wundern, wenn die Tore früher Stadterweiterungen – die älteste Mauer war hier die römische – ebenfalls Kapellen enthielten; aus der Sicht des geistlichen Stadtherrn wird die Stadt damals eher eine räumlich und funktional erweiterte Domburg gewesen sein. Von den kölnischen Toren bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts besaß das „Alte Rheingassentor“ eine Kapelle im Obergeschoss, bei der Würfelpforte sind dort zumindest Biforien überliefert (Abb. 143). Diese frühen Torbauten Kölns besaßen mehrfach Doppeldurchfahrten, was auf Ableitung von den römischen Toren der Stadt verweist. Eine Widerspiegelung der kubischen, manchmal dreiräumigen Form dieser älteren Tore stellt im äußeren Mauerring der Stadt offenbar noch der Sockel des „Severinstores“ dar (1180er Jahre [Abb. 99]), auf den erst gegen Mitte des 13. Jahrhunderts der ungewöhnliche Torturm gesetzt wurde. Von gleicher Art waren wohl die Tore des inneren Ringes (ab 1171) im nahen Aachen und am dortigen Außenring stellt das blockartige „Ponttor“ (um 1300 [Abb. 422]) einen erhaltenen Spätling dieser Entwicklung dar. Ebenfalls von Kölner Formen abhängig war zweifellos Soest, das seinen weiten Mauerring in der Mitte / zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts unter erzbischöflich kölnischer Herrschaft erhielt; das „Jacobitor“ enthielt im Obergeschoss sogar eine dreischiffige Kapelle, die an das ältere Tor in Heiligkreuz in Hildesheim erinnert (Abb. 427). Auch in Fulda, dem wohl wichtigsten Benediktinerkloster Deutschlands, entstanden im
mittleren 12. Jahrhundert hausförmige Torbauten, von denen ein geringer Rest des „Heertores“ erhalten ist, wohl mit offenem Torbogen zur Stadt, aber nicht unbedingt mit einer Kapelle darin. Im Zusammenhang bischöflicher Städte sei auch an das skulpierte Tympanon mit Christus und zwei Heiligen erinnert, das vom Trierer „Neutor“ erhalten blieb (Abb. 127), ohne dass wir allerdings die Form dieser Tore und die Lage einer eventuellen Kapelle näher kennen. Unter den Städten nichtkirchlicher Bauherren fällt Goslar, als wichtiger Reichsbesitz nahe dem Silberbergwerk, als ein Ort mit Kapellen in frühen Torbauten auf. Auch von ihnen, wohl um 1100–1130 entstanden, ist nach Erneuerung der Tore im 15. Jahrhundert nichts mehr erhalten; nur die damals nötige bischöfliche Erlaubnis, die Kapellen zu zerstören, hat sie uns überliefert. Interessant ist in Goslar allerdings auch, dass die erhaltenen Kapellen an zwei der frühen Tore nicht in den (zerstörten) Toren selbst lagen, sondern in deren Nähe, als separate Bauten an die Mauer gelehnt. Kann man in den Torbauten mit Kapellen, die in Städten kirchlicher Herren hier und dort noch erkennbar sind, einen freilich raren Bautypus erkennen, so sind weitere romanische Torbauten nur noch selten zu finden. Eine interessante Form des Übergangs stellt das Andernacher „Rheintor“ aus dem frühen 13. Jahrhundert dar, das nur zwei Geschosse besitzt, die sich beide zur Stadt als Tonnengewölbe öffnen – als Vorstufe oder Frühform sowohl eines Torturmes als auch eines Schalenturmes (vgl. 2.2.4.8.) verstehbar (Abb. 397). Dass die Form auch einem Mauertor noch nahesteht, verdeutlicht dabei ein Vergleich mit dem Neusser „Obertor“ in seiner ursprünglichen Form (Abb. 421) – auch dort nämlich gab es stadtseitig offene „Geschosse“, allerdings im Grundriss so flach, dass man eigentlich weder von einem Torturm noch auch nur von einem Torbau sprechen mag. Dass es noch mehr Bauten dieser Art gegeben haben mag, die nur bisher nicht erkannt wurden, mag ein Torbau in Salzkotten (Westfalen) verdeutlichen, der gleichfalls in beiden Geschossen als Rundbogentonne zur Stadt geöffnet ist, dessen Entstehungszeit aber ganz offen ist. Gelegentlich wurden frühe Torbauten nur archäologisch festgestellt – etwa in Marburg 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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aus dem späten 12. Jahrhundert oder in Lemgo aus der Zeit um 1265 –, wobei aber in der Regel unklar bleiben muss, ob es sich um Torbauten oder doch schon um Tortürme gehandelt hat. Denn allein aus den Fundamenten ist schwer festzustellen, wie hoch die aufgehenden Mauern einmal waren; gemeinhin sind die Außenmauern schon aus wehrtechnischen Gründen so dick, dass auch mehrere Obergeschosse vorstellbar sind (es sei daran erinnert, dass dafür schon wenig mehr als ein halber Meter ausreicht). Die Archäologie hat deswegen früh den Begriff des „Kammertores“ geprägt; er besagt allerdings nur, dass die Durchfahrt einen Raum bildete, während offenbleibt, ob es Obergeschosse gab. Aus architekturgeschichtlicher Sicht interes siert natürlich die Frage, ob die Torbauten des 12. Jahrhunderts Vorläufer der um 1200 auftretenden echten Tortürme gewesen sein mögen, was von der Sache her naheliegt, denn die Weiterentwicklung eines niedrigen Torbaus zum Turm bot bei begrenztem Aufwand sowohl wehrtechnische als auch repräsentative Vorteile. Für diese Vorstellung spricht in der Tat die Feststellung eines frühen Typs von Torturm, der die Bezeichnung als Turm eher durch monumentale Geschlossenheit als durch besondere Höhe verdiente (vgl. 2.2.5.1.). Diese selten und weiträumig anzutreffenden „blockhaften“ Tortürme der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts (Abb. 94, 95) stellten wohl wirklich einen Schritt auf dem Weg
vom einfachen Mauertor über Torbauten zu jener deutlich höheren Normalform des Torturmes dar, die heute unsere Vorstellung des mittelalterlichen Stadttores beherrscht. Für die Torbauten aus der Blütezeit der steinernen Stadtbefestigung gilt im Grundsatz dasselbe wie für die Mauertore Torbauten vom späten jener Zeit – sie waren Aus13. bis 18. Jahrhundert nahmen und sind noch seltener erhalten, sie blieben ferner auf sehr kleine Städte oder andere befestigte Siedlungen sowie auf Nebentore größerer Städte beschränkt. Dass auch im nachromanischen 13. Jahrhundert noch gelegentlich Torbauten entstanden, als Nachklang der eben erwähnten Übergangsform, können etwa das (verschwundene) „Mitteltor“ der ersten Mauer von Dreieichenhain oder auch zwei nach 1291 entstandene Torbauten in Mayen (Eifel), die erst ein Jahrhundert später zu hohen Tortürmen mit Erkertürmchen aufgestockt wurden, belegen; im Alpenraum ist das „Friesacher Tor“ in Murau (Steiermark) wohl bald nach 1300 entstanden, zu nennen; das „Pancrazitor“ in Gmünd („1488“) und ein Tor in Rottenmann sind jüngere Beispiele der Region. Für das Spätmittelalter bietet Franken, insbesondere Unterfranken, interessante Beispiele, weil dort zahlreiche kleinere Siedlungen bis ins 16. und frühe 17. Jahrhundert hinein ummauert wurden. Bei den Städten von gewisser Größe
Abb. 144 Ickelheim (Mittelfranken), ein gut erhaltenes Beispiel eines dörflichen Fachwerktorbaues, von 1713, wie er in Franken nur noch selten erhalten ist, aber fraglos weit häufiger war. Solche Tore dienten zwar, zusammen mit dem Etter oder Dorfgraben, der nächtlichen Abschließung des Dorfes, waren aber nicht verteidigungsfähig.
196 I. Systematischer Teil
und mit Mittelpunktfunktionen stehen dabei hohe Tortürme (Haßfurt, Karlstadt, Aub) neben Torbauten, manchmal in derselben Stadt. Vor allem aber findet man hier und in den angrenzenden (Weinbau-)Regionen Frankens und des heutigen Südhessens noch zahlreiche hausförmige Dorftore, deren Entstehungszeit in der Regel im 16. bis 18. Jahrhundert liegt (Abb. 144). Der Großteil dieser Bauten ist zweifellos verschwunden, unter den wenigen erhaltenen sind die Steinbauten überrepräsentiert (Abb. 385); Fachwerk, kombiniert mit Zäunen oder Hecken, war hier früher zweifellos der Normalfall. Üblich war die Querstellung des Hauses zur Straße, so dass neben der Durchfahrt noch ein Raum blieb, der eher zu Lagerzwecken als für eine Wache geeignet war. Bewohnt war sicherlich das Obergeschoss, vermutlich von einem Bediensteten des Dorfherrn, der so nachts auch die Wache versehen konnte. Nichts an diesen nachmittelalterlichen Dorftoren deutet jedoch auf Verteidigungszwecke hin, es gibt keine Zinnen oder Schießscharten; Sicherung meint hier nur noch Verschließbarkeit der Siedlung gegen wenig oder gar nicht bewaffnete Eindringlinge. Auch außerhalb Frankens findet man noch gelegentlich derartige Torbauten, stets in sehr kleinen Städten. Genannt seien in Thüringen Bürgel und Kölleda, in Sachsen Adorf und Belgern; in Aken (Sachsen-Anhalt) ist noch erkennbar, wie neben einen ursprünglichen Torbau – die Stadt war 1335 schon befestigt – erst nachträglich, wohl im 15. Jahrhundert, ein Turm gesetzt wurde. In der Spätzeit entwickelte sich also die von Anfang an schwache Form des Torbaues – so wird man interpretieren müssen – wieder zum unbefestigten Abschluss zurück, der eine Grenze mehr markierte als verteidigte. Diese Entwicklung weg vom Fortifikatorischen fällt bei der Form des Torbaues eher noch stärker als bei dem ähnlichen schwachen Mauertor auf, denn im Gegensatz zu diesem konnte der Torbau noch andere Funktionen aufnehmen als jene des Durchlasses, und eben das mag ihm ein längeres und häufigeres Überleben ermöglicht haben. Deutlich wird eben diese Besonderheit auch bei den Torbauten an einer Hafenfront, die bei den Mauertoren schon als Alternative zu diesen angesprochen wurden (vgl. 2.2.6.1.) – Durchlässe an einer verkehrsreichen, aber nicht besonders
Abb. 145 Glurns (Südtirol), das gegen 1510 erbaute „Brückentor“, hier die Flussseite von der modernen Brücke, war allseitig von einem Graben umgeben und besaß eine Zugbrücke auch zur Stadt, war also eine Art kleine Stadtburg.
gefährdeten Stelle. Solche Tore sind gleichfalls selten erhalten, aber im Ordensland Preußen gibt es noch Beispiele, in Thorn („Paulinertor“) wohl noch aus dem 13. Jahrhundert, in Danzig und Schwetz aus dem späten 14. Jahrhundert. Vor allem in Danzig werden die Nebenfunktionen als Lagerhäuser und für andere hafenbezogene Zwecke anschaulich, besonders auch in dem berühmten „Krantor“, das seinen Zweck im Namen trägt und äußerlich ein Doppelturmtor zitiert, aber innenräumlich ein einfaches mehrgeschossiges Haus ist (Abb. 527). Eine letzte Art von Torbauten – die nicht als Gruppe anzusprechen ist, weil sie zu weit verstreut ist – verdankt ihre Form wohl dem Vordringen der Feuerwaffen. Dabei handelt es sich um Torbauten des späten 15. und des frühen 16. Jahrhunderts, die keineswegs Nebentore sind und auch nicht zu unbedeutenden Städten gehören. Als Haupttore durchaus wichtiger Städte 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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kann man sie nicht als Fortsetzung einer Tradition erklären, sondern sie sind neuartig und bedürfen daher einer gesonderten Erklärung. Dass diese Erklärung eben die aufkommende Artillerie ist, für die hohe Türme ein allzu gutes Ziel boten, liegt bei manchen dieser Tore auf der Hand, dort nämlich, wo sie selbst mit Geschützscharten versehen sind; als Beispiele seien das (burgartig von einem Graben umgebene) „Brückentor“ in Glurns (1499–1510; Abb. 145) genannt oder das wenig ältere „Mühlentor“ in Feldkirch (Vorarlberg). Im weit entfernten Pommern findet man Vergleichbares in Stargard („Pyritzer Tor“, wohl 1439 [Abb. 520]; „Walltor“), Stralsund („Kütertor“, 1446; „Kniepertor“), auch in Stolp, Usedom und Belgard („Hohes Tor“, das trotz des Namens wohl nur ein Obergeschoss hatte). Spät erbaut ist das „Zschopauer Tor“ der Gründungsstadt Marienberg im Erzgebirge (1541–56, mit Rundscharten [Abb. 469]), das trotz seiner beiden Obergeschosse würfelförmig wirkt. Von einem solchen Bau ist es nicht mehr weit zu den gleichzeitig in Deutschland auftretenden Toren italienisch geprägter Bastionärfestungen, die durch ihre Renaissanceformen und die Einbindung in Erdwälle anders wirken, aber aus denselben Gründen stets niedrig sind. Als Ausnahme von der Regel kann man hier das „Kapftor“ und das „Specktor“ in Breisach (Baden) erwähnen, Torbauten des mittleren 15. Jahrhunderts mit aufwendigen Wurferkern und beim Letzteren mit aufwendig gewölbter Durchfahrt; über dem Steilhang zum Rhein und hinter einer Vorstadt waren beide gut gesichert und setzten als seltene Ausnahme offenbar die niedrige Bauform einmal repräsentativ ein. Neben all diesen Torbauten der Spätzeit entstanden aber immer noch Tortürme als die weit üblichere Bauform, nur eben in dieser Epoche ähnlich vereinzelt wie die Torbauten. 2.2.6.3. Der Turm neben dem Tor Ist der Torturm die formal eindrucksvollste Möglichkeit, dem Stadttor den Schutz eines Turmes zukommen zu lassen, so besteht eine naheliegende Alternative darin, das Tor nicht im Erdgeschoss des Turmes selbst anzuordnen, sondern direkt daneben in der Mauer oder in einem Torbau; der Turm bleibt dabei auch im Erdgeschoss geschlossen, entspricht also einem normalen Mauerturm. 198 I. Systematischer Teil
Was die wesentlichen Vorteile der Turmstellung neben dem Tor waren, ist schwer auszumachen. Auf einer theoretischen Ebene könnte man annehmen, dass es sich lediglich um die Weiterentwicklung einer Befestigung mit einfachen Mauertoren und Türmen handelt; man hätte lediglich das Tor an einen normalen Mauerturm herangerückt, um es besser zu schützen. Diese Überlegung ist aber praxisfern, denn in der Realität kommen derartige Mauern nicht vor, vor allem nicht als frühe Entwicklungsstufe – Tortürme treten generell früher als Mauertürme auf oder spätestens zusammen mit ihnen, turmreiche Mauern mit Mauertoren gibt es nicht. Auch die Idee, ein Turm neben dem Tor könne dieses besser flankieren, überzeugt nicht, da derartige Türme genauso selten über flankierende Scharten verfügen wie die Mauertürme in Deutschland allgemein. Die Gründe für die Form des Turmes neben dem Tor liegen wohl eher darin, dass der Turm im Erdgeschoss geschlossen bleiben kann. Er war so einerseits besser zu verteidigen, in der Art eines Bergfriedes (Abb. 146) – bei einem Torturm befand sich der Angreifer nach Zerstörung der Torflügel bereits im Erdgeschoss und konnte von dort aus den Turm ausbrennen. Weiterhin erfordert bei einem Torturm die Breite der Durchfahrt gewisse Minimalmaße des Grundrisses (kaum unter 8 m Seitenlänge, meist darüber), während ein Turm ohne Durchfahrt wesentlich schlanker sein konnte. Da diese Torform erst im 14. / 15. Jahrhundert ihre Hauptverbreitung fand, und zwar eher bei Kleinstädten, dürfte Sparsamkeit bzw. der Bau eines besonders schlanken Turmes durchaus ein Grund für ihre Wahl gewesen sein. Eine weitere Überlegung – auch sie ist aus Mangel an erhaltenen Beispielen in ihrer realen Bedeutung nicht mehr einzuschätzen – kann man an den Fall von Aken (Sachsen-Anhalt) anknüpfen. Dort wurde der Turm nachträglich an den Torbau angebaut, was jedenfalls den Vorteil hatte, dass man ein recht schwaches Tor verstärken konnte, ohne das vorhandene Tor zerstören und den Verkehr unterbrechen zu müssen. Ein Hauptproblem bei der Betrachtung dieses Tortypus besteht heute darin, dass fast ausnahmslos nur der Turm erhalten ist, nicht aber das Tor. Denn anders als im Falle des Torturmes musste man hier nicht ein hohes, mauerstarkes
Bauwerk abreißen, sondern nur einen relativ kleinen Torbau oder Durchgang, und das erleichterte die Entfernung der Tore, als sie vom 17. bis zum 19. Jahrhundert als „Verkehrshindernisse“ betrachtet wurden (vgl. 2.3.2.). Bei der Form des Turmes neben dem Tor stand der Turm dagegen von vornherein neben der Straße, störte daher weniger und hatte eine weit bessere Überlebenschance. Die Frage, ob die Tore bei dieser Form einfache Mauertore oder aber kleine Torbauten waren, kann wegen des Fehlens der eigentlichen Tore grundsätzlich nicht beantwortet werden. Immerhin ist es bemerkenswert, dass in den wenigen besser erhaltenen oder näher untersuchten Fällen stets kein reines Mauertor vorliegt, sondern durchaus ein bescheidener Torbau mit zumindest einem Obergeschoss; so ist es etwa heute noch in Naumburg („Marientor“, um 1340–80, mit später umgebautem Torbau; Abb. 147) oder in Monheim am Niederrhein (um 1420, der Turm ist hier bewohnbar). In Schlesien, einem der wichtigen Verbreitungsgebiete dieser Torform, findet man manchmal wenigstens noch die Spuren der verschwundenen Torbauten an der Seite des erhaltenen Turmes (Liegnitz, Lüben, Habelschwerdt); sie besaßen hier zwei oder gar drei Obergeschosse. Über die Gestalt und Ausstattung der Türme neben den Toren kann generell nur gesagt werden, dass sie sich nicht wesentlich von den weitaus häufigeren Tortürmen unterschieden. Sie wurden in ähnlichem, meist bescheidenem Maße ornamental betont bzw. baukörperlich wie die Tortürme der jeweiligen Region durchgestaltet. Lediglich die erwähnte Tendenz zur Schlankheit begrenzte diese Tendenz noch stärker als bei den Tortürmen, ebenso wie die Möglichkeit, etwa Wappen nicht am Turm, sondern am Torbau anzubringen, also direkt über der Durchfahrt. Das Tor mit dem danebenstehenden Turm war zwar einerseits eine eher seltene Form, trat aber andererseits im gesamten deutschen Sprachgebiet auf. Dabei handelt es sich in Süd- und Westdeutschland – also den deutschen Altsiedelgebieten mit Mauern schon des 11.–13. Jahrhunderts – Verbreitungsgebiete eher um Einzelfälle, während das Hauptverbreitungsgebiet der Form in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schlesien sowie in
Abb. 146 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), der „Markusturm“ stand neben dem inneren „Rödertor“ – das später durch den breiteren Bogen ersetzt wurde – hinter der älteren Stadtmauer aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts; die Datierung passt auch zu den Formen des Turmes. Abb. 147 Naumburg (Sachsen-Anhalt), das „Marientor“ (um 1340-80) ist das gut erhaltene Beispiel eines Torbaues neben dem Turm. Das Obergeschoss des Torbaues und der Giebel rechts gehören zu den Modernisierungen des 15. Jahrhunderts. Die Turmfenster entstanden erst bei der Umnutzung zum Gefängnis (vgl. Abb. 57).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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den Backsteingebieten des Nordostens lag, also in den Regionen, in denen die Mauern im Wesentlichen ab dem 13., vor allem aber im 14. / 15. Jahrhundert entstanden. Die auffälligste und beachtlich frühe Gruppe von Vertretern dieses Tortypus im Süden des deutschen Raumes findet man in (Nieder-)Österreich, mit Ausläufern in die Steiermark. Noch aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, aus spätromanischer Zeit, stamm(t)en derartige Tore mit quadratischen Türmen in Wien, Bruck / Leitha, Hainburg („Ungartor“; Abb. 282) und Enns; die mit gotischen Maßwerkfenstern versehenen Rundtürme neben den Toren von Marchegg (nach 1268; Abb. 285) waren Nachkömmlinge und Ausnahmen, was auch für die Beispiele in der Steiermark gilt (Graz, 1265 / 67; Murau, „Gießübeltor“, um 1311–33). Von dieser recht klaren und frühen Gruppe sticht die Seltenheit solcher Tore im gesamten bayerischen und auch Abb. 148 Goldberg (Schlesien), der „Schmiedeturm“ (wohl aus dem 15. Jahrhundert) stand neben dem ehemaligen Obertor direkt hinter der Mauer (Chr. Herrmann).
200 I. Systematischer Teil
alemannischen Raum deutlich ab; bescheidene Beispiele findet man etwa in Neuweiler (Elsass, vor 1260?), Tengen / Hegau (Schalenturm, nach 1291) und Wemding (Regierungsbezirk Schwaben, wohl nach 1343). Etwas häufiger waren sie in Franken, wo allerdings auch der erhaltene Bestand an Stadtmauern besonders umfangreich ist. Dort ist der Rothenburger „Markusturm“ (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts; Abb. 146) neben den österreichischen Beispielen wohl das älteste Beispiel dieser Art von Torschutz, und kaum jünger ist der bergfriedartige „Lachnersturm“ in Waldenburg (Hohenlohe; Abb. 389). Im 14. und 15. Jahrhundert sind weitere Einzelfälle zu nennen, meist aber in eher bescheidener Form: Quadratische Türme neben dem Tor findet man etwa in Weismain, Lichtenfels, Herzogenaurach, Eppingen („Pfeifferturm“, frühes 14. Jahrhundert) und Lohr („Niedertor“, vollendet 1385), Rundtürme in Gunzenhausen, Leutershausen und Langenburg in Hohenlohe. Mit Franken vergleichbar ist die Häufigkeit der Form in Westdeutschland, vor allem im Rheinland. Zwar findet man in Hessen mit seiner Fülle später Mauern keine solchen Tore – Ausnahme ist Grebenstein mit sekundär hinter die Tore gesetzten Rundtürmen –, aber im rheinischen Schiefergebirge gibt es etliche Beispiele aus dem 14. Jahrhundert, die durch die regionaltypische Variabilität der Turmgrundrisse auffallen. Am Niederrhein sind späte Beispiele in Xanten (Rundturm am „Scharntor“, 1389–93) und Monheim (um 1420) erhalten, weiter östlich, im Westfälischen, wenige bescheidene des 14. / 15. Jahrhunderts (Warburg, „Sacktor“(Abb. 429); Bodenwerder, „Mühlentor; Stadtoldendorf, „Hagentor“). In Mittel- und Ostdeutschland war das Hauptverbreitungsgebiet der Torform mit danebenstehendem Turm insbesondere in Sachsen-Anhalt, Schlesien und Brandenburg – was ein geschlossenes Gebiet ergäbe, wenn man auch Sachsen dazu rechnen könnte; in der Tat spricht einiges dafür, dass dies wirklich so war, aber der reduzierte Bestand in Sachsen lässt keine endgültige Sicherheit mehr zu. In Sachsen-Anhalt herrschte der Tortypus eindeutig vor, auch wenn es daneben Tortürme gab – die Umkehrung der sonst in Deutschland herrschenden
Verhältnisse. Soweit erkennbar, gehören die Tore hier in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts und ins 15. Jahrhundert; als besser datierte bzw. untersuchte Beispiele seien hier nochmals das Naumburger „Marientor“ genannt, das um 1340–80 entstand (Abb. 147), und der 1385 erwähnte Turm neben dem „Eckstädter Tor“ in Freyburg / Unstrut (Abb. 461). Eine besondere Gruppe bilden die Mauern etlicher Kleinstädte in der Magdeburger Börde, wo die schlanken, quadratischen Türme neben den Toren, mit bergfriedartigen Hocheinstiegen, in der Regel die einzigen Türme der Befestigungen gewesen sein dürften; sie stammen meist erst aus dem 15. Jahrhundert. Dass die Form zur selben Zeit auch in Sachsen üblich war, belegen erhaltene Türme in Delitzsch (querrechteckige Backsteintürme am „Halleschen“ und „Eilenburger Tor“, Letzterer 1397; Abb. 467), in Bischofswerda und Pulsnitz; weitere sind zerstört, aber noch belegbar (Borna, Großenhain, Leisnig, Stolpen, Torgau). Auch in Schlesien war das Tor mit danebenstehendem Turm von den Anfängen des Stadtmauerbaues an die häufigste Form. Als frühes Beispiel, mit der Mauer ab den 1260er Jahren entstanden, ist das „Breslauer Tor“ in Löwenberg zu nennen, aber die meisten erhaltenen Beispiele gehören auch hier, wie in Sachsen-Anhalt, erst ins spätere 14. oder ins frühe 15. Jahrhundert. Von den oft eindrucksvollen Beispielen mit zumeist quadratischen Türmen seien genannt: Namslau („Krakauer Tor“, vor 1371), Neiße („Breslauer“ und „Münsterberger Tor“, spätes 14. Jahrhundert), Guhrau („Dohlenturm“, nach 1375), Liegnitz („Glogauer“ und „Haynauer Tor“, um 1400; Abb. 476), Lüben („Glogauer Tor“) und Goldberg („Obertor“; Abb. 148). Der mächtige „Lauenturm“ in Bautzen war 1400–03 im Bau, die anderen Türme neben den Bautzener Toren erhielten ihre heutige Form erst um 1480–1520, dürften aber auf älteren Sockeln stehen. In Görlitz entstanden die massiven Rundtürme am „Nicolai-“ und „Frauentor“ wohl 1421–28 und ähnlich alt wird das „Glatzer Tor“ in Habelschwerdt sein. Auch in Brandenburg waren die Türme neben den Toren häufiger als die echten Tortürme, wobei jedoch die Anfänge vor dem 14. Jahrhundert gänzlich unklar bleiben, weil viele der Türme nicht näher datierbar sind; die zeitlich exakter fassbaren Beispiele stammen hier erst aus
dem 15. Jahrhundert. Neben Toren in Jüterbog, Burg, Salzwedel und Beeskow sind einige der schönsten Tore des Backsteingebietes zu nennen, etwa der „Mühltorturm“ in Brandenburg / Neustadt („1411“; Abb. 268) oder der eng verwandte Turm am „Hühnerdorfer Tor“ in Tangermünde (Abb. 500), wo auch das „Neustädter Tor“ im 15. Jahrhundert mit einem besonders schmuckreichen Turm versehen wurde. Die Form lief hier bruchlos bis in die beginnende Feuerwaffenzeit weiter, wie etwa das noch immer sehr schmuckreiche, aber schon rondellartige „Elbtor“ in Werben (um 1460 / 70; Abb. 101) belegt, oder auch der etwa gleichaltrige, schartenreiche „Steintorturm“ wieder in Brandenburg / Neustadt. Die scharfe Abgrenzung des Hauptverbreitungsgebietes des Turmes neben dem Tor wird am deutlichsten, wenn man bei einem kurzen Blick auf unmittelbare Nachbargebiete feststellt, dass dieselbe Form dort nur ganz selten auftritt. Das gilt etwa für Thüringen (Beispiele in Langensalza, „Jahrmarkter Tor“, und Römhild, „Untertor“), aber auch für die Backsteinregion außerhalb Brandenburgs. So findet man in Mecklenburg heute nur noch einen Turm neben einem Tor (Lenzen, „Bergtor“) und in Pommern entsprechend das „Bautor“ in Cammin, jeweils neben Tortürmen als Normalfall. Fasst man zusammen, so fällt auf, dass die Hauptverbreitungsgebiete der Torform mit danebenstehendem Turm alle im Osten des deutschen Sprachraumes liegen. Will man es wagen, trotz der durchaus lückenhaften Befunde und Datierungen eine Entwicklungshypothese vorzuschlagen, so könnte man den Ursprung der Form im Österreich des frühen 13. Jahrhunderts suchen. Von dort wäre sie dann nach Norden gewandert, um wesentlich später in Sachsen, Schlesien und Brandenburg eine große Verbreitung zu finden, während westlich davon nur ganz vereinzelte Tore dieser anderen Art im Torturmgebiet festzustellen sind, am ehesten in Franken. Die Idee dieser Verbreitung könnte allerdings nur dann überzeugen, wenn die Form auch in Böhmen weitverbreitet gewesen wäre, denn es liegt zentral zwischen den genannten Hauptverbreitungsgebieten. Leider gibt es noch keine zusammenfassende Literatur zu den böhmischen Stadtmauern; vereinzelte Darstellungen einzelner Mauern ergeben kein hinreichendes Gesamt2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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bild. Auch wenn die These von Österreich als Ursprung der Form besser belegbar wäre, bliebe noch immer ganz offen, warum man gerade hier diese Torform bevorzugte, nicht den sonst schon so früh dominierenden Torturm. 2.2.6.4. Das Doppelturmtor Das Doppelturmtor mit zumindest feldseitig runden Türmen ist wohl, auch im gesamteuropäischen Rahmen, die eindrucksvollste Form des mittelalterlichen Tores, die, ungeachtet der klaren Dominanz des Torturmes im deutschsprachigen Raum, von weniger informierten Betrachtern oft als „das“ Stadttor schlechthin angesehen wird (nicht zu verwechseln ist es mit dem gelegentlich zu findenden Begriff „Doppeltor“, der zwei Tore hintereinander meint). Grund für diese hohe symbolische Bedeutung des Doppelturmtores ist, neben der Prominenz des Lübecker „Holstentores“, fraglos eine große Anzahl städtischer Wappen, die stilisierte Tore zwischen zwei Türmen in mannigfacher Variation zeigen, unabhängig davon, ob die Stadt wirklich Tore dieser Form besaß. Der tiefere Grund für die besondere Wirkung dieser Torform liegt aber fraglos in ihAbb. 149 Köln, das „Hahnentor“ 1883, vor seiner Restaurierung, Außenansicht und Grundriss des Erdgeschosses. Die originalen Öffnungen sind unbekannt, da die Kanonenscharten erst in der Neuzeit entstanden (vgl. Abb. 107; Wiethase, Kölner Thorburgen …, 1884).
202 I. Systematischer Teil
rer bis in die Antike zurückreichenden Tradition, die auch für die Verbreitung im Wappenbild von Bedeutung war. Es ist hier nicht der Ort, die Anfänge dieser Torform aufzusuchen, die weit vor der griechisch-römischen Antike lagen; nur als Schlaglicht sei erwähnt, dass bereits das berühmte „Ischtartor“ von Babylon (Nebukadnezar, 6. Jahrhundert v. Chr.) ein Doppelturmtor war. An den Kastellen und Stadtmauern der spätrömischen Zeit waren vorspringende Türme mit gerundeten Fronten und in diesem Zusammenhang auch Doppelturmtore weitverbreitet. Von ihnen aus sind prinzipiell zwei Verbindungslinien zu den mittelalterlichen Vertretern des Typus vorstellbar. Einerseits könnten erhaltene Bauten im ehemals römischen Teil Deutschlands direkt als Vorbilder gewirkt haben (Abb. 364); andererseits könnten andere Regionen der im weiteren Sinne europäischen Welt des Mittelalters die antiken Vorbilder aufgegriffen und adaptiert haben, um dann selbst zur Anregung für das deutsche Baugeschehen zu werden. Neben Frankreich und England kommt für diese zweite, indirekte Anregung auch der Vordere Orient infrage, mit dem Europa über die Kreuzzüge in intensive Berührung kam, und wo es, im christlichen Armenien wie in den muslimischen Staaten, wahrscheinlich eine Weiterentwicklung spätantiker Befestigungsformen bis ins Hochmittelalter gegeben hat. Beim gegenwärtigen Stand der Forschung – die Fragestellung wurde bisher keineswegs besonders intensiv und schon gar nicht überregional und systematisch behandelt – wird man davon ausgehen dürfen, dass das Königreich Frankreich unter König Philippe II. Auguste (1180–1224) eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der hochmittelalterlichen Mauern mit gerundeten Flankierungstürmen (vgl. 2.2.4.6.) und damit auch der Doppelturmtore gespielt hat. Frankreich konnte – in einer Phase, in der das Land sich konsolidierte und auch militärisch erstarkte – sowohl an römische Stadtmauern und Kastelle auf eigenem Boden als auch an Erfahrungen in den Kreuzfahrerstaaten anknüpfen. Mit der Vorreiterrolle von Frankreich scheint es auf den ersten Blick gut vereinbar, dass die erste regionale Blüte des Doppelturmtores in dem dem französischen Raum benachbarten Rheinland festzustellen ist. Ausgangspunkt der
Entwicklung waren dort fraglos die Tore von Köln, die ab dem zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstanden und Anregung für zahlreiche rheinische Tore des 13. und 14. Jahrhunderts lieferten. Die Kölner Tore einfach als Ausläufer der Entwicklung im „philippinischen“ Frankreich zu verstehen, stößt jedoch auf gewisse Probleme. Zunächst einmal ist in Frankreich im Grunde nur die Mauer von Paris ein wenig älter als die Kölner Tore, und ihre Tore sahen durchaus anders aus. In Frankreich kennt man nicht jene Kombination Köln und das Rheinland zweier überwölbter Halbrundschalen mit einem gleich hohen oder gar höheren Torbau, die für Köln typisch war; dort handelte es sich vielmehr um echte, relativ schlanke Türme. In Köln hat man es daher eher mit einer lokalen Neuschöpfung zu tun, bei der ein schlichter Torbau mit dem neuen Turmtypus der Mauer kombiniert wurde, wobei eine Vorstufe oder zumindest Sonderform des Doppelturmtores entstand. Das „Hahnentor“ als Ziel des Krönungsweges von Aachen erinnert dabei mit seinen feldseitigen Rundbogenfenstern in zwei Geschossen so frappant an die spätantiken Tore von Rom, dass man ein bewusstes Zitat für möglich halten darf (Abb. 149). Die Bischofsstadt wollte hier vielleicht jene Stadt spiegeln, der das „Heilige Römische Reich“ seinen Ursprung und Namen verdankte – falls die Fenster nicht in ihrer Gänze erst der Restaurierung des späten 19. Jahrhunderts zuzuordnen sind. Die römischen Tore von Köln selbst oder anderer rheinischer Städte lassen sich dagegen als Vorbilder kaum dingfest machen, denn sie sahen mit ihren säulengezierten und meist rechteckigen Türmen entscheidend anders aus. Allenfalls ein in Neuss ergrabenes Tor des 12. Jahrhunderts mag sich im Grundriss daran orientiert haben. Als besonders frühes Beispiel eines Doppelturmtores kann man ferner ein Tor der 1171 in Aachen begonnenen Mauer diskutieren, das nach alten Darstellungen zwei Tourellen besaß – aber besaß es sie von Anfang an? Die Kölner Mauer des 13. Jahrhunderts stellte also offensichtlich eine Initialzündung dar, die den Typus des Doppelturmtores im Rheinland mit einem Schlag und ohne allzu direkte Vorbilder etablierte. Das heißt aber sicherlich nicht, dass die jüngeren Doppelturmtore im Westen
Abb. 150 Aachen, das „Marschiertor“, hier die Feldseite, ist eines der schönsten französisch geprägten Doppelturmtore in Deutschland (nach 1257 bis um 1300).
Deutschlands alle direkte Ableitungen des Kölner Modells gewesen seien; vielmehr zeigt sich weiterhin eine gewisse Variationsbreite in der Einzeldurchbildung, die Udo Mainzer in seiner Dissertation von 1973 als formale Modelle in Begriffe zu fassen suchte („Schalen“, „Flankenhäuser“, „Röhren“ usw.). In dieser Verschiedenartigkeit zeigen sich offenbar mehrere Faktoren, unter denen der etwas verspätet wirkende Einfluss der französischen Entwicklung – etwa in Metz („Deutsches Tor“, um 1225; Abb. 414), Trier („Kastilport“, Abb. 396) oder Luxemburg („Altpforte“, Ausbau um 1224 / 44?) – ebenso wie der Einfluss der Gotik zu nennen ist, der die Türme verschlankte, aber eben auch ein weiterwirkender Wille zur individuellen Gestaltung. Ein direkter Nachfolger Kölns war zweifellos die Bonner Mauer (ab 1244), weitere Fälle recht direkter Abhängigkeit sind Ahrweiler (1259 im Bau) und Münstereifel. In Neuss („Obertor“, Abb. 421) und Siegburg („Holztor“) wirkte das Vorbild der echten Doppelturmtore noch im 13. Jahrhundert in der Weise, dass vorhandene Tore um Rundtürme bzw. Tourellen ergänzt 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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wurden. Ende des 13. und im beginnenden 14. Jahrhundert werden Doppelturmtore dann am Niederrhein so häufig, dass auf Namenslisten verzichtet werden darf. Bemerkenswert ist dabei, dass oft nur ein Stadteingang diese Form erhielt, während andere Tore als Tortürme gestaltet wurden, so schon früh in Münstereifel, Ahrweiler, Mayen, Koblenz und später mit abnehmender Häufigkeit der Doppelturmtore. Offensichtlich also versuchte man, zu sparen, und beschränkte die aufwendigere, aber repräsentative Form auf den jeweils wichtigsten Zugang zur Stadt. Zu dieser Einschätzung passt auch die Tatsache, dass das Doppelturmtor weiter südlich, im armen Schiefergebirge, so gut wie völlig fehlte (Gerolstein, nach 1336?). Höhepunkte des Typus waren um 1300 die Tore in Jülich („Rurtor“) und Nideggen („Dürener Tor“) – bei gleichem Bauherrn engstens verwandt –, vor allem aber die Aachener Tore: das Abb. 151 Hainburg (Niederösterreich), das „Wienertor“ ist das einzige Doppelturmtor mit Rundtürmen in Niederösterreich (um 1225–65, später aufgestockt); als nächste Verwandte sind die Türme in Aigues Mortes (Languedoc-Roussillon, nach 1248) anzusprechen (R. Woldron).
204 I. Systematischer Teil
verschwundene „Kölntor“ und das wohlerhaltene, eindrucksvolle „Marschiertor“ (Abb. 150). In der baukörperlichen Vereinheitlichung des aufragenden Baues, in seinen perfektionierten Wurfeinrichtungen, die man vor allem bei deutschen Tortürmen weitgehend vermisst, und vielen Schlitzscharten sowie in den mehrfachen Wendeltreppen muss man wohl am Rande des französischen Sprachraumes einen erneuerten westeuropäischen Einfluss sehen, denn gerade im späten 13. Jahrhundert hatte sich besonders im England Edwards I. – besonders bei seinen walisischen Burgen –, aber auch in Frankreich (etwa Aigues Mortes, Carcassonne) eine entsprechend monumentale, teils sogar Säle enthaltende Variante des Doppelturmtors entwickelt. Außerhalb des Rheinlandes blieb das Doppelturmtor bis ins 15. Jahrhundert hinein ein seltenes Phänomen, das zudem in erstaunlicher Variationsbreite der Formen auftritt. Jenes Tor, dass sich formal an direkten französischen Vorbildern wie vor allem Aigues Mortes orientiert, findet man ausgerechnet am anderen Ende des deutschen Sprachraumes, nahe Ungarn. Die Entstehungszeit des „Wienertores“ in Hainburg ist nicht völlig geklärt, bisher wird der Zeitraum 1225–65 erwogen (Abb. 151). Das zweite österreichische Doppelturmtor, das wohl kaum ältere „Horner Tor“ in Drosendorf am Kamp, sieht mit seinen beiden quadratischen Türmen gänzlich anders aus (Abb. 13). Wieder in einer völlig anderen Ecke des deutschen Raumes, in Brandenburg, finden wir in Fürstenwerder und Reetz je ein Tor, das von zwei Wiekhäusern bzw. Rundschalen flankiert wird, das also die gängige Doppelturmtore des 13. / 14. Jahrhunderts außerTurmform der Region halb des Rheinlandes verwendet, jedoch in ganz außergewöhnlicher Zuordnung zum Tor. Und kehren wir schließlich wieder in einige Nähe zum Rheinland zurück, so gab es an der etwa 1235–50 entstandenen Mauer von Marburg / Lahn zwei Doppelturmtore („Kalbstor“, „Mainzer Pforte“; Abb. 438), die relativ schlanke Tourellen verwenden, entsprechend den gleichzeitigen Mauertürmen der Stadt – also eine Form, die man mit französischen Vorbildern zwar in Verbindung bringen kann, die aber mit ihrem Verzicht auf Innenräume doch einen weiteren Sonderfall darstellt.
Diese wenigen, über den gesamten deutschen Raum verstreuten Beispiele von Doppelturmtoren haben in den Details also nichts gemein, was über die allgemeine Formel „Tor zwischen zwei gleichartigen Türmen“ hinausgegangen wäre. Dieser Variantenreichtum macht deutlich, dass es sich bei diesen Bauten kaum um Ergebnisse eines einheitlichen „Einflusses“ handelte, sondern wirklich nur um eine Grundidee mit Vorteilen vor allem repräsentativer Art, die als solche zwar gelegentlich aufgenommen, dann aber in jeweils ortsüblichen Formen realisiert wurde. Dass dabei den Bauherren und Baumeistern die Form grundsätzlich etwas fremd blieb, zeigt eine Art von Toren, die man als Kompromiss zwischen dem gewohnten Torturm und dem Doppelturmtor verstehen muss. Auch diese Tore liegen räumlich und zeitlich weit auseinander, aber gerade das zeigt, dass der Ausgleich zwischen dem Gewohnten und dem Außergewöhnlichen sich aufdrängte. Das früheste dieser Tore ist das zwischen 1284 und 1320 entstandene Regensburger „Ostentor“, bei dem dem qualitätvoll gestalteten Torturm direkt zwei flankierende Türmchen vorgesetzt sind, die originell vom quadratischen Sockel ins Achteck übergehen (Abb. 152). Dominiert hier eindeutig der Torturm, so verlief die Entwicklung beim „Anklamer Tor“ in Friedland (Mecklenburg) eher umgekehrt: ein Torbau sollte hier anfangs – nach 1304 – von zwei (nicht vorspringenden) überhöhenden Rundtürmen flankiert werden, aber bis Mitte des 14. Jahrhunderts entschloss man sich zu einem feldseitigen Vorbau und starker Überhöhung des Mittelbaues, sodass doch wieder ein Torturm entstand, nur über ungewöhnlich dreiteiligem Grundriss (Abb. 503). Drei weitere Beispiele ähnlicher Torformen gehören bereits in die Zeit um 1400, als im Zeichen der Spätgotik ohnehin reichere Gruppierungen in Mode waren. Das vor 1398 erbaute Baseler „Spalentor“ (Abb. 128) nutzt zur Gestaltung seiner reichen Silhouette in erster Linie zwei runde, oben polygonale Ecktürmchen, die dem Torturm feldseitig vorgesetzt sind. Das „Ziegeltor“ in Amberg (nach 1400) variiert das Thema, indem es zwei normale Mauertürme so eng an den Torturm rückt, dass sie trotz fortbestehender Trennung als Gruppe wirken. Als Höhepunkt der Form ist schließlich der „Eschenheimer Turm“ in Frankfurt am Main (1426–28; Abb. 131) anzufüh-
Abb. 152 Regensburg, das „Ostentor“ (um 1300) entstand als entwurflich wirkungsvolle Kombination eines „typisch deutschen“ Torturmes mit einem Doppelturmtor.
ren, ein Werk von Madern Gerthener, einem der bedeutenden Meister der rheinischen Spätgotik. Auch hier sind verschiedenartigste Mittel angewandt, um zu einer reichen Silhouette zu kommen: ein Wechsel der Grundrissform, vorspringende Zinnenkränze, ein gemauertes Spitzdach usw. Zu ihnen gehören auch zwei polygonale Erkertürmchen, die den (älteren) quadratischen Turmsockel feldseitig bereichern und an einen Torzwinger erinnern, aber eben nicht zu einem solchen gehören. Fand man im 13. / 14. Jahrhundert Doppelturmtore in Deutschland fast nur im nördlichen Rheinland, mit seltenen Ausläufern und Mischformen im übrigen Deutschland, so erlebte diese Torform ab dem mittleren 15. Jahrhundert und bis weit ins 16. Jahrhundert hinein eine zweite Die Doppelturmtore des 15. / 16. Jahrhunderts Blüte, die nun den gesamten deutschen Raum umfasste. Vor allem die bedeutenden Beispiele im Raum von Nord- und Ostsee weisen in dieser 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Entwicklungsphase darauf hin, dass die Niederlande Ausgangspunkt der Entwicklung gewesen sind, sodass man hier wieder die Vorbildhaftigkeit westeuropäischer Formen erkennen kann; in der Tat blieb das Doppelturmtor in Frankreich und England auch im gesamten Spätmittelalter die wichtigste Torform. Aber diese Erklärung reicht allein sicher nicht aus, lässt sie doch offen, warum die ab etwa 1200 in Westeuropa verbreitete Form erst mit zweieinhalb Jahrhunderten Verspätung auf so breiter Ebene übernommen wurde. Wahrscheinlich lag ein weiterer und entscheidender Grund in der Wirkung der Feuerwaffen. Sie erforderten eine bessere Verteidigung des Vorfeldes und diese versuchte man anfangs vor allem durch die Verstärkung der Tore zu ermöglichen. Ein Rondell an der Feldseite des Torzwingers, vor dem Graben, neben dem äußeren Tor, war hier ein naheliegendes Mittel; und von dieser funktionalen Erwägung aus war es nur noch ein Schritt zur symmetrischen Verdoppelung des Rondells, die das Außentor zugleich zu einem repräsentativen Stadteingang machte. Das Lübecker „Holstentor“ (Abb. 153) war für diese Anordnung ein perfektes Beispiel, aber auch viele andere Doppelturmtore des 15. / 16. Jahrhunderts waren in Wahrheit vorgeschobene Zwingertore. Sie hatten Vorläufer auch in jenen Torzwingen und Vortoren gehabt, die ihre feldseitigen Ecken durch Erkertürmchen oder auch kleine Tourellen besetzten und damit zwar noch keineswegs Aufstellungsplätze für Ge-
schütze, wohl aber mit weit bescheideneren Mitteln eine symmetrische Betonung der äußeren Front des Tores geschaffen hatten (vgl. 2.2.7.1.). Eine gesonderte Darstellung der Doppelturmtore im Raum der heutigen Niederlande und Belgiens liegt meines Wissens noch nicht vor; Hermann Janse und Thomas van Straalen zeigen in ihrem Buch „Mittelalterliche Stadtmauern und Stadttore in den Niederlanden“ (Middeleeuwse Stadswallen en Stadspoorten in de lage landen, 1975) Varianten dieser Torform in Amersfoort, Amsterdam, Bergen op Zoom, Brügge, Delft, Haarlem, Harderwijk, Heusden, Hulst, Kampen, Maastricht, Utrecht, Zierikzee und Zwolle; dabei handelt es sich fraglos nur um eine kleine Auswahl, vor allem nach dem Kriterium der guten Erhaltung. Das nördliche Rheinland und Westfalen erscheinen daher als Ostausläufer dieses niederländischen Verbreitungsgebietes, wie man etwa an vorgeschobenen Toren in Aachen („Ponttor“; Abb. 442), Xanten (Abb. 425), Zons oder Zülpich („Weiertor“) verdeutlichen kann. In Westfalen ist das „Lüdinghauser Tor“ in Dülmen zu nennen; von weiteren Vortoren auf Außenwällen, die Doppelturmtore waren, ist leider nichts erhalten geblieben. Im Spätmittelalter waren die Niederlande bereits eine ökonomische Erfolgsregion ersten Ranges, deren Ausstrahlung entlang ihrer Handelswege hoch einzuschätzen ist; diese Wirkung ist bei den Doppelturmtoren vor allem im Ostseeraum zu erkennen. Der berühmteste und auch
Abb. 153 Lübeck, das „Holstentor“ (= Tor gegen Holstein) als wohl bekanntestes deutsches Stadttor ist gleichfalls ein Doppelturmtor, 1478 als vorgeschobenes Zwingertor jenseits der Trave erbaut. Es enthält zahlreiche Scharten für kleinere Geschütze, seine reiche Fassadengliederung diente aber vor allem der städtischen Selbstdarstellung.
206 I. Systematischer Teil
formal besonders gelungene Vertreter ist hier das 1464–78 entstandene Lübecker „Holstentor“, das den Zugang zur mächtigen Reichsstadt aus Richtung Holstein bzw. vom Königreich Dänemark her betonte (Abb. 153). Zur mehrgeschossigen Aufstellung von kleineren Geschützen vorgesehen, wirkt es feldseitig insbesondere durch seine guten Proportionen, zeigt aber stadtseitig – als Vortor stand es weit vor dem eigentlichen Tor – eine sogar noch reichere Gestaltung, die die Schaufassade des Rathauses zitiert. Östlich von Lübeck folgen in Pommern einige Beispiele dieser Torform, unter denen das „Mühlentor“ in Stargard, dessen schlanke Achtecktürme einen Flussdurchlass markieren, wohl das älteste ist (zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts; Abb. 521). Auch Köslin, Pyritz, Kolberg und Stettin wiesen um und nach 1500 Vortore auf, die Doppelturmtore waren. Größere Doppelturmtore folgen dann wieder im Ordensland Preußen. Das Danziger „Krantor“ (nach 1440), ein wohl von Anfang an als Kran genutztes Hafentor, versteckt Rechteckräume in den Rundtürmen (Abb. 527); ähnlich muss das ehemalige „Heilige-Leichnams-Tor“ (nach 1466) ausgesehen haben, während das „Milchkannentor“ (um 1517?) aus zwei ungleichen Türmen besteht. Das verschwundene Elbinger „Markttor“ (1437) und das „Hohe Tor“ im bischöflich ermländischen Heilsberg (Abb. 528) waren Vorwerke vor dem Graben; außerhalb der Stadtbefestigungen ist das Doppelturmtor der Dombefestigung in Frauenburg zu nennen. Südlich der Ostseeküste, in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, bleibt das Phänomen der Doppelturmtore auch im 15. / 16. Jahrhundert ausgesprochen selten. In Schwedt/ Oder gab es ein Tor zwischen polygonalen Türmen mit hohen Maßwerkfenstern, vor dem wohl im 16. Jahrhundert ein Vortor mit zwei Rondellen entstand. Ähnlich wie ein ebenfalls verschwundenes Pendant in Wittstock / Dosse darf man hier wohl Südausläufer der Entwicklung im Ostseeraum vermuten. Sonst nämlich findet man in Brandenburg höchstens bescheidene Erkertürmchen an der Front von Vortoren (Jüterbog, Mittenwald). Das Vortor (1553) des „Salzwedeler Tors“ in Gardelegen, in der Altmark, mit zwei kräftigen Kanonenrondellen, Zierzinnen und Sterngewölben in der Durchfahrt ist ein später Ausnahme-
Abb. 154 Büdingen (Hessen), das „Untertor“ oder „Jerusalemer Tor“ von 1503 von der Feldseite. Die beiden Rondelle dienen der Geschützverteidigung, aber die Schmuckelemente des nachträglich eingebauten, dreieckigen „Pförtnererkers“ und der Brüstung mit Blendmaßwerk bilden ein repräsentatives Gegengewicht.
fall; in ganz Brandenburg mitsamt der Altmark gab es lediglich in Gardelegen drei solcher Tore. Und noch dünner waren sie offenbar in Thüringen gesät, wo ich nur in Nordhausen ein heute verschwundenes Vortor (am „Siechentor“, wohl von 1563) finden konnte; das sonst ganz isolierte (osthessische) Tann in der Rhön von „1557“, in Renaissanceformen, darf hier ergänzt werden (Abb. 448). Begibt man sich jedoch auf die Rheinschiene und dann quer durch Süddeutschland bis hinüber nach Bayern und Österreich, so trifft man wieder mehr Beispiele der Torform. Dass die hier gewählte Bewegungsrichtung zugleich die Richtung der Ausbreitung war, ist dabei nicht zu beweisen, scheint aber nahezuliegen. In Büdingen steht mit dem „Untertor“ (oder „Jerusalemer Tor“, 1503) eines der bekanntesten Beispiele des Typs, mit kanonentauglichen Rondellen, aber auch einem wappengeziertem Erker und durchbrochener dreieckiger „Pförtnerloge“ sowie einer Blendmaßwerkattika und „zuckerhutförmigen“ Steindächern (Abb. 154). Am nördlichen Oberrhein ist das „Eiserne Tor“ in Freinsheim von „1514“ sicher eines der bedeutenden Beispiele (Abb. 413), aber es gibt auch bescheidenere Fälle wie an der Dorfbefestigung von Ober-Ingelheim oder in Jockgrim. Eine Vorstadt von Worms besaß ein Doppelturmtor in Form der „Speyererpforte“ (um 1500), zu umlau2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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fenden oder Torzwingern gehörten Doppelturmtore etwa in Steinheim / Main, in Darmstadt und Groß-Umstadt. Etwas weiter südlich dürfte das barockisierte Brückentor in Heidelberg mit seinen hohen Türmen wohl ins (frühere?) 15. Jahrhundert gehören. Weiter im Westen sind in Lothringen zwei eher wieder rondellartige Beispiele erhalten: die „Porte de Sierck“ in Rodemachern (um 1483) und ein Tor in Finstingen. Im eigentlich städtereichen Elsass mit seinen vielen Mauerresten ist dagegen kein einziges Doppelturmtor bekannt. Erst südlich davon fand man in Schaffhausen zwei Vortore dieser Form von 1592 und 1607 / 08 und ein so herausragendes Beispiel wie das Solothurner „Baseltor“ (1502–06; Abb. 215), das einen herkömmlichen Torturm mit zwei vorgesetzten Rondellen kombiniert, und zwar in wuchtiger, durch die gerundeten Brustwehren wirkungsvoll ergänzter Rustika. Weiter östlich, in Schwaben, Franken und der Oberpfalz, gab es eher verstreute Einzelbeispiele später Doppelturmtore. So besaß die Esslinger Vorstadt in Stuttgart zwei derartige Tore aus dem frühen 16. Jahrhundert, in Weißenhorn ist ein Vortor erhalten und in Kempten besaß das „Klostertor“ diese Form; das „Riedertor“ in Donauwörth (1428?) ist in umgebauter Form (1810) erhalten. Im fränkischen Bereich sind das Zwingertor am „Hirschtor“ in Wertheim (um 1500) und als sehr späte Fälle ein Vorstadttor in Prichsenstadt (um 1550–90) sowie schließlich das „Pleinfelder Tor“ in Ellingen (um 1625–63; Abb. 137) zu nennen, das wieder einmal Torturm und Doppelturmtor kombiniert, wie es seit dem Regensburger „Ostentor“ gelegentlich auftrat. In der Oberpfalz findet sich die Form ähnlich sporadisch: Das „Nabburger Tor“ in Amberg (um 1435; Abb. 368) erinnert mit seinen schlanken Türmen entfernt an das Heidelberger „Brückentor“, in Regensburg und Cham („Biertor“) gab es Zwingertore des 15. Jahrhunderts mit doppelten Türmen. Eine letzte, etwas geschlossener wirkende Gruppe später Doppelturmtore findet sich schließlich um Passau. Dort besaß ein Vortor der Innvorstadt diese Form, besser datierbar sind die Tore vor dem „Linzer Tor“ in Schärding (1429– 37) und ein Tor in Waldkirchen (ab 1451); das „Landshuter Tor“ von Neuötting ist leider kriegszerstört und nur noch ein Neubau. Weit östlich davon findet man schließlich in Niederösterreich 208 I. Systematischer Teil
ein Vortor in Krems (1480) und ein Doppelturmtor in Traismauer (Abb. 280), das als Erneuerung eines spätrömischen Tores quasi im großen Bogen zu den antiken Ursprüngen des Typus zurückführt. Zusammenfassend ergibt sich, dass das Doppelturmtor im 15. und 16. Jahrhundert – teils sogar noch im 17. Jahrhundert – in weiten Teilen des deutschen Sprachraumes wieder in Mode kam, wenn auch nicht in jeder Landschaft und auch nicht in allzu großer Dichte, sondern eher in Form kleiner Regionalgruppen. Bedenkt man jedoch, dass die Stadtbefestigungen in dieser Spätzeit ohnehin nur noch ergänzt und modernisiert wurden und dass es sich um eine durch das Aufkommen der Artillerie bedingte Übergangszeit handelte, so ist das Phänomen als solches bemerkenswert genug. 2.2.6.5. Weitere Torformen, Ausfallpforten und Wasserdurchlässe Vor dem Hintergrund der absoluten Dominanz des Torturmes im deutschen Raum ist bereits das Doppelturmtor, trotz seiner anspruchsvollen Form und seiner zeitweise weiten Verbreitung, eine Ausnahme. Es war weiterhin zu zeigen, dass auch das Mauertor und der Torbau nicht nur bescheidene, sondern auch eher seltene Formen waren – ebenso wie schließlich die Variante des Turmes nicht über, sondern neben dem Tor. Immerhin traten all diese Formen ein wenig häufiger auf, auch wenn sie mit der Verbreitung des Torturmes keineswegs mithalten konnten. Neben ihnen gab es schließlich noch weitere Formen, die hier nicht übergangen werden sollen, auch wenn es sich um Einzelfälle handelt. Das „Untertor“ (oder „Nürnberger Tor“; Abb. 155) in Lauf an der Pegnitz ist ein auffällig breiter, aber in der Relation wenig tiefer und zugleich turmartig hoher Torbau, gewissermaßen eine frei stehende Fassade. Ich konnte belegen, dass es sich dabei um einen kleineren Verwandten jener Tore handelt, die Karl IV. ab 1348 in der damals von ihm gegründeten Prager „Neustadt“ errichten ließ und die letztlich wohl auf italienische Vorbilder zurückgingen; auch Lauf wurde 1355 von Karl zur Stadt erhoben und mit einer kaiserlichen Burg ausgestattet. Vergleichbar war wohl auch das „Trierer Tor“ der Luxemburger „Wenzelsmauer“, die dem Sohn
Abb. 155 Lauf an der Pegnitz (Mittelfranken), die ungewöhnliche Form des „Untertores“ oder „Nürnberger Tores“ erinnert an Torbauten Kaiser Karls IV. in Prag; Lauf gehörte zu seinen Territorien. Der mittlere Vorbau mit dem Giebel wurde dem Tor inschriftlich erst „1526“ hinzugefügt.
Abb. 156 Tangermünde (Sachsen-Anhalt), das „Neustädter Tor“ entstand als besonders schmuckreicher Neubau mit langem Torzwinger im mittleren 15. Jahrhundert, bezog dabei aber ein Wiekhaus (rechts) der älteren Mauer mit ein.
Karls IV. zuzuschreiben ist; das ebenfalls ähnliche „Kaisertor“ in Lübeck wird nur legendär mit Karl IV. in Beziehung gesetzt. Weitere, ganz vereinzelte Beispiele ähnlich breiter Torformen, die im 14. Jahrhundert auftreten, sind offenbar nicht mit der luxemburgischen Dynastie in Verbindung zu bringen, etwa das „Spitteltor“ in Glogau (Schlesien, um 1300; Abb. 472) oder Hafentore in Thorn und Danzig. Auch das „Koblenzer Tor“ in Andernach, 1350 als neu erwähnt, war ein isolierter Versuch mit einer betont breiten, nur zwei Geschosse hohen Torform, die aber mit ganz anderen regionaltypischen Mitteln arbeitete als die Bauten Karls IV. (Abb. 105). Das reich profilierte Spitzbogentor sitzt hier nämlich in einer Front aus Buckelquadern, die von einer Brustwehr über einem Bogenfries bekrönt wird; verwandte Bauten fehlen bisher. Tore, die von zwei ungleichen Türmen flankiert werden, könnte man als nicht ganz geglückte Vorstufen „echter“ Doppelturmtore interpretieren. Die geradezu entgegengesetzte ästhetische Wirkung – nämlich eben die Betonung der Unregelmäßigkeit, nicht der Symmetrie – spricht aber
gegen diese Sehweise und auch die Tatsache, dass solche seltenen Tore woanders als die Doppelturmtore auftreten, bestätigt, dass es sich um ein anderes Prinzip handelt. Das wichtigste Beispiel ist das „Neustädter Tor“ im altmärkischen Tangermünde (Abb. 156), das ursprünglich besonders einfach gestaltet war, nämlich als Durchlass bzw. Mauertor, das von einem blendengeschmückten Wiekhaus flankiert wurde. Eben diese Einfachheit gefiel offenbar im mittleren 15. Jahrhundert nicht mehr, weswegen man einen Torbau errichtete und ihn auf der anderen Seite durch einen reich geschmückten Rundturm mit schmalerem Aufsatz (und ein Vortor) ergänzte. Das Endergebnis beeindruckt durch „malerische“ Vielfalt und reiche Ornamentik, keineswegs durch die Klarheit und Symmetrie eines einheitlich geplanten Doppelturmtores; entfernt vergleichbar war das „Zinnaer Tor“ im nahen Jüterbog. Neben den Haupttoren besaßen Stadtmauern kleine Pforten, die im Sinne der allzu militärischen Denkweise des 19. Jahrhunderts bis heute meist als „Ausfallpforten“ bezeichnet werden: Man interpretierte sie als Versuche, die Möglichkeiten der Belagerten zu Gegenangriffen („Aus2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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fällen“) zu verbessern, wobei die Unauffälligkeit solcher Durchlässe als Voraussetzung des Überraschungsmomentes verstanden wurde. Dabei blieb allerdings unreflektiert, dass die Kleinheit der Pforten ja zugleich ein erhebliches Problem für eine größere Anzahl von Verteidigern darstellte. Es sei hier nicht bestritten, dass der unerwartete Ausfall eine der Aufgaben solcher Pforten war und dass es weitere militärische Zwecke gab, wie etwa die Möglichkeit, durch eine wirklich dem Feind verborgen gebliebene „heimliche“ Pforte Boten hinein- oder herauszulassen oder etwa Lebensmittellieferungen zu empfangen. Übersehen wurde bei solchen Interpretationen allerdings ihre zivile Funktion: den Bürgern und anderen Bewohnern einen direkteren und unkontrollierten Weg aus der Stadt und in sie hinein zu eröffnen. Der Weg durch ein Stadttor zu einem Feld oder Garten vor der Mauer oder zu anderen zur Stadt gehörenden Anlagen extra Abb. 157 Kaufbeuren (Bayerisch Schwaben), eine Ausfallpforte wurde im Dreißigjährigen Krieg samt dem Türblatt mit allen Beschlägen und Schlössern vermauert und erst vor einigen Jahrzehnten wieder freigelegt. Dadurch blieb ein Befund erhalten, der überall sonst dem Moder und Rost zum Opfer gefallen ist.
210 I. Systematischer Teil
muros konnte ein erheblicher Umweg sein, ganz abgesehen davon, dass die Tore nachts verschlossen waren. Die Versuchung für die innerhalb der Mauer Wohnenden, von vornherein zusätzliche Durchgänge einzubauen oder sie nachträglich in die bestehende Mauer einzubrechen, war also erheblich. Ein frühes Beispiel ist eine Pforte in der (römischen) Mauer von Köln, durch die 1074 Erzbischof Anno vor aufgebrachten Bürgern floh; sie war kurz zuvor von einem Domherrn eingebrochen worden. Dass Mauergassen unter anderem ein Mittel waren, solche „Privatausgänge“ zu verhindern, war schon angesprochen worden (vgl. 2.2.3.5.). Ein anderes Mittel waren rechtliche Sanktionen: In Meran wurde zum Beispiel im Stadtrecht von 1317 festgehalten, dass derjenige, der „den Rinchmouer […] durchprichet wenig oder vil“, 50 Pfund zu zahlen und den Schaden wieder zu beseitigen habe. Als Gegenbeispiel gleichartiger rechtlicher Bindung sei Leoben (Steiermark) erwähnt, wo den Johannitern 1282 ausdrücklich gestattet wurde, zwei Pforten in die Mauer zu brechen. Als Beispiele weitgehend erhaltener Mauern, bei denen noch mehrere Pforten festzustellen sind, kann man Neuleiningen (Pfalz) und Murten (Schweiz) nennen. Besonders wertvoll ist eine Pforte neben dem „Blasiusturm“ in Kaufbeuren, die im 17. Jahrhundert vermauert wurde; als man sie anlässlich einer Restaurierung wieder aufbrach, fand man – ein wohl einzigartiger Fall – das alte Türblatt mit allen Beschlägen, Riegeln und Schlössern (Abb. 157). Über die bauliche Form – und ebenso über die geographische Verbreitung – von Mauerpforten ist wenig zu sagen; ihre Einfachheit ließ kaum Variationen zu und hat auch spätere Zeiten kaum je motiviert, sie zu erhalten, ganz im Gegensatz zu den repräsentativen Haupttoren. An bestimmten Stellen haben sie sich gehäuft, etwa dort, wo Hafenanlagen vor der Mauer lagen (Abb. 139); dort wird auch der „zivile“ bzw. wirtschaftliche Hintergrund der Durchlässe besonders deutlich. Sonst ist – auch bei den genannten erhaltenen Beispielen – die Lage neben Türmen typisch, die einen Angriff behindern sollte. Eine weitere Sonderform des Durchlasses waren die Anlagen am Ein- und Auslauf von Bächen oder kleineren Flüssen. Die Lage von Siedlungen an Gewässern entsprach grundsätzlich dem Wasserbedarf von Mensch und Tier und war daher
Abb. 158 Münstereifel (Nordrhein-Westfalen), links der Einlauf, rechts der Auslauf der Erft. Beide sind erhalten, sehen aber aufgrund der unterschiedlichen Breite des Flusses unterschiedlich aus (Berichte … der Provinzialkommission für die Denkmalpflege der Rheinprovinz, XV, 1910).
ganz normal, im Falle von Städten kam die Funktion der Flüsse als Handelswege hinzu. Die Wasserwege waren aber zugleich eine Möglichkeit für Angreifer, in Schiffen, Booten oder schwimmend in die Stadt einzudringen. Bei breiten Flüssen und kleineren Städten bestand die einfachste Möglichkeit darin, dass die Stadt nur einseitig am Wasser lag, sodass es zwar eine Wasserfront der Mauer gab – mit der angesprochenen Vielzahl an Durchlässen für den Hafenbetrieb –, aber keine Hindurchführung des Gewässers durch die Stadt selbst. Erstreckte sich die Stadt jedoch beidseitig eines (nicht allzu breiten) Flusses, so blieb nichts anderes übrig als Einlass und Auslass zu sperren, also eine Art Tor anzulegen. In vielen Städten findet man Nachrichten über Ketten, die angeblich bei Bedrohungen über den Fluss gezogen wurden; soweit ich feststellen konnte, ist aber nirgends etwas von einer solchen Kette erhalten oder auch nur eine genauere Beschreibung der Konstruktion überliefert. Man wird davon ausgehen müssen, dass eine solche Sperrkette von zahlreichen Schwimmern getragen wurde, da sie sonst unter die Wasseroberfläche gesunken und nutzlos geworden wäre. Eine andere Konstruktion, die bei breiteren, aber relativ flachen Flüsschen denkbar war, ist in Luzern und an anderen Stellen des Vierwaldstätter Sees und der Urschweiz archäologisch dokumentiert worden. Sogenannte Schwirren, das heißt Pfähle,
sicherten wohl schon ab dem 13. Jahrhundert den breiten Einlauf der Reuss in die Stadt. Der berühmte achteckige Wasserturm von 1339(d) diente zur Verstärkung (Abb. 71) und vor 1367 führte man einen hölzernen Wehrgang, wiederum auf Pfählen, am Turm vorbei – die berühmte „Kapellbrücke“, die die beidseitigen Stadtmauern verband und am Ausfluss durch eine zweite kürzere Brücke ergänzt wurde. Eine erhaltene Holzkonstruktion dieser Art ist begreiflicherweise eine seltene Ausnahme, denn Wasser und Brand gefährdeten etwas Derartiges allzu sehr, auch die „Kapellbrücke“ als älteste Holzbrücke Europas fiel ja 1993 einem Brand zum Opfer. Flüsse von geringerer Breite versuchte man verständlicherweise in dauerhafterer Form zu sperren, das heißt, indem man die Mauer als gewölbte Brücke herüberführte. Auch solche relativ kühnen Konstruktionen waren durch Gründungsprobleme, Feuchtigkeit, Eisgang usw. gefährdet und sind daher nicht allzu oft erhalten geblieben, aber einige durchaus spektakuläre Beispiele sind heute noch zu sehen. Das wohl älteste Beispiel ist in Weißenburg im Elsass erhalten, als Teil der 1260 als neu erwähnten Mauer aus sorgfältigen Quadern. Die Brücke ist dreibogig über den Ausfluss der Lauter geführt, wobei Nuten in den Buckelquaderpfeilern auf Fallgatter hinweisen, die in den Fluss abgesenkt werden konnten. Auch die wenig 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 159 Beispiele aufwendig befestigter Wasserdurchlässe. Links der Pegnitzauslauf in Nürnberg, mit zwei Bögen und drei Türmen, rechts der massive „Schlayerturm“ über dem Ausfluss der Eger in Nördlingen (Bayerisch Schwaben).
jüngere obere Erftüberführung in Münstereifel (Abb. 158) ist zweibogig und mit Fallgatterschlitz versehen, während die untere ein regelrechter kleiner Torbau über nur einem Bogen ist. Im 14. Jahrhundert findet man dann bei wichtigen Städten oft höheren Aufwand, indem einerseits die Ein- und Ausläufe der Flüsse durch Türme flankiert wurden und andererseits die Wehrgänge durch Wurferker ergänzt wurden. Nürnberg bietet mehrere Beispiele verschiedener Zeitstellung. Die älteste Verbindungsmauer der zwei anfangs selbstständigen Städte überbrückte Abb. 160 Freiburg im Üechtland / Fribourg, der Wassereinlass im Galterntal (um / nach 1400).
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die Pegnitz am Einlauf schon mit Bögen, denen die drei Türme, einer „1323“ datiert, als Widerlager dienten; der Auslauf war wohl nur durch einen hölzernen Wehrgang gesichert, den heutigen „Henkersteg“ beim „Wasserturm“. In der äußeren Mauer ist der eindrucksvoll dimensionierte Auslauf erhalten, dessen zwei weitgespannte Bögen sich auf den 1420–22 auf einer Insel erbauten „Schlayerturm“ stützen (Abb. 159). Über einem Bogen ist der originale Wehrgang erhalten, der andere wurde wohl im frühen 16. Jahrhundert durch eine tiefe Kanonenplattform mit Wurferkern ersetzt; um 1532 wurden auch alle drei Auflager der Überbrückung außen durch gerundete Basteien geschützt. Sehenswert ist die wohl aus dem späten 14. Jahrhundert stammende Sperre des Galterntales, eines Baches zwischen steilen Felswänden, in Freiburg im Üechtland. Türme waren hier unnötig, aber die schartenreichen Wurferker, die auch ein Tor sichern, ergeben ein malerisches Bild (Abb. 160). Als weiteres und besonders eindrückliches Beispiel sei das erst im 15. Jahrhundert entstandene „Mühlentor“ in Stargard in Hinterpommern genannt (Abb. 521). Schon die falsche Bezeichnung deutet hier die besondere Architektur an: Es handelt sich keineswegs um ein Tor, sondern vielmehr um den Auslass des Flüsschens Ihna, aber die Architektur ist die eines Doppelturmtores. Aus einem rechteckigen Unterbau mit dem
Durchlass wachsen nämlich zwei Achtecktürme, deren Zinnen über Stichbögen vorkragen und die in gemauerten Spitzdächern enden: ein hervorragendes Beispiel für die Zierfreude der Backsteinarchitektur. Schon in die Feuerwaffenzeit gehört ein Bau von 1471 in Osnabrück. An einer Ecke der Stadt, beim „Barenturm“, verläuft das Flüsschen Hase als innerer Graben vor der Mauer. Eine Brücke, die den Turm mit einem Rondell des vorgelagerten Walles verband, ist hier gleichzeitig als Streichwehr mit beidseitigen Scharten ausgebildet. Bescheidenere, vor allem turmlose Beispiele von Bach- oder Mühlkanaldurchlässen haben sich auch noch gelegentlich erhalten. Genannt seien Meisenheim (Pfalz) mit dem ehemals erkergesicherten Auslass des Mühlbaches (nach 1315), die ein- bzw. zweibogigen Durchlässe des Mühlkanals in Namslau (Schlesien; 1388), der „Ulmer Vorstadt“ von Memmingen (um 1445– 71) und der äußeren Mauer von Langensalza (Thüringen; 1464). Eine besonders kleine Anlage findet man schließlich in Wimpfen am Berg: Die Abwässer der am Hang liegenden Stadt wurden in einer Rinne gesammelt (um 1300) und durch einen kleinen Bogen in ein zum Neckar hinabführendes Tälchen entlassen.
2.2.7. Torzwinger Dass zwei Tore hintereinander mehr Schutz als eines bieten, liegt dermaßen nahe, dass die Form des Torzwingers im Grunde keiner weiteren Erklärung bedarf – es war selbstverständlich aufwendiger, zwei Tore nacheinander zu zerstören, und es bot damit den Verteidigern deutlich bessere Möglichkeiten der Abwehr. Bei frühmittelalterlichen Befestigungen waren mehrfach hintereinander gestaffelte Wälle und damit oft auch Tore durchaus häufig, bei römischen Mauern, etwa der Aurelianischen Mauer in Rom selbst, gab es schon Torzwinger im eigentlichen Sinne. Im Spätmittelalter waren die Vorteile des Prinzips also längst bekannt, und man muss sich daher fragen, wieso bei frühen Stadttoren, mindestens im gesamten 13. Jahrhundert, grundsätzlich auf Torzwinger verzichtet wurde. Ein Torzwinger verursacht natürlich Zusatzkosten und offensichtlich schätzte man anfangs und für erhebliche Zeit die Gefährdung der Tore
nicht so hoch ein, dass man diese Kosten für unumgänglich hielt. Daraus ergibt sich die Frage, welcher Fortschritt der Angriffstechnik zum Auf-kommen und der beachtlichen Verbreitung von Torzwingern im Spätmittelalter geführt haben mag. Eine naheliegende Antwort ist hier wie so häufig der Verweis auf das Auftreten der Feuerwaffen und, wenn man von deren ersten spektakulären Einsätzen im mittleren 14. Jahrhundert ausgeht, dann passt dies durchaus zu dem etwas späteren Aufkommen der Torzwinger (vgl. 2.2.7.1.); genau kann man den Zeitpunkt dieses Aufkommens nicht fixieren, weil exakt datierte Torzwinger selten sind. Unterstellt man jedoch die Richtigkeit dieses Zusammenhanges, dann käme es hierbei nicht auf das Aufkommen der Pulvergeschütze, sondern – deutlich einfacher – auf die Sprengwirkung von Pulverladungen an. Bedeutete zuvor das Einrammen, Aufbrechen oder Verbrennen der massiven und oft eisenbeschlagenen Torflügel einen hohen Aufwand, was zudem nur unter ständiger Bedrohung durch die Verteidiger möglich war, so konnte nunmehr eine Sprengladung mit etwas Glück und etwa im Schutz der Nacht in einer schnellen Aktion an das Tor gebracht werden und zerstörte dieses im wahrsten Sinne des Wortes auf einen Schlag. Diese Gefahr war von völlig neuer Art und erzwang es geradezu, hinter dem für Zerstörung anfälligen ersten Tor ein zweites anzuordnen, um das Eindringen des Angreifers in die Stadt unmittelbar nach der Sprengung zu verhindern. Diese These zur Entstehung und schnellen Verbreitung von Torzwingern ist nicht quellenmäßig zu belegen; selbst wenn eine historische Untersuchung zum Thema je angestellt worden wäre, müsste doch bezweifelt werden, dass die Quellen hinreichend viele und hinreichend exakte Angaben zu Belagerungen und Eroberungen des 14. Jahrhunderts bereitstellen. Wir kommen daher nicht über eine These hinaus, die sich aus funktionalen Erwägungen und der ungefähren Gleichzeitigkeit zweier Phänomene ableitet. Der Schutz durch ein inneres Tor, im Falle der Zerstörung des äußeren, beschreibt jedenfalls die Funktion von Torzwingern realitätsgerechter als die Vorstellung vom „Fanghof“, die in der älteren Literatur verbreitet war und gelegentlich in der regionalen Literatur überlebt hat. Nach dieser 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 161 Wolframs-Eschenbach (Mittelfranken), das Vortor des „Oberen Tores“ ist wenig verändert erhalten; nur die Zugbrücke und die Dächer der Wehrgänge fehlen.
Abb. 162 Weißenburg (Mittelfranken), die Zierformen auf dem Vortor (um 1510) des „Ellinger Tores“, in denen sich spätestgotische und Renaissanceformen mischen, gehören zu den reichsten Gestaltungen an derartiger Stelle; die Wappen der Stadt und des Reiches sind weit üblicher (H.-H. Häffner).
214 I. Systematischer Teil
Idee hätten sich die Angreifer nach Aufbrechen des äußeren Tores unerwartet im Zwinger gefangen gefunden und wären von den Mauern herab, die sie nun allseitig umgaben, von den Verteidigern beschossen und getötet worden. Das ist jedoch eine in mehreren Punkten widersinnige Vorstellung. Zunächst einmal dürften die Angreifer in der Regel von der Existenz des inneren Tores gewusst haben, denn sein Vorhandensein entsprach allgemeiner Erfahrung; dass ein massenhafter Sturm durch das zerstörte Außentor nur ins Chaos führen konnte, war also vorhersehbar. Hätte man es trotzdem versucht, wäre der Rückzug durch das zerstörte Außentor ja dennoch möglich gewesen, wenn auch unter Verlusten. Noch eindeutiger gegen die „Fanghof“-These spricht jedoch die bauliche Gestaltung der Wehrgänge im Zwinger. Die Brustwehren sind nämlich in so gut wie allen erhaltenen Fällen – und das sind durchaus nicht wenige – ausschließlich zur Feldseite gerichtet, nicht gegen das Innere des Zwingers. Damit ist klar, dass Torzwinger nicht mehr zu verteidigen waren, sobald der Angreifer einmal in sie eingedrungen war; auf Ausnahmen von dieser Regel, die eher als vereinzelte Experimente erscheinen, bleibt zu kommen (vgl. 2.2.7.3.). 2.2.7.1. Das Vortor Als „Vortor“ bezeichne ich die in Deutschland häufigste und kleinste Form des Torzwingers, nämlich einen rechteckigen Hof, der innen kaum breiter als der Torturm war, und auch kaum tiefer, der sich also im Grundriss einem Quadrat näherte (Abb. 161). Sein Tor lag etwa axial vor dem inneren Tor – also nicht seitlich versetzt oder gar im rechten Winkel dazu –, die drei Mauern waren meist niedriger als die Stadtmauer, an die sie beidseitig anschlossen, und trugen Wehrgänge; seitliche Pforten zum anschließenden Zwinger vor der Stadtmauer waren häufig. Typischer Bestandteil des Vortores war auch die Zugbrücke und es ist durchaus zu erwägen, ob die Unterbringung dieser Art von Brücke nicht ein Faktor war, der die Bauform des Vortores überhaupt erst hervorgebracht hat; diese Frage wird noch gesondert behandelt (vgl. 2.2.7.2.). In der ortsbezogenen Literatur wird oft der Begriff „Doppeltor“ verwendet, womit jede Form gemeint ist, bei der zwei verschließbare Tore hintereinanderlagen,
also meist ein Tor mit Vortor, aber auch aufwendigere Torzwinger oder Barbakanen. Vortore waren eher unaufwendige Bauten und es verwundert daher nicht, dass sie relativ häufig waren. Lediglich bei sehr kleinen Städten blieben sie offensichtlich selten, wohl, weil diese im Spätmittelalter ganz allgemein kaum noch die Mittel für Modernisierungen hatten. Bei größeren und mittleren Städten spiegelte sich ein Unterschied in der wirtschaftlichen Potenz nicht so sehr im Vorhandensein oder Fehlen der Vortore selbst, sondern eher darin, ob diese Teile eines umlaufenden, mit Streichwehren versehenen Zwingers waren oder ob sie vor den Toren einer sonst zwingerlosen Mauer standen; ein umlaufender Zwinger erforderte nun einmal den vielfachen Bauaufwand von zwei oder drei Vortoren. In Bayern beispielsweise finden wir Vortore als Bestandteile umlaufender Zwinger in den wichtigeren, meist landesherrlichen Städten München, Landsberg am Lech, Landshut, Straubing, Passau und Eichstätt; isolierte Vortore findet man dagegen in zweitrangigen Städten wie Mühldorf, Schrobenhausen, Traunstein und Vohburg. Allein das bedeutende landesherrliche Ingolstadt besaß keinen umlaufenden Zwinger und fiel damit aus der Reihe. Obwohl die Anlage von Vortoren natürlich in erster Linie defensiv begründet war, kam ihnen unvermeidlich auch eine repräsentative Funktion zu, weil sie nun einmal der erste Bauteil waren, den jeder Ankömmling sah. Es drängte sich folglich auf, sie mit einer Art Fassade zu versehen, und dies ist tatsächlich recht häufig geschehen, wenn auch mit bescheidenen Mitteln. Vortore besaßen durch die mittige Anordnung des Tores – oder von Tor und Fußgängerpforte – von vornherein eine Tendenz zur Symmetrie, die durch den dahinterstehenden, alles überragenden Torturm noch verstärkt wurde. Es lag nahe, diese Symmetrie fortzuentwickeln, und dafür bot sich, neben der Anordnung von Schießscharten und reiner Ornamentik, vor allem die Betonung der beiden feldseitigen Ecken an, entweder durch Erker am Wehrgang oder durch kleine „Ecktürme“. Dabei war der Übergang zwischen beiden Formen fließend, denn die Eckerker konnten auf Strebepfeilern aufsitzen und dann türmchenartig wirken und die echten Ecktürme blieben in der Regel recht klein.
Abb. 163 Ingolstadt, das „Kreuztor“ von 1385, die Feldseite im heutigen Zustand (vgl. Abb. 102).
Auch die gelegentlich anzutreffende symmetrische Anordnung frontaler Schießscharten war keine Ornamentik im eigentlichen Sinne und ebenso wenig die Anordnung von Wappen, die primär Herrschaftszeichen waren. Reiner Schmuck beschränkte sich letztlich auf Bogenfriese in regional üblichen Formen – rundbogig im Rheinland, kielbogig etwa in Memmingen und bei anderen Vortoren Bayerisch Schwabens. Wenn man einmal, wie zum Beispiel am Zwinger des „Fürther Tores“ in Lindenfels im Odenwald (um 1500; Abb. 444), neben dem gekehlten Torgewände und dem Wappen einen Wurferker mit Fratzenkonsolen oder gar maßwerkartige Verzierungen wie am „Ellinger Tor“ in Weißenburg (Abb. 162) findet, so waren dies seltene Ausnahmen. Vortore waren generell im süddeutschen Raum verbreitet, kaum im Norden, und dies gilt auch für die Beispiele mit Eckerkern. 1385 entstand 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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das Vortor des besonders gelungenen Ingolstädter „Kreuztores“, das runde Erkertürmchen auf Maßwerkfriesen besitzt (Abb. 163). Noch älter dürfte – auf die Datierung ist zurückzukommen – das Vortor des „Weißen Turms“ in Nürnberg sein, wie überhaupt Franken mit seinen vielen gut erhaltenen Mauern etliche erhaltene Beispiele mit eckigen wie runden Erkern aufweist. In Rothenburg und Dinkelsbühl findet man mehrere Bauten der Art, erwähnenswert sind auch die beiden Haupttore in dem kleinen Wolframs-Eschenbach (Abb. 161) und das „Einersheimer Tor“ in Iphofen (Abb. 383). Ein später Höhepunkt, mit komplexer Form der Erker und nachträglicher Renaissanceornamentik, ist das erwähnte „Ellinger Tor“ in Weißenburg (Abb. 162). Als spätes Beispiel noch weiter südlich – einzelne Fälle gibt es auch in Bayerisch Schwaben – sei der 1865 zerstörte „Christoffel“ in Bern genannt, dessen ungewöhnlich großes, mit zwei Wehrgängen und Achteckerkern versehenes Vortor 1487 / 88 entstand. Die Vortore mit echten Türmen lassen dasselbe Schwergewicht in Bayern und im alemannischen Raum erkennen. Eindrucksvolle Beispiele von geräumigen Vortoren, die wie breit gelagerte Doppelturmtore wirken, fand man in München, wo sie mit dem umlaufenden Zwinger 1435–65 entstanden; die Türme waren hier rechteckig, rund oder achteckig, stets aber symmetrisch zur Toröffnung (Abb. 164). Auch das innere Vortor Abb. 164 München, das „Isartor“ ist als einziges Münchener Tor noch weitgehend erhalten, wenn auch in der Umgestaltung durch Friedrich von Gärtner, bei der die fünf Tore entstanden (1833). Der Tortum gehört zur 1315 begonnenen Mauer, die achteckigen Türme zum Zwinger (etwa 1435–65).
216 I. Systematischer Teil
des „Bayertores“ im nahen Landsberg am Lech (Abb. 121) orientierte sich offenbar am Münchner Vorbild. Sonst wirken die bayerischen und schwäbischen Beispiele turmverstärkter Vortore wie isolierte Einzelfälle ohne Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Zu erwähnen sind – von Osten nach Westen – das „Untere Tor“ in Straubing mit Rundtürmen, das „Obere Tor“ in Neuburg an der Donau sowie zwei besser datierte Beispiele: das reich ornamentierte „Obertor“ in Weißenhorn (1486 / 92; Abb. 355) und das gleichnamige Tor in Pfullendorf („1505“; Abb. 347); ein entsprechender Bau in Schrobenhausen ist abgegangen. Das einfache Vortor ohne Ecktürme oder -erker war die sparsamste Form und damit begreiflicherweise die am stärksten verbreitete. In der Schweiz ist als besonders schönes Beispiel jenes am Basler „Spalentor“ mit Zierzinnen über Maßwerkfries zu nennen (1473, Architekt Jakob Sarbach; Abb. 128). In Chur hat es offenbar ein „1538“ datiertes gegeben, ein weiteres steht noch in Mellingen, jedoch sind die meisten Beispiele nur noch indirekt belegt. Ähnlich sieht es im südwestdeutschen Raum aus, wo zahlreiche Beispiele in Bayerisch Schwaben, Oberschwaben, in Neckarland und in Baden belegbar sind, aber nur wenige erhalten; im Elsass fehlten sie offenbar gänzlich. Als erhaltene Beispiele sind zu nennen: das „Einlasstor“ in Mindelheim (wohl vor 1469), „Ulmer Tor“ und „Einlass“ (1475) in Memmingen, das „Kalkweiler Tor“ in Rottenburg und das (umgebaute) „Baldinger Tor“ in Nördlingen (1406). Auch in Altbayern waren Vortore recht häufig, wie schon aus den angeführten Listen der Vortore hervorgeht, die mit umlaufenden Zwingern verbunden waren oder eben nicht. Neben den hier nicht seltenen, oben schon erwähnten Vortoren mit Ecktürmen oder -erkern sind auch einige Beispiele der turm- und erkerlosen Art in Traunstein, Passau („Severinstor“), Landshut („Burghauser Tor“), Straubing („Spitaltor“, in der Gestalt des 17. Jahrhunderts) und Vohburg („Auentor“) erhalten. (Mittel-)Franken bietet allein schon in Rothenburg und Dinkelsbühl eine schöne Auswahl erhaltener Vortore, die allerdings regionaltypisch fast alle mit Eckerkern versehen sind. Einfachere Vortore sind etwa in Nürnberg („Weißer Turm“) erhalten, auch in Wolframs-Eschenbach („Obertor“) oder Weißenburg („Ellinger Tor“; Abb. 162,
379), Spalt (zwischen 1464 und 1496) und Greding (zwei Vortore von 1490 und 1496). In Unterfranken ist vor allem das „Einersheimer Tor“ in Iphofen mit seiner Buckelquaderfront und runden Eckerkern erwähnenswert (Abb. 383), in Württembergisch Franken gibt es Vortore nur noch in Schwäbisch Hall („Langenfelder Tor“, „Weilertor“) und in den sehr kleinen Städten Krautheim und Langenburg. Außerhalb des süddeutschen Raumes waren Vortore nach dem heutigen Befund ausgesprochen selten. Im Rheinischen Schiefergebirge konnte ich nur zwei Beispiele in Andernach und Wittlich feststellen, weiter nördlich eines in Zülpich. Im hessischen Raum ist ein Rest mit rundem Eckerker in Münzenberg zu erwähnen, in Lindenfels der etwas unregelmäßige Zwinger vor dem inneren „Fürther Tor“ (Abb. 444), sonst fehlte der Typus offenbar völlig. In Sachsen, von dessen Befestigungen nur wenig erhalten ist, scheint es vereinzelt Vortore gegeben zu haben, jedoch standen hier die Barbakanen als wesentlich größere Anlagen im Vordergrund. Und ganz im Nordosten des deutschen Raumes, im Ordensland, konnte ich lediglich ein einziges kleines Vortor in Strasburg feststellen, während Torzwinger, gleich welcher Größe, dort sonst völlig gefehlt zu haben scheinen. Soweit dieser kleine Überblick es erkennen lässt – vertiefende Forschung mag das Bild hier oder dort durchaus ändern –, waren Vortore also ganz unterschiedlich verbreitet, mit Schwergewicht im Süden des deutschen Raumes. Ein Hauptgrund für die Seltenheit dieser sparsamsten Torzwingerform im Norden Deutschlands mag darin gelegen haben, dass die Stadtbefestigungen im Flachland generell anders strukturiert waren. Das galt nicht für die Mauer selbst und für die Tore, wohl aber für die vorgelagerten Gräben, die hier, bei meist sandigen Böden, in der Regel mehrfach hintereinandergestaffelt waren. Diese Tiefe der Annäherungshindernisse legte es zumindest nahe, auch dem Torzwinger eine lang gestreckte Form in voller Tiefe des Grabensystems zu verleihen (vgl. 2.2.7.3.). Dadurch wurde einerseits das äußere Tor weit vor das Haupttor herausgerückt und hielt den Angreifer weit von der Mauer entfernt, andererseits konnten die langen, in der Regel schartenreichen Seitenmauern des Torzwingers die
Abb. 165 Greding (Mittelfranken), auf das Vortor (wohl 15. Jahrhundert) des „Eichstätter Tores“ wurde später ein Wohngeschoss gesetzt.
Gräben und Wälle effektiv flankieren. Diese funktionalen Überlegungen sind nicht wirklich zwingend, hätte man doch sehr wohl ein kleines Vortor direkt vor dem Torturm und dann noch einen zweiten, langen Zwinger davor anordnen können. Aber es liegt doch nahe, dass sich die lange Zwingerform aus den Gegebenheiten des tief gestaffelten Grabensystems entwickelte, sodass die Form des kurzen Vortores in der betreffenden Region als unnötig angesehen und nicht rezipiert wurde. Als gewisse Bestätigung solcher Gedanken darf man das Elsass anführen, die offenbar einzige „süddeutsche“ Region, in der man keine Vortore findet; die meisten elsässischen Städte liegen nämlich in der flachen Oberrheinebene und besitzen typischerweise keine Zwinger, sondern Außenwälle und entsprechend doppelte Gräben. Die Entstehungszeit der Vortore ist natürlich in vielen Fällen nicht sicher feststellbar, aber da 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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wir uns mit diesem Bauteil im Spätmittelalter befinden, gibt es doch etliche Beispiele, die durch Schriftquellen oder Bauinschriften datiert sind und damit einen Orientierungsrahmen bieten; viele wurden schon genannt. Das Vortor am Nürnberger „Weißen Turm“ kann nicht allzu lange nach 1346 entstanden sein, denn in diesem Jahre wurde die äußere Stadtmauer begonnen, die eine Verstärkung des zur inneren Mauer gehörenden „Weißen Turmes“ obsolet machte. Mit dem besonders gut gestalteten Vortor des Ingolstädter „Kreuztores“ (Abb. 163), das zusammen mit dem Torturm 1385 entstand, sind die datierten Bauten der Zeit vor 1400 schon genannt. Die große Zeit der Vortore war fraglos erst das 15. Jahrhundert, aus dem ich 15 sicher datierte Beispiele fand, beginnend mit dem Vorstadttor in Miltenberg (1403 / 05), dem Nördlinger „Baldinger Tor“ (1406) und dem inneren Vortor des „Bayertores“ in Landsberg am Lech (1422–25; Abb. 121) und endend mit dem „Obertor“ von Weißenhorn (1486 / 92; Abb. 355), dem Berner „Christoffel“ (1487 / 88) und den Vortoren in Greding (1490 und 1496). Dazwischen lagen unter anderem so bedeutende Beispiele wie die monumentalen Vortore der äußeren Mauer von München (1435–65), das immer wieder abgebildete „Rödelseer Tor“ in Iphofen mit seinem malerischen Fachwerkausbau von 1455 / 66 (Abb. 170) oder das schmuckreiche Basler „Spalentor“ (1473; Abb. 128). Und auch im 16. Jahrhundert setzen die Beispiele keineswegs aus: das „Fürther Tor“ in Lindenfels (um 1500; Abb. 444) ist etwa zu nennen, das „Ellinger Tor“ in Weißenburg in Mittelfranken (1510; Abb. 162) oder das „Obere Tor“ in Neuburg an der Donau, ein regelrechtes Doppelturmtor (vor 1546). Wenn das Vortor des einzigen Stadttores in Langenburg in Hohenlohe wirklich 1612 entstanden sein sollte, wie es scheint, so bildet es den Schlusspunkt des Themas. Man muss also zusammenfassen, dass Vortore eine Bauform waren, die sich – vor 1400 noch kaum nachweisbar – vor allem im 15. Jahrhundert verbreitet hat und die mit dem Aufkommen der Renaissance im Wesentlichen auslief. Ab dem 16. Jahrhundert wurde es in den dicht bebauten Städten üblich, die Wehrgänge zu entfernen und auf das in seiner Größe gut dafür geeignete Vortor ein durchgehendes Obergeschoss aufzusetzen, oft wohl anfangs als Wohnung 218 I. Systematischer Teil
des Torwärters. Das Vortor gewann dadurch ein hausartiges Aussehen und ist heute oft gar nicht mehr als verteidigungsfähiger Bau zu erkennen. Mehrere anschauliche und gut datierte Beispiele dieses sehr typischen Umbaues findet man etwa in dem kleinen und malerischen Greding nahe der Altmühl (Abb. 165); dort entstanden die Vortore in den 1490er Jahren, die aufgesetzten „Häuschen“ schon um 1560–90, wie das Wappen des eichstättischen Bischofs Martin von Schaumberg bezeugt. 2.2.7.2. Die Zugbrücke Zugbrücken – im Normalfalle ihrer Zerstörung heute meist noch erkennbar an der flachen Rechteckblende um das Tor – sind entgegen gewissen Klischeevorstellungen an Tortürmen bisher nur als Ausnahmefall nachweisbar; nur bei wenigen Tortürmen des 15. Jahrhunderts, die bereits durch Feuerwaffen geprägt sind, findet man sie gelegentlich (Abb. 145). Wie ist dieses Fehlen an dem häufigsten Tortypus des deutschsprachigen Raumes zu erklären? Zugbrücken des 12. bis frühen 14. Jahrhunderts mögen anfangs Bestandteile der Brücken vor den Toren gewesen und später mit diesen witterungsanfälligen Holzkonstruktionen verschwunden sein. Dass Zugbrücken im deutschen Raum schon im 12. Jahrhundert bekannt waren, ist etwa durch die um 1170–90 entstandene Eneide des Heinrich von Veldeke belegt, wo eine Brücke „uf gizogen“ wird; und die Slawenchronik des Helmold von Bosau erwähnt schon 1159 / 60 eine Torbrücke, die mittels einer Kette gehoben wurde. An Bauten freilich – auch an Burgen, denn das „Löwentor“ der Hohkönigsburg, das man um 1900 für „frühromanisch“ hielt, ist längst als Werk des 15. Jahrhunderts erkannt – sind romanische Zugbrücken bisher unbelegt. Die ältesten Zugbrücken im deutschen Raum, die baulich belegt sind, konnten durch Jens Christian Holst am Torhaus der Burgen in Burg Stargard und in Wredenhagen (beide Mecklenburg) festgestellt werden; beide entstanden wohl knapp vor 1300. Nimmt man dazu das „Anklamer Tor“ in Friedland, das in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts – wohl bald nach 1300 – mit einem flachen Vorbau für die Zugbrücke versehen wurde, so möchte man die Frage stellen, ob nicht die Verbreitung der Zugbrücke primär von
diesem norddeutschen Raum ausging. Denn er hatte aus slawischer Zeit, die ja erst im 12. Jahrhundert durch die deutsche Kolonisation zu Ende ging, eine starke Tradition des Holzbaues, aus der eine Konstruktion wie die Zugbrücke gut hervorgegangen sein könnte. Aber dies kann nur eine erste Überlegung sein, die zudem nur zum kleineren Teil mit einer Stadtbefestigung zu tun hat. Generell liegen bisher an Stadtbefestigungen kaum gesicherte Daten für das Aufkommen der Zugbrücken vor; sie sind praktisch immer nachträgliche Ergänzungen bestehender Bauten gewesen und solche Ergänzungen wurden in den Schriftquellen kaum je mit der erforderlichen Eindeutigkeit erfasst. Erhalten sind in der Regel lediglich die typischen flachen Rechteckblenden um die Toröffnung, oft auch die Löcher in deren oberen Ecken, durch die die Seile oder Ketten geführt waren, oder die Schlitze in der Mauer über dem Tor, in denen sich die Wippbalken / Schwungruten der entsprechenden Zugbrückenart bewegten. Die Holzteile der eigentlichen Brücke fehlen so gut wie immer – gut erklärlich, denn diese stark belasteten und der Witterung ausgesetzten Bauteile wurden häufig repariert und erneuert und schließlich fast immer beseitigt, um nach dem Funktionsverlust der Befestigungen den Verkehr einfacher und sicherer zu machen; wenn man heute das Gefühl hat, dass Zugbrücken vielfach erhalten seien, so ist das nur zu einem kleinen Teil durch Originale in neuzeitlichen Festungen begründet, vor allem aber durch Rekonstruktionen aus der Zeit des Historismus. Immerhin gibt es Einzelfälle wie die ergrabenen Brückenreste vor der „Porte de Lausanne“ in Freiburg im Üechtland, deren Holzteile in die lange Zeit von 1290 bis 1515 datiert werden konnten. Dies belegt jedoch kaum die Existenz der Brücke bereits im Jahre 1290, sondern eher die Verwendung von Holzmaterial verschiedenster Herkunft bei der laufenden Instandhaltung. Selbst an sich geringe Überreste der hölzernen Konstruktion wie etwa die kleinen Holzrollen zur Führung der Zugseile, die am „Oberen Tor“ in Leutershausen in Franken erhalten blieben, sind heute seltene und wertvolle Ausnahmefälle (Abb. 166). Die archäologische Feststellung von hölzernen Brückenresten, wie sie etwa in Brandenburg häufiger gelang, hilft für die Frage der
Abb. 166 Leutershausen (Mittelfranken). Die hölzernen Rollen für die Seile oder Ketten der Zugbrücke sind nur noch sehr selten erhalten, wie hier am Vortor des „Oberen Tores“.
Zugbrücken generell wenig, denn den Pfahlresten kann man kaum ansehen, ob sie eine feste oder eine aufziehbare Brücke trugen. Eine Überlegung, die im Zuge künftiger Forschung noch vertieft werden sollte, weil sie sowohl das funktionale Verständnis spätmittelalterlicher Befestigungen verbessern als auch bei der Datierung der Zugbrücken weiterhelfen kann, betrifft den Zusammenhang der Vortore und der Zugbrücken. Die ab der Mitte des 14. Jahrhunderts, vor allem aber im 15. Jahrhundert, häufigen Vortore, die im vorigen Abschnitt behandelt wurden, waren geradezu standardmäßig mit Zugbrücken versehen, ganz im Gegensatz zu den Tortürmen selbst. Man muss sich daher fragen, ob nicht eben die Aufnahme der Zugbrücke eine weitere, wenn nicht geradezu die Hauptaufgabe der Vortore gewesen ist! Wir hatten oben argumentiert, dass ein zweites Tor vor dem Haupttor primär der Verhinde2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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rung feindlicher Annäherung an das Haupttor diente und dass diese Annäherung weitaus gefährlicher wurde, als Schießpulver für Sprengungen zur Verfügung stand. Eben diese Argumentation spricht aber nun auch für Zugbrücken, und zwar in fast noch überzeugenderer Weise. Denn Zugbrücken verbinden die Notwendigkeiten eines ständigen Verkehrsflusses in idealer Weise mit der Möglichkeit, das Haupttor notfalls binnen Sekunden unerreichbar zu machen. Vor diesem argumentativen Hintergrund darf man wohl die These wagen, dass die so ungemein häufige Form des Vortores nicht nur als Minimalform eines Zwingers zu verstehen ist, sondern zugleich und von allem Anfang an eben auch als solide und dauerhafte Konstruktion zur Anbringung einer Zugbrücke! Die ungefähre Gleichzeitigkeit der drei Innovationen – Schießpulver, Vortor, Zugbrücke – passt jedenfalls bruchlos zu dieser Überlegung. Dass es verschiedene Konstruktionsformen der Zugbrücke gab, ist hinreichend oft beschrieben worden; ein Blick in Pipers Burgenkunde reicht aus. Als konstruktiv einfachste Form erscheint jene, bei der Seile oder Ketten über Rollen ins Innere der Anlage geführt wurden, wo sie wahrscheinlich in Gegengewichten, kaum in handbetriebenen Winden endeten. Mindestens ähnlich häufig war wohl die Form mit Wippbalken: In Schlitzen oberhalb des Tores ruhten Balken, deren vorderes Ende durch mehr oder minder senkrechte Ketten mit dem äußeren Ende der Zugbrücke verbunden war, während das hintere Ende Gegengewichte trug; solange man die Gegengewichte oder das vordere Brückenende fixierte, war die Brücke nutzbar, nach Lösung der Fixierung konnte man die Brücke mit geringem Kraftaufwand hochziehen. Bei der dritten Konstruktion waren die Gegengewichte direkt am hinteren Ende einer Brücke befestigt, die hinter der Toröffnung bzw. der Achsenlagerung genauso lang war wie davor. Diese Form erforderte eine tiefe Grube hinter dem Tor, die heute in der Regel verfüllt ist. Im Spät- und vor allem Nachmittelalter, das heißt im Festungsbau, war meinem Eindruck nach die Form mit Wippbalken besonders verbreitet, was im Grundsatz verständlich ist. Diese Form kommt ohne allzu feine Teile wie kleine Holzrollen aus, die verklemmen oder verschlei220 I. Systematischer Teil
ßen können, aber auch ohne Gruben, die sauber gehalten werden mussten. Wie allerdings die Entwicklung im Spätmittelalter verlief, ob die Formen etwa nacheinander entstanden, gegebenenfalls in welcher Reihenfolge und wann genau, ist bisher mangels datierter Fälle nicht einmal ansatzweise zu beantworten; und angesichts des wenigen originalen Holzes, dass von älteren Zugbrücken erhalten ist, wird es dabei wohl auch bleiben. 2.2.7.3. Größere Torzwinger Neben dem Vortor als Minimalform eines Torzwingers gab es vor Stadttoren durchaus auch geräumigere Zwinger. Ihre Entstehungszeit ist generell ebenso schwer zu fassen wie jene der Vortore, lag aber offenbar ungefähr parallel zu ihr; erste Beispiele gehören ins späte 14. Jahrhundert, die Blütezeit lag klar im 15. und frühen 16. Jahrhundert. Auch die genaue Funktion solch größerer Torzwinger ist a priori schwieriger als jene der baulich viel stärker vereinheitlichten Vortore zu bestimmen. Der größere Innenraum konnte durchaus verschiedenartige Funktionen aufnehmen, sodass der Begriff „größere Torzwinger“ nicht eigentlich einen Typus erfasst, sondern nur eine Sammelbezeichnung für formal und funktional recht verschiedene Anlagen darstellt. Dass die Verdoppelung der Tore einen direkten Angriff auf das Haupttor verhindern sollte, galt schon für die kleinen Vortore, es erklärt aber eben nicht, warum manchmal zwischen beiden Toren mehr Raum gelassen wurde. Eine beliebte Erklärung der älteren, noch stark von militärischem Denken bestimmten Literatur bestand darin, man habe im Zwinger eine Ausfalltruppe versammeln wollen, die dann über den Belagerer herfallen konnte, ohne dass man das Risiko eingehen musste, das Haupttor zu öffnen. Inwieweit so etwas stichhaltig ist, muss den Militärhistorikern bzw. den Aussagen der Quellen überlassen bleiben; man hat zumindest Probleme, sich einen so raschen Gegenstoß der überraschten Belagerer vorzustellen, dass ein Schließen des (Haupt-)Tores nicht mehr möglich gewesen sein sollte. Näher liegt meines Erachtens daher die Idee, auch in größeren Zwingeranlagen vor allem eine Folge des Aufkommens der Feuerwaffen zu sehen. Ein ausgedehnter Zwinger schob die Position der Verteidiger weit gegen den Angrei-
fer vor, unabhängig davon, ob er nun feldseitig nur von einem Torbau oder doch von stärkeren Bauten für Artillerie abgeschlossen wurde, etwa einem Rondell. Insbesondere verbesserte der Zwinger dann die Position der Belagerten, wenn er die vorgelagerte Grabenzone überschritt, also in gewisser Weise einen „Bruckenkopf“ schuf. Nicht wenige scheinbare Torzwinger erweisen sich auch bei genauer Betrachtung als etwas durchaus anderes, indem sie nämlich nicht nur den Weg zum (inneren) Stadttor sicherten, sondern eine eigenständige Funktion aufnahmen; sie seien hier angesprochen, weil sie im Folgenden nicht mehr erwähnt werden. So besaßen etwa ummauerte Zollstellen in aller Regel ein Tor zum Fluss und eines in der Stadtmauer, sodass sie rein grundrisslich als großer Torzwinger erscheinen konnten; aber in Wahrheit waren solche Zollstellen ein eigener Bereich, der nur bedingt einem Durchgangsverkehr diente, sich aber vor allem auch gegen die Stadt abschloss (gut erhaltene Beispiele etwa in Höchst am Main und Bacharach am Rhein; vgl. 2.2.10.3.). Auch andere Bauten oder Anlagen, die direkt vor der Stadt lagen, konnten in Sonderbefestigungen einbezogen werden, die den Eindruck eines sehr großen Torzwingers erweckten, sofern eine Ausfallstraße der Stadt hindurchführte. So umfasste etwa der heute verschwundene Zwinger vor dem „Schweidnitzer Tor“ in Breslau die Kreuzherrenkommende und eine Gruppe von Kirchen und Kapellen. Und dass man es hier schon fast mit einer Übergangsform zur Vorstadt zu tun hat, kann der „Kappenzipfel“ in Rothenburg ob der Tauber zeigen, wo die Befestigung vor allem den Spital galt, das aber einige Hundert Meter vor der Stadt lag, sodass in der neuen Mauer, an der Ausfallstraße entlang, die „Spitalvorstadt“ entstehen konnte. Versucht man nun einen Überblick über „echte“ größere Torzwinger, so ist es sinnvoll, zwischen Mittelgebirge und Flachland zu trennen, denn unter den beiden landschaftlichen Voraussetzungen haben sich prinzipiell verschiedene Formen entwickelt. Begonnen wird, entgegen der Üblichkeit in diesem Buch, mit dem Flachland, wo sich eine wesentlich einheitlichere Form entwickelt hat. Die Stadtmauern waren im Flachland kaum durch Abhänge geschützt, sodass Gräben und Wälle eine besondere Bedeutung erhielten,
als Trocken- wie als Wassergräben (vgl. 2.2.9.). Häufig waren sie mehrfach hintereinandergestaffelt – ob nun von Anfang an oder erst im Zeichen der Artillerie – und dies hatte seine Vorund Nachteile. Im Sinne der passiven Verteidigung waren solche gestaffelten Grabensysteme vorteilhaft, denn sie erschwerten dem Angreifer die Annäherung ganz erheblich. Aus der Sicht einer aktiven Verteidigung waren sie weniger vorteilhaft, denn von der Hauptmauer und ihren Türmen aus konnte man über die Wallgräben hinweg kaum auf die Angreifer einwirken, anders gesagt: Die tief gestaffelten Gräben und Wälle schützten im Grunde nicht nur die Stadt, sondern genauso die Angreifer vor den Verteidigern. Um dies im Sinne einer aktiveren Verteidigung ändern zu können, war es nötig, zumindest an einzelnen Stellen Bauten auf die Außenseite der Wallgräben vorzuschieben, und es lag nahe, dies dort zu tun, wo ohnehin schon ein Weg über das Grabensystem führte, also an den Toren. Dieses einfache Prinzip nahm unter den Bedingungen der mehrfachen Gräben und Wälle im Flachland eine bestimmte, weitverbreitete Form an, nämlich die einer langen Gasse, die seitlich von nur schwachen, kaum übermannshohen Mauern eingefasst wurde und auf der Außenkante des äußeren Grabens mit einem Torbau endete. Diese Abb. 167 Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern), „Friedländer Tor“. Lange Torzwinger, die ein gestaffeltes Grabensystem überbrückten, waren im norddeutschen Flachland häufig. Jener am „Friedländer Tor“ war feldseitig durch ein Vortor abgeschlossen, vor das später noch ein Halbrondell gesetzt wurde.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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lange, gassenartige Form des Torzwingers diente, da sie über zwei oder drei Gräben hinwegführte, zugleich als steinerne Brücke – ergraben etwa am „Ratiborer Tor“ in Neiße (Schlesien) – und sie erlaubte den flankierenden Beschuss der Grabenzone, indem die seitlichen Mauern in der Regel mit vielen Scharten für Hakenbüchsen oder noch kleineren Feuerwaffen versehen waren. Es bietet sich an, die Tore von Neubranden burg als Beispiele dieses flachländischen Tor zwingertypus zu wählen, weil hier gleich drei Beispiele erhalten sind, die jenseits ihrer hohen gestalterischen Qualität auch zahlreiche technische Details bewahrt haben (Abb. 167); sonst sind solche Tore zwar massenhaft auf älteren Darstellungen belegt, etwa bei Matthäus Merian oder in den frühen preußischen Katastern des 18. Jahrhunderts, aber da sie im 19. Jahrhundert doch dem Verkehr erheblich im Wege standen, sind nur selten Reste erhalten. Am „Treptower Tor“ von Neubrandenburg gibt es Spuren, die belegen, dass der Zwinger anfangs nur bis zum innersten Wall reichte – der einzige derartige Fall, an den man die Frage knüpfen kann, ob damals vielleicht nur der innere Wall existierte. In ihrer Endphase besitzen alle drei Tore der Stadt riegelartige, nur zweigeschossige Torbauten als feldseitigen Abschluss, die auf dem äußeren Wall standen; der offenbar älteste am „Friedländer Tor“ (frühes 15. Jahrhundert) ist noch relativ schlicht, Abb. 168 Königsberg (Polen, ehemals Neumark) besaß vor dem „Schwedter Tor“ ein mit zwei polygonalen, maßwerkgezierten Türmen außergewöhnlich aufwendiges Außentor, vor dem noch ein drittes Tor mit zwei Rondellen lag; erhalten ist nur der Torturm (vgl. Abb. 100) (Merian, Topographia Electoratus Brandenburgici, 1652).
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aber die wenig jüngeren Außentore am „Stargarder“ und „Treptower Tor“ gehören mit ihren extrem reichen Blendgliederungen und Ziergiebeln zu den aufwendigsten Bauwerken an deutschen Stadtmauern. Als Vorbilder wurden mit gutem Grund die Schauwände der Rathäuser von Stralsund und Lübeck genannt, also die am höchsten entwickelten profanen Architekturformen, die man in zwei der reichsten norddeutschen Städte in der Spätgotik fand (das verschwundene Außentor am Lübecker „Burgtor“ könnte ein Mittler oder gar der Ursprung solcher Formen gewesen sein). Erhaltene Beispiele sind sonst in Mecklenburg, Pommern und Brandenburg selten geworden; am ehesten haben noch die Außentore überlebt, während die Seitenmauern der langen Zwinger in der Regel der veränderten Verkehrsführung geopfert wurden. Zu nennen sind Malchin, Bernau, Tangermünde, Fürstenwerder und besonders Jüterbog mit dem „Neumarkter“ und dem „Dammtor“. Hier, und ähnlich in Mittenwalde, wird das Außentor durch zwei Erkertürmchen bereichert; einen Höhepunkt dieser Torform bildete, wenn man Matthäus Merian hier glauben darf, ein Außentor in Königsberg (Neumark), dessen zwei polygonale Türme mit hohen Maßwerkfenstern (oder doch eher -blenden?) geziert waren (Abb. 168). Ein anderer erwähnenswerter Ausnahmefall, zu dem es nur in Tangermünde vielleicht eine Analogie gab, war ein Außentor mit zwei Durchlässen in Templin; ob man hier nun gleich an antike Vorbilder denken soll (Trost), scheint angesichts der Isolierung doch eher fraglich. Ähnlich ornamentale, aber im Grunde unbefestigte Vortore gab es außerhalb des Raumes von Brandenburg, Mecklenburg und Pommern nirgends. Am ehesten sind noch einige Tore am Niederrhein zu nennen – erhaltene gibt es noch in Aachen („Ponttor“; Abb. 422), Xanten (Abb. 425), Zons und Zülpich („Weiertor“) –, aber dort war das zwar repräsentativ gestaltete Außentor oft ein Doppelturmtor oder besaß zumindest zwei Eckerker, sodass der Wehrcharakter doch wesentlich deutlicher als bei den reinen Schaufassaden südlich der Ostsee hervortrat. Deutlich wird der Sondercharakter der Torzwinger in Brandenburg und seinen Nachbarländern, wenn man etwa einen Blick ins preußische Ordensland
wirft, das, ebenfalls in der Backsteinregion, Pommern direkt benachbart ist. Der mächtige „Gefängnisturm“ in Danzig ist Rest eines Torzwingers, in Thorn gab es ebenfalls große Torzwinger mit Rondellen, die zum Teil auf um 1449 / 50 datiert werden können. Solche Reste erinnern viel stärker an die im Mittelgebirgsraum üblichen, klar an den Bedürfnissen der Artillerie orientierten Formen großer Torzwinger. Und dass diese deutlich wehrhafteren Formen bis in die direkte Nähe von Pommern und Brandenburg vorkamen, zeigen ja letztlich auch so herausragende Bauten des Backsteingebietes wie das Lübecker „Holstentor“ (Abb. 153) und das „Elbtor“ in Werben (Abb. 101). Beide stehen heute isoliert, waren aber äußerer Abschluss von langen Zwingern; und beide vereinen den Schmuckreichtum der östlich benachbarten Regionen mit eindeutiger Artillerietauglichkeit, die sich in den dicken Mauern und zahlreichen Scharten ihrer Rundtürme ausdrückt. Diese Anpassung an die Artillerie findet man ja letztlich auch in Neubrandenburg, wo vor das Außentor des „Friedländer Tores“ um 1500 ein u-förmiges Kanonenrondell gesetzt wurde (Abb. 167). In der Mittelgebirgsregion findet man im Prinzip zwei Formen größerer Torzwinger, die aber beide deutlich vielgestaltiger als die gassenartig lange Form des Flachlandes sind. Im Prinzip kann man solche, die durch Rondelle oder andere Bauten für die Artillerie verstärkt wurden, von solchen unterscheiden, die auf Derartiges und meist sogar auf eigene Torbauten verzichteten. Dass es sich bei diesem Unterschied einfach um einen zeitlichen handelt, da die rondellbewehrten Formen erst gegen 1500 auftreten, die anderen aber deutlich weiter ins 15. Jahrhundert zurückgehen, kann hier und dort durch Datierungen belegt werden, bleibt aber insgesamt eher eine These. In den Alpen mit ihren bescheidenen Stadtgrößen fehlten Torzwinger völlig, aber im Alpenvorland gibt es einzelne Beispiele der einfacheren Art. In Kaiserstuhl sicherte ein großer Zwinger das bergseitige, das heißt besonders bedrohte Tor; er diente später auch als Tanzplatz(!). Ähnlich ist der verschwundene Zwinger des „Murtentores“ in Laupen zu beschreiben, ebenso ein wohlerhaltener in Schongau. In Wangen an der Aare und Lindau lag der Zwinger zwischen dem
Abb. 169 Nürnberg, der große heute verschwundene Torzwinger vor dem „Laufertor“ (erste Hälfte des 15. Jahrhunderts), rekonstruierender Grundriss (von Essenwein, Handbuch d. Architektur, 2. Teil, 4. Band, 1. Heft: Die Kriegsbaukunst).
Brückentor und der Brücke selbst, deren Schutz er also erheblich verbesserte; in Lindau gibt es das Datum 1409, aber keine Reste mehr. In Baden dürfte es einige größere Torzwinger gegeben haben, aber es ist nichts erhalten; und im Elsass fehlte die Form offenbar völlig, wie ja auch die Form des umlaufenden Zwingers dort offenbar kaum vorkam (vgl. 2.2.11.6.). 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 170 Iphofen (Unterfranken), das Vortor des „Rödelseer Tores“ von der Stadtseite. Das Tor ist, von außen gesehen, ein schlichtes Torhaus mit Rundturm (1455 / 56); berühmt ist es jedoch wegen der stadtseitigen Fachwerkbauteile, die aus dem 15.–18. Jahrhundert stammen.
Franken mit seinem eindrucksvollen Bestand erhaltener Mauern besitzt auch eine Anzahl größerer Torzwinger, die die Entwicklung im Laufe des 15. Jahrhunderts gut veranschaulichen. In der äußeren Mauer von Nürnberg sind die großen Zwinger am „Frauentor“ und am „Spittlertor“ noch relativ gut erhalten (Abb. 169); sie entstanden in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und waren dementsprechend noch nicht wirklich artillerietauglich, sondern wirken mit Abb. 171 Goslar, der geräumige, mit mehreren großen Rondellen befestigte Torzwinger am „Breiten Tor“ (1443), rekonstruierter Grundriss (vgl. Abb. 436; Kunstdenkmäler Hannover, Stadt Goslar).
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ihren Rechtecktürmen eher als abgegrenzte Sonderbereiche des umlaufenden Zwingers, die einen Angreifer zu einem Seitenschwenk zwangen. Auch bieten sie ein seltenes, als Experiment erklärliches Beispiel dafür, dass die Wehrgänge auch innen Scharten besaßen, um einen schon eingedrungenen Angreifer zu bekämpfen. Ein bescheideneres und undatiertes, aber interessantes Beispiel bietet das wohlerhaltene „Kobolzeller Tor“ in Rothenburg, wo das typische kleine Vortor nachträglich durch einen großen Torzwinger ergänzt wurde (Abb. 380); der Grund ist unklar, denn das Tor war über steilem Anstieg ohnehin schwer anzugreifen. Das besonders „romantische“ und oft abgebildete, weil stadtseitig in Fachwerk geschlossene „Rödelseer Tor“ in Iphofen (großenteils von 1455 / 66; Abb. 170) schloss als Außentor einen Torzwinger ab; drei weitere gut erhaltene Torzwinger der flach liegenden Stadt erinnern in ihrer Schmalheit fast an das brandenburgische Modell, besitzen aber hohe Mauern mit Wehrgängen. Der rechteckige Zwinger des „Oberen Tores“ von Ornbau („1477“) ist mit seinen wuchtigen Mauern und Schlüsselscharten für die Grabenbestreichung ein originelles Zwischending von Torzwinger, Kanonenbollwerk und Barbakane – typisches Produkt einer experimentierenden Epoche, die die funktional beste Form noch suchte. Waldenburg dagegen, in Württembergisch Franken, sicherte seine einzige Angriffsseite durch einen großen Zwinger mit zwei Rondellen, durch den auch das Haupttor führte; wohl um 1500 entstanden, erinnert dies schon eher an ein Außenwerk, wie es dann im Bastionärzeitalter üblich wurde. Ein erwähnenswerter Sonderfall war der „Kreuztorzwinger“ in Speyer (um 1475), weil er, länglich parallel vor der Mauer der Gilgenvorstadt gelegen, die Verteidigung von gleich zwei Stadttoren übernahm bzw. eine Weggabelung enthielt. In Hessen und Thüringen gibt es heute keine Reste von großen Torzwingern, aber alte Pläne und Darstellungen zeigen, dass es sie durchaus gab, zum Beispiel mehrhöfig in Wildungen und Amöneburg, auch in Weilburg am bergseitigen Tor und gegen die Lahnbrücke; in Thüringen wären Hildburghausen und – schon mit Rondellen – Beispiele in Mühlhausen („Pfortentor“), Erfurt („Johannestor“) und Nordhausen („Rautentor“, 1453) zu erwähnen. Wieder
aussagekräftiger sind zwei ergrabene Torzwinger in Einbeck; jener am „Altendorfer Tor“ (Abb. 431), der durch einen Torturm abgeschlossen wurde, konnte auf 1414 dendrodatiert werden, ein zweiter am „Benser Tor“ ist leider undatiert. Bielefeld, überwiegend im Flachen liegend und mit Vortoren auf einem Wall versehen, besaß am „Nebelstor“ einen einzigen echten Torzwinger, typischerweise am Bergfuß, wo der doppelte Wallgraben fehlte; auch in Soest gab es diverse späte, aber durchweg zerstörte Beispiele. Fast völlig erhalten und insgesamt eines der schönsten Beispiele, das wir in Deutschland noch haben, ist das 1494–1505 entstandene „Breite Tor“ in Goslar (Abb. 171). Sein großer dreieckiger Hof mit zwei kräftigen Rondellen an den äußeren Ecken und einem dritten neben dem Torturm in der Hauptmauer war Teil einer um 1500 stattgefundenen Neubefestigung der Reichsstadt, deren Hauptmittel ein hoher Außenwall und riesige Rondelle auf diesem waren. Diese Rondelle, die ähnlich zu schlechter erhaltenen Zwingern am „Rosentor“, „Vititor“ und „Klaustor“ gehörten, waren wehrtechnisch eher schlicht, legten aber mit Gesimsen, Bogenfriesen, aufwendigen Wappenreliefs und hohen Spitzdächern viel Wert auf Wirkung. Ein stark umgebautes Vergleichsbeispiel bietet weiterhin noch die „Rotunde“ in Hannoversch Münden. Auch in Schlesien schließlich fand man recht häufig große Torzwinger mit rondellbewehrter Front; als Sonderfall ist die Antoniuskapelle in Striegau zu erwähnen, die um 1500 als Teil eine Torzwingers entstand, wobei der Chor als Rondell neben dessen Tor vorsprang und über dem Kirchenraum eine Wehrplatte angeordnet ist (Abb. 482). Ähnlich der größeren Barbakane des „Klingentors“ in Rothenburg ob der Tauber, das die Wolfgangskapelle (1475–92) ganz vergleichbar einbezieht (Abb. 195), wird man hier von einer älteren Kapelle vor dem Tor ausgehen dürfen, die beim Ausbau des Zwingers erneuert wurde. Letztlich erweist diese in Flachland und Mittelgebirgsregion untergliederte Beispielsammlung recht deutlich, dass die Formulierung „größere Torzwinger“ kein einheitliches Phänomen erfasst, sondern nur ein pragmatischer Sammelbegriff ist. Die langen, gassenartig schmalen, seitlich zu den Wallgräben nur leicht befestig-
ten Torzwinger des Flachlandes kann man noch als Typus beschreiben, ähnlich wie die Vortore (vgl. 2.2.7.1.). Wo man dagegen in der gebirgigeren Zone hier oder dort größere Formen von Torzwingern antrifft – ohnehin sind voll erhaltene Beispiele selten –, da sind sie ganz verschieden, unverkennbar in Anpassung an jeweils unterschiedliche Situationen. Eine Rolle bei dieser großen Variationsbreite spielte sicherlich auch die Tatsache, dass die weit überwiegende Anzahl der größeren Torzwingeranlagen erst in einer Zeit entstand, als die rapide wachsende Bedeutung der Artillerie ohnehin viele formale Experimente hervorbrachte, weil man sich eben noch nicht sicher war, welche Anordnung welcher baulichen Elemente die höchste Effektivität bezüglich der neuen Waffentechnik bieten würde.
2.2.8. Umlaufende Zwinger In der „Burgenkunde“, das heißt der älteren, mehr sammelnden und beschreibenden als analytischen Befassung mit Burgen als Bauwerken, hat sich eine Begrifflichkeit etabliert, die den Vorzug der Einfachheit und Anschaulichkeit besitzt, dabei aber etwas ungenau ist. Ihr zufolge ist „Zwinger“ ein Oberbegriff, der alle Fälle umfasst, bei denen zwei Verteidigungsmauern hintereinanderstehen, nämlich eine höhere Hauptmauer und davor, mehr oder minder nahe, eine niedrigere „Zwingermauer“. Wenn diese Situation allein im Bereich des Tores vorkommt, in dem also der Ankömmling ein äußeres Tor, einen Zwingerhof und das Haupttor nacheinander zu durchschreiten hat, wird der Sonderbegriff des Torzwingers verwendet (vgl. 2.2.7.). Für die andere Variante des Zwingers, bei der die äußere Mauer auf mehr oder minder lange Strecken die Hauptmauer begleitet, ohne Zusammenhang mit einem Tor, gibt es bisher keinen eigenen Begriff, was den Nachteil hat, dass man bei der Verwendung des Wortes „Zwinger“ nicht sicher sein kann, ob nur diese zweite Variante oder aber alle vorkommenden Formen einschließlich der Torzwinger gemeint sind. Um diese Unklarheit zu vermeiden, wird hier für die zweite Variante des Zwingers der Begriff des „umlaufenden Zwingers“ vorgeschlagen. Zur geographischen Verbreitung des umlaufenden Zwingers ist einleitend festzustellen, dass 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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er vor allem in den Mittelgebirgsregionen verbreitet war, während er im Flachland ebenso wie im Hochgebirge weitgehend fehlte. Um dieses Phänomen zu verstehen, muss man sich verdeutlichen, dass ein umlaufender Zwinger einen erheblichen baulichen Aufwand bedeutete, nicht so sehr, was die Komplexität der Aufgabenstellung betraf, sondern vor allem im Volumen; ein zweiter Mauerring grenzte, wenn er lückenlos umlief, an eine Verdoppelung des Volumens der Hauptmauer! Zwar waren viele Zwinger auf besonders gefährdete Bereiche beschränkt, sie waren ferner oft turmärmer als die Hauptmauern, auch waren die Türme oder Streichwehren meist niedriger, aber die Zwingermauer als solche war so lang und so hoch wie die Hauptmauer und enthielt zudem mit der Stützmauerfunktion ein konstruktives Problem, dass bei der Letzteren fehlte; außerdem war mit dem Zwingerbau fraglos oft eine Verbreiterung des Grabens verbunden. Dies vorausgesetzt, erklärt sich das Fehlen von umlaufenden Zwingern im Hochgebirge und im glazial geprägten Flachland. Im Hochgebirge war es ein weiteres Mal die geringe Wirtschaftskraft der wenigen und kleinen Städte, die für eine Ergänzung der Mauer durch ein zweites, kaum weniger aufwendiges Element nicht ausreichte. Und im Flachland, besonders anschaulich etwa im mauerreichen Brandenburg, war die Sparsamkeit lediglich anders akzentuiert. Hier waren zwar manche Städte sicherlich reich genug, um einen zweiten Mauerring zu finanzieren – man denke etwa an Lübeck, Köln oder Braunschweig –, aber hier fehlte das Steinmaterial, gleich, ob man an mühsam zu sammelnden und schwer zu verarbeitenden Feldstein denkt oder an den gut zu verarbeitenden, aber von der Rohstoffversorgung her problematischen Backstein (vgl. 2.2.2.4.). Im letzteren Falle wurden die Zwinger durch tief gestaffelte Wallgrabensysteme ersetzt, zumindest in Teilen ihrer Funktion. Sie waren mit örtlich verfügbarem Material – Sand und Wasser – vergleichsweise leicht herzustellen und hielten den Gegner auf Abstand, ihm zugleich den Blick auf die unteren Teile der Mauer verwehrend; als Artillerieplattform waren sie freilich schlechter als umlaufende Zwinger verwendbar (vgl. 2.2.9.).
226 I. Systematischer Teil
2.2.8.1. Begriffsprobleme Die Verstärkung der Hauptmauer durch eine vorgelagerte niedrigere Mauer, die eine direkte Annäherung an den Fuß der Hauptmauer verhinderte und zugleich eine zweite Stellung für Schützen bot, war keineswegs eine Erfindung des Mittelalters. Schon bei antiken Befestigungen in Mesopotamien oder Ägypten findet man dasselbe Prinzip – man denke etwa an die Mauern von Babylon, die Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.) erbaute. Im antiken und frühmittelalterlichen Europa spielte es spätestens bei griechischen und byzantinischen Befestigungen eine wichtige Rolle (proteichisma = Vormauer). Eine Vorbildwirkung derartiger Bauten für die mittelalterlichen Formen liegt durchaus nahe, wenn man etwa an die berühmte „Landmauer“ von Konstantinopel denkt (um 412– 422), die nicht erst ab 1204 berühmt war, als sie von einem Kreuzfahrerheer bezwungen wurde (Abb. 172). Dennoch ist es innerhalb einer Baugeschichte der mittelalterlichen deutschen Stadtbefestigungen eine der schwierigsten Aufgaben, die Anfänge und die Ausbreitung der umlaufenden Zwinger zu erhellen. Theoretisch kann man die Fragestellung zwar von zwei Seiten angehen, nämlich von den Schriftquellen her einerseits, von den Baubefunden andererseits; leider aber treffen beide Ansätze auf ganz erhebliche Schwierigkeiten. Nur auf den ersten Blick nämlich scheint zwischen der Bauform und ihrer Bezeichnung eine einfache Beziehung zu bestehen: Zwei in geringem Abstand parallel laufende Mauern „zwängen“ den dazwischenliegenden Raum ein, wie in einer Schraub-„Zwinge“. Wir haben es also mit einer die bauliche Realität beschreibenden Anwendung des Wortstammes „twing(en)“ (= einzwängen, eng begrenzen) zu tun. Wenn dies bereits die vollständige Wahrheit wäre, so gäbe es begrifflich kein Problem – aber leider trifft man in der Realität verschiedentlich auf Fälle, die ganz anders liegen. Gemeint sind Städte, in denen wir noch heute Straßennamen wie „Zwinger“ (Oberriexingen), „Zwingerstraße“ (Heidelberg, Babenhausen), „Zwingergasse“ (Weil der Stadt), „Zingelstraße“ (Gartz), „Am Zwinger“ (Greußen) oder „Am Zingel“ (Dillenburg) finden, während jedoch je-
der Hinweis auf einen ehemals vorhandenen Zwinger fehlt. In diesen Fällen unterstreicht eine weitere Beobachtung, dass wir es nicht mit einem Zwinger im Sinne einer „Vormauer“ zu tun haben können: Die so genannten Straßen liegen nämlich durchweg nicht etwa feldseitig vor der Hauptmauer – wo sie theoretisch vor oder auf einem ehemaligen Zwinger gelegen haben könnten –, sondern vielmehr stets innerhalb der Hauptmauer, entweder als Mauergasse direkt hinter ihr oder sogar durch eine Grundstücksreihe von der Mauer getrennt (Weil der Stadt, Babenhausen, Gartz). Von dort, wo diese „Zwingerstraßen“ verlaufen, hätte man also den außerhalb der hohen Hauptmauer liegenden Zwinger nicht einmal dann sehen können, wenn es ihn entgegen unserer Erkenntnis doch gegeben hätte! Hier bleibt im Grunde also nur eine einzige Erklärung: Das Wort „Zwinger“ oder „Zingel“ muss früher noch etwas anderes als Vormauer bedeutet haben. Und dies ist in der Tat der Fall, wie von der Germanistik schon früh dargelegt, aber von der architekturgeschichtlichen Forschung in seiner Bedeutung bisher kaum verstanden wurde. Das ab 1854 erschienene Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm belegt nämlich, dass sich schon im Mittelalter zwei Wortstämme vermischt haben, die uns hier angehen. „Zingel“, abgeleitet vom Altfranzösischen „cengle“ bzw. letztlich vom lateinischen „cingulum“ (= Gürtel), meinte anfangs die Stadtmauer als solche, aber auch eine Umwehrung des Raumes vor dem Stadttor oder gar noch weiterer Gebiete. „Zwinger“, oder alemannisch-schweizerisch „Zwingolf“, hingegen, abgeleitet aus dem germanischen Stamm „zwingen“ (auch „twinger“ oder gar „schwinger“), meint – nachdem anfangs vielleicht nur ein rechtlicher Zwang so genannt wurde, nämlich ein Bauverbot für das Vorfeld der Befestigung – spätestens seit der Zeit um 1400 einen zwischen Mauern „eingezwängten“ Raum. Der für den Architekturhistoriker bedeutsame Unterschied zwischen beiden Begriffen – im ersteren Falle ist nur ein Mauerzug oder „umgürtendes“ Element belegt, im letzteren aber zwei Mauern eng hintereinander – fiel schon im 15. Jahrhundert der Verwechslung der beiden Worte zum Opfer, wie das grimmsche Wörterbuch an vielen Beispielen demonstriert.
Im späten 19. Jahrhundert jedoch, als man zunehmend um exakte Terminologie bemüht war, wurde „Zwinger“ im bisherigen Sinne definiert, während „Zingel“ weitgehend in Vergessenheit geriet. Das hatte zur Folge, dass der gelegentlich auftretende Straßenname „Am Zingel“ oft zum „Zwinger“ verschlimmbessert wurde – mit der weiteren Folge, dass nun scheinbare Hinweise auf ehemalige Zwinger auch dort entstanden, wo es in Wahrheit nie welche gegeben hat, sondern lediglich eine einfache Stadtmauer, eben einen „Zingel“. Noch komplizierter wird die Lage durch die Erkenntnis, dass das oben bewusst abstrakt formulierte „umgürtende Element“, eben der „Zingel“, offenbar nicht unbedingt eine Mauer gewesen sein muss. Im norddeutschen Raum, wo Wälle und Wasser eine erheblich größere Rolle in der
Abb. 172 Konstantinopel, die Landmauer der byzantinischen Hauptstadt – hier in schematischer Darstellung – entstand in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts und wurde wegen ihres aufwendigen Systems mit zwei umlaufenden Zwingern bis ins Spätmittelalter als kaum überwindlich und vorbildhaft angesehen (W. Müller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbuls, 1977).
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Befestigung spielten und vielfach gar keine Mauern vorhanden waren, kann „Zingel“ auch etwas grundsätzlich anderes als eine Mauer gemeint haben, insbesondere einen (Wasser-)Graben. In diese Richtung wird man etwa denken müssen, wenn in Altentreptow 1360 der Raum „tuschen der Zyngel und der Muren“ erwähnt wird; will man sich hier unter „Zingel“ nicht eine Palisade oder Ähnliches vorstellen, dann wird der „Zingel“ wohl den Wassergraben gemeint haben. Auch etwa in Wilster, Meldorf und Itzehoe, alles kleineren Städten der norddeutschen Tiefebene, werden, meist noch im 14. Jahrhundert, „Zingel“ erwähnt, ohne dass wir genau wüssten, was gemeint ist. Auch hier sind Ringgräben die überzeugendste Antwort, aber letztlich tut man gut daran, das Wort einfach mit „Umwehrung“ oder „Befestigungslinie“ zu übersetzen. Und da, wie gesagt, das 19. Jahrhundert vielfach aus „Zingeln“ „Zwinger“ gemacht hat, kann man letztlich nur festhalten, dass auch der Wortbestandteil „Zwinger“ in Straßennamen allein keinen Beweis dafür darstellt, dass es einen solchen im baulichen Sinne gegeben hat. Ein weiterer Verwirrungseffekt sprachlicher Art besteht darin, dass auch das Wort „Zwinger“ im Spätmittelalter nicht immer das bedeutet hat, was wir seit dem späten 19. Jahrhundert darunter verstehen. Die Verwechslung mit einem befestigten Außenwall – etwa in Schmalkalden (1429–64) – ist dabei noch begreiflich, denn von der Feldseite her konnte man einen inneren Graben leicht übersehen und damit den Außenwall für einen breiten Zwinger halten. Aber im norddeutschen Raum findet man außerdem gelegentlich das Phänomen, dass Rondelle als „Zwinger“ bezeichnet wurden (Goslar 1517 „Dicker Zwinger“; Buxtehude 1539 „Zwinger“ am Marschtor; Rostock 1526–32; Münster; Emden hatte zehn „Zwinger“). Hier wurde die Bezeichnung offenbar metaphorisch verwendet, sie sollten den Angreifer durch die Kraft ihrer Geschütze und ihre imposante Gestalt „bezwingen“. Und ein weiterer Begriff für einen Zwinger, der vor allem von den „preußischen“ Ordensburgen bekannt ist, ist jener des „Parchams“; das Wort ist letztlich offenbar persischen Ursprungs, „Barbakane“ eine Variante davon. In der Literatur über Stadtmauern konnte ich das Wort „Parchen“ nur 1471 / 88 in Nams228 I. Systematischer Teil
lau (Schlesien) finden; dort erwägt man eine slawische Variation des deutschen „Pferch“. Nach diesen sicherlich verwirrenden, aber unvermeidlichen Ausführungen drängt sich natürlich die Frage auf, ob denn „Zwinger“ im Mittelalter überhaupt in dem Sinne verwendet wurde, den wir seit den definitorischen Bemühungen des 19. Jahrhunderts kennen? Soweit man dies aus der bisher vorliegenden Literatur erfahren kann – künftige Untersuchungen des Quellenmaterials mögen mehr zutage fördern –, war dies nur selten der Fall. Neben Erwähnungen von Zwingern in Naumburg 1449, in Dillingen 1498 und Freiberg 1507 / 1514 („quinger“) scheint dabei ein Zitat aus einer würzburgischen Chronik (Lorenz Fries) besonders wertvoll, das sich auf das 15. Jahrhundert bezieht: „Derselben Zeiten hat man in unseren Landen angefangen, die Zwinger mit den Thürnen aus den Gräben zu führen, das vor[mals] nit gar so gemein war.“ Das Interessante an der Aussage ist dabei, dass sie sich, wie zu zeigen sein wird, recht exakt mit dem deckt, was auch der Baubefund belegt (vgl. 2.2.8.3.) – nämlich, dass Zwinger mit Türmen bis zum 15. Jahrhundert unüblich waren. Die Erwähnung der Türme ist dabei ein wichtiger Punkt, denn in der Tat muss man auch unter baulichen Gesichtspunkten unterscheiden zwischen den eindrucksvollen Zwingern mit regelmäßig vorspringenden Streichwehren einerseits und Zwingermauern ohne Streichwehren, deren Datierung schwerer fällt, andererseits. Warum Zwinger in den Quellen so selten als gesonderte Bauteile erkennbar sind, können wir kaum klären. Grundsätzlich darf man nicht vergessen, dass die Schriftüberlieferung ausgesprochen lückenhaft ist und dass ein Großteil selbst der erhaltenen Ratsbeschlüsse, Rechnungsbücher und dergleichen auf eindeutige Begriffe wenig Wert legte; es ging dort eher um Fuhrwerke, Handwerkerstunden, Mauerwerksvolumina und ähnliche quantitative Angaben bzw. Kosten. Man darf ferner erwägen, dass der große Umfang und die erhebliche Dauer der Arbeiten die Entstehung eines Zwingers vielleicht nicht als einheitliche Baumaßnahme ins Bewusstsein dringen ließ; aber dies sind eher Vermutungen. In manchen Fällen, zumeist in Bayern, ist aus dem Gesamtzusammenhang heraus erkennbar, dass die Quellen von Arbeiten am Graben sprechen, wenn in
Wahrheit der Zwinger gemeint ist. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn der Bau einer Zwingermauer ging in der Regel mit einer aufwendigen Neugestaltung des vorgelagerten Grabens einher – er wurde mindestens verbreitert und vertieft sowie in der Regel mit einer gemauerten Contrescarpe versehen. Sicherlich bedeutete das in der Praxis oft, dass ein bestehender Graben teilweise oder ganz unter dem Zwinger verschwand und ein neuer Graben weiter außen ausgehoben werden musste. Der dazu nötige Aufwand vor allem an Erdarbeiten war fraglos so hoch, dass er den Auftraggebern, dem Rat der Stadt, womöglich wirklich als Arbeit am Graben erscheinen konnte – die Zwingermauer wäre in dieser Sicht quasi als die andere, stadtseitige Stützmauer des neuen Grabens verstanden worden. 2.2.8.2. Anfänge Nachdem umlaufende Zwinger in den Schriftquellen also kaum je sicher zu identifizieren sind, kann man Erkenntnisse zu ihrer Entstehungszeit und insbesondere zu ihren Anfängen a priori fast nur vom Baulichen erwarten, also von erhaltenen Resten, archäologischen Befunden und gegebenenfalls der indirekten Dokumentation verschwundener Bauten, also vor allem älteren Plänen und Darstellungen. Auch auf diesem scheinbar so viel eindeutigeren Feld muss man jedoch einen Hinweis auf verbreitete Irrtümer an den Anfang stellen. Keineswegs alles nämlich, was in der beschreibenden und archäologischen Literatur als Zwinger angesprochen wird, war tatsächlich ein Zwinger! Der Grund für recht häufige Über- und Fehlinterpretationen liegt letztlich in der Einfachheit der baulichen Form: Zwei parallel laufende Mauern sind ein häufiges, geradezu banales Phänomen. Dass es sich dabei um einen umlaufenden Zwinger und um nichts anderes handelte, kann letztlich nur aus Details und weiteren Umständen abgeleitet werden: aus der Länge der Mauerzüge, aus dem Vorhandensein von Wehrgängen und Streichwehren, aus der Höhe beider Mauern, aus dem vorgelagerten Graben usw. All dies ist aber in den meisten Fällen nicht unverändert erhalten, und so kam es öfter zu Fehlinterpretationen, gefördert durch die Tatsache, dass die Forscher fast immer nur „ihre“ Stadt untersuchten und keine vergleichende Forschung betrieben.
Einer der häufigsten Irrtümer, der auf diesem Gebiet vorkommt, war die Fehldeutung von Gräben. Wenn ein heute nicht mehr bestehender Graben eine gemauerte Contrescarpe besaß, kann man die Darstellung dieser Contrescarpe etwa auf Festungsplänen des 16.–18. Jahrhunderts durchaus mit der Darstellung eines Zwingers verwechseln; zwar sollte es eigentlich irritieren, dass im Fall dieser Interpretation der Graben fehlt, aber das kann von Anfängern übersehen werden. Auch die Ansprache der Mauergasse als „Zwinger“ kommt bei der Interpretation älterer Pläne vor, und sogar das Missverständnis, eine Reihe von Parzellen an der Innenseite der Mauer sei ein Zwinger gewesen. Am verblüffendsten freilich waren für mich jene seltenen Fälle, bei denen ein örtlicher Forscher einen gefütterten Graben zum Zwinger erklärte, obwohl er voll erhalten und begehbar ist! Hier genügte offenbar die allzu technisch verstandene Definition zweier paralleler Mauern und es wurde völlig übersehen, dass der Raum zwischen beiden weit unter dem Geländeniveau liegt und dass die feldseitige der beiden Mauern daher keine Wehrfunktion übernehmen konnte. Den Anfängen des Zwingers am nächsten könnten uns nach alledem einige Grabungsergebnisse jüngerer Zeit bringen, die zu belegen scheinen, dass deutsche Stadtmauern ab dem 13. Jahrhundert, womöglich schon ab dessen Mitte, Zwinger besaßen. So wurde insbesondere ein in Ravensburg am Hang des Burgberges ergrabener doppelter Mauerzug vom Ausgräber in die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert; aber angesichts des problematischen, steil ansteigenden Geländes kann man meines Erachtens nicht sicher ausschließen, dass es sich bei dem äußeren Mauerzug um die Contrescarpe des Grabens gehandelt hat. Auch in Neuss, wo ein Mauerzug vor der Hauptmauer als Zwinger angesehen und mit archäologischen Mitteln noch ins 13. Jahrhundert datiert wird, fehlt letztlich der Beweis, dass diese zweite Mauer wirklich verteidigungsfähig war, also Wehrgang und / oder Scharten besaß; es könnte sich auch um eine innere Stützmauer des Grabens gehandelt haben, die die innere Grabenkante nicht überragte. Und ähnlich vorsichtig wird man auch den Befund in Biberach (Oberschwaben) betrachten, wo eine ebenfalls noch ins 13. Jahrhundert datierte Mauer 3,50 m vor 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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der ersten Mauer der Altstadt ergraben wurde; hier muss man zusätzlich erwägen, ob diese Mauer nicht auch eine Sicherung gegen Unterspülung durch einen knapp davor verlaufenden Bach dargestellt haben kann. Diese Beispiele – alle durch Grabungen mit moderner Methodik gewonnen – belegen also ein weiteres Mal die besondere Problematik, umlaufende Zwinger zu datieren. Die Datierung mit archäologischen Methoden kann zwar in der wegen des Quellenmangels schwierigen Lage ein wenig weiterhelfen, aber auch sie – ohnehin nur selten zu gewinnen, weil aufwendig – führt in der Regel nur zu recht groben Datierungen, die die Archäologen dann gerne durch Heranziehung historischer Daten zu konkretisieren versuchen, was aber keine wirkliche Verbesserung ist. Denn es bleibt zu betonen, dass eigentlich eine sehr weitgehend erhaltene Situation nötig ist, um sicher sagen zu können, dass zwei parallele Mauern ein Zwinger waren und nichts anderes; aber gerade diese weitgehend, insbesondere auch oberirdisch erhaltene Situation liegt im Falle archäologischer Ergebnisse typischerweise kaum je vor. Dieses in seinen Aussagen eher beschränkte Kapitel sei jedoch mit zwei Schriftquellen abgeschlossen, die zumindest interessante Schlaglichter werfen. Jiří Kuthan machte in seinem aus dem Tschechischen übersetzten Buch über Ottokar II. (1253–78 König von Böhmen, zeitweise auch Herrscher in Teilen des heutigen Österreich) darauf aufmerksam, dass dieser in einer wohl nach 1261 entstandenen Urkunde für die Stadt Kolín eine Ummauerung anordnete, die auch einen 20 Ellen (mindestens 10 m!) hohen „barchanus“ umfassen sollte; die Beschreibung lässt keinen Zweifel, dass dieser Begriff – vgl. den „parcham“ des Deutschordensstates – einen (turmlosen) Zwinger meinte, und weitere Urkunden zeigen, dass unter diesem Herrscher auch weitere Städte in ähnlichen Formen ummauert wurden. Damit haben wir einen recht frühen Beleg für umlaufende, turmlose Zwinger aus einem zwar nicht deutschsprachigen, aber immerhin zum Heiligen Römischen Reich gehörenden und dessen Politik und Kultur durchaus beeinflussenden Gebiet. Dass eine derartige frühe Quelle aber keineswegs zu dem Schluss verleiten darf, dass die Entwicklung anderswo ähnlich früh stattfand, zeigt 230 I. Systematischer Teil
eine zweite, rund 70 Jahre jüngere Quelle aus Görlitz, das sehr nahe der böhmischen Grenze liegt. 1331 nämlich halfen die Untertanen eines dortigen Klosters, die Stadt zu „umzäunen“; dafür durften sie künftig im Kriegsfalle, falls in der Stadt selbst kein Platz mehr wäre, „zwischen der stadtmaure unnd demselben Zewne“ Zuflucht suchen. Der Zaun umzog folglich in einigem Abstand die Stadtmauer – wie ein Zwinger, nur aus anderem Material. Dass er Vorläufer eines Zwingers war, nicht nur in Görlitz, sondern ganz allgemein in vielen Fällen, ist daher eine naheliegende Vermutung. Das leichter zu beschaffende und zu verarbeitende Material Holz hat im Befestigungswesen immer eine wichtige Rolle gespielt, und es war ja auch ein verbreiteter Vorläufer der (Haupt-)Mauern selbst gewesen (vgl. 2.2.1.3.). Dass es auch gerne im Sinne einer zusätzlichen, weniger aufwendigen Sicherung des Vorfeldes verwendet wurde, ist folglich recht wahrscheinlich, auch wenn wir es im Einzelfalle aus den für das Material typischen Gründen kaum je nachweisen können. Holz verrottet rasch und ein archäologischer Nachweis ist nur unter besonders glücklichen Voraussetzungen möglich; insbesondere ist er dann im Prinzip unmöglich, wenn Zaun oder Palisade später durch eine Zwingermauer ersetzt wurden. 2.2.8.2. Turmlose Zwinger Die Ausführungen über Begrifflichkeiten, Schriftquellen und archäologische Befunde haben wohl hinreichend verdeutlicht, wie wenig Sicheres wir bisher über Aufkommen und Entwicklung des umlaufenden Zwingers bei deutschen Stadtbefestigungen sagen können. Wir verfügen über gewisse archäologische Indizien, dass erste Anlagen dieser Art schon vor 1300 existiert haben mögen, und eine vereinzelte Schriftquelle (Lorenz Fries) unterstreicht den noch näher darzulegenden Eindruck aus dem Baubestand, dass die Zwingerform mit Türmen bzw. Streichwehren erst im 15. Jahrhundert aufkam. Es bietet sich daher an, die erhaltenen bzw. erforschten Beispiele pragmatisch nach dem Fehlen oder Vorhandensein von Streichwehren aufzuteilen, ausgehend von der Annahme, dass sich unter den turmlosen Zwingern besonders alte Beispiele befinden dürften, die unsere Einschätzung der Anfänge verbessern können.
In der Schweiz besaßen jüngere Mauerringe von Bern und Freiburg im Üechtland (1255–65 bzw. 1277–80) innere Grabenstützmauern, die mehrere Meter vor der Hauptmauer lagen; sie verweisen ein weiteres Mal auf die Fragestellung, ob solche Befunde nur unbefestigte Stützmauern belegen oder doch echte Zwinger. Dass wir hier doch den ersten Fall zu vermuten haben, darauf weist die Beobachtung, dass Zwinger sonst bei den Schweizer Städten ausgesprochen selten und gegebenenfalls bescheiden waren. Nennenswert sind etwa ein ganz kurzes Zwingerstück vor der äußersten Mauer von Freiburg und späte Anlagen in Diessenhofen und Erlach. In Zofingen und Aarau ist interessanterweise durch Grabung erwiesen, dass innere Grabenstützmauern erst nachträglich zu Zwingern ausgebaut wurden. In Österreich besaßen durchaus einige frühe und wichtige Stadtmauern wie Wien, Hainburg, Wiener Neustadt oder Bruck an der Leitha turmlose Zwinger, aber ihr genaues Alter kann hier wie in weiteren Fällen bisher nur aus der Art des Mauerwerks abgeleitet werden (Abb. 173). Friesach, dessen wohlerhaltene Mauer erst nach 1300 entstand, besitzt noch Reste eines turmlosen Zwingers mit Zinnen und belegt damit, dass diese Minimalform durchaus nicht ins 13. Jahrhundert zurückgehen muss (Abb. 174). Ein archäologisch erfasster turmloser Zwinger vor der Ostseite von Innsbruck dürfte nach den bisherigen Indizien immerhin in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückgehen. Auch im Elsass und in Baden sind nur wenige und in aller Regel schlecht datierte turmlose Zwinger belegbar. Erwähnenswert sind etwa der vermutlich um 1300 entstandene in Rappoltsweiler und der frühestens um 1400 entstandene in Westhofen (Elsass); die meisten der Region dürften frühestens ins 14., eher noch ins 15. Jahrhundert gehören. Im fränkischen und bayrischen Raum sind einige besser datierbare Beispiele turmloser Zwinger zu nennen, die aber ebenfalls nicht vor das 14. Jahrhundert zurückgehen. In Schwäbisch Hall muss der Zwinger der Altstadt eigentlich vor 1323 entstanden sein, weil damals bereits davor liegende Vorstädte ummauert wurden, und ähnliche Zusammenhänge sind in Rothenburg und Weißenburg zu beobachten. In Rothenburg ob der Tauber muss der Zwinger vor der (um 1330–40 begonnenen) äußeren
Abb. 173 Hainburg (Niederösterreich), die romanische Stadtmauer (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts) wurde offenbar von Anfang an von einer (turmlosen?) Zwingermauer begleitet, von der allerdings nur wenig erhalten ist (R. Woldron, ungedrucktes Gutachten).
Abb. 174 Friesach (Kärnten), die Hauptmauer (gegen 1300) und die vorgelagerte Zwingermauer mit (restaurierten) Zinnen (14. Jahrhundert?) an der Südseite der Stadt. 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Mauer jedenfalls vor 1376 entstanden sein, weil in diesem Jahr bereits die Ummauerung der davor liegenden Spitalvorstadt erwähnt wird; der Zwingerteil in dieser Vorstadt ist ohne Hinweise auf Streichwehren, der weiterhin dem freien Feld zugewandte erhielt diese offensichtlich im 15. Jahrhundert. Auch in Weißenburg ist ein turmloser Zwinger vor der Südmauer der Altstadt belegbar bzw. erhalten, vor der dann 1372 / 76 eine Stadterweiterung ummauert wurde. 1390 ist in Ochsenfurt die Rede vom Bau eines Zwingers; von der ungewöhnlichen Anlage an der Bergseite, bis zu 10 m hoch, mit überwölbtem Wehrgang und hohen Erkertürmen, ist Wesentliches erhalten. In Nördlingen war der Zwinger 1401 im Bau, aber zunächst ohne Streichwehren. Schließlich ist der Nordzwinger des oberbayrischen Tittmoning wohl um 1420, spätestens um 1470 zu datieren, und auch im oberpfälzischen Amberg entstand der turmlose Zwinger wohl ab dem frühen 15. Jahrhundert. In der Pfalz gibt es nur wenige und in der Regel undatierbare turmlose Zwinger; etwa in Neuleiningen sind Reste des 15. Jahrhunderts erhalten, in Speyer bleibt letztlich unklar, ob ein Zwinger vorhanden war. Und weiter nördlich im Bereich des Rheinischen Schiefergebirges sieht es keineswegs besser aus, wenn man Koblenz ausnimmt, wo vor der Mauer der Stadterweiterung vor 1276 einer der frühen turmlosen Zwinger des deutschen Raumes belegbar ist. Sonst verzichteten die in der Regel kleinen Städte der Region so gut wie völlig auf Zwinger; Wittlich und Beilstein boten höchst bescheidene Ausnahmen, in Trarbach handelte es sich eher um eine kleine Stadterweiterung. Sobernheim erhielt 1403 Fristverlängerung für den Bau eines Zwingers, aber es bleibt unklar, ob dieser letztlich ausgeführt wurde. Der archäologisch erfasste, aber in seiner Deutung zweifelhafte Fall Neuss ist schon diskutiert worden; zu ergänzen bleibt, dass die vorgelagerte Mauer im 14. Jahrhundert rechteckige Streichwehren erhielt – ein seltener Fall im Flachland – und spätestens damit unzweifelhaft zum Zwinger wurde. Im nord- und ostdeutschen Raum sind Zwinger generell selten und besonders turmlose Zwinger sind kaum zu nennen. In Hessen war das zwingerartige Vorwerk um einen Brunnen 232 I. Systematischer Teil
in Ortenberg ein seltener Sonderfall, in Thüringen sind unerforschte Zwinger von Erfurt und Arnstadt zu nennen, schließlich eine Anlage in Reichenbach in Schlesien (Abb. 474), die nicht vor dem 14. Jahrhundert entstanden sein kann. Eine bemerkenswerte Ausnahme – sowohl auf den Osten des mittelalterlichen deutschen Raumes bezogen als auch im Flachland – stellte das Ordensland Preußen dar. Hier findet man nicht nur einen erstaunlich frühen Sonderfall wie Thorn, wo der turmlose Zwinger schon 1293 als „kleinere Mauer“ der Altstadt erwähnt wird, sondern es gibt auch sonst Reste turmloser Zwinger (Allenstein, Braunsberg, Graudenz, Rastenburg) oder Fälle ohne Reste, bei denen diese aber noch indirekt belegbar sind (Danzig, Elbing, Mewe, Neidenburg, Preußisch Holland). Bedenkt man, dass der Deutsche Orden auch bei seinen ausgesprochen innovativen Burgen von Anfang an, also schon vor und um 1300, turmlose Zwinger baute und dass er für diese Anlagen das aus dem Persischen stammende Wort „parcham“ verwendete, so drängt sich hier wirklich eine „orientalische“ Erklärung auf – der Orden dürfte Zwinger wirklich in der Region seiner Entstehung, im Vorderen Orient, kennengelernt haben, sodass er in der Lage war, sie auch in Mitteleuropa früher und konsequenter als andere Bauherren zu verwenden. Zusammenfassend kann man zu den turmlosen Zwingern also festhalten, dass sicher vor 1300 entstandene Beispiele bisher ausgesprochen selten sind (Hainburg, Wiener Neustadt, Koblenz, Thorn; Neuss?). Die Mehrzahl der noch identifizierbaren, ohnehin nicht allzu zahlreichen Fälle waren bescheidene Anlagen kleiner Städte, die ins 14. oder eher erst ins 15. Jahrhundert gehören. Der Normalfall des turmlosen Zwingers war also sicherlich nicht Ausdruck früher Entstehungszeit, als man sich noch auf das Nötigste beschränkte, sondern vielmehr eine Folge begrenzter Mittel von Städten, die im Zeitalter schon weitverbreiteter Zwinger zwar nicht völlig auf einen solchen verzichten wollten, die aber eine konsequent mit Streichwehren ausgestattete Anlage nicht finanzieren konnten. Einen Ausnahmefall finden wir lediglich in den Städten und Burgen des Deutschen Ordens, der hier offenbar wirklich ein aus dem Orient stammendes Sonderwissen einsetzte.
Abb. 175 Streichwehren verschiedener Art und Größe an Zwingern: links Nördlingen (Bayerisch Schwaben), der 1644 / 45 ausgebaute „Reißturm“, turmartig groß mit „Hals“, rechts Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), Streichwehr in Erkerform.
2.2.8.3. Zwinger mit Streichwehren Wie zu Beginn des vorigen Kapitels erklärt, werden die umlaufenden Zwinger hier im Rahmen einer rein formalen Gliederung vorgestellt – zuerst die einfache, dann die komplexere Form, also zunächst Zwinger ohne Streichwehren, dann jene mit Streichwehren. Dieses ahistorische Prinzip wurde deswegen gewählt, weil wir über keine Kriterien verfügen, die uns einen bestimmten Gang der Entwicklung nahelegen würden. Immerhin haben wir den schon zitierten Hinweis der Chronik des Lorenz Fries, nach der Zwinger mit „Türmen“ vor dem 15. Jahrhundert unüblich gewesen seien – einen Hinweis also, den wir angesichts seiner Vereinzelung und räumlichen Begrenztheit nicht überschätzen sollten, der aber doch immerhin belegt, dass auch manche Zeitgenossen schon das Fehlen oder Vorhandensein von Streichwehren für ein zentrales Merkmal von Zwingeranlagen hielten. Zunächst sei der Begriff der „Streichwehr“ erläutert, der ja aus dem neuzeitlichen Festungsbau stammt und hier für das Spätmittelalter quasi rückwirkend verwendet wird. Die in ge-
wissen, halbwegs regelmäßigen Abständen vor die Zwingermauer vorspringenden Bauten mit Schießscharten (Abb. 175) werden vom Betrachter in erster Linie analog zu den Türmen der Hauptmauer wahrgenommen, weil sie wie diese eigenständige Baukörper mit deutlich größerer Höhe als Breite sind; in der Tat besaßen sie meist zwei bis drei Geschosse, oft mit Wölbungen, von denen in der Regel aber alle bis auf das oberste unter dem Niveau des Zwingers lagen. Dies zeigt, dass ihre Funktion bei aller formalen Ähnlichkeit eine ganz andere als die der Türme war, denn in völligem Gegensatz zu diesen überragten sie das natürliche Niveau des (Vor-) Geländes nicht oder kaum. Aus ihren tief liegenden Scharten konnte daher fast nur der Graben beschossen bzw. seitlich „bestrichen“ werden. Insoweit war das Aufkommen von Streichwehren Ausdruck eines aktiveren und besser durchdachten Verständnisses von Verteidigung, das mit der zunehmenden Verbreitung von Feuerwaffen zu tun hatte – der Graben wurde nicht mehr nur als Annäherungshindernis verstanden, sondern darüber hinaus als ein Ort, an dem der Angreifer 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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operieren konnte und den man daher gegen sein Eindringen sichern musste. Bereits bei den turmlosen Zwingern (vgl. 2.2.8.2.), also dem weniger spektakulären und offenbar auch weniger verbreiteten Phänomen gegenüber den Zwingern mit Streichwehren, war festzustellen gewesen, dass sich ganz im Osten des deutschen Sprachraumes, und zudem im sonst fast zwingerfreien Flachland, eine unerwartete Dichte derartiger Anlagen feststellen ließ, nämlich im Ordensland Preußen. Und es war dort auch schon eine weitere These erwähnt worden, die dieses Sonderphänomen mit der Herkunft des Deutschen Ordens in Verbindung bringt. Im Heiligen Land gegründet und schon ab den 1220er / 30er Jahren im Land der Pruzzen aktiv, gewann sein Steinburgenbau in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und der Bau steinerner Stadtbefestigungen im Laufe des 14. Jahrhunderts an Dynamik. Dass der Orden ein direkt aus dem Orient importiertes Wissen über Zwinger anwandte, hat daher durchaus etwas für sich, auch wenn unmittelbare Beweise aus den Quellen fehlen; es sei immerhin daran erinnert, dass der Sonderbegriff „parcham“ für die Zwinger der Ordensburgen in der Regel von einem persischen Wort abgeleitet wird, das „Wall“ oder „Schießscharte“ bedeutet (und auch als „Barbakane“ weiterlebt). Eine zweite „östliche“ Anregung für Zwinger – nun für die jüngere Form mit Streichwehren – könnte von den hussitischen Feldzügen
im Osten des süddeutschen Raumes gekommen sein. Eine wirkliche Klärung dieser These ist hier unmöglich, sie könnte nur in Böhmen selbst erfolgen, durch Forscher mit direktem Zugang zu den tschechischen Quellen und den Bauten. Vom heutigen deutschen Forschungsstand her und für die Zwecke des vorliegenden Buches muss notgedrungen die Beobachtung genügen, dass in jenen deutschen Ländern, die im Westen und Norden an Böhmen grenzten, die von den hussitischen Zügen betroffen waren und die in der zweiten Jahrhunderthälfte dann auch zu den architektonisch produktivsten des deutschen Raumes gehörten, in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gewisse Phänomene auftraten, die man auf diese hussitische Anregung zurückführen kann. Dies gilt für die Oberpfalz und für Franken, für Sachsen und für Schlesien, also eben jene Länder, die in der Hauptsache Ziel hussitischer Züge waren; sie werden daher hier an den Anfang gestellt. Im regionalen Teil dieses Buches, Kapitel „11. Oberpfalz“, werden Beispiele für Zwinger mit Streichwehren genannt, die bereits ab den 1420er Jahren entstanden, in wichtigen Städten wie Nabburg, Cham und Amberg, vielleicht auch in Regensburg und weiter westlich, in Franken, auch in Würzburg. Vor allem in der Oberpfalz erhielten in dieser Zeit beachtlicherweise aber auch viele kleine Städte derartige Zwinger. Den Höhepunkt dieser Anlagen, auch bezüglich der Erhaltung, bildet Nürnberg, auch
Abb. 176 Nürnberg, Hauptmauer und Zwinger, nach Hartmann Schedel und rekonstruierender Schnitt nach August von Essenwein. Der Zwinger entstand wohl um / nach 1400 (Holzschnitt aus der „Weltchronik“, 1493, Ausschnitt; Handbuch der Architektur, 2. Teil, 4. Bd., H. 1, Die Kriegsbaukunst, 1889).
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Abb. 177 Bautzen (Sachsen), ein Abschnitt der inneren Stadtmauer mit drei runden Streichwehren mit „Hals“ (rechts ohne das abgebrannte Dach) und zwei Barbakanen im frühen 18. Jahrhundert. Diese Art von Streichwehren war besonders in Schlesien verbreitet (J. G. Schreiber, Budissin …, Kupferstich 1709).
wenn der Zwinger dort nicht eng datierbar ist; wahrscheinlich darf man die Nachricht, der Graben sei 1427–52 vollendet worden, auch auf den Zwinger beziehen. In ihrer ursprünglichen Gestalt – die später, wohl gegen Mitte des 16. Jahrhunderts, durch Kappung, neue Brustwehren und Schießscharten an die Artillerie angepasst wurde – waren die fast durchweg rechteckigen Türme der Zwingermauer ein bis zwei Geschosse höher als deren Wehrgang (Abb. 176); auch ihr Buckelquaderwerk sorgte dafür, dass die Türme als Pendants zu jenen der Hauptmauer bzw. als zweite Mauer ganz ähnlicher Gestalt wirkten (Abb. 29). Dass einzelne Streichwehren abweichender Form – fünfeckig, abgerundet oder manieristisch „schraubenförmig“ mit entsprechend schrägen Schießscharten (Abb. 376) – erst später ergänzt wurden, darf man annehmen. Weitere erhaltene oder belegte Streichwehrzwinger in Franken gehören erst ins spätere 15. oder erst ins 16. Jahrhundert und fügen sich damit in die generelle Entwicklung des deutschen Raumes ein. Erwähnenswert scheinen etwa Möckmühl (Württembergisch Franken; um 1454–73) und Wolframs-Eschenbach (um 1463?); Wertheim erhielt seinen Zwinger wohl erst um 1500, ähnlich wie vermutlich Dinkelsbühl, wo die Entwicklung von rechteckigen Streichwehren zu runden im mittleren 16. Jahrhundert vonstattenging. Im kleinen Kronach sind zwei Zwingerrondelle auf 1509 und auf nach 1515 datierbar, während der verschwundene Zwinger von Mergentheim gar erst 1540–44 entstanden sein dürfte.
Sachsen hat bekanntlich durch sein intensives Baugeschehen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert einen schweren Aderlass seiner Befestigungsbauten erlebt, aber was blieb oder indirekt belegbar ist, belegt auch hier eine intensive Reaktion auf die Hussitenkriege. Die Zwinger besaßen hier oft runde und rechteckige Streichwehren nebeneinander, jedoch gab es auch Fälle mit ausschließlich runden (etwa Torgau, Löbau, Oelsnitz, Plauen). Relativ früh belegbar sind die Zwinger von Dresden (1427–31), Großenhain (nach 1429), Kamenz (ab 1432) und Löbau (1432–59?), wobei vor Ort kaum noch etwas zu sehen ist. In Bautzen, das wie Görlitz eigentlich zu Schlesien gehörte, kam der Zwingerbau spätestens etwa 1444 in Gang – damals wurde die Nikolaikirche im Nordzwinger geweiht; typisch bei dieser wohlerhaltenen Anlage sind mehrgeschossige Streichwehren, die mit langem „Hals“ vor die Mauer und den Zwinger vorspringen, die älteste ist hier 1468 / 69 datiert, die jüngste 1503. Ganz ähnlich sah der Zwinger von Görlitz aus; von den beiden erhaltenen Rondellen stammt eines von 1536. In Chemnitz ist ein Zwinger mit halbrunden Streichwehren – Nachfolger des erwähnten Zaunes von 1331 – ab 1456 belegbar. Diese Streichwehren, die nicht einfach vor die Zwingermauer vorspringen, sondern mit einem langen, überdachten Bau, den ich als „Hals“ bezeichne, an der Hauptmauer ansetzten und den Zwinger überquerten, sind ein regionaler Sonderfall (Abb. 177, vgl. Abb. 481). Neben Bautzen mit seinen mehrgeschossigen 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 178 Breslau, die große Streichwehr am Ausfluss der Ohle, 1486 begonnen und ab 1967 freigelegt und rekonstruiert, „versinkt“ heute im Boden, weil der links anschließende Wassergraben verfüllt ist. Sie zeigt einerseits Kanonenscharten in den Kasematten, andererseits bezeugen die kleinen Türmchen spätgotische Formvorstellungen.
Beispielen und Görlitz gab es Streichwehren dieser Art in Zwickau (ab 1486), Zittau (1513–62?) und Pirna. Das Verbreitungsgebiet dieser Form umfasste aber nicht nur Sachsen, sondern auch Schlesien, wo allerdings gerade die Zwinger der wichtigen Städte verschwunden sind – neben jenen von Breslau und Glogau also auch die von Neiße (1417 erweitert), von Liegnitz, wo 1483 Abb. 179 München, der Holzschnitt von Hartmann Schedel (1493; Ausschnitt) zeigt die ehemals dicht gereihten rechteckigen Streichwehren des Zwingers des mittleren 15. Jahrhunderts; rechts das „Isartor“ (vgl. Abb. 164).
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ein Meister Urban an „Basteien“ beschäftigt war, oder von Schweidnitz, das 1486 „neue Mauern“ erhielt. In Breslau ist immerhin der wohl größte Bau dieser Art restauriert erhalten, und zwar am Ausfluss der Ohle: Diese wohl 1486 begonnene Streichwehr ist fast 50 m lang, besteht über einem Sockel aus Kalksteinrustika aus Backstein, besitzt Rundscharten in Hosenform und Erkertürmchen (Abb. 178). Erhaltene Zwinger findet man in Schlesien noch in Freistadt, wo sich eben die Form mit Hals mehrfach erhalten hat, ferner in Löwenberg (um 1435–94; Abb. 481) und in Bunzlau (ab 1479?), dort mit auffällig hohen Halbrundtürmen; geringe Reste gibt es noch in Namslau, wo der Zwinger 1471 und 1488 im Bau war. In Schlesien waren die Streichwehren grabenseitig stets rund. Auch im österreichischen Voralpenland gibt es einzelne Beispiele für Zwinger mit Streichwehren, die ab den 1420er Jahren entstanden, so etwa in Weitra (1426 erweitert), oder in Schärding / Inn, wo der Zwinger nach einer Inschrift ab 1429 in acht Jahren erbaut wurde. Die meisten Bauten dieser Art sind hier aber später entstanden (Freistadt, nach 1465?; Drosendorf, um 1460–90; Abb. 13) oder nicht näher datierbar (etwa Krems, Eggenburg, Retz, Ybbs). In den Alpen fehlt auch diese Form des Zwingers so gut wie völlig. In Tirol gab es rudimentäre Anlagen etwa in Innsbruck und Hall; in Glurns war ein Zwinger 1521 geplant, blieb aber weitgehend unausgeführt. Auch in der Schweiz waren die Beispiele eher selten und konzentrierten sich auf die Städte des Alpenvorlandes. In Bern etwa entstand ein Zwinger an der Angriffsseite mit sieben halbrunden Streichwehren um 1490, während die Entstehungszeiten in anderen großen Städten wie Basel oder Zürich durch spätere Umbauten und Schleifungen unklar sind. In Zofingen entstand der Zwinger mit vier Streichwehren wohl ab 1442. Weiter nördlich, in Bayern, erhielt München 1435–65 einen der aufwendigsten Zwinger dieser Art, vielleicht einer der entfernteren Ausläufer der hussitischen Vorbilder; die Streichwehren, jeweils mittig zwischen die Türme der Hauptmauer gesetzt – wie im wenig älteren Nürnberg, jedoch aus Backstein –, waren hier rechteckig und beachtliche 10 m breit (Abb. 179). Direkt von München abhängig war wohl der Zwinger im nahen
Landsberg am Lech, der aber auch einzelne achteckige Streichwehren besitzt. Weitere datierbare Beispiele im heutigen Bayern findet man etwa in Wemding, wo es rechteckige Streichwehren gab (wohl ab 1457) oder in Neuburg an der Donau, wo ein Zwinger mit runden Streichwehren 1470 erwähnt ist und damals wohl im Bau war; ein zweiter, am Hangfuß vorgelagerter entstand wohl um 1530 / 40. 1474 regelte Herzog Albrecht die Finanzierung des Zwingers von Straubing; seine erhaltenen Teile zeigen originelle Merkmale wie Wehrgangbögen und übereck gestellte rechteckige Streichwehren in Abwechslung mit runden. In Eichstätt entstand ein Zwinger mit halbrunden Streichwehren um 1488 / 94. Weiter westlich, im Oberschwäbischen, setzte die Entwicklung offenbar deutlich später ein; abgesehen von dem zweifelhaften Fall eines frühen Zwingers in Biberach (vgl. 2.2.8.2.), scheint hier Ulm der früheste Fall (um 1480 / 1500). Aussagekräftig ist Dillingen, wo der Bischof von Augsburg nach einem Vertrag von 1498 „den Zwinger mit verfasten thurnen um der Stadtmauer […]“ bereits bauen ließ. Bischof und Stadt wollten nun den Unterhalt teilen; Reste von drei runden Streichwehren sind erhalten. In Mindelheim entstand der Zwinger wohl um 1500, in Augsburg selbst aber erstaunlicherweise erst ab 1521. Weitere Fälle, die aber weitgehend verschwunden sind, waren Isny, Waldsee, Münsingen, Giengen, Mengen und Memmingen. Im anschließenden Neckarland ist die Lage unklarer; zwar gab es viele Zwinger mit runden Streichwehren, aber die Datierung ist selten zuverlässig geklärt; im wichtigen Reutlingen entstand der Zwinger vielleicht erst nach 1519. Ganz ähnlich stellt sich die Lage in Baden dar, wo es immerhin Zwinger gab, weitgehend im Gegensatz zum Elsass; und nicht viel anders steht es in der Pfalz, wo Alzey das besterhaltene Beispiel ist. In Hessen haben vor allem Städte im Odenwald und im Rhein-Main-Gebiet Zwinger bewahrt – also in dem erst spät zu Hessen gekommenen Landesteil; sie sind aber meist nur grob ins 15. Jahrhundert zu datieren –, etwa Lindenfels, Michelstadt und Steinau sowie Steinheim und Babenhausen. Herauszuheben sind erhaltene Abschnitte in Darmstadt, wo runde Streichwehren und eckige Erker ebenso abwechseln wie Varianten von Schlüsselscharten mit Schlitz-
scharten. Leider wissen wir offenbar nichts über die Entstehung der umfangreichen Zwingeranlagen von Frankfurt am Main, dafür ist der Zwinger in Butzbach um 1428–34 erstaunlich früh entstanden. Die zahlreichen kleinen, spät befestigten Städte Oberhessens hatten in aller Regel keine Zwinger. Dagegen waren Zwinger im östlich anschließenden Raum von Thüringen und SachsenAnhalt relativ verbreitet, auch wenn die in der dortigen Literatur oft erwähnten „Doppelmauern“ wohl manchmal nur eine Fehlinterpretation älterer Pläne darstellen. Erhaltene und datierbare Beispiele sind auch hier in der Minderzahl. Pößneck wurde 1424–97 ausgebaut, wozu auch ein Zwinger gehörte; erhalten sind drei Rondelle mit stichbogigen Maulscharten und kreuzförmig erweiterten Rundscharten; in Nordhausen entstand der Zwinger, von dem nur eine Streichwehr erhalten ist, ab 1455. Weitere Reste findet man noch in Jena und Neustadt an der Orla, wo die Zwingermauer turmlos um runde Ecktürme herumgeführt ist, in Langensalza und Weimar, wo Teile einer runden Streichwehr bzw. zwei Rondelle erhalten sind; in Heiligenstadt und Meiningen gab es Zwinger, von denen jedoch nichts übrig geblieben ist. In Sachsen-Anhalt ist der Zwinger von Naumburg mit seinen runden, rechteckigen und fünfeckigen Streichwehren, entstanden 1433–99, heute das besterhaltene Beispiel des Typus; Reste findet man auch in Aschersleben. Die Zwinger der bedeutenden Städte Halle und Magdeburg sind verschwunden. Im norddeutschen Flachland fehlen Belege für Zwinger mit Streichwehren so gut wie völlig und auch schon am Nordrand der Mittelgebirgszone sind sie selten. Das Fehlen in Oberhessen wurde schon angemerkt, für das Rheinische Schiefergebirge gilt Entsprechendes, wobei Blankenberg / Sieg als bemerkenswerte Ausnahme gelten muss; es besitzt einen Zwinger mit rechteckigen Streichwehren und einfachen Schlitzscharten (Abb. 103). Als Gegenstück in Westfalen ist Warburg zu nennen, das nach heutigem Kenntnisstand als einzige Stadt des Landes einen Zwinger (mit halbrunden Streichwehren) besaß. Der Hauptgrund für das weitgehende Fehlen des Bautypus im norddeutschen Raum wird sicherlich im fehlenden Steinmaterial zu suchen sein bzw. in der Möglichkeit, den Angreifer mit dem 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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anderen Mittel der Wall-Graben-Systeme auf Abstand zu halten (vgl. 2.2.9.). Jedoch weist die Tatsache, dass die Nordgrenze der „Zwingerzone“ schon weiter südlich bzw. im Mittelgebirgsraum lag, wohl doch darauf hin, dass es weitere Gründe für die Lage dieser Grenze gegeben haben muss – wohl die Tatsache, dass das Phänomen seinen Ursprung im Süden hatte und von dort aus nicht überall hin vordrang. Zwinger mit Streichwehren waren also im deutschen Mittelgebirgsraum ein recht verbreitetes Phänomen. Dabei traten sie ab den 1420er / 30er Jahren vor allem in einem breiten Gürtel um Böhmen herum auf, was der These Nahrung gibt, dass ihr Ursprung in Böhmen lag und dass ihre Verbreitung durch die Hussitenzüge jener Epoche erheblich gefördert wurde. Die Nordgrenze ihrer Verbreitung ist dabei weitgehend mit jener der Mittelgebirge identisch, wobei es aber auch Mittelgebirgsregionen gibt, in denen Zwinger nahezu gar nicht vorkamen; etwa das Rheinische Schiefergebirge mit seiner dünnen Besiedlung und kleinen Städten legt dabei nahe, dass es hier wieder wirtschaftliche Faktoren waren, die eine entscheidende Rolle spielten, denn die Anlage eines solchen Zwingers bedeutete selbstverständlich einen hohen Aufwand. Zusammen mit der Erweiterung des Grabens entsprach er durchaus jenem, den früher der Bau der Stadtmauer als solcher verursacht hatte. Die Einschätzung liegt daher nahe, dass diese Art von Zwinger den ersten Versuch der Städte und ihrer Baumeister darstellte, den aufkommenden Feuerwaffen entgegenzutreten. Dabei sah man offenbar die Zerstörungskraft der Kanonen noch nicht als das Hauptproblem – oder wollte es aus Kostengründen nicht sehen –, sondern vielmehr die Annäherung von Truppen. Denn die Zwinger und ihre „Türme“ schufen zunächst weder Platz für eigene größere Geschütze, noch versuchten sie, durch besonders dickes Mauerwerk oder gar Erdschüttungen den Geschossen der Angreifer Widerstand zu leisten. Zweck der Zwinger war es vielmehr, die Angreifer vom Fuß der Hauptmauer fernzuhalten, und zwar vor allem durch geschickt angeordnete Stellungen für eigene Schützen mit leichten Feuerwaffen, also Hakenbüchsen, Musketen oder Feldschlangen. Gelegentlich, wenn auch häufiger an Burgen – Festung Marienberg, Burg Prozelten, 238 I. Systematischer Teil
beide in Franken –, wurden die Untergeschosse der Streichwehren nicht nur durch Treppen oder Leitern erschlossen, sondern durch überwölbte Gänge wie etwa in Darmstadt (wo diese allerdings verblüffend niedrig sind). In den formalen Variationen der Streichwehren – anfangs wohl überwiegend rechteckig, dann aber fast überall gemischt, mit regionalen Tendenzen zur Rundform – zeigt sich neben der spätgotischen Tendenz zum malerisch Abwechslungsreichen offenbar der Versuch, die effektivste Anordnung der Scharten und Schützen zu finden. Dass Zwinger im Flachland weitgehend fehlen, wird man zwanglos davon ableiten dürfen, dass Erde, Sand und Wasser dort weit sparsamere Möglichkeiten boten, den Angreifer auf Distanz zu halten, während das enorme Mauerwerksvolumen, das ein Zwinger erforderte, dort nur sehr schwer aufzubringen war. Erst in einer späteren Phase, ab dem späten 15. Jahrhundert, begann man dann, weit größere und aufgrund ihrer Massivität auch schwer zerstörbare Aufstellplätze für eigene Geschütze zu schaffen, nämlich Rondelle aus Stein oder Erde und schließlich echte Bastionen, die aus Italien „importiert“ wurden (vgl. 2.2.11.5.). Offenbar hat das Konzept, auch bei Belagerungen schweren Geschützen die entscheidende Rolle zuzuweisen, einige Zeit zu seiner praktischen Durchsetzung gebraucht. Es sei daran erinnert, dass sich bei der Behandlung der Torzwinger (vgl. 2.2.7.) ein ganz analoger Schluss aufgedrängt hatte: Man fürchtete anfangs offenbar weniger die aus großer Entfernung heranfliegende Kanonenkugel mit ihrer Durchschlagskraft, sondern offenbar viel mehr die Masse der gegnerischen Truppen, die im Sturmangriff die Mauern erreichen und sie ersteigen oder zerstören könnten.
2.2.9. Gräben, Wälle, Palisaden und Hecken Gräben und Wälle waren von den Anfängen bis zur artilleristischen Spätzeit selbstverständliche Bestandteile der Stadtbefestigungen, wie viele erhaltene Beispiele und archäologische Befunde zeigen. Für Anlagen aus lebendem oder geschlagenem Holz hat wahrscheinlich Entsprechendes gegolten. Nur ist von ihnen sehr wenig erhalten und belegbar, weil Palisaden und Zäune, ungeschützt der Witterung ausgesetzt, nun einmal
rasch zerfallen und weil lebende Pflanzen bzw. Hecken bei Erreichen ihrer natürlichen Lebensdauer ebenfalls verschwinden. Dass schnell herzustellende Werke aus Erde oder Sand, verstärkt durch Palisaden oder Zäune, am Anfang sicherlich sehr vieler, wenn nicht sogar aller Stadtbefestigungen gestanden haben dürften, ist schon dargestellt worden (vgl. 2.2.1.2.). Hier soll es nicht nochmals um diese Anfänge gehen, sondern um Gräben, Wälle, Palisaden usw. in jener Zeit, in der die Hauptmauer aus Stein der Normalfall war und die Anlagen aus Holz und Erde lediglich Ergänzungen darstellten, die man vor dieser Hauptbefestigung anordnete, um die Annäherung des Gegners zu behindern. Das zentrale Problem bei der Erforschung der städtischen Wallgräben besteht in ihrem sehr weit gehenden Verschwinden. Die Ausdehnung der Städte besonders im 19. Jahrhundert führte dazu, dass die Wallgräben nicht nur die Kommunikation zwischen der (seit damals in der Verwaltung so genannten) „Altstadt“ und den neuen Stadtteilen behinderten und schon daher meist eingeebnet wurden, sondern dass sie darüber hinaus selbst als Reserveflächen für die Bedürfnisse des Verkehrs dienten. „Ringstraßen“ auf der Fläche der Mauern und Wallgräben sind ein Standardelement der Stadtplanung jener Epoche, nicht nur in den berühmten Fällen einer höchst repräsentativen Ausgestaltung wie vor allem in Wien, sondern in zahllosen Städten, wo sie weit unspektakulärer bis heute ihre Aufgabe erfüllen (vgl. 2.3.2.). Aus baugeschichtlicher Sicht besteht ein weiteres, ebenso wichtiges Problem der Wälle, Gräben und hölzernen Befestigungen natürlich darin, dass sie in die Entwicklung der Befestigungen nicht wirklich einzuordnen sind, weil man sie kaum je datieren kann. Wo selten genug quellenmäßige Erwähnungen dieser rein utilitären Anlagen vorliegen, geht es nicht um Details bzw. kann man nie bestimmen, auf welchen Entwicklungsstand der vielfach veränderten Gräben und Wälle sich diese Erwähnungen bezogen. Selbst archäologische Untersuchungen helfen nur gelegentlich weiter, weil man viel Glück braucht, um in einer unbesiedelten und daher in der Regel stratigraphiefreien Zone der Stadt Funde zu machen, die eine sichere Datierung ermöglichen;
Abb. 180 Nürnberg, Zwinger und Graben an der Westseite der äußeren Mauer, etwa 1860. An die Hauptmauer sind noch Wirtschaftsgebäude angelehnt, der Graben mit seiner gemauerten Contrescarpe wird als Garten genutzt (H. H. Hofmann, Die Nürnberger Stadtmauer, 1967).
immerhin kann die allgemeine Entwicklung des Stadtgebietes hier manchmal Hinweise geben. Als Hauptquelle zu diesen Anlagen bleiben also letztlich die historischen Darstellungen, mit denen sich jüngst Olaf Wagener auseinandergesetzt hat, also Pläne und Veduten, später auch Detaildarstellungen; diese setzten jedoch in halbwegs detaillierter Realitätsnähe nicht vor dem 16. Jahrhundert ein, sodass man in ihnen eigentlich frühneuzeitliche Zustände dargestellt findet, aus denen nur begrenzt und vorsichtig auf mittelalterliche zurückzuschließen ist. Wegen dieser nicht lösbaren Probleme kann die folgende Darstellung – wie schon jene der Zwinger, wo ähnliche Probleme vorliegen – nur nach formalen Aspekten gegliedert werden. Wo Beispiele zu den formalen Ausprägungen genannt werden können, bleiben diese doch notgedrungen so vereinzelt, dass eine Charakterisierung als typische Form einer Epoche nicht zu belegen ist; es steht zu befürchten, dass es auch auf Dauer bei diesem unbefriedigenden Zustand bleiben wird. Die einfachste Form des Grabens war der ungefütterte Graben mit beidseitigen Hängen, deren Steilheit vom Material abhängig war. Der Querschnitt war in der Regel u-förmig mit mehr oder weniger ausgeprägt horizontaler Sohle; der Spitzgraben, wie er typisch für römische Befestigungen war, fehlte im Mittelalter fast vollständig. Die Maße des Grabens variierten offenbar stark, 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 181 Gransee, vereinfachter Schnitt durch die Wallgräben im Südosten der Stadt – ein seltener, archäologischer Befund, der leider nicht datierbar ist. Auf den später gekappten Wällen zwischen den drei Hauptgräben verliefen kleinere Gräben (von entfernten Palisaden?). Das System begann über 5 m vor der Mauer und war 52 m tief. (M. Trier in: Befestigungen brandenburgischer Städte …, 2000).
wobei man wohl davon ausgehen darf, dass die prinzipielle Entwicklung vom eher schwach ausgeprägten zum groß dimensionierten Graben ging. In Ravensburg etwa wurde archäologisch ein Graben vor der Mauer wohl des mittleren 12. Jahrhunderts nachgewiesen, der nur 3,5 m breit und 1,5 m tief war, was bedeutet, das nicht nur ein Reiter, sondern sogar ein Fußgänger ohne Weiteres darüber springen konnte. Dass so geringe Maße vor allem in der Frühzeit etwas mit rechtlichen Bestimmungen zu tun hatten – der immer wieder zitierte „Sachsenspiegel“ bewertet Gräben erst ab einer bestimmten, durch den Vorgang des Schaufelns definierten Dimension als genehmigungspflichtige „Befestigungen“ –, ist nicht ohne Grund häufig vermutet worden; leider aber sind derartige Festlegungen nie mit konkreten Fällen in gesicherte Verbindung zu bringen. In der Spätzeit, ab dem 15. Jahrhundert, erreichten die Gräben dagegen monumentale Dimensionen, wofür etwa Nürnberg ein bis heute eindrucksvolles Beispiel aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bietet (Abb. 180). Wahrscheinlich vor allem aus der Erwägung, dass die Standfestigkeit der oft nur flach gegründeten Mauer (vgl. 2.2.3.3.) nicht gefährdet werden sollte, ergab sich die Überlegung, zwischen Mauer und innerem Grabenhang ein Stück flaches Gelände zu lassen, eine „Berme“. Frühe Beispiele dafür bieten etwa die schweizerischen Städte Freiburg im Üechtland (Mauer nach 1157) und Bern (erst um 1220 / 30?), wo die Gräben rund 10 m vor der Mauer lagen; diese Form kam in der Schweiz auch später noch verschiedentlich vor. Sie ist generell eher bei Kleinstädten erhalten geblieben, weil bei größeren und reicheren die spätmittelalterlichen Zwinger und Grabenvergrößerungen diesen Urzustand beseitigt haben – sofern er tatsächlich weitverbreitet gewesen sein sollte. 240 I. Systematischer Teil
Ein ungefütterter Graben war kein allzu wirkungsvolles Annäherungshindernis, denn seine beidseitigen Hänge können zwar die Annäherung nicht berittener Angreifer erheblich verlangsamen – vor allem, wenn sie mit Gerät wie etwa Leitern belastet waren –, aber nicht wirklich verhindern. Selbst wenn die Gräben Wasser enthielten, konnte man sie relativ leicht auffüllen oder den Winter mit seiner Eisbildung abwarten; und Palisaden, Zäune und Hecken waren nicht unempfindlich gegen Feuer, Hacken und Äxte. Die schützenden Eigenschaften der Wallgräben konnte man prinzipiell auf zwei Arten verbessern: Man konnte quantitativ vorgehen, also Wälle und Gräben mehrfach hintereinander staffeln, oder qualitativ, indem man Breite und Tiefe des Grabens vergrößerte und vor allem die Hänge durch senkrechte Futtermauern ersetzte. Die letztere Methode war sicherlich effektiver, denn in einen Graben mit senkrechten, hohen Wänden konnte man im Prinzip nur mit Leitern vordringen, während gestaffelte Erdwälle immer noch zu Fuß überwindbar blieben, wenn auch mit Mühe. Es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass die erste Methode vor allem im Flachland zur Anwendung kam, wo Erde und Sand leicht zu bewegen sind, Stein aber selten und wertvoll ist, während die letztere eher im Mittelgebirge mit seinen Steinvorkommen gewählt wurde; sie war sicher die aufwendigere, denn im Mittelgebirge mussten viele Grabenteile in anstehenden Fels abgetieft werden. Beginnt man mit den mehrfach gestaffelten Wallgräben, so war das größte Verbreitungsgebiet der flache Nordteil Mitteldeutschlands: Brandenburg, Mecklenburg und Pommern, wo die Mauern in der Regel aus dem 14. Jahrhundert stammen, aber gerade die Wallgräben theoretisch auch weit ins 13. Jahrhundert zurückgehen könnten; dieses Letztere ist gelegentlich
behauptet worden, aber Beweise fehlen. Im sprichwörtlich sandigen Brandenburg waren – wie vor allem Pläne des 18. und 19. Jahrhunderts belegen, aber auch seltene archäologische Befunde (Abb. 181) – dreifach gestaffelte Gräben durchaus verbreitet, aber auch in Mecklenburg gab es sie, wie noch erkennbare Bereiche etwa in Parchim veranschaulichen. Dagegen waren sie weiter westlich, wo die Städte ohnehin weniger dicht gestreut waren, vielleicht seltener, wie eine Quelle des späten 14. Jahrhunderts für das westfälische Kamen andeutet, indem sie dessen dreifache Gräben als etwas offenbar Besonderes hervorhebt. In Brandenburg, wo die jüngeren archäologischen Untersuchungsergebnisse an Stadtbefestigungen vor einigen Jahren zusammengefasst wurden, sind einige wenige Details festgestellt worden, die die nähere Ausgestaltung der Wälle im Mittelalter ahnen lassen – Befunde, die in ihrem geringen Umfang zugleich die schon charakterisierten Schwierigkeiten belegen, über HolzErde-Anlagen überhaupt Genaueres zu erfahren. So wurde in Luckau die stadtseitige Abstützung eine Walles mit Holzpfählen auf 1388–1400 dendrodatiert, ähnlich in Bernau auf 1425 und 1482; selbstverständlich besagen diese Datierungen nichts über die Entstehungszeit der Wallgräben, denn solche schnell verwitternden Holzteile mussten immer wieder erneuert werden. Noch typischer für die Beweisprobleme bei Holzkonstruktionen sind die kleinen Gräbchen, die man in Gransee auf den Wällen feststellte. Dass es sich
um die Spur ehemaliger Palisaden handelte, liegt zwar nahe, ist aber letztlich nicht beweisbar, zumal jede Datierungsmöglichkeit fehlt – ein wahrhaft kümmerliches Ergebnis angesichts der Tatsache, dass Palisaden oder Zäune an eben dieser Stelle höchstwahrscheinlich ein enorm verbreitetes Element der Befestigung waren. Gefütterte Gräben, also solche mit Stützmauern vor allem auch an der Feldseite, traten vor allem in Verbindung mit Zwingern auf. Es ist schon angesprochen worden (vgl. 2.2.8.1.), dass Quellen, die im Spätmittelalter Arbeiten „am Graben“ erwähnen, damit wahrscheinlich vielfach auch die Entstehung des Zwingers ansprechen; in der Tat kann man diesen auch als die innere Grabenmauer (Eskarpe) verstehen bzw. ist es andersherum natürlich so, dass ein aufwendiger Zwinger mit Streichwehren nur dann seine primäre Funktion der Grabenbeherrschung erfüllen konnte, wenn gleichzeitig eine senkrechte Grabenaußenmauer (Kontereskarpe) das Eindringen eines Angreifers von dieser Seite verhinderte. Da gerade große Städte, die sich ein so aufwendiges System leisten konnten, ihre Befestigungen meist im 19. Jahrhundert zerstört haben, sind entsprechende Beispiele selten geworden; wie bei den Zwingern ist Nürnberg das wohl eindrucksvollste Beispiel, das man heute noch besichtigen kann (Abb. 180). Jedoch kamen gefütterte Gräben schon um 1300 vor, wie ein archäologisch untersuchtes Beispiel aus der Schweiz verdeutlicht. (Alt-)Eschenbach, 1292 zuerst erwähnt und schon 1309 zerstört, besaß im
Abb. 182 Alt-Eschenbach (Schweiz), Schnitt durch den nördlichen Stadtgraben mit dem Fundament der Mauer links, jenem der Kontermauer / Contrescarpe rechts (vgl. Abb. 58). Da die erst 1292 erwähnte, wohl nie vollendete Stadtgründung schon 1309 zerstört wurde, entstand die Kontermauer schon in der Gründungsphase (Stadt- und Landmauern, Bd. 2).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 183 Niederehnheim (Elsass), vor der Nordmauer der kleinen Stadt (vor 1284) ist der Außenwall noch unverändert erhalten; nur ganz rechts ist er mit zwei Streichwehren zur äußeren Verteidigungslinie umgestaltet worden.
Abb. 184 Glurns (Südtirol), im ehemaligen Ostgraben der Stadtbefestigung ist der Schießplatz noch gut erhalten. Die Mauer diente als Kugelfang, hinter der runden Mauer davor schützte sich der Mann, der die Treffer feststellte und anzeigte.
letzteren Jahr nicht nur eine unvollendete turmlose Mauer, sondern auch eine begonnene Grabenaußenmauer (Abb. 182). Auch sonst findet man in der Schweiz gelegentlich gefütterte Gräben vor den Mauern kleinerer Städte, die Ende des 13. Jahrhunderts ummauert wurden (Thun Neustadt; Rapperswil, Unterseen); ob die gefütterten Gräben gleich zu Anfang mit entstanden, bleibt dabei aber natürlich offen. Wasser als Befestigungselement war gleichfalls weitverbreitet, wiewohl nicht so weit, wie es gewisse „populäre“ Vorstellungen wollen, nach denen schlechterdings jeder Graben ein „Wassergraben“ war. Begreiflicherweise füllte Wasser vor allem im Flachland die Gräben, weil dort die Städte schon aus Gründen der Trinkwasserversorgung und auch des Handels bzw. der Schifffahrt häufig an Flüssen lagen und weil das flache Gelände die Ableitung des Wassers in die Gräben erleichterte; zahlreiche Belege findet man vor allem in älteren Stadtplänen. Ob man dabei bereits Systeme aus Stauwehren anlegte, um auch in fallendem Gelände eine Wasserfüllung zu gewährleisten – im Festungsbau des 16.–19. Jahrhunderts spielten solche Systeme eine große Rolle, in der Regel mit gemauerten Stauwehren („Bär“ oder „Batardeau“) –, ist mangels eindeutiger Befunde unklar. Immerhin gab es Städte, in der Regel allerdings eher kleine, die sich nicht mit Gräben, sondern mit Stauteichen umgaben. Eppstein im Taunus war ein Beispiel, eine ganze Reihe gab es in der Oberpfalz, wo der Bergbau wohl zu einer gewissen Kompetenz in der Anlage solcher
Stausysteme geführt hatte. Solche Teichsysteme kamen mit einfachen Staudämmen aus Erde und vermutlich einfachen hölzernen Schiebersystemen aus und waren daher wohl die mittelalterliche Form, die den ausgetüftelten Anlagen des bastionären Zeitalters voranging. Dass man aber auch bereits komplexere Wasserführungssysteme kannte, wie sie etwa auch in Zisterzienserklöstern ab dem 12. / 13. Jahrhundert existierten, beweist ein Grabungsbefund in Strausberg in Brandenburg, wo eine Wasserführung auf dem Wall zwischen den Gräben belegt wurde; freilich handelte sich nicht um einen Teil der Befestigung, sondern um ein Mühlenfließ. Über die Wälle als solche ist gleichfalls nur noch wenig zu sagen (Abb. 183). Ihre Hangneigung ergab sich vor allem aus den jeweiligen Materialeigenschaften, die Krone war, wenn man wenig verändert scheinende Fälle zugrunde legt, wohl selten breiter als 2–3 m. Ein Wall in Soest ist, als seltene Ausnahme, beidseitig von Mauern gestützt; die von der örtlichen Literatur vertretene Annahme, diese Gestaltung ginge noch ins 12. Jahrhundert zurück, muss man aber anzweifeln. Eher dürfte es sich hier um einen spätmittelalterlichen Ausbau handeln und einen solchen findet man auch noch in erstaunlich gutem Erhaltungszustand in Goslar, wo die Wälle zu einer weit überdurchschnittlichen Höhe aufgeschüttet wurden, sodass sie tatsächlich eine Deckung für die nicht höhere Mauer bildeten (vgl. 2.2.11.6; Abb. 244). Man darf davon ausgehen, dass diese Verstärkung ab den 1490er Jah-
242 I. Systematischer Teil
ren ausgeführt wurde, als auf den Wällen auch mehrere voluminöse Rondelle entstanden (Abb. 233) – in Verbindung mit den Toren oder isoliert –, die die Schutzfunktion der Wälle um ein aktives Element ergänzten, indem ihre Geschütze die Bestreichung des Vorgeländes ermöglichten. Vergleichbare Anlagen mag es auch anderswo gegeben haben, aber sie sind nirgends in so gut erkennbarem Zusammenhang erhalten. Auch Befestigungen, die ausschließlich in Wällen bestanden – ohne Mauer, aber sicherlich mit Gräben und Palisaden –, hat es bis ins Spätmittelalter gelegentlich gegeben, nur kaum um den Stadtkern; in Thüringen waren etwa die Vorstädte von Nordhausen (ab 1365 / 68), Mühlhausen und Erfurt so geschützt, in Breslau entstand 1423 ein Wall um die 1263 gegründete Neustadt, nur ein Torturm wurde gemauert. Die Wallgräben mussten zwar, um ihre Schutzfunktion nicht zu beeinträchtigen, von Bebauung frei bleiben. Aber es gab Nutzungen, die keine Bauten erforderten und daher zumindest im Spätmittelalter und in der Neuzeit in vielen Grabenzonen zu finden waren; wie weit sie jeweils zurückgehen, wäre bestenfalls durch aufwendige Archivstudien festzustellen. Solche Nutzungen waren etwa die als Fischteich oder Viehweide, auch durchaus als Gärten; in Fritzlar wurde ein Wallgrabenbereich seit 1537 als Friedhof genutzt. Direkter mit der Verteidigung hatten die „Schießgräben“ zu tun, die öfter als Straßennamen überliefert sind. In Nürnberg – in einem Grabenstück vor der älteren, zur Feuerwaffenzeit längst aufgegebenen Mauer – und in Glurns ist der Übungsplatz der Schützen erhalten, im letzteren Falle sogar mit dem gemauerten Kugelfang (Abb. 184). Während Zäune und Palisaden zu jenen Anlagen gehören, über die man heute praktisch keine Feststellungen mehr treffen kann, weil sie selbst archäologisch nur noch mit viel Glück festgestellt werden können (Abb. 18; vgl. a. 2.2.1.3.), sind Heckenpflanzungen unserer Erkenntnis wenigstens in geringem Maße zugänglich geblieben, und zwar in der Regel über die Namen von Straßen, Stadtteilen oder Flurstücken. Im Rheinland trifft man gelegentlich auf die Bezeichnung „Gebück“, in Westfalen und Hessen auf das Wort „Hagen“, „Hain“ oder auch „Heeg“. Alle bedeuten grundsätzlich dasselbe, nämlich eine Hecke (gleicher
Wortstamm mit „Hagen“ usw.), deren Äste über längere Zeit immer wieder künstlich heruntergebogen („gebückt“) wurden, um sie mit den Ästen anderer Pflanzen zu einem schwer durchdringlichen Gestrüpp zu verflechten. Ob die Konzentration der Phänomene auf das Rheinland, Hessen und Westfalen nun bedeutet, dass diese Art von Annäherungshindernis auf jene Regionen beschränkt war – gerade das Schiefergebirge bietet derartigen Bäumen und Gesträuchen gute Bedingungen – oder ob uns aus anderen Regionen nur die Nachweise fehlen, ist kaum zu klären. Gebücke dienten in großem Umfang auch als Landwehren, das heißt als Annäherungshindernisse, die nicht die Stadt im engeren Sinne, sondern deren Umland oder auch eine politisch organisierte Region ohne zentrale Stadt schützten (vgl. 2.2.12.). Sie waren dafür besonders geeignet, weil Hecken und die fast immer damit kombinierten Gräben und Wälle mit weit weniger Aufwand als Mauern angelegt und vor allem unterhalten werden konnten, sodass es zumindest reichen Städten und Regionen im Spätmittelalter möglich war, solche viele Kilometer langen Anlagen zu unterhalten; freilich waren sie auch keine Verteidigungsanlagen im engeren Sinne, sondern konnten von einem entschlossenen Gegner relativ leicht durchbrochen werden, insbesondere an den Toren. Wo dagegen Bezeichnungen wie „Gebück“ oder „Hagen“ im unmittelbaren Stadtbereich vorkommen – etwa in Montabaur oder Wellmich am Rhein –, stellt sich als Frage, deren Beantwortung man immerhin versuchen kann, ob diese indirekt überlieferten Anlagen Vorgänger der steinernen Befestigung waren oder ob sie vielmehr mit diesen gleichzeitig existierten, als vorgelagerte Annäherungshindernisse oder etwa Befestigung von Vorstädten. In der Mehrzahl der Fälle deuten die Indizien eher darauf, dass die Gebücke die eigentliche Stadt- oder auch Ortsbefestigung waren, entweder in der Frühzeit wichtiger Städte – so etwa die „Hagen“ in Hildesheim (11. Jahrhundert), Braunschweig und Nordhausen – oder bei kleineren Städte auch noch später. An diesen Fall wird man vor allem dort denken, wo der betreffende Straßenname hinter der Mauer anzutreffen ist, wie bei vielen hessischen Kleinstädten, besonders deutlich in Hessisch Lichtenau, wo eine entsprechende Straße „Hinter 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 185 Münster, der Plan, der den Zustand der Stadt um 1121 rekonstruiert, verdeutlicht, wie die Stadt um die befestigte Domfreiheit bzw. Bischofburg herum wuchs und sie im Endeffekt völlig einschloss (J. Prinz, Mimigernaford, 1960).
dem Hagen“ heißt. In anderen Fällen, gleichfalls in Hessen, findet man die Bezeichnung aber öfter außerhalb der Mauer, was eher auf eine Außenbefestigung hinweist.
2.2.10. Weitere Bauten als Teile der Befestigung Ein oberflächlicher Betrachter, selbst, wenn er viele gut erhaltene Stadtbefestigungen kennt, wird in der Regel zu der Annahme neigen, Stadtmauern seien ein „reiner“ Bautypus, im Sinne nämlich vollkommen einheitlicher Funktion: Alle Bauteile dienten ausschließlich einem einzigen Zweck, nämlich dem der Verteidigung. Dieser Eindruck ist nachvollziehbar, denn für viele, wahrscheinlich für die meisten Stadtmauern trifft diese Aussage durchaus zu. Aber es gibt Ausnahmen, die trotz ihrer Seltenheit von Bedeutung sind, nämlich Bauwerke, die in Stadtbefestigungen einbezogen waren und durchaus auch dem Befestigungszweck dienten, die aber dabei noch eine andere Funktion hatten. Und diese andere Funktion war oft so bedeutungsvoll, dass man sie als die Hauptfunktion dieser 244 I. Systematischer Teil
Bauten bezeichnen muss. Es handelte sich also etwa um eine Burg oder um eine Kirche, die in die Stadtmauer einbezogen war, keineswegs um einen Turm oder einen anderen Teil der Stadtmauer, der nebenbei auch Funktionen einer Burg oder Kirche übernommen hätte. Mit diesen beiden Bautypen sind dabei schon die beiden wichtigsten Fälle solcher Sonderbauten innerhalb der Stadtbefestigung genannt, nämlich der Adelssitz und der Sakralbau. Beide Bautypen waren im Mittelalter ausgesprochen häufig und beide waren auf ihre Weise Ausdruck ihrer Epoche, nämlich der feudalen Herrschaft und der allgegenwärtigen Frömmigkeit. Schon insofern kann es nicht überraschen, dass sie gelegentlich, sozusagen eher zufällig, auch im baulichen Zusammenhang von Stadtbefestigungen erscheinen. Besonders nahe liegt die Verbindung mit der Stadtmauer im Falle der Burgen, denn diese waren selbst Wehrbauten und konnten die Stadtbefestigung daher entschieden verstärken, abgesehen davon, dass ihre nach außen sichtbare Verbindung mit der Stadt in aller Regel Ausdruck der Macht ihres Besitzers über die Stadt war. Dass auch Flussbrücken befestigt waren, kann ebenfalls nicht erstaunen, waren sie doch oft zugleich Zugänge zur Stadt, die damit praktisch die Funktion eines Stadttores übernahmen. Und auch bei Zollstellen liegt es mehr als nahe, dass sie gelegentlich befestigte Sonderbereiche an oder vor der Stadtmauer waren, denn auch sie lagen funktionsbedingt an der Peripherie der Stadt und hatten wertvolle Güter zu schützen. Dass aber auch grundsätzlich „friedliche“ Bautypen wie Wohnhäuser oder Mühlen in der einen oder anderen Weise zu Teilen der Befestigung wurden, ist schon eher erklärungsbedürftig. 2.2.10.1. Burgen und andere Adelssitze Burgen sind ein Thema, das seit rund anderthalb Jahrhunderten eine Fülle von Literatur verschiedenster Art und Qualität hervorgebracht hat und das dennoch weit von einem klaren Gesamtbild, ja selbst von allgemein anerkannten Fragestellungen entfernt ist; dies gilt auf einer gesamteuropäischen Ebene, aber auch, wenn man die Betrachtung auf Deutschland beschränkt. Daher gilt es auch dann, wenn man sich nur mit Burgen im Zusammenhang einer Stadt beschäftigt,
denn auch „Stadtburgen“ waren noch sehr häufig und spielten eine variantenreiche Rolle; aktuelle Schlaglichter bieten immerhin mehrere Beiträge im Band Burg und Stadt der Wartburg-Gesellschaft (2008). Da eine zusammenfassende Darstellung zum Thema Stadtburgen bisher fehlt, können an dieser Stelle nur gewisse Prinzipien des Verhältnisses von Stadt und Burg an Beispielen angerissen werden, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Die Beziehung zwischen Burg und Stadt war während des gesamten Mittelalters eng und prägend, denn als Grundherrschaft, Verfügung über Rechte, System persönlicher Bindungen über Lehen usw. prägte adlige Herrschaft von Anbeginn auch die Entstehung und Funktion der Städte. Es war der Adel, vom König bis zur sich emanzipierenden Ministerialität, der Städte gründete, vor allem wegen ihrer besonderen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die über die landwirtschaftliche Produktion weit hinausgingen. Der Sitz des Stadtherrn oder zumindest seines Bevollmächtigten in der Stadt war ein direkter und unmissverständlicher Ausdruck dieser Herrschaftsverhältnisse. Die Burgenhäufigkeit in den Städten spiegelt dies unverkennbar, denn die Stadt gänzlich ohne Burg (oder anderen Herrensitz) war im Grunde eine Ausnahme, wie etwa Armand Baeriswyl für die Schweiz betont hat; auch in Sachsen ergab eine flächendeckende Erfassung, dass über zwei Drittel der Städte mit Burgen verbunden waren. Drei Fälle des zeitlichen Verhältnisses sind zu unterscheiden, die das räumliche bzw. bauliche Verhältnis prägten: 1.) die Stadt, die bei einer bestehenden Burg entstand, 2.) die Stadt, die mit Burg geplant und erbaut wurde, 3.) die Stadt, in die eine Burg nachträglich eingefügt wurde. Dem ersten Fall sind die meisten frühen und zu besonderem Rang aufgestiegenen Städte zuzurechnen, insbesondere jene, die an Bischofssitze antiker oder frühmittelalterlicher Zeitstellung anschlossen. Die befestigte Immunität, die „Bischofsburg“, aber auch eine (Hoch-)Adelsburg, konnte dabei von der später entstehenden Stadt völlig eingeschlossen werden, wenn bebaubares Gelände sie allseitig umgab (etwa in Münster,
Abb. 185, Hildesheim und Straßburg, also Städten im Flachland). In der Regel ging die frühe Burg dann allmählich in der Stadt auf, das heißt, die nicht mehr notwendigen Befestigungen verschwanden im Laufe der Zeit. Erlaubte jedoch die Topographie eine allseitige Ausdehnung der Stadt nicht, so blieb die Burg zwar am Stadtrand – etwa in Speyer lag die Bischofsburg auf einem Sporn über den Rheinauen, in Rothenburg die Reichsburg entsprechend über dem Taubertal, in Bern Burg Nydegg auf der Spornspitze in einer Aareschlinge –, aber dies war nur Folge der Siedlungsentwicklung, nicht Ausdruck eines fortifikatorischen Konzeptes. Eben ein solches Konzept aber finden wir bei jenen weit zahlreicheren Fällen, bei denen eine Burg gleichzeitig mit den Stadtmauern entstand oder der bereits befestigten Stadt erst nachträglich hinzugefügt wurde. In diesem Falle nämlich
Abb. 186 Lübeck im frühen 13. Jahrhundert, Rekonstruktionsversuch aufgrund der Ausgrabungsbefunde. Die wohl 1143 gegründete, um 1180 in Backstein ausgebaute Burg sicherte die schmale Angriffsseite, der Stadtkern lag noch isoliert dahinter (M. Gläser, Ausflüge zu Archäologie, Geschichte und Kultur …, 56: Hansestadt Lübeck, 2013).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 187 München besaß im Mittelalter zwei Burgen, die im Zusammenhang der zwei Mauern jeweils den Stadtrand suchten: den wohl schon 1158 gegründeten Alten Hof und die Neuveste (ab 1377) (C. Behrer, Das unterirdische München, 2001).
liegt die Burg so gut wie immer im Verlauf der Stadtmauer, sodass sie sowohl aus der Stadt als auch vom freien Felde zugänglich war; besonAbb. 188 Vaihingen an der Enz (Baden-Württemberg) ist ein gut erhaltenes Beispiel für Schenkelmauern, die die Stadt mit einer Höhenburg verbanden. Die Stadt liegt rechts am Fuß der Weinberge; die Mauer rechts ist die Stadtmauer, die linke schützte nachträglich nur eine Mühle.
246 I. Systematischer Teil
ders beliebt war dabei die Lage an einer Ecke der Stadtmauer. Die Gründe dieser Anordnung sind zwar von den Zeitgenossen nicht schriftlich festgehalten worden, aber sie liegen auf der Hand und sind daher schon oft formuliert worden. Einerseits war die Burg, vor allem im Falle der Ecklage, tatsächlich eine Verstärkung der Stadtmauer, denn Ecken waren exponierte, weil von mehreren Seiten gleichzeitig angreifbare Punkte; besonders deutlich wird dies dort, wo eine Stadt eine ausgeprägte, von der Burg gesicherte Angriffsseite besaß. Besser erhaltene Beispiele sind etwa Heidelberg mit der Burg gegen den überragenden Berg, Besigheim sogar mit zwei Burgen an beiden Schmalseiten seines Bergspornes (Abb. 338) und die (Halb-) Inselstädte Lübeck (Abb. 186) und Lindau mit der Burg jeweils am schmalen Zugang von der Landseite. Andererseits machte die Lage rittlings auf der Mauer den Burg- bzw. Stadtherrn auch unabhängiger. Solange zwischen ihm und der Bürgerschaft Friede herrschte, hätte im Prinzip ein Burgtor zur Stadt ausgereicht bzw. hätte der Verzicht auf ein feldseitiges Tor die Burg sogar weniger angreifbar gemacht. Aber dieses idealen Verhältnisses zu seinen Untertanen konnte kein Burgherr auf die Dauer sicher sein, und deswegen war ein zweites Tor, das direkt ins Vorland führte, ein selbstverständliches Gebot der Vorsicht; es war für Versorgung, Verstärkung und schlimmstenfalls die Flucht notwendig, wenn ein Konflikt mit den Bewohnern der Stadt einmal eine gewaltsame Dimension erreichte. Als berühmte Beispiele solcher Konflikte können wiederum der Erzbischof von Köln und der Bischof von Straßburg genannt werden, deren Konflikte mit ihren mächtigen Heimatstädten zu regelrechten Entscheidungsschlachten führten (Hausbergen 1262, Worringen 1288). Die Stadtburgen von Würzburg (Marienberg) und Salzburg (Hohensalzburg) erhielten – allerdings erst in der Zeit der Bauernkriege – Artilleriewerke, die speziell zur Bestreichung der Stadt geeignet waren, wobei der Salzburger „Bürgermeisterturm“ schon in seinem Namen den Machtanspruch des bischöflichen Burgherrn verdeutlicht. Ältere und wichtige Fälle waren etwa die schon 1227 von der Stadtgemeinde niedergelegte Burg in Lübeck und die Münchener „Neuveste“ von 1385, die nach Unruhen der Bürgerschaft an der Ecke
der äußeren Stadtmauer entstand, weil die ältere Burg inzwischen ins Innere der wachsenden Stadt geraten war (Abb. 187). Weitere bauliche Zeugnisse für Konflikte zwischen Burgherrn und Stadt werden noch zu behandeln sein, nämlich Bauten, die gerade umgekehrt die Stadt errichtete, um die Burg unter Kontrolle zu halten. Dass auch die Ecklage nicht immer wehrtechnisch begründet war, sondern gleichfalls eher die Verbindungen zum Umfeld der Burg verbessern bzw. der Bequemlichkeit des Burgherrn zugutekommen sollte, kann man bei Städten am Flussufer beobachten. Etwa in Mainz und Eltville, in Boppard, (Ober-)Lahnstein oder Koblenz – um Beispiele vom Mittelrhein zu nennen – wäre es fortifikatorisch sinnvoller gewesen, die Burg an eine landseitige Ecke der Mauer zu legen, wo überragende Berge eine Bedrohung darstellten bzw. auch die höher liegende Burg einen besseren Überblick gehabt hätte. Gewählt wurde jedoch eine Ecke am Fluss, die für die Zollerhebung sinnvoll war und dem Burgherrn die Möglichkeit bot, bequem zu Schiff an- und abzureisen. Ein besonders markantes Bild der Verbindung von Burg und Stadt entstand dort, wo eine Höhenburg durch lange, frei über den Berghang geführte Schenkelmauern mit der im Tal liegenden Stadt verbunden wurde (Abb. 188). Der Ursprung dieser besonders wirkungsvollen Anordnung ist jedoch nicht ästhetischer Art, sondern Folge der Verbindung zweier ganz unterschiedlicher Phänomene: Höhenburgen suchten die gute Verteidigungslage und die symbolhafte Fernwirkung, Städte dagegen sind an Verkehr, Agrarland und Wasserversorgung gebunden. Die Verbindung beider zu einer Verteidigungseinheit bot auch im Falle solch großer Höhenunterschiede die beschriebenen Vorteile, aber die langen Mauerstrecken, die dabei entstanden, erforderten natürlich auch viele Verteidiger, die in den meist eher kleinen Städten kaum zur Verfügung standen. Deswegen kamen solche mit Schenkelmauern verbundenen Burgen und Städte zwar in praktisch allen Gebirgsregionen des deutschen Raumes vor, aber sie waren doch nicht ganz so häufig, wie es die Literatur vorspiegelt. Denn die suggestive Kraft des Konzeptes war offensichtlich so groß, dass es in der Literatur nicht selten auch dort angenommen wurde, wo der Anschluss der Mauern an die Burg zweifelhaft ist oder eindeu-
tig nicht existierte. An Mittelrhein und Mosel etwa gab es im 14. Jahrhundert zwar durchaus markante Beispiele des Typs – etwa Bacharach oder Trarbach (Abb. 402) –, aber die Fachliteratur bis hin zum „Dehio Rheinland-Pfalz“ zählt viele weitere Städtchen auf, bei denen die Mauer angeblich auch an die Burg anschloss, wo dies aber bei genauer Prüfung nicht der Fall war – etwa in Bernkastel oder Beilstein. Weiterhin gibt es Abstufungen zwischen den beiden eindeutigen Fällen, insbesondere kam es häufig vor, dass die Mauer zwar nicht bis an die Burg selbst herangeführt war, sondern nur an die Felsen anschloss, auf denen sie sich erhob (Kaub, Wellmich); die Unzugänglichkeit des Geländes ersetzte hier die Mauer, vielleicht auch hier und dort ein Gebück, wie es im Rheinland verbreitet war. An dieser Stelle drängt sich die Gegenfrage auf, ob es auch den Fall der zwar nach Herrschaft und Namen zusammengehörigen Burg und Stadt gegeben hat, bei dem beide zwar in nächster Nähe nebeneinanderlagen, aber als voneinander getrennte Befestigungen? Selbstverständlich hat es auch diesen Fall gegeben, nur ist er im Gegensatz zu jenem mit Burganschluss nie be-
Abb. 189 Burgdorf (Schweiz). In der Gründungsphase der Stadt, um 1200, waren Burg (2) und Stadt (3) noch nicht miteinander verbunden; erst in einer Ausbauphase wurden sie durch einen dazwischen entstehenden Stadtteil und entsprechende Mauerteile verbunden (A. Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter, 2003).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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sonders behandelt worden und daher kaum ins Bewusstsein getreten. Ein berühmtes frühes Beispiel ist Freiburg im Breisgau, ein neuerdings gut erforschtes das ebenfalls zähringische Burgdorf im Kanton Bern, wo die kleine, um 1200 entstandene Stadt zunächst isoliert unter der nahen Burg lag, wobei aber die Verbindung schon vor 1300 durch eine Stadterweiterung erfolgte (Abb. 189). Ganz entsprechend liegt der auch im aufgehenden Mauerwerk gut erhaltene Fall von Gmünd in Kärnten, wo die alpine Einstraßenstadt ebenfalls erst bei einer Stadterweiterung mit der Höhenburg verbunden wurde (Abb. 275). Auch in Nordhessen mit seinen vielen kleinen Burgstädten des 13. / 14. Jahrhunderts findet man durchaus beide Fälle nebeneinander – sowohl den Anschluss der Stadtmauer an die Gipfelburg als auch die isoliert danebenstehende Burg gleichen Namens, besonders markant etwa in Waldeck. Fälle wie Freiburg, Burgdorf oder Gmünd legen die Fragestellung nahe, ob nicht die Isolierung der Stadt von der Burg der ältere Fall gewesen sein dürfte; auch die rheinischen Fälle der „Schenkelmauern“, die ja meist erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts realisiert wurden, verstärken diesen Verdacht. Klarheit ist in diesem Punkt bisher nicht zu gewinnen, weil einfach zu wenige Fälle hinreichend untersucht sind.
Abb. 190 Ravensburg (Baden-Württemberg), der Turm „Mehlsack“ mit dem Berg der Veitsburg rechts und dem „Obertor“ links. Der extrem hohe „Mehlsack“ – der Name stammt vom weißen Anstrich – wurde 1425–29 im Zuge der Stadtmauer errichtet, um die Burg, den Sitz der kaiserlichen Landvögte, unmittelbar einsehen zu können.
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In wenigen, aber aussagekräftiges Fällen führten die Konflikte zwischen dem ursprünglichen Stadtherrn und dem erstarkenden Bürgertum so weit, dass sie einen baulichen Ausdruck in Befestigungsanlagen fanden, die die Stadt gegen die Burg errichtete. Der wohl berühmteste Fall ist der Nürnberger „Luginsland“, der 1377 im Zuge der Stadtmauer errichtet wurde, um die knapp 50 m entfernte Burg der mit der Stadt verfeindeten Burggrafen überblicken zu können. Die Höhe und Massivität des Turmes, die der des gegenüberstehenden Bergfriedes der Burggrafenburg entspricht, bestätigt die überlieferte Bestimmung; die Konfrontation der Türme ist heute aber verunklärt, weil nach Zerstörung der Burggrafenburg 1420 zwischen beiden die riesige städtische „Kaiserstallung“ entstand (1494 / 95). Auf andere Art nicht weniger beeindruckend ist der „Mehlsack“ in Ravensburg, der 1425–29 als 50 m(!) hoher Rundturm am Hang des Burgberges entstand, um die auf dessen Gipfel liegende Burg einsehen zu können – bemerkenswert zu einer Zeit, als erste Kanonen den Turm schon leicht hätten zerstören können (Abb. 190). Auch der 1357 als „neu“ bezeichnete große „Beginenturm“ in Hannover (Abb. 433) soll zur Überwachung der direkt davor liegenden Herzogsburg Lauenrode entstanden sein, die dann 14 Jahre später abgerissen wurde; in Horb am Neckar mag ein ähnlicher Fall vorliegen. In Kempten schließlich ist überliefert, dass die Burg des Klostervogtes durch eine Mauer von der Stadt isoliert wurde, bevor sie dann 1363 zerstört wurde; auch in Weinsberg ist die nachträgliche Abschließung der Stadt mit Zerstörung der Schenkelmauern im 14. Jahrhundert belegbar. Am Rande sei erwähnt, dass ähnliche Abläufe in zahlreichen italienischen Städten überliefert, aber auch dort kaum je noch durch Baureste belegt sind. Als Sonderfall solcher „Ausschließung“ sei noch der Streit erwähnt, den es 1230–37 in Helmstedt gab, weil die Stadt beim Mauerbau eben jenes Kloster „draußen lassen“ wollte, aus dem sie ursprünglich hervorgegangen war. Eine letzte Fragestellung im Zusammenhang des Themas „Burg“ muss lauten, ob „Stadtburgen“ baulich als besonderer Typus beschrieben werden können, ob also ihre Einbindung in die Stadtmauer bzw. in den Stadtgrundriss ihre Architektur in einer eindeutigen und häufig auftre-
tenden Weise beeinflusst hat. Auch diese Fragestellung geht freilich weit über den verfügbaren Rahmen und die Ergebnisse dieses Buches hinaus. Ohne nähere, zumindest regionale Studien fallen lediglich etliche Beispiele dafür auf, dass der Rechteckgrundriss von Gründungsstädten quasi auf die Burg in Ecklage übertragen wurde. Besonders schön belegt dies Wiener Neustadt, wo die rechteckige Stadtmauer mit ihrem Eckturm zuerst entstand und die Burg zunächst mit eher „unperfekter“ Anordnung dreier weiterer Türme ebenfalls rechteckig eingefügt wurde; erst in einer weiteren Ausbauphase entstand dann ein echtes Kastell mit gleich dimensionierten Türmen (Abb. 283). Ließen sich dafür viele weitere Beispiele anführen, so gab es auch eine eher noch häufigere reduzierte Form desselben Typus, nämlich eine mehr oder minder rechteckige Burg, die nur einen größeren Turm besaß, der aber zugleich Eckturm der Burg und der Stadt war. Um auch hier wieder nur wenige Beispiele zu nennen: Eltville und Niederlahnstein am Mittelrhein, in Schlesien Bernstadt und Kreuzburg. Freilich ist bis auf Weiteres auch bei diesem „Rechtecktypus“ der Stadtburg nicht zu vernachlässigen, dass es neben der Einbindung in die Stadtbefestigung und den Stadtgrundriss auch ganz andere Faktoren gewesen sein können, die insbesondere die Rechteckform der Burg bestimmten. Denn es darf ja nicht vergessen werden, dass derartige Burgen fast immer erst in gotischer Zeit entstanden sind, kaum je also vor der Mitte des 13. Jahrhunderts. Und der gotische Burgenbau hatte generell eine Tendenz zu regelmäßigen bzw. rechteckigen Grundrissformen, auch wenn eine Beeinflussung durch eine anschließende Stadt gar nicht vorlag. Insoweit wird man bis auf Weiteres zunächst zu der Einschätzung neigen, dass es einen speziellen baulichen Typus der Stadtburg eher nicht gegeben hat, die Burgen folgten auch in diesem Sonderfall eher ihren eigenen Regeln bzw. hatten, da sie ohnehin formal recht variabel waren, keine Probleme, sich innerhalb ihres ganz normalen formalen Repertoires auch auf die praktischen wie ästhetischen Anforderungen einer Lage an / in der Stadtmauer anzupassen. Neben Burgen im engeren Sinne, also relativ großen, allseitig stark befestigten Anlagen des Stadtherrn im Zuge der Stadtmauer, gab es oft
Abb. 191 Wiedlisbach (Schweiz), Wohntürme an der Ecke meist kleinerer (Gründungs-)Städte kommen in der Schweiz öfter vor und werden mit gutem Grund meist als Sitz eines stadtherrlichen Vogtes angesprochen.
weitere Adelssitze in der Stadt, die sich stärker in die bürgerliche Siedlung integrierten und nicht unbedingt selbständig befestigt waren. Dabei handelte es sich meist um „Burgmannen“ bzw. Ministerialen des Stadtherrn, die ursprünglich zur Verteidigung der Burg oder auch nur der befestigten Stadt angesiedelt worden waren; aus ihnen scheint sich in manchen Fällen und zumindest teilweise das Patriziat der Stadt entwickelt zu haben. Mit diesen Adelssitzen und ihren Erbauern ist allerdings eine Thematik angesprochen, die noch weit problematischer als jene der „Stadtburgen“ im engen Sinne ist, und zwar sowohl bezüglich der Schriftquellen als auch der Bausubstanz. Denn die mittelalterliche Geschichte solch weniger bedeutender Geschlechter ist oft wenig dokumentiert und die Bausubstanz meist stark verbaut – und erst recht sind Fälle extrem selten, bei denen beides zusammentrifft, bei denen also ein noch gut erkennbarer Bau durch Quellen einer bestimmten Familie zugewiesen und datiert werden kann. Es kann hier daher weder um historische Studien zur Ministerialität einzelner Städte noch um gut erhaltene Bauten wie die berühmten „Geschlechtertürme“ in Regensburg oder die näher untersuchten in Basel oder Zürich gehen (und 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 192 Horstmar (Nordrhein-Westfalen), Plan der Altstadt. Burgmannenhöfe in Städten gab es häufig, aber ihre systematisch umlaufende Anordnung hinter der Umwallung dürfte einzigartig sein. Die erhaltenen Bauten zeigen allerdings durchweg Formen der Renaissance (http://horstmar.de/staticsite).
erst recht nicht um ihre Verwandten in Italien, die zu regelrechten Kriegen mitten in der Stadt benutzt wurden). Vielmehr können nur knappe Hinweise auf einige Fälle gegeben werden, wo solche kleineren Adelssitze an der Peripherie der Stadt lagen bzw. Teil von deren Befestigung waren oder gewesen sein könnten. Es bietet sich dabei an, die Beispiele vor allem aus dem süd(west) deutschen Raum zu wählen, wo es derzeit mehr bekannte bzw. untersuchte Bauten dieser Art gibt. Wohntürme, die in die Stadtmauer eingebunden sind und offenbar von Ministerialen bewohnt waren, findet man etwa in der Steiermark in Radkersburg und Fürstenfeld, in Innsbruck gab es Vergleichbares; in Österreich sind zudem in bisher sechs Stadtmauertürmen sogenannte Blockwerkkammern festgestellt worden (bisher unveröffentlicht), wobei auch dafür am ehesten Ministerialen als Bewohner infrage kommen. In der Schweiz sind derartige Wohntürme, überwiegend in Ecklage kleiner Gründungsstädte, sogar recht häufig, etwa in Arbon, Rapperswil, Sempach, Solothurn, Stein am Rhein, Unterseen, Wangen oder Wiedlisbach (Abb. 191). In 250 I. Systematischer Teil
manchen Fällen ist belegbar, dass in ihnen ein Vertreter des Stadtherrn (Vogt) wohnte, in anderen ist das zumindest plausibel; jedenfalls war dies nur ein an wirkliche Burgen sich annähernder Sonderfall eines Sitzes von Burgmannen bzw. Ministerialen. Auch bei den kleineren Adelssitzen an / in der Mauer ist es sinnvoll, die Frage nach der zeitlichen Abfolge zu stellen. Waren sie schon vor der Befestigung vorhanden oder entstanden sie erst mit oder gar nach der Befestigung? In der Regel wird auch dies kaum noch zu klären sein, wenn auch gerade die zuletzt genannten schweizerischen Wohntürme in Ecklage meist den Eindruck erwecken, mit der Mauer zusammen erbaut worden zu sein. Dafür gibt es noch weitere Beispiele. So sind etwa die Ecken der kleinen Altstadt von Brixen alle durch Adelssitze („Ansitze“) markiert, was auch aufgrund der Quellen nach ursprünglicher Planung aussieht; ob diese Bauten burgartig waren, bleibt allerdings unklar, ähnlich wie im tirolerischen Vergleichsfall Innsbruck. Im oberschwäbischen Pfullendorf findet man eine Reihe adliger Häuser nahe der Grafenburg auf der Mauer, darunter eines mit Erdgeschoss von 1317 (Ritter von Gremlich), ähnlich im nahen Mengen, mit Bausubstanz offenbar schon der 1230er Jahre. Ein beeindruckender norddeutscher Vergleichsfall ist das westfälische Horstmar (Abb. 192), eine 1269 gegründete Rechteckstadt von etwa 250 x 300 m Größe, hinter deren Wallgraben acht Burgmannenhöfe die Peripherie der Stadt bildeten, davon vier an den Toren; freilich sind nur vier der Höfe in Renaissanceformen erhalten, davor muss man mit Fachwerkbauten rechnen. Aber es gibt auch Beispiele für Adelssitze, die erst nachträglich zu Teilen der Mauer wurden; in der Regel sind es Baubefunde, die dies belegen, sodass es allerdings, streng genommen, in Abwesenheit archäologischer Befunde immer möglich bleibt, dass die Anlage zusammen mit einer vorangehenden Holz-Erde-Befestigung entstand. Als wiederum süddeutsche Beispiele seien hier Überlingen, Kempten und Schaffhausen genannt. In Überlingen stößt die Mauer sekundär an Adelstürme und Höfe, die ihrerseits schon gotische Formen zeigen (Abb. 345), in Kempten ist ein (Wohn-)Turm des mittleren 13. Jahrhunderts in die Mauer integriert. Schaffhausen da-
gegen ist ein anderer Fall, da dort Wohntürme ihre Funktion änderten: der dortige „Obertorturm“ (Abb. 302) ist ein romanischer Wohnturm, der erst 1491 an die Stadt kam und dann erhöht wurde; ein Gegenstück an einem anderen Tor ist ergraben. Bei den kleineren Adelssitzen im Mauerverlauf hat man es, um zusammenzufassen, mit einer erheblichen Vielfalt an Formen und zeitlichen Abläufen zu tun; dabei wird aus Gründen der Erhaltung und der sehr begrenzten Schriftüberlieferung aber vieles offenbleiben müssen. 2.2.10.2. Sakralbauten Dass auch Sakralbauten, also Kirchen und Kapellen oder Teile davon, im Mittelalter Teile von Befestigungsanlagen gewesen sein können, ist für den westlichen Menschen von heute sicherlich eine verblüffende Tatsache. Religion, jedenfalls aber Christentum, gehört in der Gegenwart programmatisch in eine Sphäre des Friedens, stellt also geradezu das Gegenwicht zu Kampf und Krieg dar. Dass dies im Mittelalter anders war, dürfte aber auch dem architekturhistorischen Laien durch Phänomene wie Burgkapellen oder „Kirchenburgen“ bekannt sein. In diesen Vergleichsfällen architektonischer Durchdringung von Sakral- und Wehrbau war es freilich der häufigere Fall, dass die Sakralbauten oder -räume nicht in der allerersten Verteidigungslinie angeordnet waren. In der Kirchenburg stand die Kirche in einer äußeren Umwehrung und bildete selbst höchstens durch einen zinnen- und schartenbewehrten Turm oder Chor eine überhöhende, ergänzende Position der Verteidiger; auch die selbst völlig unbefestigte Kirche in der Umwehrung war durchaus häufig. Und auch Burgkapellen standen zumeist an eher schlecht angreifbaren, wenn auch gut sichtbaren Stellen der Burg; wo dies nicht der Fall war und die Kapelle einem Angriff doch direkter ausgesetzt wurde, handelt es sich meist um Fälle, bei denen der Sakralraum eine Beziehung zum Tor besaß, was – wie auch im Falle der Torkapellen von Klöstern – fraglos auf das Bibelzitat „Der Herr behüte deinen Eingang und Ausgang von nun an bis in Ewigkeit“ (Psalm 121,8) zu beziehen ist. Im Falle der Sakralbauten, die in irgendeiner Weise mit der Stadtmauer zusammenhingen, finden wir im Grundsatz vergleichbare Phänomene,
Abb. 193 In Rastenburg (Ostpreußen) beherrscht nicht die tief liegende, turmlose Ordensburg das Bild der Altstadt, sondern die zweitürmige, burgartig wirkende Pfarrkirche St. Georg (1359–70) auf ihrem höchsten Punkt (Ansichtskarte um 1880).
das heißt, in der Regel war der Sakralbau nicht wirklich ein Teil der Mauer, sondern stand eher nur nahe hinter ihr und wurde als Verstärkung genutzt. Eine besondere Rolle spielt dabei auch der Fall, dass die Kirche oder ein Vorgängerbau älter als der Mauerbau war, sodass die Ehrfurcht vor dem geheiligten Ort zu originellen Lösungen beitrug, bei denen entweder der vorhandene Bau oder ein Neubau an gleicher Stelle die Kontinuität wahrte und zugleich als „geistliche“ Stärkung der Wehranlagen verstanden werden konnte. Will man mit Fällen beginnen, bei denen der Wehrcharakter der Kirche nur ein symbolischer war, so bietet das Ordensland Preußen die wohl eindrücklichsten Beispiele. Dort nämlich besaßen nicht wenige Türme von Pfarrkirchen einen Zinnenkranz, wobei die Mehrheit von ihnen keineswegs im Mauerverlauf stand, sondern üblicherweise mitten in der Stadt (erhalten unter anderem in Morungen, Strasburg, Deutsch Eylau). Vergleichbares gab es auch im Rheinland, gut erhalten etwa in Kronberg im Taunus und in Schlesien in Pitschen, und vor den zahllosen neuen Kirchturmdächern nachmittelalterlicher Zeit sicherlich noch weit öfter. Der Effekt einer solchen Architektur bestand im Wesentlichen darin, dass die Stadtmauer in der Fernsicht eine wehrhafte Dominante erhielt – eine Art Bergfried, der das Bild der Stadt einer großen Burg annäherte. Dass dies wirklich so gemeint war, hat in einem Land, das ein Ritterorden aus seinen architektonisch höchst anspruchsvollen Burgen heraus beherrschte, durchaus eine hohe 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Wahrscheinlichkeit. Einen Höhepunkt erreichte diese Wirkung in Rastenburg (Abb. 193), wo die Kirche doch einmal die Mauerecke einnahm und durch die Hügellage sogar die kleine Ordensburg optisch ausstach. Auch sonst steht der Kirchturm im Zentrum des Themas, wobei die naheliegende Idee, dass ein ohnehin vorhandener Stadtmauerturm „nebenbei“ als Glockenträger genutzt wurde, offenbar eher selten war: Zu nennen sind Brugg / Aare, wo der Kirchturm mit Eckbuckelquadern und hoher Schlitzscharte offenbar einfach einer der Mauertürme des mittleren 13. Jahrhunderts war, und Gilgenburg im Ordensland, wo man ein Wiekhaus entsprechend nutzte. In Lich (Hessen) wurde ein großer Schalenturm der Stadtmauer (um 1400?) wohl noch in der Spätgotik zum Glockenturm umgebaut. Deutlich häufiger war aber der Fall, dass der Turm dicht hinter der Mauer stand und aufgrund seiner Höhe und der Ausstattung mit einigen Schießscharten oder Zinnen über sie hinweg ins Vorfeld wirken konnte; offenbar war das Bedürfnis, den Kirchturm als eigenständige Dominante zu gestalten, ab dem 14. Jahrhundert doch sehr stark. Eines der zugleich frühesten und eindrucksvollsten Beispiele
Abb. 194 Oberwesel (Rheinland-Pfalz), der Turm der Pfarrkirche St. Martin. Der Schnitt verdeutlicht, dass der äußerlich so wehrhaft ausgestattete Turm (vgl. Abb. 92) aufgrund seiner dünnen Wände nicht wirklich verteidigungsfähig war (Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz, Stadt Oberwesel, Bd. II).
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ist der Westturm von St. Martin in Oberwesel, der um 1300 als Teil der neuen Kirche hinter der älteren Mauer entstand (Abb. 194). Mit seiner Massigkeit, der Gliederung durch Strebepfeiler, dem umlaufenden Wehrgang mit Zierzinnen und polygonalen Eckerkern, schließlich dem (unvollendeten) schlankeren Oktogon für die Glocken übertrifft seine Monumentalität die meisten Bergfriede und mag sogar Anreger einer ihrer rheinischen Sonderformen, der „Butterfasstürme“, gewesen sein. Ein kleineres Pendant zu Oberwesel ist der Kirchturm von (Hanau-) Steinheim (nach 1449; Abb. 442), ebenfalls mit Zierzinnen und Eckerkern, aber auch schon mit einer hohen Schlüsselscharte (entgegen örtlicher Darstellung stand auch er hinter, nicht in der Mauer). Der Turm der Ursulinenkirche in Bruneck (Südtirol, eher nach 1427; Abb. 294) besitzt einen gut gestalteten, vorkragenden Wehrgang. Der Kirchturm des Heiliggeistspitals in Oldenburg, der ein Stadttor sicherte, der hohe „Josenturm“ in Schwäbisch Hall als zugleich betont hoher „Stadtturm“, der Turm der Pfarrkirche in Weilheim an der Teck und jener in Radkersburg (Steiermark), die beiden letzteren mit Schlüsselscharten, sind weitere Beispiele aus dem 15. Jahrhundert. Kaum einer dieser Türme erscheint als wirklich notwendige und vor allem wirklich starke Ergänzung der Stadtmauer, vielmehr wirkt es meist so, als habe man die günstige, mauernahe Lage einer Kirche genutzt, um sie eben als eher symbolhafte, nur leicht befestigte Ergänzung der Befestigungen auszustatten. Dass nicht nur der Kirchturm, sondern die gesamte Kirche oder Kapelle in die Mauer einbezogen wurde, ist gegenüber der an sich schon seltenen Mitnutzung eines Kirchturmes der nochmals seltenere Fall – genauer: eine ausgesprochene Ausnahme, die zudem noch später auftrat. Hatten wir bezüglich der Kirchtürme immerhin ein frühes Beispiel um 1300 nennen können, bei einer sonst eindeutigen Konzentration der Fälle im 15. Jahrhundert, so tritt dies bei den vollständigen Kirchen / Kapellen, die in die Mauer einbezogen waren, noch klarer hervor. Schon 1384 wurde die Katharinenkapelle in Sonnenberg bei Wiesbaden in einem Mauerturm der Burgfreiheit eingebaut; sie war der erste Sakralbau innerhalb der Mauern, aber wegen ihrer engen Beziehung zur Burg auch ein Sonderfall.
Abb. 195 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), die „Wolfgangskirche“ (1475–92) ist Teil der Barbakane vor dem „Klingentor“ und präsentiert sich zum Hof (oben) als reiche spätgotische Architektur, völlig anders als an der Grabenseite.
Ein anderes Beispiel, ebenfalls in einer kleinen Burgstadt, findet man in Greifensee bei Zürich, wo die dreieckige, im Obergeschoss mit Maulscharten versehene Kirche fraglos (nach 1444?) an die rundlich geführte Mauer angebaut wurde. Auch Eglisau, ein anderes Schweizer Beispiel, war eine Zwergstadt, bei der die ergrabene erste Kirche wohl vor allem deshalb im Mauerverlauf stand, weil die engen Platzverhältnisse wenig Alternativen boten. Dass es bei Kirchen und Kapellen im Mauerverlauf nicht um eine Verstärkung der – fortifikatorischen oder geistlichen – Wehrhaftigkeit ging, sondern eher um die Bewältigung von Platzmangel, darauf weisen auch jene im Grunde interessanteren Fälle, bei denen der Sakralbau nicht Bestandteil der Hauptmauer war, sondern vielmehr eines verhältnismäßig späten Vorwerkes, meist an Toren. Denn in diesem Falle handelte es sich überwiegend um die Einbeziehung von Bauten, die schon vorher bestanden hatten und 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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die man – allerdings meist als Neubau – an traditioneller Stelle erhalten wollte. Das sicherlich bekannteste Beispiel ist die 1475–92 entstandene Barbakane vor dem Rothenburger „Klingentor“, die die Wolfgangskirche mit ihrem Geschützboden integriert (Abb. 195); sie entstand mit der Barbakane (vgl. 2.2.11.4.) neu, besaß aber als „Schäferkirche“ eine lang etablierte Funktion für einen Berufsstand, der seine Arbeit außerhalb der ummauerten Stadt versah. Interessanterweise findet man mehrere Vergleichsbeispiele in Schlesien, unter denen die um 1500 erbaute Antoniuskapelle im Zwinger des „Haidauer Tores“ in Striegau (Abb. 482) Rothenburg am ähnlichsten ist; auch hier gab es eine Wehrplatte über dem eigentlichen Kirchenraum, der Chor sprang als Streichwehr in den Graben vor. Der (verschwundene) Zwinger vor dem „Schweidnitzer Tor“ in Breslau, der eine ganze Gruppe von Kirchen und Kapellen umfasste, ist als Übergangsform zu einer befestigten Vorstadt schon erwähnt worden. Ohne Torbezug ist die 1444 geweihte Nikolaikirche in Bautzen, die nach ihrer Fertigstellung in den umlaufenden Zwinger einbezogen wurde, indem dieser teilweise zwischen die Strebepfeiler eingebaut wurde; und in Riesenburg (Westpreußen) springt die Marienkapelle als Vorwerk in den Graben vor. Auch Klöster und Pfarrhöfe werden gelegentlich als Verstärkung der Stadtbefestigung angesprochen, häufig etwa in Österreich. Richtig ist daran, dass man beide Bautypen manchmal hinter der Stadtmauer bzw. in Ecklage der Mauer antrifft, und richtig ist im Falle der Klöster weiterhin, dass sie oft durchaus befestigt waren. Jedoch gilt dieses Prinzip der eigenen starken Befestigung vor allem bei Klöstern, die ursprünglich allein lagen bzw. bei denen erst nachträglich eine Siedlung entstand, die dann später Stadtcharakter annahm. Insoweit kann man in solchen Fällen eigentlich nicht davon sprechen, dass das Kloster eine Verstärkung der Stadtmauer darstellte. Vielmehr handelte es sich eigentlich um Sonderfälle des Prinzips der älteren „Burg“, die zum Ausgangspunkt und Kern der Stadt wurde; sie standen funktional und formal vor allem den „Domburgen“ des frühen Mittelalters nahe. Als Beispiele, bei denen die frühen Klöster auch anhand mittelalterlicher Bausubstanz noch als burgartiger Kern der jüngeren Stadt erkennbar 254 I. Systematischer Teil
sind – eher selten, denn meist sind die Klöster nachmittelalterlich erneuert –, kann man etwa Melk und Klosterneuburg in Niederösterreich oder Weißenburg im (Unter-)Elsass nennen. Lässt man diesen Fall des älteren, burgartig befestigten Klosters aber beiseite und fragt nur nach Klöstern, die bei der Stadtgründung bereits eingeplant wurden oder nachträglich in der bestehenden Stadt entstanden – am ehesten waren dies Bettelordensklöster –, so waren diese in aller Regel unbefestigt. Zwar zog die Stadtmauer am Kloster vorbei, was manchmal zu Auseinandersetzungen über eine Mitfinanzierung oder auch Grundstückverluste führte (vgl. 3.1.), aber für eine Befestigung der auch gegen die Stadt gerichteten Seiten kenne ich tatsächlich keinen einzigen Beleg. Der Hauptgrund, warum Klöster oft direkt an der Stadtmauer lagen, waren offensichtlich die niedrigeren Kosten der abgelegenen, das heißt vom Markt und den Ausfallstraßen entfernten Grundstücke, die bei den großen Klosteranlagen erheblich ins Gewicht fielen. Eine gelegentlich verfolgte Beobachtung, deren Vertiefung hier aber zu weit führen würde, geht außerdem dahin, dass gelegentlich Grundstücke ehemaliger Ministerialensitze für Klöster genutzt wurden, was immerhin einen indirekten Bezug zwischen Adelssitz und Kloster herstellt. Für den ebenfalls in Österreich gern vermuteten Fall des Pfarrhofes als Eckverstärkung der Stadtmauer konnte ich überhaupt keine gesicherten Beispiele finden; es scheint so, als habe hier die oft massive Steinarchitektur der Höfe in Verbindung mit der gelegentlichen Ecklage dazu geführt, dass man die „burgartige“ Erscheinung für bare Münze nahm, obwohl der Nachweis von echten Befestigungselementen (zumindest bisher) fehlt. Das Rektorat neben der Pfarrkirche von Freyburg / Unstrut (Sachsen-Anhalt) ist tatsächlich das einzige mir bekannt gewordene Beispiel, bei dem ein solcher Bau, belegt durch Schlüsselscharten, wirklich Teil der Befestigung war. Erst um 1540 entstanden, ist es zugleich ein ungewöhnlich später Fall. 2.2.10.3. Brücken, Zollstellen, Mühlen, Häuser Neben den zahlreichen Burgen, deren Verbindung mit der Stadtmauer zweifellos fortifikatorische Bedeutung besaß, und recht wenigen
Sakralbauten, bei denen ein entsprechendes Zusammenwirken von eher begrenzter Bedeutung war, gab es noch Bauten anderer Art, die man in baulichem Zusammenhang von Stadtmauern findet. Ihre Bedeutung war freilich eher noch geringer als jene der Kirchen und Kapellen, und zwar aus verschiedenen Gründen. Entweder erweisen sie sich bei genauer Betrachtung als Bauwerke, deren besondere Funktion sie im Grunde nicht als Bestandteil der Stadtmauer erscheinen lässt, sondern vielmehr als Bauwerk eigenen Charakters, das mit der Stadtbefestigung lediglich verbunden ist; dies gilt insbesondere für große Flussbrücken, aber auch für befestigte Zollstellen, deren Funktion im Grunde gleichfalls von den Städten unabhängig war, die aber aus praktischen Gründen oft im Schutz von Burgen und befestigten Städten entstanden und dabei oft in ähnlicher Weise als selbstständig ummauerter Bereich mit der Stadtmauer verbunden wurden, wie es bei den Burgen der Fall war. In beiden Fällen – Flussbrücken und Zollstellen – handelte es sich also um eigenständige Bauty-
pen, die im Grunde monographische Darstellungen verdient hätten und hier nur beispielhaft abgehandelt werden können. Andere Bautypen können deswegen kurz abgehandelt werden, weil sie entweder sehr selten sind (Mühlen) oder weil ihre baulichen Spuren mangels zugehöriger Schriftquellen leider nicht wirklich deutbar sind (Häuser bzw. originale Fenster in der Mauer). Flussbrücken, gleich ob als Holz- oder als Steinkonstruktionen, waren als technisch höchst aufwendige Bauten im Mittelalter noch recht selten. Vor allem die größeren steinernen Brücken – in Teilen erhalten sind etwa jene in Regensburg (1135–46), Würz- Flussbrücken burg (12. Jahrhundert, erneuert 1473–88 und im 16. Jahrhundert), Dresden (13. Jahrhundert), Esslingen (vor 1286) und Prag – waren außerdem strategische Punkte ersten Ranges. Sie bündelten nicht nur den gewinnträchtigen Handel, sondern sie waren selbstverständlich auch im Kriegsfalle von Bedeutung. Daher waren sie in aller Regel nicht nur mit einer Stadt verbunden, sondern auch selbst befestigt.
Abb. 196 Regensburg, die „Steinerne Brücke“ mit ihren drei Tortürmen, nach Martin Zeiller / Matthäus Merian. Erhalten ist nur der rechte, stadtseitige Torturm (Topographia Bavariae, 1644).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Einerseits bildeten sie so einen Sonderfall des befestigten Stadttores, andererseits besaßen sie eine ganz eigenständige Qualität, die nicht zwingend von der Stadt abhängig war. Die befestigten Flussbrücken sind daher ein Sonderthema, das im Rahmen der Behandlung von Stadtbefestigungen nur gestreift werden kann und das leider auch sonst wenig erforscht ist. Eine zusätzliche Problematik liegt darin, dass die Wehrbauten der Brücken, die Tortürme und befestigten Brückenköpfe, in aller Regel nicht mehr vorhanden sind, weil sie dem Verkehr hinderlich waren und daher schnell zerstört wurden, als ihre Schutzfunktion entfallen war. Nur ganz selten ist daher heute noch das Zusammenspiel von Brücke und wenigstens einem einzelnen Turm bzw. Tor zu besichtigen, etwa in Brugg / Aare (Kanton Aargau), in Limburg an der Lahn und – mit barock umgebautem Doppelturmtor des 14. Jahrhunderts – in Heidelberg. Als vergleichsweise gut untersuchtes und bedeutendes Einzelbeispiel sei hier die „Steinerne Brücke“ in Regensburg dargestellt (Abb. 196). 1135–46 als erste mittelalterliche Steinbrücke Deutschlands errichtet, anknüpfend an die im Ursprung römische und schon im Frühmittelalter bedeutende Stadt, blieb sie für Jahrhunderte die einzige Donaubrücke zwischen Ulm und Wien. 1182 erhielt sie von Kaiser Friedrich I. ein PriviAbb. 197 Rottweil, die Hochbrücke mit ihren Pfeilern aus dem frühen 13. Jahrhundert, Ansicht von Westen mit Rekonstruktion sversuch der Tortürme nach der Pürschgerichtskarte von 1564 (C. Meckseper).
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leg, das die Erhebung von Zöllen und Steuern auf der Brücke und auch die Errichtung von Bauten an beiden Brückenköpfen verbot; dabei wurde auch ein „Brückenmeister“ erwähnt. Der stadtseitige Torturm wurde wohl im frühen 15. Jahrhundert, im Zeichen der Hussitengefahr, erneuert, wobei er ein gegen die Stadt verschließbares(!) Tor erhielt; vom romanischen Vorgängerbau sind offenbar mehrere Skulpturen übernommen, die mindestens zwei thronende Könige darstellen und so wohl auf das Privileg von 1182 anspielten. Auf dem elften Brückenpfeiler vor der Stadt, noch vier Bogen vom Nordufer entfernt, stand der offenbar erste nördliche Brückenturm, wohl aus dem frühen 13. Jahrhundert; er war dort über die schmale Brücke kaum anzugreifen, sicherte aber die dahinterliegenden Zugänge zu zwei Donauinseln und einer Anzahl von Mühlen. Erst Ende des 13. Jahrhunderts errichtete man einen dritten, höheren Torturm am Nordende der Brücke, wo sie wieder festes Land erreichte. Auch er wurde 1423, zur Zeit der Hussitengefahr, durch einen Torzwinger in Form eines Doppelturmtores stärker befestigt; da diese Befestigung noch innerhalb der älteren Mauer der bayerischen Vorstadt Stadtamhof lag, unterstrich sie die Eigenständigkeit der Brücke zusätzlich. Ein weiteres Beispiel einer Brücke in Verbindung mit einer Stadtbefestigung sei hier nur deswegen genannt, weil es sich um einen ausgesprochenen Sonderfall handelt. Die „Hochbrücke“ in Rottweil entstand noch in spätstaufischer Zeit direkt vor dem südlichen Torturm der kaum älteren Ummauerung und war auch am feldseitigen Ende durch einen Torturm gesichert (Abb. 197). Ungewöhnlich an ihr ist die Tatsache, dass sie nicht über einen Fluss, sondern mit bis zu 27 m hohen Buckelquaderpfeilern über einen Taleinschnitt führte; man hätte sie also durch eine abknickende, längere Wegführung vermeiden können, aber offenbar war der Wunsch, das „ideale“ Straßenkreuz im Stadtinneren in die Landschaft hinaus zu verlängern, so stark, dass man den enormen Mehraufwand auf sich nahm. Für Zollstellen an Flüssen trifft im Grundsatz dasselbe zu, was bereits über Stadtburgen und Flussbrücken gesagt worden ist: Es handelte sich um selbstständig befestigte Anlagen von besonderer Funktion, die zwar in der Regel mit einer Stadtbefestigung verbunden, aber nicht eigent-
lich ein Bestandteil von ihr waren. Weiterhin gilt auch hier das Prinzip der schlechten Erhaltung; Flussufer bei Städten bzw. Hafenanlagen sind Orte, die so gut wie immer einem dauerhaften, starken Veränderungsdruck ausgesetzt waren, sodass die mittelalterlichen Bauten einer Zollstelle kaum eine „Überlebenschance“ hatte. Da zudem meines Wissens Zollstellen keine Spezialliteratur zu den Zollstellen als Bauten vorliegt – man vergleiche etwa das Stichwort „Zoll“ im Lexikon des Mittelalters –, sollen auch hier nur zwei besser erhaltene Beispiele angesprochen werden, nämlich der pfälzische Zollhof in Bacharach und der kurmainzische in Höchst. Der bisher nie näher dargestellte Bacharacher Zollhof – der Zoll wurde zuerst 1226 erwähnt und war einer der einträglichsten am Mittelrhein – ist an der Südostecke der Stadtmauer gegen den Rhein vorgeschoben und bildet in der Hauptsache einen mauergeschützten Hof mit Achsen von rund 100 und 60 m Länge; der Grundriss mag andeuten, dass der Nordteil zuerst entstand, wobei gerade er durch ein 1685 eingebautes Kloster stark verändert ist (Abb. 198). Die Mauer um den Südteil besitzt noch Zinnen und über Rundbogen vorgekragte, polygonale Wehrerker, beide mit einer Variante von Schlüsselscharten; fraglos entstand sie erst im 15. Jahrhundert. Auch die ältesten Ansichten aus dem 17. Jahrhundert zei-
gen keine Innenbebauung mehr, und in der Tat dürfte das Innere des Zollhofes weitgehend als Stapelplatz gedient haben. In Höchst wirkt die Zollstelle auf den ersten Blick wie ein großer Torzwinger, der direkt neben der Burg das Tor zum Mainufer sicherte (Abb. 198). Jedoch deutet schon die Bezeichnung des aus dem mittleren 14. Jahrhundert stammenden Torturmes als „Zolltor“ an, dass es sich hier um etwas anderes handelte, nämlich um den Ort des 1355 / 56 von Karl IV. gewährten Zolls; man nimmt an, dass der Zollwächter das erste Obergeschoss des Tores bewohnte, während weitere zuständige Beamte in der Burg saßen. Wohl um 1465 entstand vor dem Tor die zwingerähnliche Ummauerung der Zollstelle – von der lokalen Forschung als „Batterie“ missverstanden – mit einem runden Schalenturm in auffällig qualitätvoller Ausführung: große Sandsteinquader, profilierte Vorkragung der wappengezierten Brustwehr über einem schönen Maßwerkfries, ein gestäbtes Spitzbogentor zum Bereich der Burg. Auch in Höchst, wo die Anlage weniger verändert ist als in Bacharach, erscheint sie also in erster Linie als ummauerter Stapelplatz am Fluss; jedoch gewinnen wir hier eine bessere Vorstellung vom formalen Anspruch der Architektur, die noch deutlicher als dort zeigt, dass solche Zollstellen durchaus Orte herrschaftlicher Repräsentation waren.
Abb. 198 Zollhöfe als ummauerte Sonderbereiche vor der Stadtmauer: links Bacharach, der Zollhof auf dem Merianstich (Topographia Palatinatus Rheni, 1645) vor dem runden Eckturm der Stadtmauer und rechts schon zur Geschützstellung umgestaltet, rechts die aufwendig ausgestaltete Mauer des Zollhofes in Höchst am Main (Hessen).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 199 Köln, die 1446 zuerst erwähnte ehemalige Windmühle wurde kurz zuvor auf die „Ulrepforte“, eines der Doppelturmtore der Mauer des frühen 13. Jahrhunderts aufgesetzt; die umlaufende Galerie diente zum Drehen des heute fehlenden Aufsatzes mit den Flügeln (Wiethase, Kölner Thorburgen …, 1884).
Abb. 200 Dinkelsbühl (Mittelfranken), die 1424 ersterwähnte Wassermühle an der Südostecke der äußeren Stadtmauer war ein Teil der Befestigungen. Das Mühlrad lag in einer Art Zwinger mit zwei Ecktürmchen von 1490.
258 I. Systematischer Teil
(Getreide-)Mühlen waren auch im Mittelalter eine zentral wichtige Voraussetzung geregelter Lebensmittelversorgung; für die dicht bewohnten Städte galt das in besonderem Maße. Mit den Stadtbefestigungen hatten die Mühlen jedoch nur in den wenigsten Fällen etwas zu tun, wenn man von den zahllosen „Mühlentoren“ einmal absieht, deren Name Wassermühle, Wasserkunst nur bedeutet, dass die Mühlen vor diesem Tor (oder ausnahmsweise in seiner Nähe innerhalb der Stadt) lagen. Insbesondere gilt dies für Windmühlen, die zwar schon im 12. Jahrhundert aus dem Orient nach Mitteleuropa gekommen sein sollen, aber offenbar in der Regel nicht in den Städten standen, sondern – wie es bis ins 19. Jahrhundert üblich blieb – auf dem Land, auf Hügeln mit guten Windverhältnissen. Zwar hätten gerade auch Stadtmauertürme ähnliche Voraussetzungen geboten, aber die wenigen Beispiele dieser Anordnung, die wir etwa am Niederrhein noch finden, sind – ähnlich wie die wenigen, die auf Darstellungen des 16. / 17. Jahrhunderts auftauchen – offensichtlich nachmittelalterlich; das einzige noch mittelalterliche Beispiel ist die Mühle auf der Ulrepforte in Köln (Abb. 199), wohl aus dem frühen 15. Jahrhundert (eine zweite in Köln wurde im 2. Weltkrieg zerstört). Wassermühlen lagen dagegen öfter in den Städten, was zwanglos dadurch zu erklären ist, dass Städte nicht nur mit Getreide, sondern noch viel mehr mit Wasser versorgt werden mussten, sodass Städte ohnehin in der Regel so lagen, dass schnell fließendes Wasser hineingeführt werden konnte. Eine weitverbreitete Lösung war schon im Falle Regensburg berührt worden: Die Mühlen lagen im Fluss, der an der Stadt vorbeifloss, entweder direkt vor dem stadtseitigen Ufer oder eben an der Flussbrücke. Da der Zugang zur Brücke in der Regel durch einen Brückenkopf gesichert war, waren auch die Mühlen in solchen Fällen mit geschützt und dort, wo es keine Brücke gab, verhinderten oft Sperren im Fluss die allzu leichte Annäherung eines Angreifers. Dennoch bedeutete eine derartige Lage vor der Mauer, dass die Mühlen im Kriegsfalle schwer gefährdet waren, und daher kann es nicht überraschen, dass sie vielfach innerhalb der Stadt im Schutze der Mauer errichtet wurden. Sehr anschaulich ist das noch in Straßburg, wo die Ill sich direkt
nach ihrem Eintritt in die Stadtmauer in mehrere Arme spaltete, an denen die Gerberau und mehrere Mühlen lagen: Das Bild der drei großen Türme auf den Inseln mit den Mühlen dahinter gehört noch heute zu den berühmtesten der Stadt (Abb. 64). Auf andere Weise eindrucksvoll ist die Mühle des Deutschordens am Radaunekanal in der Danziger „Altstadt“, die zwar ihre Räder und Mahlwerke verloren hat, nicht aber ihr enormes Bauvolumen. Eben diese letztere Situation ist die typische für städtische Wassermühlen und sie bedeutet, dass in der Mauer nur Durchlässe für den Mühlkanal nötig wurden. Diese entsprachen im Grundsatz den schon behandelten Durchführungen für natürliche Wasserläufe (vgl. 2.2.6.5.), waren aber in der Regel noch unauffälliger, da Mühlenkanäle kaum breiter als 1–2 m sein mussten. Das bedeutet nicht, dass man den wasserbautechnischen Aufwand, der in solchen Zusammenhängen betrieben wurde, unterschätzen darf. Insbesondere mussten die Höhen der Wasserspiegel sehr genau bestimmt werden, gegebenenfalls durch Systeme von Dämmen, und das konnte auch die Gestaltung wassergefüllter Stadtgräben in dem nicht seltenen Falle, dass sie mit den Mühlkanälen direkt zusammenhingen, mit betreffen; aber Befunde sind in diesem Zusammenhang ausgesprochen selten. Genannt sei ein Ausgrabungsergebnis aus Strausberg, wo das Mühlenfließ auf dem Wall, zwischen den beiden Gräben, zwischen eingerammten Pfosten geführt war; man kann daraus schließen, dass der Kanal auch die Gräben selbst in hölzernen Rinnen überbrückte. Eine hölzerne Wasserleitung in Einbeck konnte auf „1440“ dendrodatiert werden und ebendort ist auch ein steinerner Aquädukt wohl erst des 16. Jahrhunderts beim „Diekturm“ erhalten (vgl. a. Abb. 452). Nach alledem dürfte klar sein, dass Wassermühlen als unmittelbarer Teil der Befestigungen extreme Ausnahmen waren. Das schönste und bekannteste Beispiel war hier fraglos die Wassermühle an der Ostecke der äußeren Mauer von Dinkelsbühl (Abb. 200). Dass der Mühlgraben hier zugleich Stadtgraben war, deutet darauf, dass die Mühle schon älter war und man sich den Wasserlauf für die neue Mauer zunutze machte. Die heutige Mühle dürfte dann wohl 1491 als Teil des umlaufenden Zwingers
entstanden sein; zumindest ist der „Zwinger“ mit seinen zwei Ecktürmchen, der das unterschlächtige Rad schützte, so datiert, während die Mühle selbst im 16. Jahrhundert erneuert wurde. In Aschersleben war die direkt vor dem Stadtgraben liegende „Malzmühle“ nach alten Plänen durch einen eigenen Graben geschützt; sie soll 1407 entstanden sein, ist aber nicht näher erforscht. Eine Mühle in Vaihingen an der Enz sei hier immerhin erwähnt, weil sie durch einen offenbar erst frühneuzeitlichen Mauerzug nur 60–100 m vor der eigentlichen Stadtmauer gesondert geschützt wurde; da die Mühle selbst dabei aber nicht befestigt war, ist dies schon wieder ein Sonderfall (Abb. 84). Ebenfalls selten waren „Wasserkünste“ – heute würde man sie als Hebewerke bezeichnen – im Abb. 201 Bautzen (Sachsen), die Alte Wasserkunst enthielt ein Pumpwerk, um die Stadt mit Wasser aus dem Spreetal zu versorgen; das erklärt ihre Höhe an der Felswand. (Y. Hoffmann).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 202 Wiener Neustadt (Niederösterreich), zahlreiche zugesetzte Fenster in der westlichen Stadtmauer belegen, dass sich innen die Bebauung an die Mauer lehnte; mehrere romanische Fenster zeigen, dass dies von Anfang an der Fall war.
Zuge der Stadtmauern, die hier aber schon deswegen nur kurz anzusprechen sind, weil sie alle erst in der beginnenden Neuzeit entstanden bzw. in der Regel nur sekundären Gebrauch von Stadtmauertürmen machten. Das älteste erhaltene Beispiel scheint die „Abtswasserkunst“ in Lüneburg zu sein, ein stark veränderter, kräftiger Backsteinturm, der – ursprünglich im Zuge der Mauer stehend – auch eine Mühle schützte. Berühmter und wegen der Lage am Steilabhang des Spreetales besonders eindrucksvoll ist die „Alte Wasserkunst“ in Bautzen von 1558, deren unterer Teil als Streichwehr ausgebildet ist, womit sie ausnahmsweise auch einer letzten Modernisierung der Befestigung diente, während der Turmschaft die aus technischen Gründen nötige Höhe 260 I. Systematischer Teil
nutzt, um eine wahrzeichenhafte Wirkung zu entfalten (Abb. 201). Andere Beispiele waren dagegen äußerlich unauffällig, sind also in die älteren Türme eingebaut worden, ohne deren Äußeres nennenswert zu verändern; das gilt etwa für die „Neue Wasserkunst“ (1606–10) in Bautzen und für Beispiele in Großenhain und Naumburg. Schon im Zusammenhang der Adelssitze in der Stadt (vgl. 2.2.10.1.) waren Bauten angesprochen worden, die „sich an die Mauer lehnten“, obwohl sie offensichtlich Wohnbauten ohne jeden Befestigungscharakter waren. Exakter ausgedrückt, sind damit Gebäude gemeint, bei denen zumindest eine Außenmauer mit der Stadtmauer identisch war, sodass in dieser Öffnungen erscheinen, die wohnlichen Charakter besaßen, also in erster Linie Fenster, auch Aborterker oder sogar einmal Pforten. Gemeint sind dabei nicht jene Fälle, wo Gebäude aufgrund der zunehmenden Verdichtung der innerstädtischen Bebauung erst nachträglich, kaum vor dem 15. Jahrhundert, Originär an die Mauer angebaute Wohnhäuser an die Mauer angebaut wurden, mit der Folge des nachträglichen Einbrechens von Öffnungen in die Stadtmauer. Hier geht es vielmehr ausschließlich um jene romanischen und gotischen Fenster und anderen Spuren, die bereits zusammen mit der Mauer entstanden sind und damit belegen, dass Mauer und angelehntes Haus gleich alt sind. Aus Gründen, die schon erläutert wurden – dem regional üblichen Verzicht auf die Mauergasse (vgl. 2.2.3.6.) –, gibt es derartige Befunde fast nur im süddeutschen Raum. Ihre vollständige Erfassung ist beim gegenwärtigen Wissensstand illusorisch, nur sorgfältige Dokumentationen der häufig schlecht zugänglichen Mauerreste könnten dies leisten, aber einige gut erkennbare oder näher untersuchte Beispiel seien genannt. In Wiener Neustadt gibt es mehrere romanische Doppelfenster in der Mauer (Abb. 202), ähnlich in dem weitaus kleineren Egisheim im Elsass (Abb. 318), in Württemberg wäre entsprechend Herrenberg zu nennen. Die beachtlich alte Mauer von Duisburg (um 1120 / 25) bezog sogar ein bereits bestehendes Haus mit ein. Waren dies alles Beispiele für noch romanische Fenster in der Mauer, so ist Neuleiningen in der Pfalz, das nach neuerer Untersuchung um oder bald nach
Abb. 203 Werdenberg (Schweiz). Die Häuser auf der Mauer der sehr klein gebliebenen Stadt gehen in ihrer Substanz bis ins 13. Jahrhundert zurück. Durch spätere Vergrößerungen wurde die Stadtmauer so stark überbaut, dass sie kaum noch als solche zu erkennen ist.
1238–41 ummauert wurde, ein Beispiel für eine relativ dichte Anordnung von Ausfallpforten und Aborterkern in einem Teil der Mauer, an den innen größere Hofanlagen anschließen. Wer die Bauherren solcher mit der Mauer entstandenen Häuser und Höfe gewesen sind, ist in der Regel sehr schwer zu ermitteln. Sofern es sich um Sitze von Burgmannen handelte – was schon angesprochen wurde (2.2.10.1.) –, wird die Identifikation oft dadurch erleichtert, dass die Grundstücke lange in der Hand derselben Geschlechter blieben, sodass aus späterer Schriftüberlieferung oder auch Bausubstanz Rückschlüsse auf die Verhältnisse des 13. / 14. Jahrhunderts naheliegen. Auch im Fall der Burgmannen bleibt es aber immer denkbar, dass sie quellenmäßig nicht belegt sind, obwohl es sie durchaus gab, oder zumindest nicht so detailliert, dass ihre Sitze noch exakt lokalisierbar wären. Eben diese Überlieferungsprobleme treten noch viel massiver auf, wenn man von der Überlegung ausgeht, dass es vom 12. bis zum 14. Jahrhundert Fälle gab, in denen die Stadtmauer von vornherein als Bestandteil bzw. „Rückseite“ von aneinandergereihten Bürgerhäusern errichtet wurde. Denn für diese Frühzeit fehlt eine beschreibende Überlieferung zu den Wohnsitzen nichtadliger Stadtbewohner, und Baubefunde oder archäologische Ergebnisse können nun einmal den Status ehemaliger Bewohner nur sehr
bedingt erfassen. Am ehesten in die Richtung von Bürgerhäusern an der Mauer weisen die Befunde in einer Anzahl schweizerischer Kleinstädte wie etwa Eschenbach, Glanzenberg, Sempach, Wangen an der Aare und etlichen anderen. Wie so etwas in erhaltenem Zustand aussieht, verdeutlicht etwa Werdenberg in St. Gallen, wo die Häuser „auf der Mauer“ bis ins 13. Jahrhundert zurückgehen (Abb. 203). Großflächige Grabungen in Unterseen (Interlaken, Kanton Bern) konnten belegen, dass die Hausbebauung mitsamt der Mauer in die Anfänge der 1279 gegründeten Stadt zurückging (Abb. 304). In derartigen Fällen muss man sich allerdings klarmachen, dass man es in aller Regel nicht mit lange gewachsenen, großen Mittelpunkten von Produktion und Handel zu tun hat, sondern mit kleinen Gründungsstädten, die in der Regel aus den Interessen eines adligen Herrn heraus entstanden. Das erklärt in erheblichem Maße das vereinheitlichte, in der Zusammenfassung von Mauer und Wohnhäusern auch sparsame Konzept – und es stellt eine im engeren Sinne „bürgerliche“ Freiheit der Hausbewohner a priori infrage. Es handelte sich hier um Klein- oder Minderstädte (vgl. 1.4.), bei denen sich die Abhängigkeit der Bewohner vom Stadtherrn eben auch im baulichen Konzept der „aus dem Boden gestampften“ Stadtanlage spiegelte. Entsprechend, nämlich als Sparkonzept, lediglich aus viel späterer Zeit, wird man auch jene 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Vorstädte ebenfalls alpiner Handelsmittelpunkte bewerten (Innsbruck, Bozen und andere), deren Befestigung augenscheinlich auch nur aus den lückenlos gereihten Rückfronten der steinernen Häuser bestanden, lediglich mit einem Tor an der Hauptstraße. Damit ist die Darstellung jener Sonderbauten und -bereiche abgeschlossen, die direkt hinter einer Stadtmauer lagen und ihre Erscheinung damit in dieser oder jener Weise beeinflussten. Quasi als Schlusspunkt sei noch ein Einzelfall berührt, der zu keinem Kapitel recht passen würde, aber gerade deshalb die Vielfalt der Möglichkeiten nochmals unterstreicht. In Dinkelsbühl nämlich gibt es die „Bleiche“, eine nie bebaute Wiese in der beachtlichen Größe einer Vorstadt, die allein dem Bleichen der in der Stadt hergestellten Baumwoll- bzw. Barchenttücher in der Sonne diente. Sie wurde wohl um oder nach 1500 durch eine Mauer mit einem Tor, zwei Streichwehren und Wassergraben gesichert, die großenteils erhalten ist.
2.2.11. Bauten im Zeitalter der Feuerwaffen In der Entstehungszeit steinerner Stadtbefestigungen, also vor allem im 12. bis 14. Jahrhundert, hatten die Bauherren und Entwerfer der Anlagen mit Aktionen potenzieller Angreifer zu rechnen, die überwiegend darauf zielten, die Befestigungsanlagen zu überwinden, nicht aber auf ihre Zerstörung. Überraschungsangriffe und Übersteigen der Mauer, nachdem die Verteidiger durch Bogen- oder Armbrustschüsse dezimiert worden waren, waren die üblichen Mittel, die zur Folge hatten, dass die Mauern jener Zeit vor allem daraufhin entworfen wurden, die Annäherung des Gegners zu behindern. Dem dienten die Gräben und ebenso die Türme, die durch ihre Höhe das Schussfeld der Verteidiger vergrößerten. Zwar sind seit dem 13. Jahrhundert – und außerhalb des deutschen Raumes noch früher – auch schon Methoden nachweisbar, die auf die Zerstörung von Mauerwerk zielten, nämlich einerseits Unterminierung und andererseits der Einsatz von Wurfgeschützen, die nach neuerer Erkenntnis schwere Geschosse durchaus zielgenau werfen konnten. Aber solche Methoden brauchten Spezialisten und einigen Kosten- sowie Zeitaufwand, und unter mittelalterlichen Bedingungen konnte 262 I. Systematischer Teil
die Organisation und Finanzierung eines so ausgestatteten Heeres lange Zeit nur wenigen Fürsten gelingen, und das nur recht selten. Das änderte sich mit dem Aufkommen von Feuerwaffen im Spätmittelalter in grundlegender Weise, wobei sich die neue Technologie auch mit verbesserten Formen staatlicher Organisation verband, die gemeinsam das Kriegswesen zu verändern begannen; am prägnantesten belegte dies Volker Schmidtchen. Ein einzelnes Pulvergeschütz – und mehr als das wurde in den Anfängen der Belagerungsartillerie im früheren 15. Jahrhundert selten eingesetzt – erforderte zwar weiterhin Spezialisten für Produktion und Einsatz sowie erheblichen Transportaufwand bis zum Einsatzort, aber seine enorme Zerstörungskraft bot, abgesehen von Anfangsproblemen, sehr bald eine nahezu hundertprozentige Gewähr für die Einnahme des belagerten Platzes. Damit erreichte die Konkurrenz der Territorien eine neue Qualität und eine Entwicklung wurde in Gang gesetzt, in der ständig ansteigender militärisch-technologischer Aufwand einerseits und Konzentration der Macht in Form großer Fürstentümer und Stadtstaaten andererseits Hand in Hand gingen bzw. sich gegenseitig steigerten. Eine entscheidende Stufe dieses Prozesses war der Schritt vom einzelnen Geschütz zur Artillerie, also zu einer größeren Anzahl von Geschützen, die gemeinsam gewartet und koordiniert eingesetzt wurden. Dabei bestand ein weiterer bedeutender Schritt im Prozess der Normung, der es möglich machte, metallene Kugeln in wenigen, aber genau festgelegten Größen in allen Geschützen zu verwenden, die mit eben diesem „Kaliber“ hergestellt worden waren. Diese Entwicklungen fanden im Laufe des 16. Jahrhunderts statt – das Militärwesen und die Zeughäuser Kaiser Maximilians I. (Regierungszeit 1486–1519) spielten dabei im deutschen Raum eine entscheidende Rolle – und führten dann bald zum Aufkommen ganz neuer, „bastionärer“ Befestigungsformen, die aber im hier gesetzten Rahmen der mittelalterlichen Stadtbefestigung nicht mehr zu behandeln sind. In der Phase der frühen Feuerwaffen – von ersten, aus China herzuleitenden Anfängen in den 1320er Jahren bis ins frühe 16. Jahrhundert – war die neue Technologie noch keine allgegenwärtige Gefahr, die im Bewusstsein der Bauherren und
Entwerfer eine selbstverständliche und beherrschende Rolle gespielt hätte. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass es anfangs einzelne spektakuläre Belagerungen waren, die, erfolgreich oder nicht, eine eher unregelmäßige Wirkung auf den Befestigungsbau entfalteten; genannt seien als bekannte Fälle etwa Eltz 1332, Mägdeberg im Hegau 1378, Tannenberg an der Bergstraße 1399, die Marienburg in Westpreußen 1410, Friesack und Plaue in Brandenburg 1413, die Hussitenzüge um 1420 / 30 und die Türkengefahr ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, dann Kufstein 1504, die Burgen des Franz von Sickingen 1522 / 23, Wien 1529 und schließlich die Belagerungen im Schmalkaldischen Krieg 1547. Fraglos bewirkten die Nachrichten von solchen Attacken – je nach Region, feindlicher Bedrohung, technischem Verständnis, verfügbaren Beratern, Finanzmitteln und weiteren ausgesprochen variablen Faktoren – ganz unterschiedliche Reaktionen, auch und insbesondere auf baulicher Ebene. Die Anfänge dieser Reaktionen werden im Folgenden zu analysieren sein. Heute spielen die durch den Einsatz von Artillerie geprägten Bauten im Bestand der Stadtbefestigungen eine Rolle, die ihre wirkliche Bedeutung in der Entwicklung des Bautypus eher noch übertrifft. Die Beschaffenheit dieser Bauteile, das heißt ihre meist beachtlichen Dimensionen und ihr gestalterischer Anspruch, haben dazu geführt, dass die „Überlebenschancen“ von Rondellen und anderen Kanonentürmen, von großen Torzwingern und gefütterten Gräben deutlich besser waren als jene einfacher Mauertürme oder gar turmloser Mauerpartien. Einzig die ebenfalls imposanten Tortürme und Torbauten früherer Phasen wurden in vergleichbarem Maße bis heute verschont und zu wahrzeichenhaften Akzenten moderner Städte uminterpretiert. Als Beispiele solch bekannter Bauten des frühen Artilleriezeitalters seien etwa das Lübecker „Holstentor“, das „Breite Tor“ in Goslar, der Görlitzer „Kaisertrutz“ oder der „Munot“ in Schaffhausen genannt. 2.2.11.1. Traditionelle Mauern im Artilleriezeitalter Dass die Stadtbefestigungen in Reaktion auf das Aufkommen der Feuerwaffen im 15. / 16. Jahrhundert erheblich modernisiert wurden, ist na-
hezu eine Binsenweisheit. Allerdings hat die ältere Forschung in der Regel nur ausgewählte Einzelbauwerke näher dargestellt, die unter technisch-militärischen Aspekten typisch für die neuen Entwicklungen schienen, während sie den unauffälligeren Entwicklungen, die sich zunächst ohne allzu einschneidende Veränderungen des überkommenen Baubestandes vollzogen, kaum Aufmerksamkeit geschenkt hat. Dabei besitzen gerade diese kleineren Veränderungen, die vor allem auch den Anfang des Prozesses markierten, ein hohes entwicklungsgeschichtliches Interesse. Denn der Prozess, der hier erkennbar wird, verdeutlicht in beispielhafter Weise, wie neue Notwendigkeiten auf eine seit Langem konsolidierte Situation wirken: Es findet kein plötzlicher, durch rationale Einsicht ausgelöster Umschwung statt, sondern man erkennt eher ein tastendes, durch Zufälligkeiten der Bewusstwerdung und ökonomische Zwänge bestimmtes, manchmal geradezu unlogisch wirkendes Übernehmen oder auch Zurückweisen von Anregungen. Um dies deutlicher zu machen, werden hier Kapitel an den Anfang gestellt, die gerade nicht nach den spektakulären Neuerungen des Feuerwaffenzeitalters fragen, sondern vielmehr zunächst die ab dem späten 14. Jahrhundert und bis weit ins 16. Jahrhundert neu entstehenden Mauern in ihrer Gänze zu erfassen suchen. Es wird sich dabei zeigen, dass das Typische dieser Epoche eher nicht das Neue war, eher nicht die spezialisierten, aufwendigen Artilleriebauten, sondern vielmehr durchaus traditionelle Mauern und Türme, wie sie ganz ähnlich schon ab dem 13. Jahrhundert entstanden waren. Dass Europa im mittleren 14. Jahrhundert eine tiefe und folgenreiche Krise durchzustehen hatte, ist bekannt. Weite Teile des Kontinents wurden damals vom „Schwarzen Tod“ ergriffen, der die Bevölkerung nach seriöser Schätzung um etwa ein Drittel reduzierte; er erreichte Deutschland 1349. Es ist zwar unbestritten, dass die Wirkungen der Pest regional recht unterschiedlich aussahen, dass zum Beispiel Süddeutschland offenbar weitgehend verschont blieb. Aber ein Geschehen, das bedeutende Handelsstädte wie etwa Florenz auf 20 Prozent ihrer Bewohnerschaft reduzierte und in noch nicht allzu stark erschlossenen, ländlichen Regionen zu umfangreichen Wüstungs2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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prozessen führte, hatte selbstverständlich einen flächendeckenden Einbruch des sozialen und wirtschaftlichen Geschehens zur Folge – auch in Räumen, denen das Massensterben als solches erspart blieb. Und ebenso liegt es auf der Hand, dass dieser Einbruch auf die Errichtung und Unterhaltung von Stadtbefestigungen starke Auswirkungen hatte. Es kann daher kaum verblüffen, dass im 14. Jahrhundert nur noch große Städte vollständige äußere Mauerringe bauen konnten, die ihre herangewachsenen Vorstädte einheitlich umgaben. Und es liegt weiterhin nahe, dass die große Mehrzahl dieser Städte eher im süddeutschen bzw. im Mittelgebirgsraum lag, wo nicht nur Natursteinmaterial zur Verfügung stand, sondern wo auch die Pest weniger stark gewütet hatte. Im südwestdeutsch-fränkischen Raum markierte ein interessanter Fall den Beginn dieser Entwicklungsstufe, nämlich Würzburg, das seine Vorstädte 1322–54 durch eine äußere Mauer zusammenfasste, aber ein Jahrhundert später wieder hinter diese optimistische Maßnahme zurückfiel; denn 1428 / 30 wurde allein die Kernstadt mit einem Zwinger versehen und 1432 / 35 schloss sogar eine Quermauer („Mittelmauer“) eine zuvor befestigte Vorstadt wieder aus. Etwas konsequenter verlief die Entwicklung im nahen Rothenburg, wo ab 1330 / 40 bis zum Ende des Jahrhunderts eine äußere Mauer entstand, vor die man 1376 zunächst die Mauer der Spitalvorstadt schob; ein dritter Mauerring, der Letztere integriert hätte, wurde um 1404 begonnen, blieb aber im Ansatz stecken. Weitere Beispiele aus demselben Raum sind die äußeren Mauern von Frankfurt am Main (ab 1333), Nürnberg (1346– 1407), Basel (1361 / 62–98), Ingolstadt (1363– 1430), Dinkelsbühl (1372–1420), Weißenburg in Mittelfranken (1372–76 begonnen), Schwäbisch Gmünd (1399–1424) und Nördlingen (um 1400?); Worms war um 1500 ein Nachzügler. Die meist mehrere Jahrzehnte erfassenden Quellen zum Bauvorgang belegen ein weiteres Mal den hohen Aufwand solcher Projekte. In Altbayern liegt der Beginn äußerer Mauerringe um die größeren Städte ähnlich früh wie in Franken, jedoch erscheinen hier die Anfänge der Mauerringe von München (um 1315 / 19) und Amberg (1326) als isolierte Vorläufer einer Entwicklung, die sonst erst im späten 14. Jahr264 I. Systematischer Teil
hundert einsetzte, etwa in Landshut, Passau oder Landsberg am Lech, wo sich der Bau bis mindestens um 1420 / 25 hinzog. Dass die Verhältnisse hier, überwiegend auf den Grundmoränen des Alpenvorlandes, wesentlich komplexer waren, kann etwa die Tatsache verdeutlichen, dass die bedeutende Bischofsstadt Freising erst 1381 ihre erste Mauer erhielt – die erste, nicht etwa eine zweite, äußere! Diese Verhältnisse erinnern direkt an den flachen, ebenfalls eiszeitlich geprägten Norden des deutschen Raumes, wo äußere Mauerringe unverkennbar schon deswegen kaum vorkamen, weil dort der Bau (back)steinerner Befestigungen überhaupt erst im späteren 14. Jahrhundert nennenswert in Gang kam; die Errichtung dieser Mauern zog sich, auch wegen der erhöhten Problematik der Materialbeschaffung, häufig so lange hin, dass die Zeit der mittelalterlichen Mauern bereits zu Ende ging, bevor die ohnehin meist begrenzte Wirtschaftsdynamik an eine Erweiterung des Stadtgebietes zu denken erlaubte. Dementsprechend findet man nördlich der Mainlinie deutlich weniger Beispiele solcher äußeren Mauerringe aus dem fortgeschrittenen 14. Jahrhundert und späterer Zeit. Genannt seien etwa Erfurt (um 1410–83) und Bautzen (wohl erst zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts), die aber beide noch im Bereich der Mittelgebirge liegen. Weitere wichtige Städte des Hügellandes, etwa Braunschweig oder Hildesheim, waren insoweit Sonderfälle, als die späten Mauern mehrere zuvor isolierte Stadtkerne zusammenfassten. Nicht zu vergessen ist dabei außerdem, dass die wirklich bedeutenden Handelsstädte des norddeutschen Flachlandes oft schon früh, im (12. oder meist) 13. Jahrhundert eine so erstaunliche Dimension erreichte hatten, dass es einer neuen Mauer im 14. Jahrhundert nicht mehr bedurfte; man denke etwa an Köln, Lübeck, Stendal oder Breslau. Dass im süddeutschen Mittelgebirgsraum nur herausragende Zentren wie die eben angeführten ihre Vorstädte durch einen gemeinsamen Mauerring zusammenfassten, bedeutete natürlich im Umkehrschluss nicht, dass mittlere und kleiner Städte im 13. und 14. Jahrhundert völlig in ihrer Entwicklung stecken blieben. Bei ihnen entstanden vielmehr auch Vorstädte an den Hauptausfallstraßen, die aber entweder unbefestigt blieben oder nur als solche, strahlenförmig
ins Vorland ausgreifend, ummauert wurden. Solche Vorstädte waren so häufig, dass hier kein vollständiger Überblick infrage kommt, zumal es sich nicht im engeren Sinne um eine Entwicklung handelt, die die Befestigungen betraf, sondern um ein Phänomen der Stadtentwicklung im Allgemeinen, dessen Mauern nicht anders aussahen als Erstummauerungen oder äußere Mauerringe derselben Epoche. Als gut erforschte Einzelbeispiele der Entwicklung von Vorstädten seien hier Basel, Rothenburg ob der Tauber und Freiburg im Breisgau genannt. In Basel konnte eine intensive archäologische Forschung zeigen, dass die Befestigung einzelner Vorstädte dem äußeren Mauerring vorangegangen war, der diese dann erst in einer dritten Entwicklungsstufe zusammenfasste (Abb. 204). In Rothenburg ist dagegen die Mauer um die Spitalvorstadt erhalten und verdeutlicht noch gut das Missverhältnis zwischen der Mauerlänge und der geringen Anzahl geschützter Grundstücke; auch der populäre Name „Kappenzipfel“ deutet an, dass die Vorstadt als skurriles Anhängsel empfunden wurde. Ein dritter Mauerring, in dem die Spitalvorstadt aufgegangen wäre, wurde in Rothenburg zwar konzipiert, blieb aber aus politischen und wirtschaftlichen Gründen unvollendet. Freiburg schließlich, wo von den Vorstadtmauern fast nichts erhalten ist, zeigt, wie lange deren Entwicklung oft brauchte. Die „Prediger-“ und die „Lehener Vorstadt“ wurden teils schon im 13. Jahrhundert durch Tore abgeschlossen, wobei ein Graben erst 1423 erwähnt wird und Mauern schließlich erst 1494–1583 entstanden – und dabei handelt es sich um eine durchaus wichtige Stadt, die vom 13. bis zum 15. Jahrhundert insgesamt sogar vier(!) Erweiterungen erlebte. Die bisher angesprochenen Mauern waren Folge des Wachstums größerer Städte, die schon früher ummauert gewesen waren. Nicht weniger typisch für die Epoche des späten 14. und des 15. Jahrhunderts waren jedoch Erstummauerungen zahlreicher kleiner Städte (die in der Regel auch ihre einzigen blieben). Diese Kleinstadtmauern prägen aufgrund ihrer hohen Anzahl – und relativ häufigen Erhaltung, die ebenfalls Folge geringer Entwicklungsdynamik ist – das Bild der deutschen Stadtbefestigungen vor allem des 15. / 16. Jahrhunderts im Grunde stärker als die
Abb. 204 Basel, der unregelmäßige Verlauf der äußeren Mauer (1361–1384 / 85) ergab sich daraus, dass zuvor bereits Vorstädte und andere Areale bestanden hatten (1–15), die nach archäologischen Ergebnissen teilweise separat befestigt gewesen waren. (G. Helmig in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, 1996).
vergleichsweise eher seltenen Artilleriebauten; zur Verdeutlichung seien, ohne nähere Analyse, nochmals gut erhaltene und datierte Beispiele aus dem gesamten deutschen Raum genannt. Im Tiroler Raum ist das 1499–1521 neu befestigte Glurns hervorzuheben (Abb. 298), dem man in der Schweiz Zug (1477 / 78 bis etwa 1522; Abb. 205) oder auch Brugg / Aare mit Rundtürmen von 1522–25 an die Seite stellen kann; in allen drei Fällen wurden ursprünglich winzige Einstraßenstädte erweitert. In den Natursteingebieten der österreichischen Donauländer – die flachen Teile des Landes und Altbayern gehören aus den schon erörterten Gründen nicht hierher – sind etwa Haslach (nach 1427), Scheibbs (vor 1430) oder Melk (vor 1462) zu erwähnen. In der Oberpfalz ist Berching (um 1464–96, Vorstadt frühes 16. Jahrhundert) ein interessanter Fall, aber den wohl reichsten Bestand bietet auch hier wieder Franken. Als neue Mauern der Zeit vor und um 1400 können Greding, Rothenberg oder Lichtenfels genannt werden, wobei die neuen Mauern in den raueren Regionen des Juras und Fichtelgebirges auch bis weit ins 15. Jahrhundert oder sogar ins 16. Jahrhundert hinein2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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reichten; genannt sei Beilngries (1487–1524). Erst recht gilt das für die zahlreichen Städtchen und Weindörfer Unterfrankens, die ab dem späten 15. Jahrhundert und letztlich – in der Zeit Julius Echters von Mespelbrunn – bis ins frühe 17. Jahrhundert in immer noch mittelalterlichen Formen ummauert wurden, in der Regel mit Rundtürmen und niedrigen Torbauten (Abb. 386); auch Zäune und Fachwerktore hielten sich hier lange. Als Sonderfälle seien Ornbau (ab 1464 ummauert, um 1477 / 87 festungsartig verstärkt) sowie die Spätlinge Ellingen und Künzelsau genannt; im ersten Fall entstand die Mauer erst um 1590–1660, im zweiten sogar erst 1767–86, wobei Tore aber schon im 16. Jahrhundert bestanden. Weiter westlich, schon im Alemannischen, kann man die Neuummauerungen von Höchstädt (um 1523) und jene von Weißenhorn (1470 / 80 bis nach 1504) anschließen. Auch entlang der Rheinschiene sind Kleinstadtmauern des späten 14.–16. Jahrhunderts kein seltenes Phänomen gewesen. Im Elsass wären etwa Westhofen (1392) oder Pfaffenhoffen (1513–1613) zu nennen, in der anschließenden
Abb. 205 Zug (Schweiz), der Plan zeigt die Erweiterungen der Stadt: Auf die erste Mauer (vor 1255; 12. Jahrhundert?) folgte der ungewöhnliche Ausbau ihrer Contrescarpe zur Zwingermauer (nach 1435?), schließlich die Erweiterung mit ihren Rondellen (1477 / 78 bis um 1530) (R. Rothkegel in: Stadt- u. Landmauern, Bd. 2).
266 I. Systematischer Teil
Pfalz Dalsheim und Freinsheim (beide um / nach 1400; Abb. 206); auf der anderen Rheinseite, im Schwarzwald, dürfte Zell am Harmersbach seine Mauer erst um 1462–98 erhalten haben. In Lothringen wäre Rodemachern zu erwähnen, das um 1483 die Mauer nicht überragende Rundtürme – und einen mandelförmigen Turm – mit Maulscharten erhielt. Im niederrheinischen Gebiet entstanden um 1400 noch viele Kleinstadtmauern aus Backstein, die in der Regel nur wenige Rundtürme besaßen; ein spätes Beispiel war Hattingen, das seine Mauer – nach der Erlaubnis für Wall und Graben 1369 – erst im 16. Jahrhundert erhielt. Noch später liegen Gemünden, dessen 1689 zerstörte Mauer von der Gemeinde nochmals erneuert wurde, und Blankenheim, wo man 1723 eine äußere Mauer begann. In Hessen sind die meisten Kleinstadtmauern mit ihren charakteristischen Rundtürmen und -schalen ohnehin erst spät entstanden. Typische Beispiele der beginnenden Feuerwaffenzeit sind etwa Hochstadt, wo im Laufe des 15. Jahrhunderts sukzessive Schlitzscharten in Stehhöhe bei Wehrgangverzicht, später nur noch mauerhohe Schalen und Maulscharten auftreten, oder aber Dillenburg, dessen 1588–1618 entstandene schlichte Mauer mit einigen kleinen Rondellen auskommt. Ähnliche, noch ganz mittelalterlich wirkende Mauern des 15. bis frühen 17. Jahrhunderts bietet das nahe Thüringen, in der Regel ebenfalls mit kleinen Rondellen oder Schalen, so etwa noch in Themar (Abb. 218) oder Heldburg; Salzhausen begann eine Mauer um seine Solequelle erst 1668 / 69, Rastenberg die Ortsbefestigung 1711. Erwähnenswert sind auch einige Kleinstädte im Thüringer Becken mit Mauern des 16. Jahrhunderts, etwa Greußen mit 22 nur mauerhohen „Türmen“ verschiedener Form. Aussagekräftig ist ferner Zerbst, wo man um 1396–1486 die gefährdete Feldsteinmauer des 13. Jahrhunderts in Backstein erneuerte und dabei Wiekhäuser und einige Rundtürme ergänzte, die zuvor schalenförmigen Tore innen schloss und erhöhte. Das benachbarte Sachsen bietet das Problem, dass dort allgemein wenig erhalten ist; jedoch kann es, etwa nach frühen Abbildungen, kaum Zweifel geben, dass auch dort vom späten 14. Jahrhundert bis ins frühe 16. Jahrhundert intensiv gebaut wurde; erinnert sei bezüglich des Endes dieser Phase nur an die „Bergstädte“ des Erzgebirges:
Annaberg erhielt 1503–40 eine niedrige Mauer mit Wehrgang, Rondellen und Rundschalen, Marienberg 1541–56 eine vergleichbare Mauer mit kräftigen Torbauten, die aber nur noch an den Ecken Rondelle besaß (Abb. 207). Brandenburg schließlich, das mit seinem erst im 14. Jahrhundert stärker einsetzenden Mauerbau hier als Vertreter der ganzen Backsteinregion stehen darf, erlebte im 15. Jahrhundert einfach nur die letzten Ausläufer dieses vergleichsweise geschlossenen Ablaufes, etwa mit den Mauern von Drossen (nach 1477) oder Lübben (ab 1487). Diese auf charakteristische Fälle beschränkte Aufzählung von Mauern, die zwischen dem späten 14. Jahrhundert und dem 17. oder gar 18. Jahrhundert entstanden, sollte zunächst verdeutlichen, dass das Aufkommen der Feuerwaffen auf eine nach wie vor blühende Kultur des Stadtmauerbaues traf. Sie sollte aber auch veranschaulichen, dass die neue Waffentechnik keineswegs etwa eine schnelle und flächendeckende Wandlung der Befestigungsformen auslöste. Vielmehr blieben die vor den Feuerwaffen im 13. und früheren 14. Jahrhundert entwickelten Bauformen noch lange üblich, obwohl sie ihre Aufgabe immer weniger erfüllen konnten. Denn die grundsätzlichen Bestandteile all dieser äußeren Mauerringe, Vorstadt- und Kleinstadtmauern blieben die altbekannten: Mauern, Türme und Graben, oft auch Zwinger (weswegen sie in den Abschnitten 2.2.3.–2.2.9. oft schon mitbehandelt wurden). 2.2.11.2. Anfügung von Türmen und Erhöhung der Mauer Geht man von älteren Darstellungen des Befestigungswesens aus, so wirkt es ausgesprochen überraschend, dass manchen bestehenden Mauern in der Zeit der aufkommenden Artillerie überhaupt erst Türme hinzugefügt und dass sie erhöht und mit neuen Wehrgängen versehen wurden. Denn um 1900 und noch weitaus länger war es üblich, als beispielhafte Zeugnisse dieser Epoche nur die fortschrittlichsten und eindrucksvollsten Artilleriebauten vorzustellen, für die ganz im Gegenteil geringe Höhe, Dickwandigkeit und Aufstellungsplätze für Geschütze immer charakteristischer wurden. Wie jedoch schon im vorigen Kapitel klar geworden sein sollte, verfehlt die Auswahl solcher besonders progressiven Einzelbauten
Abb. 206 Dalsheim (Rheinland-Pfalz), der Rundturm neben dem zerstörten „Obertor“ und die Wehrgangbögen der hohen Bruchsteinmauer (um 1470–90) gehören zu einer der besterhaltenen, wenn auch stark verbauten Mauern in der Pfalz , obwohl Dalsheim nie Stadtrechte erhalten hat. Abb. 207 Marienberg (Sachsen), die Darstellung des 17. Jahrhunderts lässt die noch ganz „mittelalterliche“ Befestigung der 1521 gegründeten Stadt erkennen: Mauer mit Wehrgangbögen, Torbauten und kleine Eckrondelle (Bergkarte von Adam Schneider, 1689, Ausschnitt; Stadtarchiv Marienberg).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
267
die Realität des späten 14. und 15. Jahrhunderts, die in Wahrheit noch sehr weitgehend durch die Fortführung traditioneller Befestigungsformen geprägt war. Dementsprechend waren auch die Anfügung von Türmen, die Erhöhung der Mauern und die Neugestaltung ihrer Wehrgänge durchaus zeittypisch. Denn dort, wo sich finanziell potentere Städte oder Landesherren einen ganz neuen, äußeren Mauerring, ausgedehnte Vorstadtmauern oder die Erstummauerung einer kleineren Stadt leisten konnten, da reichten die Mittel anderer Gemeinwesen gerade einmal dafür aus, jenen mittelalterlichen „Standard“ zu vervollständigen, der ihnen bisher gefehlt hatte; wirklich progressive Artilleriebauten lagen weit außerhalb ihrer Möglichkeiten. Insbesondere im süddeutschen Raum – in der Schweiz, in Baden, in Bayerisch Schwaben und im österreichischen Raum – hatten viele Mauern kleinerer Städte anfangs gar keine oder nur sehr wenige Türme gehabt (vgl. 2.2.4.3.); sie wurden erst ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nach und nach hinzugefügt. Dass in dieser Spätphase auch zahlreiche Tortürme neu entstanden, ist ein Phänomen, das weit über den süddeutschen Raum hinausreichte und schon behandelt worden ist (vgl. 2.2.5.). In aller Regel wissen wir in solchen Fällen nicht, was zum Neubau des Torturmes geführt hat, jedoch liegt die Deutung am nächsten, dass die zuvor bestehenden Tore von sehr viel bescheidener Art waren, also niedrige Torbauten oder gar Mauertore (vgl. 2.2.6.1–2.2.6.2). Beispiele würden wegen der großen Anzahl der Fälle und der grundsätzlichen Unklarheit über die Vorgängerbauten nicht weiterführen, aber ein Blick etwa auf das „Breite Tor“ in Goslar kann im Prinzip verdeutlichen, was häufig abgelaufen sein dürfte (Abb. 171). Das ursprüngliche Tor wurde zusammen mit anderen Toren in den Jahren ab 1397 abgerissen und entstand dann 1443 völlig neu. Bei diesem Neubau sind die beiden kräftigen, auf den Außenwall vorgeschobenen Rondelle des Torzwingers als Anpassung an die Feuerwaffen erklärbar, kaum aber der formal ganz traditionelle, niedrige Torturm im Verlauf der Hauptmauer. Sein Bau war eher darin begründet, dass die älteren Tore aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts einem völlig überholten Typus angehörten, indem sie offensichtlich Torbauten mit Kapellen im einzigen 268 I. Systematischer Teil
Obergeschoss waren. Die Goslarer Tortürme der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stellten also wohl eine recht späte Anpassung an einen Standard dar, der bei vielen, insbesondere aber den großen und vorbildhaften Stadtmauern schon im 13. / 14. Jahrhundert entwickelt worden war. Und eben diese nachholende Verwirklichung eines bestehenden Standards würde ich ganz allgemein für die Erklärung jener zahlreichen Tortürme halten, die zwischen dem späten 14. und dem 16. / 17. Jahrhundert in Deutschland entstanden (vgl. 2.2.5., 2.2.5.10.). In eine durchaus ähnliche Richtung dachte auch Heinrich Trost, der die meist erst um 1400 entstandenen, besonders schmuckreichen Tore im brandenburgischen Backsteingebiet in dem Sinne deutete, die meist kleinen Städte hätten so versucht, die älteren und stärkeren Mauern der größeren Städte wenigstens durch besonderen formalen Reichtum zu übertreffen; dem würde ich nur hinzufügen wollen, dass der auffällig späte Zeitpunkt dieses Versuchs sicher auch mit der verlangsamten wirtschaftlichen Entwicklung gerade kleiner Ackerbürgerstädtchen in der unfruchtbaren „Streusandbüchse“ zu tun hatte. In größerer Anzahl Beispiele für Mauertürme darzustellen, die vor allem im süddeutschen Raum erst nachträglich turmarmen Mauern angefügt wurden, wäre ebenso wenig sinnvoll wie bereits bei den späten Tortürmen. Die Türme als solche zeigen keine Merkmale, die sie von den anderen Türmen der Epoche unterscheiden, was auch bedeutet, dass viel mehr von ihnen nachträglich hinzugefügt sein können, als wir bisher wissen; denn man benötigt besonders günstige Umstände oder konsequente Bauforschung, um die betreffenden Umbaubefunde zu erkennen; die Regionalkapitel 1. bis 9. nennen zahlreiche derzeit erkennbare Einzelfälle. Zwei besonders anschauliche, weil weitgehend erhaltene und gut untersuchte Beispiele seien aber auch hier nochmals angesprochen, nämlich Nördlingen und Schwäbisch Gmünd. Die äußere Mauer von Nördlingen – die innere stammte wohl noch aus der Stauferzeit – wurde 1327 begonnen und etwa 1390 vollendet, wobei Quellen und Baubefund ergeben, dass es anfangs zwar wohl fünf Tortürme gab – sie wurden später alle erneuert –, aber keinen einzigen Mauerturm. Ab 1395 dann, also eigentlich in einer
zweiten Ausführungsphase, wurden dann einige wenige Türme angebaut, aber die Mehrzahl der heute vorzufindenden Türme, Rondelle und anderen Werke entstanden erst im 16. Jahrhundert durch Anbau oder Umbau der wenigen älteren Türme. In Schwäbisch Gmünd, gleichfalls mit noch stauferzeitlicher oder wenig jüngerer Innenmauer, zeigen die Quellen im Vergleich mit den Dendrodaten, dass man die äußere Mauer als solche in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtete, die Türme aber erst nach 1500 nach und nach anfügte. Der nachträgliche Anbau von Türmen war ein Vorgang, der im Baubestand erhaltener Stadtmauern sehr schwer zu erkennen ist, weil durch ihn kein neues, ungewöhnliches Bild entstand, sondern vielmehr eines, das anderswo längst vorhanden war – der Vorgang schuf keine Abweichung vom Standard, sondern vielmehr eine Anpassung. Noch unauffälliger war eine andere Veränderung der Stadtmauern im Zeitalter der Feuerwaffen, die jedoch schon wesentlich direkter auf die Verwendung der neuen Waffen reagierte: die Anpassung der Wehrgänge. Fast alle Mauern, die zumindest ihre Brustwehren bewahrt haben, zeigen heute keine Zinnen mehr, sondern an ihrer Stelle Scharten für Handfeuerwaffen, die in der Regel einfach als Verkleinerung in die Zinnenlücken eingebaut worden sind (Abb. 208, 32). Zinnen als die mindestens vom 11. bis zum 14. Jahrhundert normale Form der Brustwehr wurden so zu einem seltenen Phänomen; man findet sie heute nur noch auf Mauern von Kleinstädten, denen das Geld zur Modernisierung fehlte, oder vermauert in späteren Erhöhungen oder, was letztlich der häufigste Fall sein dürfte, als Restaurierungszustand des 19. / 20. Jahrhunderts. Die Verwendung von Feuerwaffen war es auch – nach einer häufig anzutreffenden Meinung –, die dazu führte, dass die Wehrgänge überdacht wurden. Die Behauptung als solche ist in technischen Überlegungen begründet, denn frühe Feuerwaffen waren ausgesprochen feuchtigkeitsempfindlich; nasses Pulver zündete nicht mehr und so konnte schon Nieselregen die Verteidigung zum Erliegen bringen. Schwer fällt allerdings der Nachweis, dass es vor der Verbreitung der Feuerwaffen noch keine überdachten Wehrgänge gegeben habe (vgl. 2.2.3.4.), und so
Abb. 208 Der Einbau von Feuerwaffenscharten in die Zinnenlücken fand in Spätmittelalter und früher Neuzeit fast flächendeckend statt, ist aber, da die Brustwehren selten erhalten sind, nur noch selten zu sehen, wie hier in Amberg (Oberpfalz).
bleibt es insoweit bei einer vernünftigen, aber kaum beweisbaren Vermutung. Eine dritte bauliche Veränderung, die mittelalterliche Mauern den gestiegenen Anforderungen der frühen Feuerwaffen anpassen sollte, war vermutlich die Erhöhung der Mauern. Eine genaue Betrachtung der Befunde zeigt aber auch hier wieder, wie schwierig das Thema in der Praxis ist. Denn viele Mauererhöhungen sind wirklich zuverlässig nur durch aufwendige Bauforschung zu erkennen und es braucht zusätzlich sehr günstige Umstände, um den Zeitpunkt solcher Erhöhungen zu bestimmen. Zwar trifft man verschiedentlich auf Fälle, in denen eine oder mehrere Erhöhungen mit bloßem Auge erkennbar (oder quellenmäßig zu belegen) sind, aber es wäre fahrlässig, diese relativ wenigen Fälle für repräsentativ zu halten (Abb. 37, 409). Deutlich sichtbar sind derartige Veränderungen nämlich vor allem dann, wenn die Zinnen der ursprünglichen Mauer in der Erhöhung erhalten blieben, was dem erfahrenen Betrachter oft direkt erkennbar ist. Es gibt aber auch Fälle, vor allem bei Bruchsteinwerk, bei denen selbst erhaltene Zinnen kaum zu unterscheiden sind, und erst recht dürfte es zahllose Mauern geben, die nach Abbruch der Zinnen erhöht wurden; in diesem Falle zeugt nur eine horizontale Baufuge von der Erhöhung und solche Fugen sind oft nahezu unsichtbar. Die wahre Anzahl nachträglich erhöhter Mauern ist uns daher mit 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Sicherheit unbekannt und wird es – bei der eher langsamen Verbreitung der Bauforschung, ganz abgesehen vom oft schlechten Erhaltungszustand vieler Mauern – mit Sicherheit auch weitgehend bleiben; und erst recht gilt das für die Datierung der Erhöhungen. Einige Beispiele für späte Erhöhungen im 15. und 16. Jahrhundert können immerhin belegen, dass dieses Mittel oft eine Reaktion auf die Verbreitung vor allem der Feuerwaffen war; offenbar sah man die Gefahr, dass Kanonenkugeln über die zu niedrige Mauer hinweg die Bebauung dahinter zerstören könnten. So findet man etwa in der Schweiz, deren Mauern besonders gut erforscht sind, Beispiele wie Murten, wo die Mauer nicht weniger als dreimal(!) erhöht wurde (Abb. 209), oder das einmal erhöhte Solothurn; im eher abgelegenen Chur ist eine Erhöhung noch 1542 belegbar. Aus anderen Regionen sei das ebenfalls gut erforschte Duisburg genannt, wo die vom 12. bis zum 14. Jahrhundert besteAbb. 209 Murten (Schweiz), die südliche Stadtmauer lässt vier Phasen erkennen, die alle zwischen 1238 und 1416 zu datieren sind (H. Schöpfer in: Mittelalter, 4, 1992 / 2).
hende Mauer um 1500 erhöhte wurde, oder eine Kleinstadt wie das thüringische Stadtilm, wo die um 1300 entstandene Mauer nur 3 m hoch war, jedoch im 15. Jahrhundert nahezu 8 m erreichte. Ein Sonderfall soll hier den Abschluss bilden, nämlich die brandenburgischen „Wiekhausmauern“, die bekanntlich keine Wehrgänge besaßen, sondern die Schützen in dicht gereihten Schalentürmen, eben den „Wiekhäusern“, konzentrierten (vgl. 26. Brandenburg im topographische Teil, Bd. II). Obwohl letzte Mauern dieser Art offenbar noch im späten 15. Jahrhundert entstanden (Drossen, nach 1477; Lübben ab 1487), gibt es hier gleichzeitig vereinzelte Fälle, bei denen die Mauer nachträglich doch einen Wehrgang erhielt, so etwa – teils nur in bestimmten Abschnitten der Mauer – in Wittstock, Beeskow und vielleicht in Cottbus nach 1434; in Brandenburg / Neustadt wurden Wehrgangbögen ergraben, die in dieselbe Richtung weisen. Offenbar wurde die schnelle Bewegung der Verteidiger auf der Mauer auch in dieser Region mit ihrer ausgeprägten Sondertradition als wichtig erkannt, wenn auch spät und selten; die Nässeempfindlichkeit der Feuerwaffen wird hier mitgespielt haben, denn ohne Wehrgang hätten diese bei jeder Verlagerung der Verteidigung über die Mauergasse getragen werden müssen – und damit eventuell durch Regen. 2.2.11.3. Entwicklung der Schießscharten Schießscharten gehören zu jenen Elementen mittelalterlicher Burgen und Befestigungen, die keineswegs nur Laien für eine früher allgemein verbreitete Selbstverständlichkeit halten. Etwas genauere Betrachtung – von flächendeckender Erfassung kann bisher nicht die Rede sein – zeigt jedoch wie so oft, dass eine derartige Pauschalannahme der Differenzierung bedarf. Sie geht hier in die Richtung, dass Schießscharten nur in bestimmten Epochen wirklich eine zentrale Rolle spielten, während sie in anderen entweder fehlten oder eher als Beiwerk von beschränkter Verbreitung und Bedeutung erscheinen. Aus der Anordnung des Themas im Kapitel über das Zeitalter der Feuerwaffen ergibt sich bereits, dass ich das 15. / 16. Jahrhundert für die wichtigste Epoche in der Entwicklung der mittelalterlichen Schießscharten halte, während mir ihre Bedeutung zuvor recht begrenzt scheint.
270 I. Systematischer Teil
Abb. 210 Neuleiningen, Schlitzscharten (und Aborterker) des mittleren oder späteren 13. Jahrhunderts an der Westseite der Stadtmauer (L. Müller).
Im deutschen Burgenbau sind Schießscharten erst ab etwa 1240 aufgekommen; die beste Zusammenfassung zum Thema bieten bisher die Untersuchungen von Stefan Ulrich über Neuleiningen (Pfalz), wo 1238–41 ff. eine eindeutig französisch beeinflusste Burg in Kastellformen und im Anschluss daran die Stadtmauer entstanden; beide Teile des Ensembles zeigen feldseitig runde Türme und hohe Schlitzscharten (Abb. 210, 410). Nicht nur Neuleiningen, sondern auch zahlreiche weitere Bauten – Burgen und Stadtmauern – am Westrand des deutschen Sprachraumes, am Rhein entlang, belegen recht eindeutig, dass die langen Schlitzscharten als früheste im mittelalterlichen Deutschland belegbare Schartenform aus Frankreich kamen; dort war sie kurz zuvor, in der Regierungszeit des Königs Philippe II. Auguste (1180–1224), aufgekommen, als im Kampf mit dem Königreich England neue Burgformen entstanden. Die Scharten waren bei dieser fortification philipienne überwiegend – wie in Neuleiningen – in vorspringenden Rundtürmen angeordnet, die man durchaus nachvollziehbar Schießscharten im 13. Jahrhundert als Neubelebung von Formen versteht, die den Baumeistern in Form spätrömischer Stadtmauern noch vor
Augen standen. Die gelegentlich aufgeworfene Frage, ob das Aufkommen der Scharten mit einer zunehmenden Verwendung der Armbrust in Verbindung stand, scheint mir dabei aber nicht beantwortbar. Es ist mangels Forschung bisher nicht sicher auszuschließen, dass Schießscharten an Stadtmauern auch schon vor 1240 vorkamen; schließlich liegt mit der Burg in Lahr (Baden, Dendrodatum 1218) auch ein bisher isoliertes, besonders frühes Beispiel aus dem Burgenbau vor. Im Lahr benachbarten Straßburg besitzen die vier erhaltenen großen Backsteintürme der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbauten Mauer schon recht sophistisch radial auf das Vorfeld ausgerichtete Scharten ohne Nischen (Abb. 64, 317); leider aber lässt sich die Entstehungszeit der Türme nicht näher eingrenzen. Auch Köln als Bischofs- und vor allem Handelsstadt ähnlichen Niveaus wurde um 1210–50 ummauert und erhielt dabei vom Boden her bedienbare Scharten in den Kurtinen (Abb. 41), was im Rheinland Schule machte, etwa in Oberwesel in den 1240er Jahren (Abb. 398), in andere Regionen aber noch nicht übergriff. Auch in Köln bleibt freilich offen, ab wann solche Scharten genau aufkamen. Nur zum Vergleich sei erwähnt, 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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dass die „porta torre“ im lombardischen Como, der 1192 erbaute Torturm am Stadtausgang nach Mailand, auch bereits Schlitzscharten aufweist. Die Herkunft der frühen Schlitzscharten aus Frankreich spiegelt sich auch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts noch in ihrer Konzentration am Westrand des deutschen Sprachgebiets, am Rhein entlang. Dabei blieben sie an den Stadtmauern des Hoch- und Oberrheins eher selten, obwohl die elsässischen Burgen der Epoche sie in großer Anzahl aufwiesen; zu nennen wären Kaiserstuhl (1260), Kaysersberg (um / nach 1265–68), beide nach Dendrodatum, und das 1312 als oppidum bezeichnete, wohl knapp zuvor ummauerte Buchsweiler. Das nahe lothringische Saarburg / Sarrebourg (Stadtrecht 1226) zeigt Rundtürme, die mit ihren Schrägsockeln und den Schlitzscharten mit halbrundem („steigbügelförmigem“) Fuß noch ganz Abb. 211 Saarburg (Lothringen), der Rundturm mit der flankierend angeordneten hohen Schlitzscharte (recht im Winkel zur Mauer) ist ein Beispiel der fortification philipienne, die im 13. Jahrhundert bis in den Westen des deutschen Sprachraumes wirkte (vgl. Abb. 69).
272 I. Systematischer Teil
und gar französisch sind und eindrucksvoll verdeutlichen, wie kurz der Sprung zum Oberrhein war (Abb. 211). Wesentlich verbreiteter waren die frühen Schlitzscharten aber offenbar im weiteren Raum um Köln und auch im kölnisch beherrschten Westfalen. Auch hier sind nicht alle vorgeschlagenen Datierungen hieb- und stichfest, aber das Bild einer stärkeren Verbreitung ab etwa 1240 wird im Prinzip bestätigt; ob ein schartenverstärkter Torbau in Rüthen (Westfalen) wirklich schon um 1225 entstand, sei dahingestellt. Überzeugend ist dagegen die Mauer des weit westlich liegenden Echternach (vor 1239), die Schlitzscharten mit Dreiecksfuß aufweist; Ähnliches zeigt das gegen die Jahrhundertmitte ausgebaute(?) Doppelturmtor der Luxemburger „Altpforte“. Im nahen Welschbillig, wo die Mauer nach der Stadterhebung 1291 entstand, die Burg wohl schon früher, zeigen einzelne Scharten der wiederum sehr „französischen“ Türme sogar kleine Spitzbogenblenden als Abschluss. Die Mauer von Bonn entstand, in enger Anlehnung an Köln, zwischen 1244 und 1291; ihre Scharten zeigten oft den hufeisenförmigen Fuß, der in Köln noch Ausnahme gewesen war. Weitere rheinische Beispiele bieten etwa Virneburg (Mitte des 13. Jahrhunderts?), Ahrweiler (um 1259, mit wieder französischen bzw. kölnischen Doppelturmtoren und Rundschalen; Abb. 400), ab 1300 dann an Toren verschiedener Form in Zülpich (ab 1291) und Aachen, wo besonders das „Marschiertor“ auffällig schartenreich ist (Abb. 150), schließlich ähnlich auch in Jülich und Nideggen sowie an der wieder sehr französischen Rundturmmauer von Recklinghausen, dort an Mauern und Kurtinen. In Westfalen ist besonders Soest zu erwähnen, dessen ältere Mauer wohl um 1250 nach Kölner Vorbild durch halbrunde Türme mit Scharten ergänzt wurde. Als seltene Sonderform, die vielleicht eher englische als französische Vorbilder hatte, gab es auch kreuzförmige Scharten mit kurzem Querschlitz; man findet sie mindestens am „Katharinentor“ (um / nach 1245 / 47) in Blankenberg / Sieg und zur gleichen Zeit bereits in beachtlicher Anzahl in Münstereifel (Abb. 423). Weiter östlich waren Scharten vor / um 1300 noch ausgesprochen selten. Aufgefallen sind mir ein Turm der wohl noch vor 1300 ummauerten
Tübinger Neustadt, der eine hohe Schlitzscharte mit dreieckigem Fuß aufweist (vor 1300), sowie mehrere Türme der äußeren Mauer von Regensburg (1284–1320), deren Scharten einen halbrunden Fuß besitzen; interessant ist hier, dass die Form in den jüngeren Teilen der Mauer von Amberg noch nach 1400 übernommen wurde. Schließlich sei ganz im Osten Templin erwähnt, dessen von Lübeck abhängige Rundschalen jeweils eine Scharte im Erdgeschoss, drei im Obergeschoss besitzen (Abb. 491); auch diese Mauer entstand wohl noch vor 1300. Auch im 14. Jahrhundert und bis ins 15. Jahrhundert hinein blieben Schlitzscharten eine verbreitete Erscheinung an deutschen Stadtmauern, aber sowohl in ihrer Form als auch in der Art, wie sie in der Schießscharten im 14. Jahrhundert Mauer angeordnet wurden, gewinnt man den Eindruck einer Entwicklung, die als Stagnation, wenn nicht geradezu als Rückschritt zu bezeichnen ist. Denn in den französisch beeinflussten Mauern des 13. Jahrhunderts waren die Scharten meist in vorspringenden Rundtürmen angeordnet, und zwar so, dass sie „flankierend“ wirken konnten, mit dem Schuss parallel zur anschließenden Mauer; so konnte ein einzelner Schütze aus guter Deckung jeden Angreifer treffen, der sich der Mauer näherte – das Prinzip der Flankierung, das seine Perfektionierung dann ab dem 16. Jahrhundert erlebte, im Zeitalter der Bastionen, als man auch die Grundrissform der vorspringenden Bauteile konsequent an die Schusslinien anpasste. Trotz der hohen Wirksamkeit dieser flankierenden Schartenanordnung wurde sie im 14. Jahrhundert aber nicht mehr konsequent, sondern nur noch von Fall zu Fall angewandt, zudem nur noch selten in runden Türmen – die Wirksamkeit der Scharten wurde also nicht mehr konsequent optimiert. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass auch eine zweite Schartenreihe unterhalb des Wehrganges bzw. der Zinnen – was es in Köln und, von dort beeinflusst, an anderen rheinischen Mauern gegeben hatte – keine Verbreitung fand. Auch solche tiefer liegenden Scharten sind besonders effektiv, weil der Schuss jeden Angreifer unabhängig von seiner Entfernung trifft – anders als ein nur punktuell wirksamer Schuss von oben.
Angesichts solcher Missachtung höherer Effek tivität, die man im 13. Jahrhundert ja durchaus angestrebt hatte, wird man wohl schließen müssen, dass im 14. Jahrhundert die Möglichkeiten sowohl der Verteidiger als auch der Angreifer generell nicht allzu hoch eingeschätzt wurden. Eine zweite, untere Schartenreihe hätte weit mehr Verteidiger benötigt – über die man offenbar nicht verfügte –, und flankierende Scharten hätten nur gegen einen Gegner gewirkt, der den Graben bereits in großer Anzahl überwunden hatte, was man ihm wohl nicht zutraute. Ganz offensichtlich rechnete man in dieser Entwicklungsphase nicht mit einem zahlreichen, gut ausgerüsteten und entschlossenen Angreifer, oder man hielt ihn zumindest für etwas so Seltenes und Unwahrscheinliches, dass der Aufwand für komplexere bauliche Anlagen und eine größere Anzahl von Verteidigern nicht lohnte; die Sparsamkeit der meist ja nur kleinen Städte war, so muss man vermuten, in der Regel ausgeprägter als die Furcht vor einem wirklich entschlossenen Gegner. Auch bei der Form der Scharten ist im 14. Jahrhundert eine Vereinfachung zu beobachten. Die besonders lange und mit einem vergrößerten – meist dreieckigen oder halbkreisförmigen – Fuß versehene Schlitzscharte bzw. Senkscharte, die im 13. Jahrhundert üblich war und deren Sinn vor allem darin bestand, auch den Schuss steil nach unten zu ermöglichen bzw. das Schussfeld zu verbreitern, wurde durch eine kürzere, rechteckige Schlitzform ersetzt, die man, wenn Stelle und Art ihrer Anbringung nicht im Einzelfall Klarheit schüfen, auch für einen Lichtschlitz halten könnte. Die Einfachheit dieser Form ermöglichte es vor allem in den Bruchsteingebieten, die Scharten ohne Werksteingewände in reiner Maurerarbeit herzustellen. An den Mauern und auch Burgen im rheinischen Schiefergebiet, wo die Scharten noch im ganzen 14. Jahrhundert oft länger waren, findet man dafür zahlreiche Beispiele; die Tortürme in Linz (spätes 14. Jahrhundert) mit Scharten, die unten eine rechteckige Erweiterung besitzen, sind hier Ausnahmen (Abb. 403). Man findet die Scharten im 14. / frühen 15. Jahrhundert in der Regel an zwei Stellen der Befestigung: auf den Wehrgängen, gegebenenfalls auch der Zwingermauern, und in den Türmen. Wie verbreitet sie auf den Wehrgängen waren, ist wegen der extremen Substanzverluste dieser Bau2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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teile nicht mehr festzustellen. Die normale Ausstattung des Wehrganges blieben bis ins Zeitalter der Feuerwaffen hinein offensichtlich die Zinnen, also Öffnungen, aus denen der Verteidiger sich hinausbeugen konnte. In den eigentlichen Zinnen hat es zumindest gelegentlich Schlitzscharten gegeben, die oft auch als Spähschlitze bezeichnet werden, aber es ist heute eben nicht mehr zu klären, ob das ein seltener, ein häufiger oder gar der Normalfall war; ein frühes Beispiel dürfte die noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene Mauer im österreichischen Hainburg bieten. Im Zeitalter der Feuerwaffen änderte sich dieses ältere Prinzip der Zinnen jedenfalls sehr häufig in dem Sinne, dass Scharten für Feuerwaffen in die Zinnenöffnungen eingebaut wurden; wo Zinnen bis heute überhaupt erhalten sind, ist dies geradezu das normale Bild (Abb. 208). Auch bei den erhaltenen Stadtmauer- bzw. Tortürmen fallen Aussagen über die frühere Schartenanordnung heute recht schwer, denn auch sie sind meist in so hohem Maße verändert, dass eine zuverlässige Aussage kaum noch möglich ist. Neben dem Verlust oberer Turmteile spielt
Abb. 212 Nürnberg, ein Turm der Hauptmauer mit den rekonstruierten Scharten der Feldseite; heute sind die Türme fast alle gekappt und die Scharten zu Fenstern erweitert; zur Seitenansicht des Turmes vgl. Abb. 176 (Essenwein in: Handbuch der Architektur, 2. Teil, 4. Bd., H. 1, Die Kriegsbaukunst, 1889).
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bei dieser Problematik der spätere Einbau von Fenstern eine entscheidende Rolle, denn es war dafür natürlich am leichtesten, eine vorhandene Scharte zu erweitern; selbst eingehende Bauforschung wird also in sehr vielen Fällen nicht mehr in der Lage sein, festzustellen, ob dem Fenster eine Scharte vorausging. Lediglich ein indirektes Argument bietet in dieser Lage etwas mehr Sicherheit, nämlich die Tatsache, dass sehr viele Türme des 14. / 15. Jahrhunderts, wohl sogar ihre Mehrheit, nicht besonders weit vor die Mauer vorsprangen. Für eine konsequente Flankierung ist es natürlich sinnvoll, dass der Turm mit möglichst seiner gesamten Breite vor die Mauer springt – je größer der Vorsprung, desto mehr Platz steht für die Scharten zur Verfügung. Tatsächlich aber sind die Türme, die dieser Erwägung konsequent entsprechen, dem heutigen Eindruck nach eher Ausnahmen gewesen. Üblich waren im 14. Jahrhundert vielmehr Türme, die innen und außen etwa gleich vorspringen oder die gar weitgehend oder völlig hinter der Mauer stehen. Aus den beschriebenen Problemen mit der sicheren Feststellung ehemaliger Scharten ergibt sich, dass man nur bei besonders gut erhaltenen und dokumentierten Mauern halbwegs verbindliche Aussagen zur ursprünglichen Anordnung der Scharten machen kann. Als erstes Beispiel sei hier Nürnberg angeführt (Abb. 212), wo die fast durchweg rechteckigen Schalentürme der 1346–1407 entstandenen äußeren Mauer in erster Linie frontal Scharten besitzen, und zwar bis zu drei pro Geschoss in ehemals wohl bis zu vier Geschossen; hier gibt es auch seitlich Scharten, jedoch maximal eine pro Geschoss – trotz dieser Ungleichheit ein Beispiel für eine relativ konsequente Ausstattung mit flankierenden Scharten. Bezeichnender für die Inkonsequenz des 14. Jahrhunderts ist der in Brandenburg zu Hunderten gebaute Turmtypus des „Wiekhauses“, eines in aller Regel rechteckigen Schalenturmes, dessen Schartenausstattung deswegen besonders wichtig war, weil den „Wiekhausmauern“ Wehrgänge fehlten. Trotz dieser besonderen Funktion verzichtete das typische Wiekhaus, das ohnehin nur wenig über die Mauer vorsprang (Abb. 88, 494), im Erdgeschoss völlig auf Scharten und im ersten Obergeschoss, das frontal stets zwei oder
Abb. 213 Schwäbisch Gmünd (BadenWürttemberg), „Fünfknopfturm“ (vgl. Abb. 90). Obwohl der Turm fast 2,5 m über die Mauer vorsprang, enthielt er in seinen Seitenmauern (Süd, Nord) keine zur Flankierung geeigneten Schießscharten. (R. Strobel, Die Kunstdenkmäler der Stadt Schwäbisch Gmünd, I, 2003).
drei Scharten besaß, gab es nur manchmal seitliche Scharten, gelegentlich auch nur einseitig, weil in der anderen Seitenwand die Mauertreppe angeordnet war. Das Hauptgewicht der seitlichen Verteidigung ruhte daher höchst traditionell auf den Schießfenstern der Wehrplatte bzw. des zweiten Obergeschosses. Ein weiteres, aber leider bisher wenig dokumentiertes Beispiel bietet die äußere Mauer von Ingolstadt (1346–1430), deren genormte Rundschalen, soweit heute erkennbar, unter zahlreichen Schlitzscharten meist nur eine flankierende im ersten(?) Obergeschoss besessen zu haben scheint. Schließlich sei die äußere Mauer von Schwäbisch Gmünd angeführt, deren erhaltene Türme alle ins beginnende 15. Jahrhundert gehören und im Kunstdenkmälerinventar von 2003 mit exakten Ansichten aller Seiten erfasst sind (Abb. 213). Die wenigen Schlitzscharten sind ganz zufällig verteilt und fehlen gerade an den Seiten der Türme in geradezu auffälliger Weise, obwohl man die Halbrundform des „Königsturmes“ und gar die fünfeckige des „Fünfknopfturmes“ gerne als frühe Einflüsse der Artillerie werten würde. Zu dieser sehr zurückhaltenden Anwendung der Scharten passt im Übrigen die Beobachtung, dass im gesamten Neckarland,
westlich von Gmünd, eindeutige Scharten – mit Innennischen – vor der Zeit um 1400 ganz allgemein noch zu fehlen scheinen. Die Schlüsselscharte ist wegen ihrer enormen Verbreitung (nicht nur) im deutschen Raum sicherlich die bekannteste Schartenform überhaupt, quasi ein „Leitfossil“ des frühen Artilleriezeitalters. Ihre Entstehung ist leicht nachzuvollziehen: Man ergänzte die Die Schieß scharten im 14. Jahrhundert übliche kurze Schlitzform um eine untere Rundöffnung, die dem Durchstecken bzw. Auflagern der Mündung einer Handfeuerwaffe oder eines kleinen Geschützes diente. Die Rundung, in der Regel etwas größer, als es der Lauf der benutzten Waffe erforderte, erlaubte einen gewissen Schusswinkel, der Schlitz darüber – wie schon in der Zeit vor den Feuerwaffen – das Visieren. Dass man diese Form entwickelte, als kleinere Feuerwaffen üblicher wurden, liegt also auf der Hand und die Frage, wo eine so funktionale Form „erfunden“ wurde, wird wohl kaum zu beantworten sein. Als Vorform der Schlüsselscharte sind hohe Schlitzscharten mit Steigbügel- oder dreieckigem Fuß anzusprechen, wie man sie etwa – auf den ersten Blick durchaus an Formen des 13. Jahr2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 214 Ravensburg (Baden-Württemberg), der Turm des „Obertores“ wurde 1431 / 32 erbaut und enthält Schlüsselscharten, die zu den frühen dieser Form im deutschen Raum gehören.
hunderts erinnernd – schon knapp vor und um 1400 findet, etwa am Heilbronner „Götzenturm“ (1392), in Friedberg bei Augsburg (1409 ff.), in Dalsheim und Freinsheim in der Pfalz (um / nach 1400) und in Weil der Stadt bei Stuttgart (um 1430–54); freilich gibt es Derartiges auch noch später, etwa in Bunzlau (Schlesien, ab 1479). Auch die Frage, wann die Schlüsselscharte im engeren Sinne aufkam, ist nicht wirklich zu klären, denn unter den Tausenden erhaltenen Beispielen sind weitaus die meisten nicht eng zu datieren. Es gibt immerhin einige besser datierte Beispiele, die darauf deuten, dass die frühesten Schlüsselscharten um 1430 entstanden sind. Reinhard Gutbier hat für Hessen vermutet, es habe sie schon vor 1400 gegeben, aber ohne Bauten zu nennen; zwar enthält etwa die den Turm umgebende Mauer der 1414 erbauten Frankfurter „Galgenwarte“ eine monolithisch gearbeitete Schlüsselscharte, aber es fehlt der Beweis, dass sie zum ursprünglichen Baubestand gehört. Ebenso wenig auf das Jahr genau festzulegen sind einige Schlüsselscharten an Mauern des süddeutschen Raumes, bei denen wir nur „post quem“-Datierungen kennen, etwa Merkendorf in Oberfranken (1398 bis um 1430), Landsberg am Lech (nach 1422 / 25), Haslach in Oberösterreich (nach 1427) und Schärding am Inn (inschriftlich 1429–37). Einen sicheren Festpunkt bietet dann offensichtlich das 1431 / 32 entstandene „Obertor“ in Ravensburg, das neben Schlüsselscharten auch bereits Maulscharten zeigt (Abb. 214). In den 1440er Jahren gibt es dann weitere, ge276 I. Systematischer Teil
sichert scheinende Beispiele, etwa am Goslarer „Breiten Tor“ („1443“), an der Erhöhung des Ulmer„Gänstores“ (1445) oder am dendrodatierten Torturm im pfälzischen Herrstein (1449). Spätere gut datierte Beispiele von Schlüsselscharten seien hier noch angeführt, obwohl sie für die Anfänge des Typus nicht mehr weiterführen können: Neubrunn (Unterfranken, Torturm 1459–62; Abb. 384), Solothurn („Krummturm“, 1462 / 63), Baden / Aargau (in der Erhöhung des „Bruggertores“ von 1481–83, während der Erstbau von 1441–48 noch keine Schlüsselscharten besaß; Abb. 310) und Abenberg (Mittelfranken, Turm von „1488“). Nach 1500 schließlich ist das „Langenfelder Tor“ in Schwäbisch Hall anzuführen, das um / nach 1515 entstand, und aussagekräftig sind die beiden Tore in Weißenhorn, die um 1470 / 80 noch ohne Schlüsselscharten entstanden; erst bei der Erhöhung des „Obertores“ 1527 wurden Schlüsselscharten mit rechteckigem Unterteil eingebaut. Fälle wie die Torerhöhungen in Baden / Aargau und Weißenhorn deuteten bereits an, dass die Schlüsselscharte keineswegs überall gleich früh auftrat, und dem ist hinzuzufügen, dass sie auch nicht überall üblich wurde. So bleiben Schlüsselscharten in großen Teilen Frankens und in Schlesien im gesamten 15. / 16. Jahrhundert Ausnahmen. Dort bleibt man vielmehr weitgehend bei der einfacheren Form der Schlitzscharte, die in Schlesien selbst an ausgesprochen fortschrittlichen Streichwehren verwendet wurde. In Unterfranken, wo der Torturm in Neubrunn als gut datiertes Beispiel für relativ frühe Schlüsselscharten zitiert wurde, ist dieser neben jenem in Burgsinn eines der ganz seltenen regionalen Beispiele für Schlüsselscharten. Auch anderswo gibt es Beispiele, dass die Schlüsselscharten den einfachen Schlitz keineswegs völlig verdrängten. So ist etwa in Ohrdruf (Thüringen) nur der Ostteil der Stadtmauer mit Schlüsselscharten versehen, während man sich im Westen mit Schlitzen begnügte; da das Schloss im Osten liegt, mag man hier bewusst die modernere oder vielleicht auch die schmückendere Form eingesetzt haben. Denn, dass die Schlüsselscharte auch als Ornament begriffen wurde, dafür spricht nicht nur ihr häufiges Vorkommen an Renaissanceschlössern – auch als unbenutzbare Blendscharte –, sondern auch etwa in einem Rondell im pom-
merschen Stargard, das kreuzförmig erweiterte Schlüsselscharten aus Formsteinen(!) aufweist, in einer Gegend, die sonst wenig Schlüsselscharten besitzt. Auch das nördliche Rheinland gehört schließlich zu den Regionen, in denen ich Schlüsselscharten kaum notieren konnte; Wassenberg ist hier ein isoliertes (undatiertes) Beispiel. Bei Fragen der regionalen Verbreitung bestimmter Formen bleibt freilich immer anzumerken, dass die fortschreitende Erforschung der Bauten das Bild auf die Dauer quantitativ und irgendwann dann auch qualitativ verändern kann; das gilt auch im Falle eines so verbreiteten Phänomens wie der Schlüsselscharte. Das Aufkommen der Feuerwaffen hatte vor allem im Laufe des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur Folge, dass man in vielfältiger Weise mit den Schartenformen experimentierte. Die Idee einer geradlinigen Entwicklung, bei der sich das funktionalere Modell stets gegen das weniger brauchbare durchsetzte, beschreibt daAndere Schartenformen für Feuerwaffen her keineswegs das, was ein unvoreingenommener Beobachter feststellt. Schon das Modell der Schlüsselscharte, das sich durch einfache Funktionalität auszeichnete, konnte sich, wie zu zeigen war, keineswegs gleichmäßig im deutschen Raum verbreiten. Als anschauliches Beispiel für das Nebeneinander unterschiedlichster Schartenformen fielen mir etwa die Zwinger im Neckarland auf, die zwischen dem mittleren 15. und dem frühen 16. Jahrhundert entstanden sind. Dort findet man neben Schlüsselscharten – mit runden und halbrunden Öffnungen, manchmal mit einfachen oder trapezförmig erweiterten Querschlitzen – rechteckige Maulscharten, gelegentlich mit halbrunder oberer Erweiterung in der Mitte, schließlich seltener außen erweiterte Schlitzscharten und ovale Maulscharten. Als Einzelfall sei das wenig östlich liegende Vellberg erwähnt, dessen 1466– 99 entstandene Neubefestigung vielfältige Schartenformen aufweist. Neben Schlitzscharten mit und ohne runde Erweiterung und rechteckigen Schießfenstern findet man hier querrechteckige und quadratische Scharten mit Visierschlitz, schließlich trapezoide Senkscharten. Die neben der Schlüsselscharte wohl am weitesten verbreitete Schartenform des beginnen-
den Artilleriezeitalters war die Maulscharte. Im Gegensatz zur Schlüsselscharte, die aus der älteren Schlitzscharte weiterentwickelt wurde, war die Maulscharte eine ganz neue, funktionale Form. Die Schartenenge wurde an die Innenseite der Mauer verlegt, wodurch der Schütze oder das Geschütz frei hinter der Mauer stehen konnten und manövrierfähiger wurden. Um aber ein breiteres Schussfeld zu bewahren, war es nötig, die Außenseite der Scharte trichterförmig zu erweitern, und zwar vor allem nach links und rechts, daraus ergab sich die breite, eben „maulförmige“ Außenansicht solcher Scharten; in der Renaissance wurde sie manchmal zum Bestandteil einer ornamentalen Fratze. Die äußere Form der Maulscharten blieb im Prinzip variabel, denn nur ihre Breite war funktional wichtig. Der obere Abschluss konnte daher sowohl gerade – mit monolithischem oder gemauertem Sturz – als auch bogenförmig, dann in der Regel als Stichbogen, gestaltet werden. Um auch hier einige frühe Beispiele beider Formen zu nennen, die relativ sicher zwischen den 1430er und den 1470er Jahren entstanden: Goslar, „Breites Tor“ (1433; Abb. 171); Ulm, „Gänstor“ (1445?); Gelnhausen, „Hexenturm“ (1447); Freyburg / Unstrut, mehrere runde und halbrunde Türme (einer 1449); Goslar, „Kegelworthturm“ (1459); Pößneck, Rondelle (um 1424–97). Nach 1500 werden Maulscharten dann so häufig, dass man nur noch interessantere Beispiele nennen kann, etwa den „Wollenweberturm“ in Korbach (1505), das betont wehrhafte „Eiserne Tor“ in Freinsheim („1514“; Abb. 413) und das betont ornamentale „Osthofentor“ in Soest (1523–26; Abb 126). Aus der Maulschartenform mit Stichbogenabschluss konnte man, falls eine gewisse ornamentale Wirkung gewollt war – wir befinden uns mitten in der Spätgotik –, ohne fortifikatorischen Nachteil eine querovale oder kreisrunde Schartenöffnung entwickeln. Dabei scheint die Rundform etwas früher nachweisbar; man findet sie etwa an einem Straubinger Eckrondell (nach 1474), am Rondell des „Schleiferturmes“ in Kelheim (um 1470–90), an einer riesigen Streichwehr in Breslau (wohl ab 1486; Abb. 178) als Variante in Hosenform (siehe unten), schließlich in Pößneck als kreuzförmig erweiterte Rundscharte (um 1424–97). Aus der ersten Hälfte des 16. Jahr2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 215 Solothurn (Schweiz), das „Baseltor“ (1502–05) besitzt ovale Maulscharten, die erst in der Feuerwaffenzeit aufkamen, kaum vor dem 16. Jahrhundert.
Abb. 216 Solothurn (Schweiz), in der Brustwehr besitzt das „Baseltor“ (1502–05) auch Scharten, deren äußere Erweiterung abgetreppt ist, damit Geschosse abprallten und nicht als Querschläger ins Innere geraten konnten – auch dies kam erst im 16. Jahrhundert auf.
hunderts seien Kindelbrück in Thüringen (ab 1508), Marienberg in Sachsen (1541–56) und das Vortor des „Ellinger Tores“ in Weißenburg / Mittelfranken (zweites Viertel des 16. Jahrhunderts; Abb. 162) genannt. Für ovale Scharten konnte ich bisher keine Beispiele vor 1500 finden; als früheste seien Freiburg im Üechtland („Großes Bollwerk“, um 1500), die Rondelle von Solothurn (ab 1502; Abb. 215), die „Aul“ in Zwingenberg / Bergstraße („1532“) und schließlich der „Halbmond“ in Gelnhausen (vor 1535) genannt. Quadratische Scharten sind dagegen eher selten; in der Tat bieten sie gegenüber Maulscharten weniger Vorteile und wirken auch weniger ornamental als ovale oder runde Scharten. Es ist daher vielleicht kein Zufall, dass eines der Beispiele eher aus der Frühzeit der Feuerwaffen stammt – an halbrunden Türmen in Freyburg / Unstrut (um 1449) –, während das andere besonders spät ist und in Abwechslung mit maul- und rundbogigen Scharten auftritt (Themar, Mitte des 16. bis zum frühen 17. Jahrhundert). Zwei fortifikatorisch-technische Fortentwick lungen der Maulschartenformen, die beide dasselbe Ziel hatten, sind gegen Ende der hier behandelten Zeit festzustellen. Die Gefahr nämlich, dass ein Angreifer mit zielgenauen Feuerwaffen, insbesondere mit Musketen, die Schartenöffnung treffen und den dahinterstehenden Verteidigern Schaden zufügen könnte, war sehr groß. Gänzlich zu verhindern war das nicht, aber zumindest konnte man etwas dagegen tun, dass ein ungenauer Treffer, von den schrägen
Wänden einer Maulscharte abprallend, quasi in die eigentliche Schartenöffnung „weitergeleitet“ wurde. Eine Lösung bestand darin, die Wände der Schartenmündung nicht schräg, sondern abgetreppt zu gestalten, sodass die Kugeln nicht mehr in stumpfem Winkel abprallen konnten. Die andere Lösung ersetzte eine einzige, sehr breite Schartenöffnung durch mehrere schmale, die von einer inneren Schartenöffnung ausgingen und im Grundriss durch „Keile“ vom Mauerwerk getrennt wurden; so konnte zumindest ein seitlicher Schuss nicht mehr bis innen durchdringen. Diese letztere Form nennt man nach dem Grundrissbild, das bei nur zwei äußeren Öffnungen entsteht, „Hosenscharte“; es gab aber auch Scharten mit drei Öffnungen, ebenso wie eine Umkehrung der Form: drei Schartenengen innen, nur eine große Öffnung außen. Beide Formen – abgetreppte Scharten und Hosenscharten – konnte ich freilich vor 1500 bei Stadtbefestigungen kaum finden; sie sind offenbar eher typisch für den frühen Festungsbau im 16. Jahrhundert. Getreppte Rechteckscharten gibt es etwa in Solothurn (ab 1502; Abb. 216) und in Kirchheim unter Teck (ab 1538). Hosenscharten findet man am Torbau in Marienberg in Sachsen (1541–56; Abb. 469); in Wiedenbrück in Westfalen zeigt eine undatierte Streichwehr eine getreppte, korbbogige Scharte, die erst nachträglich, durch Einfügung eines kompliziert geformten Werkstückes aus Sandstein, zur Hosenscharte wurde. Gerade bei der Hosenschartenform muss man sich freilich bewusst bleiben, dass eine sol-
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che Form leicht zu übersehen ist, solange keine genaue Untersuchung und Dokumentation des Baues vorliegt. Dass die Zeit der frühen Feuerwaffen eine Zeit des vielfältigen Experimentierens war, wird schon durch die zahllosen Varianten der verbreiteten Schlüssel- und Maulscharten deutlich, aber vielleicht noch mehr durch Schartenformen, die nur ganz vereinzelt oder bestenfalls in kleinen, regional begrenzten Gruppen auftreten. Der Fünfeckturm von „1448“ in Neckarbischofsheim (Abb. 72) besitzt zum Beispiel zweiteilige Scharten, bei denen der Visierschlitz isoliert über der hufeisenförmigen Öffnung für das Geschütz sitzt – wenn man so will, eine weitere Variante einer großen Schlüsselscharte. In Südthüringen und im anschließenden nördlichen Oberfranken findet man die Form eines „kopfstehenden“ T – quasi eine kleine Maulscharte mit kurzem Visierschlitz (Creußen, Kulmbach, Lohr, Aub, Heldburg, Schleusingen); kreuzförmige Scharten könnte man als ornamentale Weiterentwicklung davon betrachten (Heldburg, Mitte des 16. Jahrhunderts; Überlingen, „Aufkirchertor“, nach 1450; Pfullendorf, Vortor, 1505). Ebenfalls eine ornamentale Weiterentwicklung der Maulscharte, die man erst an Schlössern und Befestigungen der Renaissance häufiger findet, dann aber auch an einem kleinen Stadttor wie in Ilshofen (Württembergisch Franken, 1609; Abb. 217), ist die Brillenscharte, die man als in der Mitte verengtes, „brillenähnliches“ Queroval beschreiben kann. Sie dürfte schon vor 1500 aufgekommen sein, wie zumindest Rondelle in Annweiler (1492) und Bergzabern (Pfalz) andeuten. Weitere erwähnenswerte Einzelerscheinungen sind symmetrische Gruppen von vier verschieden geformten Scharten wie in Kirchheim unter Teck (ab 1538) oder Scharten, die zur Verbesserung des Schussfeldes in Erkern angeordnet waren (Landshut), sowie schließlich breite und hohe Schlitzscharten, die sich außen wie eine Maulscharte erweitern (Besigheim am Neckar, Beeskow in Brandenburg). Schließlich seien zum Abschluss zwei ganz neuartige Formen genannt, die ebenfalls erst als Reaktion auf die Verbreitung der Feuerwaffen zu verstehen sind. Da ist einmal der aus Balken gefügte (Blockwerk-)Aufsatz mit kleinen Scharten
anstelle einer gemauerten Brustwehr (oder auch als „Wehrgangschirm“, der vor fenstergroßen Öffnungen der gemauerten Brustwehr sitzt), der Musketenkugeln mit geringerer Splitterwirkung abfing. Allerdings konnte ich an Stadtmauern nur noch ein erhaltenes Beispiel finden (Waldkirchen bei Passau, nach 1451; Abb. 469); an Burgen und Festungen im Alpenraum (Tirol, Salzburg) ist mehr erhalten. Und für die gerundete, steinerne Brustwehr mit eingeschnittenen, nicht überdeckten Scharten ist der umgebaute, aber leider nicht näher datierte Zwinger in Nürnberg das prominenteste Beispiel – ebenfalls wohl eine Form, die ihre Bedeutung erst im Festungsbau des späteren 16. Jahrhunderts entfaltete; erste Beispiele findet man aber schon knapp nach 1500 (Solothurn, ab 1502). Zu Anfang dieses Kapitels wurde dargelegt, dass jene seltenen Mauern, die im beginnenden Artilleriezeitalter noch ganz neu entstanden, fast immer betont traditionell gestaltet wurden (vgl. 2.2.11.1.) – fast als könne man durch das Fest-
Abb. 217 Ilshofen (Württembergisch Franken). Die unteren Geschosse des „Haller Tores“ zeigen verschiedene Variationen von Brillenscharten.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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halten am Gewohnten den Einbruch neuartiger Bedrohungen bannen. Neben diesen konservativ gestalteten Mauern entstand im 15. / 16. Jahrhundert jedoch auch eine andere, tatsächlich neuartige Form der Stadtmauer, Mauern mit Scharten die allerdings wegen ihrer in Stehhöhe Bescheidenheit bisher wenig Beachtung fand. Gemeint sind Mauern – meist um kleine und spät entwickelte Städte –, die kaum höher waren als die Verteidiger, die sie schützen sollten, also 2,5 m bis höchstens 4 m, und auch gerade so dick, dass sie Gewehrfeuer abhalten konnten. Ihre Verteidigungsfähigkeit beruhte also weder auf Höhe noch auf Festigkeit – eine kurze Leiter genügte, um sie zu übersteigen, ein einziger Kanonenschuss zu ihrer Zerstörung. Ihr Konzept ging vielmehr konsequent von Gewehrverteidigung aus, denn solche Mauern waren mit eng und regelmäßig gereihten Schießscharten versehen, häufig mit Schlüsselscharten, und zwar in geringer Höhe, sodass der Schütze auf dem Boden stehen konnte. Ein Wehrgang fehlte bei Mauern dieser Art, ebenso wie Türme im eigentlichen Sinne. Lediglich Rundschalen in gleicher Höhe wie die Mauer und mit derselben Mauerdicke und Schartenausstattung finden sich gelegentlich – keine Türme, sondern nur Ausbuchtungen der Mauer, die Flankierung ermöglichten. Ergänzung solcher Mauern waren ungefütterte Gräben, die ähnlich unaufwendig geschaffen werden konnten, aber die eine allzu schnelle Annäherung eines Angreifers allemal verhinderten. Selbstverständlich waren solche Mauern in erster Linie ein Sparmodell, zu dem man nur dann griff, wenn das Geld für eine „richtige“ Mauer fehlte, man aber andererseits eine Ortschaft nicht gänzlich schutzlos lassen wollte. Im Grunde boten sie nur wenig mehr Schutz als eine mit Scharten versehene Palisade; sie waren lediglich dauerhafter. Dem Angriff eines Heeres mit Artillerie konnten sie nicht widerstehen, leichter Bewaffneten aber durchaus. Trotz der Bescheidenheit des Konzeptes waren solche Mauern moderner als jene Bauten derselben Epoche, die in herkömmlicher Weise mit hohen Mauern, Wehrgängen und Türmen ausgestattet wurden. Denn Höhe wurde mit zunehmender Verbreitung der Kanonen immer mehr zum Nachteil, weil solche Bauteile ein gutes Ziel 280 I. Systematischer Teil
boten und ihr Einsturz für die Verteidiger gefährlich war. Die Zukunft gehörte daher niedrigen, schwer zu treffenden Bauten, die den Belagerten gerade eben die Bestreichung des Vorfeldes erlaubten. Dieser Art der Verteidigung entsprachen schon die zur gleichen Zeit zahlreich entstehenden Zwinger (vgl. 2.2.8.) und später, mit letzter Konsequenz, das bastionäre System (2.2.11.7.), aber eben auch die Mauer mit Scharten in Stehhöhe. Dass ganz entsprechende Mauern noch im Festungsbau des 19. Jahrhunderts als „carnotsche Mauern“ (nach dem Festungsbauer Lazare Carnot, 1753–1823) eine Rolle spielten, bestätigt diese Einschätzung. Soweit ein erster Überblick Interpretationen erlaubt, traten solche Mauern in bestimmten Gebieten häufiger auf, ohne dass immer auf der Hand läge, was der Grund der Verdichtung war. Im Prinzip wird es sich um dichter besiedelte Regionen mit einer gewissen wirtschaftlichen Stabilität gehandelt haben, so dass größere Dörfer sich auch im Spätmittelalter noch eine steinerne Befestigung zulegen bzw. den Schritt zur Stadt vollziehen konnten. Im österreichischen Raum kann man GroßEnzersdorf bei Wien (ummauert ab 1396, Bauinschrift 1409; Abb. 291) als Vorstufe der wehrganglosen Mauern sehen; die Mauer besaß zwar noch Zinnen, aber es gab keine Türme mehr. Herzogenburg (ab 1477), Traismauer (1517), Wilhelmsburg und Raabs sind dann typische regionale Beispiele der Bauform. Das anscheinend größte Verbreitungsgebiet dieser Mauerform lag aber in Hessen und Thüringen. Hier reichen die Beispiele von Trechtingshausen und Ober-Ingelheim am Rhein (beide mit Rundtürmen) über den Frankfurter Raum – Bonames (ab 1410), Hochstadt, Staden – bis in den Odenwald (Reichelsheim, ab 1420). Noch häufiger sind die Fälle in Thüringen, meist bei kleinen Städten, aber auch ausnahmsweise bei der Vorstadt einer größeren Stadt (Langensalza). Enger datierbar sind hier Kindelbrück (ab 1508), Themar (mit Rondellen, „1557“ und „1603“; Abb. 218) sowie Sömmerda (1591–98); genannt seien ferner Allendorf (mit später angefügten Schalen), Greußen und Ohrdruf. Weitere Beispiele findet man vereinzelt im gesamten deutschen Raum, dabei allerdings recht oft nicht als Mauer der Kernstadt, sondern als Umweh-
Abb. 218 Themar (Thüringen) wurde erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ummauert, wobei die niedrige, mit einfachen Schlitzscharten und kleineren Rundtürmen versehene Mauer charakteristisch für die Spätzeit ist.
rung einer Vorstadt. Genannt seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit von Süden nach Norden: Solothurn (Vorstadt südlich der Aare, zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts); Pfarrkirchen (Bayern, 1558 vollendet); Berching (Bayern, Vorstadt, 16. Jahrhundert); Rodach (Franken; nach 1411); Kaiserslautern (Pfalz, Vorstadt, 15. Jahrhundert); Osterode / Harz (mit Rundschalen) und Stadtoldendorf (Niedersachsen, 15. Jahrhundert). Als Übergangstypus von traditionellen Mauerformen zu der hier behandelten niedrigen Mauer mit Scharten findet man nur sehr selten Mauern, die Scharten in Stehhöhe mit Wehrgängen kombinieren. Im Grunde beschränkten sich die Beispiele auf Unterfranken (Eltmann, Iphofen / Vorstadt, Schweinfurt); Hirschhorn am Neckar (Vorstadt, um 1500) ist nicht allzu weit entfernt. Bedenkt man, dass am Main unter Julius Echter von Mespelbrunn noch um und nach 1600 Kleinstädte und Dörfer mit rundturmreichen Mauern umgeben wurden, so kommt man hier in die Versuchung, einen besonderen Konservatismus zu sehen, der das traditionelle Bild der Mauern so lange wie möglich bewahren wollte.
Gerade in die andere, zukunftsträchtige Richtung wies ein ebenfalls ganz seltenes Phänomen, nämlich ein Verspringen der Mauer, um im Rücksprung eine flankierende Scharte anordnen zu können (Abb. 74). In regelmäßiger Reihung konnte ich dies nur in Landshut feststellen, wo die betreffende Partie aber nicht erhalten ist. Offenbar um 1410 wurde hier an der Vorstadtmauer und dem Zwinger etwa alle 40 m ein rechteckiger Schalenturm angeordnet, bei dem die Mauer jeweils um Turmbreite versprang, sodass der Turm die anschließende Mauerstrecke voll flankierte. Ähnliche Mauerversprünge konnte ich etwa in Schwäbisch Gmünd, Seßlach (Oberfranken) und an der Vorstadtmauer von Wolfsberg (Steiermark) feststellen; es mag mehr Beispiele gegeben haben, aber fraglos blieben solche Vorgriffe ins bastionäre Zeitalter isolierte Einzelfälle. 2.2.11.4. Barbakanen und Vorhöfe Schon im Zusammenhang der größeren Torzwinger (2.2.7.3.) ist deutlich geworden, dass die Tore im Zeitalter der aufkommenden Artillerie 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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weiterhin als besonders gefährdeter Punkt der Stadtmauer begriffen wurden, der entsprechender Verstärkung bedurfte. Das Verständnis von Angriff und Verteidigung, das an dieser Stelle erkennbar wird, ist noch das Althergebrachte: Die Mauer als solche galt als kaum zerstörbar, das Tor dagegen als jene Stelle, an der ein Angreifer mit Gewalt oder durch Überraschung relativ leicht in die Stadt eindringen konnte. Mit dem Vordringen der Artillerie musste sich dieses Konzept auf Dauer ändern, denn Geschütze konnten jeden Teil der Befestigung zerstören, sodass es nun neues Ziel der Verteidiger sein musste, das gesamte Vorfeld so lückenlos zu sichern, dass die Batterien des Belagerers überall Abstand halten mussten. Aber in den Anfängen war dies noch nicht klar erkannt, sodass zunächst weiterhin die Tore zentrale Punkte der Verteidigung blieben. Die Barbakane war ein besonders typisches Produkt dieser Übergangsphase. Eine Barbakane vereinte zwei Funktionen. Einerseits handelte es sich um einen von Ringmauern umgebenen Hof mit Außentor, der vor einem Tor der Hauptmauer lag – Barbakanen also im Prinzip um einen Torzwinger. Andererseits war das weit vor die Mauer gezogene und durch einen eigenen Graben geschützte Bauwerk feldseitig gerundet oder polygonal und mit Kanonenscharten versehen, sodass es sich gleichzeitig um eine Art Rondell oder Kanonenbollwerk handelte, von dem
das Vorgelände der Stadt gut bestrichen werden konnte. Auch in der fremdartigen Bezeichnung, die sicherlich während der Kreuzzüge in Europa übernommen wurde, spiegelt sich der Doppelcharakter des Baues, denn das persische „barbah-hané“ meinte sowohl eine Vor- oder Zwingermauer als auch eine Mauer mit Schießscharten; in England bezeichnet „barbican“ bis heute jede Form eines Torzwingers, während „barbacane“ im Französischen eine Schießscharte oder ähnliche Öffnung meint. Wie alle größeren Werke des Artilleriezeitalters entstanden Barbakanen nur in wohlhabenderen Städten oder in solchen, die für ihre Herren eine besondere strategische Bedeutung hatten. Heute findet man nur noch wenige Barbakanen, die eine vollständige Anschauung des Bautypus geben; „Klingentor“ und „Spitalbastei“ in Rothenburg ob der Tauber (Abb. 219), das „Marientor“ in Naumburg (Abb. 220) und die besonders wenig veränderte, bescheidenere Anlage im nahen Laucha (Abb. 462), der „Kaisertrutz“ in Görlitz (Abb. 222) und schließlich – außerhalb Deutschlands, aber seit Langem und zuletzt von Tomasz Torbus als Prototyp betrachtet – die Barbakane am Krakauer „Florianitor“ (1497 ff., restauriert von Essenwein; Abb. 221). Der Eindruck eines extrem seltenen Bautypus, den auch einige weitere (teilweise) erhaltene Beispiele nicht ändern, wäre aber falsch. Denn die städtebaulichen
Abb. 219 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), Grundrisse der Barbakane vor dem „Klingentor“, mit der integrierten Wolfgangskirche (vgl. Abb. 195) und der „Spitalbastei“ (vgl. Abb. 381); bei der „Spitalbastei“ verlief zwischen dem äußeren Rundbau und dem Torturm der Stadtgraben, in den erst später der zweite Rundbau gesetzt wurde (Heller, Rothenburg in Wehr und Waffen, 1926).
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Abb. 220 Naumburg (Sachsen-Anhalt), isometrische Rekonstruktionen des „Marientores“ (vgl. Abb. 57, 147), vor und nach dem Anbau der Barbakane (Th. Biller in: Forschungen zu Burgen und Schlössern, Bd. 5, 2000).
Maßnahmen des 19. Jahrhunderts haben im Fall der Barbakanen, bei denen fast überall ein prinzipieller Konflikt zwischen dem Bauwerk und dem Wunsch nach geradliniger Straßenführung bestand, zu besonders hohen Verlusten geführt. Da Barbakanen als brauchbare Artilleriewerke oft noch in die Festungswerke der Renaissance und des Barock einbezogen wurden, sind viele der verschwundenen Beispiele immerhin durch frühe Darstellungen dokumentiert, also durch Festungspläne oder Darstellungen von Topographen wie Braun / Hogenberg oder Merian. Durch die Auswertung solcher Dokumente gewinnt man einen besseren Überblick über das ehemals Vorhandene, der aber sicherlich immer noch weit von jeder Vollständigkeit bleibt und der vor allem auch wenig über den Ursprung und die Entwicklung des Typus vermittelt. Nach Untersuchungen in Böhmen wurde der Bautypus der Barbakane offenbar von den Hussiten entwickelt; als erstes Beispiel, 1433 zuerst belegt, gilt die Barbakane am „Neuen“ oder „Prager Tor“ der von den Hussiten ab 1420 neu angelegten Stadt Tábor südlich von Prag. Für den hussitischen Ursprung des Bautypus spricht durchaus auch, dass sich die Hauptverbreitungsgebiete der Barbakanen fast allseitig um Böhmen herum gruppieren und dass, soweit man
Abb. 221 Krakau (Polen), die Barbakane vor dem „Florianitor“, die berühmteste ihrer Art, im Grundriss (Architektura gotycka w Polsce, Bd. 2, 1995).
das bereits sagen kann, die älteren Anlagen aus dem mittleren 15. Jahrhundert eher in der Nähe Böhmens festzustellen sind, während die weiter entfernten deutlich bis ins 16. Jahrhundert hineinreichen; erstaunlich ist dabei aber, dass es in Böhmen selbst erst sehr spät eine Nachfolge gab. Beginnt man im Nordosten, so hat Tomasz Torbus darauf hingewiesen, dass es in Polen neben der berühmten Anlage in Krakau noch weitere Barbakanen gegeben hat, etwa in Warschau oder Kamieniec Podolski; auch in Ungarn findet sich der Typus. In Schlesien sind zerstörte Bauten zumindest in Breslau, Glogau, Oppeln, Jauer und Striegau nachweisbar; vor allem in Bautzen gab es Barbakanen vor mehreren Toren (Abb. 177), wohl aus dem frühen 16. Jahrhundert. Der mächtige „Kaisertrutz“ (ab 1490) im heute sächsischen Görlitz war formal ein Sonderfall (Abb. 222): Das äußere Tor führte hier nämlich nicht in das große Hofrondell, das den äußeren Teil der Anlage bildet, sondern in den Torzwinger, der durch Parallelmauern zwischen der Stadtmauer und dem Rondell entstand; zudem steht im Hof des Rondells, nach bisheriger Erkenntnis als einzigartiger Fall, ein hoher achteckiger Aussichtsturm. In Sachsen, das gegen 1500 zum wohl reichsten deutschen Staat aufstieg, waren Barbakanen nach frühen Bildquellen – vor allem nach den 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 222 Görlitz (Sachsen), der „Kaisertrutz“ (um 1490), rekonstruierter Grundriss. Das Bollwerk vor dem „Reichenbacher Tor“ war keine Barbakane im engen Sinne, denn der Torweg führte nicht durch den Rundbau. Einzigartig ist auch der schlanke Turm im Hof des großen Rondells (A. Haupt / R. Jecht, Topographie der Stadt Görlitz, 1996).
Zeichnungen Wilhelm Dilichs – recht häufig; die wichtigeren Städte des Landes verfügten meist wohl über mehrere dieser Bauten. Jedoch blieb – wie allgemein von den sächsischen Stadtmauern – kaum etwas erhalten und, soweit ich sehe, kann bisher nur in einem Falle etwas zur Datierung gesagt werden: In Delitzsch wurde 1451 eine Barbakane geplant, denn man schickte eine Delegation nach Naumburg, um eine dort im Bau befindliche zu besichtigen. Im Raum des südlichen Sachsen-Anhalt und östlichen Thüringen setzte sich die hohe Dichte an Barbakanen offenbar fort, aber es gibt nur noch zwei erhaltene Beispiele. Von mehreren, ab 1451 erbauten Barbakanen in Naumburg blieb nur jene vor dem „Marientor“ erhalten, die 1456– 58 entstand (Abb. 220). Eine noch weniger verfälschte Anschauung bietet jedoch die undatierte Anlage im nahen Laucha, der die jüngeren Umbauten der Naumburger Anlage erspart blieben (Abb. 462). Weitere Beispiele gab es in Jena („Johannistor“, 1440er Jahre), Freyburg / Unstrut („Eckstädter Tor“, 1447–48; Abb. 461), Pößneck („Oberes Tor“, 1467), Nordhausen („Rautentor“, 1453; „Töpfertor“, 1487) und Weißenfels. Hessen und die Landschaften westlich und nördlich davon erscheinen nach gegenwärtigem Wissensstand als Randbereich der Landschaften mit Barbakanen, wohl mit eher späten An284 I. Systematischer Teil
lagen. Frankfurt am Main besaß offenbar mehrere, Fritzlar zumindest eine am „Werkeltor“. In Lemgo (Westfalen) war von zwei Barbakanen jene am „Neuen Tor“ auf 1519 datiert und auch im nördlichen Rheinland gab es offenbar einige Fälle (Kempen, 1522; Düren; Emmerich). Im süddeutschen Raum und bis ins Alpenvorland sind weitere Beispiele zu notieren. In Rothenburg integrierte die ungefähr rechteckige „Klingenbastei“ die Wolfgangskirche (1475–92; Abb. 219); die wohl erst nach 1500 entstandene „Spitalbastei“ war ursprünglich ein Rundbau vor dem Hauptgraben, mit Geschützstellungen auf Hofniveau und einer Plattform; 1537 setzte man in den Graben, als Verbindung zur Hauptmauer eine Art zweites Rondell, sodass ein im Grundriss 8-förmiger Bau mit Bestreichungsmöglichkeit des Grabens entstand. Weitere fränkische Barbakanen sind in Dinkelsbühl, Gunzenhausen, Neustadt / Aisch, Wolframs-Eschenbach, Oettingen und Nördlingen in Resten erhalten oder nur noch indirekt belegt; ein Vorwerk mit Eckrondell in Waldenburg (Württembergisch Franken) darf man hier anschließen. Im bayerisch-schwäbischen Raum war der Bautypus offenbar selten; hier konnte ich nur jene am „Neuhauser Tor“ in München (1492), sowie mehrere große Anlagen in Ulm (um 1520 / 39) finden. In Österreich gibt es geringe Reste einer runden Barbakane
vor dem Südtor von Wiener Neustadt, und in Korneuburg fand man eine siebeneckige. In der Schweiz besaß Freiburg im Üechtland drei Barbakanen vor den Haupttoren, die aber nur noch auf alten Darstellungen überliefert sind; das Vorwerk der „Porte de Morat“ mit einem noch schwachen Halbrondell (1468 ff.) erschien hier als Vorstufe, während die „Porte de Romont“ und die „Porte des Etangs“ voll entwickelte Barbakanen besaßen (im ersten Fall: 1468–70); der „Grand Boulevard“ (1490–96; Abb. 312), der aber kein Tor verteidigte, gibt heute noch eine Anschauung dieser Werke. Der Platz vor der Brücke, die zu einem Stadttor führte, war nicht nur verteidigungstechnisch ein neuralgischer Punkt, sondern auch unter Aspekten des Verkehrs. Hier wurde kontrolliert, wer Einlass in die Stadt begehrte, es wurden Zölle erhoben und deswegen konnte Vorhöfe es hier zu Stau und unübersichtlichen Verhältnissen kommen, die auch für die Sicherheit der Stadt gefährlich werden konnten. Deswegen war an dieser Stelle ein absperrbarer Bereich notwendig, der nicht eigentlich fortifikatorische Funktionen besaß, sondern nur ein Kontrollpunkt mit Unterkunft für die Wächter war. Seine einfachste Form bestand in Holzzäunen mit Schlagbäumen (Abb. 223), aber auch ummauerte Höfe mit weiteren Gebäuden waren als dauerhaftere Anlagen nicht selten (Abb. 224); in solchen Fällen fand man dann manchmal einige Schießscharten. Erhalten sind sehr wenige dieser Höfe oder auch nur Reste davon, denn auch sie waren grundsätzlich den neuen Straßen des 19. Jahrhunderts im Wege und, da die Zollerhebung an den Stadttoren (Akzise), die während des Absolutismus noch eine bedeutende Rolle gespielt hatte, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts fast überall wegfiel, wurden die Vorhöfe dann mit einiger Vollständigkeit abgerissen. Dabei spielte fraglos auch eine Rolle, dass sie im Gegensatz zu den Haupttoren bzw. Tortürmen, die gelegentlich wegen ihrer symbolhaften Architektur überlebten, als reine Nutzbauten galten. Es bedurfte also ungewöhnlicher, glücklicher Umstände, damit solche Vorhöfe einmal erhalten blieben und solche gab es in Rothenburg ob der Tauber, das bekanntlich im 19. Jahrhundert in seiner Entwicklung regelrecht stecken blieb,
Abb. 223 Nürnberg, die Sicherungen vor dem „Frauentor“ waren im Jahre 1493 sehr provisorisch: quer gelegte Baumstämme mit Ästen, ein Holztor, ein Wachhaus aus Fachwerk (Hartmann Schedel, Weltchronik; Ausschnitt).
Abb. 224 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), der weitgehend erhaltene Vorhof am „Rödertor“. Auf dem Außenwall liegt ein ummauerter Vorhof des 15. Jahrhunderts, fast schon eine Barbakane, davor die beiden frühbarocken, nicht befestigten Wachhäuser (um 1615; Heller, Rothenburg in Wehr und Waffen, 1926).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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sodass nicht nur Stadtbild und Stadtbefestigung, sondern auch gleich mehrere Vorhöfe in ihrem letzten Ausbaustand erhalten blieben; sie seien hier als einzige Beispiele solcher eigentlich unbefestigter Vorhöfe benannt. Am vollständigsten ist das „Rödertor“ erhalten, mit einem rechteckigen, nur feldseitig befestigten Vorwerk und eben den beiden Wachhäusern von 1615 vor deren Graben (Abb. 224). Sie sind im Grundriss viertelkreisförmig und flankieren symmetrisch das große Rundbogentor und die Fußgängerpforte mit ihrer Diamantquaderung. Die geschwungenen Spitzdächer betonen das Malerische der Anlage, lediglich zwei Schießscharten erinnern noch formell an Wehrhaftigkeit. Die ganz entsprechende, ähnlich zu datierende Wachhausgruppe vor dem weniger gefährdeten „Burgtor“ ist noch schmuckreicher und verzichtet zugunsten von Fenstern gänzlich auf Schießscharten. 2.2.11.5. Rondelle und andere Kanonentürme Rondelle sind sicherlich jene Bauten des beginnenden Artilleriezeitalters, die dem Nichtfachmann am ehesten vor Augen stehen. Denn obwohl auch sie in der Regel nur als Einzelbauten den älteren Mauern angefügt wurden und daher nur einen kleinen Teil der erhaltenen Stadtbefestigungen ausmachen, fallen sie doch durch ihr Volumen und ihre oft beherrschende Position noch immer in vielen Altstädten auf. Zudem waren sie eine sehr verbreitete Bauform, deren Beispiele man vom frühen 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert in weiten Teilen des deutschen Sprachgebietes findet – und weit darüber hinaus, von Portugal bis in die Türkei (noch mehr gälte dies, wenn man auch die Burgen in die Betrachtung einbezöge). Entsprechend der weiten Verbreitung und formalen Vielfalt sind die Ursprünge und die Entwicklung der Bauform nicht einfach zu erkennen. Es liegt auf der Hand, dass Rondelle sich aus Rundtürmen entwickelten, wobei fast alle Merkmale, die sie von jenen unterscheiden, funktional begründet sind. Schon Türme des 13. / 14. Jahrhunderts besaßen ja durchaus Eigenschaften, die die Aufstellung von Feuerwaffen ermöglichten, nämlich witterungsgeschützte Innenräume in überhöhter Position; dementsprechend sind Türme mit nachträglich eingebauten größeren 286 I. Systematischer Teil
oder kleineren Feuerwaffenscharten im erhaltenen Bestand sehr häufig. Für größere Geschütze waren diese älteren Türme aber wenig geeignet, denn ihre Innenräume waren zu klein, ihre Mauerdicke dem Beschuss nicht gewachsen und auch ihre Höhe wurde zum Nachteil, weil die Türme einstürzen und damit den Verteidigern zusätzlich schaden konnten. Der Versuch, diese Probleme in den Griff zu bekommen, musste zwangsläufig zu einem neuen Bautypus führen. Größere Innenräume und Mauerdicken ergaben einen voluminöseren Baukörper, die Reduzierung der Höhe – um möglichst kein Ziel zu bieten – verstärkte den Effekt. Die Rundform wurde nicht immer, aber meistens beibehalten, weil sie einerseits den Kugeln der Belagerer nur eine minimale Fläche bot, wo allein sie, rechtwinklig auf das Mauerwerk treffend, ihre maximale Wirkung entfalten konnten. Andererseits war die Rundform optimal für eine radiale Aufstellung der Geschütze bzw. für radiale Schusslinien, die zunächst – bis zur Erfindung der Bastionen – als die beste Möglichkeit gesehen wurde, das Gelände im und vor dem Graben möglichst lückenlos zu beherrschen. Dementsprechend sind Schießscharten für Geschütze und in geringerem Maße für Handfeuerwaffen wie etwa Hakenbüchsen jene Öffnungen, die den äußeren Eindruck eines Rondells bestimmen; typisch ist dabei meist die geschossweise versetzte Anordnung, die die Bestreichung des Vorfeldes zusätzlich verbessern sollte. Ergänzt wurden diese Bemühungen, dem Belagerer möglichst wenig Schutzraum zu lassen, durch eine überlegte Platzwahl der Rondelle. Sie sollten möglichst weit vor die Verteidigungslinie vorspringen, meist an einer Ecke und / oder auf einer überragenden Höhe, auch einmal isoliert vor die Hauptverteidigungslinie vorgeschoben; als Sonderfall, oft ebenfalls in runder Form, entstanden zu dieser Zeit auch die Streichwehren, die in tiefer Position allein den Graben sichern sollten. Dass auch Tore, deren Lage oft nicht diesen Anforderungen entsprach, mit rondellähnlichen Barbakanen (vgl. 2.2.11.4.) verstärkt wurden, widerspricht allerdings solchen Erwägungen und zeigt, dass man in dieser Übergangsphase zum Artilleriezeitalter noch Kompromisse mit traditonellen Formen suchte, in diesem Falle mit Torzwingern.
So weit war dies eine idealisierende Darstellung des Bautypus, die durch seine funktionale Prägung nahegelegt wird. In der Praxis findet man dagegen einen Variationsreichtum, der einerseits in gewisser Weise noch mittelalterlich wirkt, also seine Entstehung offenbar der Freude an der Variation und der Bindung an lokale Traditionen verdankt; andererseits spiegelte sich in ihm sicherlich auch die Suche nach der optimalen Form, wie sie beim Aufkommen einer völlig neuen Art von Waffen unvermeidlich war. Im Folgenden werden insbesondere Beispiele aufgeführt, die beim heutigen Kenntnisstand gut zu datieren sind. Die chronologische Anordnung wurde gewählt, um hypothetische Entwicklungslinien erkennbar zu machen. Eine regionale Ordnung wie bei den Bestandteilen der älteren Mauern schien dabei nicht mehr sinnvoll, eben wegen der Überregionalität des Phänomens. Jedoch werden im Folgenden, um der Vollständigkeit des Bildes halber, auch einige gut erhaltene Rondelle angeführt, die leider nicht eng datierbar sind. Nach der Schlacht bei Tannenberg und der folgenden Belagerung von Burg und Stadt Marienburg 1410 wurde der Hauptsitz des Deutschen Ordens vom Hochmeister Heinrich von Plauen mit einem Außenwall verstärkt, aus dem Rundschalen vorspringen (Abb. 225). Dieses restauriert erhaltene „Plauenbollwerk“ ähnelt jenen Zwingern mit regelmäßigen Halbrundschalen, wie sie wenig später – während der Hussitenkriege – wohl zuerst in Franken und der Oberpfalz aufkamen und im 15. Jahrhundert auch bei Burgen üblich Die Entwicklung bis 1460 / 70 wurden. Jedoch waren die Schalen in Marienburg niedriger, geräumiger und sicherlich auch überdacht; der Entwerfer hatte die Forderungen der neuen Waffentechnik erstaunlich früh begriffen. In Jena umfasste eine inschriftlich überlieferte Ausbauphase im Jahre 1430 offenbar auch eine Art von Rondellen an den vier Stadtecken. Das besterhaltene wirkt wie ein konzentrisch um den runden Eckturm („Pulverturm“) herumgeführter Zwinger, was durch Zinnen und drei halbrunde Erker noch malerisch verstärkt wird (Abb. 226); jedoch zeigen kleine, außen erweiterte Rechteckscharten, dass hier in Innenräumen und auf der Plattform durchaus kleinere
Abb. 225 Marienburg (Polen, ehemals Westpreußen), das nach 1410 erbaute „Plauenbollwerk“ ist ein befestigter Außenwall, dessen große halbrunde Streichwehren bereits konsequent für Geschützverteidigung eingerichtet waren – eines der frühesten Beispiele im mittelalterlichen deutschen Raum (Chr. Herrmann).
Abb. 226 Jena (Thüringen), das Rondell an der Nordwestecke der Stadtmauer entstand um 1430 durch Umbauung eines Rundturmes wohl des mittleren 14. Jahrhunderts. Die Kanonenscharten dieser frühen Anlage für Geschütze waren schwer benutzbar, weil der Turm wenig Platz ließ.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 227 Duderstadt (Niedersachsen), überwiegend nur noch durch Ausgrabung konnten mehrere kleine Halbrundschalen erfasst werden, die um 1440–70 die ältere Mauer von Duderstadt verstärkten. (A. Porath, Die Befestigung der Stadt Duderstadt, Teil II, 2002).
Feuerwaffen verwendet wurden. Die Anlage erinnert stark an den Adlerturm in Rüdesheim, der allerdings als etwas jünger gilt (zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts; Abb. 446). Ob die anderen Jenaer Eckrondelle ähnlich aussahen, bleibt wegen ihrer starken Veränderungen unklar; sie besaßen teils ähnliche Rechteckscharten, auch Schlüsselscharten und Zinnen. Ebenfalls schon um 1430–40 sollen zwei U-förmige Türme im niederösterreichischen Eggenburg entstanden sein, die die Weiterentwick-
Abb. 228 Halle (SachsenAnhalt), der „Leipziger Turm“ (vor 1478) war Teil eines Vorwerkes am „Galgtor“ (= Leipziger Tor), seine Höhe entspricht der Notwendigkeit, ein ansteigendes Vorgelände zu überschauen. Ungewöhnlich sind die kleinen Maßwerkfenster (vgl. Abb. 80).
288 I. Systematischer Teil
lung aus älteren Turmformen gut veranschaulichen würden, denn, von ihrem größeren Innenraum und den quadratischen und Schlüsselscharten abgesehen, sind sie in Höhe, Mauerdicke und Balkendecken ganz traditionell; die wohl ab 1434 ausgeführte Befestigung von Burg und Stadt im nahen Schrattenthal steht Eggenburg in den Details sehr nahe. Vor die archäologisch recht gut erforschte Mauer von Duderstadt im südlichen Niedersachsen wurden etwa zwischen 1440 und 1470 mehrere kleine Halbrundtürme mit wiederum quadratischen Scharten in zwei Geschossen vor die Mauer gesetzt, die 1451 als „nyge Bolwarke“ bezeichnet wurden (Abb. 227). Recht ähnlich hat man die Mauer des 14. Jahrhunderts im damals thüringischen Freyburg / Unstrut mit zahlreichen runden und halbrunden Türmen verstärkt, von denen einer auf 1449 datiert ist; auch sie zeigen neben Schlitzscharten quadratische Scharten, teils mit Klappläden. Im nahen Halle wiederum, das ab 1454 mit Zwingern, Gräben und Vortoren verstärkt wurde, ist von alledem nur der (1478 erwähnte) „Leipziger Turm“ am äußeren Vortor des „Galgtores“ erhalten, der ein völlig anderes Konzept vertritt. Zwar ist auch er rund und mit Scharten versehen, aber seine erstaunliche Höhe und einzelne Maßwerkfenster haben mit einem „Rondell“ nichts zu tun, wirken vielmehr ausgesprochen traditionell, auch wenn die Höhe funktional auf das ansteigende Vorgelände bezogen ist (Abb. 228); regional Vergleichbares findet man in Stolberg („Saigerturm“) und Zörbig (Turm am „Hallischen Tor“).
Im südwestdeutschen Raum schließlich stammt der „Zuckmantelturm“ in der Vorstadt von Miltenberg inschriftlich von „1451“; ähnlich dem sieben Jahre jüngeren „Diebsturm“ in Bönnigheim ist er relativ niedrig und mit Schlüsselscharten versehen. Etwa genauso alt dürfte ein runder Zwingereckturm in Balingen sein, der über dem – allgemein für die Zeit typischen – vorspringenden obersten Steingeschoss noch ein offenbar originales Fachwerkobergeschoss besitzt; seine reichen Formen – Maßwerkfenster, gestäbtes Gewände – dürften hier mit der Stadtburg zusammenhängen, mit der der Turm verbunden ist. Bis zu diesem Punkt waren ausgesprochen unterschiedliche Bauformen in weit auseinanderliegenden Regionen anzusprechen, aber eben diese Vielfalt, wenn nicht gar Zersplitterung der Phänomene spiegelt offensichtlich die Situation der Frühphase, die etwa bis 1460 / 70 reichte. Man war intensiv darum bemüht, das neue Problem kreativ zu bewältigen, wobei aber, weil offenbar anfangs ein nennenswerter Austausch fehlte, in verschiedenen Regionen ganz unterschiedliche Ansätze verfolgt wurden. Die einzige auffällige Beziehung der beschriebenen Beispiele besteht darin, dass vor allem Regionen im mittel- und ostdeutschen Raum zu nennen waren, vom preußischen Ordensstaat über Thüringen bis nach Österreich. Es scheint so, als ob auch hier wieder, wie es schon bei den umlaufenden Zwingern mit Streichwehren anzumerken war (2.2.8.3.), eine Entwicklung ihre Anfänge eher im Osten des deutschen Sprachraumes genommen hätte, wobei die Ähnlichkeit beider Abläufe nicht verblüffen kann, denn die Streichwehren der Zwinger und die Rondelle standen sich ja funktional und formal nahe – beide als direkte Reaktion auf die Verbreitung der Feuerwaffen. Dass die Hussitenkriege einen entscheidenden Anstoß für die Entwicklung beider Bauformen gebildet haben, liegt dabei ein weiteres Mal nahe, auch wenn gezielte, notwendigerweise grenzübergreifende Untersuchungen zu diesem Thema noch fehlen und auch sonst vorsichtige Einschränkungen nötig sind. So hatte es der Deutsche Orden ja nicht mit den Hussiten zu tun, sondern mit dem Königreich Polen und dem Großherzogtum Litauen und die Gemeinsamkeit der Beispiele in den angesprochenen Regionen lag ja eben gerade nicht in den Bauformen, sondern in einem abstrakteren
Faktor, den man als die Schnelligkeit und Originalität der Reaktion auf die neue Kriegstechnik beschreiben könnte. Dass dem eine frühere und konsequentere Auseinandersetzung mit der Technik der Pulvergeschütze zugrunde lag, ist teilweise – etwa gerade beim Deutschen Orden mit seinen frühen Steinbüchsen – durchaus belegbar, kann aber hier nicht in der nötigen Breite behandelt werden; es ginge dabei ja auch um die Entwicklung in Ländern wie Polen, Böhmen, Litauen usw. Die Blütezeit der Rondelle lag zwischen etwa 1460 / 70 und dem mittleren 16. Jahrhundert; in diesem Zeitraum war der Typus weitverbreitet und so variantenreich, dass Entwicklungslinien bisher nicht klar Verbreitung der Rondellform, erkennbar sind. Es ist daher sinn1460 / 70–1500 voller, wichtige Beispiele in regionaler Ordnung vorzustellen, und zwar in zwei Zeitabschnitten – bis 1500 und danach –, wodurch sich immerhin gewisse Linien der Verbreitung andeuten. In Bayern, wo der Zwinger in Landsberg am Lech um / nach 1425 noch auffällig dünnwandige Abb. 229 Burghausen an der Salzach (Bayern), der „Pulverturm“ (um 1500) in einer Umzeichnung nach dem Modell von Jacob Sandtner (1573 / 74) im Bayerischen Nationalmuseum. Das Eckbollwerk der Stadtmauer war ein massives Rondell, das ungewöhnlicherweise von einem Zwinger mit mehreren Streichwehren verstärkt war.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 230 Schwäbisch Hall (Württembergisch Franken), Grundrisse u-förmiger Streichwehren der Zeit zwischen 1490 und 1532 (E. Krüger, Die Stadtbefestigung von Schwäbisch Hall, 1966).
Rundschalen aufwies und jener in München bis etwa 1465 hohe und schlanke, ebenfalls nicht als Rondelle ansprechbare Rundtürme, gab es auch sonst bis zum Ende des 15. Jahrhunderts kaum größere Kanonentürme. Eines von zwei Abb. 231 Biberach (Baden-Württemberg), der „Weiße Turm“ (1476–84) ist ein ungewöhnlich hoher, aber von vornherein für Geschütze eingerichteter Turm an der Westseite der Stadt, der den vorgelagerten Gigelberg beherrschen sollte.
290 I. Systematischer Teil
kleinen Rondellen in Eichstätt an der Altmühl ist „1460“ datiert, von 1481 stammt vielleicht einer der schlanken Rundtürme, die in Passau die Wasserfront sicherten; der zweite entstand 1513. Erst um 1490 entstand mit dem „Pulverturm“ in Burghausen / Salzach ein erstes wirklich massives, durch Zwinger zu einer Art Zitadelle erweitertes Rondell (Abb. 229); es war Bestandteil einer bereits festungsartigen Gesamtanlage, zu der außer der lang gestreckten Burg eben auch die Stadt gehörte. Nur der „Schleiferturm“ in Kelheim (um 1470–90?) kann damit im Bayern jener Zeit verglichen werden, und vielleicht ein verbautes, undatierbares Rondell in der Oberstadt von Dingolfing. Auch in Österreich und dem Alpenraum gab es in dieser Phase nicht wesentlich mehr Aktivitäten. Nach den erwähnten Türmen in Eggenburg (um 1430 / 40?; Abb. 289) entstand in Krems 1477 der wuchtige „Pulverturm“, und ein noch deutlich höherer in Pöchlarn 1489. Wohl 1477 / 78 war der Baubeginn der äußeren Mauer von Zug in der Schweiz, die sechs rondellartige Türme erhielt (Abb. 205, 309); einer davon wurde bald um zwei weitere Geschosse erhöht. Da aber die Befestigung von Zug frühestens 1522 abgeschlossen war, könnte man diese Anlage auch erst der späteren Entwicklungsstufe zuordnen. Als Tiroler Landesfestung, vergleichbar dem bayerischen Burghausen, entstand die nach einer Zerstörung 1499 begonnene, vollständig erhaltene Neubefestigung von Glurns; auch sie gehört aber, wohl 1521 vollendet, eigentlich erst in die nächste Entwicklungsphase (Abb. 298). Die tra-
pezoide, geräumig angelegte Mauer wurde von vier Eck- und drei Zwischenrondellen verteidigt, die als zweigeschossige Schalen die Mauer kaum überragen und mit dem Anzug des Sockels und dem Kordongesims norditalienische Einflüsse zeigen. Im fränkischen und württembergischen Raum traten Rondelle gleichfalls kaum vor 1470 auf; so entstand etwa der eindrucksvolle Ausbau des Burgstädtchens Vellberg, mit mehreren Rondellen und kasemattiertem Torturm, um 1466–99, während die nahe gelegene Reichsstadt Schwäbisch Hall erst um 1490 einige u-förmige Streichwehren erhielt (Abb. 230); das kleine Creußen in Oberfranken bekam 1473 einen Steuernachlass, der für die weitgehend erhaltenen Rondelle verwendet werden sollte. Ab dem späten 15. Jahrhundert werden Rondelle dann in Franken häufiger. In Oberschwaben ist der 1476–84 von Hans Hartmann errichtete „Weiße Turm“ in Biberach ein eindrucksvolles Beispiel für eine Übergangsform von Turm und Rondell, der man zur Beherrschung des Vorfeldes eine besondere Höhe gab (Abb. 231). Er besitzt Kanonenscharten in acht(!) Geschossen und ist durch Wasserschläge und einen Maßwerkfries gegliedert. Der „Pulverturm“ in Vaihingen, ein Rondell am Zwinger, wurde 1493 samt seiner Ausstattung mit Doppelhaken von den Bürgerfamilien Gremp und Aschmann finanziert; er ist unter anderem mit einem Relief geschmückt (Abb. 84). Weiter westlich, in Baden und am Oberrhein, scheint es bis um 1500 zunächst noch keine Rondelle gegeben zu haben. In Thüringen und Hessen gibt es dagegen einzelne Beispiele ab der Zeit um 1470 und mit Büdingen einen der absoluten Höhepunkte dieser Bauform. Kahla etwa wurde mit sechs Rondellen verstärkt, von denen eines „1472“ datiert ist, undatierte Beispiele findet man unter anderem in Pößneck, Nordhausen, Mühlhausen und Stadtilm. In Hessen sind kleine Rondelle in Volkmarsen (1483, Hans Jacob von Ettlingen?) und Wildungen sowie der undatierte „Bierturm“ in Fulda zu erwähnen. Die kleine Residenzstadt Büdingen, die durchaus keinen strategischen Brennpunkt besetzte, erhielt zwischen den 1480er Jahren und etwa 1517 eine aufwendige Rondellumwehrung, die aufgrund ihrer hervorragenden Erhaltung
Abb. 232 Büdingen, der „Grüne Turm“, ein charakteristisches und gut erhaltenes Rondell an der Westseite der Stadtmauer, entstand wohl kurz vor 1500.
zu den sehenswertesten Stadtbefestigungen Deutschlands gehört (Abb. 154, 232, 447). Der Bau begann offenbar an der von einem Berg überragten Nordseite, wo schon 1489 zwei Rondelle bestanden, wohl der „Folterturm“ und der „Hexenturm“; vor den Letzteren wurde 1491, verbunden durch eine Streichwehr, das „Große Bollwerk“ an der Nordwestecke der Stadt gesetzt, das vier Geschosse mit Balkendecken besitzt. Danach entstand dann wohl der mauergestützte Wall mit Schützengalerie und weiteren Rondellen; sie zeigen rechteckige Maulscharten und gemauerte Spitzdächer. Das „Unter-“ oder „Jerusalemer Tor“ von 1503 (Abb. 154), der Haupteingang der Stadt, ist ein repräsentatives Doppelturmtor mit einer Blendmaßwerkattika, wappengeziertem Erker und dreieckiger „Pförtnerloge“. Als Abschluss wurde die ältere und weniger gefährdete Südmauer durch kleine Rondelle verstärkt, außerdem durch einen Außenwall mit weiteren Rondellen, darunter einem am „Mühltor“. 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
291
In Schlesien war eine Form der lang gestreckten Streichwehr verbreitet, die entweder nur vor den Zwinger vorspringt – oder sogar, an der Hauptmauer ansetzend, über den Zwinger herüber reicht – und an der feldseitigen, meist in den Graben vorspringenden Front abgerundet ist. Es handelt sich quasi um eine Mischform aus Streichwehr und Rondell, was dort besonders deutlich wird, wo der vordere Teil des Baues vollrund über seinen „Hals“ vorspringt (Abb. 481). Auch hier gibt es wie bei den Barbakanen gute Gründe, das Vorbild in Streichwehren zu suchen, die ab 1420 im hussitischen Tábor entstanden. Die schönsten schlesischen Beispiele findet man heute in Bautzen, wo sie zwischen den späten 1460er Jahren und dem frühen 16. Jahrhundert entstanden (Abb. 177), erwähnenswert ist aber auch die fast 50 m lange Streichwehr am Einfluss der Ohle in Breslau, die wohl 1486 begonnen wurde (Abb. 187). Weitere, kleinere Beispiele in Schlesien sind leider undatiert. Außerhalb Schlesiens findet man vergleichbare Formen nur selten; verschwundene Bauten in Cottbus und Rochlitz kann man noch dem schlesischen Einfluss zurechnen, solche in Steinau (Hessen) und Schwäbisch Hall wirken eher versprengt; freilich ist hier ein weiteres Mal zu vermerken, dass ein Abb. 233 Goslar, der „Dicke Zwinger“ entstand 1517 im Zusammenhang der links sichtbaren hohen Deckungswälle (vgl. Abb. 244) vor der gefährdeten Bergseite der Stadt. Ursprünglich besaß das Rondell ein hohes Spitzdach; die Fenster sind selbstverständlich viel jünger.
292 I. Systematischer Teil
sorgfältiges Sammeln bisher unbeachteter Beispiele das Bild verschieben könnte. Im norddeutschen Raum gibt es einige bedeutende und gut erhaltene Beispiele für Rondelle, die zu der Einschätzung führen könnten, der Bautypus sei hier besonders verbreitet gewesen. Dabei muss man sich jedoch vor Augen halten, dass die Entwicklung hier, im steinarmen Flachland, etwas anders verlief als weiter südlich. Wälle, Gräben und Wasser spielten eine deutlich größere Rolle bei den Umwehrungen, der Bau (back)steinerner Mauern kam deutlich später in Gang. Einerseits kam es daher zu Mischformen zwischen späten Rundtürmen und ersten Rondellen, andererseits wurden auch die voll entwickelten Rondelle anders in den Gesamtorganismus der Befestigungen eingefügt. Für die typische Mauerform insbesondere von Brandenburg, mit ihrer engen Reihung von Wiekhäusern, war die Anordnung einiger weniger, höherer Rundtürme in größeren Abständen üblich; sie waren neben den Toren die einzigen „echten“ Türme dieser Mauern, die witterungsgeschützte Räume besaßen und einen besseren Überblick über das Vorfeld boten (Abb. 495). Viele dieser selten näher datierten Rundtürme können erst ins 15. Jahrhundert gehören und wären damit schon an der Schwelle zum Artilleriezeitalter entstanden. Ein anschauliches Beispiel dafür, dass ein solcher regionaltypischer Rundturm auch Feuerwaffen beherbergen konnte, ist der Turm neben dem „Steintor“ in der Brandenburger Neustadt (um 1460 / 70). Er unterscheidet sich von den üblichen Rundtürmen des Landes im Grunde nur durch den großen Durchmesser bzw. die beachtliche Wanddicke und dadurch, dass er wesentlich reicher an Schlitzscharten ist; Material, Höhe und Zinnenkranz bleiben sonst ganz im Landesüblichen. Als Vergleich könnte man den gleichzeitigen, freilich weit reicher gestalteten Turm des „Elbtores“ in Werben (Altmark) anführen (Abb. 110). Echte, das heißt niedrige Rondelle findet man im brandenburgischen Backsteingebiet dagegen kaum; zu nennen wären der (undatierte) niedrige „Pulverturm“ in Stendal, einer von ehemals dreien dieser Art, und das Halbrondell vor dem „Friedländer Tor“ von Neubrandenburg. Generell mögen artilleristische Verstärkungen in dieser Region eher an den Toren konzentriert gewesen sein, was auch ihr
weitgehendes Verschwinden aus Verkehrsrücksichten erklären könnte. Es wäre ein durchaus zeittypisches Merkmal gewesen (vgl. 2.2.11.4.), verstärkt durch die flachlandtypischen, tief gestaffelten Wallgräben, die die Tore zu den einzigen Punkten werden ließen, an denen ein vorgeschobenes Werk leicht erreichbar war. Auch im Flach- und Hügelland weiter westlich setzte die Entwicklung zum Rondell vor 1500 erst zögerlich ein. Als einziges wirklich eindrucksvolles Beispiel ist hier das reiche Goslar zu nennen, wo erste Wirkungen der Feuerwaffen am „1459“ erbauten, aber noch hohen und schlanken „Kegelworthturm“ erkennbar sind, in Form flankierender Schlüsselscharten. Echte Rondelle findet man dann ab 1493 / 94, einerseits bei der Frankenberger Kirche, an der angreifbarsten Stelle der Stadt, andererseits am wichtigen „Breiten Tor“ (Abb. 180); sie sind noch direkt an die Mauer angesetzt. Wenig später folgte dann ein Wechsel des Systems, indem riesige Rondelle auf dem wohl gleichzeitig hoch aufgeschütteten Außenwall errichtet wurden: beim „Breiten Tor“ (1501), am „Klaustor“ (1503–07) und der „Dicke Zwinger“ auf dem „Thomaswall“ (1517); dieser letzte der sogenannten Zwinger erreichte mit einem Durchmesser von 24,40 m, einer Mauerdicke von 6 m und 20 m Höhe monumentale Dimensionen (Abb. 233). Entsprechende Rondelle an den großen Zwingern zweier Tore ergänzten das System: am „Breiten Tor“ (1505) und am „Rosentor“ (1508), im letzten Falle als monumentaler Schalenturm. Trotz der Fortschrittlichkeit dieses Systems, das die Geschütztürme an die absolute Peripherie der Befestigungen hinausschob, um das Vorfeld besser zu sichern, zeigt ein gut erhaltener Bau wie der „Dicke Zwinger“ auch noch Merkmale, die wenig zu einem konsequenten Einsatz schwerer Geschütze passten, insbesondere Balkendecken, relativ kleine Scharten und ehemals hohe Spitzdächer. Vergleichsfälle vorgeschobener Rondelle in Norddeutschland, auch in bescheidenerer Form als in Goslar, sind heute sehr selten geworden; eine Auswertung von Merianstichen und anderer früher Darstellungen würde sicher noch Erkenntnisse zur ehemaligen Verbreitung bringen, insbesondere in größeren Städten, aber Details von Material, Dimension, Baugestalt usw. werden uns generell verschlossen bleiben. Als erhaltener
Abb. 234 Solothurn, das Rondell an der Nordostecke der Stadt („Riedholzturm“) wurde inschriftlich „1548“ erbaut, zu einer Zeit, als nördlich der Alpen bereits die ersten Bastionen entstanden.
Bau ist etwa noch der „1500“ datierte „Diekturm“ in Einbeck sehenswert, der – hier mit gewölbtem Untergeschoss – auf dem Außenwall steht und dort ein Tor, zwei Mühlen und den Mühlenkanal sicherte; der Außenwall von Einbeck besaß noch weitere Rondelle, die aber anders als in Goslar flankierend vorsprangen. Im vorigen Kapitel wurden bereits einige Rondellbefestigungen angesprochen, die sich, obwohl noch vor 1500 begonnen, als anspruchsvolle, in der Regel ganze Städte umfassende Projekte bis weit ins 16. Jahrhundert hineinzogen (Zug, Glurns, Büdingen, Goslar). Diese Beispiele deuten schon das an, was auch die Betrachtung erhaltener Einzelbauten bestätigt: Der Höhepunkt in der Verbreitung der Rondelle hat in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelegen, als fast überall im deutschen Raum Bauten entstanden, deren massive Formgebung nun der Dynamik der Pulvergeschütze entsprach. Wiederum im Alpenraum beginnend, ist das ab 1502 Die Blütezeit der Rondelle, 1500–1550 aufwendig neu befestigte Solothurn noch heute eines der herausragenden Beispiele der Epoche (Abb. 234). Neben dem aus einem Doppelturmtor entwickelten „Baseler Tor“ (Abb. 215) entstanden hier bis zur Jahrhundertmitte mehrere massive Rondelle 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
293
und rechteckige Bollwerke mit gewölbten Innenräumen und monumentaler Rustikaschale; die völlig verschwundenen Torverstärkungen und Bollwerke von Zürich waren nach alten Abbildungen sehr ähnlich. Flachere und geräumigere, insoweit fortschrittlicher wirkende Rondelle waren der erstaunlich frühe „Grand Boulevard“ (1490–96) in Freiburg im Üechtland (Abb. 312) und der späte Schaffhauser „Munot“ (1563–89; Abb. 240, 315), der als eine Art Zitadelle freilich ein Sonderfall ist. Der „Nölliturm“ (1513; Abb. 27) und der „Baghardsturm“ in Luzern sind dagegen Beispiele turmartiger Rondelle, die eher architektonisch wirken wollen; gerade der Letztere wirkt mit seinen großen Fenstern freilich eher als Belvedere mit Seeblick. In Österreich scheint die erste Türkenbelagerung Wiens 1529 einen gewissen Befestigungsboom ausgelöst zu haben. Zumindest gibt es eine Reihe erhaltener Rondelle (Klosterneuburg, 1531; St. Veit an der Glan, 1531–34; Radstadt, 1533; Völkermarkt und andere), deren steil anzie-
hender Sockel und das Kordongesims meist auf oberitalienische Vorbilder verweisen; ein Blick auf den gleichzeitigen Burgen- bzw. Festungsbau der Region (etwa Hohensalzburg, Hohenwerfen) würde dieses Bild noch verfestigen. Auch die Hauptstadt Wien bestätigt den italienischen Einfluss, freilich auf andere Weise: Dort nämlich entstand gleichzeitig (ab 1531) mit der „Burgbastion“ die erste echte (das heißt fünfeckige) Bastion nördlich der Alpen; die Phase aufwendiger Rondellbefestigungen wurde dort offenbar übersprungen. Im Allgäu besitzt Füssen eine Stadterweiterung, die 1502 / 03 mit mehreren schwachen Eckrondellen befestigt wurde; ein kleines Rondell blieb auch in der Vorstadt von Kempten und in Lindau finden sich Reste des „Looserturmes“. Zu den besonders interessanten und gut erhaltenen Fällen aufwendiger Rondellbefestigung gehört dagegen Überlingen, das erstaunliche anderthalb Jahrhunderte lang mehrfach mit Rondellen verstärkt wurde (Abb. 235). 1502 / 03 entstand der
Abb. 235 Überlingen am Bodensee sicherte sich bis ins Bastionärzeitalter hinein durch Rondelle. Links der „Gallerturm“ (1502 / 03), noch hoch und schartenreich, rechts der nach dem Dreißigjährigen Krieg wiederaufgebaute, massive und frontal öffnungslose „Rosenobelturm“ (1657; Fotos M. Manske, G. Giebener).
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fünfgeschossige, noch nicht eingewölbte „Galler turm“, der von zwei „Welschen“ aus „Falensia“ (Valencia? Valence?) erbaut wurde. Es folgte 1522 / 23 der dreigeschossige und schon eingewölbte „St. Johannisturm“, den man dann 1634, im Jahr einer erfolglosen schwedischen Belagerung, auf erstaunliche sieben Geschosse erhöhte. Im Vergleich mit dem ähnlichen, aber anderthalb Jahrhunderte(!) älteren „Weißen Turm“ im nahen Biberach (Abb. 231) ist dies ein erstaunliches Zeugnis, wie lange Bauformen selbst in technisch innovativen Zeiten überleben konnten – zumal, da nochmals 23 Jahre später, 1657, in Überlingen ein letztes mächtiges Rondell ganz neu entstand, der „Rosenobelturm“, und zwar in einer Stadt, die sonst mit bastionären Erdschanzen und angeschütteten Geschützstellungen hinter den Mauern durchaus zeitgemäß geschützt war. Am Oberrhein, im Elsass, in Baden und der Pfalz sind nur kleinere Bauten aus der Phase der Rondelle erhalten geblieben, wobei freilich die Entfestigung der großen Städte wie Basel, Freiburg und Straßburg das Bild sicherlich verschoben hat; erwähnenswert ist im Elsass noch eine kleine Streichwehr in Weißenburg, in Bergzabern ein Eckrondell („Dicker Turm“), in Baden ist der „Gallusturm“ in Säckingen anzusprechen, in Villingen drei Streichwehren (1499?), in Rottweil das Eckrondell des „Pulverturmes“. Württemberg und Schwaben bieten dagegen noch einige schöne Ensembles dieser Zeit, darunter die Esslinger „Burg“, in Wahrheit ein geräumiges Artilleriewerk mit mehreren Rondellen, das zwischen 1519 und „1531“ auf dem die Stadt überhöhenden Berg vor die spätstaufische Schildmauer gelegt wurde. Schorndorf und Kirchheim unter Teck wurden ab 1538 als württembergische Landesfestungen ausgebaut, wovon aber nur Teile noch zu sehen sind. Der interessantere Fall war Schorndorf, wo große, bereits kasemattierte Rondelle nachträglich mit zurückgezogenen Flanken versehen wurden, ohne jedoch die Effizienz echter Bastionen erreichen zu können. Das gleichzeitige Kirchheim ist in seiner durchaus andersartigen Gestaltung ein gutes Beispiel für die Experimentierfreude dieser Übergangszeit zur voll entwickelten, bastionären Artilleriebefestigung. Dort nutzte man einen älteren Zwinger zur Anlage eines kasemattierten Walles, vor dem einige runde oder hufeisenförmige Streichweh-
Abb. 236 Trochtelfingen (Baden-Württemberg), der neungeschossige Rundturm, an der Südwestecke der kleinen gräflichen Residenzstadt, entstand aufgrund seiner Schartenformen wohl im mittleren 16. Jahrhundert (E. Lehle).
ren vorspringen; zwei etwa rechteckige, quaderverkleidete Kanonenplattformen springen selbst wenig vor den Wall, sind aber an der Spitze durch kleine Rondelle verstärkt. Erwähnenswert ist auch das große, gleichfalls kasemattierte Rondell in Wimpfen am Berg (vor 1546), das freilich, sonst nur durch kleine Streichwehren ergänzt, die ungünstig liegende Stadt kaum schützen konnte. Wohl schon ins mittlere 16. Jahrhundert, erkennbar auch an der Kissenrustika um die Maulscharten, gehört der runde „Hohe Turm“ in Trochtelfingen, der mit seinen neun(!) Geschossen ein weiterer Verwandter der hohen Kanonentürme in Biberach und Überlingen ist (Abb. 236). Er bildete die Ecke eines Zwingers, zu dem auch ein Doppelturmtor im Westen gehörte, jedoch auch schon eine kleine Bastion im Süden. Sie wurde durch drei größere, verschwundene Bastionen im Osten ergänzt, die wohl bis ins 17. Jahrhundert hinein realisiert wurden – ein kleines, aber schönes Beispiel für den Übergang von spätmittelalterlichen Formen zum bastionären System der Neuzeit, erklärlich wohl durch das fürstenbergische Schloss, das seinerseits im Zwinger stand und ihn auch als Garten nutzte. Ähnliche interessante Einblicke in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts als Übergangszeit 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
295
bietet Nördlingen, das schon durch seine ab 1519 entstehenden neuen Tortürme aufgefallen ist (vgl. 2.2.5.10.). Dort wurde zunächst (um 1530– 35) der Zwinger durch die „Backofentürme“ verstärkt, hufeisenförmig weit vorspringende, schartenreiche Streichwehren aus Backstein (Abb. 356). 1554 folgte dann mit der „Alten Bastei“ eine Art hohes Rondell als stadtseitig offene Schale, das nicht nur den Graben, sondern auch das Vorfeld bestreichen sollte (Abb. 237). 1607– 13 folgte die ganz ähnlich gestaltete (zerstörte) „Neue Bastei“, die nun aber schon als fünfeckige Bastion gestaltet war. Ähnlich wie in Schorndorf, Kirchheim oder Trochtelfingen ahnt man hier den tastenden Übergang zu den andersartigen Formen der Neuzeit, der aufgrund hoher Kosten und begrenzter Informationen zunächst nicht zu wirklich systematisch geplanten Festungen führte. Eben dies kann man auch über die Befestigungen von Nürnberg sagen, deren Ausbau nach 1500 gerade in seiner Wechselhaftigkeit prototypisch für die Epoche wirkt. Nachdem zunächst 1526 / 27 zwei große, kaum kasemattierte Eckrondelle entstanden waren – zwar in der Heimatstadt Dürers und zeitgleich mit seinem Buch Etliche underricht zu befestigung […], aber weitaus schlichter als dessen Ideen –, leistete sich die Stadt dann ab 1538 mit den „Burgbastionen“ die ersten echten Bastionen auf deutschem Boden; vorangegangen war ihnen allein die Wiener „Burgbastion“ (1531). Dass die Entwicklung jedoch keineswegs geradlinig verlief, zeigen die ebenfalls wohlerhaltenen „Dicken Türme“ an den vier Haupttoren, die nach einem Entwurf von G. Ungers in den 1550er Jahren entstanden (Abb. 238). Denn sie missachten, als hohe Geschützplattformen konzipiert, das Bestreichungsprinzip echter Bastionen wieder völlig und setzen allein auf Mauerstärke und zudem auf die Wirkung guter Architektur. Ihre wohlproportionierten Renaissanceformen wurden tatsächlich eine Art reichsstädtisches Symbol, wie der Umbau des „Sinwellturmes“ auf der Burg und die Türme des nürnbergischen Amtsschlosses Lichtenau zeigen – sowie der „Dicke Turm“ im feindlichen Ansbach. Erst im Dreißigjährigen Krieg kehrte Nürnberg wieder zum bastionäre System zurück, indem es wie viele andere Städte weit kostengünstigere Erdschanzen vor dem Graben 296 I. Systematischer Teil
anlegte. Außerhalb der Metropole Nürnberg blieben Rondelle in Franken auch nach 1500 selten. „Pfarrturm“ und „Schieferturm“ in Kronach entstanden ab 1509, in Weismain zwei Rundschalen um „1519“, in Stadtsteinach vielleicht alle Rondelle der Hauptmauer erst nach 1553. Das benachbarte Bayern scheint in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts überhaupt keine Bauten dieser Art errichtet zu haben. Wieder zurück am Rhein trifft man im Pfälzisch-Moselanischen ein ähnliches Nebeneinander eines aufwendigen Einzelbaues und vieler kleiner Verstärkungen. So verstärkte in Annweiler ein kleines Rondell von „1492“ in Glattquadern den Zwinger der Nordmauer; der „Dicke Turm“ in Bergzabern aus wohl sekundär verwendeten Buckelquadern mit Brillen- und anderen Scharten ist ähnlich zu datieren; der Mainzer „Alexanderturm“ (um 1500?) wurde stark verändert, von zwei Rondellen in Kirchheimbolanden blieben nur Stümpfe. Im armen Rheinischen Schiefergebirge sind keine Rondelle nachweisbar; der symbolhaft hohe und geschmückte Andernacher „Runde Turm“ besitzt zwar unten Scharten, aber seine Architektur verfolgt ganz andere Ziele (vgl. 2.2.4.10.). Dagegen wurde der auf einen spätrömischen Palast zurückgehende Stiftsbezirk in Pfalzel bei Trier wohl 1531–40 zu einer regelrechten Landesfestung ausgebaut, mit abgemauerten und kasemattierten Wällen und Großrondellen – freilich ein Sonderfall, denn das Dorf blieb leicht befestigt außerhalb. Am Niederrhein gab es vor allem im 16. Jahrhundert in einigen größeren Städten echte Rondelle, die aber in der Regel verschwunden sind (Köln, Neuss, Gladbach, Kempen, Düren); einige kleinere Beispiele sind erhalten, etwa in Zülpich, betont ornamental behandelt, und in Rees. Auch Hessen, Thüringen und Sachsen bieten heute nur noch wenig Einschlägiges aus der Zeit nach 1500. In Hessen dürfte der hohe Prozentsatz eher entlegener, finanzschwacher Kleinstädte, die sich starke Rondelle kaum leisten konnten, dabei eine Rolle spielen, aber auch die umfassenden Abrisse etwa in Frankfurt oder Kassel. Und dass im gerade um und nach 1500 reichen Sachsen die Zerstörungen des 19. Jahrhunderts den Bestand extrem reduziert haben, war schon vielfach zu betonen. In Gelnhausen ist der 1535 zuerst erwähnte „Halbmond“ erhalten, ein
innen offenes, schalenturmartiges Halbrondell an der bedrohten Bergseite, ähnlich den Nördlinger Bauten. Schleusingen in Thüringen besaß sieben kleinere, an die ältere Mauer angesetzte Rondelle, von denen eines „1513“ datiert ist. In Sachsen zeigt die späte, 1541–56 auf Kosten des Bergbauunternehmers Ulrich Erckel ummauerte Gründungsstadt Marienberg mehrgeschossige, aber relativ schwache Eckrondelle mit verschiedenen Schartenformen; in Kamenz gibt es etwas Ähnliches am Zwinger, jedoch stadtseitig schmal geöffnet. Im norddeutschen Flachland, westlich der Elbe, sind in Paderborn, Celle und Münster Rondelle als Spuren aufwendiger Neubefestigungen erhalten geblieben bzw. ergraben. Der 1507–30 entstandene hohe Deckungswall von Celle besaß große Eckrondelle, von denen eines ergraben und auf 1530 / 31 dendrodatiert wurde. In den beiden anderen Fällen standen die Rondelle auf den Außenwällen, wie schon die etwas früheren in Goslar: „1518“ ist jenes in Paderborn datiert, 1527–30 entstand der „Zwinger“ in Münster (der später zum Gefängnis ausgebaut wurde). Kleinere erhaltene Rondelle besitzen noch Verden (um 1512), Oldenburg („Pulverturm“ auf Außenwall, 1529) und Buxtehude („Zwinger“, 1539); undatierte sind schließlich in Unna, Lemgo, Borken, Haltern und Wiedenbrück (Westfalen) zu erwähnen, im hügeligen Südteil Niedersachsens in Northeim („Rodenbollwerk“), Duderstadt, Osterode und Bodenwerder; gerade in den letzten beiden Fällen muss man erwägen, ob nicht die gesamte Mauer erst mit den Rondellen zusammen entstanden ist. In den nordostdeutschen Backsteingebieten, in Mecklenburg, Pommern und dem Ordensland, gibt es insgesamt nur wenige Beispiele von Rondellen und diese sind, soweit wir die Datierungen kennen, meist erst spät erbaut worden; dass in diesen Regionen Artilleriewerke gerne vor den Toren entstanden – weil sie dort, bedingt durch die tief gestaffelten Wallgräben, besser ins Vorfeld wirken konnten –, ist schon erwähnt worden. In Mecklenburg ist der verschwundene „Zwinger“ am Rostocker „Steintor“ hervorzuheben, ein 1526–32 entstandenes, mit seinen fünf Geschossen noch turmartiges Rondell mit 6,5 m dicken Mauern, einem vorgekragten Zinnenkranz und zurückgesetztem Oberbau (Abb. 239). Der acht-
Abb. 237 Nördlingen (Bayerisch Schwaben), die „Alte Bastei“ (1554) ist eine Art mauerstarkes Halbrondell, eine Übergangsform aus der Zeit, als anderswo im deutschen Raum die ersten italienisch geprägten Bastionen entstanden.
Abb. 238 Nürnberg, der Rundturm am „Laufer Tor“ entstand 1556 als dickwandige Ummantelung des mittelalterlichen Torturmes; entsprechende Bauten entstanden an den anderen drei Haupttoren. Da Nürnberg ab 1538 schon moderne Bastionen erhalten hatte, stellte die Rückkehr zum Prinzip hoher Rondelle einen Anachronismus dar, der sich aber ebenfalls an italienische Vorbilder hielt, an das Mailänder „Castello Sforzesco“.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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eckige „Lagebuschturm“ in derselben Stadt, der erst 1574–77 entstand, zeigt noch klarer, wie lange an der Ostsee Türme gebaut wurden. Auch in Pommern findet man neben artillerietauglichen, weit vorgeschobenen Torbauten nur wenige Rondelle offenbar des 16. Jahrhunderts, so in Stargard – mit kreuzförmigen Schlüsselscharten aus Formsteinen – in Stolp und Pyritz. Und ganz ähnlich ist die Lage im Ordensland Preußen, wo Bauten an den Hauptmauern von Guttstadt, Braunsberg und Rastenburg zu erwähnen sind. Zusammenfassend kann man über die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts sagen, dass die erhebliche Anzahl und weite Verbreitung der Rondelle hier den Höhepunkt dieser Bauform markiert; jedoch ist dies bei genauerer Betrachtung noch zu differenzieren. Dann nämlich wird Abb. 239 Rostock (Mecklenburg-Vorpommern), das frühere Rondell vor dem Steintor („Zwinger“, 1526–32), Ansicht und Grundrisse, Umzeichnung nach einer Bauaufnahme von 1849 (A. F. Lorenz, Zur Geschichte der Rostocker Stadtbefestigung, 1935).
298 I. Systematischer Teil
deutlich, dass nur noch wenige feste Plätze so konsequent mit modernen Befestigungen ausgestattet wurden, dass sie einer echten Belagerung mit Artillerie hätten widerstehen können. Soweit es sich dabei um Städte handelte, waren dies entweder reiche Metropolen mit eigener Machtposition oder aber landesfürstliche Städte, die als Grenzfestungen oder Residenzen modern ausgestattet wurden. Die große Mehrheit der aufgezählten Rondelle bildeten jedoch nur ganz punktuelle Verstärkungen von Mauern, die im Großen und Ganzen in ihrem mittelalterlichen Zustand verblieben. Die meisten dieser „Rondelle“ – eher klein, relativ hoch und an die Hauptmauer angesetzt – standen Türmen noch sehr nahe und bildeten im Grunde nur den Ausklang jenes lang gezogenen Baugeschehens, bei dem anfangs turmarme Mauern sukzessive mit Türmen ganz verschiedener Form verstärkt wurden; dass die letzten dieser Türme in ihrer Dickwandigkeit und mit neuen Schartenformen Vorboten eines ganz neuen Zeitalters waren, das für die Stadtmauern ein schnelles Ende bedeuten würde, war solchen Bauten noch kaum anzusehen. Dass gerade in den mittel- und ostdeutschen Regionen nach 1500 nur wenige Rondelle zu nennen waren, hat einerseits sicherlich mit den umfassenden Zerstörungen des 19. / 20. Jahrhunderts zu tun. Bis zu eingehenderen Untersuchungen, die etwa in Sachsen ein vollständigeres Bild des ehemaligen Bestandes zeichnen könnten, darf man aber auch mit aller Vorsicht erwägen, ob hier die Blüte dieser Bauform vielleicht schon vor 1500 gelegen hat – was ein weiteres Indiz dafür wäre, dass sie eben dort ihren Ursprung gehabt haben könnte. 1531 war in Wien die „Burgbastion“ im Bau, ab 1538 folgte in Nürnberg die Bastionsgruppe gleichen Namens. Damit war – zeitparallel zu vielen Rondellen, die im vorigen Kapitel angesprochen wurden – ein grundsätzlich neues, in Norditalien entwickeltes Prinzip der Artilleriebefestigung zum ersten Mal in den deutschen Raum vorgedrungen. Echte Bastionen setzten die Artillerie weitaus effektiver ein, indem ihr fünfeckiger Grundriss den Schussbahnen jeweils nur weniger Geschütze in den „Flanken“ (den Seiten) der Nachbarbastion exakt folgte. So war eine lückenlose Bestreichung des Bastions-
Abb. 240 Schaffhausen (Schweiz), der Munot auf einem die Stadt überhöhenden Berg ist eine Art Zitadelle als riesenhaftes Rondell (1564–89); nur die kleinen Streichwehren achteten bereits auf systematische Flankierung. Grundrisse von Untergeschoss und Hauptgeschoss (vgl. Abb. 315; Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Kanton Schaffhausen, Bd. 1, 1951).
fußes mit relativ geringem Aufwand möglich; die auf das Vorfeld gerichteten Geschütze standen weiterhin auf den Plattformen, das Innere der Bastionen bestand aus Kostengründen und wegen der Unzerstörbarkeit aus Erde. Diese neue Form der Befestigung prägte, immer wieder abgeVerspätete Rondelle, 1550 bis nach 1600 wandelt und verbessert, die gesamte frühe Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert hinein, wobei ihr endgültiger Durchbruch außerhalb Italiens, erkennbar an der etwa gleichzeitigen Entstehung zahlreicher aufwendiger Festungen, um 1560 anzusetzen ist. Vor dem Hintergrund einer so konsequent funktionalen und rasant sich verbreitenden Bauform – die nicht ohne Grund als „erste internationale Architektur“ bezeichnet wurde (Stanislaus von Moos) und auf architekturgeschichtlichem Gebiet zu den wichtigsten Zeichen der Wende zur Neuzeit zählte – könnte man nun annehmen, dass die vergleichsweise uneffektive Form des gemauerten Rondells spätestens ab der Mitte des 16. Jahrhunderts schlagartig verschwand. Dies war jedoch so abrupt nicht der Fall, sondern es wurden noch ein volles Jahrhundert lang hier und dort Rondelle gebaut, teilweise in monumentalen Formen; einige erhaltene seien aufgezählt. 1558– 64 entstand der „Archivturm“ in Brugg / Aare, um 1560 ein Rondell an der äußeren Mauer von Waltershausen in Thüringen, 1563–89 schließlich einer der Höhepunkte des Bautypus überhaupt, der „Munot“ in Schaffhausen, eine regelrechte Zitadelle in Form eines riesigen Rondells, mit kleineren Rondellen als Streichwehren (Abb. 240).
1574–77 ist der achteckige „Lagebuschturm“ in Rostock zu datieren, 1583 eines von zwei Rondellen in Aschersleben. Im 17. Jahrhundert ist ein kleines, 1649 datiertes Rondell in Lenzburg im Aargau zu erwähnen, ebenso die beiden riesigen Rondelle in Überlingen: der 1634 auf sieben Geschosse erhöhte, ältere „St. Johannisturm“ und schließlich der 1657 völlig neu errichtete „Rosenobelturm“. Wie hat man ein so erstaunlich langes Nachleben einer technologisch „überholten“ Bauform zu interpretieren? Mehrere Gründe mögen zusammengewirkt haben. Einerseits pflegt das Wissen um die beste funktionale Lösung sich nicht gleichmäßig zu verbreiten; militärisch bedrohte Städte und Territorien – wie im 16. Jahrhundert etwa die protestantischen oder allgemein Grenzfestungen und Residenzen – kümmern sich erfahrungsgemäß intensiver um die neuesten Bauformen und bringen mehr Geld dafür auf. Kleine, abgelegene Städte bleiben dagegen eher im Windschatten der Entwicklungen und begnügen sich daher im Ernstfalle auch einmal mit einer zwar „altmodischen“, aber bezahlbaren Lösung. Andererseits aber dürften Rondelle auch nicht vollständig unfunktional geworden sein. Nicht jeder Teil einer bastionären Festung bedarf perfekter Flankierung, sodass man weiterhin auch einmal ein Rondell bauen oder auch nur beibehalten konnte, als Vorwerk minderer Bedeutung oder auch als Kern eines Werkes, der nicht dem ersten Angriff ausgesetzt war. Als berühmtes, architektonisch hochrangiges Beispiel für ein Vorwerk, das einen Ravelin ersetzte, kann 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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der „Maschikuliturm“ der Festung Marienberg in Würzburg genannt werden, der 1724–1729 von Balthasar Neumann erbaut wurde. Seine zahlreichen Schießscharten zeigen seine Aufgabe in der Nahverteidigung, die „Maschikuli“ – in Wahrheit Senkscharten für Gewehre – verdeutlichen aber auch, dass Neumann hier bewusst mittelalterliche Bauten zitierte. In den Festungen des 19. Jahrhunderts, die hier nur noch am Rande zu zitieren sind, erlebten eingewölbte, schartenreiche Rundbauten schließlich ein letztes kraftvolles Comeback, vor allem als Reduits von Bastionen oder Forts. Auch bei ihnen kam es mehr auf radiale Bestreichung des Vorfeldes (und bombensichere Innenräume) als auf die Flankierung gerader Bastionsfacen an. Rondelle waren vom 15. bis zum 17. Jahrhundert an Städten, Burgen und frühen Festungen ein so verbreitetes Phänomen, dass ihre Bezeichnung in weiten Teilen der Literatur fast zum Synonym für jedes turmähnliche, zur Aufstellung Abb. 241 Zwettl (Niederösterreich), die Stadtmauer besitzt polygonale Türme des 15. Jahrhunderts, hier der „Antonturm“, die bereits für Feuerwaffen eingerichtet sind.
300 I. Systematischer Teil
von Geschützen eingerichtete Bauwerk geworden ist, auch wenn es nicht rund ist. Jene Kanonentürme, Nichtrunde Kanonentürme die einen anderen Grundriss aufweisen, sind dabei fast völlig aus dem Blickfeld geraten, was nun doch – trotz ihrer relativen Seltenheit – das Bild etwas verfälscht. Denn die anderen Grundrisse solcher Bauten, polygonale, rechteckige, fünfeckige und weitere, sind einer der Belege dafür, dass in dieser letzten Epoche vor dem Aufkommen der perfekt funktionalen Bastion eben noch keineswegs klar war, welche Grundrissform der neuen Technologie am besten widerstehen und ihr zugleich die besten Einsatzmöglichkeiten bieten konnte. Es war eine Phase des Suchens und Experimentierens, aus der für eine Zeit lang die Rundform als die scheinbar geeignetste hervorging. Die Rundung ließ Geschosse besser abprallen, und ihre radial angeordneten Scharten bestrichen das Vorfeld ohne große Lücken; erst die Bastionsform, die mit deutlich weniger Geschützen eine völlig lückenlose Bestreichung des Mauerfußes ermöglichte, konnte dies übertreffen. Mehr als isolierte Kuriosa denn als eigenständige Bauformen sind Türme über ovalem und achteckigem Grundriss zu erwähnen. Oval ist der „Katzenturm“ in Feldkirch (1491–1507), der auch durch seine beachtliche Höhe die Unsicherheit seiner Epoche erkennen lässt. Die Grundrissform einer Acht weist ein mit Schlüsselscharten ausgestatteter Turm in Lauda an der Tauber auf. Polygonale Türme in variantenreicher Grundrissform, die man unter anderem im österreichischen Raum und im bayerischen Alpenvorland findet, typischerweise oft in Verbindung mit „echten“ kleinen Rondellen, verdankten ihre Gestalt sicher demselben Gedanken wie die Rondelle, nämlich, dass die Geschosse der Belagerung seitlich abgelenkt werden sollten. Noch aus dem 15. Jahrhundert dürften solche Türme etwa in Zwettl (Abb. 241) und Waidhofen an der Thaya sowie ein Eckturm in Steyr stammen, in der Regel nur mit Scharten für Musketen und kleine Geschütze versehen; entsprechende Türme in Pfarrkirchen wurden offenbar mit der gesamten Mauer erst 1558 vollendet. Einige fünfeckige Türme im süddeutschen Raum haben deswegen zeitweise besondere Aufmerksamkeit gefunden, weil sie in einer frühen
Diskussion als Argument herangezogen wurden, dass die fünfeckige Bastion des 16.–19. Jahrhunderts nicht in Italien, sondern in Deutschland erfunden wurde; diese stark nationalistisch gefärbte Kontroverse, bei der die deutsche Seite zeitweise auch Albrecht Dürer aufbot, ist längst überholt, der italienische Ursprung der Bastion geklärt. Jene ganz wenigen Fünfecktürme im deutschen Raum, die vor dem mittleren 16. Jahrhundert entstanden sind, muss man in heutiger Sicht jenen vielfältigen formalen Experimenten zurechnen, die das Aufkommen der Feuerwaffen auslöste, zumal es durchaus ältere Beispiele auch solcher Formen gibt (vgl. 2.2.4.7.). Mit der gut nachvollziehbaren, auch von theoretischen Diskussionen begleiteten Entwicklung zur Bastion, die in Italien in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts einsetzte, haben sie fraglos nichts zu tun, wie allein schon ihre große geographische Streuung zeigt. Als frühes Beispiel fünfeckiger Türme kann man etwa Ingolstadt nennen, wo es in der ab 1363 ausgebauten äußeren Mauer auch einzelne, noch hohe und nicht für Pulverwaffen eingerichtete Fünfecktürme gab (Abb. 62). Zeitweise als bastionäre Frühform galt ein „1448“ datierter, fraglos interessanter, weil kaum veränderter Turm in Neckarbischofsheim (Abb. 72) und vielleicht noch in die zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mag der auf dem Zwinger stehende „Folterturm“ in Wemding bei Nördlingen gehören. Weitaus die meisten fünfeckigen Geschütztürme dürften aber erst in die Zeit der Bastionen entstanden sein, ins 16. / 17. Jahrhundert, und quasi als deren Sparform bzw. fünfeckige Streichwehr gelten. Das gilt etwa für den Turm auf der „Reußbrücke“ in Bremgarten (Aargau; 1544–49?) und für eine Reihe von Befestigungen, die in der Zeit der Türkengefahr im Burgenland entstanden (Rust 1614; Stadtschlaining; Güssing). Aber auch im Westen des deutschen Raumes findet man Beispiele (Kaiserslautern, um 1620; St. Johann / Saarbrücken, nach 1680). Das experimentelle Vorgehen der Baumeister im Zeitalter der frühen Pulvergeschütze verdeutlicht letztendlich die Tatsache, dass auch Kanonentürme und Streichwehren in mancherlei Übergangsformen gebaut wurden, die einfach rechteckig sind bzw. waren; ihre Entwerfer suchten ihr Heil noch allein in Mauerstärke und hin-
Abb. 242 Ornbau (Mittelfranken), die kleine Stadt erhielt um 1480 / 90, als eine Art eichstättische Grenzfestung, ungewöhnliche rechteckige Geschütztürme.
reichend Aufstellungsplatz für eigene Geschütze, aber nicht in Abwandlungen der Grundrissform. Interessant ist in dieser Hinsicht die erst um 1446–83 aus einem Erdwall entstandene, fast völlig verschwundene äußere Mauer von Erfurt, die eine eindrucksvolle Mischung traditioneller und neuer Elemente zeigte. Neben einem einzigen hohen Turm mit vier Ecktürmchen, Runderkern auf Strebepfeilern und (niedrigen) Tortürmen – also weitgehend traditionellen Elementen – traten hier Eckrondelle und eben auch rechteckige Streichwehren. Teils riesige, auch als Tore genutzte rechteckige Streichwehren, die um 1477 / 87 an die Mauer angebaut wurden, zeigt auch Ornbau, eine eichstättische Festung (Abb. 242). Die rechteckigen, nur an der Spitze durch Streichwehren verstärkten Kanonenplattformen in Kirchheim unter Teck sind schon erwähnt worden; ähnlich muss man sich jene großen Rechteckbollwerke in Freiburg im Breisgau und Rottweil vorstellen, die wir nur noch aus alten Abbildungen kennen. Eine Sonderform war der „Kriegerturm“ in Laubach (um / nach 1500), ein Rechteck mit gerundeten Ecken und flankierenden Maulscharten; ähnliche Türme gab es wohl im gleichfalls solmsischen Lich. Als Beispiele kleinerer Rechtecktürme für Geschütze kann man etwa einen in Mürzzuschlag in der Steiermark (1478–85), den „Pfarrturm“ in Meersburg (Ende des 15. Jahrhunderts?), den „Pechnasenturm“ in Schwäbisch Hall (ab 1515; Abb. 394) 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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und vergleichbare Bauten in Crailsheim und Langenburg anführen. Ein rechteckiger Schalenturm in Laupen (Kanton Bern) würde den Schlusspunkt des Themas setzen, falls die Inschrift „1700“ wirklich erst seine Erbauung meint. Dass auch manche Tore und Vortore des späten 15. und des 16. Jahrhunderts die Form rechteckiger Kanonentürme oder -plattformen annahmen, sei zum Abschluss nochmals erwähnt (vgl. 2.2.5.10.). Ornbau (1477–87) war angesprochen worden, benachbarte Beispiele bieten die Vortore des „Bergertors“ (1573 / 74; Abb. 134) und des „Reimlinger Tors“ (1597) in Nördlingen. Im Alpenraum schließlich seien die Tortürme in Glurns – ab 1520, als isolierte kleine „Zitadelle“ (Abb. 145, 297) – sowie in Feldkirch („Mühletor“ in Hausform) und Bludenz erwähnt. 2.2.11.6. Befestigte Außenwälle, Deckungswälle In der Einleitung zum Kapitel über die umlaufenden Zwinger war zu erklären, dass dieser Begriff mancherlei Missverständnissen ausgesetzt war und ist (vgl. 2.2.8.1.), vor allem auch in dem Sinne, dass in Wahrheit recht unterschiedliche Abb. 243 Zwinger und befestigter Außenwall unterscheiden sich funktional wenig, beides sind vorgelagerte Plattformen insbesondere für die Verteidigung mit Feuerwaffen. Der Außenwall erforderte jedoch weniger Veränderung der vorgefundenen Anlagen, indem einfach der oft vorhandene Erdwall ausgebaut wurde (vgl. Abb. 183).
302 I. Systematischer Teil
Bauformen gerne unter dieser Bezeichnung „in einen Topf geworfen“ werden. Eine letzte dieser Bauformen bleibt hier anzusprechen, nämlich der befestigte Außenwall. Der oft übersehene Unterschied zwischen einem umlaufenden Zwinger und einem befestigten Außenwall liegt darin, dass nicht eine direkt vor der Hauptmauer liegende Plattform mit einer feldseitigen Stützmauer, einem Wehrgang und Streichwehren versehen ist, sondern dass vor der Hauptmauer zunächst der übliche Graben und erst vor diesem ein Außenwall liegt, der durch die entsprechenden Bauteile verstärkt ist, schließlich noch ein äußerer Graben (Abb. 243). Grundsätzlich haben beide Formen, Zwinger und Außenwall, dieselbe Funktion, nämlich die einer umlaufenden Plattform für Schützen und Artillerie, die die Bestreichung des Grabens und des Vorgeländes wesentlich verbesserte. Der verteidigungsfähige Außenwall bietet aber noch zusätzliche Vorteile: Er liegt weiter vor der Hauptmauer und hält daher die Artillerie des Belagerers in größerem Abstand; außerdem schützt der innere Graben die Hauptmauer auch dann noch, wenn der Wall schon eingenommen ist. Es handelt sich also um das vorteilhaftere, aber mit einem zusätzlichen Graben auch aufwendigere Modell, was die Frage nahelegt, in welchen Fällen es vorgezogen wurde. Die nächstliegende Antwort ist fraglos, dass Gräben und Wälle vielfach, vor allem im Flachland, schon seit den Anfängen der Ummauerung vorhanden waren, allerdings zunächst nur als reines Annäherungshindernis ohne Mauerverkleidung oder Flankierungsbauten (vgl. 2.2.1.2; Abb. 183). In diesen Fällen wäre vom inneren Graben wenig übrig geblieben, wenn man einen Zwinger in ihn hätte hineinbauen wollen; man hätte den Graben und in der Konsequenz auch den Wall und den Außengraben zur Feldseite hin „verschieben“ müssen, was enorme Erdbewegungen bedeutet hätte. Der Ausbau des Walles zur zweiten Verteidigungslinie war unter solchen Voraussetzungen die weit einfachere Lösung. Die im Folgenden genannten Beispiele solcher befestigten Außenwälle werden geographisch geordnet, weil genaue Datierungen häufig fehlen und um die weite Streuung des Phänomens deutlich zu machen; nur im Hochgebirge fehlte es völlig. Dass es sich, im Gegensatz zum Fes-
tungsbau als geschlossenes System, wie er im 16. Jahrhundert aufkam, noch um einen recht flexibel anwendbaren Bautypus handelte – die Länge war ebenso wie die Größe der Streichwehren und Rondelle frei wählbar –, zeigt sich auch darin, dass er keineswegs auf die Spitzengruppe der großen Städte beschränkt blieb. Befestigte Außenwälle waren offensichtlich wie ihr Pendant, die Zwinger, eine auch für kleinere Städte noch finanzierbare Bauform. In der Schweiz besaßen die wichtigen Städte Zürich, Schaffhausen und Kleinbasel, alle halbwegs flach liegend, Außenwälle; Reste sind jedoch nur im kleinen Sursee erhalten. Ganz ähnlich ist der Befund im Elsass, wo es überhaupt keine Zwinger gab, sondern ausschließlich Außenwälle, manchmal nur an der flachen Talseite im Hügelland liegender Städte (ehemals in Straßburg, Mülhausen und Rufach; überbaut erhalten in Egisheim, wenig verändert in Bergheim (Abb. 325) und Niederehnheim). Auch in Baden gab es diverse, meist verschwundene Außenwälle mit und ohne Streichwehren; erwähnenswert sind Villingen wegen seiner gesicherten Datierung um 1440 und Sulzburg, wo eine alte Darstellung eine hohe Zinnenmauer auf dem Außenwall zeigt. Im Schwäbischen wäre außerdem Urach zu nennen, wo ein an der Bergseite vorgelagerter Außenwall mit ehemals vier Rondellen weitgehend erhalten ist, sowie Reste in Ravensburg (beide wohl erste Hälfte des 16. Jahrhunderts). Am Nordende des Oberrheins besaß Mainz verschwundene Außenwälle. Damit sind die süddeutschen Beispiele im Wesentlichen schon genannt; warum etwa in Bayern und Österreich bisher nichts Vergleichbares zu notieren ist, bliebe zu klären. In Hessen gehört ein Außenwall mit Rondellen an der flachen Südseite zu den spektakulär erhaltenen Befestigungen von Büdingen, und in Korbach ist die Mauerverkleidung einer ähnlichen Anlage mit rechteckigen Scharten und zwei runden Streichwehren erhalten. In Thüringen ist Schmalkalden zu erwähnen, wo ebenfalls die Mauer mit noch einer von zwei Streichwehren erhalten blieb (1429–64, beim Bau als „Zwinger“ bezeichnet), in Sachsen Pirna mit nur landseitigem Außenwall mit rechteckigen Streichwehren. Schlesien hat fraglos viele unbefestigte Außenwälle besessen, von den befestigten Beispielen ist aber kaum etwas erhalten. Nur in Jauer, wo
Abb. 244 Goslar (Niedersachsen), die Bergseite der Stadtmauer – ihre niedrigen Reste sieht man links – wurde im 15. Jahrhundert durch einen Deckungswall (rechts) gegen direkten Beschuss gesichert. Der Wall ist so hoch, dass er die Mauer auch verdeckte, als sie noch ihre Originalhöhe hatte.
1510–59 eine Anlage mit drei für Schlesien typischen, sehr langen Streichwehren entstand, ist eine davon, die „Engelsburg“, erhalten; in wichtigen Städten wie Breslau, Liegnitz (1530–63) und Schweidnitz (1526) ist alles verschwunden. Das durch den Silberbergbau reiche Goslar leistete sich im Wesentlichen 1494–1517 die wohl spektakulärste Außenwallanlage, die heute noch erhalten ist; sie ist schon im Zusammenhang der Torzwinger und der Rondelle als bedeutendes Beispiel zu erwähnen gewesen (Abb. 244). Der Wall in Goslar war nicht nur durch seine Höhe ungewöhnlich – er verdeckte die ältere Mauer praktisch vollständig –, sondern auch durch den Verzicht auf Bestreichung des Außengrabens. Statt vorspringender Streichwehren standen hier massive Rondelle – erhalten ist vor allem der „Dicke Zwinger“ (1517) mit 5 m dicken Mauern (Abb. 233) –, isoliert oder im Zusammenhang der Tore, auf dem Wall. Ihre Scharten konnten bedingt die Gräben, aber auch das Vorfeld bestreichen; ein zugleich fortschrittliches und inkonsequentes System, denn „tote Winkel“ waren bei den kleinen Scharten häufig, die hohen Spitzdächer sehr verwundbar. Dementsprechend verzichtete man in der letzten Fertigstellungsphase, bis etwa 1547, auf weitere Rondelle und baute nun Kasematten in den Wall, die besseren Schutz, aber weiterhin keine konsequente Flan2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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kierung boten. Solche Kasematten mag es öfter gegeben haben, ohne dass wir sie noch nachweisen könnten; so zeigt etwa ein Holzschnitt der Belagerung von Münster 1534 Geschütze, die aus Scharten im Erdwall feuern. Der gebirgige Südteil von Niedersachsen hat auch sonst interessante Beispiele zu bieten. Einbeck sei hier erwähnt, obwohl seine dendrodatierten Wälle – der innere um 1440, der äußere 1493 – nicht befestigt waren; sie zeigen auch so, ähnlich wie Quellen von 1441 in Helmstedt, dass im 15. Jahrhundert zunehmend Wert auf diese einen Abstand schaffenden Außenwerke gelegt wurde. Braunschweig besaß ab der Mitte des 14. Jahrhunderts einen Außenwall, der im frühen 15. Jahrhundert halbrunde Streichwehren erhielt; ab dem 17. Jahrhundert ging dies alles in den Bastionen auf. Northeim legte zwischen 1468 und 1491 einen in Resten erhaltenen Außenwall mit Rondellen und Torzwingern an, und Ähnliches gab es in Hameln (ab Mitte des 15. Jahrhunderts; Inschriften von 1531 und 1556) und in Hildesheim. Im norddeutschen Flachland findet man am Niederrhein zahlreiche doppelte Wallgräben, aber kaum Außenwälle, die mit Mauerfront und Streichwehren verstärkt sind; zu erwähnen ist Zons, wo im 16. Jahrhundert immerhin Mauerfronten entstanden. Westfalen bewahrt zwei Beispiele, die an das Goslarer Modell erinnern, nämlich kräftige Rondelle auf dem Außenwall. In Münster ist dies der neuzeitlich zum Gefängnis umgebaute „Zwinger“, in Paderborn ein „1518“ datiertes Rondell. Auch sonst waren befestigte Außenwälle in Westfalen häufig, etwa in Minden und Bielefeld, aber es gibt kaum Reste. In Oldenburg zeugt noch der „Pulverturm“, ein Rondell von 1529, vom ehemaligen Außenwall. Im nördlichen, flachen Teil Niedersachsens ist Lüneburg von besonderem Interesse, weil eine Grabung 1968 die Gesamtentwicklung seiner Wallanlagen klären konnte; sie dürfte an vielen Orten des Flachlandes ähnlich abgelaufen sein. Dort nämlich gab es schon im 12. Jahrhundert einen dreifachen Wall, zunächst ohne Mauer, die erst um 1300 auf den inneren Wall gesetzt wurde. Die beiden äußeren vereinte man im 15. Jahrhundert zu einem einzigen breiteren Wall, der durch eine feldseitige Stützmauer und Rondelle zu einer durchaus artillerietauglichen 304 I. Systematischer Teil
Befestigung wurde; sie bestand, partiell modernisiert, bis ins 18. Jahrhundert. In den mittel- und ostdeutschen Flachlandregionen sind bisher kaum befestigte Außenwälle erkennbar. Die wichtige Handelsstadt Frankfurt an der Oder dürfte nach alten Darstellungen einen Außenwall mit Rondellen besessen haben, im Ordensland erhielt Elbing nach der Schlacht bei Tannenberg 1410–37 einen Außenwall mit kleinen Rondellen, der an jenen der Marienburg erinnerte. Eine nur ganz vereinzelt auftretende Sonder form des befestigten Außenwalles im beginnen den Artilleriezeitalter bestand darin, dass der Wall nicht nur als relativ niedriges Annäherungshindernis bzw. als Artillerieplattform vor Mauer und Graben lag, sondern dass er als Deckungswall so hoch aufgeschüttet wurde, dass er die dahinter liegende Mauer gegen direkten Beschuss schützen konnte. Dass dieses Konzept passiver Verteidigung keine nennenswerte Verbreitung fand, ist leicht zu erklären, denn es besaß mehr Nach- als Vorteile. Um den Wall bis zu einer Höhe von 6–8 m über dem Gelände aufzuschütten, waren einerseits umfangreiche Erdarbeiten nötig, andererseits aber blieben die aktiven Einwirkungsmöglichkeiten der Verteidiger begrenzt, denn die Wallkrone konnte keine nennenswerte Breite mehr haben und die Wehrgänge und Türme der älteren Mauer hatten eben, weil sie nun hinter dem Wall verdeckt lagen, kein freies Schussfeld mehr. Der Deckungswall alleine brachte also noch keine ernsthafte Verbesserung, er bedurfte vielmehr der Ergänzung durch zusätzliche Bauten für die Geschütze der Verteidiger, wodurch der Aufwand nochmals erheblich stieg. Das heute noch eindrucksvollste Beispiel eines solchen Deckungswalles ist das schon vielfach in anderen Zusammenhängen erwähnte Goslar, wo der um 1494–1517 entstandene Deckungswall durch große, gemauerte Rondelle auf dem Wall selbst ergänzt wurde (Abb. 244). Aus dieser Position und durch die viel zu kleinen Scharten konnte von einer effektiven Bestreichung des Vorfeldes keine Rede sein, sodass man dieses Experiment als gescheitert bezeichnen muss. Andere Beispiele waren früher in Braunschweig, Einbeck und Northeim zu finden. Iphofen bietet noch ein bescheideneres, aber weitgehend erhaltenes Beispiel, beson-
ders anschaulich dadurch, dass das (vermauerte) Vortor des „Pesttores“ deutlich unter der Wallkrone liegt, folglich nur vor der Aufschüttung des Walls nutzbar war. Weit sinnvoller war fraglos die Kombination eines hohen Deckungswalles mit vorspringenden Eckrondellen, wie man sie wenig später (1507–30) etwa in Celle schuf; der damals hoch aufgeschüttete und durch vier gemauerte Rondelle ergänzte Wall stammt im Kern von der Erstbefestigung der 1292 gegründeten Stadt. Erscheint schon dies als unmittelbarer Vorgänger bastionärer Befestigungen, so gilt dies noch mehr für Schorndorf, das ab 1538 seinen hohen Außenwall mit polygonalen Erdbollwerken und kleinen fünfeckigen Streichwehren an den Ecken verstärkte. Von hier war es nur noch ein kleiner Schritt zur „echten“, aus Italien importierten Fünfeckbastion, deren erste Vertreter auf deutschem Boden tatsächlich schon im gleichen Jahrzehnt in Wien und Nürnberg begonnen wurden. Erwähnt sei abschließend, dass Deckungswälle mit oder ohne Rondelle möglicherweise bei Burgen bzw. „festen Schlössern“, deren kleinerer Umfang manches erleichterte, verbreiteter als bei Städten waren. Als erhaltene oder erforschte Beispiele seien etwa Westerburg (ohne Rondelle), Gifhorn oder Rüsselsheim genannt. 2.2.11.7. Rondelle und Kanonenplattformen aus Erde Schon mit der Behandlung der Zwinger (2.2.8.3.) und der befestigten Außen- und Deckungswälle (2.2.11.6.) wurde eine der zukunftsträchtigsten Veränderungen berührt, die im Befestigungswe-
sen durch das Aufkommen der Feuerwaffen ausgelöst wurde: der Ersatz von Mauerwerk durch Erdschüttungen. Die ersten Erfahrungen mit Belagerungsartillerie zeigten mit aller Deutlichkeit, wie leicht Mauerwerk durch die neuen Waffen zu zerstören war, und legten die Rückkehr zu Befestigungen nahe, die im Wesentlichen aus Erdschüttungen bestanden, denn in ihnen, die wie schon im Frühmittelalter schnell und kostengünstig herzustellen waren, blieben die Kanonenkugeln einfach stecken, ohne große Schäden anzurichten. Ein weiterer Vorteil von Erdschüttungen ergab sich daraus, dass Geschütze geräumige Aufstellungsplätze benötigten. Die schmalen Wehrgänge und engen Turmräume der mittelalterlichen Befestigungen waren dafür ungeeignet, man brauchte vielmehr Plattformen von mehreren Metern Tiefe – und die waren auf Erdwällen allemal billiger als auf ähnlich dicken Mauern zu schaffen. Erdwerke der vorbastionären Phase sind nur sehr selten erhalten, denn sie nahmen einerseits sehr viel Raum ein und waren andererseits weitaus leichter als Mauerwerksbauten zu beseitigen. Beides führte dazu, dass sie – ähnlich wie ihre Nachfolger, die Bastionärbefestigungen – im 19. Jahrhundert fast überall planiert wurden, um die Ausdehnung der Stadt nicht zu behindern (vgl. 2.3.). Was wir über die Verbreitung und Gestalt solcher Erdwerke aus der Frühzeit der Artillerie wissen, beruht also kaum je auf der Untersuchung erhaltener Anlagen, deren Schlichtheit ohnehin kaum detaillierte Analysen zulässt, sondern weit überwiegend auf frühen Darstellungen der Städte, darunter vor allem jenen von Braun / Hogenberg und Matthäus Merian, aber
Abb. 245 Im 17. Jahrhundert wurden gelegentlich erhöhte Plattformen für Geschütze („Kavaliere“) hinter der Mauer aufgeschüttet, meist an Ecken, als Ergänzung von Bastionärbefestigungen. Beispiele aus Matthäus Merians Topographien (v. l. n. r.): Lechenich, Bonn (beide Rheinland) und Thorn (ehemals Ordensland).
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 246 Kassel. Die Stadt verschwindet in der Darstellung von Braun/Hogenberg (Ende des 16. Jahrhunderts) fast vollständig hinter ihren mächtigen Erdwällen und Rondellen.
Abb. 247 Ingolstadt, die Bollwerke, die Reinhard Graf zu Solms ab 1537 erbaute, experimentierten mit Erdschüttungen, Kasematten, Zwingern usw. Sie waren aber schon während des Baues durch die in Italien entwickelten, effektiveren Bastionsformen überholt. „Frauenbastei“ und „Ziegelbastei“ nach dem Modell von Jakob Sandtner (1570 ff.).
306 I. Systematischer Teil
auch auf solchen Sonderfällen wie etwa den sandtnerschen Holzmodellen der bayerischen Herzogsstädte von 1568–74. In aller Regel geben diese Quellen kaum genaue Angaben zur Entstehungszeit und Detailgestaltung her, sodass die im folgenden genannten Beispiele keineswegs ein vollständiges Bild ergeben oder auch nur anstreben; ganz im Gegenteil sind sie eine Auswahl zufällig besser dokumentierter oder von der Forschung besonders beachteter Fälle, einschließlich der Gefahr, dass das, was sie aus heutiger Sicht hervorhebt, sie zugleich untypisch macht. Die einfachste Art, eine mittelalterliche Mauer als Standort von Pulvergeschützen zu ertüchtigen, bestand verständlicherweise darin, vor oder hinter der Mauer einfach einen „Hügel“ anzuschütten, dessen Plattform geräumig genug war, um einige Geschütze aufstellen zu können; die Mauer diente dabei einseitig als Abstützung, die anderen Seiten blieben geböscht. Nur selten hat die Forschung Quellen notiert, die so schlichte Maßnahmen beschreiben; so wurde etwa in Soest nach einer Belagerung 1447 ein Erdwall hinter der Mauer aufgeschüttet, in Rees geschah Entsprechendes im 16. Jahrhundert vor der Mauer. Ob ein Ausbau unter starker Holzverwendung, den Rechnungen um 1500 in Geldern belegen, ähnlicher Art war, ist zu erwägen. In Basel sind vergleichbar zwei reine Erdplattformen belegt, die 1531 / 32 entstanden; sie entsprachen dem Bild rechteckiger „Kavaliere“, die man vor allem bei Matthäus Merian vielfach sieht (Abb. 245). Wie vergänglich solche platzraubenden Provi-
sorien waren, zeigt sich jedoch darin, dass ich bei meinen zahllosen Begehungen nur noch ein einziges erhaltenes Beispiel fand, nämlich das „Neuwerk“ in Münster, das wohl nur erhalten blieb, weil es ungewöhnlicherweise Stützmauern besitzt. Fraglos effektiver als gegen die Mauer geschüttete Wälle oder vereinzelte Kanonenplattformen waren jedoch große Erdrondelle, die – meist mit Außenwällen kombiniert – zusätzlich eine Flankierung erlaubten. Ein interessanter Fall ist Göttingen, wo ein Großteil der Wälle erhalten und ihre Entwicklung gut bekannt ist. Schon ab 1362 wurden die Vorstädte hier mit einem Wall umgeben, der dann 1447–54 modernisiert wurde; er erhielt damals wohl beidseitige Stützmauern, Torzwinger und wohl auch Rondelle, während eine Fünfeck-Streichwehr offenbar erst der Zeit um 1533–77 zuzuweisen ist. Die riesigen Erdrondelle, die Kassel wohl ab 1523 erhielt und die Braun / Hogenberg so darstellen, dass die Stadt hinter ihnen verschwindet (Abb. 246), sind ebenso wie jene des Außenwalles in Frankfurt am Main nicht mehr vorhanden. In Basel wurde die erwähnten Erdplattformen 1547–51 durch fünf mauerverkleidete Erdrondelle an den Ecken ergänzt; auch sie sind verschwunden. Erhalten, aber undatiert ist dagegen ein Erdrondell in Stargard in Hinterpommern, an der Ecke eines Außenwalles; das nahe Stolp besaß früher ein Gegenstück. Besondere Beachtung als Frühform des moder nen Festungsbaues haben die Bauten von Reinhard Graf zu Solms gefunden, die, auch fast durchweg zerstört, vor allem durch die sandtnerschen Modelle von Ingolstadt genauer bekannt sind. Die sehr variantenreichen Ingolstädter Bollwerke von 1537–65 waren großenteils Erdschüttungen, aber sie enthielten auch große Teile aus Mauerwerk, als hochragende Kavaliere, Kasematten oder Schartenmauern mit Streichwehren am Fuß der Schüttung; zwei von ihnen schützten Tore, die die Anlagen nochmals komplexer gestalteten (Abb. 247). Weniger bekannt, weil kaum dokumentiert, waren die älteren Erdrondelle in Hanau (ab 1528), der Heimat des Grafen zu Solms; kleinere Erdrondelle gab es auch in den nahen Kleinstädten Hungen und Lich. Die nur teilweise und verändert erhaltenen vorbastionären Erdwerke in Augsburg (1540–46)
erinnerten in ihren rundlichen Formen mit kompliziertem Innenausbau stark an Ingolstadt, von dem sie mindestens angeregt waren; dabei besaß das jüngste dieser Werke, der „Luginsland“ von 1553, bereits die Form auch einer echten, fünfeckigen Bastion. Ein verschwundenes, samt anschließenden Wällen direkt vor die Mauer geschüttetes Erdrondell (um 1529–46) im nahen Memmingen war offenbar von Augsburg angeregt. Die Erdschüttungen vor und hinter der Mauer und die oft mit ihnen verbundenen Erdrondelle stellten im deutschen Raum die letzte Entwicklungsphase vor der Verbreitung der in Italien entwickelten Bastion dar, die dann, ständig fortentwickelt, bis ins 19. Jahrhundert hinein das Grundelement des internationalen Befestigungswesens blieb. Die Bastion setzte sich deswegen durch, weil sie eine konsequente Lösung für das Problem des sowohl effektiven wie auch ökonomischen Einsatzes der teuren Artillerie bot: Die Anordnung der Geschütze in für den Angreifer kaum erreichbaren Flankenstellungen und die aus ihren Schussbahnen abgeleitete Form der jeweiligen Nachbarbastion erlaubten mit einem Minimum an Geschützen und Mannschaften eine lückenlose Verteidigung der Gräben. Erst im Vergleich mit dieser unübertrefflich einfachen und effektiven Lösung werden hochkomplexe und im Detail immer wieder variierte Anlagen wie die solmsschen Bollwerke in Ingolstadt verständlich; sie stellen immer wieder im Detail veränderte Versuche dar, die Wirkung und den Schutz der Batterien zu optimieren; die Aufgabe war erkannt, die beste und einfachste Lösung aber noch keineswegs gefunden. Und die Erdschüttungen und einfach gestalteten Erdrondelle, die dem seit dem mittleren 15. Jahrhundert vorangegangen waren, lösten letztlich erst einen kleinen Teil der neuen Probleme: Sie waren selbst schwer zerstörbar und erlaubten bereits eine gewisse Flankierung, aber die Batterien der Verteidiger waren noch kaum geschützt, die toten Winkel vor der Rundung des Nachbarrondells noch nicht bestreichbar. Wenn etwa Stanislaus von Moos in der konsequenten Effektivität der Fünfeckbastion mit Flankenbatterien jene Rationalität erkennen wollte, die auch sonst für das neue Denken der Renaissance charakteristisch war, so ist dies durchaus nachvollziehbar. Der Schritt vom experimentell immer wie2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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der abgewandelten Rondell zur Fünfeckbastion mag, an Einzelfällen betrachtet, nicht so groß erscheinen, aber das hinter der jüngeren Form stehende „funktionalistische“ Denken rechtfertigt es durchaus, an dieser Stelle den letzten, entscheidenden Schritt vom Mittelalter zur Neuzeit zu erkennen.
2.2.12. Landwehren und Warten Vor allem in populären Darstellungen mittelalterlicher Städte findet man gelegentlich die Behauptung, die Stadtmauer sei nicht allein ein Instrument der Sicherung und Selbstdarstellung gewesen, sondern sie habe die Stadt noch weit grundsätzlicher in dem Sinne definiert, dass sie zugleich ihre Grenze als Organismus gewesen sei; das Gelände innerhalb des Mauerrings und „Stadt“ werden dabei im Grunde gleichgesetzt. Dass das nicht zutreffen kann, wird sofort deutlich, wenn man die Stadt nicht einseitig als ausschließlich bauliches, sondern auch als wirtschaftliches und politisches Gebilde betrachtet. Dann nämlich ist unübersehbar, dass vor allem die vielfältigen wirtschaftlichen Zusammenhänge, ohne die die Stadt nicht existieren konnte, weit über ihre Mauern hinausreichten, dass zur Stadt also auch die Gärten, Äcker und Weiden, Wälder, Dörfer und Höfe, Mühlen, Steinbrüche und Lehmgruben, Spitäler und vieles andere mehr in ihrem Umland gehörten. Auf der rechtlichen Ebene spiegelten sich diese wichtigen Zusammenhänge, zumindest im Spätmittelalter, als ein zur Stadt gehörendes Territorium. Dass die Stadt am Schutz auch dieser Besitzungen und Rechte extra muros ein hohes Interesse hatte, liegt auf der Hand, ebenso wie freilich auch die Tatsache, dass eine Mauer in gleicher baulicher Ausstattung, wie sie die Stadt selbst umschloss, für diese Aufgabe nicht infrage kam, denn sie hätte 20, 30 oder mehr Kilometer lang sein müssen und damit einen Aufwand erfordert, dem selbst die größten und reichsten Städte nicht gewachsen waren. Dennoch hat es derartige Sicherungen des städtischen Umlandes vom 13. bis zum 15. Jahrhundert bei manchen Städten gegeben. „Landwehren“ waren allerdings keine Mauern oder auch nur verteidigungsfähige Anlagen im weiteren Sinne, sondern nur Annäherungshin308 I. Systematischer Teil
dernisse. Sie bestanden in der Hauptsache aus Wällen und Gräben sowie gezielt angepflanztem und sorgfältig gepflegtem Gebüsch; wo es irgend möglich war, bezog man natürliche Hindernisse wie Wasserläufe oder Steilhänge mit ein, um Aufwand für Anlage und Pflege zu sparen. Das Gebüsch bestand, soweit die Quellen und äußerst seltene Überreste das belegen, aus Pflanzen, die entweder von Natur aus dicht oder gar dornig waren, oder aber aus solchen, die biegsam und daher zu einem undurchdringlichen Geflecht formbar waren. Zum Landwehren zweiten Zweck waren etwa Hainbuchen brauchbar, die sich besonders gut biegen bzw. „bücken“ ließen; auf solche „Gebücke“ als Teil der Stadtbefestigungen im eigentlichen Sinne ist schon eingegangen worden (2.2.9.). Die regelmäßige Pflege der Landwehr oblag, etwa in Würzburg, den Stadtbewohnern als Fron, in Rothenburg gab es dafür eine eigene Organisation („Hegereiter“). Befestigungsbauten im eigentlichen Sinne, wie man sie von den Stadtmauern oder Burgen kennt, traten im Zuge der Landwehren nur an den Durchlässen der Landstraßen auf, die durch mehr oder minder wehrhafte Höfe gesichert waren, oder durch allein stehende Türme, eventuell mit kleiner Ummauerung und Nebengebäuden; die Höfe dienten den Wärtern, oft freien Bürgern der Stadt, als Wohnsitz und zum Unterhalt. Solche „Warten“ kamen aber auch außerhalb des Zusammenhanges von Landwehren vor, als isoliert stehende Anlagen außerhalb der Stadt, deren Besatzungen aufgrund der nach weitem Ausblick gewählten Bauplätze feindliche Annäherungen frühzeitig feststellen und – etwa durch Trompetensignale, Schüsse oder herausgehängte Zeichen – an die Stadt melden konnten. Dass die Verteidigung von Landwehren gegen einen organisiert angreifenden Feind unmöglich und daher gar nicht angestrebt war, sondern nur eine Kontrolle des Verkehrs, belegen nicht nur solche vorgeschobenen, oft nur tagsüber besetzten Posten, sondern auch die Tatsache, dass die Durchlässe der Landstraßen keineswegs immer echte Torbauten mit verriegelbaren Toren waren, sondern oft nur Schlagbäume („Schläge“), insbesondere in abgelegenen Regionen, aus denen wohl kein Angriff erwartet wurde; dort wurden Kontrollen durchgeführt – in Bielefeld etwa von „Stadtbäu-
mern“ – und gelegentlich wurde auch Zoll erhoben, aber eine Verteidigung war nicht möglich. Die Zielvorstellung der Landwehr insgesamt war also lediglich, wie es 1458 / 60 in Rothenburg hieß, dass „die Armen lewt von Rewttern nit Allso beschedigt wurden“, dass man also die Bewohner des Umlandes frühzeitig vor umherstreifenden Reitertrupps warnen und diese möglichst am Eindringen hindern konnte. Dass die Landwehren darüber hinaus auch Mittel der Territorialpolitik waren, ahnt man etwa, wenn die Stadt Höxter 1356 eine Landwehr anlegt, die mehrere Dörfer des seit Langem konkurrierenden Klosters Corvey von diesem verkehrlich abschnitt, oder wenn 1527 der Herzog von BraunschweigWolfenbüttel die Goslarer Landwehr teilweise zerstört. Zwei die Landwehren zentral betreffende Punkte können hier nicht näher behandelt werden, weil die nötige Diskussion weit über das Thema „Stadtbefestigungen“ hinausführen würde. Einerseits gab es Landwehren schon zu einer Zeit, wo Städte noch nicht in der Lage waren, sie anzulegen, weil sie noch gar nicht oder nur als frühe Ausnahmefälle existierten, und Frühe Landwehren, Landwehren ohne Städte es gab sie andererseits noch zur Zeit des voll entwickelten Städtewesens als Schutz von Gebieten, in denen gar keine Stadt lag. Sie erweisen sich damit als eine Art Anlage, die ursprünglich von den Städten unabhängig war, die vielmehr ganz im Gegenteil zum Schutz des „Landfriedens“ in ausgedehnteren und eher spärlich besiedelten Gebieten bestimmt war. Man muss nicht bis auf die „Chinesische Mauer“ (5. Jahrhundert v. Chr. bis 17. Jahrhundert n. Chr.) oder auf den römischen Limes (1.–3. Jahrhundert n. Chr.) zurückgehen, um frühe Grenzbefestigungen dieser Art zu finden, sondern es gab auch in Deutschland, insbesondere im norddeutschen Flachland, vormittelalterliche und hochmittelalterliche Landwehren, die mit den frühen Städten dieses Raumes nichts oder wenig zu tun hatten. Erinnert sei an den „limes saxoniae“, den wohl Karl der Große 810 / 11 als Schutz gegen die slawischen Abodriten anlegen ließ, und an das „Danewerk“, ein rund 30 km langes Wallsystem des 8.–12. Jahrhunderts, mit dem sich die Dänen gegen die Sachsen schützten (Abb. 483). Sie belegen, dass derartige Anlagen zumindest bis ins
Frühmittelalter zurückgehen, und es mag weit mehr und bescheidenere Fälle gegeben haben. Wo diese freilich lagen und wann sie entstanden sind, bedarf angesichts der Schwierigkeiten, solche Anlagen auch nur sicher zu erfassen, bzw. der oft eher legendären Überlieferung aufwendiger interdisziplinärer Untersuchungen im Einzelfall; im 4. Teil des Literaturverzeichnisses habe ich mich bemüht, zumindest möglichst viele auch solcher Darstellungen zu erfassen. Auch für Landwehren ohne Städte, aber schon im Zeitalter der Städte, seien hier nur Beispiele genannt, die die Spannweite des Möglichen andeuten. Das „Rheingauer Gebück“ etwa schützte eine Anzahl reicher Weindörfer, die sich früh und relativ selbstständig organisiert hatten, unter denen aber keine Stadt war; seine Entstehung wird heute ins frühe 14. Jahrhundert gesetzt, 1771 wurde es aufgelassen. In der Nähe wurden die „vier Täler“ bzw. Dörfer Bacharach, Rheindiebach, Steeg und Manubach ebenfalls von einem Gebück geschützt; erst als Bacharach um 1353– 66 ummauert wurde, lag darin eine Stadt. Der alpinen Sondersituation entsprachen schließlich die „Letzen“ oder „Letzinen“ in der Schweiz, die ganze Talschaften bzw. deren Streusiedlungen schützten, indem sie den Taleingang an einer günstigen Engstelle sperrten (Abb. 308); ein Beispiel bietet etwa Schwyz, das nach ersten militärischen Konflikten mit den Habsburgern im Lauf des 14. Jahrhunderts in allen dorthin führenden Tälern, und sogar am Hafen im Vierwaldstätter See, durch Mauern oder Holzbefestigungen geschützt wurde; auch Unterwalden befestigte seinen Seehafen bei Stansstad durch Holzsperren im See. Das Wort „Letze“, eine Variante des Substantivs „der / die Letzte“, bedeutet so viel wie Hinderung oder Hemmung, im erweiterten Sinne also auch Schutzwehr oder Grenzbefestigung. Entsprechende Talsperren, nur unter anderer Bezeichnung, gab es vor allem im 14. / 15. Jahrhundert auch in anderen Teilen der Alpen und vereinzelt ebenso in Mittelgebirgen wie etwa den Vogesen. Kommen wir aber nun zu jenen Landwehren, die hier zum Thema gehören, weil sie der Umlandsicherung einer Stadt dienten, so weist beim heutigen, freilich durchaus lückenhaften Forschungsstand vieles darauf hin, dass die frühesten unter ihnen im norddeutschen Flachland entstanden. Die meines Wissens zuerst erwähnte 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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städtische Landwehr im südlichen Niedersachsen war jene von Helmstedt (1252); neben Graben und Hecke besaß sie zwei Warttürme. Der Unterbau der „Magdeburger Warte“ ist – für eine Warte ungewöhnlich, aber etwa auch in Lüneburg und Vechta nachweisbar – quadratisch und mag recht alt sein. Im benachbarten Westfalen ist dem Herford an Landwehren in Deutschdie Seite zu stellen, desland, Beispiele sen Landwehr mit Höfen an den Toren 1255 belegt sei. In beiden Regionen werden die meisten städtischen Landwehren jedoch erst ab der Mitte des 14. Jahrhunderts greifbar, was als durchaus typisch, zumindest für den norddeutschen Raum, gelten kann. So wurde die Landwehr des reichen Goslar 1336 / 38 begonnen und im 15. Jahrhundert durch Warten ergänzt, Hamburg erhielt die seinige ab etwa 1350. Um Hannover entstanden Warten 1361–92 und 1441–60; die „Döhrener
Warte“ von 1382 hat Kreuzrippengewölbe in mehreren Turmgeschossen, ein ungewöhnlicher Aufwand für den Bautypus. 1377 wurde die ältere Helmstedter Landwehr erweitert. In Göttingen, das ab 1380 eine mehrfach gestaffelte Landwehr erhielt – außer Warten dienten ihr auch Burg- und Kirchtürme –, ist eine Warte ausgegraben worden, meines Wissens der bisher einzige Fall. Die „Rieswarte“ (Abb. 248) besaß in ihrer trapezoiden Ringmauer neben dem Rundturm ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude, eine separate Küche und einen Stall, alles in Holzbauweise; anschaulich wird so der Aufenthalt einer mehrköpfigen Wachmannschaft, von der jeweils nur einer den anstrengenden Posten auf dem Turm einnehmen musste. Lüneburg baute seine Landwehr – drei bis fünf Wälle, quadratische Warttürme – nach der 1392 erteilten Erlaubnis 1397–1406; 1479–84 wurde sie erheblich erweitert. Weitere niedersächsische Landwehren sind
Abb. 248 Göttingen, die um 1438–42 erbaute und nur kurz bestehende „Rieswarte“ im Stadtteil Nikolausberg ist die bisher wohl einzige Warte in Deutschland, bei der auch die Innenbebauung archäologisch erforscht ist (1979–81); die Besatzung konnte hier zumindest die Pferde unterstellen und kochen (5 Jahre Stadtarchäologie … Göttingen, Göttingen 1984).
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in Hameln belegt (erweitert 1385), in Duderstadt (1392 / 97), Hildesheim (1440 / 49) und Gandersheim (1478 / 79). Sachsen-Anhalt und Thüringen schließen östlich an den gebirgigen Teil Niedersachsens an und zeigen erwartungsgemäß ein ähnliches Bild, mit recht häufigen, aber bisher eher wenig erforschten Landwehren und Warten. In Thüringen beschränkten sie sich offenbar auf das relativ flache Thüringer Becken; der Mühlhäuser Landwehrgraben, wohl schon 1281 erwähnt und durch Wart- und Kirchtürme ergänzt, war durch einen äußeren Graben verstärkt, die Meininger Landwehr wurde wohl erst 1525 erwähnt. Wernigerode besaß eine Landwehr mit fünf Warten; zwei sind als Ruinen erhalten. Im westlich an Niedersachsen grenzenden Westfalen bietet sich ein ähnliches Bild wie in (Süd-)Niedersachsen, also Landwehren aus mehrfachen Wallgräben mit Warten und Höfen oder Schlagbäumen an den Durchlässen. In Bielefeld wird die Landwehr schon ins frühe 14. Jahrhundert gesetzt, in Lemgo ist sie ab 1353 zu belegen, in Höxter ab 1356; die Anlagen in Dortmund scheinen bisher undatiert. Noch im 14. Jahrhundert dürfte die 53 km lange, angeblich alle 3 km mit einer Warte versehene Landwehr des reichen Soest entstanden sein, die 1441 gegen Proteste des Kölner Erzbischofs erweitert wurde. Auf andere Weise aufschlussreich ist der Fall von Borgholz und Borgentreich, wo in dem Vertrag über die Anlage der Landwehr 1429 unter anderem die geplanten Warten mit Rundtürmen, umgebender Mauer und Spitzgraben so beschrieben werden, wie wir sie heute noch bei manchen anderen Städten finden. Im flachen Norden Mitteldeutschlands waren Landwehren offenbar ähnlich verbreitet wie weiter westlich, wobei aber die Erforschung bisher weniger intensiv scheint und die baulichen Reste noch seltener sind. In der Altmark gab es solche Anlagen, in der Regel mit Warttürmen, etwa in Stendal, Gardelegen, Osterburg, Seehausen, Kyritz und Jüterbog (ab 1379), in der Mark selbst in Berlin, Brandenburg und Wittstock. Bei der letzten Stadt ist mit der „Dabernburg“, einem Rundturm mit ehemals anschließendem quadratischen Hof eine der seltenen Warten an einem Straßendurchlass erhalten (Abb. 249). In Mecklenburg gibt es nur wenige Graben- und Wall-
Abb. 249 Wittstock (Brandenburg), die sogenannte Dabernburg aus dem mittleren 15. Jahrhundert war keine Burg, sondern eine Warte an einer Ausfallstraße; der kleine Rechteckhof neben dem Rundturm wurde im 19. Jahrhundert als Scheune aufgestockt (Grundriss: Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg, 1, 2, Ostprignitz, 1907).
reste, etwa um Neubrandenburg, Parchim, Röbel und Wismar); bei Parchim ist ein Wartturm erhalten. Anklam und Treptow sind die bisher einzig belegbaren Fälle in Pommern; vielleicht lag es schon im Randgebiet, in dem die Verbreitung der Landwehren endete. Von der Landwehr von Anklam, die mehrere Warten besaß, blieb der Rundturm des „Hohen Steins“ erhalten, umgeben von Wall und Graben (1458?); bei Treptow gab es an einem Durchlass einen Rechteckturm. Im westlichsten Teil des norddeutschen Flachlandes, am Niederrhein, setzte der Bau von Landwehren wohl Ende des 14. Jahrhunderts ein, um große Städte wie Aachen oder Wesel, aber auch 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 250 Frankfurt am Main, die „Friedberger Warte“ ist die besterhaltene der Warten, die wichtige Tore der Landwehr sicherten. Trotz späterer Änderungen ist die Grundform des Wachturmes mit Nebenbauten im ummauerten Hof noch gut zu erkennen.
um kleinere wie Gladbach, Kempen oder Goch. Auch Territorien wurden hier weiterhin durch Landwehren gesichert, etwa um das sonst unbefestigte Viersen (1383 / 1423) oder die Grafschaft Kleve (um 1400–40). Hessen und Franken bildeten, soweit der gegenwärtige, fraglos recht zufällige Forschungsstand es ahnen lässt, das südliche Ende des Verbreitungsgebietes der Landwehren. Die reiche Handelsstadt Frankfurt am Main besaß eine der ausgedehntesten und am besten ausgestatteten, die ab den 1370er Jahren ständig verstärkt und bis ins 17. Jahrhundert unterhalten wurde. Anfangs besaß sie „Zingel“ (Höfe) an den Durchlässen und Warten in Holzkonstruktion, die aber im 15. Jahrhundert durch steinerne Warten ersetzt wurden. Diese Warten an den Toren, noch mehrfach erhalten, besaßen fast die Dimension kleiner Burgen und waren sicher geeignet, ihre Besatzung eine gewisse Zeit zu schützen (Abb. 250). Der für Warten typische schlanke Rundturm, hier durch ein Fachwerkgeschoss für die Wächter bekrönt, wurde eng von einer runden oder achteckigen Mauer mit Schießscharten umschlossen, erst daran schloss sich ein rechteckig ummauerter Hof an, der ein Wächterwohnhaus und andere Nebenbauten enthielt. Erhaltene Warten in größerer Anzahl findet man in Hessen auch noch im Zusammenhang der Landwehren um Fritzlar und um Fulda. Im ersteren Falle sind sechs von ehemals mindestens acht Warten erhalten, in der verbreiteten Form, teils 312 I. Systematischer Teil
mit runder Ummauerung und einem Graben um den Rundturm (Abb. 445); bei ihrer Ersterwähnung 1365 waren sie wohl noch aus Holz. Auch um Fulda sind noch sechs von ehemals acht, seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts belegbare Warten erhalten, die durch Kirchtürme ergänzt wurden; Friedberg, Kassel, Grebenstein, Wolfhagen und Seligenstadt waren weitere Beispiele. Südlich der Mainlinie sind nur noch wenige Landwehren um bedeutende Städte zu nennen, die dem bisherigen Anschein nach überwiegend erst nach 1400 angelegt wurden, also rund ein halbes Jahrhundert später als die meisten im norddeutschen Flachland, was ein weiteres Mal anzudeuten scheint, dass das Phänomen seine Ursprünge dort hatte. In Speyer etwa gab es ab 1410 eine Landwehr, zunächst mit Warten aus Holz, die dann ab 1431 teilweise in Stein erneuert wurden; in Mainz beschloss man die Landwehr 1432. In Franken schließlich findet man mit Rothenburg ob der Tauber und Schwäbisch Hall die beiden derzeit besterforschten Landwehren; vor allem in Rothenburg wurde anhand der Quellen gut dargestellt, wie der Begriff „Landwehr“ auch zum Synonym für die Herrschaft der Stadt über ihr Umland wurde. Die 1430 begonnene und vor 1480 fertiggestellte Rothenburger Landwehr war 62 km lang und bestand aus drei Gräben und zwei dicht bewachsenen Wällen, die von mehreren Wegen begleitet wurden (dass das „Hegereiterhaus“ im Spitalhof die Unterkunft der die Landwehr kontrollierenden Wächter gewesen
sei, ist jedoch erst eine Erfindung des 19. Jahrhunderts). In (Schwäbisch) Hall stellte sich die ab 1401 (oder doch schon 1352?) belegte Landwehr komplexer dar. Die Anzahl der Gräben variierte, natürliche Hindernisse waren einbezogen; zudem war die Anlage noch 1503 nicht fertig, was vielleicht auf mehrere Erweiterungen hinweist. Mit dem „Hörlebacher Landturm“ der Zeit um 1500 ist auch einer der bewohnbaren Türme an den Durchlässen erhalten (Abb. 251). Weitere fränkische Landwehren gab es in hohenzollerischem Territorium um Bayreuth / Kulmbach, um Nürnberg – 1449 angelegt als Wallgraben mit Blockhäusern und Schranken, nach einer Überholung 1461 aber bald wieder verfallen –, in Würzburg und bei Wertheim. Weiter südlich – in Altbayern und im alemannischen Raum – gab es nach gegenwärtigen Wissensstand offenbar keine Landwehren. Die einzige städtische Landwehr in der Schweiz war offenbar jene von Schaffhausen, belegt seit 1379 – umso auffälliger, als die Sperrung von Tälern mit dörflichen Streusiedlungen, durch „Letzinen“, im gebirgigen Teil der Schweiz ja durchaus häufig war. Im Zusammenhang von Landwehren kamen Türme in zwei verwandten Funktionen vor. Einerseits standen sie an den Toren bzw. Schlagbäumen und dienten der Kontrolle des Durchgangsverkehrs, dabei aber aufgrund ihrer Höhe auch dazu, die sich Nähernden schon lange vor ihrer Ankunft zu erkennen. Eben diese letztere Funktion des weiten Ausblicks war entscheidend für die andere Funktion der Türme, nämlich für die „Warten“ im eigentlichen Sinne, deren Standort nicht durch eine Straße bestimmt wurde, sondern primär durch den weiten Überblick bzw. die Signalfunktion. Sie standen folglich auf Anhöhen, von denen aus man einerseits die Umgebung der Stadt möglichst weit überblicken konnte, andererseits eine Blickverbindung mit der Stadt selbst bestand, etwa mit einem Wächter auf dem Kirchturm, um durch Feuer, Tonsignale oder andere Zeichen Nachrichten übermitteln zu können. Die Funktion solcher Warten bedurfte grundsätzlich keiner Einbindung in eine Landwehr und der entscheiWarten ohne Landwehr dende Vorteil einer Warte ohne Landwehr liegt auf der Hand: Ihre Errichtung und dauerhafte Unterhaltung kostete
nur einen Bruchteil dessen, was eine ganze Landwehr erforderte. Die Normalform der allein stehenden Warten unterschied sich nicht nennenswert von vielen der Warten, die Teil einer Landwehr waren: ein Rundturm von 3–4 m Durchmesser, dessen Einstieg ins erste Obergeschoss führte. Natürlich war der Innenraum des Turmes extrem eng und konnte kaum mehr als eine Leiter aufnehmen. Es ist daher davon auszugehen, dass auf dem meist allein erhaltenen Steinschaft in aller Regel ein Obergeschoss saß, das der Wache zum Aufenthalt diente und wahrscheinlich meist aus Fachwerk war. Ausnahmsweise erhalten ist dieses Obergeschoss bei einer Warte nahe Windsheim in Unterfranken, sonst findet man noch gelegentlich Reste der schrägen Abstützungen. Ein solcher Turm war kaum verteidigungsfähig; ganz entsprechend den Landwehren war er nur dafür ausgelegt, im Falle einer schnellen Reiterattacke nicht allzu leicht zugänglich zu sein; Abb. 251 Schwäbisch Hall (Württembergisch Franken), der „Hörlebacher Landturm“ steht etwa 12 km nordöstlich von Schwäbisch Hall an der ehemaligen „Haller Landheeg“. Inschriftlich wohl erst 1587(?) erbaut, ist er das seltene Beispiel eines solchen Turmes am Durchlass einer alten Fernstraße.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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bei einem ernsthafteren Angriff musste die Besatzung darauf hoffen, noch in die Stadt fliehen zu können. Selten ist noch erkennbar, dass der Turm konzentrisch von Wall und Graben umzogen war, die man sich gewiss durch Palisaden ergänzt vorstellen darf. Solche Anlagen waren einerseits offenbar die etwas aufwendigeren Nachfolger von Warten in Holz-Erde-Konstruktion, wie sie gelegentlich als Frühform erwähnt werden, andererseits sind ummauerte Warten, wie man sie etwa in Fritzlar – oder fast schon burgartig, im Zusammenhang der Landwehr um Frankfurt (Abb. 250) – findet, die aufwendigste und daher seltene Variante. Der umwallte oder ummauerte Hof diente, wie in Einzelfällen belegt ist, auch dem Schutz des als Beute begehrten Viehs, wenn man es nicht mehr in die Stadt treiben konnte. Das Verbreitungsgebiet isoliert stehender Warten ist noch schwieriger als im Falle der Landwehren zu erfassen. Einerseits ist der Bautypus wenig bekannt und eher unspektakulär, sodass er auch von der Heimatforschung nur gelegentlich behandelt wurde; es ist davon auszugehen, dass erhaltene und weithin sichtbare Warttürme viel öfter Eingang in Publikationen gefunden haben als die vermutlich häufigeren, die längst abgegangen sind. Andererseits sind auch die nichtsteinernen Bestandteile von Landwehren fraglos meist verschwunden – Wallgräben wurden überackert, Hecken sind abgestorben –, sodass manche Warttürme heute isoliert erscheinen dürften, die in Wahrheit Bestandteile von Landwehren waren. Dies vorausgeschickt, scheint es so, als seien die isolierten Warttürme etwa im gleichen Gebiet verbreitet gewesen, in dem es auch Landwehren gab, also mit dem Schwerpunkt im norddeutschen Flachland, insbesondere in Westfalen, sowie in Hessen, Thüringen und Teilen Frankens. Weiter südlich, insbesondere im alemannischen Raum, in Bayern und Österreich ist das Phänomen momentan kaum fassbar – vielleicht, weil man schwer zugängliche Berge entsprechend nutzte? In Westfalen findet man um Paderborn, Obermarsberg, Warburg, Detmold oder Beckum Beispiele der klassischen Wartenform, Rundtürme mit Gewölben und Hocheinstieg, umgeben von Ringmauer und Spitzgraben. Der Turm steht
314 I. Systematischer Teil
meist in der Mitte, in Paderborn auch einmal an der Ringmauer; eine Beschreibung der Warten von Borgholz, von 1429, bestätigt diese Form. Die „Moderer Warte“ bei Brakel hat den Eingang im Erdgeschoss, was aber nicht original sein muss; auch die Konsolen für das oberste Geschoss aus Holz sind hier erhalten. Beim „Fährturm“ in Schöningen wird 1583 ein Gasthaus erwähnt, was bei Warten in Straßennähe nicht selten war. In Brandenburg sind Warten etwa um Berlin / Cölln, Osterburg, Seehausen, Wittstock und Salzwedel nachweisbar, wenn auch kaum erhalten; in Salzwedel stand ein Wartturm ungewöhnlicherweise nahe vor dem Stadttor. In Pommern fand ich Belege für Warten nur in Kolberg. Sachsen-Anhalt besaß wieder deutlich mehr Warttürme, so bei Aschersleben, Egeln, Eisleben (erwähnt seit 1441), Haldensleben, Quedlinburg, Seehausen und Wernigerode, und ähnlich steht es in Hessen, wo man einzelne Türme noch in Grünberg findet (mit Ringmauer), in Korbach („Dalwiger Warte“), Sachsenhausen und Zierenberg. In Kirchhain sperrte die hessische, 1431 gebaute „Wittelsberger Warte“ die Straße zum mainzischen Amöneburg. Thüringen schließlich besaß um Heiligenstadt fünf Warten und um Langensalza drei, wobei eine hölzerne schon 1378 erwähnt ist; für das große und wichtige Erfurt ist dagegen bisher nur eine Warte belegbar. In Franken, das wie bei den Landwehren auch bei den isolierten Warten den Südrand des Verbreitungsgebietes bildete, gab es solche Türme fast nur in Unterfranken und dem südlich anschließenden Württembergisch Franken, etwa bei Neustadt, Ochsenfurt und Mellrichstadt; gelegentlich dienten Ketten von Warttürmen offenbar zur Signalvermittlung, etwa südlich von Neustadt an der Saale. Die einzige Warte, die ich für Mittelfranken notieren konnte, bei Windsheim, gehörte eigentlich eher zu Unterfranken, so wie eine bei Buchen, heute in Baden, zu Württembergisch Franken gehört. Die andere badische Warte, die ich fand, bei Horb, ist ebenso eine Ausnahme wie eine bei Besigheim (Abb. 338) und der Wartturm über Kirchheimbolanden in der Pfalz. Schließlich war auch der verschwundene „Trutzkaiser“ über Heidelberg (1462) eine Art Warte, aber die ungewöhnliche Bauform erweist auch ihn als vereinzelten Sonderfall.
2.3. Das Ende der Stadtmauern Das Ende der Stadtbefestigungen – im Sinne ihrer baulichen Zerstörung, der der Verlust ihrer Funktion vorausgegangen war – wird in der Regel als Phänomen vor allem des 19. Jahrhunderts beschrieben, und in der Tat ist damals wohl weit mehr als jemals davor oder danach abgebrochen worden. Dennoch wäre es falsch, das Verschwinden der Stadtmauern als ein auf wenige Jahrzehnte konzentriertes Geschehen zu sehen, das ausschließlich mit den epochalen Veränderungen der einsetzenden Industrialisierung zusammengehangen hätte; es handelte sich vielmehr um einen lang gezogenen Prozess, dessen Anfänge letztlich sogar im Mittelalter selbst lagen. Denn die Mauern standen von Anfang an im Brennpunkt von Konflikten zwischen verschiedenen Interessen der Stadtbewohner. Einerseits bedurfte man selbstverständlich des Schutzes vor gewaltsamen Attacken, andererseits aber engten die Mauern auch den Raum zum Wohnen und Arbeiten ein bzw. behinderten im Alltag die Verbindung mit dem Umland. Daher sind nahezu seit den Anfängen der Stadtbefestigungen – im Grunde mit dem Einsetzen hinreichend detaillierter Schriftquellen – Tendenzen zu beobachten, Pforten und Nebentore in die Mauern zu brechen; auch Fenster sind bereits vor dem
Ende des Mittelalters zu beobachten, vor allem, wenn wie meist im süddeutschen Raum die Häuser ohne Behinderung durch die Mauergasse direkt an die Mauer angebaut werden konnten. In Meran wurde schon 1317 eine Buße für das Einbrechen von Fenstern in die Mauer festgelegt, in Winterthur 1336 ein Verbot erlassen, Fenster einzubrechen; in Crailsheim findet man 1485– 90 eine Verordnung, die den Häuserbau an der Mauer eindämmen sollte – Beispiele für fraglos weitverbreitete Maßnahmen, die überflüssig gewesen wären, wenn nicht starke Tendenzen in dieser Richtung bestanden hätten. Allerdings führte das Einbrechen kleiner Öffnungen bzw. das Anbauen von Häusern noch nicht zu einer wirklichen Zerstörung der Mauer; es schwächte sie nur und verdeutlicht Alter und Stärke der Interessen, denen die Mauer im Wege war. Aber auch erste Beispiele für wirkliche Abbrüche von Stadtmauern findet man schon weit früher als meist angenommen, nämlich Ende des 16. Jahrhunderts, als beispielsweise Kiel und Flensburg ihre erst aus dem 14. Jahrhundert stammenden Backsteinmauern wieder abrissen (Abb. 252). Dabei handelt es sich allerdings um Einzelfälle, die sicher nicht zufällig im nördlichsten Deutschland liegen; in den an Naturstein
Abb. 252 Kiel, die Stadtmauer an der weniger angreifbaren Wasserseite (rechts) war schon Ende des 16. Jahrhunderts teilweise wieder abgebrochen (Braun Hogenberg, Civitates Orbis terrarum). 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 253 Nördlingen (Bayerisch Schwaben), der Stich von Andreas Zeidler (1651) zeigt die bastionsförmigen Einzelschanzen, die die Stadt im Dreißigjährigen Krieg anlegte und die teils noch erkennbar sind. Die Stadtmauer musste dabei aber weiterhin moderne Kurtinen ersetzen.
armen Flachlandregionen waren Backsteine ein kostbares Gut und so konnte hier die Einsicht, dass Mauern im Artilleriezeitalter nichts mehr nützten, eher zu so radikalem Vorgehen führen.
2.3.1. Bastionärer Ausbau und Akzise (17. / 18. Jahrhundert) Generell aber überlebten die Mauern und Türme der meisten Städte das Ende des Mittelalters für geraume Zeit, obwohl sie seit Langem nicht mehr dem Stand der Militärtechnik entsprachen. Die bis heute populären, in der ersten Hälfte bis Mitte des 17. Jahrhunderts entstandenen „Topographien“ der deutschen Territorien zeigen auf den Kupferstichen Matthäus Merians in aller Regel noch intakte Mauern, obwohl doch gerade die modern ausgerüsteten Heere des Dreißigjährigen Krieges gezeigt haben müssen, wie wenig sie noch nützen konnten. Hier darf man sich vom äußeren Bild aber nicht täuschen lassen. Viele kleinere Städte hielten zu dieser Zeit zwar ihre Mauern noch halbwegs instand, um zumindest kleine Trupps von Angreifern abhalten und an den Toren Zoll- und Zugangskontrollen durchführen zu können; dass sie einem organisierten 316 I. Systematischer Teil
Angriff mit Artillerie standgehalten hätten, ist damit nicht gesagt. Im Falle einer ernsthaften Belagerung konnten im 17. Jahrhundert – wie es sich schon im Spätmittelalter immer stärker abgezeichnet hatte (vgl. 2.2.11.) – nur noch große und finanzkräftige Städte Widerstand leisten, seien sie nun „freie“, nur der Herrschaft ihres Rates unterworfene Städte, Residenzen oder auch Grenzfestungen absolutistischer Landesherren gewesen. Auch in solchen Fällen wäre es aber eine Fehleinschätzung, wenn man der mittelalterlichen Mauer noch im 17. / 18. Jahrhundert die Hauptrolle bei der Verteidigung zuweisen wollte; diese fiel nun vielmehr den bastionären Verstärkungen zu, die auf den Ansichten Matthäus Merians – und anderer Stecher dieser Epoche – aus mehreren Gründen optisch zurücktreten. Einerseits waren die Bastionen, eben um der Wirkung der Artillerie wenig Angriffsfläche zu bieten, flach und fallen daher weniger ins Auge als die hinter ihnen aufragenden mittelalterlichen Befestigungen. Andererseits blieben vollständige, das heißt lückenlos die gesamte Stadt umfassende Bastionenkränze auf wenige Städte beschränkt, weil einfach ihre Kosten enorm waren, selbst als gegen 1600 mit der (alt- und neu)niederländischen Befestigungs-
weise reine Erdwerke üblich wurden, die wenig spezialisierte Arbeitskraft erforderten. Die meisten Städte beschränkten sich daher auf einzelne bastionsförmige Schanzen, die vor der mittelalterlichen Befestigung so angeordnet wurden, dass sie sich gegenseitig flankieren konnten; dies aber bedeutete, dass die mittelalterliche Mauer mit ihrem Zwinger und Graben die Kurtine zwischen den Bastionen ersetzte und schon deswegen – allenfalls mit verkürzten Türmen – erhalten bleiben musste (Abb. 253). Turmartige Streichwehren, die den Steinbau der mittelalterlichen Mauern ein letztes Mal fortführten, waren nun absolute Ausnahmen, etwa die bastionsförmigen Streichwehren in Bayreuth (1674) oder die vergleichbaren Bauten in Kronach, gar erst von 1722–46. Städte mit bastionär modernisierten Befesti gungen behielten ihre Festungseigenschaft, und damit meist auch große Teile ihrer mittelalterlichen Mauern, in der Regel bis ins 19. Jahrhundert; nur einzelne Residenzen wie Berlin (1735), Kassel (1767) oder Koblenz (1785) wurden schon vor 1800 entfestigt, weil die Bastionen der Entwicklung der Gartenanlagen bzw. der Stadt im Wege waren. Aber auch im Falle der weit zahlreicheren kleinen Städte bestand im 17. / 18. Jahrhundert noch ein gewisses Interesse an der Erhaltung der Mauern, wenn auch kein im eigentlichen Sinne fortifikatorisches mehr. Einerseits galt es bis ins 19. Jahrhundert hinein als selbstverständlicher Schutz der innerstädtitschen Sicherheit vor Räubern und „Gesindel“, dass nachts die Tore geschlossen wurden; diesen Brauch beendete Lübeck als letzte deutsche Stadt erst 1864, zusammen übrigens mit dem „Mauerzwang“, der Verpflichtung der rechtlich definierten „Bürger“, innerhalb der Mauern zu wohnen. Ein populäres Bild der psychologischen Wirkung der Stadtbefestigungen vermittelt noch um 1800 die Moritat vom Schinderhannes: „Es packt Dich wildes Schaudern, musst über Land Du gehen. Kaum bist Du aus den Mauern, so ist’s um Dich geschehen.“ Der andere Grund für die Erhaltung der fortifikatorisch überholten Mauern war die Erhebung von Zöllen an den Toren. Schon im Mittelalter war das dort oder auf den Marktplätzen erhobene „Ungeld“, eine auf Alkoholika erhobene Verbrauchssteuer, eine der wichtigsten Einnah-
Abb. 254 Potsdam, eine Akzisemauer wie die ab 1722 entstandene in Potsdam diente nicht der Befestigung, wie die geringe Höhe und Dicke sowie der fehlende Wehrgang zeigen, sondern sie sollte die Umgehung des Torzolles und die Desertion von Soldaten verhindern.
mequellen der Städte gewesen (vgl. 3.1.) – im Absolutismus besaß die nun als „Akzise“ bezeichnete Torsteuer eine fast noch höhere Bedeutung als Einkommensquelle der Landesherren. Zu ihAbb. 255 Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern), viele Wiekhäuser wurden im 18. / 19. Jahrhundert abgetragen, in und auf ihre erhaltenen Unterteile kleine Fachwerkhäuser gebaut.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Abb. 256 Mainbernheim (Unterfranken), Gärten auf den verfüllten Gräben sind eine typische Nachnutzung aufgegebener Gräben, wenn sie nicht parzelliert und bebaut wurden (Dr. Volkmar Rudolf / Tilman 2007).
Abb. 257 Ansbach (Mittelfranken), das „Herrieder Tor“ ist ein gutes Beispiel, wie ein mittelalterlicher Torturm durch Flügelbauten und neue Fassadengestaltung städtebaulichen Vorstellungen des Barock angepasst wurde (1750 / 51).
rer Erhebung wurden in manchen Städten ganz neue Mauern errichtet, an die man bei dem Wort „Akzisemauer“ heute meist denkt. Berühmt ist vor allem die Berliner Akzisemauer, die 1734–37 entstand und, 1860 in ihrer Funktion aufgehoben, 1867–70 abgerissen wurde; zu ihr gehörte, als Ergänzung des späten 18. Jahrhunderts, auch das längst zum Symbol aufgestiegene „Brandenburger Tor“. Weitere barocke Akzisemauern gab es in Brandenburg etwa in Potsdam (ab 1722; Abb. 254) und Schwedt (ab 1733), aber schon etwas früher auch im nassau-oranischen Krefeld (ab 1692). Die Pariser Zollmauer („Mur des Fermiers généraux“; 1785–88) sei hier nur ihrer Berühmtheit halber erwähnt, besonders wegen ihrer Tore als Spätwerke von Claude-Nicolas Ledoux. Die große Masse der aus Gründen der Akzise erhaltenen Mauern wird jedoch in der einschlägigen Literatur nicht erwähnt, weil diese weder neu noch bedeutende Werke der Architektur waren – es waren einfach die mittelalterlichen Mauern, die so weit instandgehalten wurden, dass sie dem reduzierten Zweck noch genügen konnten. Ein schönes Beispiel bietet heute noch Neuruppin, wo man gut ablesen kann, wie die 1788–96 entstandene Akzisemauer große Teile der mittelalterlichen Stadtmauer integrierte; das Prinzip galt fraglos für viele mittelalterliche Stadtmauern Brandenburgs. Für eine Zollmauer reichte eine
Höhe von ca. 4 m, so wie auch die Türme bzw. Wiekhäuser nun überflüssig waren; man trug die Mauer also auf diese Höhe ab, ebenso die Türme bis zum Boden. Das gewonnene Material wurde zum Teil benutzt, um die entstandenen Lücken zu schließen, aber es blieb fraglos auch viel übrig, um es in der übrigen Stadt zu verbauen, etwa für steinerne Fassaden der Fachwerkhäuser. In dem solchermaßen reduzierten Zustand blieben die Mauern vieler Städte zumindest in Brandenburg bis zu den umfassenden Reformen der Zeit um 1810–20 erhalten, die dann auch die Binnenzölle bzw. die Akzise beseitigten. Dieser politische Wandel war letztlich der endgültige Startschuss für den umfangreichen Abriss von Stadtmauern im 19. Jahrhundert. Aber auch dort, wo die Zölle keine große Bedeutung gehabt hatten, insbesondere in den vielen Klein- und Ackerbürgerstädten mit ihren nur regional wichtigen Märkten, erlebten die mittelalterlichen Mauern im 17. / 18. Jahrhundert noch Verwandlungen. Einerseits bestanden diese in einer allmählichen Reduzierung der militärisch nun wertlosen Anlagen. Um die Stadt vor „Gesindel“ zu schützen, musste man nicht unbedingt Türme, Wehrgänge und Schießscharten erhalten, auch keine Gräben und Wälle. Und so verschwanden obere Mauerteile und hölzerner Wehrgang, sei es durch Abbruch, um das Mate-
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rial zu gewinnen – vor allem im Backsteingebiet, wo oft nur die Feldsteinsockel übrig blieben –, sei es durch Verfall infolge mangelnder Pflege. Und auch Türme konnten nun, soweit sie nicht als Gefängnis oder Armenwohnung nutzbar waren, teilweise oder ganz verschwinden; ein anschauliches Beispiel bietet noch Neubrandenburg, wo die Oberteile der meisten Wiekhäuser fehlen, während in den Unterteil winzige Fachwerkhäuschen eingebaut wurden (Abb. 255). Die zunehmend verfüllten Gräben und Wälle wurden nun endgültig zu Gärten umgestaltet (Abb. 256), was zu vielen neuen Pforten in der Mauer führte. Einerseits also konnte man vielerorts von einem langsamen, eher unauffälligen Verfall der Stadtmauern sprechen. Andererseits gibt es im Barock durchaus Beispiele dafür, dass Stadttore sogar neu gebaut wurden. In der Mitte und zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es vor allem im Fränkischen eine ganze Reihe von Torneubauten oder aufwendige Reparaturen von im Krieg zerstörten Toren, so etwa in Weismain (Zerstörung 1633, Reparatur 1643–1719), in Dinkelsbühl („Segringer Tor“, 1648 zerstört, Neubau 1655) oder Höchstadt, wo die am Wiederaufbau in den 1660er Jahren Beteiligten auf drei Schrifttafeln festgehalten sind. Dürften solche frühen Beispiele noch auf die Initiative der Bürger zurückgegangen sein, die Mauern und Tore weiterhin als Zeichen ihrer Eigenständigkeit empfanden – als Spätling etwa noch der Aufsatz des Bautzener „Reichenturms“ von 1715–18, ein regelrechter Stadtturm –, so gehen Beispiele im 18. Jahrhundert eher auf die absolutistischen Landesherren zurück, die ihre Residenz betonen oder auch nur den guten Zustand ihrer Städte unterstreichen wollten. Gute Beispiele für barocke Stadttore als Elemente typischer Residenzarchitektur bieten Ansbach und Heidelberg. In Ansbach, der Residenz der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, wurde der Turm des „Herrieder Tores“ 1684 / 85 zunächst achteckig erhöht, dann 1733 / 34 durch zwei Torhäuser flankiert, schließlich 1750 / 51 nochmals modernisiert (Abb. 257). Das pfalzgräfliche Heidelberg erhielt um 1775–90 mehrere neue Tore, die – teils nach Entwürfen bedeutender Baumeister wie Nicolas de Pigage – entweder Ausbauten der mittelalterlichen Tore waren („Brückentor“) oder wegen besserer Wirkung vor
deren Stelle vorgerückt wurden („Karlstor“). Weiter im Süden des Oberrheins bieten barocke Tore in mehreren Städtchen des vorderösterreichischen Breisgaues Beispiele dafür, wie man nach den Kriegen des 17. Jahrhunderts eine repräsentative Wiederherstellung des Stadtbildes anstrebte, ohne dass der Ort mehr als ein regionaler Marktort gewesen wäre (Burkheim, Emmendingen, Ettenheim, Ettlingen). Auch das „Neue Heilbronner Tor“ im württembergischen Lauffen am Neckar, das 1772 wegen der Verlegung einer Chaussee neu entstand, ist so zu deuten, dass die Abgeschlossenheit selbst einer kleinen Landstadt weiterhin ein selbstverständliches Ziel war. Und die nicht wenigen, auch erst im 18. Jahrhundert entstandenen Torhäuser in vielen Dörfern etwa Unterfrankens zeigen, dass dieser Aspekt sogar für noch kleinere Siedlungen sehr lange in Geltung blieb (Abb. 144, 385). Die Sicherheit der Bürger und deren symbolische Vermittlung nach außen, das waren noch im 18. Jahrhundert neben der Erhebung von Zöllen die Hauptgründe, warum die mittelalterlichen Mauern im Großen und Ganzen erhalten blieben; der Verlust ihrer militärischen Funktion zeigte sich lange Zeit nur im Detail, vor allem in der Vernachlässigung nicht mehr dringend benötigter Teile.
2.3.2. Abriss, Denkmalpflege und „Ringstraßen“ (19. Jahrhundert) Die Reformen der nachnapoleonischen Ära beseitigten in den deutschen Staaten auch die Akzise und mit ihr den letzten praktischen Grund, die Ummauerungen und Tore der Städte noch zu bewahren. Nachdem die Befestigungen längst nur noch notdürftig unterhalten worden waren, deutet vieles darauf hin, dass dieser Verlust der – bei den Bürgern nie beliebten – Funktion endgültig einen Wandel in der Betrachtung und Behandlung der Stadtmauern ausgelöst hat. Ihre Wertschätzung als Symbol städtischer Identität dürfte seit dem Verlust der Verteidigungsfunktion ohnehin stark geschwunden sein und so setzte sich die Erkenntnis, dass die Mauern nur noch ein kostenträchtiges und auch sonst nachteiliges Hindernis im städtischen Leben waren, nun endgültig durch; einen anschaulichen Beleg der dahinterstehenden, durchaus „aufgeklärten“ 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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Gedankenwelt bietet etwa eine 1792 veröffentlichte Abhandlung des kurmainzischen Ingenieur-Majors und Lehrers Rudolf Eickemeyer, der die alten Mauern für so ziemlich alle Übel der Epoche verantwortlich machte. Für die vielfältige Entwicklung im 19. Jahrhundert war dabei allerdings typisch, dass der Bewusstseinswandel keineswegs nur in eine Richtung wirkte. Das galt für große Städte, aber fast noch mehr für kleine, in denen sich die Planungsansätze oft überlagerten oder bruchstückhaft blieben; so belegte es etwa Volkmar Eidloth am Beispiel Württemberg. Zwar wurde die Tendenz zur Beseitigung der Mauern in der zweiten Jahrhunderthälfte, unter dem Einfluss der Industrialisierung, nochmals verstärkt, als nämlich das explosive Wachstum vieler Städte dazu führte, dass der Bereich der ehemaligen Befestigungen endgültig zum Rohmaterial oft sehr anspruchsvoller städtebaulicher Planungen wurde. Andererseits aber entstand schon viel früher, vor dem Hintergrund der Romantik und des einsetzenden Nationalismus, die Einsicht, dass die Stadtmauern auch Ausdruck deutscher Geschichte und Kultur waren, die man vor dem völligen Verschwinden schützen müsse. Der Widerstreit beider Tendenzen, der bis weit ins 20. Jahrhundert anhielt, formte letztlich jenes vielfältige Bild, das die Stadtmauern im deutschsprachigen Raum heute bieten – zwischen wenigen fast vollständig erhaltenen Anlagen und sehr vielen restlos verschwundenen hat eine Fülle mehr oder minder isolierter Restbestände überlebt. Als letzte Entwicklung, die diesem Zustand nochmals einen Akzent hinzufügte, ist der in den 1970er Jahren einsetzende Wiederaufbau einzelner Tore oder Türme zu nennen – Ausdruck eines nostalgischen Verlustempfindens, das das Verlorene wiedergewinnen möchte, aber letztlich selten über Kulissen hinauskommen kann. Die verbreitete Aussage stadtgeschichtlicher Literatur, dass man im 19. Jahrhundert die Stadttore generell als Verkehrshindernisse und die Mauern als Einengung empfunden habe, ist meines Wissens noch nicht vergleichend unAbriss tersucht worden. Immerhin gibt es frühe Dokumentationen solcher Empfindungen wie etwa in Weiden in der Oberpfalz, wo 1803 die Rede war von den „zu hohen Stadtmauern, welche den Ort einkerkerten“, die man dann 320 I. Systematischer Teil
in der Folge abtrug. In den Akten der Zeit dürfte man aber weit häufiger trockene Verwaltungsakte dokumentiert finden, hinter denen eventuelle Gefühlslagen der Bürger oder zumindest ihrer entscheidungsberechtigten Vertreter eher verborgen bleiben. In Fritzlar etwa riss man 1838 die Tore ab und gab eine Begründung zu den Akten, der man entnehmen kann, dass die Bürokratie es inzwischen geradezu als Pflichtverletzung ansah, die „Verkehrshindernisse“ stehen zu lassen. Ein weiteres hessisches Beispiel, Limburg an der Lahn, ist deswegen interessant, weil dort der nüchterne Übergang der Verhaltensweisen von der Heimatforschung gut zusammengefasst wurde. Noch 1808 reparierte man ein Mauerstück, aber nur zehn Jahre später begannen schon Versteigerungen der Türme, Wachhäuser und Mauerzüge; zuletzt brach die Stadt selbst zur Materialgewinnung ab. Ab 1866 / 70 betrieb dann die preußisch geprägte Verwaltung in ganz Nordhessen systematisch den Abriss der Stadttore – mit spürbarem Erfolg, denn heute findet man dort fast keine mehr. Einen Sonderfall bildeten jene Städte, die neuzeitliche bzw. bastionäre Befestigungen besessen hatten, denn bei ihnen gab es in der Regel keinen allmählichen Verfall der Mauern und Türme. Vielmehr waren diese meist schon beim Bau der Bastionen stark in Mitleidenschaft gezogen worden; oft verschwanden sie unter den Erdwällen, die Türme wurden häufig gekappt. Im aus heutiger Sicht günstigsten Falle entstand die neuzeitliche Umwallung nicht auf, sondern vor den Mauern und diese wurden als Absperrung der Festungswerke gegen die eigentliche Stadt teilweise erhalten. Auch in diesem Falle verschwanden sie jedoch fast immer bei der Schleifung der Festung, und zwar einfach deswegen, weil sie im Bewusstsein der zuständigen Administration gar nicht von den Festungswerken unterschieden wurden, sondern einfach als deren Teil galten. Zwischen dem mittleren 18. Jahrhundert und dem mittleren 19. Jahrhundert war – diese Sicht drängt Denkmalschutz contra Stadtplanung sich im Rückblick auf – im Umgang mit den Stadtmauern praktisch alles möglich, sodass ein Bild von extremer Widersprüchlichkeit entstand. Neben Vernachlässigung, Verkauf auf Abriss und mi-
litärisch begründeter Schleifung gab es andererseits durchaus noch Restaurierungen aus ästhetischen Gründen und schließlich, ab den 1820er / 30er Jahren, auch erste Regungen eines Denkmalbewusstseins zumindest bei manchen Fürsten. Um 1800 wurde in Teterow in Mecklenburg die stadtseitige Spitzbogenöffnung des „Rostocker Tores“ mit einem neugotischen Blendmaßwerk gefüllt (Abb. 508) – traditionelle Verbundenheit mit dem Symbol städtischer Freiheiten oder schon frühes Aufblitzen eines Denkmalbewusstseins? Man denkt an das „Nauener Tor“ in Potsdam, eines der frühesten Beispiele von Neugotik außerhalb Englands (Johann Gottfried Büring, 1754 / 55) – aber was soll die Residenz Potsdam mit dem Landstädtchen Teterow zu tun gehabt haben? In Bayern erlaubte Kurfürst Maximilian zur gleichen Zeit den Abriss der Mauern und die Verfüllung der Gräben, aber schon 1826 untersagte König Ludwig I. per Dekret den Abriss der Mauern von Dinkelsbühl und anderer bayerischer Stadtbefestigungen. Seine Begründung spiegelte allerdings nicht nur ein Geschichtsempfinden, sondern auch die Angst vor den tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen der Epoche. Er hoffte nämlich, „dass die Historie ein spezifisches Gegengewicht wider revolutionäre Neuerung und wider ungeduldiges Experimentieren sei – wer seinen Sinn ernst und würdig auf die Vergangenheit richte, sei nicht zu fürchten in der Gegenwart“. Eine preußische Kabinettsordre von 1830 beabsichtigte Ähnliches, in der Folgezeit unterstützt durch entsprechend ausgerichtete Gesetze mehrerer Ministerien. Die Geschichtsschreibung der deutschen Denkmalpflege neigt ein wenig dazu, die frühen königlichen und landesfürstlichen Anordnungen zum Schutz von Baudenkmälern hoch zu bewerten, ohne dabei die Frage nach der Wirksamkeit im Alltag allzu scharf zu stellen. Fraglos gab es in den folgenden Jahrzehnten Einzelfälle, in denen Zuschüsse der Verwaltung die Erhaltung oder Restaurierung eines Einzelbaues förderten, aber die grundsätzliche Entwicklungstendenz ging doch klar in eine andere Richtung, die durch die Industrialisierung und den damit verbundenen Aufstieg eines wirtschaftlich kraftvollen Bürgertums bedingt war.
Abb. 258 Lübeck, „Holstentor“. Die Inschrift „Concordia domi, foris pax“ (innen Eintracht, außen Frieden) wurde erst 1871 angebracht, als verkürztes Zitat einer Inschrift auf einem abgerissenen Tor der Bastionärbefestigung. Spätestens zu dieser Zeit wurde das „Holstentor“ zum wichtigsten Symbol der Stadt.
Zwar stand das Bürgertum des beginnenden Industriezeitalters den mittelalterlichen Baudenkmälern nicht a priori ablehnender gegenüber als die Landesherren des frühen 19. Jahrhunderts, aber der romantisch und traditionell geprägte Vergangenheitsbezug der Letzteren hatte spätestens nach 1848 keine Chance mehr gegen die dynamische Entwicklung der Städte und ihrer architektonischen Gestaltung. Zwar wollte auch das reich werdende Bürgertum weiterhin bestimmte Bauten als Geschichtssymbole erhalten; bis heute beeindruckt etwa die städtebauliche Freistellung des 1863–71 restaurierten und erst damals „concordia domi, foris pax“ beschrifteten Lübecker „Holstentors“ (Abb. 258). Aber weitaus stärker und zerstörerischer wirkte die zunehmende Entwicklungsdynamik der Städte – durch Stadterweiterungen, Industrieanlagen, Bahnhöfe vor den Befestigungen usw. wurden die verbliebenen Mauern und Tore endgültig zu Verkehrshindernissen. Es ist gewiss kein Zufall, dass man gerade im Ruhrgebiet und in Sachsen, zwei früh und intensiv industrialisierten Regionen, heute nur noch wenige Reste von Stadtmauern findet. Bis zur Jahrhundertmitte, als die Ausdehnung der Städte erst schwach einsetzte, sah man die Fläche der Mauergassen, Mauern, Gräben und äußeren Grabenstraßen, insbesondere aber von bastionären Befestigungen manchmal als Möglichkeit, Grünanlagen bzw. „Promenaden“ um den eng bebauten Stadtkern zu legen. Das ge2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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schah etwa in Greifswald, wo sich die Festungswerke im Siebenjährigen Krieg als sinnlos erwiesen hatten, mit ersten Planungen schon ab 1769 und der Umsetzung ab 1782. Es entstanden Promenaden unter Baumreihen, später auch Baumschulen, ein botanischer Garten, ein dendrologischer Lehrpfad usw.; die Weiterentwicklung bis
heute ist in einer Studie von 2008 detailliert dargestellt. In Dresden plante François de Cuvilliés 1755 einen Parkgürtel und eine breite Allee auf den Festungswerken des 16. Jahrhunderts, die aber nicht verwirklicht wurden. Ein bedeutendes Beispiel ist auch der Braunschweiger Landschaftsgarten auf den zur Hügel-
Abb. 259 Braunschweig, eines der wichtigen Beispiele für die Umgestaltung bastionärer Wallanlagen zu Gärten, an der ab 1803 u. a. Peter Josef Krahe mitwirkte (Plan von F. von Heinemann, 1836; Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Sp_Braunschweig 1836).
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Abb. 260 Josef Stübben, Planung für Köln, vor 1881. Um die hellgrau angelegte Altstadt, deren Mauer weitgehend abgebrochen wurde, wurde ein weiterer Ring neuer Wohnquartiere gelegt, deren Rückgrat ein „Ring“ verschieden breiter Alleen ist (J. Stübben, Handbuch der Architektur, Tl. 4, 9. Halbbd.: Der Städtebau, 1907).
landschaft überformten Resten der Bastionen (Peter Joseph Krahe, 1803–23; Abb. 259); ähnlich ist Lübeck zu beschreiben, anderswo begnügte man sich mit Alleen und Grünanlagen auf den Wällen oder verfüllten Gräben, etwa in Naumburg oder Meiningen. Solchen Entwicklungen, die in Frankreich schon weit früher einsetzten, entstammt der Begriff „Boulevard“ für eine repräsentative, baumbepflanzte Straße (Bollwerk = französisch „boulevard“). Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des späten 19. Jahrhunderts traten aber gänzlich neue und durchaus repräsentativ gestaltete Außenquartiere der nun erst so bezeichneten „Altstadt“ gegenüber. Dadurch erhielt der Bereich der Befestigungsanlagen eine vollkommen neue Funktion und Wertigkeit. Hatte er bisher die Stadt rigide begrenzt und in sich abgeschlossen, so musste er nun eine Verbindungsfunktion zwischen alten und neuen Stadtteilen übernehmen, also eben dort „Öffnung“ gestalten, wo bisher funktional und ästhetisch „Abschluss“ stattgefunden hatte. Dass dies weiterhin und in noch verstärktem Maße Abbrüche von Stadtmauern und insbesondere – nämlich an den weiterhin genutzten Ausfallstraßen – Zerstörungen von Stadttoren bewirkte, liegt auf der Hand. Denkmalpflege im Sinne der Erhaltung von Teilen der Stadtbefestigung hatte im Zusammenhang dieser Entwicklungen im Grunde nur zwei Chancen von freilich ganz verschiedener Art. Einzelbauten konnten als gestalterische
Elemente eingesetzt werden, wenn Stadtväter und Stadtplaner eine Vorstellung von ihrer historischen Aussagekraft entwickelten, sie also als „Denkmäler“ sahen, oder sie konnten einfach deswegen erhalten bleiben, weil die wirtschaftliche Dynamik der Stadt eben nicht ausreichte, um sie mit sich fortzureißen. Diese Thematik, die natürlich ein ungeheures, schon 1912 von Adolf Zeller gesichtetes Material bietet, sei hier an nur drei Beispielen erläutert, die alle, jeweils auf ihre Art, bedeutende Zeugnisse ihrer Epoche sind: Köln, Wien und Rothenburg ob der Tauber. Die Kölner Neustadt wurde, nach weitgehendem Abriss der Stadtmauer, 1881–89 vom Stadtbaumeister Josef Stübben geplant und realisiert. Während die Neubebauung auf dem ehemaligen Rayon entstand, gestaltete Stübben den Bereich der Gräben und Wälle zu einer nach deutschen Dynastien benannten, fast 6 km langen Ringstraße, die das repräsentative Rückgrat der neuen Quartiere bildete (Abb. 260). In ihre bewusst abwechslungsreiche Gestaltung mit Plätzen und unterschiedlichen Straßenbreiten, die bereits von Zeitgenossen gelobt wurde, bezog Stübben auch drei erhaltene Stadttore ein („Eigelstein-“, „Hahnen-“ und „Severinstor“ [Abb. 418, 107, 99]) sowie den „Wahrzeichenturm“, den „Bayenturm“ am Rhein. Stübben, der in seinem 1890 erschienenen Lehrbuch Der Städtebau den aus angeblichen Forderungen des Verkehrs und „künstlerischer Unkenntniß“ resultierenden Abriss vieler Tor2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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bauten bedauerte, führte die neuen Straßen beidseitig an den Toren vorbei, was sie entgegen ihrer ursprünglichen Funktion zwar als Einzelmonumente frei stellte, aber immerhin ihre Erhaltung sicherte. Er knüpfte dabei an ein offenbar schon vorhandenes lokales Bewusstsein an, das mit der Vollendung des Domes zu tun haben dürfte (1823–80); der Dombaumeister Zwirner hatte schon um 1860 auch die Torturmreste im nahen Lechenich restauriert. Zu den wichtigsten Vorbildern von Köln gehörte die Wiener „Ringstraße“, die als kaiserliche Planung in der Hauptstadt Österreich-Ungarns allerdings noch weit anspruchsvoller gestaltet wurde. Nach der Schleifung der Bastionen, 1857 von Franz Joseph I. befohlen, wurde der Straßenzug 1864 / 65 angelegt und dann wurden bis in die 1880er Jahre die meisten seiner Repräsentationsbauten errichtet (Abb. 261). Um die Hofburg gruppieren sich die kulturellen Institutionen Oper, Museen und Burgtheater, im Anschluss die städtischen und staatlichen Bauten: Rathaus, Parlament und Universität; der Ausbau zog sich bis knapp vor dem 1. Weltkrieg hin. Im Gegensatz zu Köln belegt die Wiener Ringstraße, dass die Erhaltung von Stadtmauerresten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keineswegs Stan-
dardrepertoire der Gestaltung derartiger Projekte war. Nicht nur die Bastionen wurden abgetragen oder in Resten verbaut, sondern auch die Tortürme des 13. Jahrhunderts, die beim Abriss kurz zum Vorschein kamen, verschwanden sang- und klanglos; fraglos waren ihre Stümpfe, etwa im Vergleich mit Köln, nicht mehr repräsentativ genug, vielleicht auch zu sehr Symbol städtischer Freiheit, um in ein kaiserliches Projekt zu passen (Abb. 281). Wenn man den beiden berühmten Großplanungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nun Rothenburg ob der Tauber als ähnlich berühmtes Beispiel einer bis heute nahezu vollständig erhaltenen mittelalterlichen Stadtbefestigung gegenüberstellt (Abb. 262), dann belegt das keineswegs, wie man vielleicht denken könnte, das Wirken eines zur gleichen Zeit schon hoch entwickelten Denkmalbewusstseins. Vielmehr war Rothenburg, das schon ab dem 15. Jahrhundert nicht mehr mit Zentren wie Nürnberg, Würzburg oder auch Ansbach konkurrieren konnte, im 19. Jahrhundert in eine wirtschaftlichen Randlage geraten, die durch den Verlust seines halben Territoriums 1810 nochmals verschärft wurde. Nachdem sie auch erst verspätet Eisenbahnanschluss erhielt – 1873 bzw. sogar
Abb. 261 Wien mit den Bastionen des 16. Jahrhunderts und dem frei gehaltenen Glacis (links), und mit den Bauten der Ringstraße, die nach der Entfestigung ab 1857 / 58 auf dieser großen Fläche entstanden (L. Benevolo, Die Geschichte der Stadt, 2000).
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Abb. 262 Rothenburg ob der Tauber, die äußere Mauer nördlich des „Rödertores“, mit dem vorgelagerten Zwinger. Der Graben ist teilweise aufgefüllt.
erst 1905 –, stagnierte die Stadt gerade in der Phase, in der anderswo die Befestigungen der explosiven Ausdehnung des Stadtgebietes zum Opfer fielen. Die Mauern haben in Rothenburg also letztlich deswegen überlebt – und ähnlich in den kaum weniger berühmten Nachbarn Dinkelsbühl und Nördlingen –, weil diesen Städten gerade in der „gefährlichsten“ Phase der Entwicklung, als dynamische Erneuerung auf ein noch kaum entwickeltes Denkmalbewusstsein traf, die Kraft zu umfassender Erneuerung ihrer Bausubstanz fehlte. Man darf diesen Fall der Erhaltung durch fehlende Kraft zur Zerstörung sicher nicht verallgemeinern – etwa das nahe Nürnberg nahm eine frühe und kraftvolle industrielle Entwicklung und erhielt trotzdem große Teile seiner Mauer, offensichtlich als Ausdruck stolzen Geschichtsbewusstseins. Aber ein herausragender Fall wie Rothenburg belegt doch, dass es oft keineswegs Bewusstsein, sondern vielmehr glückliche Zufälle waren, die Stadtmauern oder Teile von ihnen bis in unsere Zeit bewahrten.
2.3.3. Stadtmauern heute Heute sind die deutschen Stadtmauern – seien sie nun als seltene, weitgehend vollständige Ensembles oder eher in isolierten Einzelbauten erhalten – ein selbstverständlicher Teil des archi-
tektonischen Erbes, das nicht nur von staatlichen Institutionen geschützt wird, sondern auch im Bewusstsein der Bürger einen relativ gesicherten Platz hat. Sieht man von den Grundsatzproblemen der Denkmalpflege einmal ab, die mit der Rolle von „Kultur“ in der modernen Gesellschaft zusammenhängen, könnte man also meinen, dass weitere Verluste des überkommenen Bestandes heute nicht mehr zu befürchten seien. Jedoch ist es in der Praxis nicht ganz so einfach. Zwar wird heute, von seltenen Ausnahmen abgesehen, niemand mehr einem deutlich erkennbaren Teil einer mittelalterlichen Stadtmauer bewusst Schaden zuzufügen. Aber keineswegs alle erhaltenen Reste sind leicht erkennbar und dort, wo im entscheidenden Moment den zuständigen Behörden oder einem durchaus gutwilligen Grundstückseigentümer die nötige Information fehlt, können auch heute noch umfangreiche Teile einer Stadtmauer zerstört werden, ohne dass dies überhaupt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt. Denn Stadtmauern sind oft schwer erkennbar in die dichte Bebauungsstruktur der Stadtkerne integriert und damit gut verborgen. Werden nun größere Neu- oder Umbauten geplant, so entwickelt der Abriss gemeinhin eine Dynamik, die das Erkennen älterer und wertvoller Bausubstanz fast immer verhindert. Entscheidend ist dabei, dass Bauen stets unter 2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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hohem Zeit- bzw. Finanzdruck stattfindet, sodass Spezialisten, die erst während des Abrisses den Wert eines Bauteiles feststellen, kaum noch eine Möglichkeit haben, das einmal angelaufene teure Geschehen noch zu stoppen. Eine Untersuchung stark in jüngere Bebauung integrierter, denkmalwerter Bausubstanz ist daher in der Praxis nur dann möglich, wenn die Kenntnis erwartbarer Befunde weit vor Beginn der Arbeiten in den Planungsprozess eingebracht wurde. Das aber setzt nicht nur Forschung voraus, sondern auch eine verständliche Vermittlung der Erkenntnisse an Nichtfachleute wie städtische Verwaltungsbeamte, Investoren und Bauunternehmer; die wissenschaftlich selten befriedigenden, primär auf leichte Benutzbarkeit zielenden „Denkmaltopographien“ sind ein Schritt in diese Richtung. Wenn es dennoch bis heute vorkommt, dass unerkannte Reste etwa von Stadtmauern Baumaßnahmen zum Opfer fallen, so liegt das zwar einerseits am immer noch oft fehlenden Bewusstsein vom Wert solcher Relikte, aber noch mehr wohl Abb. 263 München, das „Talburgtor“, das im 15. Jahrhundert erneuerte Osttor der ältesten Ummauerung, und das 1470–80 daran angelehnte Rathaus, die kriegszerstört waren, wurden nach dem 2. Weltkrieg wiederhergestellt bzw. 1971–74 neu errichtet (Thomas Wolf, www.foto-tw.de).
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an Vermittlungsproblemen sowie, was solche Wirkungen allemal verstärkt, an der fast immer schwierigen Finanzsituation der öffentlichen Hand, von der in der Regel die Finanzierung von Denkmalpflege erwartet wird. Vor diesen Hintergrund erscheint es auf den ersten Blick als Widerspruch, wenn in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in manchen Städten Tore oder Türme wieder neu errichtet wurden, die seit Langem nicht mehr existierten. Bei genauer Betrachtung zeigt sich in solchen Fällen fast immer eine nostalgisch eingefärbte Sehnsucht nach Symbolen einer vergangenen, als besser interpretierten Zeit, der Wunsch im Grunde nach einem Tilgen zerstörerischer Einzelereignisse oder Epochen der Geschichte – und als Symbole sind Türme nun einmal brauchbarer als noch so sorgfältig präparierte, aber vom Zahn der Zeit dennoch deutlich geschädigte Mauerreste. Insoweit kann man sogar sagen, dass die Wiederaufbauten der jüngsten Vergangenheit sich durchaus noch in denselben Gleisen wie bereits das Mittelalter selbst bewegten, nur dass die entfallene Hauptfunktion der Mauern heute eine Beschränkung auf die symbolträchtigen Türme zulässt. Einige Beispiele seien zum Abschluss angesprochen. In München entstand 1971–74 der Turm des „Talburgtors“ der ältesten Stadtmauer neu, der nach Kriegszerstörung gesprengt worden war (Abb. 263). Freilich symbolisierte der Turm schon seit dem Mittelalter die Stadt München in einem noch höheren Sinne, als es ein Tor allein täte, denn bei der Erneuerung des direkt angebauten Rathauses 1392 / 94 war der Torturm zum Rathausturm umgebaut worden. Im Gegensatz zu dieser in mehrfacher Hinsicht zentralen Funktion verfolgte der Neubau des 1876 zerstörten „Illertores“ in Kempten (1990) offenbar allein den Zweck, die Grenze der Altstadt an einer markanten Stelle, unter der „Burghalde“ an der Illerbrücke, wieder deutlicher zu markieren. Versuchten die beiden genannten Beispiele die Architektur ihrer Vorbilder möglichst getreu nachzugestalten, was zu dem typischen „glatten“ Erscheinungsbild solcher Neubauten führte, so gibt es inzwischen auch Versuche, den Regeln moderner Denkmalpflege besser zu entsprechen oder gar die Bauaufgabe in kompromisslos modernen Formen anzugehen.
Abb. 264 Dortmund, „Adlerturm“. Von dem Turm waren nur ausgegrabene Fundamente erhalten, und die Stadtbefestigung von Dortmund ist auch sonst verschwunden. Um sie wieder anschaulich zu machen, entschloss man sich zum Neubau als Museum, der aber auf wenigen Betonstützen über den alten Fundamenten „schwebt“.
Abb. 265 Isny (Baden-Württemberg), der Entwurf von Peter Zumthor (2010) für einen neuen Turm anstelle des ehemaligen Obertores. Der avantgardistische Bau hätte aus Glasbausteinen bestanden und u. a. ein Restaurant und einen Saal für Veranstaltungen aufgenommen. Die Ausführung wurde 2012 in einem Bürgerentscheid abgelehnt.
Ein etwas merkwürdig anmutender Mischling der ersten Art ist der 1992 als Museum neu entstandene „Adlerturm“ in Dortmund (Abb. 264). Erhalten waren nur ergrabene Fundamente, aber offenbar wollte man eine bessere Anschauung der verschwundenen Stadtmauer zurückgewinnen. Diesen Widerspruch löste man so, dass zwar ein massiver, bis zur Dachspitze 30 m hoher Turm neu entstand, der jedoch nicht auf den originalen Fundamenten steht, sondern auf separaten Betonpfeilern berührungslos(!) über ihnen „schwebt“. Wirklich befriedigen kann die Lösung nicht, weil einerseits ein so massiver Baukörper optisch niemals „schweben“ kann und weil andererseits der Spalt zwischen Originalfundament und modernem Aufsatz so schmal und zudem durch Gitter geschlossen ist, dass man ihn leicht übersieht. Bei Weitem interessanter mutete der kühne Entwurf des Graubündener Architekten Peter Zumthor für ein neues Stadttor in Isny im Allgäu an, der aber 2012 in einem Bürgerentscheid abgelehnt wurde (Abb. 265). Auch in Isny standen ursprünglich durchaus traditionelle Gefühle hinter der Planung; der Bürgermeister betonte damals, dass „zu einer freien Reichsstadt […] Türme und Tore“ gehören und dass man durch eine neue Umgehungsstraße nun „die einmalige Chance [habe,] die größte Lücke der Stadtmauer wieder zu schließen“. Der Entwurf Zumthors hatte freilich mit dem 1830 abgerissenen „Ober-
tor“ nur noch die turmartige Dimension gemein. Eher wie ein Ufo war dort ein hoher, dreibeiniger, den rechten Winkel verschmähender, nachts strahlender Baukörper aus Glasbausteinen geplant, der unter anderem eine Bühne und ein Restaurant hätte aufnehmen sollen. Dass der Rekonstruktionsversuch eines mittelalterlichen Tores ohne hinreichende Erforschung auch peinlich missglücken kann, dafür sei zum Abschluss noch das „Neutor“ in Rheinbach genannt. Dort richtete man 1971–72 einen halb ruinierten Eckturm, den „Wasemer Turm“, als Treffpunkt des „Stadtsoldatencorps 1905 Rheinbach“ ein; als aber der Platz im Turm nicht ausreichte, erbaute man 1986 / 87 als Erweiterung direkt daneben einen betont „mittelalterlichen“ Torbau als vermeintliche Rekonstruktion des „Neutores“ – in Unkenntnis der im Namen schon anklingenden Tatsache, dass dieses Tor höchstwahrscheinlich erst im 17. Jahrhundert entstanden war; eine Hinweistafel direkt neben den Neubau versucht nun die Fakten zu klären. Von der Rheinbacher Mauer ist sonst nur wenig Originales erhalten, aber man hat in den 1980er / 90er Jahren den Mauerzug teilweise 50 cm hoch wieder angedeutet, auch mit zwei Mauerschalen. Ein solches akzeptableres, weil zurückhaltendes Verfahren, das das Verschwundene der Anschauung zurückzugewinnen sucht, wurde inzwischen auch anderswo angewendet, etwa im nahen Kempen.
2. Die Entwicklung der Stadtbefestigung
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3. Zur Organisation von Bau und Verteidigung Es ist noch immer wenig üblich, in Werken, die einen Bautypus behandeln und daher in der Regel von Kunst- oder Architekturhistorikern geschrieben werden, detaillierter auf das einzugehen, was die Schriftquellen zur Entstehung und Nutzung der Bauten sagen. Historiker setzen nun einmal eine ganz andere Methodik ein, um ein ebenfalls andersartiges Material zu analysieren, und die intensive, detailbezogene Zusammenarbeit von Historiker und Kunsthistoriker ist leider bis heute seltene Ausnahme. Auch das
vorliegende Werk kann solchen Beschränkungen nicht vollständig entkommen, aber um es nicht bei der Beschreibung des Baulichen und seiner unmittelbar ablesbaren Funktionen und Entwicklungen zu belassen, soll hier zumindest ein Überblick über die wichtigsten jener Themen gegeben werden, die aus dem rein Baulichen nicht ablesbar sind, aber die Funktionen der Bautypen doch letztlich erst verständlich machen; die Arbeit von Historikern kann dieser Versuch aber sicher nicht ersetzen.
3.1. Organisation und Finanzierung des Baues Wer war der Bauherr einer Stadtbefestigung und wie wurde sie finanziert? Wer entwarf und leitete den Bau, und wie lief er praktisch ab? Im Grundsatz war die Befestigung einer Stadt eine herrschaftliche Aufgabe, wobei allerdings über die Jahrhunderte hinweg recht verschiedene Herrschaftsträger tätig wurden. Ursprünglich besaß nur der König das Befestigungsrecht, aber dies begann sich im 12. / 13. Jahrhundert zu ändern, wie bereits Erich Schrader 1909 dargelegt hat. Zu der Zeit, als die meisten Stadtbefestigungen entstanden, vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, war dieses Recht bzw. die umfassender definierte „Wehrhoheit“ weitgehend auf regionale oder gar lokale Mächte übergegangen, also auf Fürsten oder Angehörige des Adels, im Falle freier Reichsstädte und größerer landesherrlicher Städte auch bereits auf die Stadt selbst, das heißt auf ihren Rat. Theoretisch wäre es dem jeweiligen Inhaber der Stadtherrschaft durchaus möglich gewesen, den Bau einer Befestigung einfach zu befehlen, ohne dass er irgendwelche Überlegungen darüber hätte anstellen müssen, welche Möglichkeiten die dafür Herangezogenen in der Realität hatten: ob also ihre Anzahl und Arbeitskraft, ihre Einkünfte, ihre Verfügung über Baumaterial usw. dafür überhaupt ausreichen konnten. Manche frühen Nachrichten erwecken auf den ersten Blick einen entsprechenden Eindruck, wenn etwa 328 I. Systematischer Teil
Heinrich IV. 1106 den Bürgern (nicht etwa dem Erzbischof!) von Köln befahl, drei Vorstädte mit Wällen und Türmen zu befestigen, wenn Landgraf Ludwig II. von Thüringen († 1172) angeblich sechs benachbarte Orte zum Mauerbau in Eisenach zwang (deren erhaltene Teile aber sicherlich meist jünger sind) oder wenn Bischof Otto von Würzburg (1207–23) die Bürger von Karlstadt zum Mauerbau verpflichtete. Indirekter wird die königliche Verfügung über die Stadtbefestigung auch greifbar, wenn Konrad IV. 1251 auf den Abriss eines Mauerteiles gegenüber der Pfalz Mühlhausen verzichtete. In diesen vereinzelten Fällen aus salischer und staufischer Zeit bleibt jedoch immer zu fragen, ob es nicht doch ergänzende, praktische Formen der Unterstützung des hochadligen Stadtherrn gegeben hat, die uns nur nicht explizit überliefert wurden. Auch im Spätmittelalter sind noch lakonische landesherrliche Befehle dieser Art belegbar, wenn etwa Herzog Wratislaw von Pommern 1319 den Mauerbau in Müncheberg fordert und bei Nichterfüllung Strafen androht oder wenn König Sigismund in den 1420er Jahren befiehlt, die Mauern von Bautzen gegen die Hussiten „zu festen und zu bewahren“. Solche scheinbar isoliert im Raum stehenden Befehle waren aber im Spätmittelalter seltene Ausnahmen geworden; aus dieser Epoche verfügen wir vielmehr über eine Fülle von Belegen dafür, dass der Bau zusätzlich zur puren Anweisung
Abb. 266 Mainz, Zinnensteine der Stadtmauer mit Inschriften: Namen umliegender Dörfer, deren Bewohner bei Gefahr in die Stadt fliehen durften und dafür bestimmte Mauerabschnitte zu unterhalten und verteidigen hatten. Die Inschriften, teils auf römischen Spolien, dürften um 1200 entstanden sein (F. V. Arens, Die Inschriften der Stadt Mainz … bis 1650, 1958; die Steine sind überwiegend Kriegsverlust).
durch die Übertragung von Einkünften gefördert wurde; der Eingriff des Stadtherrn beschränkte sich zu dieser Zeit immer stärker auf die reine Erlaubnis bzw. Privilegierung, während die Finanzierung und Organisation des Mauerbaues nun auch deutlich erkennbar auf die Stadtbewohner übergegangen war. Was in der obrigkeitlichen Verfügung über die Schaffung von Stadtbefestigungen gelegentlich greifbar wird, wenn auch solche Ursprünge kaum im Einzelnen beweisbar sind, ist die Funktion von Städten als eine Art „Fliehburgen“. Dass Beteiligung des Umlandes am Mauerbau, der Schutz der BevölkeFliehburgfunktion rung im Frühmittelalter dem König und seinen Beauftragten oblag, vor allem den Grafen, ist bekannt, und dass dazu Fliehburgen geschaffen und unterhalten wurden, ist gleichfalls unbestritten. In der freilich recht isoliert überlieferten sogenannten Burgenordnung Heinrichs I. legte der König 926 fest, dass je ein „Landkrieger“ (agrarius miles – waffentragender Bauer) für acht andere Wohnmöglichkeiten in diesen Fliehburgen schaffen sollte, die ihn im Gegenzug zu
versorgen hatten; auch Gerichtstage und Märkte sollten nur in den Burgen stattfinden, denen damit gewisse zentrale, bereits auf Städte verweisende Funktionen zugewiesen wurden. In späteren Zeiten findet man nur noch indirekte Hinweise auf derartige Schutzfunktionen der Stadt(mauern) für Bewohner des Umlandes. Welche Rechtsgrundlagen es für solche beidseitigen Verpflichtungen gab, bleibt in der Regel offen und eben dies wird gern als Indiz genommen, dass es sich um ein „uraltes Herkommen“ gehandelt hat. Besonders die nicht ohne Grund in diesem Zusammenhang oft angeführte „Fron“ ist höchstens über ihre Nebenkosten zu belegen; ihre dennoch durchaus hohe Bedeutung dürfte die Fron, wegen der fehlenden Ausbildung der meisten Betroffenen, vor allem beim Materialtransport und bei Erdarbeiten gehabt haben. In diesem Sinne verstand die Forschung insbesondere die „Mauerbauordnungen“, die etwa aus Worms, Ladenburg, Mainz und Bingen bekannt sind – also durchweg Städten mit römischer Wurzel –, wobei freilich nicht nur das belegbare Alter der Texte sehr unterschiedlich ist, sondern in vieler Hinsicht auch diese selbst (Gerold Bönnen). Dementsprechend wird der Wormser Text, der Bischof Tietlach (um 891–914) zugeschrieben wird, heute als jüngeres Kompilat angesehen, während die ebenfalls ins 9. Jahrhundert gehörende „Mauerbaupflicht“ – Transport von Baumaterial – von fränkischen Königsleuten zu der römischen Mauer von Ladenburg und der frühmittelalterlichen Fliehburg „Heidenlöcher“ bei Deidesheim bisher der einzige Text ist, der eine römische Stadt und eine mittelalterliche Fliehburg nebeneinanderstellt. Auch in der Koblenzer Kastellmauer durften zur Zeit der Normanneneinfälle, wohl entsprechend einem königlichen Mandat von 1018, die Bewohner aller Orte bis Kaub am Rhein und Cochem an der Mosel Zuflucht suchen und waren auch zur Instandhaltung verpflichtet; ein Inschriftenstein bestätigt dies (während beim Koblenzer Mauerbau im späten 13. Jahrhundert alle entsprechenden Indizien fehlen). Ähnlich waren in Mainz 34 Ortschaften zur Pflege bestimmter Abschnitte der im Kern noch römischen Mauer verpflichtet; dort erhaltene Zinneninschriften werden auf etwa 1200 datiert und geben neben dem Ort offenbar die Anzahl der zu pflegenden Zinnen an 3. Zur Organistation von Bau und Verteidungung
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(Abb. 266). In Boppard belegen Inschriften, dass Oberwesel und Niederlahnstein Zollbefreiung dafür genossen, dass sie dort Türme gebaut hatten, wie vielleicht auch Koblenz den nach der Stadt benannten Turm. Schließlich hält eine gleichfalls noch romanische Inschrift in Speyer fest, die Gemeinde Mutterstadt sei an den Kosten der Zinnen beteiligt. Dass die Umlandbewohner im Gegenzug zu ihren Pflichten in Kriegszeiten in die Stadt fliehen durften, ist in den letzteren Fällen unbelegt, darf aber unterstellt werden. Auch die Binger Mauerbauordnung, 1552 in einem Ratsprotokoll überliefert, bestand im Gelübde von 32 benachbarten Orten, der Stadt mit Bewaffneten beizustehen, wenn sie in Zeiten der Not dazu aufgefordert würden. 1498 beginnt man in Duderstadt einen weitgedehnten Wall um die Vorstädte, der noch heute fast nur Wiesen umfasst; daran arbeiteten überwiegend die
Abb. 267 Köln in den Befestigungen der Zeit zwischen 1180 und den 1220er-Jahren. Die Klöster nahe der neuen Mauer und bestimmten Stadttoren, die sich teils auch in den Bauformen der Tore spiegeln, sind hervorgehoben, nur die erhaltenen Tore namentlich bezeichnet (G. Binding / B. Löhr, Kleine Kölner Baugeschichte, 1976, mit Eintragungen von Th. Biller).
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Bauern der Ratsdörfer. In Chemnitz wurde 1331 festgelegt, dass die Hörigen des dortigen Klosters, die der Stadt „helffen umbzewnen“, nicht nur in der Stadt zollfrei sein sollten, sondern dass sie im Notfalle auch in sie fliehen dürften, bei Überfüllung in den Raum zwischen der Mauer und einem „Zaun“, also einer vorgelagerten, hölzernen Verteidigungslinie. Zusammenfassend kann man bisher nur festhalten, dass es in der Tat gewisse Indizien für eine frühmittelalterliche (oder noch ältere) Herkunft solcher Beteiligungen der Umlandbewohner am städtischen Mauerbau bzw. ihres Rechts auf Zuflucht in der Stadt gibt, vor allem am Rhein. Andererseits ist jedoch kaum zu klären, ob derartige Regelungen nicht doch erst später geschaffen oder zumindest in neue Formen gebracht wurden. In einer Epoche, die nach heutigen Maßstäben kein funktionierendes Steuer- und Finanzwesen besaß, gab es auch für den König, für Fürsten oder mächtige Adlige kaum Möglichkeiten, kurzfristig in größerem Umfang Geld zu beschaffen. Eine geordnete „Finanzierung“ Mittelbeschaffung war schon deswegen unmögfür den Bau lich, weil die Mächtigen damals wenig Überblick darüber hatten, wer ihnen wann welche Steuern schuldete, weil diese nur schlecht und unregelmäßig eingetrieben werden konnten und weil sie kaum je für die dringendsten Zwecke ausreichten und daher in der Regel, kaum eingegangen, schon wieder ausgegeben waren. Unter diesen Umständen konnte man keinen „Etat“ im heutigen Sinne aufstellen und verwalten, sondern es lag weit näher, den Städten, die bauen sollten oder wollten – also dem stadtherrlichen Vertreter vor Ort, später dem Rat –, Zugriff auf örtlich vorhandene Einkünfte zu übertragen. Der Stadtherr trat also Abgaben aus der betreffenden Region, die ihm zustanden, unter der Bedingung an die Stadt ab, dass sie zum Bau der Befestigung verwendet wurden. Dabei konnte es sich um Einnahmen aus Zöllen oder einer Münze handeln, es kamen Abgaben infrage, die die Bürger der Stadt eigentlich ihrem Herrn hätten entrichten müssen, etwa Hofzinsen, Zahlungen bei Erbfällen oder Bußgelder, sowie schließlich Abgaben, die gesondert steuerpflichtige Körperschaften innerhalb der Stadt, vor allem
Klöster, schuldig waren. In Extremfällen überließ der Stadtherr der Stadt sogar Schenkungen von Grundbesitz oder Rechten, um die städtischen Einkünfte dauerhaft zu erhöhen. Die weitaus üblichste Form der Mittelbeschaffung beruhte jedoch auf einem Hauptmerkmal der Städte, nämlich Markt für ihr Umland zu sein. In diesem Zusammenhang wurden – an den Toren oder auf dem Markt selbst – von den Bewohnern der Umgebung Abgaben erhoben, wenn sie ihre Waren auf den Markt brachten. Dieses „Ungeld“ bzw. „Ungelt“ – in der Bedeutung von „eine Unmenge Geld“ – wurde vor allem auf Getreide, Wein, Bier, Fleisch und Salz erhoben, wobei die Abgaben der an Markttagen besonders besuchten Wirtshäuser auf alkoholische Getränke eine zusätzliche Rolle spielten. Gelegentlich trifft man auch auf Versuche des Stadtherrn, die Bewohner eines Marktes durch indirekte Anreize zum Mauerbau zu motivieren, oft durch die Zusage, ihnen vollständigere Stadtrechte zu gewähren, sobald sie die Mauer fertiggestellt hätten; das ist insbesondere im herzoglichen Bayern ab dem späten 14. Jahrhundert nachweisbar, aber etwa auch in Seßlach in Oberfranken, wo auf das Stadtrecht von 1335 dreißig Jahre später weitere Rechte als Anerkennung für die fertige Mauer folgten, oder in Stolp (Pommern), dem der Herzog bei der Stadterhebung 1310 eine zehnjährige Steuerbefreiung für den Zeitpunkt versprach, wenn die Palisaden fertiggestellt sein würden. In solchen Fällen nahm also der Stadtherr an, dass sich aus solch verbesserten Rechtspositionen für die künftigen Bürger wirtschaftliche Vorteile ergeben würden, die sie zu Anstrengungen motivieren. Ob das dann tatsächlich immer der Fall war, darf man – etwa bei Städten in ungünstiger Verkehrslage – bezweifeln, und in der Tat wurde die Mauer oft trotz solcher Versprechen nicht oder nur extrem langsam fertig (vgl. 2.2.1.5.). Eine letzte, theoretisch denkbare Unterstützung des Mauerbaues durch den Landesherrn, nämlich durch direkte Materiallieferungen oder Abordnung von Arbeitskräften, konnte ich nirgends finden; offenbar überforderte auch dies die Möglichkeiten der Epoche. Betrachtet man nun konkrete Beispiele für die Mittelbeschaffung, und zwar in chronologischer Ordnung, so spielen die Steuern bzw. deren Er-
lass von Anfang an, also schon im 12. / 13. Jahrhundert, eine entscheidende Rolle, aber nicht die einzige. Für die Steuern kann man etwa Regensburg anführen (1230 / 32, nebst Zoll), Göttingen (1232), Murten (1238), Aachen (1257), Einbeck (1264) oder Lechenich (1279) – und natürlich die berühmte staufische Steuerliste von 1241, die einer ganzen Anzahl von Städten Steuernachlässe ad edificia eorum gewährte, also „für ihre Bauten [= Befestigungen]“. Daneben aber findet man beispielsweise auch, dass ein Drittel der erbenlosen Nachlässe ad municionem villae (zur Befestigung des Dorfes) verwendet werden sollten (Diessenhofen 1178), dass das Bußgeld einer Nachbarstadt für einen Turm verwendet wurde (Rüthen 1225), dass der Stadtherr auf den Hofzins verzichtete (Massow / Pommern 1286), dass der Herzog zweckgebunden Güter schenkte (Kitzbühel 1297) oder offenbar doch auch schon Geld (Hannover 1297). Im 14. Jahrhundert spielen die Steuererlässe eine noch größere Rolle, insbesondere in Form des Ungelds, so etwa in Koblenz (1300, für den Graben) sowie in München 1301 und wieder 1319 als dauerhafte Abtretung für die äußere Mauer. In Franken sind die Beispiele für die Zuweisung des Ungelds zahlreich (Dinkelsbühl 1309 und 1372, Königshofen 1315, Schweinfurt 1361, Weißenburg 1372, dort 1434 erneuert und 1442 verdoppelt), auch in Nachbarregionen wie etwa in Nördlingen 1327, in Thüringen (Schmalkalden 1315, Eisfeld 1323, Hildburghausen 1327) oder in Babenhausen 1441. Auch nachdem das Ungeld im 16. Jahrhundert wieder an die Landesherren übergegangen war, wurde es gelegentlich für die Befestigungen genutzt, etwa als Sagan in Schlesien 1573 um Hilfe aus den „Piergeltsgefellen“ bat. Ergänzt man weitere Fälle von Steuerabtretungen, die sich nicht explizit auf ein Ungeld beziehen, so wird klar, dass die Abtretung von Steuern im 14. (und 15.) Jahrhundert beim Stadtmauerbau endgültig zum Mittel der Wahl geworden war (etwa Neustadt an der Donau 1319 / 24; Frankfurt am Main 1333; Kallies 1336 und Dramburg 1338 und 1350, beide in Pommern; Rain / Lech 1359–1416; Creußen 1473). Andere Formen der Förderung gab es zwar auch weiterhin – etwa Abtretung eines Zolles (Amberg 1326, Straubing 1341, Neuburg an der Donau 1347, Lauban / Schlesien 1498) oder des Salz3. Zur Organistation von Bau und Verteidungung
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Abb. 268 Brandenburg, der „Mühlentorturm“ mit der Inschrift, die seine Erbauung 1411 durch Nikolaus Kraft aus Stettin festhält.
332 I. Systematischer Teil
monopols (Breslau 1331) –, aber sie treten zahlenmäßig stärker zurück als vor 1300. Gelegentlich trifft man auf Belege, dass Klöster innerhalb der Stadt – als selbstständige Körperschaften mit oft hohen Einkünften – für die Errichtung der Stadtmauer herangezogen wurden; das galt auch dann, wenn nicht das Kloster selbst, sondern nur ein Klosterhof in der Befestigung liegen sollte. Dass diese Mauerbaupflicht der Klöster als selbstverständlich galt – und daher wohl viel öfter wirksam wurde, als die Schriftquellen es festhalten –, zeigen Fälle expliziter Befreiung, so schon 1219, als Friedrich II. das Kloster Walkenried von Beiträgen zur Befestigung von Nordhausen befreite, oder in Fritzlar, wo nach einer Zerstörung 1232 nicht nur das Domstift die neue Mauer mitfinanzierte, sondern fünf Jahre später auch die Franziskaner Baugelände „vom Tor bis zum nächsten Turm“ zugewiesen erhielten; in Koblenz leistete der Deutschorden eine Zahlung für die Mauer um seinen Bezirk. In Vilshofen wurden 1320 gleich drei Klöster von der Mauerbaupflicht befreit. Ein andersartiges Indiz für solche Zusammenhänge findet man in Köln, wo die spätstaufischen Tore ähnliche Schmuckformen aufwiesen wie die nahe hinter ihnen liegenden Klöster, die fraglos zu deren Bau herangezogen wurden (Abb. 267). Im Backsteingebiet gibt es Hinweise auf die Beteiligung von Klöstern etwa in Stettin, wo die Franziskaner die Mauer 1318 im Bereich des Klosters selbst errichten mussten, oder in Stargard (Pommern), wo sich der Rat mit den Augustiner-Eremiten um die Mauer stritt. 1484 finanzierte das Meißener Franziskanerkloster den Bau eines nahen Bollwerks. Was dagegen von der Legende zu halten ist, Herzog Heinrich III. von Schlesien († 1266) habe die Johanniter beauftragt, die (weitgehend verschwundene) Mauer von Striegau zu bauen, bliebe zu prüfen. Weißenburg in Bayern schließlich bietet ein letztes Beispiel für die Verquickung städtischer und kirchlicher Institute beim Mauerbau: Offenbar hatte die selbstständige, aber vom Magistrat verwaltete Kirchenstiftung im späten 14. Jahrhundert den Bau der Mauer um eine Stadterweiterung finanziert, denn noch Anfang des 19. Jahrhunderts unterhielt sie deren 16 Türme. Dass einzelne Bürger bzw. Familien des Patriziats ein bestimmtes Bauwerk der Befestigung
stifteten – so wie sonst etwa Fenster in der Pfarrkirche –, konnte ich nur sehr selten im spätesten Mittelalter finden. 1492 stiftete etwa der Patrizier Heinrich Bart in München die Barbakane am „Neuhauser Tor“, ein Jahr später finanzierten die Familen Gremp und Aschmann in Vaihingen an der Enz ein Rondell samt seiner Bewaffnung (Abb. 84). Und als der Bergbauunternehmer Ulrich Erckel 1541–56 die Mauer von Marienberg im Erzgebirge auf eigene Kosten errichtete, war deutlich erkennbar eine neue Phase der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung erreicht. Fraglos waren die reichen Familien der Städte schon lange an dem Bau und der Instandhaltung der Mauern stark beteiligt gewesen; neu war um und nach 1500 wohl nur, dass sie ihren Betrag nicht mehr bescheiden als namenlose Bürger leisteten, sondern dass nun „Frühkapitalisten“ begannen, eine Art Imagepflege zu betreiben. Wer im Mittelalter Bauten entworfen, ihre Errichtung überwacht und die Abrechnung erstellt hat – wer also, in heutiger Begrifflichkeit, ein „Architekt“ war –, ist vor allem für die Zeit der Romanik kaum zu beantworten. In der großen Mehrzahl der Fälle schweigen die Quellen zu diesem Punkt, in anderen ist es umstritten, welche Funktion die erwähnten Persönlichkeiten wirklich hatten, ob sie nur Bauverwalter – in Deutschland ab dem 13. Jahrhundert operarius – oder Quellen zu Planung, Bauleitung, Abrechnung wirklich Architekten waren, das heißt Entwerfer bzw. Planer. Bei großen Sakralbauten werden erst in der Gotik Baumeister greifbar, die von der Ausbildung her in erster Linie Steinmetzen waren, deren Fähigkeiten aber weit darüber hinausgingen. Ihr Berufsbild einfach auf die Bauaufgabe „Stadtmauer“ zu übertragen, verbietet sich aufgrund des ganz anderen Charakters der Bauten und ihrer Gestaltung; dass der Leiter eines großen Kirchenbaues „nebenbei“ auch eine weit weniger anspruchsvolle Stadtmauer betreut haben kann, sei damit aber nicht ausgeschlossen. 1229 sollte ein Konverse des Zisterzienserklosters Himmerod das leider verschwundene „Untertor“ in Zell an der Mosel erbauen. Dass Konversen ordensfremde Bauaufträge übernahmen, ist auch sonst belegt; interessant ist aber, dass hier nur ein Tor beauftragt wurde, also der
formal anspruchsvollste Teil einer Mauer, nicht diese in ihrer Gänze. Bald nach 1230 erfahren wir, dass König Wenzel I. von Böhmen seinen (deutschstämmigen) Münzmeister beauftragte, das Straßenraster und den Mauerverlauf der Prager Altstadt zu planen, eine Aufgabe, die – in modernen Begriffen – „Stadtplanung“ war und hier einem spezialisierten Techniker oder gar „Bürokraten“ übergeben wurde, keinem „Architekten“. Der 1251 in Mühlhausen / Thüringen genannte „magister muri“ gilt als der erste speziell für die Mauer zuständige städtische Beamte, der im deutschen Raum überliefert ist. In Koblenz, wo als große Ausnahme Rechnungen des Mauerbaues erhalten sind, verwalteten in den 1270er / 80er Jahren zwei von der Stadt und dem finanziell beteiligten Klerus gestellte Beamte die aus Ungeld gespeiste Baukasse. Nach 1356 traten in Basel die „Fünferherren“ auf, eine Art städtische Baubehörde, die in Zusammenarbeit mit Bischof und Rat für die Stadtmauer verantwortlich war. Im Spätmittelalter führten dann die Anforderungen aus dem Bauwesen, bei dem die Mauer eine zentrale Rolle spielte, nach Gerhard Fouquet sogar „zur Formierung eines die gesamte Gemeinde durchdringenden Steuerwesens, zum Aufbau der städtischen Verwaltung“. Mindestens bis ins 13. Jahrhundert hinein hatten also, so wird man schließen müssen, die Verwalter der Baukasse eine weit bessere Chance, in Schriftquellen genannt zu werden, als die Planenden und Bauenden im engeren Sinne; die Bauhandwerker sind ohnehin nur indirekt zu fassen, wenn etwa in Basel 1248 eine Zunft der Maurer, Putzer und Zimmerleute erscheint, deren Rolle beim Stadtmauerbau man nur vermuten kann. Erst nach 1400 – inzwischen ging es freilich eher um Ergänzungen vorhandener Mauern, kaum um völlige Neubauten – werden in Urkunden und Rechnungen wirkliche Architekten namentlich erwähnt; neben der reichlicheren Erhaltung der Quellen dieser Zeit dürfte dafür auch die gestiegene Wertschätzung des einzelnen Künstlers verantwortlich gewesen sein. Eines der besten Beispiele ist der 1400–1428 neu erbaute „Eschenheimer Turm“ in Frankfurt am Main, der fraglos aus repräsentativen Gründen anstelle eines älteren Tores erbaut wurde; auf dem quadratischen Sockel entstand erst nach einem Baumeisterwechsel 1426–28 ein gut proportionierter, erker3. Zur Organistation von Bau und Verteidungung
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gezierter Rundturm (Abb. 131). Entwerfer war Madern Gerthener, der auch den Frankfurter Domturm gestaltet hatte und einer der kreativsten Baumeister und Bildhauer der Spätgotik im Rhein-Main-Gebiet war; ein weiteres Frankfurter Beispiel ist Eberhard Friedberger, der 1455–56 den „Rententurm“ beim Saalhof erbaute. Im Backsteingebiet mit seinen generell späteren Bauten ist neben Nicolaus Kraft aus Stettin, der 1411 den „Mühlentorturm“ in Brandenburg baute (Abb. 268), vor allem Steffen Boxthude zu nennen, der um 1450–70 schmuckreiche und erst wenig für Artillerie adaptierte Tore in Stendal, Werben und Tangermünde baute (Abb. 487, 101, 156); obwohl er auch an Kirchen arbeitete, etwa in Stendal und Berlin, ist er damit der erste bekannte Baumeister in Deutschland, der auch eine gewisse Spezialisierung für Stadttore entwickelte. 1483 baute ein „Meister Urban“ in Abb. 269 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), eine Fuge zeigt am „Rödertor“, dass der mit Buckelquadern verkleidete Turm zunächst isoliert entstand und dass die Mauer erst nachträglich dagegengestoßen wurde.
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Liegnitz Basteien, ebenfalls eine Premiere in den Quellen, denn dies ist der meines Wissens erste namentliche Beleg für einen Baumeister, der in einer Stadt kein Tor, sondern einen reinen Wehrbau errichtete. Wenig später folgte ihm Nickel Krantz, Maurer aus Frankenhausen, der 1508 auf Befehl des Landesherrn die Mauer von Kindelbrück begann. Wie der Bau einer Stadtmauer im Einzelnen ablief bzw. wie sich der Baubetrieb gestaltete, gehört ebenfalls zu den Themen, auf die nur ganz gelegentlich ein Schlaglicht geworfen wird, weil Derartiges nach dem Verständnis der Epoche normalerweise nicht schriftlich festgehalten werden musste; nur dort, wo obrigkeitliches Eingreifen stattfand oder wo Rechtsprobleme entstanden, hat man die Chance auf schriftliche Dokumentationen, die über pure Abrechnung hinausgehen. So hört man etwa für Zittau, dass Ottokar II. Přemysl den Gründungsakt durch einen Umritt einleitete, auf den dann eine Umzäunung und erst später (1255) eine Ummauerung folgte, die aber schon eine Erweiterung des Stadtgebiets berücksichtigte. Namslau in Schlesien ist einer der bestdokumentierten Fälle für intensives Eingreifen des Herrschers: Karl IV. legte nicht nur selbst den Grundstein zur Mauer, sondern ermahnte die Stadt auch mehrfach, diese zu vollenden, was erst 1415 der Fall war, 37 Jahre nach seinem Tod. Recht anschaulich ist auch der ähnliche Fall von Müncheberg, wo Herzog Wratislaw von Pommern 1319 den Mauerbau forderte und zwar unter Androhung einer jährlichen Strafe, solange sie nicht vollendet war; noch im gleichen Jahr fuhren alle Dörfer im Lande Leubus Steine dafür an. Materialbeschaffung ist auch sonst gelegentlich der Aspekt des Bauvorganges, der in den Quellen erscheint, etwa als Klingnau (Schweiz) 1331 Steine für die Mauer kaufte oder als man in Liegnitz 1345 jüdische Grabsteine pro structura verwendete. Anschaulich ist auch der Fall von Tennstedt, wo Herzog Wilhelm III. von Sachsen beim Mauerbau ab 1448, nachdem er die Mauer abstecken ließ, wegen Rauferei verurteilte Bürger zum Bau heranzog; sie mussten Steine anfahren oder einige Ruten der Mauer bezahlen. Dass auch in der Spätzeit um 1500 noch viel Holz für die Befestigungen verwendet wurde – auch wenn wir nicht wissen, wofür genau –, belegen die in Geldern erhaltenen Rechnungen.
Über den zentralen Aspekt der Baukosten der Befestigung erfahren wir im Mittelalter kaum je etwas. Die erhaltenen Abrechnungen für den Mauerbau in Koblenz (1276–91) haben daher mit Recht frühe Aufmerksamkeit erfahren, in Wesel gibt es ein weniger bekanntes Pendant; leider sind beide Mauern weitgehend verschwunden. Von der Mauer in Sömmerda – einem extremen Spätling (1591–98) – erfahren wir immerhin, dass sie 1925 Gulden, 1 Groschen und 2 Pfennig gekostet hat. Angesichts der allzu begrenzten Aussagen der Schriftüberlieferung gewinnen Beobachtungen am Bau selbst eine hohe Bedeutung für das Verständnis von Planung und Bauablauf der Stadtmauern. Dieses Phänomen gilt ähnlich für alle mittelalSpuren des Bauvor ganges am Bauwerk terlichen Bautypen, tritt hier aber in besonders problematischer Form auf. Denn Stadtmauern sind in der Regel nur in Resten oder in verbautem Zustand erhalten, was die vollständige Erfassung feinerer Befunde sehr erschwert bzw. ein Urteil verhindert, ob es sich bei Einzelbeobachtungen um Üblichkeiten oder um Einzelphänomene handelt. Aus gutem Grund wird in der Literatur oft angenommen, dass Stadtmauern in Abschnitten aufgeführt wurden – sei es in dem Sinne, dass zunächst Türme und Tore entstanden und die Kurtinen nachträglich dazwischengesetzt wurden, sei es in jenem, dass die Mauer als solche abschnittsweise entstand. Nicht nur Baubefunde deuten oft einen solchen Ablauf an, sondern auch Überlegungen zur Verteidigungsfähigkeit der Stadt gehen in dieselbe Richtung. Denn wenn man unterstellt, dass die meisten Städte vor dem Mauerbau schon einfachere Befestigungen besaßen – Wälle, Zäune oder Palisaden (vgl. 2.2.1.2 und 2.2.1.3.) –, so war es zweckmäßig, diese abschnittsweise durch die Mauer zu ersetzen, weil dann nur kurzzeitig begrenzte Lücken im Befestigungsring entstanden. Im Gegensatz dazu erscheint es realitätsfern, den gesamten Mauerring gleichzeitig zu beginnen und hochzuführen; dies hätte die Stadt jahre- oder jahrzehntelang hinter einer nur langsam emporwachsenden Mauer ungeschützt gelassen. Entsprechend solchen Überlegungen, sind Verzahnungen bzw. Baufugen zwischen Mauerabschnitten begrenzter Länge in Stadtmauern
durchaus häufig zu beobachten, so häufig, dass man es wagen darf, die abschnittsweise erfolgende Ausführung tatsächlich für den Normalfall des Stadtmauerbaues zu halten. In der Schweiz wurde aufgrund von Beobachtungen an relativ frühen Mauern (Basel, um 1100; Schaffhausen, spätes 12. Jahrhundert) erwogen, ob nicht zumindest in dieser Frühphase die Parzelleneigentümer jeweils „ihr“ Mauerstück selbst gebaut haben; dort gab es anfangs keine Mauergassen und vor allem in Basel liegen manche Verzahnungen exakt auf den Parzellengrenzen (Abb. 49). Streng genommen, beweist dies aber nur, dass die Bautrupps sich an den Grundstücken orientierten, während Aussagen über Zuständigkeit, Finanzierung und Bauleute davon nicht zwingend abzuleiten sind. Als weitere, durchaus zufällige Beispiele für heute gut erkennbare bzw. näher untersuchte Verzahnungen zwischen Mauerabschnitten sind etwa Zofingen – die Mauer des späten 13. Jahrhunderts zeigt auch entsprechende Wechsel der Mauertechnik und der Rüstlochlagen, Baulose sind belegt – sowie in beachtlichem Umfang die äußere Mauer von Rothenburg ob der Tauber zu nennen. Im brandenburgischen Backsteingebiet, wo die Türme bzw. Wiekhäuser meist gekappt, die Mauern als solche aber großenteils erhalten sind, können etwa Brandenburg selbst, Prenzlau, Wittstock, Gartz und Königsberg (Neumark) angeführt werden, in Schlesien Pitschen; die letzteren Beispiele stammen aus dem 14. Jahrhundert. Beispiele, bei denen man aus Gründen des Verfalls oder der Verbauung heute nur noch ein oder zwei senkrechte Fugen im Mauerverlauf erkennen kann, sind darüber hinaus sehr zahlreich. Bei turmreichen Mauern, die ja erst im 14. / 15. Jahrhundert etwas häufiger wurden, lag es nahe, die Türme, die mehr Material-, Arbeitsund Zeitaufwand erforderten, zuerst isoliert hochzuführen und dann erst die Kurtinen zwischen ihnen einzufügen. Auch die zunächst allein stehenden Türme konnten – eventuell auch in Verbindung mit Zäunen oder Palisaden – bereits eine vorgeschobene Verteidigungslinie bilden; bei einer äußersten Mauer von Rothenburg ob der Tauber, die dann nicht mehr vollendet wurde, sind solche isoliert begonnenen Türme in Resten erhalten. Bei vollendeten Mauern ist die Abfolge Turm – Kurtine heute nur noch gelegentlich gut ablesbar, denn die Verzahnungen an 3. Zur Organistation von Bau und Verteidungung
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den Turmseiten sind aufgrund des oft schlechten Mauerwerks und häufiger Restaurierungen meist unkenntlich; einige Fälle, die unter diesen Umständen fraglos eine eher zufällige Auswahl darstellen, seien angeführt. Ein sehr schönes, weil weitgehend erhaltenes und unverbautes Beispiel ist die um 1330 / 40–1400 entstandene äußere Mauer von Rothenburg ob der Tauber, wo die Mauer an viele Tor- und andere Türme mit Fuge ansetzt (Abb. 269). In Duderstadt ist archäologisch Entsprechendes für viele der 17 Türme nachgewiesen worden; weitere recht deutliche Fälle findet man etwa, meist nur bei einigen Türmen, in Freiberg / Sachsen (Mauer 1233 erwähnt), Halberstadt (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts), Quedlinburg (nach 1337?), Langensalza (zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts) oder Babenhausen (1441 / 45). Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass natürlich auch das durchaus nicht seltene Gegenteil, der nachträglich angebaute Turm, oft noch erkennbar ist (vgl. 2.2.4.3.). Schließlich sei als Beispiel für indirektere Hinweise auf eine mögliche Ausführung in Abschnitten der Fall von Höxter erwähnt. Die dortige Mauer macht nämlich den Eindruck durchaus einheitlicher Entstehung, aber es wechseln turmreiche Partien mit turmlosen ab, ohne dass dafür Gründe direkt erkennbar wären – darf man hier verschiedene Auftraggeber unterstellen, die untereinander kein Gesamtkonzept abgestimmt haben? Es wird kaum noch zu klären sein, aber die Fragestellung macht jedenfalls deutlich, dass abschnittsweise erfolgende Ausführung – aus welchem Grund auch immer – viel häufiger gewesen sein mag, als wir es heute noch schlüssig erfassen können. Nur äußerst selten findet man, zumindest ohne aufwendige Detailuntersuchung, an Stadtmauern Baubefunde, die nicht nur eine abschnittsweise erfolgende Ausführung, sondern auch Planänderungen während der Ausführung erkennen lassen. In Frankenstein in Schlesien begann man, gut erkennbar an diversen Ausführungsabschnitten, die Mauer mit Schieferbruchstein, stellte aber offenbar bald fest, dass die
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Fundamentbögen sich zu verformen begannen. Obwohl man vielleicht nur die Austrocknung des Mörtels nicht abgewartet hatte, führte man das Problem wohl auf das Steinmaterial zurück, denn die Mauer wurde nun mit Backstein vollendet, wobei auch jetzt erst Rundschalen mit Schießscharten hinzugefügt wurden. Rüstlöcher müsste man im Grunde an vielen, wenn nicht allen Stadtmauern erwarten, aber festzustellen sind sie im Grunde nur im Backsteingebiet Brandenburgs und darüber hinaus. Man darf wohl annehmen, dass sie sehr viel verbreiteter waren, aber in dem üblichen Bruchsteinmauerwerk nicht mehr erkennbar sind, nachdem sie verschlossen wurden. Eine gewisse Bestätigung dieser Annahme bieten die recht hohen Feldsteinsockel vieler Backsteinmauern: Sie zeigen nämlich etwa alle 1,30 m horizontale Abgleiche aus Steinsplittern, die offenbar auch hier Gerüstlagen wiederspiegeln, aber die Rüstlöcher selbst kann man nicht erkennen. Nur in seltenen Einzelfällen findet man im Baubestand auch einmal Detailinformationen über einzelne Aspekte des Baubetriebs. Wenn etwa Stadtmauern am Niederrhein in großem Umfang Basalt aus der Eifel verwenden, so zum Beispiel in Köln, Bonn oder Neuss, so zeigt dies die hohe Bedeutung des Materialtransportes auf dem Rhein bzw. generell auf Flüssen. Andere Einblicke werden der Archäologie verdankt, so etwa die Feststellung der Lagerfeuer offenbar jener Arbeiter, die in den 1250er Jahren die Holzbefestigung um das eben gegründete Frankfurt / Oder bauten (Abb. 19), oder der in Einbeck gefundene Mörteltrog, der auf 1271 + / – 10 dendrodatiert wurde. Und in doppelter Hinsicht aussagekräftig ist der Bronzegriffel, der in Erfurt auf dem Fundamentabsatz der Mauer gefunden wurde. Er belegt einerseits, dass beim Mauerbau durchaus Aufzeichnungen genutzt wurden – in Text oder Zeichnung. Andererseits kann der stilistisch als „romanisch“ angesprochene Griffel allein sicher nicht beweisen, dass auch die Mauer noch romanisch war, denn ein solches sicher wertvolles Gerät konnte fraglos über Jahrzehnte benutzt werden.
3.2. Instandhaltung und Verteidigung Die Organisationsformen der Bürger zur Vertei digung ihrer Stadt sind neben den baulichen Resten der zweite Aspekt städtischer Wehrhaftigkeit im Mittelalter, der bis heute anschaulich präsent geblieben ist, denn die Schützenvereine, ihre Aufzüge und Feste spielen in vielen Städten noch immer eine zentrale Rolle im sozialen Geschehen, wobei gewiss vielen Feiernden nicht mehr klar ist, dass die Ursprünge solcher Veranstaltungen im Mittelalter und im blutigen Ernst des Krieges lagen. Die historische Forschung zur städtischen Wehrhaftigkeit, der vielerorts ein reiches Material an Urkunden, Rechnungsbüchern und Chroniken zur Verfügung stünde, war weit überwiegend zwischen etwa 1890 und 1945 aktiv – also zu einer Zeit, als das Militärische noch eher bejubelt als kritisch betrachtet wurde – und sie bezog sich, genauso wie die Forschung zum baulichen Aspekt des Themas, so gut wie immer nur auf einzelne Städte, bestenfalls auf mehrere Städte einer Region, etwa in Schwaben (Saur 1911); dabei findet man detaillierte Darstellungen oft an eher versteckter Stelle, etwa in regionalen Publikationen wie zum Beispiel jener zu Nordhausen in Thüringen oder, viel später, zu Büdingen. Inwieweit die Interpretationen dieser frühen Zeit noch vor den Fragestellungen heutiger Mediävistik Bestand hätten, ist mangels neuerer Arbeiten schwer zu sagen. Einen knappen Überblick mit der wichtigsten Literatur bot Volker Schmidtchen 1985 im Rahmen der niedersächsischen Landesausstellung Stadt im Wandel und 1997 legte Brigitte Wübbecke-Pflüger eine weitere Zusammenfassung vor, aber sonst scheint dieser Forschungszweig heute weitgehend brachzuliegen, insbesondere, was die Erforschung von Einzelfällen betrifft. Das Folgende beruht daher überwiegend auf den Verhältnissen in bestimmten, besser untersuchten Städten – Schmidtchen wählte die Beispiele Osnabrück und Lüneburg, Wübbecke-Pflüger vor allem Köln –, wobei man sich aber bewusst bleiben muss, dass mittelalterliche Städte recht unterschiedlich funktionierten. Angesichts der über Jahrhunderte prinzipiell unveränderten Aufgabe der Stadtverteidigung war deren Organisation einerseits von starken Traditionen geprägt, aber andererseits traten in
der langen Zeit vom 12. bis zum 16. Jahrhundert auch deutliche Veränderungen auf, die durch gesellschaftliche, wirtschaftliche und (waffen-) technische Entwicklungen hervorgerufen wurden. Dabei erschwert hier wie so oft die späte Entwicklung der Schriftlichkeit und des Archivwesens den Einblick in die Verhältnisse der Frühzeit; erst ab dem 14. / 15. Jahrhundert lernen wir immer mehr Details kennen. Da dann aber die Pulvergeschütze und die immer stärkeren Heere, auch der wachsende Reichtum der städtischen Oberschicht, wichtige Änderungen bewirkt hatten, bleibt unsere Kenntnis der frühen Verhältnisse, vom 12. bis zum 14. Jahrhundert, eher begrenzt. Grundsätzlich sind die Aufgaben der Stadtbewohner bei der Verteidigung zu unterscheiden, einerseits zur Zeit des gewöhnlich herrschenden, aber allemal gefährdeten Friedens, im Verteidigungsfall andererseits. Dass die Bürgerschaft einer Stadt, was durchaus nicht selten war, gegen einen auswärtigen Gegner ins Feld zog, sei hier nur kurz erwähnt, weil die Stadtbefestigung dabei kaum eine Rolle spielte; die Organisationsformen blieben dabei jedoch weitgehend dieselben wie bei der Verteidigung der Stadt selbst. In Friedenszeiten bildete der Wachdienst neben der Instandhaltung der Mauern die Hauptaufgabe. Im Ernstfall eines Angriffes musste dagegen vieles gleichzeitig stattfinden, was detaillierter und eingeübter Organisation bedurfte: vor allem, wie die Alarmierung der Verteidiger funktionierte, wer welchen Abschnitt der Mauern verteidigte und wer innerhalb welcher Hierarchie Weisungen erteilen durfte. Sowohl im Frieden wie im Krieg war wichtig, welche Waffen verwendet wurden und wer für ihre Beschaffung und Pflege verantwortlich war. Zu den späten, durch die explosive Entwicklung der Waffentechnik ausgelösten Tendenzen gehörte schließlich als eigener, hier nur zu streifender Themenbereich die Beschäftigung meist auswärtiger Spezialisten für die Produktion und Pflege von technisch anspruchsvollen (Feuer-)Waffen sowie für den entsprechenden Bau von Geschützstellungen (Rondelle, Bastionen usw.). Solange der König bzw. der Landesherr die Städte noch beherrschte und ihre Befestigung 3. Zur Organistation von Bau und Verteidungung
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erlauben musste – also mindestens im 12. Jahrhundert und meist bis weit ins 13. Jahrhundert hinein –, darf man sich die organisatorische Struktur der Stadtverteidigung fraglos einfach vorstellen; sie ähnelte sicherlich der einer großen landesherrlichen Burg, so wie man ja auch im Frühmittelalter Zentralorte hinter römischen Mauern unter Vernachlässigung ihrer wirtschaftlichen Sonderfunktionen „Burgen“ nannte (Regensburg, Augsburg, Straßburg und andere). Befehlshaber im Verteidigungsfall war in dieser Frühzeit der Vogt oder Burggraf des Stadtherrn, der diesen auch in Friedenszeiten vertrat, vor allem in der Rechtsprechung oder beim Steuerwesen. Die Stadtbewohner, die im Frieden Handel und Gewerbe, auch bäuerlicher Arbeit nachgingen, wurden im Kriegsfalle zum Fußvolk, ganz wie die Bauern außerhalb der Städte; Reichsstädte mussten so wie Fürsten und andere Vasallen dem König Kontingente für seine Kriegszüge zur Verfügung stellen, manchmal in Anzahl und Weite des Kriegszuges begrenzt, wie in Würzburg schon um 1300. Und auch das (nieder-) adlige Element war, in Form von Ministerialen bzw. „Burgmannen“, wie in den Burgen auch in den Städten präsent; der Vogt oder Burggraf war meist einer von ihnen. Ähnlich manchen großen Burgen besaßen sie dort stattliche Höfe, gern direkt an den Mauern (vgl. 2.2.10.1.), und stellten die Anführer im Belagerungsfall, die Reiterei bei Kriegszügen; es gilt heute weithin als gesichert, dass das spätere Patriziat der Städte neben den Kaufleuten auch aus solchen Ministerialengeschlechtern hervorgegangen sein dürfte. Welche Waffen bei der Verteidigung der Städte in der noch landesherrlichen Phase des 12. / 13. Jahrhunderts verwendet wurden, wer sie anschaffte und pflegte, scheint weitgehend unbelegt. Aus späteren Verhältnissen wird man wohl schließen dürfen, dass die Grundbewaffnung am Mann – gepolstertes oder ledernes Wams, Helm, Spieß oder Hellebarde, Schwert, Schild usw. – von jedem wehrfähigen Bürger selbst unterhalten werden musste, während Einsatz und Bedeutung von Fernwaffen fraglos sehr beschränkt blieben. Welcher Stadtbewohner etwa Bogen oder gar Armbrust besaß und benutzen konnte, können wir bis zu ersten Belegen um 1400, etwa in Würzburg, nur vermuten; und eher selten dürften in den Städten jener Epoche große und aufwendige 338 I. Systematischer Teil
Fernwaffen wie Bliden vorhanden gewesen sein. Solche Waffen kamen in Deutschland bei Belagerungen erst im Laufe des 13. Jahrhunderts auf, und wenn sie überhaupt zur Verteidigung von Städten eingesetzt wurden, dann gewiss erst spät und wahrscheinlich eher in großen Städten. In Würzburg etwa werden Bliden 1374 erwähnt, im 14. / 15. Jahrhundert auch in Aachen. Nachdem insbesondere größere, wirtschaftlich leistungsfähige Städte sich aus der unmittelbaren Herrschaft ihrer adligen Herren gelöst hatten – was sich, zum Teil unter militärischen Auseinandersetzungen, vor allem im 13. Jahrhundert vollzog, aber keineswegs alle Städte erfasste –, bildete sich dort eine eigenständige, im Detail reich variierte Organisationsstruktur heraus, die Ratsverfassung. Der Rat, ein zunächst nur aus dem (Kaufmanns-)Patriziat, später auch aus Handwerkern zusammengesetztes Gremium, regierte nun die Stadt, deren Unabhängigkeit im Kern auf ihrer Wirtschaftskraft beruhte und sich vor allem in Steuerfreiheit und eigenem Gericht spiegelte. Solche „freien“ Städte – nicht nur Reichsstädte, sondern auch nominell weiterhin landesherrliche, die aber de facto unabhängig agierten – konnten ihre Machtpositionen beständig ausbauen, vor allem durch Zukauf von Rechten und Privilegien, und sie konnten eine eigene Außenpolitik betreiben, die sie in manchen Fällen auf Augenhöhe mit Landesherren brachte bzw. sie selbst zu solchen werden ließ. Eine funktionierende, das heißt beständig modernisierte Verteidigung spielte auch und besonders in dieser Entwicklungsphase, die weit in die frühe Neuzeit hineinreichte, eine entscheidende Rolle, denn natürlich wurde öfter versucht, die Unabhängigkeit einer Stadt mit kriegerischen Mitteln zu beseitigen. Auch die Organisationsformen entwickelten sich deutlich weiter, wobei die erheblich verbesserte Schriftüberlieferung freilich auch manches ins Licht rücken mag, was es schon in der landesherrlichen Frühphase ähnlich gegeben hatte. Nur kleinere Städte wie etwa Büdingen wurden weiterhin vom Landesherrn befestigt und – über die Verpflichtung der Einwohner – verteidigt. Dagegen lag das Befestigungsrecht nun in größeren Städten de facto bei diesen selbst; wenn, wie etwa in Lüneburg in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, dem herzoglichen Landes- und Stadtherrn sogar die ge-
samte Huldigung verweigert wurde, so war das von der Stadt beanspruchte Befestigungsrecht nur ein selbstverständlicher Unterpunkt. Auch die Pflicht zur Heeresfolge lebte offenbar formal unverändert fort, wobei aber die Bürger nun nur noch die eigene Stadt verteidigten bzw. deren Interessen vertraten. Wie wichtig die Erfüllung dieser Pflicht gegenüber der Bürgergemeinschaft war, zeigt sich etwa in dem Eid neu aufgenommener Bürger, binnen kurzer Zeit Waffen zu erwerben; im Falle der Nichterfüllung schaffte der Rat die Waffen an und stellte sie dem Bürger in Rechnung. Bürger und auch Einwohner ohne Bürgerrecht waren gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet, die Stadt im Angriffsfalle ohne Entgelt, unter Androhung hoher Bußgelder bei Verweigerung, zu verteidigen; lediglich materielle Verluste wurden von der Stadt bzw. vom Rat ersetzt und gefangene Bürger ausgelöst. Kommandeur war nun, in Nachfolge des landesherrlichen Vertreters, der Bürgermeister oder ein Ratsherr. Für die Instandhaltung der Mauer wurden Zuständige bestimmt, etwa in Bremen „Mauerherren“ aus dem Kreise des Rates, und „Etats“ geschaffen; eine gesonderte „Mauerkasse“ ist dort ab 1369 belegt. Die Organisation zur Verteidigung trat übrigens auch in einem anderen Notfall in Kraft, nämlich bei Ausbruch eines Feuers; die Folgen konnten dabei ja ähnlich verheerend wie bei einem Angriff auf die Stadt sein, und auch ein Zusammenhang beider Ereignisse kam infrage, wenn etwa ein Feuer gelegt wurde, um von einem Angriff abzulenken. Im 14. Jahrhundert errangen die Handwerker in oft heftigen Auseinandersetzungen Einfluss auf die Regierung vieler größerer Städte bzw. sie erhielten Sitze im Rat, und ab dieser Zeit wurde ihnen auch weitgehend die Verteidigung der Stadt übertragen – eine nachvollziehbare Entwicklung, denn viele Gewerke waren nicht nur an harte körperliche Arbeit gewöhnt, sondern konnten auch Waffen herstellen und reparieren sowie die Bauten der Befestigung instand halten. Auch die an den Toren fest angestellten Wächter, die vor allem das nächtliche Schließen zu besorgen hatten, stammten meist aus der Handwerkerschaft und wurden etwa durch Wohnungen und Grundstücke entlohnt; die strengen Pflichten der „Burggrafen“, die in Köln die fünf täglich geöffneten, aber auch die normalerweise
geschlossenen Tore zu bewachen hatten, sind detailliert bekannt. Der durchaus aufwendige Wachdienst, der darüber hinaus den Bürgern oblag – und dem sie sich häufig zu entziehen suchten, meist durch Geldzahlungen –, bezog sich etwa in Lüneburg tagsüber auf die Tore und einige Kirchtürme – wobei es auch um die Entdeckung von Bränden ging –, nachts aber wurden alle Mauertürme und die Außenwälle besetzt; in Köln patrouillierten jede Nacht vier Reiter hinter der Mauer, die alle Tore und Pforten sowie die Aufmerksamkeit der Wächter auf den Türmen prüften. Dass außerdem auch in den Gassen neun bis zwölf bewaffnete Bürger unter einem Meister wachten („Scharwacht“) – in Nordhausen etwa waren es nur vier –, zeigt einerseits, dass es hier um Aufgaben ging, die man heute als polizeilich beschreiben würde; andererseits wird deutlich, dass die Wache nicht nur beobachten und alarmieren, sondern dass sie im Notfalle auch die erste Abwehr übernehmen sollte. Hatte es einen Alarm gegeben, so mussten Meister und Gesellen schnellstmöglich zu einem festgelegten Sammelplatz laufen, etwa dem Zunfthaus, und dann zum zugeteilten Abschnitt der Befestigung. „Harnisch und Gewehr“ – etwa: Körperschutz, Hieb- und Stichwaffen –, die ihnen gehörten, hatten sie zuvor anzulegen bzw. mitzubringen; gelegentlich gab es Appelle zur Überprüfung der Bewaffnung, und die Zünfte konnten aus Abgaben neuer Meister und aus Spenden zu deren Reparatur oder Ergänzung beitragen. In ersten Ansätzen schon ab dem Ende des 14. Jahrhunderts, vor allem dann aber im späteren 15. und im 16. Jahrhundert begannen diese relativ einfachen Organisationsformen, sich zu verändern. Man kann vor allem zwei Aspekte benennen, die beide ohne die großen Erfolge der städtischen Wirtschaftsform undenkbar gewesen wären. Einerseits gab es eine Tendenz, Söldner heranzuziehen, sodass die Bürger nicht mehr selbst ihre Zeit aufwenden und Leben wie Gesundheit riskieren mussten; sie zahlten dafür Ablösesummen, für die nun auch zunehmend geistliche Institutionen oder auch die stadtsässigen Juden herangezogen wurden. Andererseits – im Grunde ein Aspekt derselben Entwicklung, aber anders begründet – erforderte die Modernisierung der Befestigungen selbst und noch mehr der Bewaffnung nun weitgehend Spezialisten, 3. Zur Organistation von Bau und Verteidungung
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Abb. 270 Rothenburg ob der Tauber, Plan der sechs Wachten (und der geistlichen Bezirke) in der Stadt (K. Borchardt / E. Tittmann, Mauern – Tore – Türme …, 2005).
weil die Entwicklung der Feuerwaffen komplexere Kenntnisse und Fähigkeiten als die Pflege von Helmen, Schwertern und Spießen verlangte; in Büdingen etwa wird der erste Büchsenmeister 1413 genannt, in Würzburg 1415. Selbstverständlich aber identifizierten sich Söldner und auswärtige Techniker weit weniger mit dem Ort ihrer Tätigkeit als die Bürger, deren Familien oft seit Generationen ansässig waren; durch Eide verschiedener Art versuchte man daher, die Ortsfremden fester einzubinden. Abb. 271 Solothurn (Schweiz), das Zeughaus (um 1609) zeichnet sich durch Bestände vom Mittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg aus, die weitgehend nicht angekauft sind, sondern tatsächlich zur Verteidigung von Solothurn und seines Territoriums benutzt wurden.
340 I. Systematischer Teil
Ein erster Ausdruck der wachsenden Verteidigungsmöglichkeiten reicher Städte und Landschaften waren die städtischen Landwehren, die in der Hauptsache wohl im 15. Jahrhundert entstanden (vgl. 2.2.12). Ihre Anlage zeigte, dass die betreffende Stadt nicht nur ein geschlossenes Herrschaftsgebiet gewonnen hatte, das vor allem auch für ihre Versorgung wichtig war, sondern dass sie es auch sichern und bewachen konnte. Wie diese Aufgabe, die weit über die Bewachung nur der Stadtmauern hinausging, erfüllt wurde, ist etwa für Rothenburg ob der Tauber näher erforscht; dort gab es mit den „Hegereitern“ besondere Wächter und Pfleger der Landwehr (= „Hege“), die auch juristisch weitgehend mit dem Herrschaftsgebiet der Stadt gleichgesetzt wurde. Das Söldnerwesen reichte in Anfängen ins 14. Jahrhundert zurück, zunächst mit Soldrittern („Reisigen“), die nur für Sonderaufgaben wie den Wachtdienst oder befristet für Kriegszüge herangezogen wurden, etwa in Rothenburg oder Osnabrück. Im 15. Jahrhundert, beispielsweise in Nordhausen belegbar ab 1420, wurden in vielen Städten spezielle Schützenbataillone aufgestellt, in denen man eine erste Auswirkung der Feuerwaffen vermuten könnte; jedoch waren sie – etwa wieder in Osnabrück – anfangs nur
mit Armbrüsten bewaffnet, erst gegen 1500 und im 16. Jahrhundert mit „Handbüchsen“, der frühesten Form tragbarer Feuerwaffen. In ihrem Ursprung waren die Schützen in vielen Fällen eine Art Elitetruppe nur für den Kriegsfall, die vom „Staken und Waken“ (Instandhalten und Wachen) freigestellt war, dafür aber ständig üben musste. Sie war direkt dem Rat unterstellt und trat auch bei repräsentativen Anlässen auf, etwa bei Empfängen hochgestellter Gäste; beides erinnert an die gleichzeitig aufkommenden Leibgarden der Fürsten, die Vorform „stehender“ Heere. Das jährliche Preisschießen dieser Schützenbataillone – etwa in Osnabrück ab 1441 belegt – war der Ursprung heutiger Schützenfeste; aus den Bataillonen oder Kompagnien, in kleinen Städten auch religiös gefärbten „Bruderschaften“ wie in Büdingen, sind heute Schützenvereine oder -gesellschaften geworden, die etwa in Westfalen, aber keineswegs nur dort, in besonderer Blüte stehen (siehe die Literatur zu Lünen, Minden, Werne). Die Übungsplätze der Schützen, meist als „Schießgraben“ bezeichnet, weil die Gräben – aber auch die Zwinger – für ihre Einrichtung besonders geeignet waren, sind oft zumindest als Name erhalten; eine Anschauung bieten noch Nürnberg, im Graben der inneren Mauer, und vor allem Glurns (Abb. 184), wo auch der Kugelfang und die Deckung für den Kontrolleur der Treffer erhalten sind. Die neuen Organisationsformen, die durch das Söldnerwesen und die Artillerie nötig wurden, wirkten augenscheinlich auch auf die wehrfähigen Bürger zurück. So führte man im 16. Jahrhundert auch für sie die bei Landsknechten übliche Gliederung in „Rotten“ ein, das heißt in Gruppen von zwölf bis 18 Mann, die nichts mehr mit den Handwerkszünften zu tun hatten, sondern aus den gut miteinander bekannten Bewohnern eines Stadtviertels bestanden; sie mussten sich im Alarmfalle auch nicht mehr auf dem Marktplatz sammeln, um ihren Einsatzort zu erfahren, sondern verteidigten den Befestigungsabschnitt, der ihrem Viertel direkt benachbart war. Manches weist darauf hin, dass vergleichbare Organisationsformen, die sowohl sozial als auch verteidigungstechnisch effektiver als die Einteilung nach Zünften waren, in den mittelund ostdeutschen Kolonisationsgebiet mit ihren später und planmäßig gegründeten Städten
von Anfang an üblich waren; jedoch fehlen dafür flächendeckende Untersuchungen. Die „Huten“ im rheinischen Ahrweiler zumindest werden, im Vergleich mit westfälischen Beispielen, auf Siedlergemeinschaften aus der Zeit vor der Stadtgründung zurückgeführt, die erst später für die Verteidigung relevant geworden seien. Zahlreiche Städte waren flächenmäßig in „Wachten“ eingeteilt, deren Bewohner jeweils benachbarte Mauerabschnitte zu verteidigen hatten. Rothenburg etwa besaß sechs „Wachten“, deren Entstehung man dort ins 14. Jahrhundert datiert – eine vergleichsweise große Anzahl (Abb. 270). Auch die Pflege der Bewaffnung änderte sich im 16. Jahrhundert; ab dem Ende des 15. Jahrhunderts gab es zunehmend Verzeichnisse, welche Waffen in welchen Bauten der Befestigung aufbewahrt wurden. Da immer mehr schwere und Sonderkenntnisse erfordernde Waffen in Gebrauch kamen, vor allem Pulvergeschütze und Handfeuerwaffen, reichte es nicht mehr aus, dass die Bürger die Waffen selbst pflegten, sondern man musste Institutionen bzw. Gebäude schaffen, in denen dies zentral erledigt wurde – anfangs eher pragmatisch verteilte Magazine, dann aber Zeughäuser bzw. Rüstkammern, in denen die Bürger die Waffen im Verteidigungsfall kostenlos oder gegen geringes Entgelt erhielten; auch für diesen neuen Kostenfaktor wurden zumindest in manchen Städte zusätzliche Abgaben erhoben (Osnabrück: „Pflegesgeld“). Dies geschah jedoch erst in der frühen Neuzeit, ab dem 16. Jahrhundert, und muss daher hier nicht weiter ausgeführt werden. Das älteste erhaltene Zeughaus im deutschen Raum ist – ohne seine alten Bestände – jenes in Innsbruck, aus der Zeit um 1500, das allerdings kein städtisches war, sondern das des kaiserlichen Heeres Maximilians I. Dagegen ist das höchst sehenswerte Zeughaus in Solothurn (erbaut 1609–14) wirklich ein städtisches Zeughaus, das noch eine Fülle von Waffen aller Art präsentiert, freilich auch hier überwiegend erst aus dem 17. Jahrhundert und später (Abb. 271). Sehenswerte Bestände frühneuzeitlicher städtischer Zeughäuser und Rüstkammern, aber nicht mehr in den alten Gebäuden, bewahren auch noch Wien (Hofjagd- und Rüstkammer), Dresden (Albertinum) und Emden (Rathaus). Es ist typisch für umfangreiche Bauaufgaben des Mittelalters, also auch für große Sakralbau3. Zur Organistation von Bau und Verteidungung
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ten oder Burgen, dass eine klare Grenze zwischen Erbauung und laufender Instandhaltung meist schwer zu erkennen ist. Wo Schriftquellen zu Bauvorgängen überhaupt erhalten sind, schließen jene, die der Erhaltung des Baues dienen, mehr oder minder nahtlos an die an, die offenbar noch mit der Errichtung des Bauwerkes in Verbindung stehen – der Umfang des Vorhabens bzw. die lange Bauzeit bewirkten, dass man bei der (oft eher notdürftigen) „Vollendung“ des Baues an Instandhaltung der Befestigungen dessen zuerst entstandenen Teilen schon wieder ausbessern musste. Dass die Erhaltung der Stadtmauern sehr aufwendig war, bleibt unter solchen Umständen eher im Verborgenen. Denn wenn aus jener Zeit, in der die meisten Stadtbefestigungen entstanden, dem 13. und 14. Jahrhundert, detaillierte Quellen zu Bauvorgängen fast vollständig fehlen, so gewähren im Spätmittelalter zwar Stadtrechnungen Einblicke in Verträge, Volumina und Kosten, aber auch dies bleibt in der Regel wenig anschaulich, weil eben oft nichts wirklich Neues bzw. kein klar definierter, benennbarer Bauteil geschaffen wurde. Eher selten, vermutlich vor allem in Zeiten der Kriegsgefahr, gab ein Stadtherr in solcher Sache Anweisungen. So ordnete etwa König Sigismund 1421 / 28 an, die Mauern von Bautzen „zu festen und zu bewahren“, und 1432 / 33 erließ er eine „Defensionsordnung wider die Ketzer“, also die Hussiten. 1467 verpflichteten die Grafen von Everstein die Bürger von Naugard (Pommern) noch konkreter, alle zwei Jahre drei Ruten der Mauer auszubessern. Auch die Städte selbst erließen in der Spätzeit Vorschriften, die eher im Detail der Erhaltung der Mauern dienten, so etwa in Tirol, wo die Grundstücke meist ohne Mauergasse an die Mauer stießen; dort verbot man im 16. Jahrhundert, Fenster in die Mauern zu brechen (Brixen), oder man erlaubte dies zwar, verfügte aber als unrealistischen Kompromiss, sie im Kriegsfall wieder zuzumauern (Innsbruck). Dass wir aus Schriftquellen eher wenig Konkretes über Reparaturen erfahren, war fraglos entscheidend darin begründet, dass solche Arbeiten – wie das Instandhalten der Waffen und die Verteidigung als solche – weit überwiegend zu den Pflichten der Bürger gehörten. Deswegen wurden hierüber keine Verträge ausgefertigt, 342 I. Systematischer Teil
sondern es entstanden nur Abrechnungen und Aufstellungen etwa über Material, Transporte oder Ähnliches. Das „Staken“, wie es in Norddeutschland oft genannt wurde (staken = Pfähle einschlagen, „stecken“), war genauso wie das „Waken“ (wachen) alltägliche, mühsame Beschäftigung der Bürger. Dabei wurde unter „Staken“ durchaus nicht nur das Erneuern von Palisaden und Zäunen verstanden, sondern, wie etwa in Osnabrück näher untersucht, auch Ausbesserungen an Mauerwerk und vor allem das Freihalten der Gräben und im Winter zudem das Aufhacken des für einen Angreifer hilfreichen Eises auf Wassergräben; der Begriff der „Handdienste“ meinte im Grunde dieselbe Mehrheit von Aufgaben. Man mag erwägen, ob der auf Pfähle zu beziehende Begriff des „Stakens“ nicht aus der Frühzeit der Befestigungen stammte, als diese tatsächlich noch weitgehend aus Holz bestanden. Dass für spezialisierte Arbeiten die jeweiligen Handwerker herangezogen bzw. besonders belastet wurden, also vor allem Maurer und Zimmerer, liegt auf der Hand. Bei Nichterscheinen zu allen Arbeiten an der Befestigung mussten Geldbußen entrichtet werden („Grabegeld“), bis die Arbeiten dann ab dem 15. Jahrhundert durch Geldzahlungen abgelöst werden konnten. Manchmal waren die Bußen auch nicht in Geld zu entrichten, sondern mussten als zusätzliche Arbeiten an der Befestigung erbracht werden (etwa Weißenburg in Bayern, 1452 / 53). Neben den Arbeiten an der Befestigung selbst, den „Handdiensten“, spielten der Transport von Baumaterial und wohl auch der Abtransport von Abraum, die „Spanndienste“, eine zentrale Rolle bei Bau- und Instandhaltung der Stadtbefestigung; beide Aufgabenbereiche werden daher in der Regel gemeinsam zitiert („Handund Spanndienste“). Jeder, der über Pferde und Wagen verfügte, musste sie für diese Aufgaben zur Verfügung stellen, auch Bauern der umliegenden Dörfer, die, etwa in Nordhausen ab 1360 belegbar, Steine und Kalk nicht nur für die Befestigung der Stadt, sondern für alle öffentlichen Bauten anzufahren hatten – ein weiterer Beleg für die Beteiligung des Umlandes an Bau und Erhaltung von Stadtbefestigungen, die letztlich mit deren traditioneller Funktion als „Fliehburg“ zu tun hatte (vgl. 3.1.).
4. Die Stadtmauer als Symbol Gut erhaltene, turmreiche Stadtmauern wurden ab den Anfängen ihrer wissenschaftlichen Betrachtung von der lokalen Forschung in der Regel als reine Zweckbauten angesprochen. Nur wenn das Phänomen von Kunsthistorikern oder Historikern auf einer allgemeineren Ebene reflektiert wurde, wurde den Mauern hin und wieder durchaus ein höherer Bedeutungsgehalt zugeschrieben – man reflektierte ihren potenziellen Symbolwert. Das reichte von der naheliegenden Idee, die Mauer repräsentiere die Stadt als selbstständiges bzw. „freies“ Gemeinwesen, über religiöse Inhalte bis zu eher wenig begründeten Schlagworten wie dem der „Stadtkrone“. In der Gegenwart, die sich von der Überhöhung des militärisch-kämpferischen, dem Pathos und der blumigen Formulierung eher abgewandt hat und die sachliche Ebene der archäologischen und Bauforschung stärker betont, ist Derartiges in den Hintergrund getreten, aber es gibt weiterhin guten Grund, die Frage der Bedeutung und Symbolik auch von Stadtmauern zu diskutieren. Dass Stadtbefestigungen in erster Linie Zweckbauten waren, ist schon aus der potenziellen Allgegenwart gewaltsamer bzw. kriegerischer Auseinandersetzungen zweifelsfrei zu begründen, wie sie (keineswegs nur) für das Mittelalter typisch war. Aber auch der unmittelbare Eindruck der Bauwerke bestätigt zunächst diese Deutung, vor allem, wenn man von dem weit häufigeren Fall kleiner Städte mit ihren turmarmen Mauern ausgeht, oder von frühen Städten des 12. Jahrhunderts, bei denen Türme noch fehlten. Die lang gezogene, wenig akzentuierte Mauer in pragmatisch schlichter Mauertechnik erhob fraglos kaum gestalterischen Anspruch, und die unregelmäßige Führung, die sich oft aus den Geländebedingungen und den Grundrissen organisch gewachsener Siedlungen ergab, verstärkte den Eindruck des puren Zweckbaues zusätzlich. Solche Beobachtungen scheinen auf den ersten Blick zu belegen, dass Stadtbefestigungen ein ganz und gar pragmatischer Bautypus sind, der einem architektonisch-künstlerischen Gestaltungswillen kaum Raum lässt und damit die symbolhafte
Widerspiegelung abstrakter, also etwa politischer oder religiöser Inhalte ausschließt. Dass das nicht ganz zutreffen kann, legen jedoch drei Feststellungen nahe. Einerseits nämlich muss man sich verdeutlichen, dass Stadtmauern zur Zeit ihrer Entstehung noch weit besser als definierende Begrenzung der Stadt wahrzunehmen waren, weil sie durch die wenig bebaute Umgebung in ihrer optischen Wirkung noch kaum eingeschränkt waren. Ein Betrachter konnte, anders als es heute fast überall der Fall ist, meist weite Teile des Mauerringes überblicken und damit die Stadt als architektonische Einheit wahrnehmen, vergleichbar einer überdimensionierten Burg. Dabei muss man sich zweitens vor Augen halten, dass die Mauer keineswegs die Stadt schlechthin begrenzte, wie es oft geschrieben wird. Vielmehr umfasste sie infolge wohlüberlegter Planung nur den Kern des städtischen Gesamtorganismus und ließ dabei allzu große oder zu isoliert liegende, aber durchaus funktional wichtige Teile dieses Zusammenhanges außerhalb der Mauer – das Acker- und Gartenland und die Dörfer, die im Besitz der Stadt waren und sie versorgten, auch Mühlen, Spitäler, Klöster, Waldungen und dergleichen. Schon die Entscheidung, was von dieser Vielfalt in die Befestigung einbezogen wurde und was nicht, hatte also – obwohl sie zu wesentlichen Teilen strategischen Erwägungen folgte – bedeutsame gestalterische Folgen, und man kann sich angesichts des Aufwandes, den die Städte für ihre Kirchen, Rathäuser und andere öffentliche Bauten trieben, kaum vorstellen, dass diese ästhetischen Fragen nicht auch bewusst in diese Gestaltung der Befestigungen einbezogen wurden. Drittens – und dies ist sicher der Aspekt, der heute noch am stärksten ins Auge fällt – zeigt die Gestaltung der Tore, dass die Befestigungen die Stadt nicht nur sichern, sondern sie auch repräsentieren sollten. Die in Deutschland weitaus häufigste Torform, die Tortürme, sind in der Regel die höchsten und aufwendigsten Türme des Mauerrings, wenn nicht ohnehin die einzigen und jedenfalls jene, die im Spätmittelalter am ehesten mit Wappen, Skulpturen und weiterer 4. Die Stadtmauer als Symbol
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Abb. 272 Eine Auswahl heutiger, meist aber ins Mittelalter zurückgehender Stadtwappen, die ein Stadttor als Symbol des Städtischen schlechthin zeigen, in verschiedener Weise ergänzt: durch einen weiteren Turm, eine Heiligenfigur, den ersten Buch staben des Stadtnamens oder das Wappen des Landesherrn.
Ornamentik ausgestattet wurden; seltenere Bauformen wie vor allem die Doppelturmtore setzen noch wirksamere Akzente. Die Tore vertraten als jener Teil der Mauer, den jeder Ankömmling unvermeidlich aus der Nähe sah, die Stadt als Ganzes; sie zeigten, dass das Gemeinwesen eigenständig und wehrhaft war und dass seine Mittel allemal ausreichten, diese Position auch mit gestalterischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. Wo der Mauerring als Ganzes diese Wirkung nicht entfalten konnte, etwa aus Gründen der Wegeführung, des Geländes oder vorgelagerter Bebauung, da konnte ihn das Stadttor als pars pro toto in überzeugender Weise vertreten. Dabei sind jene Fälle besonders aussagekräftig, bei denen baulich betonte Tore auch eine besondere Bedeutung hatten; das Kölner „Hahnentor“ und das Aachener „Kölntor“ etwa spielten eine Rolle bei der Krönung der deutschen Könige, das „Untertor“ in Lauf an der Pegnitz markierte mit seiner aus Prager Vorbildern abgeleiteten, unge344 I. Systematischer Teil
wöhnlichen Form die Herrschaft Kaiser Karls IV. gegenüber der nahen, mächtigen Reichsstadt Nürnberg. Dass Tore und Mauern schon in ihrer Epoche als wohl wichtigste Symbole des städtischen Gemeinwesens galten, zeigt sich auch unmissverständlich in den Wappen und Siegeln der Städte. Dort ist, meist bis heute nur wenig abgewandelt, die Mauer das übliche Motiv, in der Regel mit einem Stadttor als Zentrum und oft mit symmetrisch stilisierten Mauerteilen und eventuell Türmen als Ergänzung (Abb. 272). Dies konnte durch andere Motive, etwa einen bedeutenden Sakralbau der Stadt oder ihren heiligen Patron, ergänzt werden, die aber gestalterisch wie in ihrer Bedeutung hinter die stilisierte Mauer zurücktraten. Auch hier, wie in der mittelalterlichen Kunst und Architektur allgemein, galten also die Symbole des Glaubens und der Wehrhaftigkeit als die besonders darstellungswürdigen, während das, was der heutige Wissenschaftler als entscheidende Merkmale der mittelalterlichen Stadt empfindet – vor allem Selbstverwaltung und durch Handel und Handwerk erzielter Reichtum –, in solchen Abbreviaturen keine erkennbare Rolle spielte; etwa Rat- oder Kaufhäuser, Marktplätze oder Hafenanlagen findet man an solcher Stelle so gut wie nie. Damit ist auch ein Thema berührt, das in der Literatur eine nicht allzu umfangreiche, aber wegen seiner großen Zusammenhänge bedeutsame Rolle spielt, zuletzt etwa angesprochen von Paul Naredi-Rainer (1996): die Frage nämlich, ob die Befestigung von Städten bzw. ihre Anlage auch Träger sakraler Bedeutungen gewesen sein können. Bischofssitze und große Klöster waren wichtige Ansatzpunkte früher Städte und selbstverständlich wurde die Bedeutung solcher Orte von Anfang an auch mit den Mitteln der Architektur unterstrichen. Dabei spielten allerdings Sakralbauten die entscheidende Rolle, und zwar nicht nur die Kathedrale oder Abteikirche mit dem anschließenden Kloster / Stift, sondern auch weitere Kirchen und Kapellen sowie schließlich, wie Erich Herzog ins Bewusstsein rückte, weitere Klöster oder Stifte in der Umgebung, möglichst in Höhenlage, die den Ort weithin sichtbar betonten bzw. zu einer sakralen „Landschaft“ erweiterten. Bei derartigen Akzentuierungen früher
„Städte“ oder eher städtischer Vorstufen spielte freilich die Umwehrung noch keine wichtige Rolle. Zwar war das steuerbefreite und rechtlich abgehobene Gebiet um die Kathedrale in der Regel als „Domburg“ befestigt (vgl. 2.1.3.), aber dabei handelte es sich noch nicht eigentlich um die Befestigung einer Stadt, denn die ersten Anfänge von Händler- und Handwerkersiedlungen befanden sich kaum je innerhalb dieser Befestigung, sondern in der Regel vor ihrem Tor; dass auch dieser andersartige Siedlungsteil umwehrt wurde, war grundsätzlich ein späterer Schritt der Stadtwerdung. Dabei dürfte es durchaus so gewesen sein, dass die ersten Ummauerungen der Händler- und Handwerkersiedlungen von den geistlichen Stadtherren noch als Vergrößerung der Domburgen begriffen wurden, und insofern liegt es durchaus nahe, dass man auch sie sakral akzentuieren wollte. Dabei muss man vor allem an die Kapellen denken, die gelegentlich in den Torbauten von Domburgen bzw. Stiftsimmunitäten belegbar sind – und in einigen wenigen Fällen eben auch über oder neben den Toren früher Stadtmauern, in Bischofsstädten (Köln, Hildesheim; Abb. 10) oder in bedeutenden Städten ohne Bischofssitz (Goslar, Soest: Abb. 427). Aber dies waren Ausnahmen, und in der Blütezeit der Stadtmauern, vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, sind derartige Phänomene dann nicht mehr zu finden; die „Sakralisierung“ von Toren, wenn man überhaupt von ihr reden will, beschränkte sich nun auf die gelegentliche Darstellung – als Malerei, Relief oder Skulptur – von Heiligen, Kreuzigungs- und anderen biblischen Szenen an Stadttoren (Abb. 121, 327). Auch sie belegten die Frömmigkeit als selbstverständliches Merkmal der mittelalterlichen Gesellschaft, aber sie machten das Tor eben nicht mehr zum sakralen Ort im eigentlichen Sinne, sondern waren nur noch knappe Verweise auf das christliche Selbstverständnis der Bürger, dessen direkterer Ausdruck jedoch die baulich nur selten mit der Befestigung verbundenen Kirchen und Kapellen waren (vgl. 2.2.10.2.). Die Bauten der Stadtmauern erscheinen daher, von den erwähnten, frühen Ausnahmen abgesehen, eher als Belege für die Entscheidung, Befestigung und religiöse Verehrung konsequent zu trennen. Selbstverständlich gab es auch im Mittelalter – wie bereits früher – vielfältige Ansätze, im
Ganzen der Stadt, in der Geometrie ihres Grundrisses, der Straßenführung und Blockstruktur sakrale Bedeutungen widergespiegelt zu sehen, wie es zuletzt Hans Rudolf Sennhauser unter dem Stichwort „Stadtumgrenzung und Grenzen“ (1999) skizzierte. Grundfrage ist und bleibt dabei letztlich, ob die Planung der Stadt solchen religiös symbolischen Vorstellungen gefolgt ist oder ob diese Planung nicht vielmehr praktisch bestimmt war – Verkehrslage, Topographie, Hausformen, Wasserversorgung, Agrarlandschaft usw. –, wobei dann die Symbolik den jeweiligen Gegebenheiten nach Möglichkeit angepasst wurde. Denn so allgemein waren diese symbolischen Vorstellungen, „dass sie sich bei der Vorliebe mittelalterlichen Denkens für einfache und oft geometrisch ausgeformte Symbole überall dort mit sichtbaren Realien verknüpften, wo sich ein – wenn auch noch so geringer und für uns Heutige kaum nachvollziehbarer – Anhaltspunkt dafür bietet“ (Sennhauser). Mit der baulichen „Umgrenzung“ der Stadt in Form der Mauer hatten solche religiösen Vorstellungen eher wenig zu tun. Im Grunde kamen beide Aspekte nur an einer einzigen Stelle miteinander in Berührung, nämlich bei der Idealvorstellung des „himmlischen Jerusalem“ mit seiner kreisrunden oder auch quadratischen Form und den zwölf Toren (Offenbarung 21,11–15). Keine mittelalterliche Stadt im deutschen Raum war jedoch kreisrund; wo es bei Städten in flachem Gelände doch eine gewisse Annäherung an diese Form gab (Aachen, Nördlingen), zeigen die Abweichungen von der exakten Rundform eher, dass die Idealvorstellung in der Praxis nur begrenzte Wirkung entfalten konnte. Die geometrische Vorstellung vom „himmlischen Jerusalem“ eignete sich eher zur gestaltenden Umsetzung im Kunsthandwerk, bei dem Gold und Edelsteine auch das überirdische Strahlen andeuten konnten, also jedenfalls für große Radleuchter in Kirchen (Hildesheim, Aachen, Großkomburg), vielleicht auch, in der Variante mit übereinandergelegten Quadraten, für die achteckige Kaiserkrone. Wenn U. Mainzer für Köln und Aachen wahrscheinlich machen konnte, das sich dort zumindest in der Anzahl der zwölf Tore – die auch verkehrlich offenbar weniger notwendige Tore umfasste – der gewollte Bezug auf das „himmlische Jerusalem“ spiegelte, so ist dies zwar plau4. Die Stadtmauer als Symbol
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sibel, aber eben auch eine Ausnahme, die in der Funktion beider Städte bei der Krönung der deutschen Könige begründet war. Der Erzbischof von Köln zog nach Aachen, um dort die Krönung vorzunehmen; auch die Sonderform der beiden Tore – des Kölner „Hahnentores“ (Abb. 149) und des Aachener „Kölntores“ –, die er dabei passierte, bestätigte dies, wie sich auch die großen Schmucknischen mehrerer Aachener Tore als Widerspiegelungen des karolingischen Westbaues der Pfalzkapelle bzw. des Domes erweisen, also als Pforten zu einem Sakralbezirk, der – in hier besonders später Anknüpfung an Traditionen des 9.–12. Jahrhunderts – die gesamte Stadt umfassen sollte. Auch in diesen beiden Städten, die eine besondere Bedeutung für das deutsche Königtum besaßen und deren Befestigung daher auch im 12. / 13. Jahrhundert noch überdurchschnittlich „sakralisiert“ erscheint, bleiben die religiösen Akzente insbesondere der Tore also letztlich an das Herrschaftliche gebunden – denn um sie, die im Mittelalter prinzipiell weltliche und sakrale Elemente verbanden, ging es schließlich bei der Königskrönung. Damit bestätigen gerade auch diese Sonderfälle das Grundprinzip, das bei der Betrachtung aller deutschen Stadtbefestigungen des 12.–16. Jahrhunderts als das dominante erkennbar wird: dass nämlich die Mauern, Türme und Tore neben ihrer praktisch fortifikatorischen Funktion stets auch Bedeutungsträger im Sinne der Stärke und Abgeschlossenheit waren, die in erster Linie auf die weltliche Herrschaft über die Stadt bezogen wurde, gleich, ob die Herrschaft eines Stadtherrn veranschaulicht wurde oder ob es sich bereits um eine „freie“ Stadt handelte.
346 I. Systematischer Teil
Sakrale Elemente enthielt diese Symbolik der Stadtmauern und -tore nur insoweit, als Herrschaft im Mittelalter stets und selbstverständlich mit sakralen Elementen durchsetzt war. Zum Abschluss muss noch eine der wenigen mittelalterlichen Schriftquellen kurz angesprochen werden, die die Umwehrung damaliger Siedlungen direkt anspricht und daher gerne auf eine vermeintliche Symbolwirkung der Stadtmauern bezogen wird, nämlich der Satz: „Bürger und Bauer scheidet nicht mehr als ein Zaun und eine Mauer“ („einen burger und einen gebuer scheit nicht me wen ein czuhin und ein muer“). Er stammt aus der sogenannten Liegnitzer Glosse zum Sächsischen Lehnrecht (Sachsenspiegel), die von Nikolaus Wurm (nach 1401) verfasst wurde; der Zusammenhang ist dort freilich kein baulicher, sondern ein rechtlicher. Wurm wollte hier offensichtlich sagen, dass es im juristischen Sinne auch zu seiner Zeit noch keinen wirklichen Unterschied zwischen Stadtund Dorfbewohnern gab; beide seien nur so frei, wie es die lokalen (spät)mittelalterlichen Herrschaftsverhältnisse zuließen. Der Unterschied in der Umwehrung beider Siedlungsformen sei, so ist er wohl zu verstehen, nur ein praktischer bzw. ästhetisch wirksamer und eben keiner, der etwa einen rechtlichen Unterschied der Bewohner spiegele. Im Rahmen unserer architekturgeschichtlichen Fragestellung beschränkt sich die Aussage des viel zitierten Satzes also leider darauf, dass es in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Schlesien sowohl ummauerte Städte als auch umzäunte Dörfer gab – was wirklich keine Überraschung ist.
Zusammenfassung: Die Entwicklung der Stadtbefestigung im deutschen Raum
Anfänge und Probleme der Forschung Die Anfänge der mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschen Raum liegen im 12. Jahrhundert. Zwar gab es hier oder dort – etwa in Solothurn, in Regensburg oder mehrfach am Rhein entlang – halbwegs erhaltene und weitergenutzte Befestigungen der spätrömischen Epoche, aber diese spielten als formale Vorbilder für die mittelalterlichen Stadtmauern keine Rolle. In wenigen weiteren Fällen existierte bereits vor 1100 eine neue Mauer – die frühen Umwehrungen etwa von Speyer (um 1061–1100) und Basel (um 1080–1100) sind relativ gut erforscht, weitere Fälle wie etwa Straßburg, Worms oder die Erweiterungen von Köln sind nur indirekt bekannt oder zu erahnen. Bei diesen Vorläufern war es, obwohl nur selten antike Befestigungsreste wiederverwendet wurden, sicherlich kein Zufall, dass es sich um Bischofssitze in ehemaligen römischen Grenzprovinzen handelt, das heißt um Zentren, die, an Reste antiker Zivilisation anknüpfend, früh wieder aufblühten. Auch einige ergrabene Ummauerungen von Domimmunitäten, die bereits ab dem 10. Jahrhundert entstanden (und von manchen Archäologen als Stadtmauern angesprochen werden), ändern an der Datierung der frühesten Stadtmauern ins 12. Jahrhundert nichts, denn Städte im eigentlichen Sinne entwickelten sich zwar später oft im Anschluss an solche Domburgen oder großen Klöster, aber diese selbst waren zuvor eben noch keine Städte, sondern sakrale Zentren bzw. Herrschaftssitze gewesen. Definiert man folglich „Stadt“ als eine Siedlung, in der eine handwerklich produzierende und Handel treibende Bevölkerung Kern und treibende Kraft der Sozialstruktur war – die daher später als organisiertes „Bürgertum“ die lokale politische Macht errang –, so fällt es bis-
her schwer, befestigte Städte wesentlich vor der Mitte des 12. Jahrhunderts zu benennen. Freilich gilt dies weiterhin nur für Städte, die mit einer Mauer befestigt waren und bei denen das steinerne Bauwerk durch Archäologie oder Bauforschung belegt ist; neben Basel und Speyer seien Zürich, Freiburg, Trier, Duisburg, Fulda und vielleicht Goslar genannt. Darüber hinaus mögen sich bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts durchaus noch weitere stadtartige Zentren entwickelt haben, die zwar noch nicht durch Mauern, wohl aber bereits durch Holz-Erde-Befestigungen geschützt waren; Schriftquellen, die bereits auf entwickelte zentralörtliche Funktionen hinweisen, oder auch schwer datierbare Baubefunde legen diese Vermutung hier und dort nahe (Freiburg im Üechtland?, Schaffhausen, Braunschweig, Göttingen, Einbeck, Halberstadt, Querfurt, Stendal, Tangermünde und andere), aber nur eine weitere Prüfung vor allem mit archäologischen Mitteln könnte in dieser schwer übersehbaren Grauzone größere Klarheit schaffen. Dabei zeigen im übrigen gewisse Befunde, etwa in Basel, Freiburg im Breisgau und Villingen (sowie einigen kleineren Städten Badens), aber auch etwa in Paderborn (ab 1127) oder Aachen (ab 1171), dass manch frühe Mauer noch keine solche im Sinne einer frei stehenden Mauer war, sondern dass es sich um einen Wall mit steinverkleideter Front handelte. Mit dem Stichwort „Wall“ ist dabei bereits eines der schwierigsten, weil nur aufwendig erforschbaren Themen im Zusammenhang der Stadtmauern berührt, nämlich jenes der HolzErde-Befestigungen. Gräben und Wälle – in der Herstellung in der Regel eine Einheit, weil der Aushub des Ersteren das Material für den Letzteren ergab – spielten in jeder Phase des Baues 4. Die Stadtmauer als Symbol
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von mittelalterlichen Stadtmauern eine wichtige Rolle (wie auch Hecken, was die häufige Nennung von Begriffen wie „Hagen“, „Hain“ oder „Hege“ an Stadtperipherien belegt). Dabei dienten solche Anlagen spätestens ab dem 13. Jahrhundert fast immer nur noch der Sicherung des Vorfeldes, aber in den Anfängen des 11./12. Jahrhunderts ist davon auszugehen, dass viele Städte zunächst mit schnell herstellbaren Holz-Erde-Befestigungen gesichert wurden, bevor man zum aufwendigeren und zeitraubenden Bau einer Mauer überging; bei kleinen Städten wie etwa westfälischen „Weichbildern“ konnte sich dieser Prozess durchaus bis ins Spätmittelalter hinziehen. Schriftlich erfasst wurde der Übergang vom Holz zum Stein dabei fast nur im norddeutschen Flachland (Haithabu, Stade, Schleswig, Lüneburg) und im östlichen Kolonisationsgebiet, wo er von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bis ins 15. Jahrhundert dauerte und in den in dieser Zeit schon wesentlich dichteren Schriftquellen weit besser zu fassen ist. Sonst ist der Nachweis eines derartigen Ablaufes nur in seltenen Fällen möglich, vor allem dort, wo eine Stadt schon kurz nach der Gründung wieder aufgegeben wurde, oder aber durch Ausgrabung dort, wo die spätere Mauer nicht an derselben Stelle wie der Wall oder die Palisade entstand. Deswegen ist die wirkliche Verbreitung früher Holz-ErdeBefestigungen nur noch sehr bedingt zu erfassen; als Verdachtsfälle sind vor allem jene nicht
seltenen Mauern anzusprechen, die noch heute auf anders schwer erklärlichen niedrigen Wällen stehen oder bei denen Befunde wie Grabungen oder frei liegende Fundamente noch indirekt auf abgetragene Wälle dieser Art hinweisen (etwa Schaffhausen, Zürich, Würzburg, Weißenburg in Bayern, Duisburg, Einbeck). Als besonders anschauliches Beispiel sei Köln genannt, dessen nach 1210 errichtete Mauer auf einem Wall stand, dessen Identifikation mit dem bald nach 1179 erwähnten vallum seu fossatum mehr als naheliegt. Die wohl wichtigste Folge der Schwierigkeit, die Verbreitung früher Holz-Erde-Befestigungen sicher zu fassen, besteht darin, dass die Rückschlüsse, die man aus den Schriftquellen auf die Entstehung der Mauern im technischen Sinne ziehen darf, eng beschränkt bleiben. Denn die Ersterwähnung als „Stadt“ (civitas, oppidum und andere) oder die weitaus seltenere Dokumentation eines echten Gründungsaktes, aus der die ältere Forschung oft simplifizierend auf die Bauzeit der Mauern schloss, enthalten grundsätzlich eben keine eindeutige Aussage für die Entstehungszeit einer Steinbefestigung. Diese kann grundsätzlich vielmehr Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte nach der Gründung der Stadt liegen; dabei erschweren außerdem die ständigen Reparaturen und Modernisierungen eines so funktionalen Bauwerks die Datierung erhaltener Teile entscheidend.
Tortürme und Turmreihung (um 1200–1250) Die Blütezeit der Stadtmauern im engeren, technischen Sinne – das heißt der Befestigungen aus Mörtelmauerwerk – lag im westlichen und mittleren Deutschland im 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; nahe liegt die Deutung, dass der dann im mittleren 14. Jahrhundert erkennbare Einschnitt mit dem Niedergang zusammenhing, den die Jahrzehnte der Pest auslösten und der auch umfangreiche Wüstungsprozesse umfasste. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts und bis weit ins 15. Jahrhundert hinein entstanden dann aber wieder neue Befestigungen als punktuelle Verstärkung vieler Mauern, aber auch als formal variantenreiche 348 I. Systematischer Teil
äußere Mauerringe großer Städte, insbesondere, aber nicht nur, in Süddeutschland. Wenig später setzten dann schon jene Ergänzungen der Mauern ein, die durch die rasante Entwicklung der Feuerwaffen erzwungen wurden und die dann ab dem 16. Jahrhundert ganz andersartige Bauformen hervorbrachten, die hier nicht mehr Thema sind. Ein Nachklang als Weiterführung mittelalterlicher Formen währte dabei aber bis ins 17./18. Jahrhundert. Wie viele Mauern in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in spätstaufischer Zeit, entstanden, ist aus Gründen des Erhaltungszustandes weiterhin nur begrenzt zu erfassen. Denn nicht
wenige dieser immer noch frühen Mauern besaßen noch keine Türme und nur einfache Mauertore; und, wenn Türme erst später angebaut oder Mauertore durch Tortürme ersetzt wurden, bedarf es besonders günstiger Erhaltung bzw. genauer Untersuchung, um die Veränderung sicher zu erkennen. Schon eine unsensible Instandsetzung, wie sie leider häufig ist, genügt, um Fugen oder nachträgliche Verzahnungen unkenntlich zu machen; dann erscheint die Mauer fälschlich als einheitliches, von Anfang an mit Türmen versehenes Bauwerk, das oft zu spät datiert wird. Das Aufkommen der Türme in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist in zwei Varianten zu beobachten. Einerseits entstanden zu dieser Zeit erste Tortürme, oft als einzige Türme neuer Mauern oder als Ergänzung älterer Holz-ErdeBefestigungen bzw. anfangs turmloser Mauern. Genannt seien unter diesen Tortürmen, die oft nur ein Obergeschoss besaßen, jedenfalls in der Regel eher niedrig wirkten, das Freiburger Martinstor [1200/01 (d)], der etwa sechs Jahrzehnte älteren Mauer hinzugefügt, und der Berner „Zytgloggen“ (um 1220/30), wo die Mauer wohl 30 Jahre älter war; ähnlich werden das „Schwarze Tor“ und der „Hochturm“ in Rottweil datiert. In einigen weiteren Fällen (Mühldorf am Inn, „Münchener Tor“; zwei ergrabene Ulmer Tore; Esslingen, „Wolfstor“; Schlettstadt, „Obertor“; Rothenburg ob der Tauber, „Weißer Turm“; Eisenach, „Nicolaitor“; Schleswig, „Nordertor“?) darf man vermuten, dass die Mauer erst nach ihnen entstand, dass sie anfangs also durch HolzErde-Befestigungen ergänzt waren; auch der verschwundene Mittelturm auf der Regensburger „Steinernen Brücke“ wird bald nach 1200 entstanden sein. Das bereits recht hohe Speyerer „Altpörtel“, im mittleren 13. Jahrhundert der Mauer des 11. Jahrhunderts hinzugefügt, ist schon eher ein spätes Beispiel dieser Entwicklung. Neben solchen Tortürmen sonst turmloser oder turmarmer Mauern entstanden vor 1250 andererseits aber auch erste Ummauerungen größerer Städte, die mit regelmäßig gereihten Türmen ausgestattet wurden; auch bei ihnen sind zwei formale Untergruppen zu unterscheiden. Einerseits baute man in Süd- und Mitteldeutschland Mauern mit quadratischen und rechteckigen Türmen. Andererseits sind zwei Regionen mit halbrunden Schalentürmen festzustellen, de-
ren Ausgangspunkte die beiden großen Handelszentren Köln und Lübeck waren und die jeweils viele Mauern kleinerer Städte in ihrer Einflusszone prägten, also einerseits am Niederrhein, andererseits entlang der Ostseeküste; dass Rhein, Nord- und Ostsee als wichtige Handelswege hier ihre Wirkung entfalteten, liegt sehr nahe. Als große Städte, deren Mauern in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit quadratischen oder rechteckigen Türmen ausgestattet wurden, sind im südwestdeutschen Raum Basel zu nennen, wo Rechtecktürme an die ältere Mauer angefügt wurden, vielleicht auch bereits Zürich, am Oberrhein Straßburg und Worms; weiter östlich gehört Wien zu dieser Gruppe, wo die Mauer entgegen älteren Deutungen kaum vor 1200 entstand und wo in der Folge einige Städte der Umgebung ähnlichen Formvorstellungen folgten, in Niederösterreich und bis in die Steiermark; unter ihnen stechen besonders Wiener Neustadt und Hainburg hervor. Für den süddeutschen Raum wird man festhalten, dass dort auch die Bergfriede der Burgen bis in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts überwiegend quadratisch waren. Im mitteldeutschen Raum, wo allerdings eher runde Bergfriede üblich waren, zeigten Erfurt und Halberstadt die Reihung quadratischer Türme (schon ab etwa 1170/80?), ferner Magdeburg und auch Freiberg; dabei sind weitere vielleicht frühe Mauern in Sachsen (Leipzig, Meißen, Pegau) baulich nicht mehr greifbar. Spätestens gegen die Jahrhundertmitte entstanden aber auch schon im westlichen und südlichen deutschen Altsiedelgebiet Mauern kleinerer Städte, für die gleichfalls quadratische oder rechteckige Türme typisch waren, so etwa in Duderstadt (frühes 13. Jh.), Oberwesel (ab etwa 1240), Schwäbisch Hall (nach 1200), Luzern (ab etwa 1230) oder Brixen (ab 1240). Die Mauer von Köln, nach 1210 auf wenig älterem Wall begonnen, war mit ihren zwei Scharten-/Schussebenen, den niedrigen, überwölbten Halbrundschalen und Doppelturmtoren, die dieselbe Turmform integrierten, eine höchst originelle Schöpfung. Ob man sie von spätrömischen Anregungen herleiten oder sie doch eher als Variante der ab den 1190er Jahren von König Philippe II. Auguste von Frankreich entwickelten fortification philipienne verstehen will – in jedem Falle entsprachen die Kölner For4. Die Stadtmauer als Symbol
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men keiner dieser möglichen Anregungen vollständig, sondern sie stellten eine eigenständige Weiterentwicklung dar, die hohe Effektivität mit monumentaler Wirkung vereinte. Dem Kölner Vorbild folgten das gleichfalls erzbischöfliche Bonn (ab 1244) und ab der Mitte des 13. Jahrhunderts dann weitere Mauern des Herrschaftsgebietes wie etwa Münstereifel oder Andernach. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aber geriet der Niederrhein dann endgültig unter starken französischen Einfluss, was insbesondere zahlreiche „echte“ Doppelturmtore – mit schlankeren, nicht als Schalen geöffneten Türmen – in den mittleren und kleineren Städten der Region veranschaulichen. Französische Vorbilder kann man auch bei wichtigen Bauten der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts weiter südlich, am Oberrhein, identifizieren, zwar überwiegend bei Burgen mit runden Ecktürmen (Kastellen), aber gerade im Falle des gut erforschten, pfälzischen Neuleiningen folgte die offenbar direkt nach der Burg errichtete Stadtmauer mit ihren Rundtürmen und hohen Schlitzscharten eindeutig denselben Vorbildern. Und auch in (der Landgrafschaft) Hessen liegt es nahe, Einflüsse der fortification philipienne zu erkennen, vor allem, wenn man einen Blick auf die um 1235–50 entstandene Ummauerung von Marburg mit ihren runden Tourellen wirft; auch die spätestens nach 1232 begonnenen Mauern von Fritzlar wiesen gerundete Turmformen in einer Region auf, die sonst noch keine steinernen Stadtbefestigungen kannte. Die andere Region, in der früh Mauern mit gerundeten Türmen auftraten, nahm ihren Ausgang fraglos von der Backsteinmauer, die ab 1214/17 um das (schon ab 1181 ummauerte) deutlich vergrößerte Lübeck entstand. Hier waren halbrunde Schalen typisch, die man kaum später auch in Bremen findet und die in der Folgezeit Vorbild für viele Mauern weiter östlich, in Mecklenburg und bis nach Westpommern und Nordbrandenburg, wurden – also in einer Region, die von dem frühen Handelszentrum Lübeck her erschlossen wurde und in der die meisten Städte auch das lübische Recht übernahmen. Ob diese von Halbrundschalen charakterisierten Mauern des von Lübeck geprägten Raumes als kölnischer Einfluss zu werten sind – Handelsbe-
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ziehungen zwischen den beiden großen Zentren ihrer Zeit über Rhein und Ostsee erleichterten Derartiges ganz fraglos – oder ob hier noch direktere Anregungen des Königreichs Frankreich wirkten, kann noch Anlass zur Diskussion sein. Neben Mauern mit regelmäßig gereihten, quadratischen oder halbrunden Türmen – mit denen der bis heute wirksame Typus der deutschen Stadtbefestigung geschaffen wurde – findet man aber vor dem mittleren 13. Jahrhundert in weiten Teilen des deutschen Raumes auch noch gänzlich turmlose oder zumindest turmarme Mauern. Sie widersprechen gängigen Vorstellungen „staufischer“ Monumentalität mit eindrucksvoller Eindeutigkeit, gerade auch im deutschen Südwesten und Süden (Freiburg im Üechtland, Freiburg im Breisgau, Konstanz, Rheinfelden, Villingen, Kaufbeuren, Wasserburg, Schongau, Heidelberg und andere), aber auch weiter nördlich (Hannoversch Münden, Mühlhausen, Helmstedt). Man wird sich daher von der Idee verabschieden müssen, dass jede Stadt, die in staufischem Besitz war oder zumindest in der späten Stauferzeit entstand, von Anfang an Mauern mit monumentalem Anspruch erhielt. Auch was die funktionale Ausstattung bzw. Gestaltung der Mauern betrifft, sind bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts viele Merkmale zum ersten Mal zu beobachten, die dann bis ins Spätmittelalter weitverbreitet bleiben; dabei ist freilich zu beachten, dass manche Merkmale durchaus auch früher aufgetreten sein könnten, aber wegen schlechter Erhaltung der seltenen älteren Bauten nicht mehr festzustellen sind. Als solche neu auftretenden baulichen Merkmale sind etwa die Wehrgangbögen der älteren Mauer von Frankfurt am Main zu nennen (wohl 1223–39) – vielleicht ging ihnen die nur ergrabene Mauer von Würzburg noch voraus – oder die Schlitzscharten in den Zinnen von Hainburg (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts). Auch erste Ansätze zur Ausbildung von Schalentürmen gibt es ab den 1220er Jahren, etwa in Andernach („Rheintor“, vor 1228) und Rottweil („Hochturm“, um 1220–40). Die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts – und vielleicht noch enger: die Zeit ab 1220 – erweist sich also auch auf der Ebene der Durchgestaltung im Detail als eine entscheidende Entwicklungsphase der deutschen Stadtbefestigungen.
Die Blütezeit (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts und 14. Jahrhundert) Mit den oft schon turmreichen Mauern, die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts um noch relativ wenige, aber wichtige Zentren entstanden, war ein Modell der sowohl fortifikatorisch effektiven wie repräsentativen Stadtmauer geschaffen, das in der Folgezeit breite Wirkung entfaltete. Ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und im 14. Jahrhundert, als die meisten Städte des deutschen Raumes erst entstanden, wurden dann auch zahllose mittlere und kleinere Städte ummauert. Dabei ist in den meisten Fällen weiterhin gesichert oder zumindest sehr wahrscheinlich, dass die steinerne Befestigung, die Mauer, erst mit einer Verspätung von mindestens drei bis vier Jahrzehnten auf die Gründung der Stadt und eine provisorische HolzErde-Befestigung folgte. In dieser Phase entstand nun eine nicht nur chronologisch und zahlenmäßig, sondern auch formal schwer zu ordnende Vielfalt von Ummauerungen. Zu beobachten ist generell die Bewegungsrichtung von West nach (Nord-)Ost, die zu jener historischen Entwicklung parallel verlief, die man als Ostkolonisation bezeichnet. Östlich der Elbe, insbesondere in Schlesien, Brandenburg, Mecklenburg, Pommern und dem preußischen Ordensland, liegt die Phase der Stadtgründungen „nach deutschem Recht“ etwas später als in den westlicheren Regionen; beispielsweise entstanden die meisten Städte in Brandenburg zwischen etwa 1230 und 1340, die Zeit der Mauerbauten setzte dagegen frühestens um 1260 ein und reichte bis zum mittleren 15. Jahrhundert. Weniger selbstverständlich erscheint die Tatsache, dass der Höhepunkt der Ummauerungen auch in anderen östlichen Gebieten wie Franken, der Oberpfalz und Bayern, auch in der Landgrafschaft Hessen, um mindestens einige Jahrzehnte nach hinten verschoben war. Zwar kann das in den glazial geprägten Gebieten Bayerns, südlich der Donau, durch Natursteinmangel erklärt werden, der dort eine Backsteinregion wie im norddeutschen Flachland entstehen ließ. Aber in den nördlicheren Regionen Süddeutschlands, in Hessen und Thüringen, greift diese Erklärung nicht, sodass man wohl doch daran festhalten muss, dass das Phänomen der Ummauerung mittlerer und kleinerer Städte von den altbesiedelten und
wirtschaftlich aktiveren Landschaften am Rhein erst verzögert nach Osten ausstrahlte. Unter den zahlreichen Mauern mittlerer und kleinerer Städte, wie sie ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in diesen östlichen Regionen entstanden, waren weiterhin viele turmlos oder turmarm, zumindest in ihren Anfängen. Dass inzwischen dennoch der Turmreichtum das verbindliche Modell geworden war, zeigen dabei aber nicht nur jene neu entstandenen Mauern, die von Anfang an mit Türmen ausgestattet wurden, sondern es gibt auch zahlreiche Fälle, in denen zunächst turmlose oder turmarme Mauern etwas später durch Anfügung zusätzlicher Türme verstärkt wurden; wie häufig dieser Fall wirklich war, wäre freilich nur durch genaue Bauuntersuchungen festzustellen. Der Versuch, in der schwer überschaubaren Vielfalt der ab dem mittleren 13. Jahrhundert neu entstandenen Stadtmauern formale Ordnungsprinzipien zu erkennen, ist bisher kaum unternommen worden, insbesondere nicht für die Befestigungen in ihrer Gesamtheit. Allein für die Tore einerseits der brandenburgischmecklenburgisch-pommerschen Backsteinregion (Heinrich Trost), andererseits des kölnischen Territoriums am Niederrhein (Udo Mainzer) gibt es solche Ansätze; die durchaus umfangreiche sonstige Literatur zu deutschen Stadtmauern beschränkt sich in primär heimatgeschichtlicher Sicht so gut wie immer auf die Befestigungen einzelner Städte. Schon deswegen waren für das vorliegende Werk umfangreiche Bereisungen nötig, um jenen ersten Überblick zu gewinnen, der im zweiten Band regional geordnet vorgestellt wird. Bei diesen Bereisungen bestätigte sich das, was schon die auf die Tore beschränkten Studien von Trost und Mainzer nahegelegt hatten. Es sind nämlich durchaus regionale Gruppen formal ähnlicher Stadtbefestigungen zu erkennen, auch wenn das nicht überall der Fall ist und die Entstehung solcher Gruppen bisher nur vorsichtig gedeutet werden sollte. Es sind vier Landschaften, bei denen sowohl die große formale Einheitlichkeit als auch die zeitliche Nähe vieler Mauern besonders ins Auge fallen. Zunächst ist da das Rheinland, von dem schon bemerkt wurde, dass dort viele Mauern 4. Die Stadtmauer als Symbol
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kleinerer Städte, die ab der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden, deutliche Züge der im nahen Frankreich entwickelten fortification philipienne tragen, nämlich „echte“ Doppelturmtore (ohne Schalentürme) und auch sonst fast ausschließlich schlanke Rundtürme oder Rundschalen. Die Frage, ob bereits die Kölner Mauer des zweiten/dritten Jahrzehnts des 13. Jahrhunderts diesen Einfluss verarbeitet hatte oder ob ihre Vorbilder doch woanders zu suchen sind, bleibt dabei zu diskutieren. Das zweite Beispiel ist das nördliche, landgräfliche Hessen, wo im 14./15. Jahrhundert, also relativ spät, eine erstaunliche Einheitlichkeit der fast ausschließlich mit schlanken Rundtürmen ausgestatteten Mauern zu beobachten ist. Auch hier liegt es nahe, die Verarbeitung französischer Vorbilder zu vermuten, die sich in den 1230er Jahren zunächst an der Marburger Mauer mit ihren schlanken Rundtourellen manifestiert hätte, gleichzeitig wohl in Fritzlar; diese für Hessen frühen Bauten wären dann zum Vorbild späterer Kleinstadtmauern der Region geworden. Beruhen diese beiden Beispiele vor allem auf formalem Vergleich bzw. der Abfolge der Bauzeiten – im Erzstift Köln wohl auch auf herrschaftlichen Zusammenhängen –, so kommen im Falle der dritten Gruppe weitere Argumente hinzu. Die Verbreitung der mit Halbrundschalen ausgestatteten Mauern von Lübeck aus nach Osten entspricht einerseits recht weitgehend der Übernahme des lübischen Rechts durch viele Städte des Raumes, andererseits liegt es auch auf der Hand, dass die intensiven Verkehrs- und Handelsbeziehungen über die Ostsee dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben. Nirgends besser als dort wird beim bisherigen Forschungsstand deutlich, dass auch die Verbreitung von Stadtmauerformen, vergleichbar anderen Architekturgattungen wie Sakralbauten, Bürger- oder Rathäusern, allgemeinen rechtlichen und wirtschaftlichen, das heißt letztlich soziokulturellen Zusammenhängen folgten. Etwas anders sieht es mit dem „Wiekhaussystem“ der Mark Brandenburg aus. Einerseits war diese Bauform mit ihren wehrganglosen Mauern und betont regelmäßig angeordneten rechteckigen Schalentürmen als alleinigen Trägern der Verteidigung für das brandenburgische Herrschaftsgebiet so verbindlich, wie man es kaum 352 I. Systematischer Teil
bei einer andern formalen Gruppe der Stadtmauern beobachtet. Andererseits ist es eben bei diesem System schwierig, zu erklären, wie es entstanden sein könnte. Frühe Fälle, die man als originelle Gründungsbauten der Form betrachten könnte, sind bisher nicht erkennbar, und so bleibt man auf die Erwägung angewiesen, dass es sich um eine Umsetzung der Formen hölzerner Befestigungen in Backstein handeln könnte: Die Wiekhäuser wären ursprünglich Blockwerkoder Fachwerkbauten gewesen, die Kurtinen dazwischen Palisaden. Die Problematik dieser naheliegenden These liegt aber darin, dass es bisher keine Grabungsergebnisse gibt, die die in dieser Weise gestaltete Holzbefestigung einer Stadt belegen; angesichts der wenigen Grabungen, die bisher an Stadtperipherien stattgefunden haben, und angesichts der Überlegung, dass die späteren Mauern oft exakt an der Stelle der Holzbefestigung gestanden haben, ist diese Lücke aber sicherlich auch nicht als Gegenbeweis zu werten. Beachtlich ist auch die Weiterentwicklung des Wiekhaussystems im Ordensland Preußen, wo – wohl wegen latenter Kriegsgefahr – deutlich vergrößerte Wiekhäuser üblich waren und vor allem auch Wehrgänge hinzugefügt wurden. Ein ergänzendes Beispiel für Gruppenbildungen, die aber nicht wie in den genannten Beispielen einfach mit Herrschaftsgebieten oder politischen Einflusszonen übereinstimmen (und erst recht nicht mit heutigen Grenzen), sondern vielmehr zeigen, wie eine politische Einheit verschiedenen Einflüssen unterliegen konnte, ist Schlesien. Das Land, dessen Mauern ab den 1260er Jahren entstanden, zeigt nämlich mindestens drei abgrenzbare Mauerformen. Einerseits gibt es in Niederschlesien Mauern, die fast nur mit quadratischen oder rechteckigen Türmen versehen sind und die man daher von den vor 1250 entstandenen Mauerformen westlich angrenzender Regionen ableiten mag. Daneben aber treten hier Mauern mit runden Türmen, die man – aufgrund ihrer Lage im südlichen Oberschlesien – mit aller Vorsicht als böhmischen Einfluss ansprechen könnte (wobei wir über die Mauern in Böhmen selbst bisher zu wenig wissen); und schließlich gibt es ganz im Norden Schlesiens, im glazial geprägten Flachland, einige wenige Mauern aus Backstein, die fraglos brandenburgisch beeinflusst sind.
Die Feststellung solcher formalen Gruppen in der Phase, als im deutschen Raum der weit überwiegende Teil der steinernen Stadtbefestigungen entstand, kann dabei nur einen ersten Ordnungsversuch des Materials darstellen, und das gilt erst recht für die Erwägung, die Gruppen jeweils durch externe Einflüsse oder eben durch die Umsetzung hölzerner Bauformen in (Back-)Stein zu erklären. Auch muss man darüber hinaus im Bewusstsein behalten, dass zahlreiche Stadtmauern, die im späteren 13. und im 14. Jahrhundert entstanden, nicht so einfach einer formalen Gruppe zuzuordnen sind. Das gilt insbesondere für die Mauern kleinerer Städte, die weiterhin oft turmlos oder turmarm entstanden bzw. bei denen, im Falle der ursprünglichen oder sekundären Ausstattung mit Türmen, keine Turmform vorherrschte. In solchen Fällen ist es kaum möglich, Vorbilder sicher zu bestimmen; es liegt nahe, dass man sich dort aus verschiedenen Formen die jeweils brauchbarste „heraussuchte“, wobei fraglos weiterhin beschränkte Mittel bzw. lang gezogene Bauabläufe entscheidend mitwirkten. Von fortifikatorischer Fortentwicklung kann in dieser Hauptphase des Stadtmauerbaues nicht wirklich die Rede sein – eher im Gegenteil. Das Aufkommen der Türme, insbesondere der regelmäßigen Turmreihung, hatte man noch in diesem Sinne verstehen können, verbesserte es doch die Beherrschung des Vorfeldes ganz entschieden – aber es lag eindeutig noch in spätstaufischer Zeit. Ebenso entstanden jene wenigen französisch beeinflussten Bauten im Westen des deutschen Sprachraumes, die mit weit vorspringenden Rundtürmen und konsequent flankierenden Schlitzscharten ausgestattet wurden, noch vor 1250 – und sie fanden im deutschen Raum zunächst keine nennenswerte Nachfolge. Vielmehr zeigen die weitaus meisten der vielen Stadtmauertürme, die ab dem späteren 13. und im 14. Jahrhundert entstanden, kaum ein konsequentes Bemühen um flankierende Wirkung – sie sprangen oft nur wenig vor die Mauerflucht vor, ihre seitlichen Scharten waren selten und wenig konsequent angeordnet. So bleiben die in zwei Varianten auftretenden Zwinger – umlaufende Zwinger und Torzwinger – auf den ersten Blick die einzige fortifikatorische Verbesserung, die in dieser Phase häufigen
Stadtmauerbaues auftrat; sie waren ein weiterer Versuch, einen Angreifer von der Hauptmauer bzw. den Toren möglichst weit fernzuhalten. Allerdings deutet die neuere Forschung – deren Einzelergebnisse man allerdings kritisch prüfen muss – immer stärker darauf hin, dass die Ursprünge zumindest der umlaufenden Zwinger ebenfalls schon vor 1250 gelegen hatten (etwa Hainburg, Wiener Neustadt, Koblenz). Wirklich überraschen kann das nicht, denn umlaufende Zwinger gab es schon in der Antike und ein herausragendes Beispiel wie die Landmauer von Konstantinopel war im Mittelalter spätestens seit den Kreuzzügen bestens bekannt; zudem liegt es nahe, dass umlaufende Zwinger als „Versteinerung“ einfacherer Vorfeldsicherungen wie Palisaden oder Hecken entstanden waren. Torzwinger – und auch Zugbrücken – hingegen scheinen zumindest im süddeutschen Raum erst ab dem mittleren 14. Jahrhundert häufiger geworden zu sein – sie waren also wirklich eine Neuerung in der großen Blütezeit der Stadtmauern, erklärbar vielleicht durch die besonderen Notwendigkeiten städtischer Befestigungen: Der Handel erforderte große, tagsüber fast immer offene Tore und breite Brücken, deren schneller Schutz im Angriffsfalle diese Innovation nahelegte. Eine weitere Neuerung des 14./15. Jahrhunderts, die die wachsende Selbstständigkeit größerer Städte belegt, war schließlich die Überwachung und Sicherung des Umlandes bzw. städtischen Territoriums; dafür wurden baulich vor allem zwei Mittel eingesetzt. Einerseits boten auf nahen Höhen platzierte Warten – in der Regel schlanke Rundtürme mit oder ohne Ummauerung und Nebenbauten – einen weiteren Überblick über die Landschaft als die Türme der Stadt selbst. Andererseits umschlossen aufwendige Landwehren, das heißt Annäherungshindernisse aus Wallgräben und verdichteten, ständig gepflegten Heckenpflanzungen, das gesamte Territorium reicherer Städte; natürliche Hindernisse wie Täler, Steilhänge oder Gewässer wurden dabei einbezogen. Die Straßendurchlässe waren meist durch Schlagbäume, im 15./16. Jahrhundert auch durch Wachtürme mit Toren gesichert, viele Landwehren zudem mit Warten kombiniert. Die Ursprünge solcher Landwehren lagen weit vor der Entstehung der mittelalterlichen Städte, 4. Die Stadtmauer als Symbol
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das heißt, sie dienten schon im Frühmittelalter – und, wenn man etwa Limes, Hadrianswall oder die Chinesische Mauer betrachtet, noch weit früher – der Sicherung größerer Regionen, in denen im deutschen Raum meist noch keine Städte lagen. Das älteste Beispiel einer städtischen Land-
wehr in Deutschland bietet bisher Helmstedt, wo sie 1252 belegt ist. Die Blütezeit lag jedoch erst im 15./16. Jahrhundert; das Kerngebiet der Landwehren und auch das isolierter Warttürme umfasste damals vor allem Franken, Hessen und Westfalen.
Späte Ummauerungen und stilistische Neuerung – Ende des 14. Jahrhunderts und 15. Jahrhundert Ab dem späten 14. Jahrhundert nahm die Anzahl neu entstehender Ummauerungen im deutschen Raum deutlich ab, was fraglos als Sättigungseffekt zu verstehen ist – noch mehr Städte waren für das wirtschaftliche System der Epoche offenbar unnötig, zumal von Anfang an auch Fehlgründungen vorgekommen waren, das heißt Städte, bei denen die Ausgangsbedingungen nicht für ihr Gedeihen ausreichten. Jene Städte jedoch, die sich als entwicklungsfähig erwiesen hatten, waren bis etwa Mitte des 14. Jahrhunderts in der Regel ummauert worden. Was daher nach dem tief greifenden sozialen und wirtschaftlichen Einbruch, der vor allem durch die Pestepidemien ab 1348 ausgelöst wurde, noch an den Stadtmauern neu entstand – noch vor den viel tiefer greifenden Veränderungen, die durch die aufkommenden Feuerwaffen ausgelöst wurden –, hatte einen grundsätzlich anderen Charakter als in der vorhergehenden Phase, als die neuen Städte und Mauern wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Neben nur noch wenigen Neubefestigungen wurden nun einerseits vorhandene Mauern erhalten und verbessert; man baute hier oder dort einen Turm an, umlaufende Zwinger und Torzwinger wurden hinzugefügt usw. Andererseits hatte sich inzwischen eine Spitzengruppe von Städten herausgebildet, in denen Handel und Produktion blühten; dort hatten sich immer mehr Menschen angesiedelt, es war Bebauung vor den Toren entstanden und daher setzte sich bei der Führungsschicht solcher Städte die Erkenntnis durch, dass man zumindest diese Vorstädte zusätzlich befestigen oder aber, besser noch, sie durch einen neuen, zusammenfassenden Mauerring schützen musste. 354 I. Systematischer Teil
Diese neuen Vorstadtbefestigungen oder äußeren Mauerringe unterschieden sich in ihren einzelnen Bauteilen wenig von den Formen der vorangegangenen Zeit. Es entstanden weiterhin Stadtmauern, die in sehr regelmäßiger Weise mit formal normierten Türmen ausgestattet wurden, wie beispielsweise in Nürnberg oder Ingolstadt. Andererseits fallen in dieser Zeit ab dem späteren 14. Jahrhundert aber auch Mauern auf, deren Turmformen in auffälliger Weise variierten. Quadratische Türme stehen neben runden oder u-förmigen, Volltürme neben Schalen- oder Erkertürmen, hohe neben niedrigen, bestes Buckelquaderwerk wurde neben billigem Bruchstein verwendet. Darin zeigen sich zum Teil sicherlich alte Probleme: Die hohen Kosten erzwangen anfangs den weitgehenden Verzicht auf Türme, sodass die Mauer dann erst nach und nach, über einen längeren Zeitraum mit Türmen verstärkt wurde. Dabei führten wechselnde Baumeister – und wenig später auch das Vordringen der Feuerwaffen – zu recht verschiedenartigen Formen; Nördlingen ist das beste Beispiel solcher erst nach und nach ergänzten Mauern, das man noch fast vollständig besichtigen kann. Aber sicherlich führten nicht nur ökonomischpraktische Einschränkungen zum formalen Reichtum vieler Mauern des späten 14. und des 15. Jahrhunderts, sondern es hatte auch eine Entwicklung der ästhetischen Ideale gegeben, die im Sakralbau, aber auch bei vornehmeren profanen Bauaufgaben wie Rathäusern oder Bürgerhäusern, mit dem Begriff der Spätgotik beschrieben wird. Dass die Freude am Abwechslungsreichen, Vielformigen, gelegentlich sogar Skurrilen der späten Gotik auch bei der Gestaltung von Stadtmauern eine Rolle spielte, bestätigt zusätzlich die Entwicklung in bestimmten Regionen, wo
das verfügbare Baumaterial eine reichere Durchgestaltung vor allem der Tor(türm)e ermöglichte oder sogar nahelegte. In erster Linie ist hier das nord- und ostdeutsche Backsteingebiet zu nennen, wo das kleinformatig normierte oder auch ornamental formbare Material – Backstein, Terrakotta – nicht nur abwechslungsreiche Wandgliederungen ermöglichte, sondern wo im späten 14. und im 15. Jahrhundert darüber hinaus auch die baukörperliche Durchbildung einen Reichtum entwickelte, der so in anderen Regionen unerreicht blieb. An die Seite stellen kann man dem immerhin gewisse Turmformen im mittelrheinischen Schiefergebiet, wo das ebenso kleinteilige, mit viel Mörtel zu verbauende und abschließend zu verputzende Baumaterial ebenfalls zu formalen Experimenten führte, die sich hier allerdings eher auf die Grundrisse und gegebenenfalls Auskragungen oder Friese bezogen; dass dies – hier wie auch in den Backsteingebieten – ehemals eine reiche Farbgestaltung ergänzte, können wir nur noch erschließen. Durch die äußeren Mauerringe wurden die älteren Mauern obsolet. Die Mauern als solche und auch die Türme, soweit sie schon vorhanden gewesen waren, wurden meist verbaut oder abgetragen, um ihr Material anderweitig zu verwenden. Manche Tortürme dieser älteren Mauern jedoch blieben erhalten und wurden zu einer Art „Stadttürme“ uminterpretiert, die oft reich ausgestaltet bzw. erneuert wurden, um den
Stadtbewohnern und ihren Gästen und Handelspartnern symbolhaft den Reichtum der Stadt zu verdeutlichen. Eine ähnliche ästhetische Funktion übernahmen in dieser Phase manche besonders hohen und reich ausgestalteten Türme, die mit den neuen äußeren Mauern entstanden und an besonders gut sichtbarer Stelle schon von Ferne dem Ankömmling die Bedeutung der Stadt als „Wahrzeichentürme“ vor Augen führten. Vor allem am Rhein entlang, aber auch in anderen Städten vor allem an Flüssen, gibt es wohlerhaltene Beispiele solcher Türme, die praktisch alle erst aus dem 15. Jahrhundert stammen (Rüdesheim, Oberwesel, Andernach, Köln: „Bayenturm“ und weitere). Im Gegensatz zu diesen Entwicklungen auf der Ebene ästhetischer Wirkung sind größere fortifikatorische Verbesserungen in der Zeit zwischen dem späten 14. Jahrhundert und der Mitte/ zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht festzustellen. Das Einzige, was man hier vermerken muss, ist die zunehmende Häufigkeit der Zugbrücken, die offenbar auch zur schnellen und weiten Verbreitung einer Minimalform des Torzwingers führte, nämlich des „Vortores“, dessen Kleinheit wohl damit zu erklären ist, dass hier vor allem die Aufzugsvorrichtung der Zugbrücke untergebracht werden sollte, die man in einen dickwandigen und in der Durchfahrt beengten Torturm kaum nachträglich einbauen konnte.
Das Aufkommen der Feuerwaffen (spätes 14. bis 16. Jahrhundert) Feuerwaffen sind im deutschen Raum seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts belegbar, erste spektakuläre Zerstörungen von Burgen durch Pulvergeschütze ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Aber es dauerte bis zur Mitte oder gar zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, bis sich auch die Befestigungen merklich zu wandeln begannen, um der neuartigen Bedrohung etwas entgegenzusetzen. Der Grund dieser Verzögerung dürfte darin liegen, dass die frühen Belagerungsgeschütze, die schwer zu transportieren und mühevoll zu bedienen waren, noch selten eingesetzt wurden, sodass man sie noch nicht als grundsätzliche Gefahr erkennen konnte. Erst we-
sentliche Weiterentwicklungen der Technologie konnten dazu führen: nämlich die Entwicklung leichterer, auf Lafetten besser transportabler Geschütze, deren ständige Pflege in Zeughäusern, ferner die Normierung der Kugeln, sodass sie immer wieder und auch in verschiedenen Geschützen verwendbar waren, und schließlich der Übergang von Stein- zu Eisenkugeln. Hinter diesen Entwicklungen standen natürlich solche auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, denn nur reiche und mächtige Fürsten, Territorien und auch Städte konnten sich den Aufwand leisten, den der dauerhafte Unterhalt und häufige Einsatz dieser neuartigen Artillerie erforderte. 4. Die Stadtmauer als Symbol
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Und eben diese Abhängigkeit von den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Territorien zeigte sich auch bei den Verstärkungen der Stadtbefestigungen ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Denn nicht einmal die größten und reichsten Städte der Zeit konnten es sich leisten, ihre Stadtmauer in ihrer Gesamtheit durch eine moderne Umwehrung zu ersetzen – also durch mehrere Meter dicke Mauern, oder besser: Wälle mit Mauerfront, und durch systematisch angeordnete Kanonentürme mit Geschützscharten. Was man daher mindestens bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts allenthalben antrifft, ist eine eher pragmatisch-sparsame und daher nur bedingt effektive Anpassung der alte Stadtmauern an die neuartige Bedrohung bzw. an die Notwendigkeit, den Angreifer und seine Geschütze in eine viel größere Entfernung von den Befestigungen zu zwingen, als es in der Zeit vor den Feuerwaffen der Fall war. In der Regel sah das so aus, dass die nun viel zu dünnen Mauern dennoch als solche bestehen blieben und lediglich ihre Zinnen zu Schlitz- oder Schlüsselscharten verkleinert wurden; viele Zwinger entstanden erst jetzt, als Plattform und Bewegungsraum für die nun flach über das Vorfeld feuernden Geschütze und mit Streichwehren verschiedenster Form zur Beherrschung der Gräben. Die hoch aufragenden Türme, deren Einsturz große Schäden hätte anrichten können, wurden gelegentlich gekappt (z. B. in Nürnberg) und für die Aufstellung von Geschützen eingerichtet; dabei entstanden zu Anfang des 15. Jahrhunderts aber durchaus noch vereinzelt neue, besonders dickwandige Türme mit Scharten für Geschütze und Handfeuerwaffen – das Verständnis der neuen Situation und die Reaktion darauf sahen also von Stadt zu Stadt noch recht unterschiedlich aus. Darüber hinaus leisteten sich viele Städte aber durchaus Neubauten, die mit ihren dicken Mauern und Geschützstellungen den Notwendigkeiten der Artillerie entsprachen. Neben den schon erwähnten Zwingern mit Streichwehren waren dies vor allem Kanonentürme bzw. Rondelle und – zumindest in bestimmten Regionen – auch Barbakanen. Die Platzwahl für diese Neubauten entsprach dabei noch ganz den Traditionen der mittelalterlichen Befestigung, das heißt, neben den Toren wurden vor allem Ecken verstärkt sowie Stellen, die durch ein gut 356 I. Systematischer Teil
zugängliches Vorgelände oder gar durch eine überragende Anhöhe besonders bedroht schienen. Dies war nicht nur verständlich, sondern auch durchaus sinnvoll; allerdings wird mit Blick auf die wenig später aus Italien „importierte“ bastionäre Befestigungsweise deutlich, welche Möglichkeiten in dieser Phase des 15. und frühen 16. Jahrhunderts noch ungenutzt blieben. Denn höchstens als seltene Ausnahme gab es bereits ein Bemühen um die gegenseitige Flankierung der Werke, die dann ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bei deutlich geringerem Bedarf von Geschützen die lückenlose Bestreichung des Vorgeländes erlauben sollte. Die Geschütze wurden in dieser früheren Entwicklungsphase noch frontal auf den Angreifer gerichtet, die Flankierung in die Gräben hinein erfolgte vor allem mit Handfeuerwaffen aus den zahlreichen Streichwehren. Dementsprechend wiesen sowohl die Rondelle, die häufigste Form von Kanonentürmen, als auch die Barbakanen als weitere Aufstellungsorte von Geschützen gerundete Formen auf – man versuchte weiterhin, in einem eher passiven Denkansatz, den Geschossen des Angreifers eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten, anstatt durch gerade geführte Facen das flankierende Feuer des benachbarten Bollwerks zu optimieren. Im Detail wiesen die Rondelle des 15./16. Jahrhunderts eine große Variationsbreite auf. Verschiedene Positionen im Mauerverlauf, vorgeschoben auf dem Wall oder etwa am Torzwinger, kamen vor; Durchmesser und Mauerdicke konnten höchst unterschiedlich ausfallen, ebenso Geschosszahl und Ausbildung der Decken – Balkendecken oder Gewölbe –, schließlich auch die Anzahl, Anordnung und Form der Scharten sowohl für Geschütze als auch für Handfeuerwaffen; sogar rechteckige Kanonentürme gab es, wenn auch nur als Ausnahme (Ornbau in Franken). Ganz unverkennbar ist also in dieser Entwicklungsphase noch kein „System“ festzustellen, dessen hohe Effektivität zu einer weitgehenden Vereinheitlichung der Formen geführt hätte. In der Phase der Rondelle wurde vielmehr experimentiert; die meisten der für Befestigungen herangezogenen Baumeister versuchten ihren eigenen Weg zum wirksamsten und zugleich bezahlbaren Bau zu finden – und so war in dieser Zeit alles möglich: vom geduckten, öffnungsar-
men „Bunker“ bis zum weiterhin vielgeschossig und schlank aufragenden Turm, den eigentlich nur seine vielen Scharten von weit älteren Bauten unterschieden. Eine weitere zukunftsträchige Entwicklung der Zeit um und nach 1500 bestand in der wachsenden Bedeutung von artillerietauglichen Anlagen, die ganz oder zumindest weitgehend aus Erde bestanden. In ihnen zeigte sich die langsam zunehmende Erkenntnis, dass sprödes Mauerwerk auch bei extremer Dicke dem konsequenten Artillerieeinsatz – einem über Tage und Wochen andauernden, zielgenauen Beschuss mit Kanonen – nicht widerstehen kann, während Kanonenkugeln in Erdwällen einfach stecken bleiben, ohne nennenswerten Schaden anzurichten. Zudem waren Erdarbeiten weitgehend von ungelernten „billigen“ Arbeitskräften auszuführen, während teure Steinmetzarbeiten fast völlig, Mauerarbeiten zumindest in großem Umfang unterbleiben konnten. Dabei ist allerdings bei den frühen Erdwerken, wie sie ab dem beginnenden 15. Jahrhundert entstanden, weiterhin unübersehbar, dass passives Denken bei ihrer Gestaltung eine große, wenn nicht die überwiegende Rolle spielte. Dies zeigt sich schon darin, dass alle größeren Anlagen, die dann als Aufschüttungen entstanden, in der Regel die mittelalterlichen Mauern und Gräben nicht ersetzten, sondern ihnen vorgelagert wurden – sie entstanden als Außenwerke,
denn vor dem inneren Graben vieler, wenn nicht der meisten mittelalterlichen Befestigungen lagen noch ein Außenwall und vor diesem ein zweiter Graben, die man nur verstärken musste. Durch Erhöhung dieses Außenwalles konnte man eine Deckung für die weiterhin bestehenden Stadtmauern schaffen. Wo ein solcher „Deckungswall“ erhalten ist, was freilich selten der Fall ist, kann man noch sehen, dass die älteren Mauern – vor allem, wenn zusätzlich die Türme gekürzt worden waren – vollständig hinter ihm verschwinden; man konnte sie von der Feldseite her nicht mehr sehen, also auch nicht direkt auf sie schießen (ein Vorteil, der jedoch bald durch die Entwicklung der Mörser aufgehoben wurde, die in hohem Bogen über die Befestigung hinwegschossen, wenn auch mit geringerer Zielgenauigkeit). Manchmal wurden in solche neuen Wälle auch (selten erhaltene) Kasematten eingebaut, aus denen Geschütze frontal auf das Vorfeld feuern konnten. Aber weitaus typischer für die Entwicklungsphase um und nach 1500 waren große Erdrondelle, die – ähnlich den Streichwehren und steinernen Rondellen der Zeit – ein gewisses Maß an Flankierung erlaubten. Sie boten auf ihren Plattformen mehr Platz für Geschütze, aber ihre Rundform ließ weiterhin „tote Winkel“ bestehen, ein Nachteil, der erst durch die spitzen Bastionen der nächsten, bereits nachmittelalterlichen Entwicklungsphase beseitigt wurde.
Nachleben und Nachwirkung Die Verbreitung und rasch zunehmende Effektivität der Artillerie führte spätestens Ende des 16. Jahrhunderts dazu, dass die mittelalterlichen Befestigungen der Burgen und Stadtmauern ineffektiv wurden. Die wegen Geldmangels fast überall beibehaltenen mittelalterlichen Mauern und Türme boten einem mit guter Artillerie ausgestatteten Angreifer allemal eine Schwachstelle, die durch konzentriertes Feuer leicht zu zerstören war. Auf die Dauer konnten daher nur jene Mächte in der anhaltenden Konkurrenz der Territorien bestehen, die sich vollständige bastionäre Festungen leisten konnten: Städte oder anfangs auch „bastionierte Schlösser“, die voll-
ständig von gemauerten oder aus Erde aufgeschütteten Kurtinen umgeben waren, mit Bastionen an den Knickpunkten, die sich gegenseitig lückenlos flankieren konnten. Solche neuartigen Festungen waren jedoch so teuer, dass nur die größten und besonders gut verwalteten Territorien sie errichten und unterhalten konnten – ein wichtiger Aspekt des Weges zum Absolutismus. Freilich fand dieser Übergang von der spätmittelalterlichen Stadtbefestigung zur bastionären Festung nicht plötzlich statt, sondern es sind über einen beachtlich langen Zeitraum vielfältige Übergangsformen zu beobachten. Neben hochmodernen Festungsanlagen findet man bis ins 4. Die Stadtmauer als Symbol
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17. und 18. Jahrhundert hinein auch Neubauten, die in einer aus heutiger Sicht anachronistischen Weise die Traditionen des Hoch- und Spätmittelalters weiterführten. So entstanden im Laufe des 17. Jahrhunderts nicht nur die großartigen Tortürme Elias Holls in Augsburg oder jene in Nördlingen, die den alten Bautypus im Sinne eines Zentralbaus zu interpretieren suchten, sondern ganz zu Beginn des 18. Jahrhunderts sogar noch ein Torturm wie jener in Neuenstadt am Kocher, den man – wären nicht die Datierungen am Bau und weitere Details – auch ins 15. Jahrhundert setzen könnte. Ein außergewöhnlicher Fall anderer Art ist der „Rosenobelturm“ in Überlingen, der noch 1657 nicht in Bastionsform, sondern als massives Rondell neu entstand, weil sich die eigentlich überholte Rondellbefestigung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg anscheinend nochmals bewährt hatte. Zu dieser Zeit aber waren die mittelalterlichen Mauern der Städte generell längst funktionslos. Sofern sie überhaupt noch ganz oder in Teilen stehen blieben, setzten Umnutzung, Verbauung und Verwahrlosung ein. In manchen Fällen entstanden vor den Mauern oder an ihrer Stelle bastionäre Befestigungsringe – ab dem 17. Jahrhundert weitgehend aus Erde aufgeschüttet und daher billiger –, die den mittelalterlichen Mauern eine letzte Gnadenfrist gewährten, weil sie als stadtseitige Absperrung der modernen Werke dienen konnten. Die Kehrseite der Medaille zeigte sich in diesen Fällen im 19. Jahrhundert, als die meisten der überflüssig gewordenen Festungswerke geschleift wurden; da die in sie integrierten mittelalterlichen Reste kaum je in ihrer Eigenwertigkeit erkannt wurden, hat man sie in der Regel mitzerstört. Aber auch dort, wo strategisch weniger wichtige Städte keinen bastionären Ausbau erfahren hatten, wurden viele Mauern im 19. Jahrhundert zerstört. Nur gelegentlich ist damals belegbar, war aber fraglos weitverbreitet, dass die Mauern bei den Bürgern ein Gefühl des Eingesperrtseins erzeugt hatten. Es äußerte sich oft in der Form, dass die Tore vor allem als Verkehrshindernis bezeichnet und abgerissen wurden – wohlgemerkt lange vor dem Aufkommen des Autoverkehrs. Im Mittelalter war die Isolierung durch die Befestigungen als notwendiges Übel hingenommen worden und danach hatte sie noch lange 358 I. Systematischer Teil
die herrschaftliche Autorität geschützt, weil sie zumindest als Schutz vor Räubern oder als Akzisemauern nützlich waren. Nun aber, spätestens nach den Reformen der napoleonischen Zeit, entfielen auch diese letzten Argumente zur Erhaltung der Mauern, und so entstand endlich die Möglichkeit, die seit Langem störenden Barrieren niederzulegen und das Material anderswo zu verwenden bzw. gewinnbringend zu verkaufen. Die Gegenbewegung, deren Wurzeln anfangs in herrschenden Dynastien, dann aber vor allem im gebildeten Bürgertum der Zeit lagen, ließ jedoch in der Epoche rascher Entwicklungen, die das 19. Jahrhundert darstellte, nur wenige Jahrzehnte auf sich warten. Allererste Äußerungen, dass man in den nutzlos gewordenen mittelalterlichen Profanbauten auch schützenswerte Denkmäler einer bedeutsamen – zunächst vor allem national empfundenen – Vergangenheit sah, sind im späten 18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu notieren, wobei freilich staatlich organisierte Maßnahmen zu ihrem Schutz zunächst nur zögerlich umgesetzt wurden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als einerseits das Verschwinden der Stadtmauern längst einen erschreckenden Umfang erreicht hatte und andererseits das Aufblühen der industriellen Produktion auch Gelder für Erhaltungsmaßnahmen verfügbar machte, kam in Deutschland eine organisierte Denkmalpflege zum Tragen, die vielerorts wichtige Bauten bewahren konnte. Nicht vergessen darf man dabei freilich, dass gerade manche der besterhaltenen Mauern, etwa in Mittelfranken, ihr Überleben nicht so sehr einem hoch entwickelten kulturellen Bewusstsein verdanken, sondern vielmehr der Tatsache, dass die betreffenden Städte gerade in der Phase intensiver Zerstörungen den Anschluss an die industrielle Entwicklung zeitweise verpasst hatten; und, als sie diese Schwächephase dann überwunden hatten, war das Denkmalbewusstsein zum Glück bereits so weit entwickelt, dass ein Nachholen der Zerstörungen nicht mehr infrage kam. Dass, ganz im Gegensatz dazu, gerade die im 19./20. Jahrhundert wichtigsten Handels-, Residenz- und Industriestädte, die Metropolen der Neuzeit, kaum auf gepflegte mittelalterliche Bauten, sondern auf ganz andere Formen städ-
tebaulicher Repräsentation setzten, ist ebenfalls eine Wahrheit über die aufblühende bürgerliche Gesellschaft. Gerade dort, wo man durch Einebnung der Bastionen, Gräben, Vorwerke und des Glacis einen breiten Ring unbebauten Geländes rings um die Altstadt hatte gewinnen können – Wien und Köln sind berühmte Beispiele –, wurden gänzlich neue städtebauliche Strukturen geschaffen. Breite Boulevards oder Grüngürtel schufen in diesen Fällen die Möglichkeit, Bauten von politischer oder kultureller Bedeutung oder
auch nur aufwendig gestaltete Wohnhausfassa den gut sichtbar anzuordnen und damit dem alten, „engen“ Stadtkern ein betont modernes Bild entgegenzusetzen. Solche Ringstraßen oder Parks sind für den stadtgeschichtlich Interessierten bis heute unverkennbare Indizien, wo die Stadtbefestigungen einmal verliefen; dem weniger spezialisierten Bürger oder Besucher dürfte jedoch eher selten klar werden, was solche markanten städtebaulichen Situationen noch über die Geschichte der Stadt aussagen.
4. Die Stadtmauer als Symbol
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Thomas Biller
Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum Ein Handbuch
II. Topographischer Teil
Inhalt
Topographischer Teil
6
1. Österreichisches Alpenland 2. Österreichisches Voralpenland 3. Tirol 4. Schweiz und Vorarlberg 5. Elsass 6. Baden 7. Neckarland 8. Oberschwaben 9. Bayerisches Schwaben 10. Ober- und Niederbayern 11. Oberpfalz 12. Mittel- und Oberfranken 13. Unterfranken 14. Württembergisch Franken 15. Rheinisches Schiefergebirge 16. Pfalz, Saar, Luxemburg und Lothringen 17. Nördliches Rheinland 18. Westfalen 19. Südliches Niedersachsen 20. Hessen 21. Thüringen 22. Sachsen-Anhalt 23. Sachsen 24. Schlesien 25. Niedersachsen und Schleswig-Holstein 26. Brandenburg 27. Mecklenburg 28. Pommern 29. Deutschordensland Preußen
7 12 19 24 46 52 64 73 78 86 94 100 114 120 129 139 148 158 165 175 194 204 211 221 236 242 265 274 285
Literatur Glossar Heutige Namen mittelalterlicher Städte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland Register
292 329 336 338
Topographischer Teil Die Darstellung eines Bautypus und seiner Entwicklung ist davon abhängig, wie umfassend und detailliert die Vorarbeiten sind, auf die zurückgegriffen werden kann – der Idealfall wäre eine große Anzahl methodisch einheitlicher Monographien, die bereits regional zusammengefasst und ausgewertet wurden; in der Realität findet man allerdings nur für wenige Bautypen einen solch entwickelten Forschungsstand. Für das hier behandelte Thema, die mittelalterlichen Stadtbefestigungen, fehlen nicht nur monographische Darstellungen der meisten Städte – Ausnahmen bilden vor allem jene, deren Mauern besonders gut erhalten sind –, sondern auch fast alle Ansätze zu regionalen Zusammenfassungen (vgl. Band 1, Kapitel 1.1. und 1.2.). Allein von der Literatur her ist also bisher kein zuverlässiges Bild regionaler Entwicklungen zu gewinnen, geschweige denn ein brauchbarer Überblick für den gesamten deutschsprachigen Raum des Mittelalters. Daher musste ich für dieses Buch umfangreiche Bereisungen und Literaturrecherchen durchführen. Die Ergebnisse, die in den folgenden 29 Regionalkapiteln vorgelegt werden, können vertiefte Einzeluntersuchungen zwar nicht ersetzen, aber sie erst schufen für den systematischen Teil dieses Buches eine tragfähige Basis. Die Abgrenzung der Regionen in den folgenden Kapiteln orientiert sich im Prinzip an der politischen Gliederung der GeZur Abgrenzung genwart. Zu wandelbar waren der Regionen im Mittelalter die Grenzen, zu klein oft die Territorien, zu diskussionsbedürftig wäre die Frage, ob und inwieweit solche politischen Einheiten überhaupt die Verbreitung von bestimmten Mauerformen bestimmt haben. Beim gegenwärtigen Forschungsstand erschien es daher sinnvoller, das Material zunächst auf die heutigen Grenzen zu beziehen, um erst aus dieser Betrachtung heraus zu Erkenntnissen über eventuell anders begrenzte Regionalgruppen zu gelangen. Manche Kapitelüberschriften entsprechen jedoch nicht heutigen Bundesländern – oder ent6 Topographischer Teil
sprechenden Einheiten von Nachbarländern –, sondern sie orientieren sich ausnahmsweise an historischen Landschaften. Auch in diesem Fällen folgt die Abgrenzung aber in aller Regel heutigen politischen Grenzen, nur mussten kleinere Einheiten (Regierungsbezirke, Départements) zugrunde gelegt werden. Vor allem in den heute zu Polen gehörenden Gebieten musste auf historische Grenzen zurückgegriffen werden: das Deutschordensland und Brandenburg sind anhand ihrer mittelalterlichen Ausdehnung definiert, Schlesien als preußische Provinz. Lediglich zwei Grenzziehungen entsprechen nicht politischen Einheiten des 20./21. Jahrhunderts. Bei allen Randregionen des deutschen Sprachraumes spielt für ein Buch über „deutsche“ Stadtbefestigungen die historische Sprachgrenze eine entscheidende Rolle, die mitten durch heutige Staaten zieht. Und auch die in Art und Gestalt der Mauern deutlich gespiegelte Grenze zwischen Flachland und Mittelgebirge bildet in Nordwestdeutschland die Grenze zweier Kapitel, indem der städtereiche Süden des Landes Niedersachsen vom flachen Rest des Landes abgetrennt und dieser mit SchleswigHolstein zusammengefasst wurde. Die Niederlande werden in diesem Buch nicht mitbehandelt, obwohl sie unter sprachlichen und Bevölkerungsaspekten im Mittelalter durchaus zum deutschen Raum gerechnet werden können; diese Trennung hat sich aufgrund ihrer eigenständigen Geschichte weitgehend eingebürgert und wurde hier übernommen. Die Ausschließung von Böhmen und Mähren ist dagegen auch sprachlich bzw. ethnisch begründbar; wegen des starken Einflusses, den die Kultur dieses Raumes im 14./15. Jahrhundert auch nach Westen ausübte, sowie wegen der deutschsprachigen Städte in ihren Randbereichen – dem erst im 20. Jahrhundert so genannten Sudetenland – ist es jedoch bedauerlich, dass hier nicht auf zusammenfassende Literatur zum Thema zurückgegriffen werden konnte. Eigentlich sollte es nicht mehr der Erwähnung bedürfen, dass die Behandlung von Gebieten, die
heute zu anderen Ländern gehören, ausschließlich historisch begründet ist, nämlich in ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturraum des Mittelalters. Da aber nationales Anspruchsdenken leider noch immer nicht ganz ausgestorben ist, sei dies hier doch nochmals ausdrücklich angeführt. Der interne Aufbau der Regionalkapitel folgt grundsätzlich der Chronologie, das heißt den jeweils erkennRegeln für die Beschreibungen baren Entwicklungsphasen der Stadtbefestigungen; die einzelnen Bauteile werden also jeweils dem Teil des Kapitels zugeordnet, der die betreffende baugeschichtliche Phase behandelt. Wer ein Gesamtbild des heutigen Bestandes in einer bestimmten Stadt gewinnen will, sollte daher das ganze Kapitel lesen. Ich habe angestrebt, ausnahmslos alle
Städte mit noch kenntlichen Bauresten anzusprechen; Lücken sind natürlich dennoch nicht hundertprozentig zu vermeiden. Die aus Platzgründen knappen Beschreibungen der Bauten beziehen sich grundsätzlich immer auf einen theoretischen „Normalzustand“: – die Mauer besitzt keinen Zwinger, – der Graben besitzt keine gemauerte Contrescarpe und ist heute verfüllt, – die (Haupt-)Tore sind abgerissen, – die Brustwehr der Mauer und die Oberteile der Türme sind verändert oder fehlen gänzlich. Abweichungen von diesem sehr häufig anzutreffenden Zustand werden in der Regel angesprochen. Die behandelten Bauteile sind in der Regel erhalten, aber natürlich sind oft auch verschwundene Bauten von Interesse, was dann explizit formuliert wird.
1. Österreichisches Alpenland Im Alpenraum ist die landwirtschaftlich nutzbare Fläche in der Regel sehr begrenzt, was Anzahl und Größe der Siedlungen in weit engeren Grenzen hielt als insbesondere in den ausgedehnten Mittelgebirgszonen des deutschen Sprachraumes; bedeutende Siedlungen bzw. Städte in den Alpen verdankten ihr Aufblühen fast ausnahmslos dem Handel bzw. den Passstraßen. Dies gilt auch für den österreichischen Teil der Alpen – also die Bundesländer Salzburg, Kärnten und Steiermark – mit seiner geringen Städtedichte, auch wenn man die gelegentlich befestigten Märkte ohne Stadtrecht einbezieht. Die Städte sind klein und die Mauern mit ihrer Bruchstein-/Putztechnik und Quadern höchstens an Ecken wirken bescheiden. Wichtige Verkehrswege öffneten das Gebiet – das in der Steiermark ins südöstliche Flachland hineinreicht – vor allem nach Salzburg und in den nordalpinen Raum, andererseits über den Mitte des 12. Jahrhunderts eröffneten Semmering auch gegen Niederösterreich und Wien. Im Spätmittelalter blieb die lange währende ungarische und türkische Bedrohung sowie auch die Nähe Italiens mit seiner fortschrittlichen Befestigungsarchitektur nicht ohne Wirkung.
Die wissenschaftliche Erfassung der Stadtbefestigungen ist in Österreich von Bundesland zu Bundesland recht unterschiedlich; während für Kärnten neuere Übersichten vorliegen, insbesondere in der jüngsten „Dehio“-Ausgabe (2001) und in den etwas älteren Bänden der sogenannten Birkenverlags-Reihe (Burgen und Schlösser in/um ...), ist der Wissensstand in der Steiermark deutlich lückenhafter. Salzburg, als Erzbischofssitz für den größten Teil der Region zuständig, blieb nicht nur durch Fels und Fluss, sondern auch als bürgerliches Gemeinwesen Mauern des 13. Jahrhunderts durch den Stadtherrn eingeengt. Ob seine Mauern, die erst aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammten, anderswo vorbildhaft wurden, wissen wir nicht; ihre verbauten Reste sind stark durch Modernisierungen ab 1620 geprägt. Die Mauern von Graz wurden 1265/67 zuerst erwähnt und im 14. Jahrhundert offenbar erweitert; es sind nur geringe Reste aus Bruchstein erhalten. Im salzburgischen Friesach in Kärnten lagen schon vom 10. bis 12. Jahrhundert zwei Märkte unter der Burg Petersberg; ihre weit gedehnte, einfache Ummauerung entstand bereits um 1200 und 1. Österreichisches Alpenland
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Abb. 273 Friesach (Kärnten), Plan der Altstadt. Die äußere Mauer entstand um 1200, die Verkleinerung durch Errichtung der inneren Mauer begann in der 2. Hälfte des 13. Jh. (Österr. Kunsttopographie, Bd. LI, 1991).
wurde gegen Mitte des 13. Jahrhunderts erweitert (Abb. 273). Sankt Veit an der Glan, Kärntens Hauptstadt bis 1518 (Abb. 274), wurde unter Herzog Bernhard von Spanheim (Regierungszeit 1202–1256) rechteckig ummauert („civitas“ 1224), mit Türmen lediglich über den beiden Toren und in der Burg; deren Bergfried ist zugleich Eckturm der Stadt. Die weitgehend erhaltene, schon 1228 erwähnte Mauer – nur die Tore fehlen – erhebt sich
mit Zinnen fast 8 m aus dem Graben. Man darf hier wohl den Einfluss der (größeren und turmreicheren) Rechteckanlagen des Wiener Raumes sehen, deren Konzept auf die geringeren Möglichkeiten des Gebirges reduziert bzw. mit der Form des Straßenmarktes verbunden wurde. Das 1273 als befestigter Markt erwähnte Gmünd (Abb. 275) war in seiner Urform ein verkleinertes Ebenbild von St. Veit, sicher noch ohne Tortürme (die bestehenden sind weitgehend aus dem 15.–
Abb. 274 St. Veit an der Glan, Ansicht im 17. Jh. Die innere, turmarme Mauer der Rechteckanlage geht in die 1. Hälfte des 13. Jh. zurück (Matthäus Merian, Topographia Provinciarum Austriacarum, 1656; Ausschnitt).
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17. Jahrhundert); nach der 1292 belegten Stadterhebung entstand um 1320–60 eine Norderweiterung mit der Burg, deren Ummauerung erhalten ist. Von der 1233 erwähnten, ebenfalls zweitorigen Mauer von Villach blieb fast nichts, auch kaum etwas in Völkermarkt (1252 als Stadt erweitert). Wenig findet man noch von der rechteckigen Ummauerung in Sankt Andrä im Lavanttal, das immerhin ab 1228 Bistumssitz war; ein rundbogiges Mauertor mit Kämpfern mag man für romanisch halten. Voitsberg ist ein schwieriger Fall: Schon vor der Mitte des 13. Jahrhunderts oft, dann stets als Stadt bezeichnet, besitzt es Mauerzüge, die nur im Sinne einer spätmittelalterlichen Verkleinerung der Mauern zu deuten sind – ein fast einzigartiger Fall. Die beiden äußeren Flügelmauern zur Burg, als besterhaltene Teile der älteren (?) Mauer, zeigen noch fünf rechteckige Schalentürme – des mittleren 13. Jahrhunderts? Auch die 1259 erwähnten Mauern der relativ frühen, an eine große Hochadelsburg anschließenden Stadt Judenburg werden noch in die erste Jahrhunderthälfte gehört haben. Erhalten sind nur formlose Partien mit einem verbauten Rechteckturm; weitere Türme sind belegbar, der Zwinger gehört vielleicht auch noch ins 13. Jahrhundert. Die wohlerhaltenen Mauern von Friesach (Abb. 273), der damals noch wichtigsten Stadt Kärntens, entstanden als Verkleinerung der schon befestigten Stadt ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und bis ins 14. Jahrhundert hinein; das Stadtsiegel von 1261 mag sie schon abbilden. Bergseitig durch die Verbindung der Burgen und das viertürmige Werk des „Rotenturms“ verstärkt, bildet die Mauer talseitig ein klares Trapez; nur teilweise auf einem Wall stehend (Hochwasser), erreicht sie hier mit den meist erhaltenen Zinnen – wohl erst des 15. Jahrhunderts – bis zu 10 m Höhe (Abb. 174). Der Wehrgang kragt innen leicht vor, ruht aber an der Ostecke teilweise auf mauerhohen Bögen – was regional nur in Stein (Niederösterreich) nochmals auftritt. Die drei Haupttore waren quadratische, außen kaum vorspringende Türme; vier weitere, außen fluchtende Türme gleicher Form sind in Resten erkenn- oder belegbar, einer schräg gestellt an der Ostecke (die Nordecke ist verändert); die Turmstellungen erinnern an die ab etwa 1200 erbau-
Abb. 275 Gmünd in Kärnten, Baualterplan. Die auch hier annähernd rechteckige Ummauerung des 13. Jh., typisch für viele kleine Alpenstädte, wurde im 14. Jh. bergseitig gegen Norden erweitert (R. Woldron/Chr. Wolfgang, unveröff. Gutachten).
ten in Wiener Neustadt (vgl. 2. Österreichische Voralpenländer). Ein Nebentor („Sacktor“) war anfangs ein einfacher, spitzbogiger Durchlass, erst im 15. Jahrhundert zum Torbau erweitert. Der teils noch gezinnte, aber turmlose Zwinger gegen das flache Vorgelände – östlich mit gefüttertem Wassergraben (Abb. 83) – wird ins späte 15. Jahrhundert gesetzt, könnte aber durchaus älter sein (14. Jahrhundert?). Die rechteckige Neugründung (1261–80) von Leoben durch Ottokar II. – in einer gesicherten Flussschlinge neben der Burg und dem Dorf – verweist ein weiteres Mal auf niederösterreichische Vorbilder (Wiener Neustadt, Laa an der Thaya). Auch hier gab es quadratische Türme an oder nahe den Ecken und über den Toren; erhalten ist nur ein für Feuerwaffen umgebauter Eckturm („Freimannsturm“) und ein 1512/1616 überformter Torturm („Mautturm“) mit Fallgatterblende. Das nahe Bruck an der Mur entstand gleichzeitig (ab 1263) und zeigt dasselbe Rechteckschema; auch hier besitzt nur der „Uhrturm“ 1. Österreichisches Alpenland
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Abb. 276 Radstadt, Plan der Altstadt. Radstadt ist eine weitere angenähert rechteckige Anlage mit ursprünglich offenbar turmloser Mauer, hier wohl aus dem späten 13. Jh. (Dehio Salzburg).
noch einen Unterbau mit Rundbogentoren, der so alt sein könnte. Radkersburg, eine weitere, grenznahe Gründung Ottokars II. (um 1261–65), jedoch im Flachland, besitzt noch zwei voluminöse, aber verbaute Rechtecktürme (der Kirchturm zeigt sekundäre Schießscharten). Ursprünglich gab es zehn Türme, die von Ministerialen bewohnt waren; diese bildeten mit den Bürgern die 1280/95 belegte „Burghut“. Ganz ähnlich waren in Fürstenfeld ritterliche Wohntürme in die Abb. 277 Murau (Steiermark), das „Friesacher Tor“, eines der beiden erhaltenen der Stadt, entstand wohl um 1300 (Stadtrecht 1298) und ist ein Beispiel für einen bescheidenen Torbau im Alpenraum.
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Mauer einbezogen; erhalten ist ein verbauter Rest mit Eckbuckelquadern. Die bisher genannten Städte, bis zum dritten Viertel des 13. Jahrhunderts gegründet und ummauert, lagen im verkehrsgünstigen Teil Kärntens und der Steiermark, das heißt im Gebirgsvorland oder den Becken und Tälern des Gebirgsrandes – im Alpeninneren beginnt die Entwicklung erst Ende des 13. Jahrhunderts, vor allem entlang der wichtigen Tauernstraße nach Salzburg; das bereits genannte Gmünd mit seinen 1273 erwähnten Marktmauern war hier der Vorläufer. Auch das um 1270/86 entstandene Radstadt ist eine rechteckige Plangründung mit der Burg in einer Ecklage und Türmen nur über den zwei Toren; die Mauern sind gut erhalten (Abb. 276). Das ebenfalls salzburgische Hallein entstand dagegen mehrstufig ab dem späten 12. Jahrhundert; eine ältere Wallgrabenbefestigung wird bis ins 15. Jahrhundert genannt, 1293 dann die in Resten erhaltene, unregelmäßig geführte Mauer. Der Markt unter Burg Mu- Mauern des 14. und 15. Jahrhunderts rau, erst nach 1298 ummauert, wurde schon 1311–33 durch die Befestigung des „Neumarktes“ auf dem anderen Murufer ergänzt. Die Haupttore beider Teile waren vorspringende Bauten mit nur einem Obergeschoss (das „Friesacher Tor“ ist erhalten; Abb. 277), das untergeordnete „Gissübeltor“ war ein Rundbogentor neben einem Rechteckturm. Die Mauertürme des „Neumarktes“ sind rechteckige Schalen, an der Südwestecke steht ein trapezoider Vollturm; zusammen mit seiner
Mauer(?) entstand auch eine zweite Burg. Die geschlossen erhaltene Mauer des nahen Oberwölz, 1298–1315/17 entstanden (Abb. 278), zeigt noch drei (gekappte) Tortürme und einen bergfriedartigen Eckturm im Hof des Klosters Admont; er ist nach einer (bewohnenden?) Adelsfamilie benannt (drei weitere, vorspringende und schartenreiche Türme, zwei davon rund, dürften jünger sein). Spätestens um 1300 werden kleinere Städte und Märkte im Gebirge ummauert: St. Leonhard/ Lavant (1325 Stadtrecht, Mauer wohl noch 13. Jahrhundert), Rottenmann und Schladming (1320 bzw. 1322 Stadtrecht), Neumarkt (Mauer 1360 erweitert) und Bleiburg (1361 „stat“). Zwei Reliefspolien (Bischof, Löwe) in dem 1346 „civitas“ genannten Straßburg in Kärnten können die Mauern insgesamt – mit einem Spitzbogentor unter der Burg – nicht in die Romanik zurückdatieren. Die meist nur noch lückenhaften Mauern dieser Kleinstädte besaßen wohl nur Torbauten oder Mauertore und höchstens wenige Türme. Schon im späten 15. Jahrhundert, im Zeichen der Türkenkriege, bildeten einige Neubefestigungen den Abschluss der Entwicklung. Die aufwendigste Anlage ist die 1487/88 als Ausbau einer älteren Mauer entstandene „Bürgerwehr“ von
Salzburg, die den für die Stadt bedrohlichen, überragenden „Mönchsberg“ absperrte (Abb. 279). Die hohe Sperrmauer mit sechs Rechtecktürmen – wohl erst im 17. Jahrhundert durch einen Zwinger verstärkt – lässt ihre späte Ausgestaltung dabei fast nur durch ihre Schartenformen erkennen. Ähnlich findet man in dem 1478–85 befestigten Mürzzuschlag drei ganz konservative Rechtecktürme mit Schlitz- und Schlüsselscharten und auch in Wolfsberg – der quadratische „Reckturm“ mag mit der ersten Mauer aus dem 13. Jahrhundert stammen – entstand die Vorstadtmauer mit „sägeblattförmigem“ Tracé und tief sitzenden Schlüsselscharten kaum vor 1500. Geringe Reste dieser Zeit findet man in Oberdrauburg und Sachsenburg, während in Kindberg 1479 nur „Zaun und Graben“ geplant wurden. Im steirischen Alpenvorland führte die Türkenangst noch im 16./17. Jahrhundert zur Befestigung selbst kleiner Orte. Stadttore sind in den österreichischen Alpen kaum erhalten (Abb. 277). Nach den Bildquellen waren Tor- und Turmformen, Zwinger quadratische Tortürme oder Torbauten üblich, aber auch einfache Mauertore. In der vor 1265/67 erbauten Mauer von Graz gab es neben Tortürmen auch
Abb. 278 Oberwölz (Steiermark), Plan der Altstadt. Ein weiteres Beispiel einer anfangs turmarmen Mauer – drei Tortürme, ein weiterer Turm – hier über unregelmäßigem Grundriss, die erst im Spätmittelalter durch drei kleine Türme und ein Vortor verstärkt wurde (Th. Biller nach Österreich. Kunsttopographie, Oberwölz, 1973).
Abb. 279 Salzburg, die „Bürgerwehr“ riegelte den Südteil des die Altstadt beherrschenden, seitlich durch Felswände unzu gänglichen Mönchsberges ab. Sie stammt im Kern aus dem 13. Jh., erhielt aber die heutige Gestalt mit Türmen erst im 15. Jh.
1. Österreichisches Alpenland
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Durchlässe mit Türmen daneben; die Vorbilder mag man wieder in Wien und Umgebung suchen. Die Tortürme von St. Veit entstanden wohl noch vor 1250 (schon in heutiger Höhe?); die etwas jüngeren in Friesach, Bruck an der Mur, Radstadt und Oberwölz wurden später gekürzt. Erst ins 16./17. Jahrhundert gehören die Tortürme in Gmünd und Leoben, jedenfalls im letzteren Falle wohl mit älterem Kern (der Torturm von Stift Göß bei Leoben, „1482“, sei als Vergleich erwähnt). Bescheidenere Torbauten, die gewiss häufig waren, sind in Gmünd („Pancrazitor“ von „1488“), Murau und Rottenmann erhalten geblieben: vor die Mauer springende Bauten mit nur einem Geschoss über der Torfahrt. Das Erstere ist sekundär vor ein schlichtes Mauertor gesetzt, wie auch das „Sacktor“ in Friesach, die Letzteren könnten es sein. Kaum veränderte Mauertore findet man noch in Sankt Andrä, Schladming und Neumarkt; im letzteren Falle lag das Tor in einem 80 cm tiefen, abgeschrägten „Risaliten“. Die Mauertürme sind auch in Kärnten und Steiermark bis Mitte des 14. Jahrhunderts quadratisch (Leoben, Wolfsberg, Oberwölz, Judenburg); Schalentürme sind selten (Murau um 1300, Voitsberg Mitte des 13. Jahrhunderts?). Insgesamt sind wenige Türme der Zeit vor etwa 1450 erhalten und der lückenhafte Zustand der Mauern lässt die Turmarmut der Frühzeit mehr ahnen als erkennen. Im 14. Jahrhundert mögen auch schon gerundete Turmformen aufgekom-
men sein, aber die Befunde sind unsicher: die Neumarkter Türme sind umgebaut und verputzt, ähnlich der „Wasserturm“ in Bruck an der Mur, ein Schalenturmrest in Schladming zeigt eine Schlüsselscharte. So herrschte letztlich erst im 15./16. Jahrhundert Klarheit, als vielerorts halbrunde oder polygonale Türme mit Feuerwaffenscharten vor die Mauern gesetzt wurden: Gute Beispiele sind erhalten in Voitsberg, Bruck, Hartberg („Schölbingerturm“ und andere), Judenburg, Knittelfeld, St. Leonhard/Lavant und Bleiburg (wohl 1479 ff.). Eigentliche Kanonentürme bzw. Rondelle entstanden in St. Veit (1531–34, eines von dreien erhalten), Radstadt (eines von dreien „1533“) und Völkermarkt. Der kräftige Anzug unter dem Kordongesims deutet auf italienischen Einfluss, der ab den 1530er/40er Jahren, unter der Türkengefahr, auch die großen, nicht mehr mittelalterlichen Bastionärfestungen prägte (Klagenfurt, Graz, Radkersburg, Feldbach); ihr kleiner Abkömmling war ein bastionsförmiger Turm in Völkermarkt (Reste). Umlaufende Zwinger – ein Torzwinger der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist in Oberwölz erhalten – blieben im österreichischen Alpenraum auf wichtige Städte beschränkt. Ins 14. Jahrhundert könnte höchstens Friesach gehören, von den übrigen, eindeutig spätmittelalterlichen Zwingern sind keine oder nur sehr reduzierte Reste erhalten (St. Veit, Gmünd, Villach, Völkermarkt, Judenburg, Leoben; Bruck, Flussseite).
2. Österreichisches Voralpenland Das im nördlichen und östlichen Voralpenland liegende eigentliche Österreich – Ober- und Niederösterreich mit dem heute selbstständigen Wien und dem hier mitbehandelten, lange Zeit ungarischen Burgenland – gehörte zu den reichsten mittelalterlichen Städtelandschaften des deutschen Raumes. Römische Kastelle und Städte an der Donau bzw. im Voralpenland wurden zu Ansatzpunkten von Städten und ihren MauMauern des späten ern (Eferding, Linz, Mautern, 12. bis mittleren Pöchlarn, Tulln, Wels, Wien). 13. Jahrhunderts Ihre Bauformen – in Trais12 Topographischer Teil
mauer überlebten ein Hufeisenturm und ein (1517 restauriertes) Doppelturmtor (Abb. 280) bis heute – blieben aber ohne erkennbare Wirkung auf die mittelalterlichen Anlagen. Das frühe Handelszentrum Linz erhielt seine Mauer nach neueren Ausgrabungen wohl Mitte des 13. Jahrhunderts; nicht mehr greifbar sind die ältesten Mauern der vergleichbar frühen Zentren Krems (1125 civitas, 1136 oppidum) und Stein. Wien erhielt wohl ab etwa 1219 – eine andere bis heute vorgetragene Meinung setzt den Baubeginn schon in die 1190er Jahre, was mit den Spitzbogendurchfahrten einiger Tortürme aber
Abb. 280 Traismauer, die beiden Rundtürme des Osttores stammen im Kern noch von einem spätantiken Kastell. Der Torturm ist jedoch mittelalterlich, die heutige Form erhielt das Tor wohl im 16. Jh. (1517?).
Abb. 281 Wien, der Stumpf des „Werdertores“, wie er bei der Abtragung der Bastionärbefestigung (bis 1875) kurz wieder sichtbar wurde; der Spitzbogen deutet auf Entstehung des Turmes kaum vor dem mittleren 13. Jh. (Österr. Zeitschr. f. Kunst u. Denkmalpflege LXIV, 2010).
schlecht korrespondiert – einen der ausgedehntesten Mauerringe der Epoche (3,5 km), den wir aber fast nur noch aus Abbildungen kennen. Seine Merkmale, darunter auch Buckelquadermauerwerk zumindest an den Toren (Abb. 281), spiegeln sich wohl bei mehreren Mauern, die in der ersten Jahrhunderthälfte entstanden; an einigen von ihnen hängt die allerdings erst in spätmittelalterlichen Chroniken überlieferte Angabe, sie seien aus dem 1194 gezahlten Lösegeld Richards I. von England finanziert worden. Quadratische Türme, als echte Tortürme, aber auch neben den Toren, findet man etwa in Bruck an der Leitha und den ältesten Teilen, vor allem dem „Ungartor“ (um 1225/40, umgebaut nach 1260) in Hainburg (Abb. 282), ferner im oberösterreichischen Enns, das 1212 das früheste erhaltene Stadtrecht Österreichs erhielt. Die Nordfront von Bruck besitzt auch Schalentürme wohl gleich früher Zeit. Die Mauer von Wels, um 1220(?), besitzt abgerundete Ecken; (undatierbare) Türme gab es nur über den vier Toren. Die Rechteckanlagen Laa an der Thaya und Wiener Neustadt (Abb. 283) verfügten über diagonal gestellte, quadratische Eck- und über Tortürme; in Wiener Neustadt besaßen sie Eckbuckelquader, die man auch, eventuell als Spolien aus Lauriacum, in Enns findet. Vermauerte Zinnen und romanische Doppelfenster in der Neustädter Westmauer zeugen von frühen Anbauten (Abb. 202, 284). Quadratische Türme kennzeichnen auch die frühen
Phasen in Krems und Stein (wohl noch 13. Jahrhundert). Für die meisten dieser Mauern ist ein unsystematisches „Fischgrätmauerwerk“ charakteristisch, das als spätromanisches Merkmal gelten darf. An der Mauer der Grenzstadt Hainburg – in Form und Erhaltung eine der wichtigen des deutschen Raumes – ging man während der ersten Bauzeit – wohl um 1215/35 – zu originellen Experimenten über. Aus übereck gestellten quadratischen Türmen, die an Bergfriede erinnern, wurden echte Fünfecktürme entwickelt, und an der Donau steht ein Achteckturm mit romanischen Biforien; auch der Zwinger dürfte aufgrund seines Mauerwerks noch romanisch sein (Ronald Woldron; Abb. 173). Das „Wienertor“, ein (ab 1265 erhöhtes) Doppelturmtor in Buckelquadern (Abb. 151), spiegelt – als einziges seiner Art und Zeit in Österreich – direkten französischen Einfluss; seine Entstehungszeit ist unklar, auch weil dendrochronologische Ergebnisse nicht erzielbar waren. Raimund Rhomberg und Ronald Woldron datieren vorsichtig „um 1225/ 65“, manches spricht für die Entstehung um 1240/44. „Dehio“ nannte es zu Recht „eines der künstlerisch wertvollsten Stadttore des deutschen Kulturbereiches“. Doppelturmtore und lange Schlitzscharten sind spätestens ab dem Louvre (um 1190–1202) bzw. dem Burgenbau König Philippes II. in Frankreich üblich, Buckelquaderflächen allerdings erst in der zweiten 2. Österreichisches Voralpenland
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Abb. 282 Hainburg, die Feldseite des „Ungartors“ zeigt noch deutlich, dass es sich ursprünglich um einen mit Zinnen versehenen Torbau handelte, der von einem quadratischen Turm flankiert wurde. Der ältere Bau ist gekennzeichnet (R. Woldron).
Hälfte des 13. Jahrhunderts (etwa Aigues-Mortes ab 1249 und viele andere). Die Buckelquader mögen allerdings schon früher aus dem Südwestdeutschen nach Österreich gekommen sein, wo
Abb. 283 Wiener Neustadt, Stadtplan mit den rekonstruierten romanischen Befestigungen; die Türme sind der Deutlichkeit halber etwas vergrößert dargestellt. Dunkel: um 1192/1200; heller um 1200/1240, wohl um 1230/1240 (R. Woldron).
14 Topographischer Teil
sie überwiegend im niederösterreichischen Raum auftreten (so Patrick Schicht bezüglich des Burgenbaues der Region). In Marchegg, der wichtigsten Gründung Ottokars II. (1268), wurden kaum mehr als Burg und Mauer realisiert. Die lange Mauer (3,3 km) besaß nur drei Türme neben den rechteckig vorspringenden Torbauten – neben dem Hainburger „Wienertor“ die einzigen Rundtürme der Epoche und Region; ihre Reste zeigen Maßwerkfenster und Sitznischen (Abb. 285). Am anderen Grenzfluss Österreichs – im bis 1809 bayrischen Innviertel – wurde Braunau 1260 gegen Ottokar gegründet und wohl sofort mit jener Nagelfluhmauer hinter einem tiefem Graben umgeben, von der neben verbauten Partien noch ein wuchtiger Torturm steht. Andere Ausgangsbedingungen als das flache Voralpenland bot die Südseite des Böhmerwaldes, der in Oberösterreich bis an die Donau reicht und weiter östlich dem ausgedehnten „Waldviertel“ Platz bietet. Erst im 12./13. Jahrhundert begann die Erschließung der Region durch Adel und Zisterzienser, in einer zweiten Phase auch durch die Neuanlage von Städten in meist wehrhafter Höhenlage. Hier, wo der Urzustand der fast immer in Granit errichteten Mauern oft noch gut erkennbar ist, waren (quadratische) Türme im 13. Jahrhundert sehr selten. Außer Eggenburg (1277 Steuerbefreiungen zum Mauerbau; ursprünglich drei Tortürme und ein Eckturm) verfügte wohl nur Drosendorf an der Mauern des späten 13. und 14. Jahrhunderts Thaya über Türme, nämnördlich der Donau lich an dem originellen „Horner Tor“ mit zwei flankierenden bergfriedartigen Türmen mit spitzbogiger Bifora, Kamin und Mauertreppen (Abb. 286); sie wurden wohl um 1260–90 der einige Jahrzehnte älteren Mauer hinzugefügt. In der fast lückenlosen Mauer von Weitra (1292 erweitert) ist nur ein einziger (Schalen-?) Turm zu finden. Alle Türme in Zwettl sind erst ins 15. Jahrhundert zu setzen, sodass man sich den ursprünglichen (1229 erwähnten) Mauerring turmlos denken darf. Entsprechendes gilt für Waidhofen an der Thaya mit einer Mauer um 1300 (wohl vor 1337) und, südlich der Donau, für die erste Mauer von Waidhofen an der Ybbs – vor einer 1273 belegten Erweiterung –, die noch
Reste eines Torbaues(?) aufweist. Spätere Beispiele der gleichen Turmarmut waren wohl auch die Mauern von Retz (nach 1278 gegründet, nur zwei Tortürme; Abb. 287), Horn (1304 erweitert, wohl zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts), Litschau (1369/83) und Gmünd (14. Jahrhundert?). Auch die Befestigung von Freistadt besaß ursprünglich nur Mauertore und wenige Türme; ein mit der Mauer im Verband stehender runder Eckturm unterstreicht die archivalische Spätdatierung 1363–96. In all diesen Fällen lässt die Zerstörung oder späte Erneuerung der Tore die Frage offen, ob nicht auch diese ursprünglich turmlos waren. Es wird wohl auch einfache Mauertore wie eben das Tor in Drosendorf gegeben haben, bevor es durch die symmetrischen Türme akzentuiert wurde. Die wenigen erhaltenen Tortürme und -bauten datieren relativ spät: In Retz gehören die beiden Tortürme (einer gekappt) immerhin ins späte 13. Jahrhundert (einer 1298d), ein ehemaliger Schalenturm in Litschau und die überformten Tortürme in Dürnstein, Stein („Kremser Tor“) und Waidhofen an der Ybbs entstanden wohl im 14. Jahrhundert. Die Mehrheit datierbarer Tortürme gehört erst ins 15. Jahrhundert, etwa die bescheidenen in Scheibbs (vor 1430) und Schrattenthal (1430er Jahre). „1477“ bzw. 1477–„1480“ leisteten sich Stein und Krems neue Westtore, Stein in voluminöser Breite, Krems durch zwei Zwingertürmchen zur Dreiturmgruppe weiterentwickelt (Abb. 288), und Weitra erhielt noch 1526 einen neuen Torturm. Besonders aussagefähig für die Entwicklung sind die beiden Tore (wohl 1482–85) von Freistadt: Am Linzertor blieb das Mauertor des 14. Jahrhunderts noch hinter dem schräg auf den Zwinger gesetzten Torturm erhalten. Auch die zahlreichen Türme, deren Anbau die anfangs turmarmen Mauern verstärken sollte, entstanden überwiegend im 15. Jahrhundert; unter ihnen fehlen die sonst so üblichen Schalentürme fast völlig (Dürnstein, um 1300?). „Kanzlerturm“, „Wahrsagerturm“ und „Holturm“ in Eggenburg (frühes 15. Jahrhundert/vor 1430; Abb. 289) sind bewohnbare Übergangsformen zum Kanonenrondell, und auch die polygonalen, runTürme, Zwinger und Mauern des den und „bastionär“ zuge15. Jahrhunderts spitzten Türme in Zwettl ge-
Abb. 284 Wiener Neustadt, eine Partie der westlichen Stadtmauer mit Zinnen (weiß markiert), die bei einer Erhöhung vermauert wurden.
hören in eine experimentelle, durch die Feuerwaffen ausgelöste Phase, ebenso wie die vergleichbaren in Waidhofen an der Thaya (um 1430–90) und ein Eckturm in Steyr. Um 1460–90
Abb. 285 Marchegg, der 1877 veröffentlichte Stich verdeutlicht besser als der heutige, verbaute Zustand, wie der nach 1268 erbaute Torbau des „Ungartors“ in der Durchfahrt mit Blendarkaden geschmückt und durch den danebenstehenden Rundturm mit dem stadtseitigen Maßwerkfenster gesichert war (K. Lind, in: Mittheil. der k.k. Central-Commission ..., 1877).
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Abb. 286 Drosendorf, das um 1260–90 entstandene „Horner Tor“, eine ungewöhnliche Variante eines Doppelturmtores. Heutiger Zustand und Grundriss (R. Woldron/R. Rhomberg, Drosendorf, 2007).
datiert Ronald Woldron die relativ hohen Hufeisentürme in Horn, die später durch Zierzinnen in Backstein bereichert wurden. In Krems ist das wuchtige Rondell des „Pulverturms“ 1477, in Pöchlarn mindestens ein nach wie vor recht ho-
Abb. 287 Retz, Grundrisse des „Znaimer Tors“. Der Turm von etwa 1290/1300 wurde im 14. Jh. und um 1460–1530 modernisiert (Gutachten Woldron/Wolfgang).
16 Topographischer Teil
her Rundturm „1489“ entstanden; ein ergrabenes Rondell in Linz ist ähnlich einzuordnen. Ein originelles, achtförmiges Bollwerk in Klosterneuburg (1531) war schon eher flach, und ähnlich alt war wohl eine teilweise erhaltene, große Barbakane in Wiener Neustadt. Die umlaufenden Zwinger zeigen in Niederösterreich zwei verschiedene Ausprägungen, die man entwicklungsgeschichtlich deuten möchte, wobei aber die reduzierte Erhaltung enge Datierungen verbietet. Vor allem gilt dies für die turmlosen Zwinger (Bruck an der Leitha, Waidhofen an der Thaya, Retz, Wiener Neustadt, Wien?), die teils bis ins 13. Jahrhundert zurückgehen mögen; in Wiener Neustadt gab es zudem turmartige Vortore mit noch gotischen Formen. Von solch einfachen Zwingern sticht eine zweite Gruppe ab, die mit ihren runden oder polygonalen Streichwehren, ihren Schlüssel- und anderen Feuerwaffenscharten fraglos ins 15./16. Jahrhundert gehört (Weitra, 1426 erweitert; „Haberfelderturm“ Retz 1450d; Drosendorf um 1460–90; Horn um 1480/1540, Eggenburg, Krems, Ybbs und andere). Der Zwinger in Freistadt mit mehreren wohlerhaltenen Rundtürmen/Rondellen entstand mitsamt den Tortürmen wohl im Wesentlichen nach 1465, als hier eine wichtige Messe begründet wurde; er definiert heute die sehenswerteste Mauer in Oberösterreich (Abb. 290). Manche Dörfer und Märkte erhielten überhaupt erst in dieser Spätzeit Mauern; etliche von ihnen sind gut erhalten und zeigen neuartige, den Zwingern verwandte Merkmale. Scheibbs (vor 1430) und Melk (vor 1462) besitzen noch echte, wenn auch kleine und meist runde Türme. In Groß-Enzersdorf aber, ab 1396 ummauert (Bauinschrift von 1409), überragen die wenigen „Türme“ und Schalen nicht mehr die gezinnte Mauer, vor der Berme und Spitzgraben liegen (Abb. 291). Zuletzt reduzierte man ein solches Konzept auf eine 3 m hohe Brustwehr mit zahlreichen Schlüsselscharten, die mit runden Schalen versehen und gelegentlich auf einen kleinen Wall gesetzt wurde (Herzogenburg ab 1477, Traismauer in Backstein 1517, Wilhelmsburg und Raabs 16. Jahrhundert?). Derartiges, wie die Holz-Erde-Befestigung der Wiener Vorstädte (ab 1439; Abb. 18), nützte gegen die Artillerie eines Heeres wenig – in Wien riss man entsprechend
Abb. 288 Krems, das „Steiner Tor“ ist „1480“ datiert und bildet mit den beiden angefügten, vermutlich gleichzeitigen Rondellen bzw. Zwingertürmchen eine markante Baugruppe gegen die nahe Nachbarstadt Stein; der Aufbau entstand erst im späten 18. Jh. (R. Woldron).
Abb. 289 Eggenburg, der „Wahrsagerturm“ ist eines von mehreren frühen Rondellen der Stadt, vermutlich um 1430 entstanden.
vor der Belagerung 1529 die gesamten Vorstädte ab –, wohl aber gegen marodierende Söldner. Wie damals eine stärkere Anlage aussah, belegt das in den 1430er Jahren ausgebaute Schrattenthal, wo die Stadtmauer mit kanonenbewehrten Rondellen und hohem Vorwall an die große und starke Burg anschließt. In Oberösterreich ist Schärding am Inn bemerkenswert: Eine Inschrifttafel (Abb. 292) in der Pfarrkirche dokumentiert die Errichtung von zumindest weiten Teilen der Burg und Stadtbefestigung („der stat zwinger“, „der stat graben prechen und graben lassen“) durch Herzog Ludwig von Bayern ab 1429 „in acht jarn“. Dieser Phase darf man den wohlerhaltenen Zwinger mit etlichen schlüsselschartenbewehrten Rondellen zuweisen, auch das Doppelturmtor vor dem „Linzer Tor“ (vgl. Neuötting, Oberbayern); die total verbaute Hauptmauer wird wohl gleichzeitig entstanden sein. Um das 1635 erbaute Kartäuserkloster errichtete man noch eine Art Vorstadtmauer mit zwei kleinen Rondellen.
Abb. 290 Freistadt, der „Dechanthofturm“ ist ein Eckturm des Zwingers, der ab 1465 angelegt wurde (Tyssil).
2. Österreichisches Voralpenland
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Abb. 291 Groß-Enzersdorf wurde ab 1396 ummauert, mit einer Bauinschrift von 1409. Die wenigen „Türme“ und Schalen überragen die gezinnte Mauer nicht mehr.
Mitte des 15. Jahrhunderts – wohl nach einer Hussitenplünderung 1427 – wurde der Markt Haslach im Böhmerwald ummauert. Neben eiAbb. 292 Schärding am Inn, die Inschrifttafel in der Turmhalle der Pfarrkirche benennt Arbeiten an Türmen, Toren, Zwingern und am Graben der Stadt, die Herzog Ludwig VII., „der Gebartete“, von Bayern (1313–47) ab 1428 ausführen ließ.
18 Topographischer Teil
nem bescheidenen Torturm blieben zwei Rondelle erhalten – und ein wuchtiger, quadratischer „Campanile“, wohl der letzte Rückzugsort der Bürger; alle Teile zeigen Schlüsselscharten. Die beiden Tore des kleinen Vöcklabruck, einzige Reste der Mauer wohl des 15. Jahrhunderts, zeigen jüngst restaurierte Bemalungen aus der Zeit Maximilians I. (1502/03): am „Unteren Turm“ den Kaiser und den Doppeladler, umgeben von den Wappen der burgundischen bzw. der österreichischen Lande, am anderen das Stadtwappen und wiederum die österreichischen Erblande (Abb. 122). Geringere Reste von Befestigungen des 15. Jahrhunderts findet man in der völlig verbauten äußeren Mauer von Braunau, in der kleinen Burgstadt Steyregg bei Linz (Torturm) und in Ried (zwei verbaute Tore). Das kleine, aber durch den Salzhandel reiche Gmunden am Traunsee besaß eine relativ turmreiche, auch mit einem Zwinger versehene Mauer, wohl um 1460 angelegt; erhalten ist nur ein runder Eckturm. Als Nachklänge sind die Renaissancetore in Steyr zu erwähnen – das „Neutor“ als progressives Festungs- und Brückentor (1573) und der traditionellere Turm des „Schnallentores“ (1613) – und auch die reich freskierte, turmförmige Welser Wasserkunst (1577–79). Die wenigen und kleinen Befestigungen des 15.–17. Jahrhunderts Städte des damals ungariim Burgenland schen Burgenlandes wurden erst spät ummauert – mit Ausnahme von Ödenburg (Sopron, Ungarn), dessen Mauern auf der römischen Befestigung des
3. Jahrhunderts sitzen. Eisenstadt (ab 1371) ist die älteste Befestigung, Güssing und Stadtschlaining gehören in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts und Rust gar erst ins 16./ 17. Jahrhundert. Vom Baulichen her handelt es sich bei diesen durch die Türkenangst begründeten Anlagen noch um ganz mittelalterliche, turmbewehrte Mauern ohne Zwinger; lediglich die bastionsförmigen Turmgrundrisse (Stadtschlaining, Rust, Eisenstadt) sind Zeugen der Spätzeit. Die Tore sind im Burgenland leider alle zerstört. Von den ab 1371 errichteten Mauern von Eisenstadt sind große Partien erhalten; es gab wohl keine Türme, aber zwei Bastionen des 16. Jahrhunderts sind erhalten (die nördöstliche dreieckig, „1534“). An die Burg Güssing schloss eine befestigte Siedlung an (1459 „civitas et suburbium“); Teile der Mauern des 15. Jahrhunderts
sind erhalten, auch ein Rondell und ein Fünfeckturm des 16. Jahrhunderts. Auch die Burg (Stadt-) Schlaining wurde 1462 durch eine mit Handelsfreiheit versehene Stadt ergänzt, deren Bedeutung aber gering blieb. Die Mauer ist mit Ausnahme der Tore weitgehend erhalten; die ursprünglichen Rund- und Rechtecktürme wurden im 17. Jahrhundert zu Fünfecktürmen umgebaut bzw. durch solche ergänzt. Rust erhielt 1512 Befestigungserlaubnis, besaß aber nach verschiedenen Kämpfen nur noch einen „spöldtenzaun“ (Spalten- bzw. Bretterzaun); „1614“ entstand daraufhin die teilweise erhaltene Mauer, an der nur die Fünfecktürme in die Renaissance weisen. Neusiedl (1430 „civitas“) besaß zwei Dorftore, aber keine Mauer und auch Pinkafeld erhielt 1373 Abgabenfreiheit zur Befestigung, jedoch gibt es keine Reste.
3. Tirol Tirol – gemeint ist hier der deutschsprachige Teil des Landes, also das österreichische Bundesland und die italienische Region Südtirol, jedoch nicht das Trentino – ist das alpine Passland schlechthin. Es liegt ausschließlich im Hochgebirge und kontrolliert dabei besonders wichtige Verbindungen zwischen Deutschland und Italien. Unter solchen Voraussetzungen konnten in Tirol zwar Städte entstehen, durchweg im 13. und frühen 14. Jahrhundert, aber sie blieben ausgesprochen klein; kaum eine besitzt Achsen von mehr als 200–300 m. In der Regel bestanden sie aus einer Hauptstraße, manchmal ergänzt durch parallele Hintergassen, oder sie umschlossen einzeilig einen Platz; verschiedentlich entstand die Stadt neben einer älteren Marktsiedlung. Auch die Befestigungen blieben bescheiden, einfache Bruchsteinmauern, bei denen Eckquaderung und bemalte Putzflächen – Wappen an der Feldseite, auch gelegentliche ChristophorusDarstellungen meist des 15./16. Jahrhunderts – bereits gestalterische Höhepunkte waren; die ergrabenen Buckelquader des Innsbrucker „Inntores“ waren ein (früher) Ausnahmefall. Das typische Stadttor Tirols war ein außen mit der Mauer fluchtender, relativ kleiner Schalenturm, der oft
Abb. 293 Meran, das „Passeirer Tor“ ist einer von mehreren erhaltenen Tortürmen, die mit der Mauer nach 1280 entstanden sind. 3. Tirol
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noch Klauen für vorgehängte Fallgatter zeigt (Meran, Bruneck, Brixen; Abb. 293). Dafür liegen südlich des Brenners italienische Vorbilder auf der Hand, denn an oberitalienischen Stadtmauern ist der rechteckige Schalenturm Standard (mit Schwalbenschwanzzinnen, die in Südtirol aber nur an Burgen, nicht an Stadtmauern erhalten sind). Wichtigster Vermittler dieses Vorbildes war zweifellos die gut erhaltene und frühe Mauer der Bischofsstadt Trient, die wohl um 1214 begonnen wurde. Weitere Türme waren bis zum 15. Jahrhundert selten und ebenfalls rechteckig (Bruneck, Brixen, Innsbruck, Rattenberg). Als die Bürgerhäuser im Spätmittelalter zu einer kompakten Masse mit einem Minimum an Lichthöfen zusammenwuchsen, wurden die Hinterhäuser oft direkt an die Stadtmauer gebaut und seit der Aufgabe der Gräben im 19. Jahrhundert erscheint diese Seite manchmal geradezu als Hauptfassade (Brixen, Innsbruck, Bruneck, Hall; Abb. 294). Das war aber keineswegs ursprünglich geplant – in Brixen etwa standen die Rückfassaden der Häuser zunächst 2,40 m hinter der Stadtmauer. Mittelalterlich war in Tirol lediglich die fehlende Mauergasse bzw. das Anstoßen der Parzellen an die Mauer; zumindest in Innsbruck waren diese Grundstücke landesherrlich und mit neun oder mehr Türmen bebaut, die als Adelsund Ministerialensitze zu verstehen sind. Die meisten Tiroler Städte knüpften an bestehende Burgen an (Meran, Rattenberg, Kitzbühel, Kufstein) oder umfassten gleichzeitig bzw. später eingefügte Burgen (Brixen, Bruneck, Innsbruck). Überwiegend waren es Höhenburgen, aber es gibt Ausnahmen (Bozen, Brixen, Inns-
Abb. 294 Bruneck, die in einer Flucht liegenden Fassaden an der Straße „Graben“ integrieren die Stadtmauer, die als solche aber nicht mehr sichtbar ist (vgl. Abb. 295).
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bruck). Das markante Erscheinungsbild von Burg und Stadt – besonders deutlich noch in Bruneck (Abb. 295) – ist historisch aussagekräftig, denn keine einzige Tiroler Stadt konnte sich im Mittelalter aus adliger Herrschaft lösen. Die chronikalisch zwischen 1017 und 1039 belegte Befestigung des Bischofssitzes Brixen bezog sich fraglos nur auf die Domimmunität. Die rechteckige, heute fast völlig in Häuser verbaute Ummauerung der Altstadt Mauern des (rund 220 × 260 m) mit Ministe13. und frühen rialensitzen an drei Ecken ent14. Jahrhunderts stand erst ab etwa 1240, als die Brücken vor den drei Toren genannt werden. Es sind etliche Türme belegt, zwei der drei Tore sind als Tortürme in der üblichen Schalenform erhalten. Die Mauer von Innsbruck, das wohl schon 1187/1204 Stadtrecht erhalten hatte und offenbar bald danach befestigt wurde, ist gleichfalls nur in Häuserfassaden verbaut erhalten. Die vorspringenden Tor- und etwa zehn anderen Türme sind abgerissen, die beiden Stadtburgen der Gründungzeit und des späteren 15. Jahrhunderts völlig überformt (der berühmte Wappenturm war von einem Stadttor zum Teil der maximilianischen Hofburg geworden). Das ergrabene „Inntor“ zur namengebenden Brücke war offenbar vollflächig mit Buckelquadern bzw. Rustika verkleidet. Eine archäologisch erfasste, offenbar turmlose Zwingermauer vor der gesamten Ostseite der Mauer wird vorläufig in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert. Eine schon 1281 als nova civitas erwähnte südliche Vorstadt besaß nur ein Tor, keine Mauer.
Abb. 295 Bruneck, Plan mit dem Mauerverlauf. 1: Burg; 2: Ursulinenkirche mit befestigtem Turm; 3: Rondell; 4: Straße „Graben“ (vgl. Abb. 294).
Bozen entstand als Stadt des Trienter Bischofs schon vor 1191 (oder gar Mitte des 11. Jahrhunderts?). Die Mauern der Erstanlage entlang der heutigen Laubengasse fielen aber schon 1277 der Entfestigung durch Meinhard II. von GörzTirol zum Opfer; Fundamente der Südmauer aus Bachkieseln wurden 1988 ergraben. Um 1600 sind dann isolierte Vorstadttore belegbar, aber keine Mauern. Auch der benachbarte Markt Gries wurde um 1298/1300 ummauert, als gräflich-tirolischer Sitz und Quasinachfolger Bozens, wovon aber nur Teile ergraben sind. Lienz, in den 1240er Jahren schon „civitas“/ „oppidum“, hatte als trapezförmige Anlage mit mehreren Adelssitzen begonnen. Ab 1311 soll dann die weit gedehnte, teils erhaltene äußere Mauer entstanden sein; einige umgebaut erhaltene Rondelle entstammen jedoch erst der Zeit um/nach 1500. Meran, nahe der „Stammburg“ Tirol praktisch die Landeshauptstadt, wurde im Anschluss an die Siedlung „Steinach“ unter der Burg Ortenstein wohl ab 1280 ummauert; die Mauern sind zuerst im 1317 erneuerten Stadtrecht genannt. Die in Tirol außerordentliche Länge von 800 m wurde nach Franz-Heinz Hye erst durch sekundären Einbezug der „Steinach“ und eine westliche Vorstadt erreicht; Belege innerer Tore fehlen allerdings. Im 15./16. Jahrhundert riss die Passer
mehrfach die Südseite weg und auch der Graben blieb ein ständiges Problem. Erhalten sind drei der vier Tortürme aus der Zeit um 1300, Rechteckschalen in der Mauerflucht (Abb. 293). Weitgehend erhalten ist die Mauer von Bruneck (Abb. 295). Burg und Stadt wurden vom namengebenden Bischof Bruno von Brixen 1251 begonnen, der Bau wurde bis 1336 abgeschlossen. Der größte Teil der Stadtmauer ist heute als Fassade in die Bebauung der Hintergasse einbezogen; nur die Flügelmauern zur hoch liegenden Burg, wo die Ausmauerung der Zinnen mit Schießscharten erkennbar blieb, stehen frei. Alle vier Tortürme fluchten außen mit der Mauer, wie in Tirol üblich. Von den fünf weiteren Türmen – vier zur Bergseite – sind zwei rechteckig; der frei stehende Rundturm an der Rienzbrücke ist gewiss ein Neubau erst des 15./16. Jahrhunderts, die beiden südlichen Halbrundtürme sind es wahrscheinlich. Kitzbühel mit seiner herzoglich bayerischen Burg erhielt 1271 Stadtrecht und 1297 weitere Güter ausdrücklich zur Förderung der Befestigung. Die Mauer, an der man ohne Grund zahlreiche Türme rekonstruieren wollte, wurde früh in den Häuserkranz einbezogen, der den Marktplatz umschloss; von zwei Toren steht noch das südliche von 1481. Auch die fast völlig verschwundene Mauer von Sterzing war 1291 im Bau. 3. Tirol
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Abb. 296 Rattenberg am Inn, Zustand von Burg und Stadtbefestigung (um 1333–40, Zwinger 15. Jh.) vor dem Teilabbruch der Befestigungen (um 1800) (D. Burger in: Zwinger und Vorbefestigungen, 2007).
Nur noch mit einigen Ausläufern reichte die Blütezeit des Tiroler Mauerbaues in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts hinein. Das für regionale Verhältnisse große, vor allem Salz produzie-
rende Hall erhielt 1303 Stadtrecht und wurde 1335/45 und im 15. Jahrhundert südlich erweitert; die Mauer, meist in Häuser verbaut, lässt allerdings eine ältere Phase erkennen, die ins 13. Jahrhundert zurückreichen dürfte. Von den fünf Toren ist nur der Turm des „Münzertors“ von 1480 erhalten, das erst bei der Einbeziehung der Saline entstand, östlich auch ein Zwingerrest. Imst erhielt 1312 das Stadtrecht unter der Bedingung des Mauerbaues binnen zehn Jahren, die unerfüllt blieb. Rattenberg wurde, ausgehend von der Klause unter der Burg, 1333/40 befestigt (Stadtrecht 1393); die Mauer ist in Häuserfronten weitgehend erhalten (Abb. 296). Die detaillierten herzoglichen Anweisungen zur Verstärkung von 1415/16, ein aussagekräftiges Dokument, betreffen unter anderem den Neubau von Tortürmen – das „Brückentor“ blieb erhalten – und Rundtürmen, vielleicht auch eines Zwingers und eines äußeren Wallgrabens. Die felsig überragende Bergseite war durch die Burg gesichert, die im 15. Jahrhundert nochmals stark ausgebaut wurde. Entsprechend erhielt auch Kufstein vielleicht schon vor dem endgültigen Stadtrecht (1393) Mauern; ein runder Eckturmrest – und eine Bastion von 1556 bis 1569 – sind erhalten. Die zweitorige Befestigung des 1327 mit Stadtrecht versehenen, von den Herren von Hohenegg gegründeten Vils ist abgegangen. Klausen, schon 1308 „stat“ und 1424 (zum ersten Mal?) befestigt, beschränkte sich auf zwei Quermauern und ein Brückentor, Eisackufer und Bergseite blieben weitgehend offen; in einem 1875 abgebrochenen Turm am Fluss sollen zahlreiche Schilde und Pfeile gefunden worden sein. Die wichtigste Stadtbefestigung des frühen Artilleriezeitalters in Tirol – zugleich die insge-
Abb. 297 Glurns, der 1499–1510 erbaute „Brückenturm“, durch den die Straße von Graubünden nach Meran führte, war – entgegen dem Plan von Kölderer (Abb. 298) – auch stadtseitig von einem Graben umgeben, hatte also, als eine Art kleine Zitadelle, beidseitig Zugbrücken. Der Durchbruch mit Brücke links ist modern.
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Auch andere Städte wurden durch kleine Rondelle oder eher rondellartige Türme verstärkt (Kufstein, Lienz); wenig verändert ist das Brückenrondell in Bruneck, genauer datiert sind nur die Rattenberger Türme (1415/16). Erhaltene Wehrgangpartien zeigen in Tirol fast immer Feuerwaffenscharten, die – meist unter Putz – wenig über die ursprünglichen Zinnen(?) aussagen. Ob manche Mauern sogar wehrganglos waren, wie Peter Kaiser meint, darf man bis zu genaueren Untersuchungen anzweifeln.
Abb. 299 Sterzing, der „Zwölferturm“, der den Stadteingang an der Seite gegen den Brenner und Innsbruck markiert, entstand 1468–72 anstelle eines fraglos weit bescheideneren Stadttores.
Abb. 298 Glurns, die 1521 datierte Zeichnung Jörg Kölderers für die neue Stadtbefestigung (Tiroler Landesarchiv, Pestarchiv XXV b 7).
samt besterhaltene des Landes – besitzt Glurns. Nachdem das schon 1294 belegte eingassige Städtchen 1499 nach der Schlacht „An der Calven“ Ausbauten im 15./16. Jahrhundert durch die Graubündener zerstört worden war, entstand bis 1510 zunächst das „Etschtor“ als Brückensicherung – ein isolierter Turm mit umlaufendem Graben, zwei Zugbrücken und Maschikuli (Abb. 297). Im folgenden Jahrzehnt wurde dann eine Ummauerung auf neuem, ausgedehnterem Tracé angelegt: fast rechteckig mit noch ganz mittelalterlichen Mauern, aber regelmäßig verteilten, schartenreichen Kanonenrondellen – fortentwickelten Schalentürmen –, in denen auch die Waffen lagerten. Die beiden Tore sind niedere Rechtecktürme von geringer Mauerdicke, aber scharten- und wurferkerreich; gemalte Wappen nennen das Reich, Österreich, Tirol, Glurns und die Grafen Trapp. Nach einem erhaltenen Plan Jörg Kölderers von 1521 (Abb. 298) folgten Zwinger und ein nie ganz vollendeter Graben. 3. Tirol
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Umlaufende Zwinger kamen – anders als Torzwinger – in Tirol kaum vor. Nur in Hall und Innsbruck, also nördlich des Brenners, sind Beispiele rudimentär belegbar, die Planung der 1520er Jahre für Glurns (Abb. 298) wurde wohl nicht ausgeführt. Auch die Ummauerung von Vorstädten bleibt Ausnahme: Innsbruck (1281), Lienz (1311) und Brixen (um 1323–36). Nur in Lienz erhielt die Erweiterung eine Mauer, sonst genügten isolierte Torbögen zwischen der verdichteten Bebauung der Ortskerne. Gegen 1500 entstanden auch einige Türme von betont symbolischem Charakter. Bestes Beispiel ist der besonders hohe, mit Maßwerkfens-
ter und Treppengiebel geschmückte „Zwölferturm“ von „1468“, der das brennerseitige Tor von Sterzing ersetzte (Abb. 299). Dagegen ist der berühmte Innsbrucker „Wappenturm“ (1494–96) zwar auch aus einem Stadttor hervorgegangen, verdankte aber seinen Ausbau und seine reiche Bemalung der Tatsache, dass er zu einem Teil der maximilianischen Hofburg gemacht wurde. Als weitere Variante ist der hohe Turm der Brunecker Ursulinenkirche zu nennen (wohl 1427), dessen vorkragender, steinerner Wehrgang zwar ein nahe gelegenes Stadttor sichern half, aber doch weit eher auf Fernwirkung bedacht ist.
4. Schweiz und Vorarlberg Der deutschsprachige Teil der Schweiz umfasst drei recht unterschiedliche Landschaften. Die wenigen, an den Passstraßen aufgereihten Städte des Hochgebirges blieben bedeutungslos, ähnlich wie jene des freilich niedrigeren und zugänglicheren Jura. Ein bemerkenswerter Städtereichtum entwickelte sich dagegen im Alpenvorland, das westlich zum französischen Sprachgebiet, nördlich zum Rheintal geöffnet ist und von wichtigen Straßen durchzogen war (die drei Rheintalstädte des österreichischen Vorarlberg [Bludenz, Bregenz, Feldkirch] werden hier aus geographischen Gründen mitbehandelt). Die Schweiz ist das einzige Land des deutschsprachigen Raumes, wo die zahlreichen neueren Einzelerkenntnisse der Archäologie und Bauforschung an den Stadtmauern systematisch gesammelt und publiziert worden sind, und zwar in dem mehrbändigen Werk Stadt- und Landmauern (1996–99), das die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich auf die Initiative von HansRudolf Sennhauser herausgab. Obwohl auch hier viele Mauern bisher nicht untersucht sind und schwer datierbar bleiben, ruhen die Aussagen über die Mauern der Schweiz doch auf stabilerem Fundament als anderswo – von wichtigen Einzelergebnissen abgesehen. Aus architekturgeschichtlicher Sicht bleibt jedoch anzumerken, dass auch auf dieser soliden Basis Aspekte der Entwicklung und überregionaler Formzusam24 Topographischer Teil
menhänge nur dann zu beantworten sind, wenn man das Material mit kunsthistorischen und historischen Fragestellungen konfrontiert. Die nach der Chronik Casus Sancti Galli 953/954 begonnene und 975 vollendete Befestigung der Abtei St. Gallen mit Mauer und dreizehn wohl von spätrömischen Mauern angeregten Türmen(!) steht nur scheinbar am Anfang der schweizerischen Stadtmauern, denn die Annahme, sie habe den Raum der späteren Stadt umfasst, ist archäologisch unbelegt, und funktional handelt es sich weit eher um eine Fliehburg in der Zeit Mauern des 11./12. Jahrhunderts der Ungarnstürme. Die ersten wirklichen Stadtbefestigungen der deutschen Schweiz findet man daher im späten 11. bis mittleren 12. Jahrhundert in Basel, Schaffhausen und Zürich, das heißt an wichtigen Verkehrswegen und Flussübergängen. Von den umfangreichen Befestigungen Basels, wie sie uns unter anderem die Stiche des Baslers Matthäus Merian zeigen, überstanden nur drei Tortürme und eine Partie der äußeren Mauer den Abbruch um 1860–70 (Abb. 300). Jedoch hat die „Archäologische Bodenforschung“ des Kantons seit Jahrzehnten zahlreiche Erkenntnisse zu den Stadtmauern, vor allem auch zur frühesten, oberirdisch kaum noch kenntlichen Mauer, erbracht; die Basler Befestigung ist daher zurzeit die wohl bestuntersuchte des deutschen Raumes.
Abb. 300 Basel in der Vogelschau nach Merian (1642), mit den beiden Mauerringen von Großbasel (oben). Der innere Ring ist die „Burkhardsche Mauer“ der Zeit um 1080–1100, die äußere fasste im 14. Jh. die verschiedenen Vorstädte zusammen, was sich in ihrer unregelmäßigen Führung spiegelt (vgl. Abb. 204); unten Kleinbasel (Zeiller/Merian, Topographia Helvetiae, Rhaetiae et Valesiae, 1653).
Ausgangspunkt der Stadtwerdung war der Münsterhügel am Rhein, der ein keltisches Oppidum, eine römische Befestigung und ab dem 8. Jahrhundert den Bischofssitz trug. Siedlungsansätze im Birsigtal westlich darunter wurden um 1080– 1100 unter Bischof Burkhard von Fenis ummauert („murorum compagines“, 1101/03). Grabungen und Bauforschung ergaben, dass bereits diese „Burkhardsche Mauer“, 1,7 km lang, fast das gesamte Gebiet der inneren Stadt umschloss, also das südliche Vorgelände des Münsterhügels und den Westhang des Birsigtals; lediglich am Einlauf der Birsig, unter dem Sporn mit der Kirche St. Leonhard, sprang die Mauer zurück, was wohl auf ein Überschwemmungsgebiet hindeutet. Auf dem Sporn selbst ist ein quadratischer, kräftig vorspringender Eckturm der ersten Mauer im Unterbau erhalten – der bisher älteste Turm einer deutschen Stadtmauer, von dem es Reste gibt. Auch ein querrechteckig vorspringender, mit einer Fuge vorgesetzter Turm im nahen Hotel „Teufelhof“ wurde wohl nur wenig später angefügt (und im 13. Jahrhundert erhöht, bei unbekannter Urhöhe; Abb. 49). Weitere Türme an Ecken und über den Toren sind teils durch geringe Spuren belegt, werden teils nur vermutet, jedoch scheint vor dem Südosttor („Kunostor“) eine kurze Torgasse gelegen zu haben. An der Mauer selbst, die wohl weniger als 4 m hoch war
und Zinnen, aber keinen Wehrgangabsatz hatte, fallen die zahlreichen Bauabschnitte und das wechselnde Steinmaterial auf – offenbar ein Hinweis auf die Einteilung in Baulose und große Mühe bei der Materialbeschaffung. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde die Mauer des 11. Jahrhunderts durch eine weit stärkere Mauer ersetzt, die man wenige Meter vor ihr in den Graben baute; zwischen beiden Mauern wurde ein durchlaufender Weg aufgeschüttet, die ältere, stadtseitige Mauer dabei weitgehend abgetragen – die Schaffung einer Mauergasse, die hier bisher gefehlt hatte. Man darf auch annehmen, dass die im 19. Jahrhundert verschwundenen, meist spitzbogigen und mit Buckelquadern verkleideten Tortürme („Schwibbögen“) in diese Phase gehörten; der „Spalenschwibbogen“ war vielleicht eine Schale, der „St.-Johann-Schwibbogen“ besaß Lisenen für ein Fallgatter. Das „Kunostor“ zeigte ein noch romanisches Relief. In den 1220er Jahren entstand auch die Rheinbrücke mit dem Brückentor. Wohl im ausgehenden 13. Jahrhundert wurde die neue Mauer mit halbrunden Türmen verstärkt, die mindestens teilweise mit angrenzenden Häusern in Verbindung standen; die Mauergasse lief also nicht völlig durch. Am Einlauf der Birsig entstand erst jetzt eine gerade Mauer mit einem halbrunden und einem quadratisch auf 4. Schweiz und Vorarlberg
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Abb. 301 Basel, Grabenseite einer erhaltenen Partie der äußeren Mauer (entstanden ab 1361/62) im St.-Alban-Tal, an der Ostseite der Stadt.
Abb. 302 Schaffhausen, der ehemals neben dem „Obertor“ stehende Turm war – ein seltener Fall – ursprünglich ein romanischer Wohnturm, wie man an dem Doppelfenster und der Höhe der roten Eckquader erkennt; das Rundbogentor ist modern.
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einen Wellenbrecher gesetzten Turm („Wasserturm“), wegen des Wasserdrucks 3 m dick und außen mit guten Buckelquadern verkleidet. Gegen 1300 besaßen – nach Brandschatzungen Rudolfs von Habsburg 1253 und 1272 – auch bereits mehrere Vorstädte Ummauerungen, insbesondere Kleinbasel auf dem rechten Rheinufer, dessen Mauer bereits 1277 um das Kloster Klingental ergänzt wurde. Die Mauer der St.-Alban-Vorstadt, vom namengebenden Kloster erbaut, besaß nach einer Grabung halbrunde Türme in etwas sparsamerer Technik. Der ganz unregelmäßige Grundriss, den die Vorstädte bildeten, wurde nach den Zerstörungen des berühmten Basler Erdbebens 1356 nicht mehr aufgenommen, sondern man entschloss sich nun zu einer 1361/62 begonnenen, alles zusammenfassenden Mauer von über 4 km Länge. 1374 werden bereits ihre Türme in einer Wachordnung erwähnt, 1398 war sie fertig. Manches weist darauf hin, dass diese äußere Mauer zwar Zinnen, aber kaum Wehrgänge besaß. Die erhaltene Partie am „Mühlegraben“, mit zwei halbrunden Türmen und einem quadratischen am Rhein (Abb. 301), besitzt Wehrgangbögen. „St.-AlbanTor“ und „St.-Johanns-Tor“ sind hohe Tortürme mit Eckbuckelquaderung und Rechteckfenstern. Das „Spalentor“ hingegen, an der wichtigen Straße ins Elsass und nach Burgund, erhielt mit zwei feldseitig vorgesetzten, oben polygonal abgewandelten Rundtürmen, Galerien über Rundbogenfriesen und flacher „Kissen“-Rustika eine besonders aufwendige Gestalt; es wurde wohl in den 1360er Jahren begonnen und ist 1387 erwähnt; kurz nach 1400 brachte man feldseitig Statuen der Madonna und zweier Propheten an (Abb. 109, 128). Bis heute dienen Turmräume der Vorstadtgesellschaft „Zur Krähe“, die im Mittelalter eine Art Polizeigewalt in der Vorstadt ausübte, zu Versammlungen. Die mittelalterliche Baugeschichte der Basler Mauer endete mit punktuellen Verstärkungen des 15./16. Jahrhunderts. Ein mauerverkleideter Außenwall in Kleinbasel, einige Fünfecktürme und Vorhöfe an den Toren – erhalten sind das Vortor am „Spalentor“ (1473/74 von Jakob Sarbach; Abb. 128) und jenes des „St.-Johann-Tores“ – sowie sekundäre Schießscharten in Großbasel gehörten noch ins 15. Jahrhundert; 1531/32 entstanden zwei aus Erde aufgeschüttete Kanonen-
plattformen, 1547–51 fünf gerundete, mauerverkleidete Kanonenbollwerke an Ecken von Großbasel. Schaffhausen, an der Furt oberhalb des Rheinfalles, erhielt schon 1045 Münzrecht; 1050 wurde das wichtige Kloster Allerheiligen gegründet. Noch im 11. Jahrhundert umgab ein mehrphasig aufgeschütteter, 10 m breiter und 2,5 m hoher Wall nebst Graben die Siedlung entlang der Fernstraße; unwahrscheinlich ist, dass ein so mächtiger Wall nur eine Rechtsgrenze markierte; die Spuren einer Palisade mögen durch die spätere Mauer verschwunden sein. Diese, früher ins späte 12. Jahrhundert, neuerdings auch bereits ins späte 11. Jahrhundert datiert, ist inzwischen an mehreren Stellen erfasst; sie umschloss sowohl im Norden als auch südlich, gegen das teils aufgefüllte Rheinbett, eine Erweiterung; wie in Basel ist auf einer Parzellengrenze ein Bauabschnitt feststellbar. Nahe dem Westtor stand ein romanischer Wohnturm, der erst 1491 zum erhaltenen „Obertorturm“ erhöht wurde (Abb. 302); ein Pendant ist am östlichen „Schwarztor“ ergraben. Zürich entstand um das spätrömische Kastell bzw. die Pfalz auf dem „Lindenhof“-Hügel, die einen Übergang über die Limmat sicherten; im 12. Jahrhundert war es zu einem der wichtigsten Orte in Schwaben herangewachsen und schon 1145 bzw. 1157/58 wurde eine „porta civitatis“ erwähnt. Nachdem Thesen über frühe Mauerver-
läufe archäologisch widerlegt waren, glaubte man zeitweise an eine offene Siedlung bis weit ins 13. Jahrhundert, aber Grabungen 1990–94 belegten an der Ostseite einen nicht näher datierbaren flachen Wall mit aufgesetzter, dünner Mauer, ein Befund also, der an Schaffhausen oder Basel erinnert; dazu passend spricht eine Quelle 1292 von einer „dürren“ (= dünnen) Mauer, die zu ersetzen sei. Auch im nahen Winterthur wurde als älteste Stufe ein Wall (des 12. Jahrhunderts?) freigelegt. Damit sind jene Schweizer Stadtbefestigungen, die nach gegenwärtiger Kenntnis weit ins 12. oder gar ins 11. Jahrhundert zurückgehen, abgehandelt; weitere Grabungen werden ihre Anzahl sicherlich erhöhen. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden die berühmten westschweizerischen Gründungsstädte der Zähringer, um die die ältere Forschung eine gewisse Gloriole schuf, während verDie Zähringerstädte und ihre Mauern sachlichende Forschung erst in den letzten Jahrzehnten einsetzte. Freiburg bzw. Fribourg im Üechtland wurde 1157 in Ideallage auf einem Felssporn über dem Saane-Übergang gegründet. Spuren seiner offenbar recht bald folgenden, angriffsseitigen Mauer, aus Moränenkieseln und 1,80 m dick, sind 15– 20 m hinter dem vermuteten Halsgraben erfasst; ein früh an die Mauer gelehntes Haus wurde
Abb. 303 Bern, der um 1218–20 erbaute Torturm „Zytglogge“ (Uhrturm) entwickelte sich über mehr als fünf Jahrhunderte vom Stadttor zum barock geprägten Wahrzeichen der Stadt (vgl. Abb. 145; Zytglogge, Bern 1983). 4. Schweiz und Vorarlberg 27
schon im frühen 13. Jahrhundert(!) vor die Mauer verlängert. Die Burg am Westende der Mauer ist archäologisch bisher unbelegt, ebenso das westliche und das östlich zum Flussübergang führende Tor. Mauern an den senkrecht abfallenden, heute durch Hausfassaden gebildeten Längsseiten und auch im Osten haben nach Stichproben nicht existiert, genauso wenig wie eine Mauer um das Quartier unten im Bogen der Saane. Auch Bern, gegründet wohl erst 1191, liegt auf einem verteidigungstechnisch günstigen Umlaufberg der Aare, im Osten früh durch die Burg Nydegg, seitlich durch Steilhänge gesichert. Nur die Westseite musste geschützt werden, primär durch den romanischen, aber später erhöhten und barock gewandeten Torturm des „Zytgloggen“ (Zeitglocken = Uhrturm), der wohl erst um 1220–30, zu Beginn der Reichsstadtzeit, erbaut wurde (Abb. 303). Anfangs war er ein nur zweigeschossiger, blockartiger Schalenturm mit spitzbogigen Tornischen und einem Buckelquadersockel. Wie in Freiburg lag der (ursprünglich?) gefütterte Graben erst 10 m davor; die Stadtmauer konnte nur noch punktuell erfasst werden. Auch hier dürfte den Häusern an den Längsseiten keine Mauer vorangegangen sein. Burgdorf entwickelte sich um 1200 zweipolig. Einerseits besaß die Burg eine große Vorburg mit Häusern an der Ringmauer, deren Tor früher mit „1190“ bezeichnet gewesen sein soll; man würde hier nur Wirtschaftsbauten und Ministerialensitze vermuten, wenn nicht der Name „Alter Markt“ auch anderes andeutete. Andererseits entstand gleichzeitig, getrennt davon, die noch im 13. Jahrhundert zweifach erweiterte Stadt (Abb. 189), mit etwa rechteckiger, turmloser Mauer und zumindest einem ergrabenen Mauertor, das über eine Erdbrücke zugänglich war; Häuser direkt an der Mauer sind teilbereichlich erwiesen. Das zähringische Thun scheint dagegen selbst nur Nachfolger einer vor 1191 bestehenden, bereits ummauerten Burgsiedlung am Aareübergang zu sein, deren Ostmauer ergraben ist. Nach der Eroberung entstand mit der neuen Turmburg der Zähringer eine größere Einstraßenstadt, von der vor allem das östliche „Burgitor“ erhalten ist, ein rundbogiges Mauertor mit rundbogiger Nische in einem verstärkten Mauerabschnitt (Abb. 141); ein entsprechendes Mauertor ist im Westen ergraben. 28 Topographischer Teil
Insgesamt präsentieren sich die schweizerischen Zähringerstädte also deutlich bescheidener, als die Bedeutung ihrer Erbauer vermuten ließe. Außer in Bern erreichten sie nicht die Größe der älteren und gleichaltrigen Städte weiter nördlich bzw. am Rhein. Ihre Mauern blieben bei Freiburg und Bern, den größeren Gründungen, auf die besonders gefährdeten Abschnitte beschränkt; Mauergassen fehlten. Tortürme sind anfangs genauso wenig belegbar wie Mauertürme (dass der runde Burgdorfer „Schweineturm“ so alt sei, ist unwahrscheinlich). Vielmehr sind in Thun und Burgdorf Mauertore belegt, während der Berner „Zytgloggen“ heute erst in nachzähringische Zeit datiert wird. Erwähnenswert ist auch, dass die Mauern von Freiburg und Bern einen erheblichen Abstand vom Graben hielten – die statisch solidere, aber fortifikatorisch nachteilige Lösung. Bildete das 13. Jahrhundert schon allgemein den quantitativen Höhepunkt des Mauerbaues – zumindest im Westen des deutschen Sprachraumes –, so gilt dies in der Schweiz mit besonderer Deutlichkeit. ErhielMauern größerer Städte ten einerseits zu Anfang im 13. Jahrhundert des Jahrhunderts die wenigen größeren Städte neue Mauern bzw. sogar erste Erweiterungen, so entstand andererseits bis gegen 1330 eine erstaunliche Fülle kleiner Städte, deren Ummauerung offenbar meist bald auf die Gründung folgte. Ab dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts erhielt nicht nur Basel eine neue, mit Tortürmen und Mauergasse versehene Mauer (vgl. oben), sondern auch Zürich, Luzern und das kleinere Rheinfelden; leider ist nur im letzteren Fall Nennenswertes erhalten. In Zürich belegen die Quellen Arbeiten schon 1225–39, dann in besonderer Dichte ab 1252; noch im Jahre 1300 soll aber ein Maurer die Rückfront seines Hauses „an der swyren statt“ (anstelle der Palisaden) aufführen. Ähnlich wie in Basel folgte die Trasse der neuen Mauer jener der älteren und ähnlich dieser verlief hinter der neuen eine wallartig erhöhte Mauergasse. Die hohen quadratischen Türme aus Moränenkieseln besaßen Eckbuckelquader; unter den etwas größeren an betonten Stellen fiel der „Ketzerturm“ durch buckelquadergerahmte Schlitzscharten und spitzbogige Biforien im obers-
ten Geschoss auf; spitzbogig waren auch die Durchfahrten der Tortürme. Die dichtere Turmstellung der weniger gefährdeten Westseite ist vielleicht durch eine spätere Ausführung erklärbar. Auch die erste Mauer des kleineren, aber für den Gotthard-Verkehr wichtigen Luzern, wohl um 1230–70 entstanden, besaß in der „Großstadt“ nur fünf viereckige Türme, davon drei Tortürme. Erhalten ist der verbaute „Mühlentorturm“, die Fundamente des unregelmäßig geformten „Inneren Weggistores“, eines Schalenturmes, sind ergraben; eine Mauergasse fehlte. Die verschwundene, etwa gleichzeitig entstandene Mauer der „Kleinstadt“ besaß wie in Zürich eine engere Turmstellung; „Schwirren“ (Pfähle) im Ausfluss der Reuss verbanden wohl von Anfang an beide Stadtteile. Rheinfelden hat sich schon vor 1200, unter den Zähringern, stadtartig entwickelt, aber archäologische Belege für eine so frühe Befestigung fehlen; die 1963/65 ergrabene, 0,60 m dicke Mauer dürfte nur den Kirchhof begrenzt haben. Die großenteils erhaltene Mauer, die man heute in die reichsstädtische Zeit ab 1225 datiert, ist ungewöhnlich dick und hoch (knapp 2 m und 14 m einschließlich der Zinnen; Abb. 35); sie besaß nur Mauertore, auf und hinter die erst im 14. Jahrhundert die erhaltenen querrechteckigen Tortürme gesetzt wurden. Die Zähringergründungen Bern und Freiburg wurden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts um einen Stadtteil vor der Angriffsseite erweitert; in beiden Fällen ist wenig erhalten. Die neue Berner Westmauer (1255–65) entsprach mit drei Tortürmen und einem gefütterten Graben, aber offenbar ohne Mauertürme, konzeptionell noch ihrem Vorgänger und auch die Freiburger Mauer (1277–80) besaß nur Tortürme; teilweise war sie wohl buckelquaderverkleidet. In beiden Fällen lag der gefütterte Graben mehrere Meter vor der Mauer; dass die innere Grabenstützmauer ein regelrechter Zwinger war, ist dabei unbelegt und unwahrscheinlich. Vor der Freiburger „Porte de Lausanne“ („Jaquemart“) wurden Holzreste von fünf Grabenbrücken ergraben, die zwischen etwa 1290 und 1515 entstanden waren. Nicht lange vor ihrer Ersterwähnung 1270 dürfte auch die Mauer von Chur erbaut worden
sein, der einzigen etwas größeren Stadt im Inneren der schweizerischen Alpen. Sie bestand nach Freilegungen am „Karlihof“ aus Flusskieseln mit Rasa-Pietra-Verputz und besaß wohl einen Wehrgang in Holzkonstruktion. Neben den größeren Städten entstanden im 13. und frühen 14. Jahrhundert in der Schweiz zahlreiche Kleinstädte, in der Regel Gründungen des Adels. Sie zeichnen sich meist durch hohe formale Klarheit aus, die sich nicht allein aus der Kleinheit ergibt, sondern auch aus der konsequenten Die Kleinstädte des 13. und frühen Art der Bebauung; beides fin14. Jahrhunderts det man ähnlich im anschließenden Tirol. Um wenige Gassen – etwa Parallelgassen oder ein Straßenkreuz –, manchmal auch um einen Platz- oder Straßenmarkt bilden die relativ kleinen Grundstücke eng geschlossene Reihen, und zwar auch entlang der Mauer, wo heute die Rückseiten der Häuser die Stadtmauer bilden. Das Phänomen der Identität von Mauer und Hauswand hat in der Schweiz besonderes Interesse auf sich gezogen, weil es sich dabei um ein Hauptmerkmal der „Schweizer Stadt“ handelt, einer zeittypischen Idealvorstellung des 19. und früheren 20. Jahrhunderts. Die Bürger hätten demnach ihre Häuser quasi als Phalanx gegen die Belagerer aufgereiht, so, wie sie selbst, die „Eidgenossen“, es in den Schlachten gegen die Habsburger taten; dementsprechend, so wird gern unterstellt oder zumindest angedeutet, sei die Mauer in solchen Städten wohl parzellenweise finanziert und errichtet worden. Diese national aufgeladene Interpretation bedarf jedoch in mehrfacher Hinsicht kritischer Betrachtung. Einerseits war das Phänomen der fehlenden Mauergasse nicht auf die Eidgenossenschaft beschränkt, sondern im gesamten süddeutschen Raum üblich (vgl. Band 1, Kapitel 2.2.3.6.). Andererseits bedeutet der heutige Zustand ja nicht zwingend, dass die Mauer und die daran stoßende Bebauung von Anfang an zusammen entstanden; es kann vielmehr ursprünglich einen Frei- bzw. Hofraum zwischen Haus und Mauer gegeben haben, der erst nachträglich überbaut wurde. Bauforschung und Archäologie haben schon einige Fälle sichern können, auch durch Dendrochronologie, bei denen bereits vom 12. bis 14. Jahrhundert Häuser direkt an die Mauer 4. Schweiz und Vorarlberg
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angebaut wurden. Die ins 12. Jahrhundert zurückgehenden Fälle von Basel und Freiburg im Üechtland wurden schon genannt; dagegen wird der früh ausgegrabene Musterfall Glanzenberg an der Limmat, angeblich mit Holzhäusern entlang der Mauer, neuerdings aus archäologischmethodischen Gründen angezweifelt. An der Rheinfront von Diessenhofen konnten Häuser, teils mit Rund- und Spitzbogenfenstern, auch dendrochronologisch auf 1215 datiert werden, und das Haus im Unterbau des späteren „Chaibenturmes“ von Zug wird ähnlich alt sein. In Werdenberg entstand die Mauer um 1261/ 65(d) samt angelehnten Häusern, die schon im 14. Jahrhundert gut erhaltene Holzlauben gegen
Abb. 304 Unterseen, Plan der Stadt mit den Ausgrabungsergebnissen 1978–2012. Die älteste Bebauung (3. Phase) entstand nach der Stadtgründung 1279 direkt an der Stadtmauer; es gab folglich nie eine Mauergasse (V. Herrmann in Archäologie Bern, 2013).
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die Straße erhielten (Abb. 203), in Stein am Rhein konnte ein gegen die Mauer gebautes Haus 1265 dendrodatiert werden, in Burgdorf gilt dasselbe für Häuser der Unterstadt von 1276. Mit der Mauer gleichzeitig errichtete Holz- und Steinbauten wurden in dem 1275 ersterwähnten Wiedlisbach festgestellt. In Unterseen (Abb. 304) wurden um 1300 zwei Häuser, vor Verfüllung von deren Baugrube, direkt an die Mauer gebaut, zwei weitere folgten im 14. Jahrhundert. Ebenfalls ins 14. Jahrhundert gehören untersuchte Einzelfälle in Wil, Willisau und Aarberg. Aus alledem darf geschlossen werden, dass der Mauerbau und die Errichtung von Häusern direkt an der Mauer tatsächlich oft in dieselbe erste Planungsphase gehörten. Dass die Hauseigentümer deswegen parzellenweise auch die Mauer errichtet haben, scheint aber nicht beweisbar, auch nicht durch gelegentlich erwiesene Verzahnungen auf Parzellengrenzen. Vielmehr dürften die Mauer wie auch die Parzellierung fast immer in einem obrigkeitlich gelenkten Bauvorgang entstanden sein; die Häuser an der Mauer entstanden dann, von Bauherr zu Bauherr verschieden, entweder direkt danach oder erst um Jahrzehnte verzögert. Erwähnenswert ist auch, dass gelegentlich einzelne Steinbauten nachgewiesen sind, die erst nachträglich in die Mauer einbezogen wurden (Eschenbach, Glanzenberg, Sempach) – Sitze des Bauherrn oder seines Beauftragten während der Erbauung der Mauer? Die Aufzählung jener schweizerischen Kleinstädte, die diesen Prinzipien entsprachen, droht aufgrund ihrer Anzahl und Gleichartigkeit zur Liste zu degenerieren. Das Ordnen nach der Entstehungszeit der Mauern ist unmöglich, weil enge Datierungen selten verfügbar sind; in aller Regel ist nur das Datum der Stadtgründung bekannt oder erschließbar, die Errichtung der Mauer dürfte in der Regel bald gefolgt sein – wobei fast immer offenbleiben muss, ob „bald“ im Einzelfall eher drei oder eher dreißig Jahre bedeutet. Die folgende Aufzählung untergliedert daher pragmatisch Städte über einem unregelmäßigen Umriss – unter diesen meist die etwas größeren – und jene mehr oder weniger rechteckigen Anlagen, die als ein formaler Höhepunkt mittelalterlichen Städtebaues gelten dürfen; dabei sei keineswegs bestritten, dass der Unterschied zwischen beiden Formen, bedingt etwa
Abb. 305 Neunkirch, der Plan der nach 1260 angelegten Stadt, hier eingetragen in den modernen Katasterplan, ist einer der regelmäßigsten, der von einer Gründungsstadt bekannt ist. Die Mauer und der Zwinger sind in der früh angelehnten Bebauung teilweise erhalten, die Tore verschwunden (Stadt- und Landmauern, Bd. 2, 1996).
durch das Gelände oder die Anpassung an bestehende Siedlungen, oft nur gering ist. Zu den eher unregelmäßig geformten Städten gehören in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Wil (1226 oppidum/burgum, 1260 munitio), Zofingen (1231 als Stadt erweitert), Brugg/Aare (1254 oppidum), Bremgarten (Stadtrecht um 1240–60?), Zug (1242 oppidum; Abb. 205), Mellingen (vor 1242 Markt, 1296 Stadtrecht), die kyburgische Neustadt von Thun (Mitte des 13. Jahrhunderts), Sempach (Gründung im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts?) und schließlich Winterthur, wo spätestens um die Mitte des 13. Jahrhunderts der Wall durch eine Mauer ersetzt wurde. Praktisch keine erkenn- und datierbaren Reste gibt es in Rapperswil (1240 urbs), Rheinau (1241 als civitas erwähnt, 1288/98 verlegt; minimaler Mauerrest in Verbindung mit der keltischen Abschnittsbefestigung einer Rheinschlinge), im 1246 ersterwähnten Frauenfeld, in Regensberg (Burg 1244/46 gegründet), Laufenburg (1248 Stadttor erwähnt) und Olten (vor 1250 gegründet?, die Mauer wohl der Nachfolger des römischen castrum). Eher erst in die zweite Jahrhunderthälfte gehören die Mauern von Aarau (ersterweitert 1257), Stein am Rhein (1265: Dendrodatum eines Adelshofes an der Mauer), Klingnau (1239 ge-
gründet, 1269 Tore erwähnt), Feldkirch (Vorarlberg; 1218 zur Stadt erhoben, Mauer wohl um 1260/70, mit Turm um 1300), Lichtensteig (1271 oppidum seu munitio, Mauer erweitert 1340), Laupen (1275 Stadtrecht), Liestal (1288 civitas, Mauer um 1300 erweitert), das Burgstädtchen Greifensee (1300 „burg unt die stat“), Steckborn (1313 Markterhebung) und Aarburg (nach 1330 ummauert). Größere Reste fehlen in Baden im Aargau (1298 „neue Stadt“, Mauer um 1270?), Altstätten (1298/99 oppidum), von der Erweiterung Aaraus um 1300 und jener von Klingnau, für die 1331 Steine angekauft wurden. Auch die mehr oder minder rechteckigen Anlagen beginnen knapp nach 1200 mit zwei größeren Städten. Diessenhofen erhielt 1178 durch die Grafen von Kyburg das älteste Stadtrecht der Schweiz, in dem ein Drittel der erbenlosen Nachlässe ad municionem villae bestimmt wurden. Das 1215 datierte Haus an der Nordmauer war schon erwähnt worden, 1242 wird ein schon früher infra muros liegendes Kloster erwähnt. Grundrisslich ähnlich, auch in seinem Bezug zur Stadtburg, ist Murten, auf das noch einzugehen sein wird. Kleinere Rechteckanlagen lassen sich dann – was vielleicht kein Zufall ist, sondern eine formale Entwicklung spiegelt – erst in der zweiten 4. Schweiz und Vorarlberg
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Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisen: Waldenburg (1244 civitas; Passsperre unter der Burg), Bregenz (Datierung?), Bischofszell (1248 erwähnt), Eglisau (1254 oppidum mit munitio et porta), Aarberg (gegründet um 1220/25?, erweitert 1271) und Glanzenberg (1257 erweitert, 1267 intra muros, angeblich 1267/68 zerstört). Der geradezu klassische Vertreter des Typus, ein exaktes Rechteck von 256 × 138 m, ist Neunkirch, nach 1260 vom Bischof von Konstanz gegründet, dessen Mauer 1296 erwähnt wird (Abb. 305). Weitere Beispiele bieten das Burgstädtchen Erlach (1264/67 Stadtrecht erweitert), Bludenz in Vorarlberg (Stadterhebung 1259/68, Mauer wohl Ende des 13. Jahrhunderts), die südliche Vorstadt von Laufenburg (um 1270 ummauert), Sursee (um 1256/60), Wiedlisbach (wohl 1275 existent), Unterseen (gegründet 1279/89; Abb. 304), das am Hang unter der Burg liegende und dennoch rechteckige Werdenberg (Mauer 1261/65d, 1289 burgum; Abb. 203). (Alt-)Eschenbach, 1292 ersterwähnt und schon 17 Jahre später von den Habsburgern zerstört, weil ein Herr von Eschenbach an der Ermordung König Albrechts 1308 beteiligt war, bietet einen der eindeutigsten Belege für die Art und Erbauungszeit einer frühen Befestigung: Ergraben sind eine wohl unvollendete, turmlose Mauer und Anfänge einer Grabengegenmauer im Norden (Abb. 58). Weitere Rechteckanlagen des 13. Jahrhunderts sind Willisau (um 1302/03 Stadterhebung), Walenstadt (bestand 1263, 1312 „Untertor“ und Graben erwähnt), Wangen an der Aare (bestand 1267, 1313 „Stadt und Feste“) und die Vorburg von Mülenen, die 1331 als „stetli“ erscheint. Die Merkmale der Befestigungen dieser vielen kleinen Städte sind knapp resümierbar, weil sie einander ebenso gleichen wie die Grundrisse. Die Mauern selbst sind im heutigen Zustand schwer zu beurteilen, weil sie als Hauswände fast immer stark durchfenstert und verputzt sind. Ihre Dicke und Höhe konnte nur selten erfasst werden; Zug etwa besaß mit unten mindestens 1,7 m Dicke und 9–10 m Höhe eine besonders starke Mauer, die noch vor 1200 datiert wird. Ähnliche Höhen treten auch anderswo auf, aber selten ist sicher geklärt, dass es sich nicht um eine spätere Erhöhung handelt. Baumaterial waren fast immer Fluss- oder Moränenkiesel in regelmäßiger Schichtung, im Gebirgsraum auch einmal Bruch32 Topographischer Teil
stein, während Quaderschalen nur selten in den Sandstein-, Molasse- und Tuffregionen der Westschweiz auftreten (Aarberg, Wangen an der Aare, Burgdorf). Gelegentlich sind noch einzelne Zinnen erhalten, etwa in der Thuner Neustadt, in Liestal, Bregenz und Wiedlisbach; im letzten Falle konnte auch ein vorkragender Holzwehrgang erwiesen werden. In Zofingen, einer etwas größeren Stadt, ist mit Quellen belegt, dass die Mauer Ende des 13. Jahrhunderts in einzelnen Baulosen aufgeführt wurde; Verzahnungen sowie der Wechsel der Mauertechnik und der Rüstlochhöhen bestätigen dies. Die Gräben lagen oft einige Meter vor der Mauer – mit einer „Berme“ dazwischen, wie schon bei den Zähringerstädten des 12. Jahrhunderts – und es gab im späteren 13. Jahrhundert weiterhin beidseitig gefütterte Gräben, wie in der Thuner Neustadt, in Rapperswil, (Alt-)Eschenbach und dem kleinen Unterseen belegt werden konnte. Interessanterweise sind hingegen Wälle als Vorgänger der Mauern im 13. Jahrhundert bisher kaum archäologisch nachgewiesen; lediglich Zofingen, das schon 1231 als Stadt erwähnt ist, besaß laut Quellen einige Jahrzehnte einen solchen, ebenso die Vorstädte von Winterthur; in der dortigen Ostvorstadt ist ein mindestens 8 m breiter Wall ergraben, der im Stadtrechtsbrief 1264, aber auch noch 1370 erwähnt wird, und die Westvorstadt wurde 1292 bei einem drohenden Angriff der Zürcher umwallt. Natürlich reicht die Anzahl der Untersuchungen nicht für eine statistisch sichere Aussage, aber man darf erwägen, dass die Seltenheit der Wallbefunde doch auf eine schnelle Ausführung der Mauern nach der Stadtgründung deutet – ein Provisorium war wohl unnötig. Die Tore der kleinen Schweizer Städte des 13. Jahrhunderts waren offenbar in der Regel einfache Mauertore. Dieser Tortypus dürfte ganz allgemein bei frühen Mauern besonders kleinerer Städte häufig vorgekommen sein, ist aber meist durch spätere, aufwendigere Torbauten überlagert worden, sodass diese Aussage Vermutung bleiben muss; in der Schweiz aber gibt es noch bemerkenswert viele Belege, beginnend mit den Zähringerstädten Thun und Burgdorf um 1200. Vollständig erhalten und wichtig ist das Nordtor von Walenstadt (Abb. 142), die beiden Tore von Wiedlisbach („Baseltor“, „Bieltor“) wur-
den 1994/95 ergraben, ebenso jenes von Erlach; beim Südtor von Zug und dem „Untertor“ in Werdenberg ist noch je ein Gewände erhalten. In Feldkirch (Vorarlberg) steckt das spitzbogige, mit Rundstab profilierte Mauertor noch im jüngeren Torturm des „Mühlentores“, und auch der Turm des „Churer Tors“ ist wohl sekundär vorgesetzt. Weitere Mauertore können wir noch durch Abbildungen belegen. Das beginnt im 17. Jahrhundert, insbesondere bei Matthäus Merian, mit Aarau, Greifensee, Klingnau und Stein am Rhein („Brückentor“), setzt sich im 18. Jahrhundert mit Eglisau („Rheintor“ und „Obertor“) und Unterseen (1790) fort und dokumentiert solche Tore schließlich im 19. Jahrhundert in Lichtensteig („Untertor“, 1825) und Uznach („Obertor“). Zu diesen sicheren Mauertoren kommt eine nicht geringe Anzahl von Verdachtsfällen, etwa in Bregenz (Vorarlberg) das (1597–1600 erneuerte) „Berntor“ und wohl auch das „Murtentor“ in Laupen, vielleicht das ursprüngliche „Obertor“ von Willisau (das später schwer interpretierbar verändert wurde). Letztlich ist aber die Anzahl der Verdachtsfälle früher Mauertore noch weitaus größer, wenn man nämlich die zahlreichen erhaltenen Tortürme des 14.–16. Jahrhunderts bedenkt (vgl. unten), die wahrscheinlich im Regelfalle auch Mauertore ersetzt haben, von denen sie freilich keine eindeutigen Reste hinterließen. Aus gutem Grunde fehlt in der bisherigen Darstellung der Schweizer Entwicklung ein Phänomen, das in manch anderer Region im 13. Jahrhundert durchaus ein wichtiges Thema wäre: das der Mauertürme. Tatsächlich fehlen solche, jedenDas Aufkommen der Türme im späteren falls als gesicherte Bestand13. Jahrhundert teile der ersten Bauzeit, den meisten Schweizer Mauern des 13. Jahrhunderts; das gilt für die kleinen Gründungsstädte so gut wie immer, aber oft auch für größere Städte. Türme treten auch in der Schweiz zuerst als Tortürme auf; deren früheste Vertreter, ab der Zeit um 1220/30, in Bern, Basel, Zürich und Luzern waren schon genannt worden, ebenso jene in den ersten Stadterweiterungen von Bern (1255–65) und Freiburg (1277–80); außerhalb dieser großen Städte fehlten Tortürme bis 1300 offenbar fast völlig. Dem Nordtor von Zug wurde im späteren 13. Jahrhundert ein zunächst nur
dreigeschossiger, seitlich mit Strebepfeilern versehener Torturm als Schale vorgesetzt. Weitere Fälle bleiben Vermutung; so besaß jedenfalls die erste Mauer von Aarau östlich einen Torturm noch des 13. Jahrhunderts, da an dieser Seite schon um 1300 eine Vorstadt ummauert wurde, neben deren Südtor wiederum ein Turmstumpf mit Eckbuckelquadern steht. Vor 1300 könnten auch die erhaltenen niedrigen Schalentürme des Laupener „Freiburgtores“, des „Zeitglockenturmes“ in Wangen an der Aare und ein breiter Turm in Winterthur Beispiele sein; schließlich mag man in Glanzenberg über dem ergrabenen Grundriss des Nordtores einen Turm rekonstruieren. Bei diesen wenigen, meist unklaren Fällen bleibt es jedoch, was die These des bis gegen 1300 vorherrschenden Mauertores nochmals bestätigt. Keine Mauertürme im eigentlichen Sinne waren die Wohntürme oder Steinhäuser, die – meist nur noch an Eckverbänden aus (Buckel-)Quadern erkennbar – in manche Mauern einbezogen waren, in der Regel an einer Ecke (Arbon, Sempach, Wangen, Wiedlisbach, Rapperswil: „Brenyturm“), aber gelegentlich auch im Mauerverlauf (Stein am Rhein: „Pulverturm“). Hier dürfte es sich um Adelssitze handeln, die von einem Vogt oder Schultheißen bewohnt wurden; das besterhaltene Beispiel ist der Sempacher „Hexenturm“, der schon ursprünglich Rechteckfenster besaß und bei einer Erhöhung im 14. Jahrhundert sogar ein Maßwerkfenster erhielt (Abb. 306). Solche Türme waren im Grundsatz Übergangsformen zu echten Stadtburgen, die ja in der Schweiz auch häufig die Form von (Wohn-)Turmburgen besaßen. Deutlich wird dies etwa in Kaiserstuhl oder Brugg/Aare, vor allem aber bei den in dieser Zeit häufigen, oft die Dimensionen einer Vorburg kaum überschreitenden Burgstädten wie Diessenhofen, Erlau, Eschenbach, Feldkirch, Frauenfeld, Greifensee, Laufenburg, Mülenen, Rapperswil, Regensberg und Werdenberg. Ein Sonderfall turmartiger Verstärkung sind schließlich noch Kirchen bzw. deren Türme. In Brugg/Aare steht der Kirchturm, mit Eckbuckelquadern und einer hohen Schlitzscharte, in der Mauerflucht, in Eglisau gilt dasselbe für die gerade, wohl auch turmflankierte Chorwand der ursprünglichen Kirche. Der interessanteste Fall ist jedoch Greifensee, wo die Kirche im zweiten 4. Schweiz und Vorarlberg
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Drittel des 14. Jahrhunderts mit ungewöhnlichem Dreieckgrundriss an die Mauer gesetzt und im 15. Jahrhundert (nach 1444?) nochmals erhöht und über den Gewölben mit Maulscharten ausgestattet wurde. Echte Mauertürme – die also allein der Verstärkung dienten, keine Sonderfunktion wie Tor, Adelssitz oder Glockenturm hatten – waren vor dem 14. Jahrhundert in der Schweiz seltene Ausnahmen. Von Zürich und Luzern abgesehen, sind insgesamt nur wenige Stadtmauertürme erhalten und von diesen dürften noch weniger im 13. Jahrhundert entstanden sein. Das gilt etwa für den quadratischen „Römerturm“ in Biel mit seinem sorgfältig geschichteten Mauerwerk oder für zwei quadratische Türme der Mauer von Arbon, das 1255 Stadtrecht erhalten hatte; der „Diebsturm“ in Stein am Rhein ist auf 1319 dendrodatiert. Sind damit die quadratischen Türme bereits aufgezählt, so gibt es daneben eine etwas größere Gruppe von halbrunden Mauertürmen, die wahr-
Abb. 306 Sempach, der „Hexenturm“ war ein Wohnturm, der zugleich die Ecke der Stadtbefestigung schützte; das Maßwerkfenster gehört zu einer Erhöhung im 14. Jh.
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scheinlich französisch beeinflusst ist. Darauf deutet nicht nur der Vergleich mit weiteren Burgen und Stadtmauern des 13. Jahrhunderts am Westrand des deutschen Sprachraumes, sondern besonders die Lage der betreffenden Städte in der Westschweiz, nahe Savoyen, wo sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine bedeutende Gruppe französisch geprägter, das heißt mit Rundtürmen versehener Kastelle herausgebildet hatte. Der früheste und besonders interessante Fall ist hier Murten (Morat), das 1238 durch Konrad IV. eine vierjährige Steuerbefreiung und weitere Einkünfte erhielt, um eine Mauer zu bauen, die unten sechs Fuß stark sein sollte (1,80 m), oben vier Fuß (1,20 m) und zuzüglich Brustwehr nur zwölf Fuß (3,60 m) hoch; die Bürger sollten sie künftig instand halten. Die Mauer des mittleren 13. Jahrhunderts aus gut geschichteten Moränenkieseln ist im Unterteil der heutigen Mauer partienweise gut erhalten (Abb. 209); drei kleine Halbrundtürme (südöstlicher Eckturm, „Pfaffenturm“, „Kleiner Schimmel“) dürften noch in dieselbe Bauzeit gehören und man darf annehmen, dass weitere gleicher Art durch spätere Türme ersetzt wurden. Um 1260 dürfte, nach einem Baubefund und einem Dendrodatum, die später erhöhte Mauer von Kaiserstuhl entstanden sein, mit dem „Oberen Turm“ an der bergseitigen Spitze, zwei quadratischen Türmen an den rheinseitigen Ecken und ehemals zwei Halbrundtürmen im Westen, von denen der erhaltene eine Schlitzscharte aufweist. Unter der Burgdorfer Oberstadt, die schnell durch eine Erweiterung mit der Burg und dem „Alten Markt“ verbunden worden war, entstand um 1276(d) eine rechteckige Unterstadt, die mindestens eine Halbrundschale und einen Torturm („Wynigentor“, mit Buckelquadern) besaß; einzelne Häuser wurden mit der Mauer erbaut. Zur Gruppe der Mauern mit Halbrundtürmen gehört auch Solothurn, das – zuvor wohl nur durch die römischen Kastellmauern geschützt – im mittleren bis späten 13. Jahrhundert weiter ummauert wurde; die 7–8 m hoch erhaltene, nachträglich erhöhte und veränderte Mauer besaß einige wahrscheinlich ursprüngliche, mit gebuckelten Tuffquadern verkleidete Halbrundschalen, von denen vier erhalten sind (auch der Unterbau des „Bieltores“, in Buckelquadern, könnte so alt sein). Wichtige Bei-
spiele dieser formalen und zeitlichen Gruppe sind schließlich auch der „Finsterwaldturm“ und der „Diebsturm“ in Schaffhausen; dendrochronologisch auf 1283 bzw. 1296 datiert, gehören sie offenbar zu eine Systematisierung der damals schon alten Mauern, zu der auch eine rheinseitige Erweiterung („Neustadt“, 1299) und eine Erhöhung auf 8 m gehört. Ähnliches geschah in Basel, wo Halbrundtürme der Mauer des früheren 13. Jahrhunderts sekundär angefügt wurden, teils offenbar auch zu repräsentativen Wohnzwecken anstoßender Häuser mitgenutzt, wie Ausmalungsreste andeuten. Einige verschwundene Mauern gehörten wahrscheinlich zur gleichen, „französischen“ Gruppe des 13. Jahrhunderts, jedoch könnten ihre Türme auch jünger gewesen sein. Hier ist besonders Biel zu nennen, wo nicht nur die erste Mauer drei Halbrundtürme, sondern auch die 1295 abgeschlossene erste Erweiterung einen weiteren und einen runden Eckturm besaß. Auch Büren an der Aare (Bestätigung der Handfeste 1288) und die um 1300 befestigte Thuner Vorstadt „Bälliz“ besaßen Rund- und Halbrundtürme; in Thun ist ein Turm mit nur 3 m Radius ergraben. Um 1330 endet die Zeit der schweizerischen Stadtgründungen abrupt; zwar entstehen bis in die 1380er Jahre noch wenige Städtchen neu, aber sie gehören zu den kleinsten des Landes und bereichern auch unser Bild der Stadtbefestigungen nicht mehr wesentlich. Gleichzeitig aber werden etliche größere Städte erweitert, teils zum zweiten oder gar dritten Mal; diese Entwicklung, die Das 14. Jahrhundert in Bern, Freiburg, Thun, Laufenburg, Burgdorf und Winterthur schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eingesetzt hatte, weist darauf hin, dass zwar die Erschließung des Landes einen gewissen Abschluss erreicht hatte, nicht aber das Wachstum der echten Zentren. Eine dritte Entwicklung, die im 14. Jahrhundert ein- und sich bis ins 16. Jahrhundert fortsetzte, war die Verstärkung der sehr schlichten Erstmauern durch Tor- und Mauertürme. Von den neu errichteten Mauern jener Phase zeigen noch Nidau (ersterweitert 1338), Lenzburg (Ersterweiterung 1241, Mauerbau ab 1376), Bülach (Stadtrecht 1384; die letzte Urkunde dieser Art in der Schweiz) und Maienfeld (spätes 14.
Jahrhundert?) nennenswerte Reste. Auch an die Mauern dieser späten Kleinstädte sind weiterhin Häuser angebaut; in Lenzburg konnte erwiesen werden, dass die Mauer zunächst nur 5,1 m hoch begonnen und dann – wohl ab 1387 – auf 8 m erhöht wurde. Türme treten hier in immerhin zwei von vier Fällen auf; Nidau besitzt einen quadratischen und einen runden Eckturm, in Maienfeld wurde eine Art frei stehende „Schildmauer“ auf der Mauerkrone erwiesen, die entweder einen Turm vortäuschte oder tatsächlich dessen Rest ist(?). In Bürgeln und Fürstenau (Stadtrecht 1354) sind kaum Mauerreste erhalten; das Letztere ist eher eine große Burg mit Ministerialensitzen, bei der der Ausbau zur Stadt offenbar stecken blieb. Die rechteckige Mauer von Elgg (Stadtrechte 1370/71) ist verschwunden und besaß nur Mauertore – als sei sie anderthalb Jahrhunderte älter. Das Dorf bei der Kyburg hatte im 14. Jahrhundert wohl Mauern; eindrucksvoll erhalten sind nur die doppelten Wallgräben der Angriffsseite. In der Mitte und zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden die vier damals wohl wichtigsten Städte der Schweiz erweitert: Bern, Freiburg, Basel und Luzern. Erst in diesen Erweiterungen – die äußere Mauer von Basel (1361/62–1398) mit meist halbrunden Türmen ist schon dargestellt worden (Abb. 301) – wurden Mauertürme konsequent eingesetzt, wenn auch in recht unterschiedlichen Formen. Die nach 1367 mit dem „Lueginslandturm“ begonnene und etwa 1420 vollendete „Museggmauer“ in Luzern folgt einem einfachen, aber durch bauliche Klarheit und landschaftliche Lage eindrucksvollen Konzept (Abb. 307). Neun hohe quadratische Türme akzentuieren die Mauer in regelmäßigen Abständen. Sie sind stadtseitig durch (sekundäre) dünnere Mauern geschlossen und besitzen im ehemals obersten Geschoss Rechteckfenster; darüber folgten – bis zu verschiedenen Veränderungen der oberen Abschlüsse – ein gegen Osten fallendes, seitlich durch die Mauer entwässerndes(!) Pultdach und erst darüber die Zinnen über einem doppelt vorgekragten Stichbogenfries. Der „Zytturm“ von 1403 wurde von Anfang an mit einer Uhr versehen. Schon vor der „Museggmauer“ war auch der Einfluss der Reuss gesichert worden, zunächst durch den achteckigen, frei im See stehenden 4. Schweiz und Vorarlberg
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„Wasserturm“; die schlanken, rechteckigen Doppelfenster und die Eckbuckelquader passen durchaus zur Dendrodatierung des Obergadens auf (bald nach) 1339 (Abb. 71). Wohl um 1362– 65 wurde der Turm durch die (nach Brand 1993 rekonstruierte) lange „Kapellbrücke“, die damit als eine Lückenschließung der Befestigung erscheint, mit den Stadtmauern beidseitig des Flusses verbunden. Die Mauer der 1344–46 erstmals bezeugten zweiten Westerweiterung von Bern – sie verschwand im 19. Jahrhundert – besaß neben vier Tortürmen elf Schalentürme, von denen die größeren gegen die Angriffsseite u-förmig waren, die kleineren über den Steilhängen rechteckig. Zwei der Tortürme, „Christoffel“ und „Golattenmatttor“, waren anfangs querrechteckige, ungewöhnlich niedrige Bauten; dieselbe Form zeigte auch das (gleichzeitige?) „Baslertor“ in Luzern. Das vielfältigste Wachstum zeigte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts jedoch Freiburg, wobei die nicht genau datierbaren Vorstadtmauern in und über der Saaneschlucht stark durch die ungewöhnliche Landschaft geprägt sind. Für die Mauern der „Neustadt“ und noch mehr der
Abb. 307 Luzern, in der „Eidgenössischen Chronik“ des Diebold Schilling (1511–13) wird die Stadt von der Seeseite her dargestellt. Man sieht links die Kapellbrücke mit dem achteckigen Wasserturm (vgl. Abb. 71), dahinter in der Stadt mehrere Türme der älteren Stadtmauer und darüber die Museggmauer (um 1370–1442), die fast unverändert erhalten ist.
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„Planche“, eines zweiseitig abstürzenden Felsrückens über der Vorstadt „Obere Matte“, genügten einfache Mauerzüge mit Tortürmen und der Brückenkopf um das „Berner Tor“ und den (fraglos nicht romanischen) „Roten Turm“ ist durch den steilen Abhang über der zu schützenden Brücke geprägt. Den Abschluss der Erweiterungen bildete die Erweiterung auf der Hochfläche gegen Norden und Westen, die 1392 beschlossen und bis 1416 ausgeführt wurde. Die erhaltenen Teile der letzten Phase – „Berntor“ (um 1370–1400?) und „Murtentor“ (1410–14, Nicolet Girard), „Tour Henri“ (1411–13, Meister Terri) und „Vierpfundturm“ (1411–14, Nicolet Girard) – bestechen durch ihr hervorragendes Molassequaderwerk und die Schlichtheit der Baukörper; charakteristisch sind vor allem die Schießfenster mit Konsolstürzen und die hinter den Wehrgängen verschwindenden Pultdächer der Türme (vgl. Luzern). Der durch Wurferker gesicherte Bachdurchlass im Galterntal (Abb. 160) gehört zu den besten Beispielen seiner Art. Die Wirtschaftskraft reichte im 14. Jahrhundert (und noch im 15. Jahrhundert) auch bei einigen mittelgroßen bis kleinen Städten für die Ummauerung von Vorstädten, wovon aber nur wenig erhalten ist. 1347 wird ein „äußeres Tor“ in Rapperswil erwähnt und ebenfalls im 14. Jahrhundert eine porta iuxta turrim. Dies belegt die östliche Vorstadt, deren Osttor durch den quadratischen „Brenyturm“ des späten 15. Jahrhunderts flankiert wird, den Teil eines Adelssitzes; die Mauer der gleichaltrigen(?) Südvorstadt ist verschwunden. Das ältere Dorf in der Reussschleife unter Bremgarten wurde wohl im mittleren 15. Jahrhundert durch eine lange Quermauer (und das Brückentor) geschützt, die in einer Erhöhung des 15. Jahrhunderts noch die ursprünglichen Zinnen zeigt. Diessenhofen erlitt 1331 und 1371 zwei Brände, auf die verschiedene Hilfen des Kaisers und der Habsburger folgten (Schenkungen aus dem Zoll, Leistungsbefreiungen). Nach dem zweiten Brand wurde bis 1375 eine Stadterweiterung im Osten und am Rheinufer ummauert; 6,5 m hohe Mauerreste mit Zinnen sind erhalten und der Stumpf eines quadratischen Eckturms am Rhein. 1375 sollte noch ein Erker („ärger“) auf der Mauer entstehen, 1391 erst der Wehrgang im Osten! Verschwunden sind die Mauern der Erweiterungen von Biel (Mitte des
Abb. 308 Die Talsperre bzw. Letzi am Morgarten entstand wohl 1322 als Schutz der Täler um Schwyz; in dieser Gegend hatte offenbar sieben Jahre zuvor die erfolgreiche Abwehr gegen einen habsburgischen Raubzug stattgefunden. Die Mauer stand auf einem natürlichen Felsgrat, der verschwundene Durchlass nutzte dessen Lücke und wurde durch den Turm geschützt.
14. Jahrhunderts) und von Baden im Aargau (um 1360). Neben der Anfügung ganzer befestigter Stadtteile gab es im 14. Jahrhundert gelegentlich auch Verstärkungen durch einzelne Tor- und Mauertürme. Darin zeigt sich, vor dem Hintergrund der turmlosen schweizerischen Mauern des 13. Jahrhunderts, ein Bedürfnis nach Verbesserung des Standards, ausgelöst durch überregionale Entwicklungen, direkter aber wohl durch Mauern wie in Zürich, Basel oder Bern. Vor diesem Hintergrund fällt aber eher noch mehr auf, wie selten die Turmneubauten auch im 14. Jahrhundert blieben. Und, wenn man vorsichtigerweise annimmt, dass ein Teil jener Türme, die oben noch ins 13. Jahrhundert gesetzt wurden, in Wahrheit erst im 14. Jahrhundert entstanden sind (Arbon, Stein, Biel, Büren?), würde sich die gesamte Entwicklung noch deutlicher ins Spätmittelalter verlagern; die wenigen Türme der Phase von etwa 1360 bis 1400 würden dann als zögerlicher Auftakt einer „Turmbauwelle“ des 15. Jahrhunderts gelten müssen, die letztlich erst durch die Entwicklung der Feuerwaffen wirklich in Bewegung kam. 1370 ist der stattliche, wohl vor 1362 erbaute „Schwabentorturm“ in Schaffhausen als „Neuturm“ erwähnt; er wurde leider im 15./16. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert stark verändert. In Schaffhausen wurde etwas später und bis ins 15. Jahrhundert auch die Mauer erhöht (auf 11,5 m!), wurden Türme aufgestockt („Diebs-
turm“ 1381, „Finsterwaldturm“ Mitte des 15. Jahrhunderts, Turm am „Obertor“ 1491) und wurde vielleicht auch der Mauerzug auf den Hügel des späteren „Munot“ überhaupt erst errichtet(?); von den dortigen Türmen ist der hohe rechteckige „Römerturm“ erhalten. Der „Schwabentorturm“ ist der einzige Bau, der an die Tortürme der gleichzeitig errichteten äußeren Mauerringe von Basel, Freiburg oder Bern heranreicht; übertroffen wird dieser Standard noch durch den aufwendigen, in der Schweiz einzigartigen Repräsentationsbau des Baseler „Spalentores“ (Abb. 128). Ins 14. Jahrhundert gehören auch die beiden erhaltenen, querrechteckigen Tortürme in Rheinfelden, mit unregelmäßigen Buckelquadern an den Ecken, die auch erst ins 15. Jahrhundert gehören könnten. Nicht allzu lange vor 1437, als die Ummauerung der davorliegenden Vorstadt begann, dürfte der Torturm („Zeitglocken“) in Bischofszell entstanden sein, bei dem das mit einem Rundstab profilierte Spitzbogentor auffällt; ähnlich wird man den verschwundenen Turm des „Untertors“ von Uznach einordnen. Auch Mauertürme blieben in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts weiterhin selten. In Murten entsteht wohl Mitte des 14. Jahrhunderts der quadratische „Rote Turm“, offenbar als erster Neubau nach der Errichtung der Mauer. Für Zofingen ist durch eine Handfeste Rudolfs IV. von Habsburg belegt, dass 1361/63 nicht nur (verschwundene) Tortürme errichtet wurden, 4. Schweiz und Vorarlberg
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sondern auch Mauertürme. Erhalten ist der quadratische Pulverturm an der Ostecke in Molassebuckelquadern; ohne seinen umlaufenden Wasserschlag könnte er auch ein Jahrhundert älter sein. Ferner gibt es drei umgebaute Rundtürme (und den Rest einer Tourelle?); auffällig ist freilich deren unterschiedliches Mauerwerk – flache Buckelquader und geglättete Brocken –, was wohl doch auf eine längere Ausbauphase deutet. Um 1368 sei der verschwundene „Grüne Turm“ in St. Gallen erbaut worden, ein Rundturm, der eine polygonale Wehrplatte besaß. In Laufenburg sind Tore und Türme ab 1383 belegbar; der mit Umbauten des 16. Jahrhunderts wohlerhaltene quadratische „Schwertlinsturm“ mit Eckbuckelquadern dürfte knapp zuvor entstanden sein. Auch der „Diebenturm“ in Sursee dürfte ins spätere 14. Jahrhundert gehören, obwohl er als Neubau von 1682/83 gilt. In Chur („Malteserturm“) und Diessenhofen („Thüerenturm“) findet man schließlich Türme, die unverkennbar sekundär hinter und auf eine stumpfe Ecke der Mauer gebaut wurden. Eine schweizerische Sonderform des 14./15. Jahrhunderts, die nicht städtisch war, aber hier des Zusammenhanges halber erwähnt sei, waren die „Letzinen“. Dabei handelte es sich um eine regionale Form der Landwehren (vgl. Band 1, Kapitel 2.2.12.), die insbesondere in den städtelosen Tälern des Alpenrandes auftrat. Die verstreut in Dörfern und Einzelhöfen lebende, aber sozial organisierte Bewohnerschaft – die „Eidgenossenschaft“ entstand als Gruppe solcher Talschaften – sicherte sich, indem sie die engen, nicht umgehbaren Taleingänge durch eine Sperrmauer oder ein entsprechendes Holz-Erde-Werk verschloss (Abb. 308). Ähnlich den Stadtmauern war auch hier die pure Mauer der Normalfall, zu der nur selten Türme als Verstärkung hinzutraten, am ehesten noch in Form eines adligen Wohnturmes oder gar einer überhöhenden Burg. In der Verbindung einer durchorganisierten, politisch zur Unabhängigkeit tendierenden Bewohnerschaft mit einer kollektiven Befestigung lag die Ähnlichkeit zur zeitgenössischen Stadt. Ähnliches war auch anderswo gelegentlich anzutreffen, etwa im Rheinland. Eine städtische Landwehr im eigentlichen Sinne scheint in der Schweiz aber nur in Schaffhausen belegbar, zuerst 1379. 38 Topographischer Teil
Im 15. Jahrhundert entstand in der Schweiz keine Stadt mehr neu, aber Stadterweiterungen wurden nach wie vor befestigt. Die ab etwa 1360 feststellbare Tendenz zur 15. Jahrhundert, TorAnfügung von Tortürtürme und Mauertürme men an bestehende Mauern hält an – auch im gesamten 16. Jahrhundert – und das gilt ebenso für die Türme, deren Anzahl sich aber weiterhin in engem Rahmen hält. Eine häufige Entwicklung, die im späten 14. und 15. Jahrhundert jedenfalls ihren Höhepunkt erreichte, war zudem die Erhöhung der Mauern, die durch die Bauforschung fassbar, aber selten eng datierbar ist; als Beispiele des späten 15. Jahrhunderts seien Solothurn, auch Murten, wo der Oberbau in Molassequadern sich von der Mauer des 13. Jahrhunderts und zwei älteren Erhöhungen deutlich abhebt (Abb. 209), oder Zug genannt; Ähnliches wurde schon für Schaffhausen, Lenzburg und Bremgarten erwähnt und die Beispiele werden mit weiterer Bauforschung noch zunehmen. Neben solch eher konservativen Maßnahmen – mehr Türme und höhere Mauern – vermisst man im schweizerischen 15. Jahrhundert die Einflüsse der Artillerie noch weitgehend. Kaum einer der neuen Türme tendiert zur Rondellform, die Zwinger bleiben eher selten und arm an Streichwehren. Von den Ummauerungen der Vorstädte blieben fast überall nur geringe Reste erhalten. Wohl in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde die Solothurner Vorstadt südlich der Aare ummauert; ihre Mauer zeigt noch Scharten in Stehhöhe – das wohl einzige Beispiel in der Schweiz. Der fünfeckige „Krummturm“ wurde auf älterem Sockel 1462/63 erhöht und zeigt in diesem Teil verschieden variierte Schlüsselscharten; der rustizierte, aufwendige Turm des „Berntors“ ist leider abgebrochen. Auch von der ringförmigen Westerweiterung von Aarau zeugen nur noch das verbaute „Haldentor“ mit zwei Schlüsselscharten und der veränderte „Pulverturm“; beide gehören eher ins 15. als ins späte 14. Jahrhundert. Kaum mehr als der quadratische „Müseggturm“ zeugt noch von der zweiten Ostvorstadt von Rapperswil (Mitte des 15. Jahrhunderts). Die Mauer der Vorstadt von Bischofszell, angeblich nach den Appenzeller Kriegen 1437 neu befestigt, ist in den Häusern verbaut und die noch 1490 unvollendete Mauer der „Irer Vorstadt“ von
St. Gallen mit rechteckigen und halbrunden Streichwehren ist ganz verschwunden. Letzte Vorstadtummauerung der Schweiz war jene am Nordufer der Aare in Brugg, 1522–25 als ungefähres Rechteck mit runden Ecktürmen ausgeführt; Westmauer und „Farbturm“ zeigen noch Schlüssel- und Maulscharten. Ein Sonderfall ist Zug, wo 1435 ein erheblicher Teil der Altstadt in den See rutschte. Der „Chaibenturm“, anfangs ein steinernes Wohnhaus, wurde 1438/39, in Fachwerk, zum zweiten Mal erhöht, als seeseitiger Eckturm der Mauer. Schwer erklärlich ist dagegen die Erhöhung der Contrescarpe des Stadtgrabens zur Zinnenmauer ohne Wehrgang, belegt durch eine Ansicht von 1547; neben einem Irrtum des Zeichners muss man hier auch repräsentative Absichten in Betracht ziehen (auch die Burg in Zug hat eine solche Mauer). Jedenfalls vor 1530 – schon bald nach 1435(?) – begann man jedoch mit einer weit gespannten äußeren Stadtmauer, der wohl bemerkenswertesten der Schweiz im Spätmittelalter. Ihre schnurgeraden Kurtinen mit noch immer gezinnten Wehrgängen wurden durch sechs turmartige Rondelle an den Knickstellen flankiert (Abb. 205, 309). Die vier erhaltenen besitzen Wasserschläge und hohe Spitzdächer, Pforten in jedes Geschoss und rechteckige Maulscharten; der südliche, besonders starke „Pulverturm“, der wenig später um zwei Geschosse aufgestockt wurde, ist an einer Scharte „1522“ datiert. Dendrochronologisch von 1436 stammt ein erst jüngst untersuchter, schalenförmiger Torturm in Aarberg, mit Zugbrücke (der sicher nicht zu einer Lände führte, sondern das Haupttor der Stadt war). Nicht näher datierbare Torturmfundamente mit Schlitzen für die Schwungbalken von Zugbrücken wurden auch in Wiedlisbach ergraben („Baseltor“, „Bieltor“); sie wurden sekundär hinter bzw. vor Mauertore des 13. Jahrhunderts gesetzt. Einer der schönsten Tortürme der Schweiz ist der laut Wappenschild „1441“ anstelle eines Vorgängerbaues begonnene Turm des „Bruggertores“ in Baden (Rudolf Murer, 1448 vollendet); seine unteren vier Geschosse mit Eckbuckelquadern sind vor allem durch profilierte Rechteckfenster charakterisiert, unter denen ein gestaffeltes, dreiteiliges im ersten Obergeschoss die Anlehnung an den Bürgerhausbau unterstreicht. Sein eindrucksvolles Gesamtbild ent-
stand aber erst durch die Aufstockung 1481–83 (Martin Grülich und andere) mit ihren polygonalen Eckerkern und Schlüsselscharten (Abb. 310). „1544“ stark verändert ist das „Lenzburger Tor“ von Mellingen, ein Torturm von 1436–50, dessen rundbogiges Außentor vielleicht noch aus der Bauzeit der Mauer stammt. Das „Obere Tor“ in Liestal, ein geputzter Torturm, gibt sich durch seine Öffnungen, vor allem durch Kielbogenblenden zweier Fenster, als spätgotischer Bau zu erkennen und ähnlich ist aufgrund seines rundbogigen, gefasten Tores der sehr verbaute Torturm in Wil einzuschätzen. Der 1472 erbaute Torturm des „Untertores“ von Neunkirch ist leider zerstört. Dass gegen oder um 1500 Tortürme schon aus der Mode kamen – zumindest, wenn fortifikatorische Aspekte ernst genommen wurden –, zeigt ausnahmsweise das Feldkircher „Mühletor“ (Vorarlberg), das die Form eines breiten Giebelhauses mit Schlüssel- und Maulscharten in vier Geschossen besitzt; ähnliche Torbauten findet man im nahen Bludenz. Abb. 309 Zug, der ab 1522 erbaute „Pulverturm“, eines von vier turmartigen Rondellen der äußeren, regelmäßig um die stark erweiterte Stadt gespannten Mauer.
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Abb. 310 Baden im Aargau, das „Bruggertor“ wurde, anstelle eines älteren Tors, 1441–48 zunächst viergeschossig erneuert, wie die Eckbuckelquader andeuten, dann 1481–83 erhöht.
Vor allem im 14. Jahrhundert hatte es neben runden Mauertürmen in der Schweiz auch quadratische oder Rechtecktürme gegeben, ohne dass sich eine Regel dafür erkennen ließe; am ehesten kann man sagen, dass die stärkere Konzentration der Rundtürme in der Westschweiz deren Herkunft aus dem 13. Jahrhundert unterstreicht. Im 15. und 16. Jahrhundert setzen sich dann die Rundtürme – die kaum je enger datierbar sind (Ausnahme: Zug, Feldkirch) – so gut wie vollstän40 Topographischer Teil
dig durch, wie praktisch im gesamten deutschen Raum im Gefolge der Feuerwaffen. Ein kleiner quadratischer Turm an der Ostseite von Steckborn, der eine rechteckige Maulscharte und unter dem Dach ein vorspringendes Blockwerkgeschoss mit liegenden Schlitzscharten zeigt, ist sicher ein Bau des 14. Jahrhunderts. Wie Mauertürme nach und nach hinzugefügt wurden, zeigt besonders anschaulich das umfassend erhaltene Murten, wo die bescheidenen Rundtürme des mittleren 13. Jahrhunderts ab der Mitte des 14. Jahrhunderts durch größere Türme ersetzt wurden. Der älteste ist, nach nicht ganz eindeutigen Dendrodaten, der noch quadratische „Rote Turm“ aus dem mittleren 14. Jahrhundert; etwas jünger dürfte der relativ hohe Halbrundturm „Tournaletta“ sein. Alle übrigen Türme aber – und diese sind, mit Ausnahme des weit vorspringenden, eine Pforte sichernden „Großen Schimmels“, alle halbrund und relativ niedrig – gehören erst in die Zeit um 1470–1523. Die Mehrheit („Pulverturm“, „Großer Schimmel“, „Neuer Turm“, „Schaalturm“ und ein namenloser Turm nahe der Burg) gehört dabei zum Wiederaufbau nach der Beschießung durch Karl den Kühnen 1476; sie werden wie der oberste Teil der Mauer durch gutes Molassequaderwerk charakterisiert (eine neue Datierung dieses Bauabschnitts ins späte 14. Jahrhundert überzeugt nicht). Die Ecken der Bremgartener Unterstadt wurden nach Quellen um 1407–15 durch zwei hohe Rundtürme gesichert, von denen zumindest der nördliche frei vor der Mauer steht („Hexenturm“, „Kesselturm“). Sie zeigen hoch gelegene Spitzbogenpforten mit Buckelquadergewände und, nachträglich eingesetzt, Maulscharten und verschiedene Abarten großer Schlüsselscharten, schließlich Stichbogenfenster an der Wehrplatte; der ähnliche, fast rechteckige „Meissturm“ (erwähnt 1415), frei stehend vor der Südostecke der Oberstadt, und ein zerstörter an der vierten Ecke vervollständigten ein recht aufwendiges Konzept. Zwei hohe, schlanke Rundtürme, allerdings nur mit Schlitzscharten, gab es auch in Mellingen, wo nur einer erhalten ist. Das Nebeneinander der Konzepte um 1500 – hoher Turm und niedriges Rondell – zeigt besonders deutlich Feldkirch (Vorarlberg). Gegen einen Berg vor der Westseite wurde 1491–1507 der „Katzenturm“ erbaut, mit Maulscharten für Hakenbüchsen in
acht Geschossen (Abb. 311), während „Wasser-“ und „Pulverturm“ Halbrondelle mit Schlüsselschartenformen sind. Stümpfe eines halb- und eines vollrunden Rondells findet man auch im nahen Bludenz sowie verbaut an der Südostecke von Bregenz. In Stein am Rhein zeigt der erhaltene „Chretzeturm“ eine ähnliche Form, mit einer getreppten, rechteckigen Maulscharte; ein Gegenstück ist zerstört. Im deutschsprachigen Teil der Schweiz kamen umlaufende Zwinger durchaus vor, ebenso wie Torzwinger, aber sie sind nicht häufig, eher bescheiden gestaltet und in den wenigsten Fällen datierbar. Auffällig ist besonders, dass selbst große Städte wie Basel, Zürich oder Luzern auf dieses anderswo so verbreitete Mittel verzichteten; Freiburg schuf einen turmlosen Zwinger nur 15. Jahrhundert, Zwinger und Torzwinger vor einer kurzen Partie seiner letzten, westlichen Mauer. Zürich besaß – im Hügel- und Gebirgsland die Ausnahme – an seiner flachen Westseite einen Außenwall mit gemauerter Brustwehr, ähnlich Schaffhausen und Kleinbasel. Das besterhaltene Beispiel eines beidseitig mauergestützten Außenwalles bietet heute Sursee. Schon der erste Westgürtel Berns aus dem späten 12. Jahrhundert und ebenso der zweite, wohl 1256 begonnene besaßen jeweils einen „äußeren Mauerzug“, von denen allerdings kaum Reste bzw. Grabungsergebnisse vorliegen. Wären diese Mauern bereits wehrhaft gewesen (Überragen der Berme, Wehrgang), so gehörten sie zu den ältesten Zwingern des deutschen Raumes. Eben für diese Wehrhaftigkeit fehlt aber bisher der Beleg; wahrscheinlicher sind in beiden Fällen unbewehrte Grabenstützmauern, die den weit vor der Mauer liegenden Graben unzugänglicher machen sollten. Hier sei daran erinnert, dass sehr breite „Bermen“ zwischen Mauer und Graben in der Schweiz seit den Zähringerstädten des 12. Jahrhunderts häufig waren und dass Zwinger hier also, ohne großen Aufwand, einfach durch den Ausbau des inneren Grabenhanges mit Mauer und Wehrgang entstehen konnten; für Bremgarten und Zofingen im Aargau ist dies durch Grabung nachgewiesen. Streichwehren waren bei den schweizerischen Zwingern grundsätzlich selten. Das einzige Beispiel, das sich mit Bauten weiter nördlich, etwa
in Franken oder Schlesien, messen konnte, war die verschwundene Mauer der dritten Westerweiterung von Bern (1344/46). Sie erhielt fraglos um 1490 einen Zwinger mit wohl sieben halbrunden Streichwehren; der Rest einer solchen, aus Tuffquadern und mit Schlüsselscharte, wurde 1972/75 freigelegt. Am ehesten kam dem Zofingen nahe, wo der gleichfalls verschwundene Zwinger mit vier Streichwehren ab 1442 etappenweise entstand. Auch in Chur ist der Zwinger nur über Abbildungen noch fassbar; zu ihm dürfte jedoch der erhaltene „Sennhofturm“ gehört haben, ein Rondell des 16. Jahrhunderts mit Abb. 311 Feldkirch, der „Katzenturm“, erbaut 1491–1507, ist das Beispiel eines Turmes aus dem Artilleriezeitalter, der noch hoch gebaut wurde, um mit seinen zahlreichen Scharten das Vorgelände besser beherrschen zu können (F. Böhringer).
4. Schweiz und Vorarlberg
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Abb. 312 Fribourg/Freiburg im Üechtland, das „Große Bollwerk“ entstand 1490–96 als noch frühes und besonders großes Kanonenrondell mit Innenhof, ähnlich einer Barbakane (Kunstdenkmäler der Schweiz, Fribourg I, 1964).
Schlüssel- und Brillenscharten. Jeweils nur noch einen Zwingerabschnitt mit einem einzigen Rondellrest findet man in Laufenburg (Halbrondellstumpf mit eingemauerten Kanonenkugeln) und Rapperswil (Halbrondell; ein weiteres an der Westseite der Stadtmauer). Der völlig regelmäßige Zwinger von Neunkirch ist nur in Form von Terrassen, Garagen und Ähnlichem bewahrt, zeigt aber noch Reste seiner einzigen, runden Streichwehr („Pulverturm“) an der Nordostecke. Zu den Verstärkungen des 15./16. Jahrhunderts in Bremgarten gehörte auch ein breiter Zwinger vor der Angriffsseite der Oberstadt; er zeigt noch offene Geschützscharten, die Wehrgangüberdachung und den Unterbau eines Halbrondells im Norden („1561“). Offenbar turmlose Zwinger findet man in Diessenhofen, teils noch mit Zinnen, und in Erlach, wo jedoch im 14. Jahrhundert(?) mit dem Zwinger ein Torturm vor das Mauertor gesetzt wurde. Torzwinger, als die weit sparsameren Anlagen gegenüber den umlaufenden Zwingern, waren auch in der Schweiz deutlich häufiger; normal ist auch ihr weitgehendes, verkehrsbedingtes Ver42 Topographischer Teil
schwinden. Erhalten sind – außer den erwähnten in Basel – Beispiele in Mellingen und Freiburg, die erstaunlicherweise ziemlich exakt die beiden Extrempole markieren: ein besonders kleines Vortor hier, eine monumentale, für die Schweiz ganz ungewöhnliche Barbakane dort. Das flache, aus Buckelquadern aufgeführte Mellinger Vortor war stets überdacht, es zeigt noch die Zugbrückenblende und Schlitzscharten. Wie groß derartige Torzwinger sein konnten, zeigte die dritte Westerweiterung von Bern, wo sie rechteckig die Tortürme umfassten. Der vor dem Abbruch aufgemessene Vorhof am „Christoffel-Turm“, wohl von 1487/88, besaß zwei Wehrgänge übereinander und zierliche Achteckerker an den Ecken. Nur zeichnerisch dokumentiert ist auch der Torzwinger am Churer „Obertor“; seine Front war im 17. Jahrhundert bemalt worden und trug auch das Erbauungsdatum(?) „1538“. Rechteckige, kleine Torzwinger sind außer dem Churer „Metzgertor“ an allen St. Galler Toren, dreifach in Frauenfeld, zweifach in Liestal und ebenso in Rheinfelden bezeugt. Weit größere, polygonale Zwingerhöfe sind in Kaiserstuhl und Laupen verschwunden; der letztere mit seinem Außentor, dem „Chüngeliturm“, wurde 1995/96 ergraben. Ein ebenfalls ergrabener Sonderfall war schließlich der mehrfach verlängerte, Stadttor und Aarebrücke verbindende Zwinger in Wangen. Barbakanenartige Vorhöfe außerhalb des Grabens, vielleicht in Verbindung mit einem Außenwall, sind für die drei Tore von Stein am Rhein bezeugt, wohl aus der Zeit um 1520, ähnlich in Neunkirch. Mit Rondellen neben ihren äußeren Toren waren sie Verwandte der weit aufwendigeren Barbakanen und Bollwerke von Freiburg, deren Vergleichsbeispiele alle außerhalb der Schweiz liegen. Drei der Freiburger Anlagen, alle gegen das flache Vorland im Westen und Norden, sicherten Tore, das vierte, das allein erhaltene „Große Bollwerk“ deckte eine lange Mauerpartie zwischen zwei Toren. Relativ bescheiden war das 1468 begonnene, 1994 ausgegrabene Vorwerk der „Porte de Romont“, denn es lag, wie der ebenfalls kleine Torzwinger der „Porte de Morat“, nahe am Steilhang. Seine mehrfach erneuerten Grabenbrücken wurden seitlich durch Mauern im Graben geschützt, auf der Feldseite sicherte ein dünnwandiges Halbrondell das seitlich liegende Tor. Das
„Große Bollwerk“ (1490–96; Abb. 312) übersetzte das Prinzip in einen wesentlich größeren Maßstab, mit Innenhof über dem verfüllten Graben, Mauerdicken bis 5 m und ovalen Kanonenscharten. Es übertraf die früheste der Freiburger Barbakanen, an der benachbarten „Porte des Etangs“ (1444/45), im Maßstab nochmals deutlich. Auch im 16. Jahrhundert – das ja immerhin die internationale Verbreitung der in Italien entwickelten, völlig neuartigen Bastionsformen brachte – bleibt die Schweizer Entwicklung deutlich konservativ. Die auffälligste Tendenz liegt, das Geschehen des 16. Jahrhundert 14./15. Jahrhunderts nahtlos weiterführend, in der Errichtung von repräsentativen Tortürmen. Daneben werden manche Mauern durch Einzelwerke verstärkt, unter denen sehr aufwendige Bauten sind (Solothurn, Zürich, Basel, der Schaffhausener „Munot“), aber keine auf dem internationalen Stand der Entwicklung. Die neuen Tortürme stammen, wie häufige Inschriften bezeugen, aus der Zeit zwischen etwa 1540 und 1600. Sie sind in aller Regel noch „gotisch“ schlank und zeigen auch eine eher spätgotisch geprägte Formenvielfalt, die die Unsicherheit der Übergangszeit andeutet. Besonders deutlich wird der Repräsentationscharakter dieser späten Türme in Diessenhofen („Siegelturm“, 1545/46; Abb. 313), wo der Neubau hinter der bestehenden Vorstadt entstand, also im Stadtinneren. Dem heutigen Eindruck nach waren es in der Regel Volltürme, aber auch die Schalenform trat noch auf (Stein, „Untertor“, 1552 bzw. Neubau nach 1945, und „Obertor“), wobei der übliche Verputz und Anstrich offenlässt, wie häufig sie wirklich waren. Eine Bemalung, die auch architektonische Gliederungen vortäuschte, war sicher üblich (Stein; Mellingen Umbau 1544); restauriert ist sie in Neunkirch („Obertor“, „1574“) mit gemaltem Gesims und Pilastern; ähnlich sind die barocken, 1903 restaurierten Wappen in Willisau. Echte Gesimse sind dagegen die große Ausnahme (Mellingen), ebenso der Schrägsockel und die kreuzrippengewölbte Durchfahrt in Neunkirch. Auch ein Element wie der stadtseitige Balkon in Laufenburg („1581“) bleibt singulär und selbst Wappensteine sind nur noch selten erhalten (Bremgarten, 1556–59, Wappen 1556; Laufenburg; Laupen, „Berntor“, „1599“).
Abb. 313 Diessenhofen, der „Siegelturm“. Der 1545/46 erbaute repräsentative Uhrturm entstand anstelle eines Stadttores, das zu dieser Zeit aber bereits im Stadtinneren lag.
Üblicher ist die Rustizierung der Ecken und von Gewänden (Diessenhofen; Stein, „Obertor“), auch in einfacheren Buckelquaderformen (Stein, „Untertor“; Laufenburg; Feldkirch, „Churer Tor“, wohl 1591). Hauptträger einer architektonischen Gliederung waren jedoch die Öffnungen, das heißt primär die Durchfahrten und die Fenster. Bei den Durchfahrten ist der Spitzbogen dem Rund- oder Stichbogen gewichen. Neben den erwähnten Rustikagewänden kommen einfach gefaste (Willisau, „1546“–51; Laufenburg) oder gekehlte Gewände (Neunkirch) vor; in Stein („Untertor“) begegnet ein mit Rundstab profiliertes Rundbogentor, innen ein Stichbogen über zwei runden Wandstützen. Die Fenster, oft auch nur Schlitze, sind in der Mehrheit schlicht rechteckig, gelegentlich gekehlt (Stein); die Profile der Tore und Fenster haben regelmäßig Anläufe. Neunkirch fällt wiederum durch ein besonderes Motiv auf, nämlich durch Schlitze mit Stabwerkumrahmung, flankiert von Kanonenkugeln; auch der Oculus in Diessenhofen ist eine Ausnahme. Stärker gestaltete Pforten sind selten (Laufenburg, Kielbogenpforte), viele mögen verbaut 4. Schweiz und Vorarlberg
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Abb. 314 Solothurn, die Feldseite des „Baseltores“ (1502–05). Das Tor ist eines der besten Beispiele, wie man in der frühen Artilleriezeit hohe fortifikatorische Effektivität mit repräsentativem Anspruch verbinden konnte.
oder verändert sein. Eigentlich fortifikatorische Elemente, nämlich Schießscharten, sind weit seltener als vermutet; Schlüsselscharten findet man in Stein („Obertor), Bremgarten und Feldkirch („Churer Tor“), die weit wirkungsvolleren Maulscharten nur am „Obertor“ in Bremgarten. Nach all diesen Hinweisen auf eine eher bescheidene, der Spätgotik verhaftete Formenwelt überrascht nicht, dass man nur noch einen einzigen geschweiften, für die Renaissance so typischen Giebel findet (Feldkirch, „Churer Tor“; in Lenzburg gab es weitere des frühen 17. Jahrhunderts), sondern in der Regel Treppengiebel (Diessenhofen;
Stein, „Untertor“ und „Obertor“; ehemals St. Gallen) und einfache Zeltdächer. Zwei Ausnahmefälle von Toren können den Entwicklungstand in der Schweiz des 16. Jahrhunderts zusätzlich illustrieren. In Laupen wurde 1597–1600 das „Berntor“ erneuert, zwar mit moderner Spiegelrustika, aber eben doch nur als rundbogiges Mauertor, ganz in der Tradition des 13. Jahrhunderts. Andererseits leistete sich Schaffhausen am „Mühlentor“ und am „Schwabentor“ je ein echtes Doppelturmtor als Außentor, also eine Form, die im gesamten deutschen Sprachraum ab dem späten 15. Jahrhundert eine gewisse Renaissance erlebt hatte – aber dies geschah erst 1592 bzw. 1607/08. Der Eindruck einer örtlich und im Aufwand eng begrenzten Entwicklung, die zudem den internationalen Stand nie ganz erreichte, bestätigt 16. Jahrhundert, andere Verstärkungen sich auch bei einem Blick auf die weiteren, nicht auf die Tore beschränkten Verstärkungen, obwohl hier mit dem Ausbau von Solothurn und dem Schaffhausener „Munot“ zwei herausragende Einzelfälle zu behandeln sind. In Solothurn wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Mauern ausgebessert und die Gräben verbreitert, vor allem aber entstanden das wohlerhaltene „Baseltor“ und monumentale Batterietürme an den Ecken. Das Tor (1502–05) kombiniert einen viergeschossigen, gedrungenen Torturm mit zwei nur halb so hohen, stadtseitig früher offenen Rundtürmen (Abb. 314, vgl. Abb. 215, 216) – eine originelle Form, die den traditionellen Torturm mit dem in der Schweiz bis dahin fehlenden Typus des Doppelturmtors kombiniert (das Baseler „Spalentor“ ist nur im Grundriss ähnlich). Die Anlage ist mit riesiger Spiegelrustika verkleidet, zeigt abgerundete Brustwehren, getreppte Rechteckscharten und ovale Scharten, die an das nur wenige Jahre ältere, aber sonst ganz andersartige „Große Bollwerk“ in Freiburg erinnern (Abb. 312). „Buristurm“ (1535–38) und „Riedholzturm“ (1546–50) Abb. 315 Schaffhausen, der „Munot“ wurde 1563–89 auf einem die Stadt überhöhenden Berg erbaut, als eine Mischung aus sehr großem Rondell und Zitadelle. Seine Rundform mit kleinen Streichwehren ist originell, war aber zu dieser Zeit auch nördlich der Alpen überholt.
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– zerstört sind der ähnliche „Katzenstegturm“ (1539–42) und das quadratische Bollwerk St. Peter (1536–39) – sind riesige, im Untergeschoss gewölbte Rondelle, die die Rustika und die Brustwehren vom Baseltor übernehmen, aber dessen Dimension erheblich steigern. Eben dies gilt noch mehr für den Schaffhausener „Munot“ (1563–89), eine regelrechte, den Standard einer mittelalterlichen Stadtmauer weit übersteigende Zitadelle in Form eines riesigen, kasemattierten und mit Streichwehren versehenen Rondells (Abb. 315). Ihre hochoriginellen, mit großer bautechnischer Sorgfalt ausgeführten Formen entfernen sich im Grunde von allen denkbaren Vorbildern, aber vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung ist auch der „Munot“ ein Anachronismus, denn eben die 1560er Jahre sahen die Durchsetzung der voll entwickelten, italienischen Bastionsformen in ganz Europa und darüber hinaus. Zürich war neben Freiburg, Solothurn, Basel und dem „Munot“ die fünfte schweizerische Stadt, die im späten 15. und 16. Jahrhundert größere Anstrengungen unternahm, sich auch im Artilleriezeitalter zu sichern; jedoch sind seine 1521–80 erbauten Verstärkungen mit der Mauer verschwunden. Beim „Augustinertor“ und einigen kleineren Rondellen, vor allem an Toren und an der Reuss, handelte es sich um Mauerwerksbauten, die Solothurn gleichen, deren spärliche Anzahl an einer recht langen Mauer aber eher an Basel erinnert, dessen erdgefüllte Plattformen freilich moderner waren. Die Maßnahmen des 16. Jahrhunderts in allen anderen Städten waren vergleichsweise bedeutungslos. Erwähnenswert sind der „Nölliturm“ (1513; Abb. 27) und der etwa gleichzeitig entstandene „Baghardsturm“ in Luzern, sorgfältige runde Quaderbauten mit Gesimsgliederung und über Bogenfries vorkragenden Zinnen; vor allem der Letztere, mit großen Fenstern, ist allerdings eher ein Belvedere mit Seeblick. Relativ ernsthaft gemeint sind auch der „Runde Turm“ am Kloster in St. Gallen, der „Archivturm“ in Brugg/Aare (1558/64, mit getreppten Schlüsselscharten, einer Spezialität von Brugg) und der Fünfeckturm auf der Reussbrücke in Bremgarten (1544–49?), mit einer Vielfalt von Schartenformen und eingemauerten Kanonenkugeln. Der Laufenburger „Schwertlisturm“ aus dem späten 14. Jahrhun-
Abb. 316 Laufenburg, der „Schwertlisturm“ an der Ecke der südlichen Stadterweiterung dürfte in der Zeit um 1400 entstanden sein und wurde trotz seiner Höhe bis ins 16. Jh. mit neuen Scharten ausgestattet.
dert erhielt aufwendige Kanonenscharten, die von Stabwerk und teils Zierrustika eingefasst sind (Abb. 316). Besonders spät und begrenzt waren die Verstärkungen wieder im Gebirge; so wurde in Chur noch 1542 die Mauer erhöht, fraglos eine der letzten Maßnahmen dieser Art, und das winzige Ilanz am Vorderrhein – das immerhin schon 1289 oppidum war – wurde von 1513 bis 1717(!) mit kleinen Tortürmen, teils in frühen Renaissanceformen, und rechteckigen, schartenreichen „Bastionen“ versehen. In Lenzburg entstand 1649 noch ein kleines Rondell, in Sursee 1674 der Turm des „Untertores“ neu. In Laupen findet sich ein rechteckiger Schalenturm in Barockformen, der auf einer Scharte glaubwürdig auf „1700“ datiert ist. Damit sind wir in einer Zeit, in der die Mauern sonst nur noch zu Zollund Polizeizwecken instand gehalten wurden, wie etwa gut erhaltene, barocke Wachthäuser vor den Grabenbrücken in Stein oder Neunkirch bezeugen. 5. Elsass
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5. Elsass Das Elsass – im Wesentlichen die heutigen französischen Départements Haut-Rhin und BasRhin – ist eine klar abgegrenzte Landschaft zwischen Oberrhein und Vogesenkamm, die nur im Norden und Süden ohne natürliche Grenzen in die heutige Pfalz und die Landschaft der Burgundischen Pforte übergeht und deren westliche Abgrenzung gegen Lothringen nicht mehr überall den mittelalterlichen Verhältnissen entspricht. Seine Lage am Westrand des deutschen Sprachraumes hat es französischen Einflüssen immer offengehalten, jedoch zeigt die mittelalterliche Architektur deutlich die damalige Zugehörigkeit zum deutschen, insbesondere alemannischen Raum; dies gilt auch für die Stadtmauern. Mit dem Buch über die Archéologie des enceintes urbaines et de leurs abords en Lorraine et en Alsace (XIIe–XVe siècle) liegt hier eine neuere Zusammenfassung vor; für Hinweise ist außerdem Bernhard Metz (Straßburg) zu danken. Dass die Kastellmauern des 3./4. Jahrhunderts bis mindestens gegen 1000 die einzige Umwehrung des Bischofssitzes Straßburg bildeten, ist archäologisch belegt. 995(d), unter dem Bischof Widerold, wurde ein holzgefütterter Graben angelegt, der den römischen Graben zumindest im Südwesten der römischen Mauer wiederherstellte. 1143 ist dann auch für die vorgelagerte Händlersiedlung zumindest ein Tor belegt, ohne dass Art und Alter der Befestigung bekannt wären. Nach der Einnahme durch Philipp von
Abb. 317 Straßburg, Grundrisse von zwei Obergeschossen des Nordturmes der „Gedeckten Brücken“ (vgl. Abb. 64) mit radial angeordneten Scharten – eine in der 1. Hälfte des 13. Jh. ausgesprochen fortschrittliche Lösung (Aufmaß H. Zumstein).
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Schwaben 1199 bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts erhält Straßburg dann eine aufwendige Mauer: 4 km lang, in Backstein auf Buckelquadersockel, mit 35 quadratischen Türmen und doppeltem Wassergraben. Die vier erhaltenen Türme an den „gedeckten Brücken“ sind mit ihren zahlreichen, zum Teil radial ausgerichteten Scharten erstaunlich fortschrittlich (Abb. 64, 317); von den acht Tortürmen mit spitzbogigen Durchfahrten standen Mauern bis etwa 1270 einige hinter einer Torgasse. Vor dieser unter anderem durch den Spitaltorturm bis ins 14. Jahrhundert verstärkten Befestigung erhielten die Vorstädte im Norden (1374–90) und Südosten (1404–41) ihre Mauern, von denen aber fast nichts erhalten ist; der Graben einer früheren, kleineren Vorstadt wurde jüngst freigelegt. Sie bewahrten – bis hin zu den Bastionen des 17. Jahrhunderts – die gleiche Technik: Buckelquadersockel mit leichtem Anzug, darüber (hellroter oder gelber) Backstein. Die römischen Mauern von Zabern, aus dem frühen 4. Jahrhundert n. Chr., blieben, wohl im 13. Jahrhundert restauriert und durch eine Vorstadt ergänzt, teilweise bis ins 17. Jahrhundert in Nutzung; ihre Rundtürme entwickelten aber im Mittelalter ebenso wenig Vorbildwirkung wie die römischen von Straßburg. Auch in Selz ist die Weiterverwendung einer römischen Mauer offenbar archäologisch belegt. Schriftquellen und Baubefund gemeinsam legen nahe, dass die kleine Klosterstadt Maursmünster schon deutlich vor 1200 ummauert wurde. Bereits spätestens 1144 umfasste das oppidum 32 Höfe, 1146 lag eine Wiese darin und die erhaltenen Reste zeigen noch ein Torgewände in Buckelquadern und eine Rundbogenpforte, deren Merkmale ins 12. Jahrhundert passen. Eine Analogie bietet Neuweiler, wo es noch zwei rundbogige Mauertore gibt, das eine – vielleicht nicht an originaler Stelle? – mit Fallgatter im Klosterbereich, das andere zur Stadt, durch einen quadratischen Turm flankiert. 1260 wurde das oppidum ... ante ipsum claustrum zerstört; die kaiserliche Erlaubnis zum Mauerbau folgte aber erst 1330.
Auch in den Weinregionen des mittleren und südlichen Elsass sind früh kleinmaßstäbliche Ummauerungen nachweisbar, vor allem um die Gruppen klösterlicher Dinghöfe. Dies gilt etwa für Egisheim, wo ein Tor 1257 erwähnt ist und romanische Fenster in der inneren, polygonalen Mauer erhalten sind (Abb. 318). Rosheim besaß 1218 nur ein vallum – was wohl einen Graben meint –, um 1260 war es bereits beim Mauerbau um einen recht klein gewählten Stadtkern, woran sich die Abtei Hohenburg nicht zu beteiligen brauchte; zwei (nie vollendete?) Torturmerdgeschosse mit Fallgattern zeigen noch romanische Merkmale. Der Kern von Rufach mag Rosheim geähnelt haben. Letztlich handelt es sich hierbei um Entwicklungen, die aus einer reichen Kultur befestigter, aber nicht ummauerter Dörfer hervorgingen.
Zwischen 1200 und etwa 1270 wurden neben Straßburg weitere, meist bis heute wichtige Zentren ummauert, teils in der Nachfolge unerforschter früher Befestigungen. Bei der Pfalz Hagenau sei, nach mehrdeutiger Quellenlage, schon Mitte des 12. Jahrhunderts eine Stadt (civitas) belegt, aber ergrabene Teile der inneren Mauer waren bisher nicht datierbar und die äußere Backsteinmauer mit dem Tor im „Ritterturm“ und dem zwischen zwei Türme gespannten Flussauslauf gehört erst ins 14. Jahrhundert, wobei Dendrodaten und andere naturwissenschaftliche Datierungen zwischen 1260 und 1480 liegen und so zumindest zahlreiche Umbauten/ Ausbesserungen belegen. Dass diese Bauten in die Gründungszeit der vor 1235 gegründeten, selbstständigen Nachbarstadt „Königsau“ gehört hätten, ist durch ihre Formen widerlegt, zumal
Abb. 318 Egisheim, ein romanisches Doppelfenster in der inneren Stadtmauer (1. Hälfte/Mitte 13. Jh.) belegt, dass von Anfang an Wohnhäuser direkt an der Mauer standen, deren Bewohner Einfluss auf den Mauerbau hatten.
Abb. 319 Schlettstadt, das Sockelgeschoss des „Niedertores“, Feldseite, stammt noch aus der 1. Hälfte des 13. Jh.; der obere, verputzte Teil aus Backstein ist eine Erhöhung wohl der Zeit um 1300, die ursprünglich als Schalenturm geöffnet war.
5. Elsass
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die Lage der Königsau bei Hagenau von Bernhard Metz neuerdings angezweifelt wird. Backstein mit dem bis gegen 1300 auch im Elsass häufigen Anzug im Sockelbereich (vgl. Baden, Schweiz) zeigte auch die fast verschwundene Mauer des 1217 zur Reichsstadt erhobenen Schlettstadt, dessen „Niedertor“ in den beiden Untergeschossen der älteste erhaltene Torturm des Elsass ist (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts; Abb. 319). Die beiden sehr stumpfen Spitzbogenöffnungen des auch innen geschlossenen Turmes, in Bruchstein- und Backsteinmauerwerk, zeigen noch romanische Kämpferprofile. Mit der Stufung des äußeren Tores und der Buckelquaderung der Ecken treten hier Charakteristika auf, die später für viele Tore der Region verbindlich werden. Lediglich zwei Merkmale – Fallgatter und Schalenform – fehlten hier noch (bzw. wurden erst um 1300 mit einer Erhöhung in Backstein hinzugefügt). Das 1227 als kaiserlicher Stützpunkt gegründete Kaysersberg erhielt Burg und Stadtmauer in einem Zug (Abb. 320), jedoch nach dendrochronologischen Befunden erst in den 1260er Jahren; allein der Bergfried der Burg scheint älter. Die Mauer aus Sandsteinbruchstein besitzt zahlreiche Schlitzscharten. Während von der ersten Mauer des nahen Colmar (civitas 1226, Befestigung durch Wölfelin von Hagenau vor 1236) wenig blieb, können im bischöflichen Rufach die Merkmale einer Mauer der ersten Hälfte oder Mitte des 13. Jahrhunderts noch detailliert studiert wer-
Abb. 320 Kaysersberg, die 1227 angelegte und in den 1260er Jahren ummauerte Stadt unter der Burg wurde bis zum Spätmittelalter dreimal erweitert; Reste der Mauern sind aus allen Phasen erhalten (Biller/Metz, Burgen des Elsass II, 2007).
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den. Aus schichten- und hammerrechtem Kleinquaderwerk erbaut (vgl. Colmar, Neuweiler, Sulz, Weißenburg), die älteren Pole um Burg und Pfarrkirche großzügig zusammenfassend, teilweise – wie schon in Straßburg und früher in Colmar – von einer Mauergasse begleitet, gab es neben den Toren nur einen einzigen, runden Turm, dessen Stumpf im 15. Jahrhundert mit dem Rathausturm überbaut wurde. Die gezinnten Wehrgänge wurden von Steinbalken über langen Kragsteinen getragen, was anderswo nur noch ahnbar ist (Kaysersberg). Bei der Abtei Weißenburg wird schon 1179 ein oppidum erwähnt, das man im Parzellenbild noch zu ahnen meint (vgl. Maursmünster, Neuweiler). Die (im 18./19. Jahrhundert weitgehend in einem Wall verschwundene) Mauer sei dann, nach unbefriedigender Forschungslage, um 1265 erbaut worden (novus murus civitatis); sie besitzt aufwendige Bachüberwölbungen in Buckelquadern, ehemals mit Fallgattern. Von den ehemals sieben, heute nur noch drei quadratischen Türmen entstand mindestens einer gleichzeitig mit der Mauer, zwei gehören erst ins 14. Jahrhundert. Ein ergrabenes, rundbogiges (Neben-)Tor zeigt, dass hinter der Mauer zumindest bereichsweise ein Wall lag, was durchaus an außerelsässische Befestigungen des 12. Jahrhunderts erinnert (vgl. Band 1, Kapitel 2.2.3.2.). In weiteren Fällen kann eine Entstehung vor etwa 1260 nur vermutet werden. Die Mauer von Molsheim, mit tief liegenden Zinnen und einbindenden Resten von rechteckigen Türmen und einem Halbrundturm, kann im frühen 13. Jahrhundert begonnen sein; schon 1254 ist jedenfalls von der reparatio opidi die Rede. Der erhaltene Torturm gehört frühestens in die Zeit um 1320, als unter Bischof Johann (1306–28) eine Erweiterung mit Spital und Burg stattfand. In Sulz entspricht zumindest das gute Schichtenmauerwerk der Erwähnung einer civitas ... nova schon 1249. In Mülhausen, das 1223 als civitas erwähnt ist und wo vieles archäologischer Klärung bedarf, kann man die quadratischen Schalentürme („Teufelsturm“, „Nesselturm“ als Torturm), die angeblich im Bereich der 1260–62 bestehenden Burg erhalten sind, kaum vor das spätere 13. Jahrhundert datieren und ganz offen bleibt das Alter der verbauten, ein undatierbares Rundbogentor aufweisenden Mauer von Altkirch.
Der Höhepunkt des Mauerbaues lag im Elsass zwischen etwa 1270 und 1340, als vor allem viele Dörfer am Vogesenfuß befestigt wurden; dabei bietet sich in der Weinregion von Sennheim bis Wangen ein beachtlich gleichmäßiges Bild. Die Mauern, nun Mauerbau etwa 1270–1340 stets in Bruchstein oder ausnahmsweise Flusskieseln – eine Ausnahme ist die 1346 begonnene Quadermauer von Ingweiler –, bilden einfache Polygone, manchmal dem Rechteck angenähert (Buchsweiler, Reichenweier); gelegentlich besaßen sie hohe Schlitzscharten, wenn auch selten so regelmäßig wie etwa in Buchsweiler, das vor 1312 ummauert wurde (1312 oppidum, 1334 St. Leodegar extra muros). Mauergassen wie die später überbaute in Dambach fehlen fast völlig. Die nahezu einzigen Türme sind in aller Regel die Tortürme, bei denen sich ein sehr einheitliches Modell herausgebildet hat. Bereits an den relativ frühen Tortürmen wie dem um 1260 dendrodatierten „Metzgerturm“ (Abb. 321) in Rappoltsweiler, das 1290 stat war, 1297 civitas und 1293 belagert wurde, und dem „Dolder“ (Abb. 322) in Reichenweier, wo die Horburger spätestens 1291 die Mauer begannen, zeigen sich alle Merkmale die-
Abb. 321 Rappoltsweiler, der „Metzgerturm“, das obere Tor des ältesten Stadtkerns. Die Westseite im heutigen Zustand und Rekonstruktionsversuch des Zustandes um 1260, Feld- und Stadtseite (M. Werlé, in: Châteaux forts d’Alsace 12, 2012).
Abb. 322 Reichenweier, der „Dolder“, das „Obertor“ von der Stadtseite. Der feldseitig geschlossene und schmucklose Torturm, Teil der 1291 begonnenen Mauer, war ursprünglich ein Schalenturm, wirkt aber heute durch die Fachwerkwände des 17. Jh. malerisch.
ser Art von Turm. Es sind quadratische Schalentürme mit Spitzbogentor und großer Spitzbogenöffnung zur Stadtseite. Alle Ecken zeigen Buckelquader, die Wandflächen Bruchstein. Die Führungen des außen liegenden Fallgatters sind in Lisenen eingelassen, die nur die hierfür nötige Höhe erreichen. Lange Schlitzscharten in der Front, kaum seitlich, sind in den Obergeschossen häufig. Die zahlreichen erhaltenen Türme dieser Art, zumeist sekundär hinten geschlossen – etwa in Türkheim, wo die Absicht des Mauerbaues für 1311 belegt ist, sind alle drei erhalten, oder in Gemar –, besitzen meist nur zwei bis drei Obergeschosse. Stadtseitig geschlossene Tortürme scheinen vor allem im straßburgischen Einflussbereich aufzutreten, etwa in Dambach, wo alle drei Tortürme erhalten sind und das Gewände des „Un5. Elsass 49
weiler etwa (Ersterwähnung der Mauer 1286) heißen die verschwundenen Türme stets „Erker“. Sieht man von ihnen und den frühen Türmen in Straßburg und Weißenburg ab, so darf man eine Gruppe schartenbewehrter, runder Ecktürme als die früheste Form ansprechen, die stets in Verbindung mit eckigen Plananlagen auftritt; freilich ist ihre Datierung meist problematisch. Wangen (oppidum 1287) besitzt drei mit der Mauer entstandene Rundtürme ohne erhaltene Scharten, die beiden Türme von Zellenberg mögen bald nach der Gründung des dortigen horburgischen Kastells (nach 1252) entstanden sein; in der spätestens um 1290 bestehenden rundlichen Mauer von Rappoltsweiler gibt es drei solche Türme, von denen einer ein (früh aufgelassenes) Tor flankierte. St. Pilt (oppidum 1303) besitzt zur Abb. 324 Reichenweier, der fünfeckige „Diebsturm“ an der Nordwestecke der Stadtmauer entstand nach dem Wappen auf einem Eckquader in württembergischer Zeit, also nach 1324.
Abb. 323 Türkheim, die turmarme, nach 1311 entstandene Mauer ist an der gefährdeten Bergseite nur durch einen erkerartig vorkragenden kleinen Turm verstärkt.
tertores“ eine Bauinschrift von „1323“ für die ganze Mauer trägt (Abb. 5); weitere Volltürme finden sich in Börsch (Stadt wohl 1328, Mauer vor 1341), Mutzig und Molsheim, in den beiden letzteren Nachbarstädten formal völlig entsprechend. Mutzig dürfte seine Mauer kurz vor 1329 erhalten haben, als sie zum ersten Mal erwähnt ist (Niedertor 1320 erwähnt, aber stets villa bis in die 1320er Jahre), in Molsheim ist die Mauer schon 1254 erwähnt und der Torturm ist als Modernisierung zu verstehen. Mauertürme waren bei den kleinen Städten anfangs sehr selten; genauere Untersuchungen konnten vereinzelte Beispiele belegen, etwa zwei Rechtecktürme in Börsch oder kleinere in Ingweiler (Baubeginn 1346), die ein Plan des 18. Jahrhunderts belegt. Dass Sparformen in der Art der Wehrerker von Türkheim (ab 1311; Abb. 323) häufiger waren, ist immerhin möglich; in Geb50 Topographischer Teil
Ebene eine symmetrische Front mit zwei runden Ecktürmen und ganz ähnlich sieht die 1314 schon bestehende Ostvorstadt von Kaysersberg aus, mit innen abgeflachten Volltürmen. Eine besonders auffällige Variante dieser frühen Rundtürme, mit Scharten in Nischen und oben schmal zur Stadt geöffnet, bieten Reichshofen (1286 oppidum und Freiheiten von Hagenau, worauf wohl der Mauerbau folgte) und Herrlisheim (civitas um 1302/03). In Molsheim (vor 1254) und vor allem in Oberehnheim (1262 nondum erat firmata muro, 1283 „ringmur“) findet man ein Nebeneinander von originalen Rechteck- und Halbrundtürmen – Zeichen des Überganges vom älteren Rechteckturm zur moderneren Form des Rundturmes? Denn dass die runde, mit ihren Scharten konsequent flankierende Turmform auf französischen Einfluss zurückgeht, der Südwestdeutschland schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erreichte, ist aus dem Burgenbau der Region hinreichend bekannt; die Stadtmauern scheint er aber erst nach 1250 erfasst zu haben. Verstärkungen des 15./16. Jahrhunderts sind – wenn auch meist sparsam – an den meisten elsässischen Mauern festzustellen; neben der ubiquitären Verkleinerung der Zinnen zu Schießscharten handelt es sich meist um vereinzelte Turmanbauten, wobei die Rundtürme mit Schlüssel- und Kanonenscharten deutlich überwiegen; erwähnenswert sind der fünfeckige „Diebsturm“ in Reichenweier (nach 1324, zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts?; Abb. 324) und die stark vorVerstärkungen des 15./16. Jahrhunderts springenden Streichwehren in Weißenburg, vor allem an der dortigen Vorstadt „Bruch“ (frühes 16. Jahrhundert). Zwinger im engeren Sinne waren im Elsass recht selten. Erhalten sind Teile in Westhofen, einem großen Dorf mit Dorfgraben, dessen Kernbereich – trotz Befestigungserlaubnis schon 1332 – erst um 1392 ummauert wurde. Die über 9 m hohe Hauptmauer mit quadratischen Türmen und einer Rundtourelle, mit hoch angeordneten Scharten und Wehrgang über Stichbogenfries, war von Anfang an durch einen Zwinger verstärkt. Weitere Zwinger dürfte es in Ingweiler (Haupt- und „zwingelmauer“ 1667 erweitert), Zabern, Maursmünster, Molsheim und, nach
Abb. 325 Bergheim, vor der heute verbauten Hauptmauer, die nur durch die Dächer rechts zu ahnen ist, liegt ein weitgehend erhaltener befestigter Außenwall wohl der Zeit um 1500, mit Streichwehren verschiedener Form.
neuen, unpublizierten Grabungen, schon um 1300 in Rappoltsweiler gegeben haben. Häufiger war im Elsass – ähnlich den angrenzenden alemannischen Landschaften – der Ausbau der zumeist wohl originalen Vorwälle – Reichshofen noch um 1730: „double fossé“ – für den Einsatz von Feuerwaffen. Die Front gegen den Außengraben wurde zu einer äußeren Ring-
Abb. 326 Pfaffenhoffen (Bas-Rhin), Feuerwaffenscharte an der Nordwestecke der Mauer, mit Datierung „1603“ und dem Namen des Baumeisters (wohl der gesamten Mauer) „Lorentz Bader“ – eine solche Markierung ist ein Ausnahmefall in der spätesten Zeit herkömmlicher Stadtmauern.
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mauer verstärkt, meist wohl mit zwei Schartenreihen übereinander, aus der regelmäßig halbrunde Streichwehren vorsprangen. Das besterhaltene Beispiel bietet heute Bergheim (um 1500; Abb. 325), wie überhaupt der Erhaltungszustand in den kleinen Städten besser ist (Egisheim, Ensisheim, Nieder-, Oberehnheim, Reichenweier), während von den aufwendigeren Anlagen etwa in Straßburg, Mülhausen oder Rufach nichts blieb. Bei der typischen Lage in Talmündungen der Vogesen sind diese zwingerähnlichen Vorwälle oft nur gegen die Ebene anzutreffen, worin man mehr ein repräsentatives als ein streng fortifikatorisches Denken ahnt
(Thann, Kaysersberg, Ammerschweier, Rappoltsweiler und andere). Den Abschluss elsässischen Mauerbaues findet man in Pfaffenhoffen, das mit einer Ausnahme immer nur als Dorf bzw. Flecken genannt wurde. Dennoch erscheint eine Mauer mit Wehrgang vor 1480, und noch 1568 ist ein Zuschuss für die Vollendung der Mauer belegt; ein verschwundenes Stadttor war erst „1596“ datiert, eine erhaltene Brillenscharte trägt das Datum „1603“ nebst dem Meisternamen „Lorentz Bader“ (Abb. 326). Die Mauer von Barr, an der wenig mehr als einige Schlitz- und Schlüsselscharten erhalten sind, dürfte ähnlich jung gewesen sein.
6. Baden Baden – im Sinne der heutigen Regierungsbezirke Karlsruhe und Freiburg, die jedoch östlich über das Großherzogtum des 19. Jahrhunderts hinaus ins ehemals Württembergische hineinreichen – ist in seiner geographischen Vielfalt kaum zu übertreffen. Oberrhein und Schwarzwald – fruchtbares, früh besiedeltes Durchgangsland hier, siedlungsarme, wenn auch durch Bergbau interessante und von Osten her gerodete Waldlandschaft dort – bilden die in sich schon spannungsreichen Hauptkomponenten des Landes, das im Norden und Süden an wieder andersartige Regionen grenzt. Der Kraichgau und das Hügelland an Neckar und Main gehören im Grunde zu Franken, die Landschaft an Hochrhein und Bodensee wiederum leitet zum schweizerischen Voralpenland über. Dementsprechend besaß das Land eine große Vielfalt an Stadtbefestigungen, von denen aber insbesondere die Kriege des 17./18. Jahrhunderts viel vernichtet haben. Ladenburg, 98 n. Chr. von Traian zum Hauptort der Civitas Ulpia Sueborum Nicretum erhoben, überlebte als Königs-, später wormsischer Bischofshof und erhielt vielleicht schon im späten 9./10. Jahrhundert(?) eine 2 m dicke Mauer mit Graben, die etwa zehn Prozent der von der antiken Mauer (um 200 n. Chr.) geschützten Fläche umfasste. Die spätere Stadtmauer entstand nach ihren Formen erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als 1253 auch die Ratsverfas52 Topographischer Teil
sung greifbar wird (ein 1191 erwähntes Haus extra primos muros ... civitatis stand vermutlich vor der „ersten“ im Sinne der antiken Mauer, lässt also keinen Schluss auf die äußere mittelalterliche Mauer zu). Die gotische Mauer nutzte im Norden den römischen Graben, schloss aber die Süd10. Jahrhundert und 11. Jahrhundert hälfte der Römerstadt aus. Sie besaß spitzbogige Wehrgangbögen und rechteckige Schalentürme, an den neckarseitigen Ecken aber auch zwei Rundtürme, die offenbar noch in der ersten Phase entstanden, auch wenn die Zinnen des „Hexenturms“ erst ins 14./15. Jahrhundert gehören. Der innen spitzbogig geöffnete Turm des „Martinstors“ ist vor allem durch das Reiterstandbild des Heiligen in aufwendig gerahmter Stichbogennische hervorgehoben (Mitte/2. H. des 13. Jahrhunderts; Abb. 327); die flache Bogennische für das Fallgatter (mit aufwendiger Seilführung) gehört zu den frühen ihrer Art, während die schräg gestellten Strebepfeiler die einfacheren Formen der Wormser Tortürme weiterentwickeln. Vom 10. bis frühen 12. Jahrhundert entstehen in Südbaden Märkte bei Klöstern oder Stiften (Sulzburg, Säckingen, Radolfzell); ihre Befestigung ist bisher nicht belegbar. Andere Orte werden gleichzeitig als oppida angesprochen, ohne dass Gestalt und Funktion klar wären. In Breisach, zwischen 939 und 1002 mehrfach oppidum
und castellum genannt, verdeutlicht die Lage auf hohem Felsen, damals als Rheininsel, strategische Funktionen, anknüpfend an das Kastell des 4. Jahrhunderts; Baureste der Zeit vor 1300 fehlen jedoch. Auch Aach im Hegau, offenbar eine Gruppe von Adels- bzw. Ministerialensitzen in Höhenlage, also eher eine Burg, wird um 1150 oppidum genannt, aber erst 1283 zur Stadt erhoben; nur ein Torturm des 14./15. Jahrhunderts ist noch beurteilbar. In Tiengen (oppidum 1112) und Sinsheim (1132) fehlt eine so eminent fortifikatorische Lage und so wird man die Bezeichnung eher auf eine Händler- bzw. Marktsiedlung beziehen; in Sinsheim, das 1192 Stadtrechte erhielt, ist die Mauer abgegangen, in Tiengen gehören die geringen Reste („Storchenturm“) erst ins späte 13. oder 14. Jahrhundert. Die erste wirkliche Stadt Badens – vielleicht die früheste in Deutschland, die nicht an einen Bischofssitz anknüpfte – war nach heutiger Kenntnis Freiburg im Breisgau, dessen „Gründung“ um 1120 lange diskutiert wurde. Seit den 1980er Jahren haben Grabungen diese Fragen und auch die Anfänge der Befestigung besser geklärt. Die weitgehend abgetragene Mauer aus unverputztem Paragneisbruchstein an der Südseite entstand schon um 1120–50, über einer teils schon steinernen Bebauung der Zeit um 1100 bzw. einem noch älteren Werkplatz für Silberund Kupferverarbeitung. Zuerst wurde die Mauer selbst aufgeführt, dann tiefte man davor den Graben ein, mit gemauerter Contrescarpe und einer schräg den Mauerfuß stützenden „Schürze“ (Abb. 38, 40). Schließlich wurde aus dem Grabenaushub ein auch stadtseitig mauergestützter Wall von mindestens 5 m Höhe angeschüttet („Rondengang“; vgl. Band 1, Kapitel 2.2.3.2.); all dies wird längere Zeit benötigt haben, aber auch die auf den Rondengang bezogene Neubebauung gehört noch ins späte 12. Jahrhundert (1220 Ersterweiterung der Mauer). Die fünf Tortürme Freiburg im Breisgau kamen im 13. Jahrhundert sukzessive hinzu, das rundbogige „Martinstor“, ein bergfriedartiger Vollturm mit hoch liegendem Einstieg, dendrochronologisch schon 1200/01 (Abb. 96), das „Schwabentor“, eine Schale mit Spitzbogentor, wohl in den 1270er Jahren. Beide Tortürme besitzen Buckelquader im Erdgeschoss und in breiten Eckbereichen; das
Abb. 327 Ladenburg, „Martinstor“, Statue des seinen Mantel teilenden St. Martin an der Feldseite des Torturmes, über der Fallgatternische (Mitte/2. Hälfte 13. Jh.; vgl. Abb. 110).
galt vermutlich auch für die anderen Tortürme, von denen das ergrabene „Predigertor“ wohl auch erst Ende des 13. Jahrhunderts hinter die Mauer gestellt wurde. Die Mauern der Freiburger Vorstädte fielen dem Festungsbau ab 1677 und der späteren Stadtentwicklung zum Opfer. Die nördliche „Neuburg“ – 1252/55 erwähnt, 1263 ihr Nordtor, 1275–82 Graben und Wall – besaß vermutlich originale Halbrundschalen an der Bergseite (Abb. 328); auch die um 1300 befestigte südliche „Schneckenvorstadt“ zeigte neben dem Turm des „Schneckentors“, der den Toren der Altstadt ähnelte, auch runde Ecktürme. „Prediger-“ und „Lehener Vorstadt“ im Westen hatten schon 1288 Tore, aber erst 1423 ist ein „neuer Graben“ erwähnt, und der in den Ratsprotokollen fassbare Mauerbau mit zahlreichen Rondellen zog sich von 1494 bis 1583 hin. Sind die ersten Mauern der oberrheinischen Bischofsstadt Basel jenen von Freiburg noch etwas vorausgegangen, so setzte die Entwicklung in Konstanz offenbar erst später ein, vielleicht wegen der Schutzlage zwischen Bodensee, Rhein und Sumpfgebieten. Zur Sicherung der Domburg und der Siedlung „Niederburg“ genügte offenbar bis ins 12. Jahrhundert ein südlicher Abschnittswall, für dessen Ausbesserung 1122 Seekreide geliefert wurde. Von einer Stadtmauer 6. Baden
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Abb. 328 Freiburg/Br., auf dem Plan des Gregor Sickinger von 1589 ist die (im 17. Jh. verschwundene) bergseitige Mauer der Vorstadt „Neuburg“ mit mindestens acht runden Schalentürmen dargestellt, die noch ins 3. Viertel des 13. Jh. gehört haben dürften.
ist erst 1252 die Rede und neuere Grabungen haben gezeigt, dass sie zumindest an der Südseite wohl im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts entstand. Der aufgehend erhaltene Mauerteil aus Flusskieseln einige Meter davor, mit vermauerten Mauern der ersten Hälfte des Zinnen in einer Erhöhung, ist 13. Jahrhunderts aus den Quellen für 1281 belegt. Erst nachträglich wurden die drei erhaltenen Türme hinzugefügt, von denen das „Rheintor“ auf 1359/60 dendrodatiert ist (Abb. 329) und auch der „Pulverturm“ noch ins 14. Jahrhundert gehören dürfte. Das „Schnetztor“ mit seinem Sockelprofil in Renaissanceformen ist dagegen erst ein Bau des späten 15. Jahrhunderts (Abb. 31). Gemeinsam ist den drei Türmen das Buckelquaderwerk in Molasse, am „Schnetztor“ schon als kissenförmige Rustika (1976–86 erneuert), und bei den Toren die Schalenform; das „Schnetztor“ ist etwa 6 m hinter der älteren Mauer erbaut, der Zwischenraum wurde zum Torzwinger mit einer neuen Rustikafront umge-
Abb. 329 Konstanz, der Turm des „Rheintors“, 1359/60 dendrodatiert, wurde der Mauer des späten 13. Jh. nachträglich hinzugefügt.
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staltet. Die 1414–39 ausgeführte starke Ummauerung der Südvorstadt Stadelhofen ist noch archäologisch erfassbar; im Flachwasser wurde sie auf Eichenbalken gesetzt. Am Oberrhein und jenseits des Schwarzwaldes, im südlichen Neckarraum, führte das Vorbild der rheinischen Bischofsstädte und von Freiburg um 1200 und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu einer Anzahl weiterer Gründungen. Manche von ihnen gewannen rasch an Bedeutung und wurden auch früh ummauert – Heidelberg, Offenburg, Rottweil, Villingen –, andere entwickelten sich langsamer oder erlebten nur kurze Blütezeiten; mit ihnen sei begonnen. Vom zähringischen Neuenburg (um 1170/80) blieb kein Baurest und ebenso wenig in Pforzheim, weder von der 1195 erwähnten „Altstadt“ noch von der nach 1219 gegründeten heutigen Stadt, deren Mauer 1290 als fertig erwähnt wird; der erhaltene „Leitgastturm“, ein Nebentor, dürfte erst ins 14. Jahrhundert gehören. Die schlecht erhaltene, im Fundament über 2,50 m dicke(!) Mauer der Bergwerkstadt Prinzbach entstand bald nach 1200, ältere Schürfgruben als Graben nutzend. Ettlingen (staufisches Stadtrecht 1191/92, bestätigt 1219) wurde wohl erst um 1250–70 ummauert; Reste der Bruchsteinmauer und ein barockisierter Torturm sind erhalten. Auch im Parallelfall Durlach (1196 oppidum) ist die weitgehend verschwundene Mauer erst 1273/74 zu belegen, als die Stadt unter die fortissima ... opida gezählt wird; der Turm des „Baseler Tores“ gehört ins 15. Jahrhundert. Mahlberg, Waibstadt und Mosbach im Neckarland werden im Steuerverzeichnis 1241 als Städte genannt, aber von ihren Mauern ist fast nichts erhalten; die Langsamkeit der Entwicklung belegt etwa Mosbach, das erst nach 50 Jahren wieder als Stadt erscheint. Unter den erfolgreicheren Gründungen wird Heidelberg 1196 erwähnt, zunächst als Burg; die Stadt darunter muss aber bald gefolgt und auch ummauert worden sein, teilweise über eine ältere Siedlung um die Peterskirche hinweg. Erhalten ist von der 1225 erwähnten Mauer (munitiones) wenig, aber die Nordwestecke („Heuscheuer“) zeigt noch romanisches Schichtenmauerwerk samt Zinnen und die turmlose Abrundung (Abb. 330). Die Türme waren auch in Heidelberg offenbar alle jünger; der quadratische „Hexenturm“,
Abb. 330 Heidelberg, die abgerundete, anfangs turmlose Nordwestecke der Mauer aus der 1. Hälfte des 13. Jh. ist in die barocke Heuscheuer verbaut. Die Ecke wurde später durch einen Turm verstärkt, von dem Reste im Gebäudeinneren erhalten sind.
eine ungewöhnliche Schale mit spitzbogigen Doppelöffnungen in drei Geschossen, gehört wohl erst ins 15. Jahrhundert (Ersterweiterung 1468), und die Formen des „Speyerer Tors“ entsprachen ihm weitgehend. Auch das 1786–88 barockisierte Brückentor kann nach der Form des Doppelturmtores und nach seinem Buckelquadersockel kaum vor dem 15. Jahrhundert entstanden sein. Als besser erhaltener Vergleich bietet sich das nahe Eberbach/Neckar an, das offenbar nach der Übergabe an König Heinrich (VII.) 1227 ummauert wurde, also durch einen Staufer wie das pfalzgräfliche Heidelberg. Auch hier findet man eine Rechteckanlage aus Schichtenmauerwerk, mit Wehrgang in etwa 4 m Höhe und ursprünglich turmlos; die Ecktürme gehören ins 14./15. Jahrhundert, aber flussseitig sind die Original6. Baden
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ecken erhalten, in einem Falle mit Buckelquadern. Seltenheitswert besitzt das romanische Mauertor der Ostseite, rundbogig in Quadertechnik, mit unterschrägten Kämpfern (Abb. 104); Befund und ältere Abbildungen belegen seine Turmlosigkeit (im Gegensatz zum abgegangenen Westtor). Auch Offenburg (locus 1139, castrum 1148) wurde noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Stadt; 1233 erscheint es als civitas, 1246 als oppidum; 1241 wird die halbe Steuer für den Mauerbau erlassen. Die Bruchsteinmauer mit steilem Anzug ist weitgehend erhalten, die Tortürme und fast alle Türme sind aber verschwunden; Indizien sprechen dafür, dass – wie in Freiburg – ein Wall hinter die Mauer geschüttet war. An der Landseite standen, offenbar außen fluchtend, rechteckige (ursprüngliche?) Türme, gegen die Kinzigniederung im Westen sind polygonale, fraglos späte Türme auf die Mauerschräge gesetzt. Jenseits des Schwarzwaldes entwickelte sich Rottweil ab dem 7. Jahrhundert um einen Königshof neben einem römischen Vorgänger. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts lag dort, wie Quellenlage und Grabungen zeigen, eine aufblühende Siedlung, deren weitgespannter Wall durchaus Stadtcharakter belegt. Um 1200 aber verlegten die Staufer die Stadt, wohl nach einem Brand, auf ein nahes, durch Steilhänge gesichertes Plateau über dem Neckar; bei der Ersterwähnung im Steuerverzeichnis 1241 war der Mauerbau wohl schon fortgeschritten. Nach Cord Meckseper wird man zunächst den Bau der etwa quadratischen Hauptummauerung annehmen dürfen – Reste zeigen Bruchsteinwerk und wieder steilen Anzug wie in Freiburg und Offenburg –, aber schon um 1220–40 eine Ergänzung durch aufwendigere Buckelquaderbauten. Nach einheitlicher Planung entstand nun die dreieckige „Waldvorstadt“, eine (im Städtebau ungewöhnliche) Art Vorburg, deren Spitze auf einem überragenden Hügel der bemerkenswerte „Hochturm“ bildet – nach seiner Position eine bergfriedartige Sicherung der Angriffsseite (Abb. 78). Er wurde zunächst als weitgehender Buckelquaderbau von 25 m Höhe ausgeführt, stadtseitig in zwei hohen Rundbögen geöffnet, dann aber bald, nun mit Spitzbogenöffnung, auf 34 m erhöht. Vergleichsweise wuchtig wirkt das „Schwarze Tor“ (Abb. 95, 331), das allein erhaltene Westtor 56 Topographischer Teil
Abb. 331 Rottweil, das „Schwarze Tor“, hier die Feldseite (vgl. Abb. 95), war das bergseitige Stadttor, das jedoch früh durch eine dreieckig vorgelagerte Vorstadt mit dem Hochturm (Abb. 78) geschützt wurde. Der Unterbau ist auf 1242 (+/– 2) datiert, die oberen Geschosse entstanden im 16./17. Jh.
der Hauptmauer, auch schon mit Spitzbogenöffnung und auf 1242 +/– 2 dendrodatiert. Ein Unikat ist schließlich die „Hochbrücke“, die nur wegen des idealen Straßenkreuzes nötig wurde; ihre Buckelquaderpfeiler waren bis 27 m hoch (Abb. 197). Von den späteren Bauten – die Vorstädte von Rottweil wurden bereits um 1300 ummauert – ist nichts außer dem spätgotischen „Pulverturm“ an der Nordostecke erhalten. Mit Heidelberg, Eberbach, Offenburg und Rottweil wurde gleichzeitig auch die Mauer von Villingen erbaut, die nach 1200 offenbar als erste Befestigung der Stadt entstand (Dendrodatum von Gerüsthölzern 1209/10); 1241 wurden auch hier Steuern erlassen. Die Mauer zeigt leichten Anzug und besaß vielleicht einen hinterschütte-
ten „Rondengang“ wie in Freiburg, aber offenbar daneben einen Holzwehrgang. Die vier Tortürme (Abb. 332) – das „Untere Tor“ wurde 1864 niedergelegt – stehen mit der Torgasse hinter der Mauer, was wohl auf eine sekundäre Errichtung deutet. Es sind Schalentürme mit Buckelquaderung an den Ecken, „Riettor“ und „Bickentor“ zeigen Spitzbogendurchfahrten; das Erstere ist 1232/33 dendrodatiert, das Letztere 1267 +/– 10. Nur das „Obere Tor“ zeigt einen teils erneuerten Rundbogen und ist vielleicht etwas älter. Neben den Toren besaß Villingen anfangs wohl keine weiteren Türme; diese kamen erst Ende des 14. Jahrhunderts hinzu, gegen Mitte des 15. Jahrhunderts dann ein befestigter Außenwall. Als letzter früher Fall sei Waldshut genannt, mit der ersten Baunachricht einer badischen Mauer, zeitgleich mit dem staufischen Steuerverzeichnis von 1241. Die Stadt auf dem Hochufer des Rheins, neben der wohl älteren Burg, sei von Graf Albrecht von Habsburg (1240) gegründet und 1241–49 von seinen Söhnen Rudolf und Albrecht befestigt worden; so stand es bis 1806 (1932 erneuert) am Turm des „Obertors“. Die gassenlose Mauer mit einem einzigen, sicher sekundären Rundturm ist freilich vollkommen verbaut. Beide Tortürme sind Putzbauten, deren heutige hohe Form erst nach 1468 und im Barock entstand; lediglich das stadtseitige Rundbogengewände des „Untertores“ und ein rundbogiger Einstieg darüber mögen Reste des Erstbaues sein. Unter den gemeinsamen Merkmalen der spätromanischen, bis etwa 1250 entstandenen Mauern in Baden ist zunächst die anfängliche Turmlosigkeit auffällig, keineswegs nur bei der besonders frühen Mauer von Freiburg. Die Tortürme, beginnend mit dem Freiburger „Martinstor“ von 1200/01, sind in mehreren Fällen nachweislich später hinzugefügt; in anderen Fällen muss man es begründet vermuten. Mauertürme treten zunächst überhaupt nicht auf – mit einer bedeutenden Ausnahme. Der Rottweiler „Hochturm“, um 1220–40 erbaut und erhöht, ist nicht nur ein ungewöhnlich aufwendiger Bau an dominierender Stelle der Stadt, sondern er war nach heutiger Kenntnis auch der früheste Stadtmauerturm ohne Torfunktion im badischen und schwäbisch-württembergischen Raum. Erst mit den Türmen zog auch das (Buckel-)Quaderwerk in den Mauerbau der Region ein; die Mauern selbst
bestanden aus Bruchsteinwerk. In beiden Aspekten – der Bergfriedartigkeit eines einzelnen Turmes in Rottweil und dem Auftreten des Buckelquaderwerks – wird man Wirkungen des hoch entwickelten regionalen Burgenbaues sehen. Ein der bisherigen Stadtmauerforschung unbekanntes Phänomen waren die hohen Erdschüttungen bzw. „Rondengänge“ hinter Mauern des 12. und frühen 13. Jahrhunderts (Basel, ähnlich in Freiburg, Offenburg, Villingen). In Basel und Freiburg (Abb. 38) waren sie beachtlich hoch, sodass es sich im Grunde um mauerbekleidete Wälle handelte, die allerdings in beiden Fällen als Verstärkung zunächst frei stehender Mauern entstanden; im etwas jüngeren Villingen gab es offenbar nur eine flache Aufschüttung. Allge-
Abb. 332 Villingen, die Feldseite des „Bickentors“. Von den drei in Villingen erhaltenen Tortürmen ist dies der jüngste, dendrodatiert 1267 +/– 10.
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mein wird man über Form und Funktion erst nach weiterer Forschung Verbindliches sagen können, denn solche Wälle oder „Rondengänge“ können bei süddeutschen Mauern häufiger gewesen sein als bisher bekannt, da der später meist verbaute Befund im Grunde nur durch Grabung bzw. detaillierte Auswertung von Schriftquellen zu sichern ist. Auch den steilen Anzug, der für den unteren Teil vieler oberrheinischsüdwestdeutscher Mauern vor 1250 charakteristisch ist, kann man vielleicht von dieser frühen Wall- bzw. „Rondengang“-Form ableiten, denn die Schrägstellung des Mauerfußes hatte anfangs – besonders deutlich in Freiburg (Abb. 38) – die Funktion, den Druck der Erdschüttung auf die Mauer abzufangen; freilich wird nicht jede Mauer mit Anzug einen Wall gestützt haben, sondern dieses formale Merkmal mag sich später verselbstständigt haben. Mauergassen, das heißt jene ebenerdigen Umgänge hinter der Mauer, die im Spätmittelalter vor allem in Norddeutschland weitverbreitet waren, fehlen hingegen in Baden fast völlig. Von den größeren Städten der späten Stauferzeit besaß nur Heidelberg weitgehend eine Mauergasse (auch in der Vorstadt des 15./16. Jahrhunderts), teilweise auch Pforzheim. Von den späten, kleinen Städten zeigte nur Zell am Harmersbach eine schmale Mauergasse, ebenso zum Teil die jüngste Erweiterung von Lahr, beide aus dem späten 15. Jahrhundert. Die erdrückende Mehrheit der Städte hatte aber höchstens ganz kurze Stücke von Mauergassen (Rottweil, Osterburken, Sulzburg), oder sie fehlten völlig. Charakteristisch ist vielmehr die Reihung wenig tiefer, heute meist mit einem einzigen Haus überbauter Grundstücke an der Mauer; gute Beispiele mit allerdings meist unkenntlich verbauter Mauer bieten etwa noch Bräunlingen, Dornhan, Durlach, Elzach, Ettenheim, Fridingen, Gochsheim, Löffingen, Möhringen, Stühlingen und Tengen. Zwischen der Mitte des 13. Jahrhunderts und dem frühen 15. Jahrhundert wurden auch in Baden zahlreiche kleine und mittlere Städte gegründet und, in der Regel wohl mit zeitlicher Verzögerung, ummauert; wie die Entwicklung im Einzelfall aussehen konnte, deutet etwa das 1258 ersterwähnte, neuerdings teilweise ergrabene Münster im Breisgau an, wo dem Graben ein mauerbekleideter Wall mit vorspringendem 58 Topographischer Teil
Turm folgte. Die aufgehende Substanz der Mauern ist, abgesehen von einzelnen Tortürmen, fast immer begrenzt und schwer zu analysieren, vor allem, weil das Fehlen der Mauergasse und die Einbeziehung der Mauer in Mitte des 13. Häuser zu umfassenden Veränbis Mitte des derungen geführt hat; Bruch14. Jahrhunderts steinmauerwerk ist jedenfalls die Regel, während das an südwestdeutschen Burgen so häufige Buckelquaderwerk nur ausnahmsweise an Turmecken auftritt. Nennenswerte Reste, die nach den Ersterwähnungen noch ins 13. Jahrhundert gehören könnten, sind nur in wenigen Städten erhalten. Gengenbach sei nach einer Einnahme 1246 von dem Straßburger Bischof Heinrich von Stahleck befestigt worden, anfangs wohl nur mit Wall und Graben. Die Mauer mit dem typischen steilen Anzug wurde nach einer Inschrift erst 1384 begonnen, auch die beiden Tortürme, mit Eckbuckelquadern und Fallgatter, dürften erst ins 14. Jahrhundert gehören, ebenso wie der „Niggelturm“ an einer Ecke und weitere, nun halbrunde Türme; der „Prälatenturm“ im Klosterbereich wurde im Rokoko zum Gartenhaus des Abtes. Mühlheim, in Spornlage über der Donau, ist 1241 ein „burgum“ der Grafen von Zollern, 1255 sind die Mauern erwähnt. Kaum jünger ist wohl der Torbau in Buckelquadern mit Spitzbogentor und nur einem Obergeschoss; ein bergfriedartiger Turm an der Angriffsseite stürzte 1705 ein. Baden-Baden, das um 1250–88 zur Stadt wurde, besaß auch zwei Ecktürme; erhalten sind nur Teile der von der Burg herabziehenden Mauern und zwei völlig veränderte jüngere Rondellreste. Um 1260/75 sei Calw von den Grafen von Vaihingen zur Stadt erhoben worden, wo man neben Mauerresten noch einen quadratischen, verputzten Mauerturm findet. Der Markt Radolfzell erhielt 1267 Stadtrechte und darauf wohl eine in Resten erhaltene Mauer aus Flusskieseln; der einzige erhaltene Schalenturm dürfte ein Jahrhundert jünger sein. Parallel entwickelte sich Säckingen, das nach 1272 zur Stadt wurde, mit Freiheitsbrief von 1316; der „Gallusturm“ sei 1343 entstanden, aber im 16. Jahrhundert als Rondell erneuert. 1281 werden cives in Wildberg an der Nagold erwähnt und die Bruchsteinmauer, die teils noch extrem breite Zinnen erkennen lässt,
könnte noch etwas älter sein. Neben einem Torturm – mit Rundbogentor im tonnengewölbten Erdgeschoss, oben als Schale geöffnet, mit Eckbuckelquadern – ist hier ein ebenfalls zur ersten Phase gehöriger Mauerturm mit ähnlichen Merkmalen erhalten. Nach der Stadterhebung 1291 ist das Tor der kleinen Burgstadt Tengen im Hegau zu datieren, ursprünglich offenbar ein Torbau mit Rundbogentor in Buckelquadern, mit einem Schalenturm daneben; das Wappen der Herren von Tengen auf dem Schlussstein und das Fachwerkobergeschoss sind sekundär. In Bräunlingen, das 1295 Stadtrecht erhielt, steht gleichfalls noch ein Torturm mit Eckbuckelquadern, der aber 1904 völlig neu gestaltet wurde; eine verschwundene Inschrift „1230“ liegt sicher zu früh. Die Mauer der kleinen Bergwerks- und Reichsstadt (Neu-)Bulach, deren Vogt zuerst 1277 erscheint, mag noch aus der Zeit um 1300 stammen; ein Torturm und ein runder Eckturm, beide als Schalen, gehören erst ins späte 14. Jahrhundert. Nur verbaute Abschnitte blieben von der Umwehrung in Staufen im Breisgau, die mit Wallhinterschüttung und steil geböschter Mauer dem Freiburger Modell des 12. Jahrhunderts folgte; jedoch war Staufen noch 1269 Dorf, erst 1341 definitiv Stadt. Die „Aufnahme“ von 100 Mark Silber, um 1369 die Befestigungen „anzulegen“, mag sich unter anderem auf einen 1955 ergrabenen Rundturm bezogen haben. Noch geringere, kaum datierbare Reste findet man ferner in Gernsbach (1243 oppidum; der „Storchenturm“ ist wohl Teil einer Erweiterung des 15. Jahrhunderts), Kenzingen (wohl 1248 gegründet), Geisingen, Kuppenheim (1254 civitas), Steinbach und Stühlingen (beide Stadtrecht 1258), Weinheim (1264 als Stadt genannt, Türme des 14. Jahrhunderts), Dornstetten und Dornhan (beide Stadt um 1270), Oberndorf (Stadt vor 1271), Nagold (1329 als Stadt erwähnt, laut Matthäus Merian 1274 „umbmuret“), ferner in Blumenfeld (Gründung um 1275), Walldürn (Stadt nach 1275), Haslach (1278 als Stadt erwähnt; zwei runde Ecktürme des 15. Jahrhunderts), Sulz am Neckar (Stadtrecht 1284), Elzach (wohl 1287/90 gegründet), Engen/Hegau (civitas 1289; Rondelle des 15./16. Jahrhunderts), Hilsbach (1294 als Stadt erweitert) und Endingen (Stadterhebung 1285/86). In weiteren Städten, deren Entstehung noch vor 1300 liegen dürfte, sind die ersten Mau-
ern verschwunden oder völlig verbaut (Stockach, Horb, Schömberg, Löffingen, Neustadt/Schwarzwald, Fürstenberg, Oppenau). Soweit Baureste und Forschungsstand erkennen lassen, gab es auch bis etwa 1300 in Baden neben den Tortürmen fast keine weiteren Türme. In wenigen Städten ist ein einzelner Turm erhalten oder nachweisbar – als seltene Ausnahme in Calw und vielleicht in Baden-Baden sogar zwei –, der in die Erbauungszeit der Mauer gehören könnte. Halbwegs gesichert erscheint eine so frühe Entstehung am ehesten in Wildberg; in Baden-Baden, Mühlheim und Oberndorf sind die Türme verschwunden und undatierbar. Erst gegen 1300 sind am badischen Oberrhein Mauern mit einer Mehrzahl regelmäßig verteilter Türme nachzuweisen, wenn auch unter Vorbehalt, da fast nichts erhalten ist. Die erste Mauer dieser Art war offenbar die schon erwähnte der Freiburger „Neuburg“, deren bergseitige Halbrundschalen wohl um 1250–70 entstanden (Abb. 328). Diese Formen waren sicherlich Vorbild des nahen Waldkirch (1287 „neue Stadt“, 1300 Stadtrechte), dessen 1316/20 erwähnte Mauer acht Rund- und Halbrundtürme besaß. Das zwischen 1298 und 1313 ummauerte Lichtenau – es seien dafür Quader von der elsässischen Burg Krax nahe Andlau verwendet worden(!) – war offenbar eine kaum ältere Gründung des Bischofs von Straßburg über Rechteckgrundriss. Es besaß neben den Tortürmen weitere Rechtecktürme, davon zwei Ecktürme, weswegen man einen Bau „aus einem Guss“ nach Vorbild der Straßburger Mauer annehmen darf. Anfang des 14. Jahrhunderts werden in Breisach Tore nicht nur in der Oberstadt erwähnt („Kapftor“, 1319), sondern auch in den Vorstädten im Tal („Kupfertor“, „Rheinbrückentor“, 1315); Bauteile dieses Alters fehlen aber fast völlig (Turmrest im „Kapftor“, Unterbau des „Windbruchtores“ beim Münster?, Kirchturm St. Joseph?); Grabungen im Osten bestätigten die Ummauerung der Oberstadt erst im 14. Jahrhundert. Dass die erhaltenen Bauten (vgl. unten) erst ins 15. Jahrhundert gehören, zeigt wohl, dass man sich bis dahin weitgehend auf die Fels- und Insellage verließ. Erst ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden die Mauertürme im Raum des heutigen Baden etwas häufiger, wobei die Feststel6. Baden
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lung zwei Einschränkungen unterliegt. Einerseits ist die Entstehungszeit meist nur grob bestimmbar, andererseits ist das Phänomen im „fränkischen“ Norden des Landes weit deutlicher, der starke Einflüsse insbesondere des Rheinlandes verarbeitete. Wiesloch, 1288 als Stadt erwähnt und 1301 belagert, besitzt an seiner äußeren, um 1350/60 errichteten Mauer noch einen quadratischen Turm mit Eckbuckelquadern; zwei schlanke Rundtürme mit Schlüssel- und Maulscharten traten fraglos erst im 15. Jahrhundert hinzu. Auch die Mauer des ähnlich alten Bretten ist erst 1348 belegt; der quadratische „Pfeiferturm“ mag noch aus dem 14. Jahrhundert sein, während der runde „Simmelturm“ mit seinem originellen, reliefgezierten Spitzbogenfries und den Pfälzer Wappen kaum vor 1450 entstanden ist. BuMauertürme ab der zweiten Hälfte des chen im Odenwald, 1296 als 14. Jahrhunderts Stadt erwähnt, besitzt einen schönen Torturm wohl des späteren 14. Jahrhunderts – vielleicht nach Belagerung 1382 – und (erneuerte) Reste von drei runden Voll- und Schalentürmen. Neckarbischofsheim schließlich – 1356 noch Dorf, 1378 Stadt – besaß mindestens einen runden und einen rechteckigen Eckturm und Wehrgangbögen. Rundtürme sind um und nach 1400 dann ohnehin die vorherrschende Form, etwa in der 1392 begonnenen, aber nach Inschrift erst um 1600 Abb. 333 Zavelstein, rekonstruierender Grundriss von Burg und (Alt-)Stadt. Die Burg geht ins frühe 13. Jh. zurück, die kleine Burgstadt samt ihrer Befestigung entstand aber wohl erst in der 2. Hälfte des 14. Jh. (T. Radt).
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abgeschlossenen Vorstadtmauer von Heidelberg. Auch die Ecktürme der Erweiterung von Ettlingen (um/nach 1400) sind rund, ebenso ein Eckturm im 1409 als Stadt erwähnten Osterburken, schließlich zwei Türme des späten 15. Jahrhunderts in Heidelsheim, das schon 1241 im Steuerverzeichnis firmierte. Rundbogenfriese sind häufig und belegen die Nähe zum mittelrheinisch-pfälzischen Einflussgebiet besonders deutlich. Weiter im Süden bleiben Türme auch um und nach 1400 selten. In Horb wurde die Angriffsseite der wohl schon vor 1273 vergrößerten Stadt durch einen Torturm mit profilierter Durchfahrt verstärkt („Ihlinger Tor“) sowie durch einen etwa 30 m hohen Schalenturm, der die ältere Burg neutralisierte (er gilt als deren Bergfried, war jedoch zur Stadt offen). Die Burgstadt Zavelstein (Stadtrecht 1367?) besitzt neben der Schildmauer und dem Torturm der Angriffsseite einen quadratischen Mauerturm (Abb. 333). Schließlich gab es im Markt Emmendingen mindestens zwei halbrunde Schalen (vor 1418?). Bei der Mehrzahl dieser Türme um und nach 1400 erlaubt ihr Zustand keine Aussage mehr, ob sie mit der Mauer entstanden oder erst nachträglich an eine ältere, schwer datierbare Mauer angefügt sind. Immerhin belegt eine beachtliche Anzahl sicherer Fälle, dass der zweite Fall nicht selten war. Frühe Mauern, die ihre Türme erst später erhielten, waren oben schon in Konstanz, Heidelberg, Eberbach, Offenburg, Rottweil, Villingen und Gengenbach erwähnt worden; in Bretten, (Neu-)Bulach, Staufen, Weinheim und Wiesloch wurden die Türme an Mauern angefügt, die höchstens bis ins späte 13. Jahrhundert oder nur ins 14. Jahrhundert zurückreichen. In Bruchsal ist die nachträgliche Einfügung eines rechteckigen Schalenturms in die (verschwundene) Mauer durch Grabung erwiesen. Villingen mit seinen wohlerhaltenen und dendrodatierten Türmen („Kaiserturm“ 1370–72; „Romäusturm“ 1390/91, erhöht 1429/39; „Elisabethenturm“, Dach 1493) ist der eindrucksvollste unter diesen Fällen. Der auch inschriftlich datierte, ungewöhnliche „Kaiserturm“ öffnete sich im Erdgeschoss dreiseitig im Spitzbogen und besaß eine Wächterstube mit Kachelofen und einem fünfteiligen, mit Kreuzblumen bekrönten Gruppenfenster; der „Romäusturm“ fällt dage-
gen durch sein gutes, feldseitiges Buckelquaderwerk und Wappenschilde unter der Traufe auf (Abb. 334). Auch so beeindruckende Türme wie in Villingen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Türme in Baden auch um 1400 Ausnahmen blieben, von besonders finanzkräftigen Städten zur Verstärkung gefährdeter Stellen errichtet; die turmreichen Mauern, wie man sie etwa im Rheinland schon im 13. Jahrhundert, in Franken oder Brandenburg im 14. Jahrhundert findet, fehlen hier vollständig. Dementsprechend findet man im badischen Raum auch im 14. Jahrhundert weiterhin völlig turmlose Mauern, wenn auch nur noch bei recht kleinen Städten. Erwähnt seien, mit nur geringen Resten, Fridingen, Oberkirch (ummauert ab 1306), Schriesheim (Ersterweiterung 1342?, zwei Erweiterungen bis ins 15. Jahrhundert), Haiterbach (vor 1349), Muggensturm (vor 1353, Reste in Backstein), Sulzburg (Mauern 1371 erweitert, Rest eines Torturmes) und Gochsheim. Verschwunden sind die Mauern von Hausach (vor 1305), Möhringen (1308/24), Renchen (vor 1318), Schopfheim (Mauer 1340 erweitert), Liebenzell (Stadtwerdung um 1354–99) und Neuenbürg (1361 als Stadt erweitert). Eine eigenständige Gruppe unter den turmlos ummauerten Kleinstädten bilden jene „Burgstädtchen“, die auch sonst im alemannischen Raum – Nordschweiz und Elsass – sowie im Rheinland auftreten und die vielleicht von den französischen bourgs castraux angeregt sind. Wenige Höfe und Häuser um einen Platz oder eine Gasse, deren Ummauerung unmittelbar neben oder vor der dominanten Burg eher das Bild einer großen Vorburg ergibt, spiegeln die völlige Abhängigkeit vom Burgherrn wieder; als früher Fall war Tengen (Stadtrecht 1291) erwähnt worden. In der Regel sind keine Mauerreste erhalten, so in Hauenstein (Stadtrecht 1317), Lahr (gegründet um 1320?, zweimal erweitert), Rotenberg (Stadtrecht 1338), Küssaburg (Stadtrecht 1346) und Blumberg. Geringe Reste findet man noch in Obergrombach (Stadtrecht 1336/37), wo zwei Versprünge ein Minimum an Flankierung ermöglichen sollten, in Burkheim (vor 1348, mit barockem Torbau), in Dilsberg („Stedelin“ 1369, mit spätgotischem Torbau) und im schon erwähnten Zavelstein, das sogar einen Mauerturm besaß.
Abb. 334 Villingen, der „Romäusturm“. Die Untergeschosse sind dendrochronologisch auf 1390 datiert, das 3. und 4. Obergeschoss 1429/30. Der Turm ist eines von vielen Beispielen, dass gutes Buckelquaderwerk auch in Südwestdeutschland keineswegs nur in der Stauferzeit vorkam.
Ist nach alledem schon für das 14. Jahrhundert festzustellen, dass sich der badische Stadtmauerbau – gemessen an anderen Regionen – eher auf das Notwendigste beschränkte und in der Gesamtwirkung bescheiden blieb, so verstärkt sich dieser Eindruck im 15. Jahrhundert noch. Neue Mauern und die Ummauerung von Vorstädten bleiben nun ebenso seltene Ausnahme wie die Verstärkung durch Einzelbauten. Allein auf dem Gebiet der Zwingeranlagen und der Außenwälle hat sich auch hier etwas mehr getan. Der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gehörte offenbar die Mauer von Zell am Harmersbach an, von der noch der quadratische „Storchenturm“ von „1462“ und der runde „Hirschenturm“ von „1498“ stehen; kaum älter dürften die Mauerreste in Adelsheim (Stadtrecht 1374) sein, mit 6. Baden 61
einem schartenreichen Rundturm und ehemals Rundbogenfriesen. „1448“ wurde Neckarbischofsheim nach Osten erweitert; dies belegt das Datum auf einer Scharte des erhaltenen Fünfeckturmes (Abb. 72), dem ein zweiter an der Südwestecke entsprochen haben wird. Eindrucksvoll ist der Formenreichtum dieser Scharten, deren hufeisenförmige Mündung mit einem isolierten, die Schlüsselform vielfach variierenden Visierschlitz kombiniert ist. Um 1500 wurde – zeitgleich mit den Westvorstädten von Mauern, Türme, Zwinger Freiburg – die Horber und Außenwälle im Vorstadt „Tal“ ummauert, 15. Jahrhundert wie die Maul- und Schlüsselscharten ihrer allein erhaltenen beiden Rundtürme zeigen; auch das dortige Wassertor mit Schlüsselscharten und einem Kreuzigungsfresko wird in diese Zeit gehören. Einen Rundturm mit Maulscharten besitzt auch noch die (ältere?) Stadtmauer von Neckargemünd. Schließlich stammen die meisten erhaltenen Teile der Breisacher Befestigung erst aus der Mitte(?) des 15. Jahrhunderts. Das „1451“ datierte „Kapftor“ und das „Specktor“ (Ersterweiterung 1402) sind neue, eingeschossige Torbauten an alter Stelle mit aufwendigen Wurferkern und beim „Specktor“ – das innerhalb der älteren Vorstadt(!) als Sicherung der Oberstadt entstand – mit dreijochiger, schön gewölbter Durchfahrt. Auch der (ältere?) Turm des „Windbruchtores“ wurde in dieser Epoche umgestaltet und die Reste der Vorstadtmauer am Eckartsberg, mit Torrest, dürften ähnlich alt sein. Als kleine Rondelle – an der Hauptmauer – kann man in ganz Baden nur noch vier Streichwehren in Villingen bezeichnen, wohl von 1499, den Säckinger „Gallusturm“ mit seinen gestuften Maulscharten (erste Hälfte/Mitte des 16. Jahrhunderts), ein halbrundes Rondell in Engen und den Rottweiler „Pulverturm“ (vor 1564); als Sonderfall ist der Chor der Engener Pfarrkirche zu nennen, dessen hoher Unterbau flankierende T-Scharten zeigt. Mit diesen wenigen Bauten sind die erhaltenen Reste des vorbastionären Artilleriezeitalters in Baden schon erfasst und selbst, wenn man nur noch von Abbildungen bekannte Bauten hinzunimmt – etwa die beiden rechteckigen Bollwerke an der Westseite von Freiburg, ein ähnliches im Süden von Rottweil, ein Rondell in Breisach –, so bleibt das Baugeschehen in dieser Phase, in der an62 Topographischer Teil
derwärts enormer Aufwand getrieben wurde, doch auffällig begrenzt. Anders sieht es aus, wenn man sich von den Hauptmauern ab- und den vorgelagerten Verstärkungen zuwendet. Umlaufende Zwinger und Außenwälle entstanden im 15./16. Jahrhundert in Baden relativ häufig, wobei allerdings wenig erhalten ist und auch Datierungshinweise fehlen; in der Regel dürfte es sich um Anlagen des späten 15. und des 16. Jahrhunderts gehandelt haben. Die Mehrzahl der Zwinger besaß Streichwehren, die fast immer rund und ungewöhnlich klein waren (Möhringen: Durchmesser 2,80 m); nur das fränkische Mosbach, mit einem bis zu 20 m breiten Zwinger, besaß nach Matthäus Merian meist rechteckige Streichwehren, wobei die einzig erhaltene aber rund ist. Eine Reihung zahlreicher Streichwehren war selten (ehemals Tuttlingen, Durlach, Mosbach; Dornstetten mit fünf erhaltenen), weit häufiger gab es nur eine oder zwei Streichwehren, meist an der Angriffsseite, einer Ecke oder einer besonders zu sichernden Stelle (zwei Streichwehren ehemals in Pforzheim, Altensteig, Bruchsal, Möhringen, Mühlheim, Waldkirch; eine Streichwehr ehemals in Engen, Gernsbach, Rottweil). Auch die Zwinger bestätigen also das Bild betonter Sparsamkeit – es wurde nicht mehr gebaut als dringend nötig und dies nur an exponierten Stellen und in eher kleinen Dimensionen. Dementsprechend sind bei einigen Zwingern überhaupt keine Streichwehren nachweisbar. Diese mögen gelegentlich undokumentiert verschwunden sein (Bretten, Radolfzell, Weinheim, Reste in Tiengen), aber zum Beispiel in Nagold zeigt der Urkataster 1835 den turmlosen Zwinger voll erhalten. Der Ladenburger Zwinger könnte wohl am ehesten vor das 15. Jahrhundert zurückgehen; jedoch ist hier wenig erhalten und die lokale Forschung datiert mindestens ein Jahrhundert zu früh („um 1200“). Anstelle der Zwinger gab es auch am badischen Oberrhein – analog zum Elsass und zu der Schweiz – den befestigten Außenwall, der eine ähnliche Funktion wie der umlaufende Zwinger erfüllte, aber durch einen Graben von der Hauptmauer getrennt war. In der Regel besaßen auch diese Wälle des 15./16. Jahrhunderts – es ist kaum etwas erhalten geblieben – hinter dem äußeren Graben eine gemauerte Außenfront mit
Abb. 335 Villingen, der Außenwall im Süden der Stadt nach einer Grabung 1988. 6 ist der Turm des ehemaligen Niederen Tors, 1 die Hauptmauer, 4 der Außenwall, 2 und 5 die beiden Gräben. (B. Jenisch, Die Entstehung d. Stadt Villingen, 1999).
Wehrgang und meist auch runde Streichwehren. Durch Grabung erfasst und um 1440 datiert, ist die Anlage in Villingen, die schmal und auch stadtseitig mauergestützt war und damit kaum noch als Wall wirkte (Abb. 335); sie besaß Schlüsselscharten und wenige halbrunde Streichwehren. Ähnliche, teils mit vielen Streichwehren versehene Anlagen sind auf älteren Plänen für Offenburg, Haslach, Oberkirch, Lahr, Wolfach und Ettlingen belegbar; im letzteren Fall sind Brillenscharten des 16. Jahrhunderts erhalten. Einfachere Anlagen, ohne Rondelle, besaßen auch Sulzburg, Kuppenheim und Steinbach; in Sulzburg überliefert Matthäus Merian eine hohe Zinnenmauer auf dem Wall, in Kuppenheim lief nach Grabungen ein einfacher, 1–2 m hoher Wall mit Außengraben um – ein Minimalmodell, das es, bisher unerkannt, auch in Baden weit öfter gegeben haben mag. Vortore bzw. Torzwinger waren auch in Baden häufig, ebenso Tore oder Vorhöfe auf der Außenseite des Grabens, aber erhalten ist fast nichts; erwähnenswert ist der große Torzwinger in Aach, dessen Torturm wohl ein romanisches Mauertor ersetzte, und die Flankenmauern am „Baseler Tor“ in Durlach. Der Zwinger vor dem Konstanzer „Schelztor“ entstand, als Sonderfall, durch die späte Errichtung des Torturmes hinter dem Mauertor. Neben jenen Mauern, deren Zwinger oder
Außenwälle ohnehin äußere Tore erforderten, kennen wir durch Matthäus Merian und andere frühe Darstellungen einfache Vortore in Bretten, Lahr, Möhringen, Mosbach und Wiesloch. In Waldshut gibt es Spuren eines großen Zwingers vor dem „Waldtor“, in Fürstenberg ist ein noch größerer mit vier Rondellen verschwunden. Die Außenseite der Brücke war in Zavelstein durch einen zweiten Torturm, in Ettlingen durch ein kleines Doppelturmtor gesichert; in Rottweil und Bruchsal sind dort große, wenig befestigte Vorhöfe belegt. Landwehren und Warten fehlten in Baden fast völlig. Der einzig nachweisbare Wartturm im alemannischen Teil, 1442 erbaut, steht auf dem Horb überragenden Berg; ein zweiter, 1490 in Buchen errichtet, gehört im Grunde schon zu Franken, wo Warttürme weitverbreitet waren. Abb. 336 Endingen, das „Königsschaffhauser“ Tor ist inschriftlich 1581 erbaut, könnte vom Typus und vielen Details her aber auch mindestens anderthalb Jahrhunderte älter sein.
6. Baden
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Ein Sonderfall war der verschwundene „Kaisertrutz“ über Heidelberg, ein isoliert über der Vorstadt stehendes, im Grundriss sternförmiges Bollwerk, das primär der Verteidigung, aber auch einem besseren Blick über die Rheinebene diente (Ende des 15. Jahrhunderts?). In der Renaissance wurde an den badischen Stadtbefestigungen kaum noch gebaut. Bemerkenswert ist das offensichtlich „1581“ völlig neu errichtete „Königschaffhauser Tor“ in Endingen, ein Torturm, der nur im Detail verrät, dass er nicht ins 14./15. Jahrhundert gehört (Abb. 336). Ein Jahr später erhielt der Gengenbacher „Niggelturm“ einen schmuckreichen, aber kaum noch wehrhaften Achteckaufsatz. „1567“ ist ein hausartiges Dorftor in Malterdingen datiert, der letzte Vertreter einer in den Weindörfern sicher recht häufigen Spezies. Die Kriege und Zerstörungen des 17./18. Jahrhunderts führten noch zu mancherlei Verstärkungen; interessanter als die allgegenwärtigen dreieckigen Erdschanzen vor dem Graben sind etwa die in einem Plan von 1690 überlieferten
bastionsförmigen Blockhäuser in Zell am Harmersbach. Allgemein aber bedeutete diese Phase für die Stadtmauern Badens offenbar ein recht abruptes Ende – sie wurden systematisch zerstört oder verfielen, nachdem ihre Unbrauchbarkeit in modernen Kriegen erwiesen war. Lediglich einige bescheidene barocke Tore, die in der Regel wohl Ruinen mittelalterlicher Bauten integrieren, markieren ein weiter bestehendes Interesse an zumindest optischer Abgrenzung der Stadt (Burkheim, Emmendingen, Ettenheim, Ettlingen). Den Schlusspunkt dieser Tendenz, der nichts mehr mit Befestigung zu tun hat, bildete Heidelberg, wo – nach dem Verlust der Residenzfunktion 1720 – noch aufwendige Neubauten entstanden. 1775–81 ließ die Stadt zu Ehren des Kurfürsten Karl Theodor durch Nicolas de Pigage das „Karlstor“ erbauen, als Triumphbogen weit vor dem mittelalterlichen Tor; ein Pendant entstand im nahen Neckargemünd 1788. 1788–90 folgten die neuen Fassaden des „Brücktores“, schließlich die völlige Erneuerung des (1856 abgebrochenen) „Mannheimer Tores“.
7. Neckarland Das Land nördlich vor der Schwäbischen Alb wird durch den Neckar und seine Nebenflüsse geprägt; heute entspricht es etwa dem Hauptteil des Regierungsbezirks Stuttgart, nördlich begrenzt durch die württembergisch-fränkischen Landkreise Heilbronn und Schwäbisch Hall (vgl. Kapitel 14.), und einem kleinen Teil des Bezirks Tübingen, der vor der Alb liegt. Ohne größere Höhenunterschiede bot die Region der Besiedlung gute Grundlagen. Eine wichtige Rolle spielte der Weinbau, vergleichbar dem Oberrhein im Westen und dem Untermain im Norden. Er begünstigte die Entstehung kleiner Städte und befestigter Dörfer, deren Bild und Baubestand freilich seit dem 19. Jahrhundert durch die kräftige Industrialisierung beeinträchtigt ist, vor allem im Großraum Stuttgart. Keine Mauer des Neckarlandes geht halbwegs sicher ins 12. Jahrhundert zurück – durchaus bemerkenswert in der Heimat der von 1138 bis 1250 regierenden staufischen Dynastie. Für 64 Topographischer Teil
Schwäbisch Gmünd immerhin hat H.-M. Maurer die Stadtwerdung schon unter Konrad III. erschlossen (cives 1162). Der innere, „staufische“ Mauerring von Gmünd, der an eine schwer deutbare Kernsiedlung um Heiligkreuz anschloss, wurde früher noch ins mittlere 12. Jahrhundert datiert, kann aber nach neueren Freilegungen erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden sein. Der ergrabene Mauerteil zeigt gute Buckelquader; die ehemals sechs TortürMauern der späten Stauferzeit, der ersten me und die wenigen Hälfte des 13. Jahrhunderts Mauertürme sind dagegen kaum noch beurteilbar. Gründungen Friedrichs II. um 1215–41 – das heißt zwischen seinem ersten Aufenthalt in Deutschland und der berühmten, für die Mauern aussagekräftigen Steuerliste – sind nach herrschender Meinung Reutlingen und Esslingen, in beiden Fällen wohl mit schnell folgender Um-
mauerung. Reutlingen wurde 1247 erfolglos von Heinrich Raspe belagert, wonach man die Pfarrkirche „infra muros“ verlegte. Von der ausgedehnten Bruchsteinmauer sind nur kurze Abschnitte erhalten; auch eine aufwendige sekundäre Wehrgangverbreiterung spricht für die spätstaufische Entstehungszeit der Mauer. Das im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts entstandene „Tübinger Tor“ (Abb. 106, 342) ist in seiner Gestaltung einer der reichsten deutschen Tortürme. Sein äußeres, dreifach gestuftes und gekehltes Spitzbogentor wird durch einen krabbenbesetzten Wimperg mit einer Kreuzblume überhöht, wobei in einen Dreipass eine Kreuzigung gemalt ist, früher durch einen großen Reichsadler ergänzt; kreuzblumenbekrönte Eckstrebepfeiler rahmen das Erdgeschoss und vollenden eine geradezu sakrale Architektur, die in Deutschland ohne Vergleich ist! Der stattliche Turm selbst ist in zwei Höhen durch Wasserschläge gegliedert, stadtseitig zeigt er ein einfacheres, aber ähnliches Tor und war darüber voll geöffnet, aber unter der Wehrplatte spitzbogig abgeschlossen; der Fachwerkabschluss stammt wohl von 1528. Ausmalungsreste des 14. Jahrhunderts zeugen von einer hochrangigen Nutzung des Turmes, die seiner ungewöhnlichen Architektur entsprach. Das „Neutor“ wirkt als seine vereinfachte Replik, wie der größere Turm mit Fallgatter im äußeren Gewände. Weit komplexer verlief die Entwicklung in Esslingen – hier entstand die mit Abstand aufwendigste Stadtbefestigung des Neckarraumes, in der sich die langfristig führende Rolle der Reichsstadt spiegelte; erst spät wurde das württembergische Stuttgart zum ernsthaften Konkurrenten. Esslingens weitgehend verschwundene erste Mauer zeigte Buckelquader, als einzige staufischer Zeit im Neckarland neben Gmünd. Die Formen der baueinheitlich auf der Mauer sitzenden Allerheiligenkapelle zeigen, dass man an der geschützten Neckarseite erst gegen Mitte des Jahrhunderts baute. Als einer der formal überzeugendsten Tortürme Deutschlands blieb das 1268 erwähnte, wohl um 1220/40 entstandene „Wolfstor“ erhalten (Abb. 337), ein Schalenturm, der über den spitzbogigen Durchfahrten (früher auch stadtseitig) Löwenreliefs in noch romanischer Formgebung zeigt; die Mauer setzt mit Fuge gegen die besonders sorgfältigen, „kissen-
förmigen“ Buckelquader des Turmes. Ob es neben den Toren schon früh weitere Türme gab, muss offenbleiben; auf Plänen sind zwar Rechtecktürme belegt, aber es fällt auf, dass sie dort am dichtesten standen, wo vor der Urmauer keine Vorstädte entstanden waren. Gegen den überragenden Berg im Norden entstand wohl im Zusammenhang der ersten Mauer, schon 1268 erwähnt, eine breite Schildmauer auf der Hangkante, durch lange Schenkelmauern mit dem Tal verbunden; in ihrem Mauerwerk ist der Verfall der Buckelquadertechnik deutlich abzulesen. Wieder kaum später, um 1286–1300, wurde auch die Pliensauvorstadt ummauert, im Zusammenhang einer aufwendigen Verlegung des Neckarlaufes und der Erbauung der „Pliensaubrücke“ (Baubeginn wohl 1286). Die erhaltenen Tortürme, das „Schelztor“ und das 1297
Abb. 337 Esslingen, der in besten Buckelquadern erbaute und feldseitig mit zwei Löwenskulpturen geschmückte Turm des „Wolfstores“ ist 1268 zuerst erwähnt, entstand aber wahrscheinlich schon um 1220/40.
7. Neckarland
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erwähnte „Pliensautor“, knüpfen formal, insbesondere mit dem Buckelquaderwerk, an das „Wolfstor“ an; nur Profilierungen, einer Wappenblende im ersten, der Fallgatternische im letzteren Falle, und das engelgeschützte Wappen des „Pliensautores“ bezeugen die spätere Entstehung. Die Mauer der „Pliensauvorstadt“ besaß Rechtecktürme in kleinen Abständen, die aber ebenso verschwunden sind wie jene der ersten Mauer und die gesamte, weit turmreichere Mauer der Obertorvorstadt, deren Bau 1330 von Kaiser Ludwig steuerlich gefördert wurde. Hier entstanden im mittleren 14. Jahrhundert nach alten Abbildungen Schalentürme, die auf Buckelquader verzichteten. Mit der „Beutauvorstadt“, deren Mauer nach 1351 von einem Bürger finanziert wurde, und weiteren Vorstädten im Westen kam die vielfältige und dynamische Entwicklung des mittelalterlichen Esslingen zum Abschluss. Neben Gmünd, Reutlingen und Tübingen findet man Baureste spätstaufischer Zeit, von begrenzter Aussage, nur noch in den Kleinstädten Besigheim und Marbach. Besigheim wurde um 1220/30 als einheitliche, ungewöhnliche Kombination von Burg und Stadt der Markgrafen von Baden gegründet (Abb. 338). Die Stadt nimmt einen Berggrat ein, ihre höhere Schmalseite wurde von der Burg gesichert, deren mehrgeschossig gewölbter, runder Bergfried – eine Rezeption französischer Vorbilder, dendrodatiert 1235+/–3 – ein ebenso ausgestattetes Gegenstück an der anderen Schmalseite besaß. Die Stadt hatte demnach zwei burgartig gesicherte Angriffsseiten, jedoch fehlen sonst an den Resten der Bruchsteinmauer, die schon vor der Burg bestand, alle Hinweise auf Türme; eine Quaderpartie mit einem Rechteckfenster im Südwesten bezeugt noch einen angelehnten Wohnbau unbekannter Funktion (Burgmannenhaus?). In Marbach ist die Entstehung der (1282 erwähnten) Stadt auf einem Hügelsporn schon um 1200 archäologisch erwiesen; die Burg, deren Ecklage das gemeinsame Konzept mit der Stadt belegt, wurde im mittleren 13. Jahrhundert in Stein erneuert und im gleichen Bauvorgang entstand offenbar die Stadtmauer. Ähnlich Besigheim zeigt sie Bruchstein, auch noch mehrfach breite Zinnen mit Schlitzen, aber der erhaltene Torturm und mehrere Erkertürme sind weit jüngere Umbauten. 66 Topographischer Teil
Abb. 338 Besigheim, hier im Jahre 1577, liegt auf einem Umlaufberg des Neckars und wurde an beiden Angriffsseiten durch je eine Burg mit rundem Bergfried geschützt. Rechts oben außerdem ein Wartturm, der einen besseren Blick auf das Umland bot (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, C 3 Bü 4931 Nr. 27a, Ausschnitt).
Die anderen Stadtbefestigungen des Neckarlandes, die mit mehr oder weniger Grund noch staufisch datiert werden, sind weitgehend verschwunden bzw. kaum zu beurteilen. Tübingen wird, unter der Grafenburg des 11. Jahrhunderts, schon 1231 civitas genannt, und 1262 durften die Augustiner neckarseitig intra muros bauen. Die nördliche Neustadt kam wohl noch im 13. Jahrhundert hinzu, erst 1351/56 ist die beide Teile umgebende Mauer belegt. Ein Bogen über die Ammer in der „Neustadt“ zeigt ebenso Buckelquader wie die Ecken eines Turmstumpfes daneben; eine hohe Schlitzscharte mit dreieckigem Fuß in diesem Turm wird noch in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts gehören, aber offen bleibt, ob der ältere Stadtteil unter der Burg schon früher ummauert war. Noch unklarer sieht es mancherorts aus, wo Stadtwerdung noch vor 1250 angenommen wird, die Mauern aber entweder verschwunden (Haigerloch 1237, Stuttgart vor 1245, Weil der Stadt) oder ihre geringen Reste völlig undatierbar sind (Neuffen um 1232?, Markgröningen um 1240, Aalen 1241–46, Ellwangen, Kirchheim unter Teck). In Vaihingen an der Enz und Bopfingen (burgum 1188, 1241 im Steuerverzeichnis) gehören die Mauerreste erst
ins späte 14. Jahrhundert und das mag – ähnlich wie Kirchheim unter Teck, dessen Mauer vielleicht erst 1367 entstand – darauf deuten, dass der Abstand zwischen Stadtwerdung und Mauerbau nicht nur wenige Jahrzehnte betragen haben kann, sondern weit mehr. Dass Holz-Erde-Befestigungen im Neckarland oft das mittlere 13. Jahrhundert überlebt haben, darauf weist im Grunde ja auch der Befund der wenigen beurteilbaren Mauern spätstaufischer Zeit. Abgesehen von dem wirtschaftlich und politisch herausragenden Esslingen mit seinem Buckelquaderwerk und dem anspruchsvollen „Wolfstor“, finden wir nur einfache Bruchsteinmauern. Kein weiteres Tor staufischer Zeitstellung ist erhalten und kein gesicherter Mauerturm; dass es in Gmünd und Esslingen einzelne so frühe gegeben habe, ist nicht auszuschließen, aber auch nicht sehr wahrscheinlich, während mindestens in Marbach und Markgröningen Torund andere Türme eindeutig später hinzugefügt sind. Die stauferzeitlichen Mauern des Neckarlandes waren demnach noch selten und eher bescheiden; allein in Esslingen wurde jenes Niveau monumentaler Architektur erreicht, das man vom gleichzeitigen Burgenbau der Region kennt. Die Mauerreste jener Städte des Neckarraumes, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden, stimmen in wesentlichen Punkten mit dem für die Zeit vor 1250 gewonnenen Bild überein und bestätigen es damit nachträglich. Umfangreiche Reste der Mauerzüge sind erhalten in Bönnigheim (Verpflichtung der Bürger zum Mauerbau 1286), Waiblingen (beim Übergang an Württemberg 1253 als Stadt bezeichnet), Leonberg (Gründung 1248/49?), Sindelfingen (1263 in Gründung, Mauer fertig 1284), Herrenberg (cives 1271, Stadtsiegel 1278), Rottenburg (gegründet um 1280) und Rosenfeld (erweitert 1255, Mauer vollendet 1274?). Charakteristisch sind kleinteiliger Bruchstein, teils beachtliche Höhen (Bönnigheim 9,10 m, Waiblingen bis 12 m), breite Zinnen mit Schlitzen (Leonberg mit Giebelmauerung, bis 6 m breit; Waiblingen; Herrenberg; Rottenburg); in Herrenberg findet man noch einen leicht vorkragenden Steinplattenwehrgang (dort ist auch ein romanisches Haus in die Mauer eingebaut), in Bönnigheim eine vorkragende Wehrgangtreppe. Aus diesem einheitlichen, bautechnisch eher beschei-
denen Bild stach allein die erste Mauer von Schorndorf hervor, bei der erhaltene Partien Buckelquaderung zeigen (Stadtgründung um oder nach 1250, Mauer archäologisch aber wohl erst 14. Jahrhundert). Auch aus dieser Phase sind nur wenige TorZweite Hälfte des 13. Jahrhunderts und Mauertürme erhalten, die aber durchaus ein Bild ergeben. Die Tortürme (Bönnigheim, „Köllesturm“; Rottenburg, „Kalkweiler Tor“; Herrenberg, „Hacktor“) sind Schalen, in Bönnigheim und Rottenburg mit Eckbuckelquadern. Findet man in Rottenburg ein Rundbogengewände, so zeigt der schöne Bönnigheimer „Köllesturm“ gestufte Spitzbogentore und eine hohe Stichbogenblende für das Fallgatter (Abb. 339), zudem noch rundbogige Wehrgangtüren. Aus dieser Phase stammte auch – zusammen mit einer Stadterweiterung – das „Untertor“ von Göppingen, an dem sich das Wappen Eberhards von Württemberg (Regierungszeit 1279–1325) befand; dass der Kern der heute mauerlosen Stadt vor 1200 entstanden war, wird durch die Quellenlage nicht bestätigt (villa 1206, Schultheiß erst 1280). Neben offenbar noch turmlosen Mauern (Schorndorf, Rosenfeld, Sindelfingen?) sind in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gelegentlich auch Mauertürme entstanden, stets rechteckig und nie in gleichmäßiger Reihung, sondern zur Verstärkung exponierter Stellen oder langer Mauerpartien; man mag vermuten, dass auch die vergleichbaren, verschwundenen Türme in Gmünd und Esslingen erst jetzt entstanden. Die Waiblinger „Hochwacht“ ist ein quadratischer Vollturm mit Spitzbogeneinstieg, der bergfriedartig an der Angriffsseite steht; geringe Reste belegen einen weiteren Turm. „Schütteturm“ und „Gaisholzturm“ in Rottenburg sind Schalen, ebenso der „Zeughaus-“ oder „Ulrichsturm“ (1294d) in Urach, wo es nach alten Darstellungen insgesamt drei Mauertürme gab (Schultheiß 1254 erweitert); in Waiblingen und Rottenburg findet man Bruchstein mit Eckbuckelquadern, nur in Urach glatte Quader. Weitere Mauern dieser Phase besaßen nach alten Darstellungen vergleichbare Türme, die aber zerstört und daher letztlich undatierbar sind. In Leonberg und Herrenberg standen sie auch an Ecken, in Göppingen gab es nur zwei neben den Toren, in Geislingen (1288/89 als Stadt erweitert) nur einen. 7. Neckarland
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Abb. 339 Bönnigheim, der „Köllesturm“, das obere Stadttor, hier von der Feldseite, entstand vermutlich Ende des 13. Jh. (nach 1286).
Mauergassen, im Neckarland die Ausnahme, beschränken sich auf einige der aufwendigsten Mauern, sind aber auch dort selten konsequent durchgeführt. Die beiden Anlagen Friedrichs II., Reutlingen und Esslingen, besaßen Mauergassen, aber Esslingen zeigt die Ambivalenz der Planung sehr deutlich. Die Erstmauer hatte eine Gasse nur da, wo noch 1798 Gärten lagen, die Obertorvorstadt (um 1330) besaß sie dagegen konsequent – aber die Pliensauvorstadt der Zeit um 1300 verzichtete ebenso vollständig. Aus dem 13. Jahrhundert stammt wohl auch noch die Gasse hinter der (als solche undatierbaren) Mauer von Ellwangen. Erst am Ende des Mittelal68 Topographischer Teil
ters entstanden dann die weiteren Beispiele (vgl. unten): Kirchheim unter Teck (1367?), die aufwendigen Mauern von Gmünd (1407–25) und Schorndorf, wo Gassen trotzdem nur abschnittsweise existieren, schließlich die Esslinger Vorstadt von Stuttgart (frühes 16. Jahrhundert) und das kleine Grötzingen (15. Jahrhundert), wo es nur kurze Stücke einer Mauergasse gibt. Interessanterweise deutet das Fehlen von Quellen an, dass in den Jahrzehnten von etwa 1300 bis in die 1360er Jahre kaum neue Mauern entstanden. Nur zwei wenig bedeutende Mauern bilden Ausnahmen, nämlich Nürtingen, das wohl ab 1299 und bis gegen 1330 ummauert wurde, wo aber nur ein wesentlich späterer Eckturm („Blockturm“, 15. Jahrhundert?) erhalten ist. Ehingen, gegenüber Rottenburg und gegen 1330 mit diesem vereinigt, besitzt noch erhebliche Reste, die ins 14./15. Jahrhundert gehören; neben Resten eines Rechteckturmes mit Eckbuckelquadern ist ein runder Eckturm („Pulverturm“) und das „Kapuzinertor“, ein nur dreigeschossiger Schalenturm mit späten Buckelquaderformen und Schlüsselscharten, erhalten. Erst Ende des 14. Jahrhunderts und im 15. Jahrhundert wurde das Baugeschehen offenbar wieder intensiver; neben einigen Kleinstädten werden nun vor allem Vorstädte einbezogen und vorhandene Mauern punktuell verstärkt. In Bietigheim (Stadtrecht 1364) ist neben großen Teilen der Bruchsteinmauer der Schalenturm des „Unteren Tors“ (1386) erhalten, der mit Eckbuckelquadern, Spitzbogentor und stichbogiger Fallgatternische durchaus dem einhundert Jahre älteren Tor in Bönnigheim entspricht; lediglich der querrechteckige Grundriss, die zum Teil flankierenden Schlitzscharten und das württembergische Wappen mögen als „späte“ Merkmale gelten, und auch die Form der Buckelquader (dass diese von der stauferzeitlichen, 1291 abgerissenen Burg stammen, ist auch wegen des Zeitabstandes unwahrscheinlich). Der hohe „Pulverturm“ ist gleichfalls eine querrechteckige Schale mit Schlitzscharten, bei der die Tonnenwölbungen über dem ersten Obergeschoss und unter der Wehrplatte auffallen. Wohl in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstand die 1483 erwähnte Mauer des schon 1304 als Stadt erwähnten, 1388/93 zerstörten Grötzingen. Vorspringende, quadratische Türme mit glatter oder gebuckelter
Eckquaderung und Schlitzscharten in erweiterten Nischen sind neuartige Elemente wie auch der innen über Stichbogen vorkragende Wehrgang (vgl. Schwäbisch Gmünd); das Fehlen von Schlüsselscharten (eine einzige ist wohl ein Umbau) macht aber eine Datierung nach der Mitte des Spätes 14. Jahrhundert und 15. Jahrhundert 15. Jahrhunderts unwahrscheinlich. Etwa gleichzeitig (1434/35) soll Hechingen (Schultheiß 1255, Stadtrecht 1342 erweitert) eine neue Mauer erhalten haben, von der geringe Reste und ein veränderter Rundturm erhalten sind. Das aufwendigste Unternehmen dieser Epoche war die äußere Mauer von Schwäbisch Gmünd, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstand, während die nur zum Teil erhaltenen Türme nach Dendrodatierungen ihrer Dachwerke erst ins 15. Jahrhundert gehören. Sie besaß überwiegend halbrunde Schalen, von denen nur der besonders große „Königsturm“ (1405–07; Abb. 340) erhalten ist; zwei Rechteckschalen („Wasserturm“, 1399/1400d, Turmstube 1479/80d; „Faulturm“) und der fünfeckige, an der Traufe von drei Runderkern akzentuierte „Fünfknopfturm“ (1423–25d; Abb. 90) unterstreichen jedoch ein schon spätgotisches Spielen mit Formen. Fallen bei diesen Türmen die zahlreichen Schlitzscharten auf (vgl. Bietigheim), so kommen bei den erhaltenen Tortürmen („Rinderbacher Tor“, 1418–20d; „Schmiedtor“ 1497/98d) noch Wasserschläge, Traufgesimse, doppelte Reliefwappen (vgl. etwa Rothenburg, Dinkelsbühl) und Rundbogenfriese hinzu. Allen Türmen gemeinsam ist ein gutes Quaderwerk, an den Ecken – und beim „Fünfknopfturm“ vollflächig – als flache oder kissenförmige Buckelquader. Die Bruchsteinmauer zeigt teilweise über Backsteinbögen vorgekragte Wehrgänge, an der Nordseite einen einzelnen, durch eine Scharte am Wehrgang flankierenden Mauerversprung von etwa 1,50 m Größe. Die gleichmäßige und relativ enge Reihung von Türmen gleicher Form ist im Neckarland um und nach 1400 eine Neuerung und auch die Rundform tritt erst jetzt auf; die äußere Mauer von Gmünd war ein wichtiges Beispiel, weit deutlicher wird es heute aber in der „Spitalvorstadt“ von Weil der Stadt, die etwa 1430–54 ummauert wurde. Ihre hohen Rundtürme öffnen sich stadt-
Abb. 340 Schwäbisch Gmünd, der „Königsturm“ (oder „Hohwacht“), 1405–07 erbaut, ist der größte erhaltene Turm der in der zweiten Hälfte des 14. Jh. begonnenen äußeren Stadtmauer.
Abb. 341 Weil der Stadt, ein runder Schalenturm an der Südostecke der um 1430–54 ummauerten Spitalvorstadt.
7. Neckarland
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seitig in schmalen „Schlitzen“, besitzen Sockel und vorkragende Wehrplatten, glatte und Buckelquader an Ecken sowie hohe Schlitzscharten, darunter auch solche mit „steigbügelförmigem“ Fuß, die auf frühen Feuerwaffeneinsatz deuten (Abb. 341). Vergleichbare, wohl ähnlich zu datierende Rundtürme sind auch in Winnenden und Bopfingen erhalten; die Bopfinger Mauer wurde nach 1389 (um 1395) nach der Stadterweiterung neu gebaut. Regelmäßig gereihte Türme, allerdings rechteckig, beZwinger des 15. Jahrhunderts saß auch die Erweiterung von Schorndorf; eine Schlitzscharte mit Dreieckfuß weist hier ins 15. Jahrhundert. Auch die Vorstädte von Geislingen, belegbar im späten 15. Jahrhundert, besaßen zumindest bergseitig entsprechende Turmreihen. Dass auch das ältere Modell vereinzelter quadratischer Türme lange überlebte, zeigte aber die nördliche, erst Anfang des 15. Jahrhunderts entstandene Vorstadt von Stuttgart. Ergänzungen vorhandener Mauer um 1400 bestätigen die bisherigen Feststellungen. So findet man in Vaihingen (1339 als Stadt erweitert) noch den runden, dendrochronologisch auf 1400 datierten „Haspelturm“, und das abgegangene „Auricher Tor“ war 1421 entstanden; gleichzeitig mögen die nur in Abbildungen belegten Rundtürme in Sindelfingen gewesen sein. Der einzig erhaltene Mauerturm („Kesselturm“) in Reutlingen ist sekundär auf eine stumpfe Ecke der spätstaufischen Mauer gesetzt; seine schlitzartige Innenöffnung erinnert an Weil der Stadt. Einen Torturm des 15. Jahrhunderts, eine im Grundriss querrechteckige Schale mit glatten Eckquadern und stichbogiger Fallgatternische, bewahrt auch Marbach, allerdings durch eine Wiederherstellung 1711 verändert. Auch hier wurde die Mauer des 13. Jahrhunderts durch Türme verstärkt, darunter den als Erker aufgesetzten „Malefizturm“. Mit dem Turm des „Beinsteiner Tors“ in Waiblingen, das das Wappen Eberhards V. („im Barte“, 1445–96) trägt und nicht zur (älteren) Hauptmauer, sondern zum Zwinger gehörte, ist bereits die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts erreicht, die hier wie anderswo vor allem durch Umbauten für Feuerwaffen geprägt war. Trotz der weitgehenden Zerstörung der neckarländischen Mauern sind in einer beachtlichen Anzahl von 70 Topographischer Teil
Fällen umlaufende Zwinger erhalten oder zumindest nachweisbar, während kaum Ausbauten der Hauptmauer erkennbar sind – angesichts ihrer häufigen Zwinger des 15. Jahrhunderts Turmarmut lag eine umlaufende oder ganze Partien schützende Verstärkung wohl nahe. An den Hauptmauern sind vor allem drei kleine Rondelle zu nennen: der Bönnigheimer „Diebsturm“ (1458) mit mehrfacher Horizontalgliederung und Schlüsselschartenvariationen, ferner der Nürtinger „Blockturm“ mit Schießfenstern und unten dreieckig auslaufenden Schlitzscharten, schließlich der nordöstliche Eckturm von Besigheim mit außen erweiterten Schlitzscharten. In Besigheim erhielt außerdem die neue Vorstadtmauer ein Halbrondell mit rechteckigen Kanonenscharten, das – wie der „Diebsturm“ in Bönnigheim – zur Stadt geschossweise geöffnet ist. Damit sind die wenigen Hauptmauerverstärkungen des späten 15. Jahrhunderts schon aufgezählt. Erwähnenswert sind noch der Turm der Weilheimer Pfarrkirche, der direkt hinter der Mauer steht und eine Schlüsselscharte besitzt, und natürlich die ubiquitären neuen Scharten der Wehrgänge; besonders Herrenberg bietet hier noch eine eindrucksvolle Sammlung von Formen. Torzwinger sind im Neckarland kaum erhalten (Rottenburg, „Kalkweiler Tor“); Matthäus Merian bietet einige Beispiele. Mehrteilige Toranlagen besaß nach einer Karte von 1528 Aalen, entsprechend seinem doppelten Wassergraben. Angesichts dieser zahlreichen umlaufenden Zwinger, die fast alle halbrunde Streichwehren besitzen, wird deutlich, dass die Rondelle in Bönnigheim, Nürtingen und Besigheim im Grunde nur isolierte Bauten jener Art sind, die an den gleichzeitig entstandenen Zwingern üblich waren. Solche Streichwehren – seltener auch rechteckige – sieht man noch in Böblingen (zwei Streichwehren erhalten), Waiblingen (drei), Tübingen (drei), Vaihingen (eine), Rottenburg (vier), Rosenfeld (zwei), Marbach (drei), Leonberg (zwei), Balingen (eine) und Reutlingen (zwei); in aller Regel sind es Restbestände einer früher höheren Anzahl, das Maß an Veränderung und Verbauung ist hoch. Völlig verschwunden sind entsprechende Zwinger in Göppingen, Herrenberg und Kirchheim. In der Regel umzogen sie die Stadt vollständig oder zumindest weitgehend, un-
ter Aussparung zum Beispiel der Flussfronten. Ausnahmsweise beschränkten sie sich auf die Sicherung ausgewählter Partien, so in Besigheim und Bietigheim, jeweils mit einem kleinen Eckrondell. Charakteristisch für die Streichwehren waren zahlreiche Scharten in den meist zwei bis drei Geschossen und die Gliederung des Turmschaftes durch Sockel, vorkragende Wehrplatte – meist über umlaufenden, unterkehlten bzw. profilierten Werksteinkränzen, selten über Konsolen – und Traufgesims; gelegentlich gibt es Wölbungen (Marbach, Waiblingen). Die Scharten für Handfeuerwaffen und leichte Geschütze zeigen die zeittypische Vielfalt, meist auch am einzelnen Bau. Dominant sind Schlüsselscharten mit verschiedenen Varianten: Neben runden gibt es halbrunde Öffnungen (Böblingen, Waiblingen, Balingen) und einfache (Reutlingen) oder trapezförmig erweiterte Querschlitze (Vaihingen, auch an der Zwingermauer). Meist in den unteren Geschossen gibt es rechteckige Maulscharten (Vaihingen, Rosenfeld, Marbach, Balingen, Reutlingen), gelegentlich mit halbrunder oberer Erweiterung in der Mitte (Reutlingen); Ausnahmen sind außen erweiterte Schlitzscharten und ovale Maulscharten (Leonberg). Als Einzelbauten erwähnenswert sind der „Pulverturm“ in Vaihingen und ein Turm in Balingen, beide an flussseitigen Ecken des Zwingers; für den Ersteren, an dem eine zugbrückengesicherte Pforte und ein wappenhaltender Engel am Traufgesims auffallen (Abb. 84), gibt es eine Baunachricht, nach der die Familien Gremp und Aschmann 1493 „auf ihre Kosten einen ganzen steinernen Thurn [...] aufbauen“ ließen und auch „messinge Doppelhaken“ dafür stifteten. Der Balinger Turm steht durch eine Holzbrücke in Verbindung mit dem Wohnbau der Stadtburg (um 1430) und trägt ein originales (restauriertes) Fachwerkobergeschoss, das wohl mit dieser genutzt wurde; auch das gestäbte Rechteckportal zur Brücke zeigt einen höheren Anspruch. Auch im Neckarland sind die meisten Zwinger nicht näher datierbar, aber alles spricht dafür, dass die Anfänge um und vor 1450 lagen. Wahrscheinlich entstand der Tübinger Zwinger – der übrigens zum Neckar einen Buckelquadersockel besitzt – um 1440/50, der leider völlig verschwundene in Göppingen wurde 1467 bereits als repa-
raturbedürftig erwähnt. Auch der an die Hauptmauer gesetzte Bönnigheimer „Diebsturm“ von 1458 bestätigt, dass es die typischen Formen der Streichwehren um 1460 schon gab. Der wohl erst nach 1519 entstandene Reutlinger Zwinger wäre nach dieser Lage der Dinge schon ein sehr spätes Projekt. Das beginnende 16. Jahrhundert war im Neckarland kaum noch durch Nachklänge traditioneller Mauerformen geprägt, sondern vielmehr durch die relativ frühe Entwicklung artilleriegeeigneter Formen in jenen Städten, die nun zu württembergi16. Jahrhundert schen Landesfestungen wurden. Nur eine einzige Mauer entstand in dieser Zeit noch mit einiger Sicherheit neu, nämlich jene der Esslinger Vorstadt von Stuttgart, die nach Matthäus Merian zahlreiche Rundtürme und sogar zwei Doppelturmtore besaß. Etwa gleichzeitig entstanden dürften – nach einer Inschrift, die den Wiederaufbau der Mauer 1532 festhält – drei kleine Rondelle mit rechteckigen Maulscharten in Ellwangen sein. Sonst fehlt diese Spätform – die zum Beispiel in Unterfranken eine ausgesprochene Blüte erlebte – in Württemberg, obwohl es auch hier im Weinbaugebiet späte Dorfund Kleinstadtmauern gegeben hat; schwer datierbare Reste findet man etwa noch in Gemmrigheim und Oberriexingen, sehr deutlich ist etwa die Grundrissbildung in Lienzingen bei Mühlacker. Als Vorläufer der Rondellfestungen der 1530er und 1540er Jahre darf man die Rondelle in Urach und die sogenannte Burg in Esslingen verstehen, beides Deckungsbauten an der gefährdeten Bergseite der Stadt. In Urach verstärkten vier Rondelle in großen Glattquadern mit breiten Schlitz- und Stufenscharten einen Vorwall; nach Türen und Rechteckfenstern waren die Obergeschosse bewohnbar, von Anfang an oder seit einem frühen Umbau. Die Esslinger „Burg“ ist eine Art Vorhof vor der Schildmauer des 13. Jahrhunderts mit starken, den Wehrgang kaum überragenden, aber die Gräben aus mehreren Schartengeschossen bestreichenden Rondellen an drei Ecken; 1527 wurde zuerst der „Dicke Turm“ erbaut, dann bis „1531“, als zweite Planungsphase(?), der vorgelagerte Hof. Die Ausbauten von Kirchheim unter Teck und Schorndorf ab 1538 gehörten zu den Festungen, 7. Neckarland
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Abb. 342 Reutlingen, das reich profilierte und mit einem Wimperg geschmückte Gewände des „Tübinger Tors“ aus dem 3. Viertel des 13. Jh. ist eine der reichsten Formen, die man an einem gotischen Stadttor in Deutschland findet (vgl. Abb. 106).
die der zeitweise vertriebene Herzog Ulrich von Württemberg in seiner zweiten Regierungszeit (1534–50) anlegte; da sie – wie die zugleich modernisierten Höhenburgen Asperg, Neuffen, Tübingen, Twiel und Urach – nicht mehr dem Schutz einer Stadt, sondern primär jenem des Landes dienten, sind es im Grunde keine Stadtbefestigungen mehr (Hans-Martin Maurer). In Kirchheim wurde der Zwinger durch Streichwehren ergänzt, nur beidseitig der Burg erhöhte man eine Partie zum kasemattierten Wall, der originelle Schartengruppen besitzt: je zwei Schlitzscharten mit großem, dreieckigem Fuß flankieren eine Ovalscharte und ein Rechteckfenster darüber. In der Mitte der Südseite und an der Nordostecke entstanden hohe, quaderverkleidete Kanonenplattformen, die grabenseitig in kasemattierte Rondelle mit Stufenscharten zur Grabenverteidigung auslaufen – merkwürdig unfunktionale Bauten aus der Zeit vor dem Import italienischer Bastionsformen. Schorndorf wurde mit einem breiten und hohen Wall vor dem Graben, großen Erdrondellen und fünfeckigen
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Streichwehren aufwendiger ausgebaut, wenn auch kaum moderner. Immerhin erhielten die kasemattierten Rondelle hier später (um 1560?) regelrechte „Ohren“, wie Ausgrabungen der geschleiften Werke zeigten, wodurch sie freilich noch keine echten Bastionen wurden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden – soweit das Erhaltene ein Urteil zulässt – im Neckarland nur noch einige Tortürme, mehr als Symbole denn als Befestigungen. Durchaus noch in regionaler Tradition steht der zum Schlosskomplex gehörende Turm des „Oberen Tors“ in Markgröningen, ein mächtiger Schalenturm, den nur seine Gewände-, Gesims- und Quaderformen um 1550 datieren. Relativ schlicht ist auch das „Schwaikheimer Tor“ in Winnenden, bei dem die Fensterformen und die einen angelehnten Treppenturm umklammernden Gesimse den Renaissancebau verraten. Reichere, wohl auch spätere Formen findet man am Hechinger „Untertor“ (1579), das über dem zweiten Obergeschoss ins Achteck übergeht und ein nach dem Straßenverlauf geschrägtes Gewände besitzt, und am „Osttor“ von Lauchheim (1621). Lauchheim hatte schon 1397/1402 Befestigungsrecht erhalten, 1431 dann Stadtrecht, aber die bis auf einen Rundturm verschwundene Mauer entstand erst um/nach 1600; das „Untertor“ kombiniert ebenfalls quadratischen Sockel und Achteckaufbau, tendiert aber in den Einzelformen zur Spätgotik. Ein sehr aufwendiges Wappenrelief zur Feldseite dokumentiert die Würdenträger des Deutschordens, dem die Stadt gehörte (Abb. 129). Vielleicht der letzte einschlägige Neubau der Region – ein Kuriosum oder zumindest Einzelfall – war wohl eine hohe Mauer, die einen 60–100 m breiten Geländestreifen vor der Westmauer von Vaihingen schützte, also wohl nur die Wassermühle im Tal (Abb. 188). Ihre tief liegenden und eng gereihten rechteckigen Maulscharten – ein Wehrgang fehlt – wirken fast schon barock und barock ist jedenfalls der erhaltene Torpfeiler. Matthäus Merian zeigt diese Mauer aber schon, und so muss sie zwischen etwa 1500 und 1640 datiert werden, eher ans Ende dieses Zeitraums.
8. Oberschwaben Gänzlich anders als das schwäbische Neckarland, aber direkt vergleichbar den schweizerischen Voralpenregionen, liegt Oberschwaben – heute der Regierungsbezirk Tübingen und jene Teile des Bezirks Stuttgart, die südlich der Albkante liegen – auf Grundmoränen, deren Schotter und Flusskiesel das Hauptbaumaterial der Region bildeten und eine Putzarchitektur begünstigten, die baugeschichtliche Beobachtungen sehr erschwert. Nördlich grenzt das Gebiet jenseits der Donau an die Alb, deren wenige, kleine Städte aber kaum Mauerreste bewahrt haben. Mauergassen gab es in Oberschwaben nur in der Ulmer Stadterweiterung des 14. Jahrhunderts, auch in Isny und teilweise hinter den Mauern des späten 14. Jahrhunderts in Ravensburg, also nur in wenigen wichtigen Städten. Das bei der Pfalz Ulm entstandene oppidum, das schon 1128 cives beherbergte, war in den 1130er Jahren umkämpfter Stützpunkt der Staufer, woraus die ältere Forschung auf eine frühe Mauer schloss. Archäologisch ist jedoch erwiesen, dass zwar an der Westseite der Stadt der Turm des 1229 erwähnten „Löwentores“ und donauseitig weitere Mauerteile mit dem ergrabenen „Diebsturm“ als Torturm bestanden, außerdem im Pfalzbereich auch Mauerteile in Buckelquadern, aber landseitig nie mehr als ein bis 15 m breiter und 7 m tiefer Graben mit zweiphasigem Wall. Chronistenangaben lassen vermuten, dass auf diesem „hölzerne Mauern“ (lignea moenia) standen, also wohl Palisaden. Die erhalteMauern des späten 12. bis späten nen Löwen des „Löwentores“ 14. Jahrhunderts sind aber erst Skulpturen des 14./15. Jahrhunderts. Wohl ab 1316 und mindestens bis in die 1370er Jahre entstand dann eine äußere Mauer in Backstein, von der vor allem die Türme des „Metzgertores“ und der noch monumentalere des „Genstores“ erhalten sind; trotz großer Ähnlichkeit soll der Erstere in die Jahrhundertmitte gehören, während der Letztere inschriftlich von „1445“ stammt, als ein „alter Stock“ erhöht wurde (Abb. 343). Das suburbium unter der Welfenburg Ravensburg ist schon 1109, ein dortiges forum 1152 er-
wähnt; diese Marktsiedlung mit romanischen Steinhäusern besaß vielleicht schon vor 1200 eine Mauer gegen den Burgberg. Eine weiter gespannte, archäologisch erfasste Mauer umgab die aufblühende Stadt – 1224 universitas burgensium, 1251 civitas – wohl ab der Mitte des 13. Jahrhunderts; gegen den Burgberg war sie 1,60 m dick und besaß wohl – eher als einen Zwinger – einen 7 m breiten, gefütterten Graben. Auch ein (Tor-?) Turm unter dem „Blaserturm“ des 16. Jahrhunderts ist festgestellt, ebenso der Graben, der nur 3,50 m breit und 1,50 m tief war. Um 1340 begann man eine große rechteckige Vorstadt, deren Türme dendrochronologisch zwischen 1363 und 1419 datiert sind; auch die Bergseite der älteren Mauer wurde erneuert. Die Tortürme mit Eckbuckelquadern und Treppengiebeln zeigen eine Entwicklung, die das Aufkommen der Feuerwaffen spiegelt. Der jüngste am „Oberen Tor“ von 1431/32 ist ein ehemaliger Schalenturm mit bis zu 3,50 m dicken Mauern; er hat bereits Schießkammern mit Maul- und Schlüsselscharten (Abb. 344). Bedeutende, originelle Bauten sind der „Gemalte Turm“ und der „Mehlsack“. Der Erstere, von 1400–17, mit schlankem Aufsatz wohl nach gleichzeitigen Vorbildern am Mittelrhein – Ober-
Abb. 343 Ulm, der „Metzgerturm“, ein donauseitiger Torturm des mittleren 15. Jh.; davor die stark veränderte Zwingermauer. 8. Oberschwaben 73
Abb. 344 Ravensburg, das „Obere Tor“ von 1431/32, Feldseite. Der traditionelle, allerdings sehr groß dimensionierte Torturm ist bereits für kleinere Feuerwaffen ausgestattet (vgl. Abb. 214).
wesel, Köln, Andernach und andere – trägt heute wieder die reiche Bemalung seiner Erbauungszeit (Abb. 85). Der „Mehlsack“ von 1425–29 ist einzigartig: ein fast 50 m hoher(!) Rundturm, oben mit Maulscharten, der die 130 m entfernte, aber höher liegende österreichische Veitsburg kontrollierte (Abb. 190). Neben Ulm und Ravensburg sind – belegt durch die Nennung als oppidum, von cives, Stadtrechten oder Steuerzahlungen – im 13. Jahrhundert noch andere Siedlungen Oberschwabens zu Städten geworden, einige schon vor 1250. Die Entstehungszeit ihrer Mauern ist aber aus den geringen Resten kaum zu klären; sie dürften meist in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts gehören. Auffälligerweise entstanden die Tortürme dieser Städte meist erst im 14./15. Jahrhundert (vgl. unten), wie auch in den anderen 74 Topographischer Teil
alemannischen Regionen; vermutlich ersetzten sie ursprüngliche Mauertore. Überlingen, dessen Recht zum Vorbild für Ravensburg, Memmingen, Wangen und Kaufbeuren wurde und das 1241 die höchste Steuer Oberschwabens zahlte, muss bald nach 1200 Stadtcharakter erlangt haben. Die Lage am See und auf Molassefelsen bot gute Befestigungsmöglichkeiten schon vor dem Mauerbau; die stark umgebauten Reste der bergseitigen Mauer setzen gegen mehrere Adelstürme und -höfe des 13. Jahrhunderts und können daher kaum vor 1250 datiert werden (Abb. 345). In Pfullendorf, 1220 von Friedrich II. für den Grafen von Pfullendorf zur Stadt erhoben, weist nichts auf ursprüngliche Türme; nur ein hinter der Mauer stehender Turm am „Untertor“ war ungewöhnlich und vielleicht früh. Ähnlich wie in Überlingen reihen sich hier aber bergseitig hinter der Mauer die Adels- bzw. Ministerialensitze, deren Bausubstanz in die Zeit um 1300 zurückgeht. Ähnliche Bauten, mit Fachwerkgeschossen die Mauer weit überragend und teils später zu Klosterhöfen geworden, sind auch in Mengen, Saulgau und Meßkirch erhalten. Ob Biberach – es gab 1239 einen staufischen Ammann und 1241 hohe Steuern – schon vor 1250 ummauert wurde, ist trotz 7 m hoher Reste aus Flusskieseln am Gigelberg und Grabungen 1986/87 ungeklärt. Die Grabung erschloss die Fundamente und eine „Zwingermauer“ 3,50 m davor, die aber auch dem Schutz vor einem Bach gedient haben kann. Die Türme in Biberach entstanden wohl erst ab 1373, als die östliche Vorstadt ummauert wurde, schon weitgehend in Backstein; das „Ulmer Tor“ zeigt noch eine Lisenengliederung und Reste runder Erkertürme. Auch in Isny (Stadtrecht 1235, Lindauer Recht 1281) mag die Mauer als solche, mit dem im „Espantor“ von „1467“ verbauten Rundbogentor und im jüngeren „Pulverturm“ sichtbaren Zinnen, noch ins mittlere 13. Jahrhundert gehören. Ähnlich alt könnte die aus Flusskieseln sauber geschichtete Mauer von Wangen sein (cives 1217); in Meßkirch (civitas 1261, später erweitert), Saulgau (cives 1239, Lindauer Stadtrecht 1288) und Giengen (civitas 1279) ist wenig erhalten. Ob die auffällig hohen, runden Ecktürme von Riedlingen – erhalten ist der „Zellemeesturm“ –
Abb. 345 Überlingen, ehemalige Adelshäuser oder -türme des 13. Jh., die nachträglich in die nördliche Stadtmauer einbezogen wurden.
schon zur Erstummauerung des 13. Jahrhunderts(?) oder frühen 14. Jahrhunderts gehörten, ist nicht klar. Sie wären dann die ersten der Region, denn dass weitgehend turmlose Mauern bis ins frühe 14. Jahrhundert gebaut wurden, belegen andererseits Meersburg, Leutkirch und Tettnang. In Meersburg (1299 Ulmer Recht) sind die Tor- und Mauertürme weit jünger, in Leutkirch (1293 Lindauer Recht) wurde nach Grabungen der Turm des „Untertores“ über die anfangs durchlaufende Mauer gebaut; die Datierung der zwei einzigen Mauertürme ist offen. Tettnang, eine Straßenanlage vor der Burg, hatte schon 1297 als oppidum Lindauer Recht erhalten. Aber erst 1330 erlaubte Kaiser Ludwig dem Grafen von Montfort, „das er seinen fleccen zu Tetebache vesten mach [...] mitt mauren und graben, wies er will, als ein statt“ – eine entschiedene Warnung, aus der Bezeichnung „oppidum“ auf eine vorhandene Mauer zu schließen! Erhalten ist kaum mehr als ein spitzbogiges, später verbautes Mauertor.
Erst im späten 14. Jahrhundert scheint sich in Oberschwaben der Wunsch nach Türmen durchgesetzt zu haben, denn nun und bis weit ins 15. Jahrhundert wurden viele Tor- und andere Türme nachträglich errichtet. Den Anfang mag – etwa gleichzeitig mit dem schlecht datierten Ulmer „Metzgertor“ – wieder Ravensburg gemacht haben (siehe oben), dessen stattliche, meist rechtTor- und Mauertürme des späten 14. und eckige Türme mit der Stadt15. Jahrhunderts erweiterung von 1363 bis 1432 entstanden. Die Tortürme in Biberach, 1373 mit der Vorstadt begonnen, wurden schon erwähnt; die 1376 begonnene Mauer von Langenau ist fast verschwunden. Knapp nach 1400 ist wohl das stattliche „Wurzacher Tor“ in Waldsee zu datieren, inschriftlich „1445“ erhöhte man das Ulmer „Gänstor“ zu wuchtigen Dimensionen, wohl schon mit Kanonenscharten. Ab 1450 entstand die Vorstadtmauer um das Überlinger „Dorf“, mit Rechtecktürmen und dem „Aufkirchertor“, einem kleinen, anfangs schalenförmigen Torturm mit Buckelquadersockel, Zugbrückenblende und Kreuzscharte. Wohl 1465 machte man das „Obere Tor“ in Tettnang zu einem bescheidenen Torturm. Etwa aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammen das Pfullendorfer „Obertor“ – ausnahmsweise ein Turm neben dem Tor – und die Meersburger Tortürme wie wohl auch die um 1600 modernisierten Wangener Bauten. Um 1470 entstanden wohl alle vier Tortürme in Isny. Das „Wassertor“ und das „Espantor“ von „1467“ sind schlichte Putzbauten aus Mischmauerwerk, mit Schlüsselscharten und Halbwalm, wobei die Giebel des „Wassertores“ Blendengliederung zeigen; dort gibt es auch ein gewölbtes Gefängnis über der Durchfahrt mit erhaltenen Zeichnungen der Gefangenen. Seitliche Ausgänge deuten auf den hier nicht mehr realisierten Zwinger. Das Gegenteil solcher Schlichtheit ist das 1494 erbaute (und wenig später restaurierte) „Franziskanertor“ in Überlingen, das schon hinter der Vorstadtmauer entstand; die Gliederung durch Wasserschläge, ein Maßwerkfenster im Giebel, vor allem aber die differenzierte (florentinisch geprägte?) Rustika machen es zu einem betont repräsentativen Bau (Abb. 346). Merkmale der um 1360–1500 entstandenen oberschwäbischen Tortürme sind Treppengiebel, 8. Oberschwaben
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Abb. 346 Überlingen, das „Franziskanertor“ von 1494, ein frühes Beispiel toskanischer Rustika nördlich der Alpen.
Eckbuckelquader – ausnahmsweise auch ein Buckelquadersockel wie am „Aufkircher Tor“ in Überlingen – und mehrfach ein trapezförmiger Grundriss, der sich aus der schwierigen Einfügung in die vorhandene Bebauung ergab. Parallel zu den letzten Tortürmen – die ihr Alter in der Regel nur durch kleine Feuerwaffenscharten andeuten – treten bereits echte Innovationen auf. Einen ganz umlaufenden Zwinger erhielten nur Ulm und Biberach, sonst blieben sie auf Abschnitte beschränkt. In Ulm sind zwei Streichwehren erhalten, eine mit originalen Scharten (um 1500?); später wurde der Zwinger zum Wall erhöht und um 1610 mit teils noch heute bewohnten Soldatenhäusern bebaut. 1480 entstand chronikalisch auch die äußere Mauer an der Donau, mit eng gereihten Geschützscharten und ehemals reich gestalteten Streichwehren. Der Zwinger in Biberach, nur in undatierba76 Topographischer Teil
ren Resten erhalten, ging zumindest teilweise und als Stützmauer in Zwinger und Rondelle die Bauzeit der Mauer des 15.–17. Jahrhunderts zurück (siehe oben). In Isny ist in dem realisierten Zwingerteil eine runde Streichwehr erhalten, in Waldsee ist der Zwinger beim „Wurzacher Tor“ völlig verbaut. Der bergseitige Zwinger von Münsingen mit Rundtürmen ist verschwunden, ebenso jener von Giengen; in Mengen wurde ein Zwinger archäologisch erfasst. Auch Vortore, Torzwinger und Barbakanen waren in Oberschwaben Ausnahmen. Das einzig erhaltene Vortor, von „1505“, steht in Pfullendorf, ein malerischer Bau mit runden Ecktürmen und kreuzförmigen Schlüsselscharten (Abb. 347). Ähnliches gab es in Ulm und Biberach, Einfacheres in Isny, Leutkirch, Wangen, Überlingen und Ravensburg; Meßkirch besaß einen Torzwinger mit Rondell. Die in einem Gemälde des 16. Jahrhunderts überlieferten großen Barbakanen mit Eckrondellen in Ulm gehörten in die 1520er/ 1530er Jahre. Die Spitalvorstadt von Giengen besaß mehrere, eindeutig von Ingolstadt beeinflusste Halbrundtürme, von denen der „Bocksturm“ noch steht (um 1400?). Sonst kamen runde Türme in Oberschwaben vor dem späten 15. Jahrhundert kaum vor (Ravensburg, Ebingen und Hayingen als Schalenturm, spätes 14./15. Jahrhundert; Saulgau, um 1500). Im Gegenteil konnten auch artillerietaugliche Türme hier anfangs noch rechteckig sein, wie der Meersburger „Pfarrturm“ (spätes 15. Jahrhundert?) zeigt. Ein bedeutendes Beispiel für die Frühstufe der Rondelle ist der „Weiße Turm“ in Biberach, 1476–84 von Hans Hartmann an überragender Stelle erbaut (Abb. 231). Mit Kanonenscharten in beachtlichen acht Geschossen, umlaufenden Wasserschlägen und Maßwerkfries an der Traufe ist er ebenso effektiv wie anspruchsvoll gestaltet. Ihm ähnelt der ehemals neungeschossige „Hohe Turm“ in Trochtelfingen, jedoch mit runder Rustika um die Scharten (Mitte des 16. Jahrhunderts; Abb. 236). In diesem fürstenbergischen Städtchen an einem Albübergang gab es zudem ein Doppelturmtor mit Rondellen, von denen nur eines umgebaut noch steht; im Süden und Osten gab es sogar vier echte Bastionen (spätes 16. Jahrhundert?), von denen die kleinste erhalten ist.
In Überlingen (Abb. 348) wurden bis ins 16./17. Jahrhundert aufwendige Verstärkungen durchgeführt; vor allem wurden die Gräben im Molassefels zu teils schluchtartigen Dimensionen vertieft. Als erstes Rondell entstand der Gallerturm (von „Walhenturm“ = Turm der Welschen), 1502/03 durch zwei Meister von „Falensia“ (Valencia? Valence? Falaise?) erbaut, ein fünfgeschossiger, noch ungewölbter Rundturm. Der jüngere „St. Johannisturm“ (1522–23) besaß als echtes Rondell anfangs nur drei Geschosse, die beiden oberen gewölbt; ins spätere 16. Jahrhundert wird der „Quellturm“ gehören, eine kleine Streichwehr. Vor der erfolglosen schwedischen Belagerung 1634 wurde der „St. Johannisturm“ auf sieben Geschosse erhöht und die Effektivität der im 17. Jahrhundert ganz ungewöhnlichen Türme führte offenbar dazu, dass man 1657 den bei der Belagerung zerstörten „Rosenobelturm“
als äußerst massives, aber nur zur Grabenbestreichung geeignetes Rondell erneuerte – einer der spätesten Bauten dieser Art in Deutschland. Er entstand im Rahmen einer bastionären Modernisierung, deren Wälle meist hinter den älteren Mauern aufgeschüttet wurden. Kleine Rondelle des 16. Jahrhunderts gibt es außerdem in Sigmaringen, Pfullendorf und mehrfach in Isny und Ravensburg; in Ravensburg blieb auch der Außenwall teils erkennbar. Gleichzeitig aber trifft man im 16./17. Jahrhundert auch völlig andere Entwicklungsstufen. Während die Tortürme und der „Wasserturm“ in Wangen um 1600 nach Augsburger Anregungen in reichen Renaissanceformen erneuert wurden – ähnliches gab es in Ulm und Ehingen – haben Buchau und Weingarten bis zuletzt nur Palisaden und Gräben besessen, im ersten Falle auch einen Torturm.
Abb. 347 Pfullendorf, das Vortor am „Obertor“ hat die Form eines kleinen Doppelturmtors und ist inschriftlich 1505 datiert.
Abb. 348 Überlingen, das „Aufkircher Tor“ von 1450/52 ist das vergleichsweise bescheidene Tor einer nachträglich ummauerten Vorstadt.
8. Oberschwaben
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9. Bayerisches Schwaben Der Regierungsbezirk Schwaben, überwiegend alemannisch bevölkert, aber in Teilbereichen schon früh unter herzoglich-bayerischer Herrschaft, wurde in heutiger Form erst im frühen 19. Jahrhundert definiert, als man die Grenze Bayern/Württemberg durch ein Konglomerat kleinerer Herrschaften, aber auch quer durch die historische Einheit des Allgäus zog. Wie in Oberschwaben, dem württembergischen Pendant, kann dabei von landschaftlicher Einheit keine Rede sein, denn das Gebiet reicht vom Gebirge über die voralpinen Schotterflächen und die Donau bis auf die Alb hinauf. Der Dombezirk von Augsburg, entstanden innerhalb der Mauer der römischen Provinzhauptstadt, besaß im 10. Jahrhundert dennoch nur „Wällchen und Palisaden“, eine neue Mauer Bischof Ulrichs war beim Ungarnangriff 955 noch niedrig und turmlos. Von ihr ist nichts erhalten und auch Augsburg und weitere Mauern des wenig von der ersten, back13. Jahrhunderts steinernen Mauer der Stadt wohl aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts; zum besterhaltenen Rest bei St. Ursula gehört auch ein außen fluchtender Rechteckturm. Diese Mauer und jene der Nordvorstadt (erste Hälfte des 14. Jahrhunderts) wurden nachträglich erhöht und mit Wehrgangbögen versehen. Die Vorstadt hatte von Anfang an Schalentürme und kräftige Tourellen, während man in den völlig verbauten Rechteck- und Halbrundtürmen der Kernstadt Zutaten des 15. Jahrhunderts belegen oder zumindest vermuten kann. Erst das Mauersystem der „Jakobervorstadt“ (Mitte des 15. Jahrhunderts) ist heute noch besser erkennbar: eine niedrige Mauer mit Wehrgangbögen, nur noch mit Feuerwaffenscharten. Das „Vogeltor“ (1445) zeigt neben Blendengliederung und dem Erkerrest am Dachfuß ein zartes Gewölbe mit hängenden Schlusssteinen (Abb. 108). Am „Fünfgratturm“ (oder „Fünffingerlesturm“), einem ursprünglichen Torturm von 1454 ff., sind die namengebenden Erkertürmchen erhalten, das „Jakobertor“ hat einen achteckigen Oberbau, als Vorläufer der späteren Türme Elias Holls. Wohl gleichzeitig mit der „Ja78 Topographischer Teil
kobervorstadt“ oder anschließend erhielt die höher liegende, ältere Stadt auf voller Länge einen 1521 erstmals dokumentierten Zwinger. 1515 wurde der etwa 60 m hohe Eckturm des „Luginsland“ errichtet, der nach nur 17 Jahren wegen schwerer Risse abgetragen werden musste; das Entwurfsmodell Adolf Dauchers (1514; Abb. 349) zeigt die sehr reiche Gliederung mit Sockelzone, angesetzten Türmchen und schmalerem Aufsatz.
Abb. 349 Augsburg, das hölzerne Ausführungsmodell des Turmes „Luginsland“ von 1514/15 zeigt den Turm in etwa so, wie er dann ausgeführt wurde; schon 1532 stürzte er ein (H. Reuther/ E. Berckenhagen, Deutsche Architekturmodelle ..., 1994; das Modell ist seit 1945 verschollen).
1540–46, vor dem Schmalkaldischen Krieg, sicherte die protestantische und daher gefährdete Stadt ihre Ecken und Tore mit sieben großen Bollwerken von jener komplizierten Art, deren Beispiele im nahen Ingolstadt besser untersucht sind; vier sind teilweise erhalten, darunter jene am „Luginsland“, eine der frühen echten Bastionen in Deutschland („1553“). Abschluss und architektonischer Höhepunkt der Augsburger Entwicklung sind jedoch die Torumbauten Elias Holls, das „Wertachbrucker Tor“ (1605; Abb. 135) und das „Rote Tor“ (1622; Abb. 350). Beide bestechen durch Proportion und Qualität der Formen, vor allem durch die Sensibilität, mit der Sockel und Oberbau, Scharten und aufgelegte Gliederung an den militärischen Zweck der Türme angepasst sind. Zu den von Holl beeinflussten Bauten gehören nicht nur die mehrfach umgestalteten, malerischen Wassertürme beim „Roten Tor“ und in der „Jacobervorstadt“, sondern auch Torbauten anderer Städte des schwäbischen Raumes (siehe unten). Von weiteren frühen Mauern des Bezirks blieb wenig erhalten. In Memmingen ist die erste Befestigung im Bereich des „Antonierhauses“ archäologisch untersucht; hier wurde auf eine Schicht wohl der Zeit um 1200 zunächst ein 18 m breiter und 4 m hoher Wall geschüttet, auf dessen Krone dann, wohl auch noch vor 1250 und 1270 zuerst erwähnt, eine (in Resten erhaltene) Mauer aus Tuffsteinbrocken gesetzt wurde. Eine erste Erweiterung („Kalchvorstadt“) sei um 1250 ummauert worden; davon bleiben Mauerteile mit Zinnen und die Spur eines quadratischen Eckturmes. Von Nördlingens wohl noch stauferzeitlicher Mauer (1215 oppidum) ist der Verlauf ablesbar und archäologisch belegt, zwei oder drei Rechtecktürme kennt man aus Abbildungen. Donauwörth – dessen Entwicklung vom 11. bis 15. Jahrhundert neuer Bearbeitung bedarf – wurde angeblich 1218 von Friedrich II. mit einer Steinmauer umgeben; in der Tat gibt es in der Kugelgasse und südlich der Pfarrkirche bisher unerkannte Reste, die noch romanisch wirken; die Ostmauer ist hinter dem Rathaus zu vermuten (Abb. 351). Kaufbeuren erscheint 1240, in der ersten deutschsprachigen Urkunde überhaupt, als „burc“. Von der Quadermauer sind noch lange Partien erhalten, mit Zinnen, deren Lücken erstaunlich breit sind; auch die erste Er-
Abb. 350 Augsburg, das „Rote Tor“ von 1604, hier die Stadtseite, ist einer der vom Stadtbaumeister Elias Holl in Spätrenaissanceformen umgebauten Tortürme.
höhung, in schichtenrechtem Werk mit neuer Zinnenreihe, gehört gewiss noch ins 13. Jahrhundert (Abb. 352). Die verschwundene Mauer von Lauingen gehörte frühestens ins späte 13. Jahrhundert, und auch in Füssen ist das Alter der ersten, sehr verbauten Mauer unklar (13. Jahrhundert?, vor 1363). Auch das Alter der lückenhaft erhaltenen, verbauten Mauer von Kempten ist schwer bestimmbar. Nach 1220 wurde der Sitz des Klostervogtes auf der überragenden „Burghalde“ modernisiert; die Stadtmauer setzte daran an und mag nach dem Mauerwerk nicht viel jünger sein (1289 oppidum und Reichsstadt). Offen ist die Funktion eines großen (Wohn-?)Turmes, der burgnah in der Mauer stand und vor dem 17. Jahrhundert abging; auch ein Turmrest im Norden ist aus der gleichen Zeit, während die beiden „besterhaltenen“ Türme erst 1990–92 entstanden. Die Burg 9. Bayerisches Schwaben
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Abb. 351 Donauwörth, Plan der Altstadt mit der ursprünglichen Siedlung auf der Wörnitzinsel, der Marktanlage (dunkelgrau) mit der 1218 begonnenen Mauer (Reste an der Wörnitzseite) und der Mauer des 14./15. Jh. (Die Kunstdenkmäler von Bayern, Schwaben, Donauwörth, mit Ergänzungen Th. B.).
wurde dann durch eine teils erhaltene Quermauer isoliert, bevor sie 1363 zerstört und 1379 an die Stadt verkauft wurde. Im Norden von Bayerisch Schwaben, im Jura, findet man in Oettingen und Dillingen zwei frühe Buckelquadermauern; sie wirken wie Südausläufer der fränkischen Buckelquadermauern (vgl. Kapitel 12. Mittel- und Oberfranken), die allerdings meist aus Sandstein und jünger sind. Bei der Burg der Riesgaugrafen in Oettingen war bis 1242 ein befestigter Markt entstanden: Damals sind neben dem castrum auch forum und porta ubi itur Nordelingen genannt; 1293 und 1294 ist die Rede vom muru[s], qui oppidum Ottingen ambit. Großenteils erhalten ist eine beidseitig buckelquaderverkleidete Mauer (Abb. 28), auch der Sockel des Südtores mit kraftvoll gestufter Spitzbogenöffnung. Obwohl die porta von 1242 ein Vorgängerbau gewesen sein kann, mag diese Mauer noch in die späteste Stauferzeit gehören. Auch vor der monumentalen, 1220 ersterwähnten Grafenburg Dillingen wuchs eine Stadt, die schon 1258 „oppidum“ genannt wird; der östliche Torturm zeigt noch Rundbogendurchfahrten mit Kämpfern, an der Nordseite sind Mauerteile und ein innen angebauter, wohl jüngerer Turm (heute Kirchturm) erhalten. Mauergassen, wenigstens hinter größeren Teilen der Mauer, sind in Bayerisch Schwaben, wie allgemein im süddeutschen Raum, auf die großen Städte beschränkt und bleiben auch später Ausnahmen. Das Erste gilt für Augsburg (13. Jahrhundert), Nördlingen und die Süderweiterung von Memmingen (14. Jahrhundert), unter den Kleinstädten scheinen Gundelfingen, Lauingen (spätes 13. Jahrhundert?) und Höchstadt (14. Jahrhundert?) die ältesten Fälle zu sein; die übrigen Beispiele meist nur teilbereichlicher Mauergassen gehören erst in die Zeit um 1500 (Mindelheim, Weißenhorn, Ostvorstadt Dillingen). Die Region bot also früh ein vielfältiges und damit den unterschiedlichen Landschaften entsprechendes Bild. Von Wällen über Quader- und
Abb. 352 Kaufbeuren, an vielen Stellen ist erkennbar, dass die Quadermauer der Zeit vor 1240 mitsamt ihren Zinnen in der späteren Erhöhung erhalten ist. Darüber gibt es eine weitere, wohl auch noch ins 13. Jh. gehörende Zinnenreihe, erst ganz oben den Wehrgang des 15./16. Jh.
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Buckelquadermauern bis zur frühen Backsteinverwendung in Augsburg treten alle Techniken offenbar schon vor der Mitte des 13. Jahrhunderts auf. Umgebaute Tortürme dieser Zeit gibt es aber nur noch in Oettingen (rundbogig, vor 1242?) und Dillingen (spitzbogig, vor 1258?), Hinweise auf rechteckige/quadratische Mauertürme in Augsburg, Memmingen, Kempten und ehemals vielleicht Nördlingen; in Kempten war offenbar auch ein Wohnturm in die Mauer einbezogen. Das beginnende 14. Jahrhundert bleibt ähnlich vielgestaltig. Kleine Städte erhielten Mauern, ohne dass die Mauern des 14. Jahrhunderts Holz-Erde-Umwehrungen schon völlig verschwunden gewesen wären, größere ummauerten erste Vorstädte; südlich der Donau war bereits Backstein üblich. Noch um 1300 mag man den Torturm in Gundelfingen (1280 als Stadt genannt) datieren, 1312 wurde das Kreuz-Kloster in Donauwörth ummauert. Ein Rest an der Hadergasse, in Backstein, besaß schon zwei halbrunde Türme, wurde aber später (1425?) erhöht und mit Wehrgangbögen versehen; gleiche Merkmale zeigt die Nordvorstadt von Augsburg. Die verbaute, aber wohl weitgehend aus Backstein bestehende Rechteckmauer von Günzburg („stat“ 1328) gehört sicher erst ins mittlere 14. Jahrhundert, mit Türmen des 15. Jahrhunderts. Eine der besterhaltenen Stadtbefestigungen Deutschlands ist die 2,7 km lange äußere Mauer von Nördlingen. Ihr Baubeginn wird markiert durch die Ungeldbewilligung König Ludwigs vom 3. Mai 1327; die Vorstädte sollten „mit Graben und mit Mauren und mit anderm Pawe“ gesichert werden. Quellen und Bauanalyse ergeben, dass die gegen 1390 vollendete Mauer anfangs außer den fünf Toren keinen einzigen Turm besaß. Von den im 16. Jahrhundert umgebauten Toren sind die Sockel von „Berger“ und „Baldinger Tor“ erhalten (erwähnt 1362 und 1376), die spitzbogige, gestufte Durchfahrten besitzen. Die Mauer zeigt meist Kalkbruchstein mit Brustwehr in Backstein, im Südwesten – dem jüngsten Teil? – auch Backstein in voller Höhe. Die noch kenntlichen Zinnen mit Schlitzscharten wurden im 15./16. Jahrhundert – das Holzwerk des Wehrganges dürfte teils so alt sein – zu Rundbogenfenstern oder weiteren Schlitzen verändert.
Ähnlich wurde auch Memmingen schon ab 1329 (?) entscheidend vergrößert, dabei wurden auch Teile der älteren Mauern modernisiert. Der Wehrgang der 8–10 m hohen Backsteinmauer ruht auf Stichbögen über Strebepfeilern, ein frühes Beispiel in der Region; von den eng gereihten quadratischen Türmen sind nur einer und der Rest eines Eckturmes erhalten. Das 1393 vollendete „Kemptertor“ zeigt noch einen fialengezierten Giebel, der in der Region im 14./15. Jahrhundert weitverbreitet gewesen sein dürfte (Abb. 353); in Memmingen findet man ihn auch bei den Toren der fünfzig Jahre jüngeren „Ulmer Vorstadt“. Den Gegenpol zu derart aufwendigen Mauern bildeten Lindau und Burgau – Orte von Bedeutung, die sehr lange bzw. endgültig ohne Mauer auskamen. Auf die Bodenseeinsel von Lindau, vor das bestehende Damenstift, war schon 1079 ein Markt verlegt worden, aus dem bis Mitte des 13. Jahrhunderts eine königliche Stadt wurde. Als Schutz genügte wohl lange der See und ein Turm am Zufahrtsdamm („Heidenmauer“, 13. Jahrhundert); erst nach Erweiterung Mitte des 14. Jahrhunderts, wohl auf trockengelegten Sumpfgebieten, ging man wohl an den Mauerbau, von dem zwei umgebaute Türme erhalten sind. Burgau, Sitz einer großen Grafschaft, agierte schon 1307 als Stadt, hatte aber nie eine Mauer, sondern nur Tore und wohl ein Stauteichsystem. 1324/25 blieb die Belagerung König Ludwigs erfolglos, 1370 bestätigt ein Chronist: „umb Purgaw waz chain mawre“. Vergleichbar ist Marktoberdorf, das über die erst 1459 geplanten Torhäuser mit einem Graben nie hinauskam. Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und danach ist wenig greifbar geblieben. In Leipheim, Stadt ab 1330, stehen noch lange Teile der (erhöhten) rechteckigen Kalksteinmauer mit zwei quadratischen Ecktürmen. Die verbaute Mauer von Aichach, unter der der ältere Graben erfasst wurde, entstand wohl nach der Stadterhebung 1347. Noch weniger, in Backstein über Kalksteinsockel, blieb in Rain am Lech, wo zwischen 1359 und 1416 mehrere Freiheitsbriefe für den Mauerbau ausgestellt wurden; ein um 1950(!) abgebrochener, giebelbekrönter Torturm war wohl um 1400 entstanden. In Immenstadt schließlich erlaubte Graf Heinrich von Montfort 1360, die Stadt zu befestigen „mit graben, meüren, Türn9. Bayerisches Schwaben
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Abb. 353 Memmingen, das 1393 vollendete „Kemptertor“ ist ein Backsteinbau mit Fialengiebel, wie sie in der Backsteinregion des Alpenvorlandes häufig waren.
nen, porten vnd ander Vestung Als darzu not vnd nutz seyen“; erhalten ist fast nichts. Ende des 14. Jahrhunderts macht sich im Nordteil des heutigen Regierungsbezirkes ein deutlicher Einfluss der 1363/64 begonnenen aufwendigen Mauer der bayerischen Residenz Ingolstadt bemerkbar (vgl. Kapitel 10. Ober- und Niederbayern). Charakteristisch für Ingolstadt und die meist zum gleichen Territorium gehörenden Nachfolger ist vor allem die enge Reihung halbrunder Türme, ein zuvor in der Region unbekanntes Element.
Am deutlichsten wird der Einfluss allerdings in Wemding, dessen Mauer wohl nach 1343 begonnen wurde, als die Ritter von Wemding den Oettingern umfangreiche Rechte verkauften; der Ort war schon 1306 oppidum seu forum (ein Ummauerungsbeginn 1318 ist unbelegt). Die Mauer zeigte im Nordwestviertel rechteckige Schalentürme – zwei sind erhalten –, sonst aber nur halbrunde; unverkennbar wurde bald nach Baubeginn das Konzept geändert. Einer der erhaltenen Tortürme ist ein Schalenturm mit Rundbogenfenstern und Gewänden in Backstein, der andere stand, in Schwaben ungewöhnlich, neben dem Tor. Noch deutlicher dem Ingolstädter Vorbild folgt Friedberg bei Augsburg, das ab 1409 von Ludwig „dem Gebarteten“ von Bayern-Ingolstadt befestigt wurde. Die zahlreichen Halbrundtürme in Backstein zeigen umlaufende Gesimse und Rundbogenfenster an der Wehrplatte; da heute alle bewohnt sind, bleibt offen, ob es Schalentürme waren. Die Mauer besaß Schlitzscharten mit dreieckigem Fuß und einen in Resten erhaltenen, auf dem Boden stehenden Holzwehrgang (Abb. 354). Auch in Donauwörth – und ähnlich in Giengen (vgl. Kapitel 8. Oberschwaben) und Pappenheim (vgl. Kapitel 12. Mittel- und Oberfranken) – deutet eine Reihung halbrunder Türme auf das Ingolstädter Vorbild. In Aichach, wo eine Inschrift an der Spitalkirche Ludwigs Arbeiten für 1418 belegt, erinnert mindestens ein erhaltener Turm stark an Friedberg; welche Teile eine ähnliche Inschrift von 1413 in Lauingen
Abb. 354 Friedberg bei Augsburg, Rekonstruktionsskizze der nach 1409 entstandenen Mauer mit aufgeständertem Wehrgang und Schlitzscharten mit Dreieckfuß, ohne Zinnen (Th. Biller).
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meinte, bleibt offen. Der Torturm der schlecht erhaltenen Kleinstadtmauer in Monheim erinnert an Ingolstädter Tore. Abseits des Ingolstädter Einflusses, vor allem weiter südlich, blieben die formalen Traditionen der Region in Kraft. Das zeigt etwa Mindelheim, dessen Stadtwerdung vor 1250 angenommen wird, dessen verputzte Backsteinmauer aber erst 1365–89 entstanden sein dürfte. Neben Mauerteilen – die Zinnen hatten wohl eine aufgelegte Bändergliederung – sind drei Türme dieser Phase erhalten: das „Untere Tor“, ein schlichter, hoher Torturm mit Fallgatterblende, ein quadratischer Eckturm (heute Kirchturm) und ein runder, der wenig später erhöht wurde. Im 15. Jahrhundert beschränkt sich das Baugeschehen schon weitgehend auf Ergänzungen. In DonauTürme und Zwinger im 15. Jahrhundert wörth kam es ab 1420 zu Erweiterungen und Modernisierungen, von denen ein neuer Wehrgang über tiefen Tragbögen, außen über Rundbogenfries, identifizierbar blieb; das 1810 umgestaltete „Riedertor“ entstand wohl 1428 und dürfte von Anfang an zwei donauseitige Rundtürmchen besessen haben. 1445–71 befestigte Memmingen seine kleine „Ulmer Vorstadt“ in Backstein; das „Ulmer Tor“ (1445) mit Giebel, Kielbogenblenden und Vortor ist ein schöner Vertreter gotischer Tortürme der Region, ähnlich dem sechzig Jahre älteren „Kempter Tor“. Der Wehrgang ruhte auf Strebepfeilern, die Rundtürme waren teils rondellartig niedrig – so der „Schwalbenschwanzturm“ mit seiner außerhalb Italiens seltenen Zinnenform –, teils wahrscheinlich sehr hoch („Luginsland“); gut erhalten sind auch der „Einlass“, ein Nebentor mit Torzwinger (1475), und ein Bachdurchlass. Das Stadt- und Ummauerungsrecht für Wallerstein 1471 wurde nicht mehr voll genutzt, es blieb bei Wall, Graben und Toren. Wie in Oberschwaben findet man im späten 14. und 15. Jahrhundert den Fall der nachträglichen Verstärkung durch Türme – und wie dort bleiben bis zu genauer Bauuntersuchung sicher weitere Fälle unerkannt. In Nördlingen ergänzte man die eben fertige Mauer ab 1395 durch einzelne Türme („Feilturm“, „Reissturm“, zwei „Wassertürme“), von denen aber nur der kleine „Spitzturm“ einem Umbau im 16. Jahrhundert entging. In Kaufbeuren sind augenscheinlich alle Türme
jünger als die Mauer; sie gehören wohl ins späte 14. Jahrhundert und zu den um 1420 belegten Arbeiten. „Fünfknopfturm“, „Gerberturm“ und der teilzerstörte „Hexenturm“ sind rechteckige Schalentürme, der erstere mit namengebenden Erkertürmen am Dachansatz, der zweite mit Rautendach; „Blasius-“ und „Sywollenturm“ sind Rundtürme in Backstein mit rundbogigen Schießfenstern. Neben dem „Blasiusturm“ wurde eine im 17. Jahrhundert vermauerte Ausfallpforte mit altem Türblatt freigelegt und restauriert (Abb. 157). In Günzburg ist mindestens ein Eckturm sekundär eingestellt, der Unterbau des Westtores stammt dendrochronologisch von 1436; in Aichach wurde ein Holz, auf dem die Front eines angefügten Turmes stand, 1476 geschlagen. In Mindelheim entstanden dieTürme von „Obertor“ und „Einlasstor“ (Ersterweiterung 1469, mit wohl originalem Vortor) erst Ende des 15. Jahrhunderts, wie Kielbogenformen wahrscheinlich machen; ihre spätgotische und barocke Bemalung ist nach einem Befund restauriert. Wie in Oberschwaben entstanden die ersten umlaufenden Zwinger zur selben Zeit wie die letzten Türme der Hauptmauer. Der weitgehend erhaltene Zwinger von Nördlingen war offenbar 1401 im Bau, obwohl seine Streichwehren alle jünger sind. Völlig verschwunden sind leider die Zwinger der wichtigsten Städte des Gebietes, so der große Lindauer Torzwinger mit äußerem Torturm (begonnen vor 1409). In Augsburg besaß die gefährdete Westseite einen umlaufenden Zwinger mit vielen Streichwehren (erste Hälfte 15. Jahrhundert?); die Zwinger in Memmingen, teils mit runden Streichwehren, gingen früh in Wallbefestigungen auf. Der heute wehrganglose Wemdinger Zwinger mit rechteckigen Streichwehren entstand wohl nach dem Übergang an Bayern (1467). Schließlich ist der Zwinger in Mindelheim, mit Resten dreier runder Eckstreichwehren und eines Rundbogenfrieses unter der Brustwehr, wohl erst gegen 1500 entstanden. In einen Vertrag des Rates von Dillingen mit dem Augsburger Bischof ist 1498 festgehalten, der Bischof habe „den Zwinger mit verfasten thurnen vmb der Statmur, Unnd darzv ein newe maur, auch mit thurnen vnnd eingefasten thoren, vmb die vorstat“ bauen lassen; man wollte sich den Unterhalt teilen. Vom Zwinger sind nur verbaute Reste mit Stümpfen von drei runden 9. Bayerisches Schwaben
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Abb. 355 Weißenhorn, die kleine Stadt verfügt noch über zwei besonders reich gestaltete Tore des späten 15. Jh.; hier das „Obere Tor“ mit seinem zweitürmigen Vortor.
Ecktürmen erhalten; die Mauer der Ostvorstadt besitzt drei weitere Rundtürme, den dünnwandigen, blendengegliederten Turm des „Leitentors“ und Teile der Backsteinbrustwehr mit Schlitzscharten. Wichtig ist dieser Fall nicht nur wegen der exakten Datierung; auch die Formengleichheit von Zwinger und Vorstadtmauer begegnet öfter und schließlich liegt hier ein früher Fall der Verwendung des Wortes „zwinger“ im heutigen Sinne vor! Vortore waren in Bayerisch Schwaben ähnlich verbreitet wie in Franken, auch in sonst zwingerlosen Städten; der Großteil des Bestandes ist freilich zerstört, etwa in Augsburg, Dillingen und Lauingen. Die frühesten Beispiele scheinen, was den Einfluss aus Franken bestätigen mag, mit dem Nördlinger Zwinger entstanden zu sein; zumindest das Vortor am „Baldinger Tor“, verbaut erhalten, ist auf 1406 datierbar. Die Mehrzahl der erhaltenen Beispiele gehört ins späte 15. und ins 16. Jahrhundert, beginnend mit dem Memminger „Einlass“ (1475). Die beiden Weißenhorner Vortore stammen von 1486/92 („Obertor“), jene des Mindelheimer „Einlasstores“, der beiden Aichacher Tore und in Monheim sind nicht genau datierbar. In der Regel waren es einfache Rechteckanlagen, oft mit Brustwehren über Rundbogenfriesen, aber auch kleine Erkertürme und sogar ein Doppelturmtor kommen vor (Wei84 Topographischer Teil
ßenhorn; Abb. 355). Die hausförmigen, mit Kielbogenblenden gezierten Vortore des „Ulmer“ und des „Kempter Tores“ in Memmingen, wohl beide von 1546, stehen noch in der mittelalterlichen Tradition, aber mit dem Umbau des Nördlinger „Bergertores“ (1573/74) und dem dortigen „Reimlinger Tor“ (1597) ist der Schritt zur Artillerieplattform getan. Die häufigen, zur Kontrolle dienenden Vortore außerhalb des Grabens sind auch in Bayerisch Schwaben fast immer dem Verkehr zum Opfer gefallen; sie waren selten befestigt. Reste eines bollwerkartig ausgebauten Vorwerkes sind in Oettingen erhalten, die ebenfalls stärker befestigten Anlagen des 15./16. Jahrhunderts in Nördlingen und das kleine Doppelturmtor des Kemptener „Klostertores“ sind nur in Abbildungen überliefert. Um 1500 werden in Bayerisch Schwaben die letzten geschlossenen Um16./17. Jahrhundert mauerungen realisiert. Weißenhorn, bis dahin nur mit Wall, Graben und Zaun versehen, erhielt Tortürme erst um 1470/80, die Mauer folgte ab 1504. Die beiden Tore in Backstein gehören mit ihren Vortoren zu den schmuckreichsten der Region. Die Gliederung, beim „Untertor“ auch in der Erhöhung von 1527, verwendet vor allem stichund kielbogige Blenden sowie vierseitige Giebel mit verschiedenen Dachformen; die Durchfahrt im Obertor hat ein Sterngewölbe. Die Vortore zeigen runde Ecktürmchen, beim „Obertor“ („1492“) als regelrechtes Doppelturmtor mit mehrteiligem Trauffries (Abb. 355). Rechteckige Schlüsselscharten treten erst im Oberteil des „Untertores“ auf (1527). Eher verspielte Formen zeigten auch die Türme in Höchstädt, die – trotz Erwähnung eines Tores 1372 – erst um 1500 zu datieren sind; ein Tor war nach erhaltener Inschrift „1523“ erbaut. Moderner zeigt sich die gleichzeitige, rondellbewehrte Erweiterung von Füssen (1502/03), und das kleine Rondell der „Brennergassenvorstadt“ von Kempten wird auch in diese Zeit gehören; Kempten besaß auch größere Rondelle. Sonst sind Artillerietürme in der Region selten; zu nennen sind in Lindau der „Pulverturm“ (um 1420?) und der „Looser Turm“ mit Buckelquadersockel, in Wemding der fünfeckige, auf den Zwinger gesetzte „Folterturm“. Das reichste An-
gebot an Türmen und Werken des 16. Jahrhunderts bietet aber das wohlerhaltene Nördlingen, beginnend um 1530–35 mit den sieben „Backöfentürmen“ (Abb. 356), dem „Löwenturm“ und weiteren, heute zerstörten Türmen: hufeisenförmigen, schartenreichen Streichwehren in Backstein. 1554 folgte die halbovale „Alte Bastei“ (Abb. 237), die wie der kleinere „Kaiserturm“ von 1534 radiale Geschützstellungen in mehreren Geschossen enthielt; die 1607–13 ergänzte „Neue Bastei“ war zwar schon bastionsförmig, aber immer noch turmartig hoch. Größere, vorbastionäre Bollwerke, aus Erde geschüttetet, aber mit gemauertem „Reduit“, leistete sich in den 1540er Jahren Augsburg, fraglos direkt von den gleichzeitigen Anlagen in Ingolstadt abhängig; auch Memmingen besaß ein Eckrondell in ähnlich ungewöhnlichen Formen (um 1529–46).
Neben ersten Artilleriewerken entstanden im 16. und frühen 17. Jahrhundert aber auch die letzten architektonisch bedeutenden Tortürme, die man in Nördlingen und einer späteren Gruppe um Augsburg findet. Das anspruchsvollere Modell in Nördlingen war das „Deininger Tor“ von 1517/19, das einen schlanken runden Aufbau auf den quadratischen Unterbau setzt; dem Modell folgte das in Renaissanceformen durchgearbeitete, größere „Löpsinger Tor“ (1592; Abb. 357). Inzwischen hatte aber das „Berger Tor“ (1574/75) ein zweites Modell kreiert: niedriger Turm und Vortor als zweistufige Artillerieplattform (Abb. 143). Urbild der erst im 17. Jahrhundert entstehenden Türme in Formen der Spätrenaissance waren die herausragenden Augsburger Bauten Elias Holls, von denen das „Wertachbrucker Tor“
Abb. 356 Nördlingen, der „Tannenturm“ ist einer von mehreren „Backofentürmen“, die ab den 1480er Jahren entstanden; noch im 19. Jh. trug er einen Zinnenkranz.
Abb. 357 Auch Nördlingen erhielt, ähnlich Augsburg, in der Renaissance zwei neue Tortürme, die an Zentralbauformen anknüpfen. Hier die Feldseite des „Löpsinger Tors“ von 1592.
9. Bayerisches Schwaben
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(1605) und das „Rote Tor“ (1622; Abb. 350) erhalten sind; das „Obere Tor“ in Günzburg (achteckig erhöht um 1582?) mag ein schlichter Vorläufer gewesen sein, auch wohl das Oettinger „Königstor“ (1594). Nachfolger, mit mehrgeschossigen Achteckaufsätzen und meist schlichterer Gliederung, sind die Wassertürme in Augsburg selbst, der von einem Norditaliener entworfene „Block-
hausturm“ in Burgau (1614), der Günzburger „Kuhturm“ („1617“), das abgegangene Lauinger „Donautor“ (nach 1617), das Aichacher „Untertor“ (1634), das Memminger „Westertor“ (1660) und schließlich der Oberbau des Aichacher „Obertores“ (1697); im württembergischen Schwaben ist auf die Wangener Türme zu verweisen (vgl. Kapitel 8. Oberschwaben).
10. Ober- und Niederbayern Ober- und Niederbayern liegen auf eiszeitlichen Kiesflächen, was eine verminderte Siedlungsund Städtedichte zur Folge hatte und auch das verfügbare Steinmaterial stark beschränkte – Faktoren, die auch in den angrenzenden Regionen Bayerisch Schwaben und Oberschwaben eine wichtige Rolle spielten. Offensichtlich bewirkte das Materialproblem, dass sich die Städte überdurchschnittlich oft mit natürlichem Schutz und Holz-Erde-Befestigungen begnügten. Das gilt für die schon vor/um 1200 gegründeten Städte – wie Passau, München, Kelheim, Landshut, Wasserburg, Straubing –, deren erste, nur bruchstückhaft erhaltene Mauern meist in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts oder noch später entstanden, aber es gilt auch noch für das 14. und 15. Jahrhundert, als die Herzöge den Mauerbau in einer wachsenden Anzahl von Kleinstädten und rechtlich untergeordneten, aber formal durchaus ähnlichen „Märkten“ gezielt förderten. Trotz des entwickelten Backsteinbaues wurden die Ummauerungen – in Nachfolge der Herzogssitze München und Ingolstadt – erst ab dem späten 14. Jahrhundert häufiger, erfassten aber auch dann noch nicht alle Städte und Märkte. Passau, mit seiner keltisch-römischen Vorgeschichte, beschränkte sich anfangs auf die überhöhte Landspitze zwischen Donau und Inn; die Stadt und Domhügel sichernde „Römerwehr“ wurde im 10. Jahrhundert(?) Befestigungen des erneuert. Der vor ihr entstan13. Jahrhunderts dene „Neumarkt“ erhielt 1209 eine Befestigung unbekannter Art; die Mauer mit meist rechteckigen Türmen, die diese wohl im 14. Jahrhundert ersetzte, verschwand schon um 1800. Offen bleibt auch die 86 Topographischer Teil
Form der ersten Umwehrung des 1204 gegründeten Landshut – zwei Stadttore sind erstmals 1280 erwähnt – und das gilt auch für die dortigen Erweiterungen im 13./14. Jahrhundert, die nur im Stadtplan kenntlich sind. Der 1157/58 gegründete und schnell sich entwickelnde Markt München erreichte das Stadium des Mauerbaues gleichfalls erst nach 1250, wie alte Abbildungen vom „Pütrichturm“, „Wilprechtsturm“ und dem 1971/72 nachempfundenen „Talburgtor“ zeigen, die alle Spitzbogendurchfahrten hatten. Im 1218 gegründeten Straubing datiert man die Mauer erst um 1350, ähnlich wird es im 1224 gegründeten und angeblich 1229 befestigten Landau liegen, wo alle Mauerreste Backstein zeigen, weiterhin in Deggendorf (gegründet nach 1242), schließlich auch in Neuötting, dessen Tore 1231, dessen „Plannkhen“ aber noch 1321 erwähnt sind. Die wenigen Baureste des 13. Jahrhunderts findet man alle an Lech, Inn und Salzach, die offenbar besseres Baumaterial boten oder jedenfalls dessen Antransport aus den Alpen ermöglichten. Die Beschränkung früher Mauern auf diese Städte könnte also durchaus bedeuten, dass der Übergang zum Mauerbau tatsächlich hier zuerst stattfand, ohne dass Zufälle der Erhaltung freilich auszuschließen wären. Die 1220 vollendete(?) Mauer von Wasserburg zeigt durchaus frühe Merkmale: Der 200 m lange Rest im Norden, mit Mauergasse, besteht 3 m hoch aus sauber geschichteten Flusskieseln. Reichenhall mit seiner ertragreichen Saline erhielt nach Erwerb durch die Wittelsbacher wohl 1219–1228? (erwähnt erst 1275) eine ausgedehnte Mauer. Sie besaß unregelmäßig verteilte,
teils erhaltene quadratische Türme und Tortürme, die Mauerdicke betrug bis zu 1,80 m, teils gab es Wehrgangbögen. In Schongau, nach 1225 auf einen Umlaufberg des Lech verlegt, deutet die Verlegung auch des Marktes um 1240 einen fortgeschrittenen Ausbaustand an, zu dem die wohlerhaltene Mauer gehört haben wird, denn sie zeigt das eindrucksvolle Bild einer turm- und torturmlosen Mauer, die erst im 15./16. Jahrhundert durch wenige Türme und Torzwinger modernisiert wurde. Der offenbar noch romanische Unterbau des „Münchener Tors“ in Mühldorf (Abb. 358) zeigt bearbeitete Granitfindlinge und einzelne Buckelquader, ein Rundbogentor mit Kämpfern und Fallgatterschlitz, darüber feldseitig Konsolen (für Skulpturen?); zu denken geben für die Datierung nur die Profile von Turmsockel und Torkämpfern, die im 16. Jahrhundert überarbeitet sein mögen. Das zweite Obergeschoss zeigt Tuffverblendung, der oberste, jedenfalls jüngere Teil dann Backstein. Tittmoning schließlich, das nach Burggründung 1234 schon 1243 „oppidum“ war, besitzt eine einheitliche (später erhöhte) Mauer aus Tuffquadern, deren Tore und (verschwundene) Türme offenbar sekundär sind. Bei einer Datierung vor 1243 wäre sie die erste Tuffquadermauer Bayerns; spätere Entstehung liegt daher näher. Auch, wann Kelheim (cives um 1200, civitas um 1260) seine teilweise erhaltene Mauer erhielt, ist kaum zu sagen; die Tor- und anderen Türme gehören fraglos erst ins 14./15. Jahrhundert. Ein unkenntlicher Rundturmstumpf blieb schließlich von der ersten Mauer von Ingolstadt, die vier Ecktürme besaß und wohl ins späte 13. Jahrhundert gehörte (1270 noch porta und vallum civitatis). Um 1315/19 leitete die äußere Mauer von München die Backsteinmauern des 14./15. Jahrhunderts ein. Ob das Ungeld 1301 zur Vollendung einer begonnenen Mauer noch die innere Mauer betraf oder bereits den Außenring, scheint fraglich. Die „äuzzere [...] Rinchmauer“ mit ausdrücklich geforderter Mauergasse ist jedenfalls Erste Backsteinmauern in der ersten Hälfte des 1315 in einer Anweisung 14. Jahrhunderts Ludwigs des Bayern gemeint, auf die 1319 die dauerhafte Ungeldabtretung an die Stadt folgte. Diese starke, in etwa fünfzig Jahren erbaute Backsteinmauer – 1368 wurden Gräben begonnen, an
Abb. 358 Mühldorf, die Durchfahrt des „Münchener Tors“, hier die Feldseite, zeigt noch romanische Detailformen (Mitte 13. Jh.?; G. Bogensberger).
denen man noch 1394 und länger arbeitete – besaß eng gereihte, rechteckige (Schalen-?)Türme; erhalten ist – neben einer Wand des (1380 erwähnten) „Luginsland“ gegen die Isarbrücke – kaum mehr als der rechteckige, umgebaute Torturm des „Isartores“ (Abb. 164, 179). Die Stadt hatte für den Mauerbau eigene Ziegeleien in Bogenhausen geschaffen. Mauergassen sind im süddeutschen Raum selten, weswegen ihre ausdrückliche Forderung in München aussagekräftig ist; neben Wasserburg war dies wohl auch das früheste Beispiel in Bayern, denn alle anderen gehören ins spätere 14. und 15. Jahrhundert (Ingolstadt, Deggendorf, Pfaffenhofen, Schrobenhausen, Beilngries), wobei sie oft nur Teile der Mauer begleitet haben (Abensberg, Kelheim, Neustadt). Das München Kaiser Ludwigs des Bayern (König 1314–1347) war zweifellos der Schrittmacher bayerischen Mauerbaues in Backstein, dem – neben einer Anzahl schwer datierbarer Mauern um kleinere Städte – bis Ende des Jahrhunderts vor allem Straubing und Ingolstadt folgten, also zwei weitere herzogliche Städte von Bedeutung. Straubing, 1218 gegründet, 1332 sechs Wochen erfolglos belagert, wurde 1341 durch den Belagerer, Kaiser Ludwig, zum Mauerbau sechsjährig vom Zoll befreit – zwei Jahrzehnte nach München offenbar der Baubeginn der zweiten Backsteinmauer Bayerns, von der Partien mit originalen Schießfenstern erhalten sind. Wie in München gab es nur Rechtecktürme; neben einem Tor10. Ober- und Niederbayern
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Abb. 359 Landsberg am Lech, der „Schmalzturm“ oder „Schöne Turm“ war das Haupttor der ersten Stadtmauer. Sein unterer Teil entstand wohl noch Ende des 13. Jh., die oberen vier Geschosse im 15. Jh.
turm, der in die 1356 begonnene Burg eingebaut wurde, mit dem Fallgatter zum Burghof, sind der „Weitterturm“ und zwei weitere verbaute Turmreste erhalten. In das spätere 13. oder frühe 14. Jahrhundert dürfte auch die erste Backsteinmauer des wichtigen Flussübergangs Landsberg am Lech gehören, für die Schriftquellen fehlen; 1315 ist als erster Teil das „Lechtor“ erwähnt. Neben einem im 15. Jahrhundert erhöhten Torturm („Schöner Turm“; Abb. 359) sind ein Mauerturm mit Spitzbogenfriesen(!) und ein quadratischer Eckturm („Fronvestturm“) erhalten; die Mauer besaß Wehrgangbögen. 88 Topographischer Teil
Gleichzeitig mit den ersten Backsteinmauern in München, Straubing und Landsberg entstanden, soweit die Quellen es nahelegen, in den besser mit Naturstein versorgten Gebieten weitere Mauern, auch um deutlich kleinere Städte; der Vorsprung des Bauens in Naturstein blieb so weiterhin gewahrt. Eichstätt, seit etwa 1200 als Markt und burgus vor der Domburg belegbar, erhielt nach dem Aussterben der Hirschberger einen Freiheitsbrief (1305/07); die verputzte Kalksteinmauer mit erdgeschossig massiven, rechteckigen Schalentürmen wird danach begonnen sein. Vilshofen wurde vor 1320 in Granitbruchstein ummauert, wie die Befreiung dreier Klöster von der Mauerbaupflicht nahelegt. Neustadt an der Donau (Ersterweiterung 1270) erhielt 1319/24 Steuerfreiheit zur „Wiedererbauung“ der Stadt; 1363 ist die Mauer erwähnt. Aus Kalkbruchstein, besaß sie eine 3–4 m hohe Brustwehr und vielleicht einen stehenden Holzwehrgang; das Alter eines Halbrundturmes muss offenbleiben. Für die schon 1332 angesprochenen Mauern von Neuburg an der Donau erließ Ludwig der Bayer noch 1347 den Zoll; 1392 gibt es schon Vorstädte. Die stark restaurierte Kalksteinmauer besaß Rechteck- und halbrunde (Schalen-) Türme, deren Entstehungszeit aber nicht beurteilbar ist. In Burghausen/Salzach ist 1335 die Rede von einer neuen „ringkmauer“ – wohl nicht einer Stadterweiterung, sondern der ersten, fast völlig abgegangenen Stadtmauer, in Nagelfluhquadern; aus diesem Material ist auch die 1368 ersterwähnte Mauer von Weilheim. Kaum eine deutsche Stadtbefestigung war, bezogen auf ihre Region und Epoche, so innovativ wie die ab 1361 geplante, ab 1363 realisierte äußere Mauer von Ingolstadt. Vorbildhaft wurden weniger die Tore – unter ihnen mit dem „Kreuztor“ (Abb. 102, 163) eines der schönsten erhaltenen Tore Deutschlands –, sondern vor allem die enge Ingolstadt (1361–1434) und seine Nachfolge Reihung von über 70(!) gleichen Halbrundtürmen (Abb. 46, 62, 360). Anfangs Schalen, hatten viele schon 1546 Rückwände erhalten; sie besaßen Schlitzscharten und über einem Gesims Zinnen mit Rechteckblenden und bekrönenden „Fialen“. Einzelne größere Türme betonten exponierte Ecken wie der in der „Ziegelbastei“ erhaltene Fünfeckturm oder andere Sondersituationen wie
etwa der rechteckige „Schutterturm“ über dem Bacheinlauf. Der Wehrgang der Mauer selbst kragte innen in komplizierter Weise über gestuften Konsolen, Bögen und wiederum Konsolen aus. Drei der erhaltenen Tore sind einfache Tortürme mit Stichbogen- und Rechteckfenstern; nur das „Taschentor“ hat den Treppengiebel bewahrt, der in einfacher oder blenden- und fialengezierter Form früher überall vorhanden war. Reicher ist nur das „Kreuztor“ gestaltet, das heute vor allem mit dem (jüngeren!) Heiligkreuzmünster zusammenwirkt (Abb. 360). Der quadratische Unterbau trägt zwei achteckige Geschosse, wobei Erkertürmchen den Übergang markieren. Eine wichtige Ergänzung ist das Vortor mit runden Erkertürmchen, die auf Maßwerkfriesen ruhen; die Friese und Gesimse des Tores bestehen aus hellem Kalkstein. Ähnliche Vortore besaßen wohl alle Tore, obwohl Ingolstadt nie einen umlaufenden Zwinger hatte; erhalten ist noch jenes am „Taschentor“. Die Datierungen der Haupttore, meist inschriftlich festgehalten, spiegeln den Baufortgang, im Osten an der Donau beginnend, dann im weiten Bogen gegen Nordwesten und Süden zu ihr zurückkehrend: „Feldkirchener Tor“ 1368, „Harder Tor“ 1375 begonnen, „Kreuztor“ 1385. Nach dieser Kraftanstrengung verlangsamte man wohl die Weiterführung am Fluss entlang: 1430 wurde das Brücken- bzw. „Donautor“ angefangen, 1432/34 verlegte man das „Feldkirchener Tor“ wegen der neuen Burg am Donaueck. Die Reihung halbrunder Türme tritt in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bei weiteren Mauern der Region auf, die zweifellos auf das Vorbild der Herzogsresidenz zurückgehen und meist auch zum Territorium von Bayern-Ingolstadt gehörten. Neben Aichach, Donauwörth, Friedberg, Giengen, Pappenheim und Wemding – die heute in angrenzenden Bezirken liegen (vgl. Kapitel 9. Bayerisches Schwaben, Kapitel 12. Mittel- und Oberfranken) – gehört zu ihnen auch Abensberg, das 1348 Marktrecht und Ummauerungserlaubnis erhielt, also dreizehn Jahre vor Baubeginn in Ingolstadt, das sich aber erst 1428 Stadt nannte. Die Abensberger Rundschalen aus Kalkstein haben nur etwa 4 m Durchmesser; ihre Schlitzscharten, die an den Wehrgängen wiederkehren, entsprechen Ingolstadt; zwei Rechtecktürme mit polygonalem und rundem Oberbau
Abb. 360 Ingolstadt, ein Abschnitt der äußeren Stadtmauer (1361–1434) mit der charakteristischen, heute nur noch schwer erkennbaren Reihung runder Schalentürme und dem „Kreuztor“ (vgl. Abb. 102, 163), dahinter das Heiligkreuzmünster, nach dem Modell von Jakob Sandtner (1570 ff.) (v. Reitzenstein, Die alte bairische Stadt, 1967).
passen gut ins späte 14. Jahrhundert, etwa in Anknüpfung an das Ingolstädter „Kreuztor“. Auch Schrobenhausen, das als Markt zwischen 1389 und 1419 eine Backsteinmauer erhielt, dann 1447 Spätes 14. und frühes 15. Jahrhundert zur Stadt erhoben wurde, gehört zu den Nachfolgern von Ingolstadt. Die Mauer mit Wehrgang über Stichbögen zeigte meist halbrunde Schalen, aber auch hier treten vollrunde Türme sowie polygonale über rechteckigem Unterbau auf. Im späten 14. und im 15. Jahrhundert lag in Bayern allgemein der Höhepunkt des Mauerbaues, was gegenüber anderen Regionen, vor allem im Natursteingebiet, eine erhebliche Verspätung bedeutet. Nach München und Ingolstadt erhielten auch Landshut, Passau und Landsberg am Lech äußere Mauern; vor allem aber entstanden dann kleinere Städte und Märkte, deren Ummauerung von den Herzögen gezielt gefördert wurde. Manchmal legt die Quellenlage nahe, dass zunächst die Verleihung des Markt- und Befestigungsrechtes mit dem Ziel erfolgte, nach der folgenden Ummauerung das Stadtrecht zu verleihen; dieses Ziel wurde aber augenscheinlich 10. Ober- und Niederbayern
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Abb. 361 Landshut, eine Mauerpartie aus dem 15. Jh. ist durch eine vorspringende Rechteckschale mit ungewöhnlichen, außen als Erker erscheinenden Doppelscharten verstärkt (M. Kochlöfl).
oft verfehlt, sicher auch wegen des hohen Bauaufwandes. Selbst die Mauer einer Bischofsstadt wie Freising ist erst 1381 belegbar. In Landshut sind trotz früher Stadtgründung und mehrfacher Erweiterung nur Teile einer späten Backsteinmauer erhalten. Die 1338 angefügte „Freyung“ sollten die Bürger zwar binnen drei Jahren durch einen Graben sichern; die Mauer folgte aber offenbar erst im 15. Jahrhundert, denn die erhaltenen Teile zeigen schon Merkmale der Feuerwaffenzeit: hohe Mauer mit Wehrgangbögen, unter diesen zahlreiche Scharten, eine voll vorspringende Rechteckschale mit ungewöhnlichen, außen als Erker erscheinenden Doppelscharten (Abb. 361). Noch origineller ist die in Teilen erhaltene „Sägezahnmauer“ wohl des beginnenden 15. Jahrhunderts, die im Süden und Norden Vorstädte umfasste und gegen die Isar als Zwinger vor der älteren Mauer lag. In ihrem linearen Mittelteil stehen noch der polygonale „Röckturm“, der bereits 1410 existierte, und die 1855 umgebauten Türme vom Vortor des „Ländtores“, dessen Torturm zur älteren Mauer gehörte. Die „Sägezahnmauer“ versprang alle 40 m, wobei im Versprung jeweils ein rechteckiger Schalenturm stand – eine Form konsequenter Flankierung, für die es kaum mittelalterliche Vergleiche gibt (Abb. 74). 90 Topographischer Teil
Wehrgangbögen, kombiniert mit hohen Mauern und eher stich- als rundbogig, treten in Altbayern nach dem Vorläufer Reichenhall(?) wohl erst um 1400 auf; neben Schrobenhausen und Landshut ist auch das nahe Dingolfing zu nennen, von dessen eindrucksvollen Mauern leider nur verbaute Reste blieben. Auch Passaus Befestigungen wurden im 15. Jahrhundert ergänzt. Die Altstadt erhielt gegen die reißenden Flüsse wohl keine durchlaufende Mauer, sondern nur die hohen Rückwände der damals entstehenden Steinhäuser; auch das im Kern ins 13./14. Jahrhundert gehörende, unter Bischof Leonhard von Layming (1423–51) ergänzte „Innbrucktor“ war ein kaum wehrhafter Teil der Bischofsresidenz, gesichert durch einen Turm am anderen Ufer. Die Verteidigung der flussseitigen Flanken ruhte auf den Burgen zwischen Donau und Ilz und den Mauern der beiden Vorstädte jenseits der Flüsse. Die wegen der Brücke wichtige Innvorstadt erhielt um 1408–12 eine Mauer mit Rechtecktürmen, innen teils im Spitzbogen geöffnet; die einfache Mauer der ehemals nur zu Schiff erreichbaren Ilzvorstadt, mit wenigen schlanken Rundtürmen, dürfte noch jünger sein. Nördlich von Passau ließ Bischof Ulrich III. (1451–79) den Markt Waldkirchen befestigen; von seiner Granitbruchsteinmauer stehen noch acht Türme in der schon um 1400 typischen Abwechslung der Grundformen (rechteckig, rund, polygonal), von denen einer noch einen Blockwerkaufsatz mit Rechteckscharten trägt (Abb. 362). Bemerkenswert ist auch ein kleines, früh aufgegebenes DoppelturmDie zweite Hälfte tor, für das es Pendants in des 15. Jahrhunderts Passau selbst gab, als Vortor im Osten der Innvorstadt, in Schärding (vgl. Kapitel 2. Österreichische Voralpenländer) und wohl auch in Neuötting („Landshuter Tor“, 1953/54 erneuert). Die neue Mauer von Landsberg am Lech ist durch die Jahreszahl „1425“ am „Bayertor“ und durch ein Weinungeld von 1420 datiert. Die Mauer, deren Wehrgangbögen unausgeführt blieben, zeigt regelmäßig gereihte, dünnwandige Halbrundschalen mit zahlreichen Schlüsselscharten und vorgekragten, wohl nur ornamentalen Zinnen; der Typus wirkt als Fortentwicklung von Ingolstadt. Der 36 m hohe Turm des „Bayer-
tors“ (1422–25) ist mit der 1973–75 erneuerten, originalen Farbfassung – Kreuzigungsrelief, Wappen, Eckquaderung und Fenster – eines der schönsten erhaltenen Stadttore Deutschlands (Abb. 121). Die Rechtecktürme des Vortores erinnern an München und werden – mit dem schlecht erhaltenen Zwinger mit seinen rechteckigen und achteckigen Streichwehren – ins mittlere bis späte 15. Jahrhundert gehören. Von den späten Kleinstadt- und Marktbefestigungen Bayerns sind wenige Reste geblieben, wie in Traunstein (Stadtrecht 1375), Pfaffenhofen (ummauert 1388?, Backstein), Laufen/Salzach (Markt 1408, Stadtrichter 1425) oder Riedenburg (14./15. Jahrhundert). Gut erhalten sind einige Tortürme, oft aber eingreifend verändert. In der Nachfolge der Ingolstädter Tore sind die drei in Vohburg (1471) gestaltet, mit Geschossgesimsen, polygonalen Eckerkern und fialengezierten Giebeln. Ähnliche Erker hat das „Landshuter Tor“ in Erding, wo sich aber der mit mehreren Blendenreihen gegliederte Turmkörper höher erhebt; Schlüsselscharten, auch an einer Halbrundschale der Mauer, belegen eine Bauzeit erst gegen 1500. Damals fanden auch die letzten vollständigen Ummauerungen statt, wie in Beilngries (inschriftlich um 1487–1524) mit unterschiedlichen, überwiegend halbrunden Türmen und Schlüsselscharten. In Pfarrkirchen schrieb der Rat gar erst 1558 an den Herzog, er habe mit dessen Hilfe „die angefanngen Ringkhmaur nun dise verganngne Jar vollig unnd gar zum enndt [...] verricht“. Die demnach wohl jüngste Mauer Bayern besaß immer noch (zerstörte) Tortürme und polygonale Mauertürme, aber auch eine zeitgemäßere Ausstattung der Mauer mit teils zwei Reihen tief liegender Schlüsselscharten. Eine beachtliche Anzahl von Orten erreichte das Ende des Mittelalters zwar befestigt, aber im Rechtsstatus nur des Marktes. Nur wenige Märkte scheinen Mauern besessen zu haben (Erding [siehe oben], Frontenhausen, Pfeffenhausen um 1481/86, Kraiburg); Standard waren vielmehr Torbauten in Holz oder Mauerwerk und Gräben, ehemals sicher durch Palisaden ergänzt. Tortürme sind erhalten in Eggenfelden (um 1500), Essing (15./16. Jahrhundert) und Neumarkt, wo das „Untere Tor“ von „1542“ frühe Renaissanceformen zeigt, ferner umgestaltete Torbauten in Dorfen, Teisbach (1718), Kraiburg und
Rosenheim, wo das hausförmige „Mittertor“ mit Netzgewölbe wohl für die Marktschreiberei entstand. Der Graben in Pfeffenhausen entstand vor 1402, Grabenreste gibt es in Eggenfelden und Teisbach. Auch in Bayern setzen die Verstärkungen der wenigen großen Städte schon zu einer Zeit ein, als viele kleinere eben erst die Phase der HolzErde-Befestigung hinter sich ließen. Die Avantgarde bildete wieder München, dessen 10 m breiter Zwinger 1435–65 entstand, ausgestattet mit rechteckigen Streichwehren, die mittig zwischen den Rechtecktürmen der Hauptmauer standen und so ein sehr Zwinger und Kanonentürme ausgewogenes Bild schufen (Abb. 363). Die geräumigen Torzwinger mit symmetrischen Rechteck-, Rund- oder Achtecktürmen unterstrichen diese ruhige Monumentalität, wie es – in der Überarbeitung des Abb. 362 Waldkirchen, das Rondell des um 1451–79 befestigten Städtchens hat noch einen Aufsatz aus Blockwerk mit Schießscharten bewahrt, wie er früher zweifellos häufiger vorkam, aber kaum je erhalten blieb.
10. Ober- und Niederbayern
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19. Jahrhunderts – noch das „Isartor“ zeigt (Abb. 164), auch die isolierten Vortore des „Neuhauser“ und „Sendlinger Tors“. Der meist nur als Stützmauer erhaltene Zwinger von Landsberg am Lech knüpfte mit seinen rechteckigen und gelegentlich achteckigen Streichwehren an München an, mag also auch noch ins mittlere 15. Jahrhundert gehören; allerdings trägt eine Streichwehr die (nachträgliche?) Jahreszahl „1492“. 1470 ist der Zwinger in Neuburg an der Donau erwähnt, der wohl in dieser Zeit erst entstand; gemeint ist der mit runden Streichwehren versehene obere Zwinger, während der untere, am Hangfuß, erst unter Pfalzgraf Ottheinrich um 1530/40 erbaut wurde. 1474 regelte Herzog Albrecht die Finanzierung des Zwingerbaues in Straubing, und zwar an der erhaltenen Nordseite; die Mauer zeigt Wehrgangbögen mit Stich,
Abb. 363 München, die äußere Stadtmauer (ab 1315) erhielt um 1435–65 einen Zwinger mit quadratischen, auf Lücke gesetzten Streichwehren, von dem aber fast nicht erhalten ist; das Sandtner-Modell von 1570 zeigt vorn das „Neuhauser“ Tor, hinten den „Schönen Turm“ (vgl. Abb. 93) der inneren Stadtmauer und die Frauenkirche (v. Reitzenstein, Die alte bairische Stadt, 1967).
92 Topographischer Teil
unter denen jeweils Schlüsselscharten liegen. Neben teils schräg gestellten Rechtecktürmen ist ein großes Eckrondell („Pulverturm“) mit rechteckigen Maul- und Rundscharten erhalten. Die zerstörten (jüngeren?) Zwingerteile zeigten halbrunde Streichwehren und umfassten auch Vortore, von denen das „Untere Tor“ runde Fronttürme besaß. Der Bau des in Eichstätt der Ostseite vorgelegten Zwingers – erhalten ist nur der Rest einer halbrunden Streichwehr – ist wohl um 1488/94 quellenmäßig zu fassen. Ebenfalls ins späte 15. Jahrhundert gehörten zweifellos die undatierten Zwingeranlagen in Passau, die verschwundenen des „Neumarktes“ ebenso wie die mit Schlüsselscharten ausgestattete der „Innstadt“, von denen das kleine, innen geöffnete Rondell des „Peichterturmes“ mit Maulscharten erhalten ist, auch zwei runde Streichwehren und das Vortor des „Severinstores“. Undatierbar ist der turmlose Nordzwinger von Tittmoning (um 1420?, um 1470?). Vortore – und ausnahmsweise auch größere Torzwinger (Schongau; Neuburg, erste Hälfte des 16. Jahrhunderts) – traten auch in Bayern vor allem in größeren Städten auf, zumeist bei jenen mit umlaufenden Zwingern (München, Landsberg, Landshut, Passau, Eichstätt, Straubing), kamen aber gelegentlich auch bei zwingerlosen und kleineren Städten vor (Ingolstadt, Mühldorf, Schrobenhausen, Traunstein, Vohburg). Regional charakteristisch scheinen Anlagen, die deutlich breiter als der ältere Torturm waren, wofür wohl München das Vorbild war. Die Monumentalität der Münchener Tore, mit rondellartigen Ecktürmen, blieb unerreicht, jedoch waren schlankere, oft auskragende Ecktürme hier ähnlich verbreitet wie etwa in Franken; formale Höhepunkte erreichte dies im Ingolstädter „Kreuztor“ (1385; Abb. 102, 163) und, mit zwei Vortoren, im Landsberger „Bayertor“ (1422–25 und später; Abb. 121), während das Neuburger „Obere Tor“ (vor 1546) die Form in die Renaissance weiterführte. Zwei Tore der 1470er Jahre entstanden kaum noch als Wehrbauten, sondern dienten eher der Repräsentation. Der Wasserburger „Bruckturm“ wurde 1470 vom einheimischen Maurermeister Wolfgang Wiser aufgeführt; mit seiner breiten, zinnengekrönten und sicher von Anfang an bemalten Front und bewohnbaren Räumen schuf er – ähnlich dem älteren Passauer „Innbrucktor“
– der Brücke ein repräsentatives Ziel. Noch eindeutiger symbolische Zwecke verfolgte 1479 der „Schöne Turm“ in München (Abb. 93), der als Nachfolger des ältesten, schon 1331 reich bemalten Westtores der Stadt nun innerhalb der Mauer des 14. Jahrhunderts neu entstand (vgl. etwa Überlingen, „Franziskanertor“, 1494; Abb. 346). Er markierte mit seinem ins Rathaus einbezogenen östlichen Pendant den patrizischen Stadtkern; der Neubau erhielt polygonale, unten blendengegliederte Ecktürme mit eigenen Spitzhelmen, Stockwerkgesimse und wiederum reiche Bemalung; selbst das sechsgeschossig kreuzrippengewölbte Innere lag weit über dem Standard der Zeit. Verbreiteter waren Kanonentürme, meist als Rondelle an gefährdeter Stelle der Zwingermauern; selten eng datierbar, dürften sie meist um 1460–1500 entstanden sein. Früh waren wohl die relativ schlanken und bis fünf Geschosse hohen Rundtürme in München, die den Ecktürmen der Vortore entsprachen (1435–65; „großer scheiblinger Turm“ 1467, abgebrochen 1891). Der Passauer „Scheiblingturm“ (= Rundturm) ist ein schlanker Bau vor der Innfront, mit Rechteckscharten, der chronikalisch 1481 renoviert (in Wahrheit wohl eher erbaut) wurde; sein donauseitiges Gegenstück von 1513 ist verschwunden. Um 1470–90 entstand wohl das massive Rondell des „Schleiferturms“ in Kelheim, mit Buckelquadern und Rund- wie Maulscharten; es lag vor der Mauerecke und besaß wohl ein Gegenstück im Norden. Weitere, in ihrer Urform veränderte Rondelle findet man in Eichstätt (Westenvorstadt und Flussseite, „1460“), Landsberg am Lech und Dingolfing. Hochoriginell sind dagegen die in den 1480er Jahren entstandenen Verstärkungen der Vorstadt von Burghausen. Das gilt weniger für den „Pulverturm“, ein mächtiges viergeschossiges Rondell, sondern für die weiteren Werke, darunter einen (verschwundenen) doppelten Zwinger mit runden Streichwehren, der den „Pulverturm“ umgab (Abb. 229). Die zur Burg führende Mauer besitzt einzigartige, formal verspielte Streichwehren: An die von einem Treppengiebel überhöhte Mauer schließen beidseitig niedrige flankierende Halbrundbauten an – im Grundriss ein Rundturm, optisch aber eher der Abschluss einer Kirche mit Apsis, und zwar beidseitig.
Barbakanen, die in Böhmen, im mittel- und ostdeutschen Raum ab 1430 verbreitet waren (vgl. Band 1, Kapitel 2.2.11.4.), gab es in Bayern allein in München, wo jene am „Neuhauser Tor“ 1492 von dem Patrizier Heinrich Bart gestiftet wurde. Es ist ohnehin festzustellen, dass Artilleriewerke, die über vereinzelte Rondelle hinausgingen, in den bayerischen Herzogtümern erst wieder viel später entstanden, nämlich, trotz der intensiven Beteiligung des Landes am Dreißigjährigen Krieg, erst im späteren 17. Jahrhundert, Bollwerke und Tortürme des 16./17. Jahrhunderts im Zeichen des „altniederländischen Systems“. Einzige Ausnahme – neben der bescheidenen „Bastei“ in Passau (1531) – waren die berühmten, im Sandtner-Modell von 1573 dokumentierten Werke von Ingolstadt (Reinhard Graf zu Solms, 1537–65; Abb. 247), die – mit ihren Pendants in Augsburg und Memmingen (vgl. Kapitel 9. Bayerisches Schwaben) – eine eigenständige Entwicklungslinie darstellten. Schon der enorme Variantenreichturm in Form und Technik lässt die letztlich erfolglose Suche nach einem effektiven System deutlich werden: Höchst komplexe Mauerwerkskerne werden über wechselnden Grundrissen meist von Erdwällen umgeben, deren Fuß oft mit Schartenmauern und allerlei Streichwehren gesichert. Zweimal wurden Torwege barbakanenartig hindurchgeführt, alle Werke sorgfältig voneinander isoliert. Was jedoch vollständig fehlt, ist der konsequente flankierende Bezug der Bollwerke aufeinander und die Beschränkung auf die notwendigen Batterien – eben das Merkmal der gleichzeitig in Italien entwickelten echten Bastionen. Auch in Bayern entstanden im 16./17. Jahrhundert einige Tortürme in Renaissance- bzw. Barockformen, die bereits völlig auf Wehrhaftigkeit verzichteten. Das „Obere Tor“ in Vilsbiburg erhielt seine heutige, noch recht schlichte Form mit Achteckaufsatz wohl um „1540“ (Inschrift an der Glocke). Ins frühe 17. Jahrhundert dürfte das „Sandauer Tor“ in Landsberg am Lech gehören, das als Nachfolger der hollschen Bauten in Augsburg erscheint. An diese erinnert auch der hoch aufragende, aber in den Proportionen weniger ausgeglichene „Stadtturm“ in Vilshofen (Bartholomäus Viscardi, 1643–47).
10. Ober- und Niederbayern
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11. Oberpfalz Anders als Ober- und Niederbayern, mit denen sie historisch als „Altbayern“ zusammengefasst wird, liegt die Oberpfalz überwiegend im rauen Mittelgebirge. Abgesehen von dem gegen Franken geöffneten Westrand, orientierte sich die Besiedlung daher bis zum 13. Jahrhundert an den Flusstälern von Donau und Naab sowie an den Straßen, die das frühe Zentrum Regensburg mit dem böhmischen Becken verbanden. Als Vorteil der Gebirgslage ist natürlich der gut verfügbare Naturstein zu nennen (vor allem Granit und Kalkstein), der deutlich mehr Ummauerungen ermöglichte als in den Grundmoränen- bzw. Backsteinregionen im Süden. Die 179 n. Chr. vollendete, aus Spolien und Großquadern aufgeschichtete Mauer des Legionskastells „Castra Regina“ war eine Voraussetzung, dass Regensburg im Frühmittelalter zeitweise eine Art bayerische Hauptstadt wurde. Die Mauer aus Regensburg und Befestigungen des „Quadersteinen“ (quadris ae12./13. Jahrhunderts dificata lapidibus) der urbs Abb. 364 Regensburg, Ostturm und westliche Toröffnung der „Porta Praetoria“ – des donauseitigen Nordtores des römischen Legionskastells, aus dem 2. Jh. n. Chr. – wurden im Mittelalter in den Bischofshof einbezogen. Eine Vorbildwirkung für Stadttore des 12.–14. Jh. entwickelten solche ebenso seltenen wie anspruchsvollen Baureste nicht.
94 Topographischer Teil
ist im 8. Jahrhundert ausdrücklich erwähnt, auch „Türme von außerordentlicher Größe“, nämlich die 22 römischen Mauertürme von 8 × 8 m und die Flankentürme der Tore, von denen einer der später in den Bischofshof integrierten Porta Praetoria noch steht (Abb. 364). Wohl um 916 bezog Herzog Arnulf ein im Westen aus dem römischen vicus entstandenes Händlerviertel nebst der Abtei St. Emmeram ein und brach dort die Kastellmauer ab. Die Art seiner neuen Befestigung ist unbekannt, aber bis zum mittleren 13. Jahrhundert – vielleicht um 1230/32, als Friedrich II. Zoll und Steuer zur Reparatur gewährte – entstand gewiss eine Mauer, zu der auch der Turm des erst 1830 zerstörten „Rauzanburgtores“ gehört hat. Nördlich von Regensburg, vor allem an den Straßen nach Böhmen, lagen schon im 10. Jahrhundert „Landesburgen“, die Märkte und Siedlungen schützten und damit schon stadtähnlich waren (vgl. Kapitel 12. Mittel- und Oberfranken). Von ihnen entwickelten sich Nabburg und Cham zu Städten, wobei nur Nabburg (erweitert 929) am gleichen Platz blieb; auch Amberg ist schon früh, 1144, als „befestigter Markt“ (forense oppidum) erwähnt. 1232 wird Neustadt an der Waldnaab (nova civitas) genannt, eine nur 200 × 80 m große Anlage um einen Marktplatz, an der Fernstraße auf schmalem Grat, deren undatierbare Mauer in den Hinterhäusern noch ahnbar ist. Schließlich erscheint auch Neumarkt schon 1235 als Stadt, seine Mauer aber erst 1315. Ältester Mauerrest der Region dürfte – neben dem romanischen Torturm in Vilseck, der wohl zu einer Kirchhofmauer gehörte – das „Brunntor“ in Kallmünz sein, einer früh erwähnten Brückensiedlung an Naab und Vils. Über ihr erbauten die Wittelsbacher Mitte des 13. Jahrhunderts eine Burg und sicherten die Engstellen zwischen Fels und Fluss sowie die Brücken durch Tore. Bei der Markterhebung 1283 war die Mauer fraglos fertig, denn das Torgewände mit romanischem Kämpferprofil und spitzbogiger Fußgängerpforte belegt die Gleichzeitigkeit von Burg und Mauer (Abb. 365). In Cham, das nach 1204 in eine Flussschlinge verlegt worden war (novum
Abb. 365 Kallmünz, Gewändereste des „Brunntores“ mit der Fußgängerpforte. Das Tor dürfte wie die Burg und die Stadtmauer im mittleren 13. Jh. entstanden sein; die Fußgängerpforte ist ein sehr früher Fall.
Abb. 366 Nabburg, das „Mähntor“ war ursprünglich ein Mauertor, das hinter einer kurzen Torgasse lag – eine seltene Form, wohl in der 2. Hälfte des 13. Jh. entstanden. In einer zweiten Phase wurde die Torgasse mit einem Torturm überbaut, zuletzt ein Vortor vorgesetzt.
forum 1210), scheiterte König Otakar schon 1266 an der „hohen und starken Mauer“; von der über 7 m hohen Granitbruchsteinmauer, die wohl erst später Türme erhielt, sind lange, verbaute Reste erhalten. Ähnlich alt mag die Mauer von Nabburg sein, das sich auf dem Bergsporn der frühen „Landesburg“ entwickelte und 1296 Stadtrecht erhielt. Die bis zu 1,50 m dicke, anfangs wohl turmlose Hauptmauer aus Granitbruchstein ist zwar auch verbaut und undatierbar, aber die Urform der erst im 16. Jahrhundert mit Türmen versehenen Tore ist ungewöhnlich; wahrscheinlich wurden hier die Tore des älteren Walles in Stein umgesetzt. Das rundbogige „Obertor“ mit nachromanischem Kämpfergesims lag in einem Mauerversprung und ist an den Ecken, dem Bogen und Nischenbogen mit Buckelquadern versehen; das spitzbogige „Mähntor“, bei dem sich die Buckelquader auf den Nischenbogen beschränken, lag sogar hinter einer kurzen Torgasse (Abb.
366). Weitere Mauern des 13. Jahrhunderts kann man vielleicht in dem kräftig wachsenden Amberg, in Schwandorf (Amberger Stadtrechte 1299) und im gräflichen Sulzbach vermuten, ohne dass aber die geringen Reste noch aussagekräftig wären. Die aufwendigste Ummauerung der Oberpfalz war die 1284 begonnene Mauer von Regensburg, die unter Einbezug zweier Vorstädte eine Gesamtlänge von fast 5 km erreichte. Noch älter mag das „Prebrunner Tor“ an der Donau sein, dessen Turm romanische Merkmale zeigt, aber die Mehrheit der erhaltenen rechteckigen Tore und Türme zeigt aufwendige gotische Formen; um diese Zeit kam, nach einem Brand 1273, auch der Bau des Domes als „erster gotischer Bau Bayerns“ in Gang. Chronikalisch wurden die antemuralia 1284 begonnen; den Fortgang belegen unter anderem Bauinschriften von 1293, 1314 und 1320, von denen nur die letzte, an ei11. Oberpfalz
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nem Turm der Donaufront, noch in situ ist. Der Beginn der donauseitigen Mauer 1320 – gewiss der Abschluss des Ganzen – war Gegenstand eines Ratsbeschlusses, der auch die Mauergassenbreite festlegte. Weitere Inschriften zwischen 1330 und 1400 beziehen sich auf die „avzer mauer im graben“, was die lokale Forschung auf den Zwinger bezieht; es könnte aber auch die teils erhaltene Contrescarpe gemeint sein. Neben dem „Emmeramstor“ ist vor allem das „Ostentor“ erhalten, mit seinen achteckigen Vortürmchen, dem Rippengewölbe der Torfahrt, dem Kruzifix und den Maßwerkfenstern zur Stadt eines der gelungensten deutschen Tore (Abb. 120, 152). Seine Scharten zeigen eine Form, die mit Variationen Abb. 367 Amberg, der Turm des „Vilstores“ (Mitte/2. Hälfte des 14. Jh.) besitzt an der Stadtseite im ersten Obergeschoss ein gotisches Doppelfenster.
96 Topographischer Teil
an allen erhaltenen Türmen dieser Phase auftritt: hohe Schlitze mit hufeisenförmigem Fuß. Die „Steinerne Brücke“ über die Donau, die älteste nachrömische Steinbrücke Deutschlands (wohl 1135–46), war mit drei Tortürmen gesichert, von denen der gotische im Norden (Mitte 13. Jahrhundert?) 1429 durch einen Zwinger mit Eckrondellen verstärkt wurde (Abb. 196). Der mittlere Turm, auf dem 13. Pfeiler, war vielleicht bald nach 1200 entstanden, denn zwei seiner Skulpturen sind so zu datieren, darunter eine Sitzfigur Philipps von Schwaben, der Regensburg 1207 privilegierte. Nachbildungen befinden sich heute am allein erhaltenen Südturm, dessen Tor gegen die Stadt verriegelbar war und so die schon 1182 erteilte, eigenständige „Freiheit“ der Brücke spiegelt; sie verfügte auch über Wappen und Siegel. Im 14. Jahrhundert entstanden in der Oberpfalz zahlreiche Mauern um meist sehr kleine Städte; nur im Westen wurden Neumarkt, Amberg und Sulzbach zu beachtlicher Größe erweitert. Mauern des 14. Jahrhunderts (1320–1430) Von der 1315 erwähnten Neumarkter Mauer stehen nur noch zwei Rundtürme (zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts?) und in Sulzbach sind noch Reste mit außen fluchtenden(!) Rechteckschalen erhalten (1. Hälfte des 14. Jahrhunderts?). Lediglich die Amberger Mauer, die 1326 begonnen wurde, ist noch weitgehend erhalten; aus diesem Jahr stammt eine Zollgewährung pro reformatione civitatis, und auch das „Georgentor“ trug dieses Datum. Offenbar wurde zuerst der Stadtteil westlich der Vils mit der Pfarrkirche ummauert. Die Türme in diesem Teil sind kleine, quadratische Schalentürme, deren Erdgeschoss geschlossen war; der einzig erhaltene Torturm des „Vilstores“ zeigt stadtseitig Maßwerkfenster, vielleicht nach Regensburger Vorbild (Abb. 367). Östlich der Vils zog sich der Neubau offenbar bis ins 15. Jahrhundert, denn erst 1435, in der Hussitenzeit, ist die Rede vom Bau zwischen „Ziegel-“ und „Nabburger Tor“; wohl unter dem Eindruck der Hussitenzüge entstanden hier gleichzeitig(?) die Hauptmauer mit halbrunden und runden Türmen (Abb. 7) sowie der turmlose Zwinger. Das „Ziegeltor“ war ein Torturm, eng flankiert von zwei Mauertürmen, die Schlitzscharten mit steigbügelförmigem Fuß zeigen; die Turmgruppe
Abb. 368 Amberg, das „Nabburger Tor“ ist eines der in Deutschland eher seltenen Doppelturmtore, vor 1382 erbaut und nach 1576 um die Obergeschosse der Türme und des Zwischenbaues ergänzt.
wirkt wie eine späte Variation des Regensburger „Ostentores“. Das „Nabburger Tor“ ist ein (verändertes) Doppelturmtor, wie sie ab dem mittleren 15. Jahrhundert wieder gelegentlich gebaut wurden, hier aber mit auffällig schlanken Türmen (Abb. 368). Was die Mauergassen betrifft, ist die Oberpfalz ein Mischgebiet. Zwar gibt es auch hier, spätestens seit den Regensburger Vorstädten, gerade unter den größeren Städten solche mit durchlaufender, teils durch Sekundärbebauung eingeengter Gasse (Amberg, Neumarkt, Weiden), und ähnlich unter den späten Kleinstädten (Auerbach, Berching, Dietfurt, Hirschau); im süddeutschen Raum als normal müssen aber die weit zahlreicheren Kleinstädte ohne jede Gasse
gelten. Auffällig ist jedoch die beachtliche Anzahl der unentschiedenen Fälle, bei denen nur ein mehr oder minder langer Mauerteil, ohne eindeutige Regel, von einer Mauergasse begleitet wird (Eschenbach, Freystadt, Grafenwöhr, Hemau, Kemnath, Nabburg, Neumarkt, Nittenau, Oberviechtach, Pleystein, Roding, Schwandorf, Sulzbach). Die Kleinstadtmauern des 14. Jahrhunderts – genauer: der Phase von den 1320er Jahren bis zum Hussitenzug 1430 – bieten aus mehrfachem Grunde nur begrenzte Erkenntnismöglichkeiten. Sie trugen ohnehin den Stempel knapper Mittel, wurden später meist in die Bebauung integriert und dann im 19. Jahrhundert und oft weit bis ins 20. Jahrhundert abgebrochen. Die Problematik der Finanzierung zeigt sich besonders deutlich in Städten, die bis ins 15. Jahrhundert Holzumwehrungen besaßen (Dietfurt), deren Ummauerung unvollendet blieb (Tirschenreuth) oder die gar nicht ummauert wurden (Furth im Wald; Neustadt an der Waldnaab, „Freiung“, 1358). Die Tore und Türme blieben meist klein; manchmal sind überhaupt keine Mauertürme nachweisbar (zum Beispiel Eschenbach, Neustadt an der Waldnaab, Laaber). Ein einfaches, aber effektives Mittel der Befestigung war die Anlage von Stauteichen, die bei einer Lage am Zusammenfluss zweier Bäche nur eine Angriffsseite übrig ließen (Hirschau, Tirschenreuth, Grafenwöhr, Neunburg vorm Wald).
Abb. 369 Vilseck, das um 1375 entstandene Obertor („Voglturm“) von der Stadtseite. 11. Oberpfalz
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Aus dieser Phase sind aber einige meist umgebaute Tortürme erhalten. Die beiden in Berching werden für romanisch gehalten, wohl wegen der Rundbogentore und einer Art „Zahnschnitt“; bei der Erwähnung als „oppidum“ 1314 mögen sie existiert haben. Ins späte 14. Jahrhundert gehören die beiden Türme im bambergischen Vilseck, von denen einer das Wappen des Bischofs Lamprecht von Brunn (1374–87) trägt; mit ihren Wappen, Gesimsen und teils originalen Rechteckfenstern sind sie die stattlichsten der Region (Abb. 369). Verschwunden ist der niedrige Turm in Neustadt am Kulm (nach 1370), der Buckelquader mit Zangenlöchern zeigte; jener in Laaber (vor 1393) wurde leider nach 1900 stark verändert. Die beiden Türme in Freystadt (Stadt schon 1305), teils mit Buckelquadern und unterschiedlichen Fallgatterführungen, und das Weidener „Untertor“ werden auch ins spätere 14. Jahrhundert gehören. Die Mauertürme waren bis ins mittlere 14. Jahrhundert wohl stets quadratisch oder rechteckig, in der Regel als Volltürme, wobei diese Form noch im 15. Jahrhundert auftritt. In die Phase 1320–40 gehören jedenfalls der Tirschenreuther „Klettnerturm“ und mehrere Türme in Neunburg vorm Wald. Die in Cham und Nabburg wohl sekundär ergänzten, teils verschoben viereckigen Türme mögen noch älter sein; der „Straubinger Turm“ in Cham war nach einem spitzbogigen Doppelfenster sogar bewohnbar. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts scheinen dann, soweit die oft unsicheren Datierungen es erkennen lassen, runde Türme aufgekommen zu sein, zumeist als Reihung halbrunder Schalen – vielleicht ein ingolstädtischer Einfluss (vgl. Kapitel 10. Ober- und Niederbayern). Die Halbrundtürme in Bärnau (1343/51), Hirschau (1353 munitio) und Roding (nach 1364) sind zerstört oder schlecht erhalten, aber in Vilseck ist eine von ehemals fünf Schalen noch erhalten (um/ nach 1370/80?). Nach 1370 entstanden die Halbrundtürme in Neustadt am Kulm, 1402 ist die Mauer von Kemnath erwähnt, die mindestens vier Rundtürme besaß. Undatierbar sind die Reste in Auerbach (Rund- und Rechteckturm), Freystadt (Halbrundturm) und Tirschenreuth (verschwundene Halbrundtürme). Auf die wortbrüchige Hinrichtung des Reformators Johannes Hus in Konstanz (1415) reagier98 Topographischer Teil
ten seine zahlreichen Anhänger in Böhmen mit militärischer Selbstorganisation. Bald lagen die „Hussiten“ mit den „katholischen“ Kräften im Dauerkonflikt; ihre Züge berührten um 1420–30 auch den oberpfälzisch-fränkischen Raum. Die BefestigungsHussitenzeit und Entwicklung im architektur der Hussiten ist in 15. Jahrhundert Tschechien durchaus erforscht; insbesondere die Ummauerung der von ihnen erneuerten und umbenannten Stadt Tábor hat Interesse gefunden, weil die Form ihres Zwingers und ihrer Barbakanen höchst innovativ war. Diese Erkenntnisse sind außerhalb Tschechiens aber wenig bekannt, und auch ihre Vorbildwirkung in Deutschland ist bisher nicht untersucht (vgl. Band 1, Kapitel 2.2.11.4.). Im oberpfälzischen Raum, der Böhmen am nächsten lag, scheint die Hussitengefahr vor allem den Bau von Zwingern mit Streichwehren ausgelöst zu haben, wobei besonders auffällt, dass diese nicht nur um reiche und strategisch wichtige Städte gelegt wurden, wie es im 15./16. Jahrhundert in weiten Teilen Deutschlands üblich wurde, sondern auch um viele Kleinstädte, die sich das anderswo nicht leisten konnten. Aber auch die Neuummauerung von Kleinstädten setzte sich bis Ende des 15. Jahrhunderts fort, allerdings mit deutlich abnehmender Häufigkeit. Unter den Zwingern sind jene der strategisch wichtigen Städte Nabburg und Cham hervorzuheben. Um das 1420 zerstörte Nabburg entstand ab 1426, finanziert durch ein sechsjähriges Ungeld, ein Zwinger mit runden Streichwehren und Torzwinger am „Mähntor“. Von dem inschriftlich 1430 vollendeten Zwinger in Cham, ehemals mit 23 Rundtürmen, sind nur drei und das doppeltürmige „Biertor“ erhalten. In Amberg schließlich wurde 1435 auch am östlichen Zwinger gebaut, der ohne Streichwehren auskam, während es im Westteil zahlreiche rechteckige Streichwehren gab – beides in der Oberpfalz ungewöhnlich. In dieselbe Epoche wird schließlich auch der Regensburger Zwinger gehören, der gemeinhin allerdings mit der in spoliierten Inschriften (1330, 1383) erwähnten „avzer mauer im graben“ identifiziert wird; dies meinte aber eher die äußere Stützmauer des Grabens, die 1353 und 1400 abgerechnet wird. Die polygonalen Streichwehren mit Schlüssel- und Maulscharten und die
runden Doppeltürme vor den Toren sind aber erst im 15. Jahrhundert denkbar. Bei den Zwingern der Kleinstädte, die auch in die Jahrzehnte um und nach 1420/30 gehören dürften, herrschte ebenfalls die runde, meist dicht gereihte Streichwehr vor (Neumarkt, Sulzbach, Weiden, Kemnath, Grafenwöhr, Neunburg, Auerbach). Rechteckstreichwehren waren dagegen selten (Amberg, Vilseck, in Neumarkt neben runden) wie auch andere Varianten (Sulzbach: mehrgeschossiger Halbrundturm, Fünfeckstreichwehr). Schießscharten sind nur ausnahmsweise erhalten; am häufigsten waren wohl rechteckige ohne Werksteingewände, aber auch rechteckige Maulscharten und Schlüsselscharten mit kreuzförmigem Schlitz kamen vor (Kemnath, Sulzbach). Unter den wenigen und oft schlecht erhaltenen Neuummauerungen des 15. Jahrhunderts, durchweg von sehr kleinen Städten, findet man interessanterweise zwei unterschiedliche Modelle. Einerseits gibt es Mauern mit kleinen Rondellen, entsprechend den Streichwehren der Zwinger (Grafenwöhr, Velburg, Rötz, Nittenau); mehr ist von der erst 1554 erwähnten Mauer von Bruck erhalten, mit ehemals sieben oder mehr Halbrundschalen, die zwei Reihen grober Schlitzscharten und Zinnen zeigen. Andererseits entstanden in den Jahren um 1440 bis 1500 auch Mauern, die sich den „hussitischen“ Anregungen entzogen und zu hoch aufragenden, quadratischen Türmen zurückkehrten.
Abb. 370 Berching gehört zu den wenigen Städten in Deutschland, die noch über eine praktisch lückenlose Stadtbefestigung verfügen; die Mauer entstand aber erst sehr spät, 1474–96.
1444 forderte Herzog Albrecht, in Dietfurt „swipogen“ (Schwibbögen, Tore) zu bauen, darüber „ärker“, innen gestützt auf „hultze seuln“, mit einem „guten zaun“ vervollständigt. Ausgeführt wurde jedoch eine Mauer mit Mauergasse, zwei Tortürmen und fünf Türmen mit Treppengiebeln; ähnlich sah die Marktbefestigung von Burglengenfeld aus, die 1462 im Bau war. Schließlich stellt die nach ihren Wappensteinen vom Eichstätter Bischof Wilhelm von Reichenau (1464–96) erbaute Mauer von Berching – eine der besterhaltenen in Deutschland – eine Kompromissformel dar (Abb. 370). An den Ecken findet man hohe, nicht flankierende Türme – drei quadratisch, einer rund –, dazwischen aber voll vorspringende, niedrigere Streichwehren bzw. Schalentürme mit Schlitz- und Maulscharten. Nach 1500 gab es in der Oberpfalz wohl keine Ummauerungen mehr, wenn man von dem Tor im sonst nur grabengeschützten Markt Hahnbach und den Vorstädten in Vilseck und Berching absieht; im letzteren Falle sieht man noch rechteckige Flankentürme, Scharten in Stehhöhe und originale Torflügel mit spitzbogiger Schlupfpforte und Dreieckscharten. Anspruchsvoller sind die Torneubauten in Nabburg und Amberg. In NabVorstädte und Tore im 16. Jahrhundert burg setzte man Türme auf die durch Torgasse bzw. Rücksprung gesicherten Haupttore, beim „Mähntor“ („1532“; Abb. 366) noch ganz schlicht, beim „Obertor“ („1565“) mit oktogonalem Oberbau und ornamental gestalteten Klauensteinen für das Fallgatter. In Amberg wurden die Haupttore in anspruchsvoller Rustika neu gestaltet. Meist betraf das nur die Vortore („Vilstor“ 1564 mit Vortor von 1574; „Ziegeltor“ 1581; „Wingershofer Tor“; Abb. 138), mit denen man das einfachere Vortor in Vilseck („1568“) vergleichen mag. Im Falle des „Ziegeltores“ wurde auch der Oberteil des Torturmes 1581 in Rustika erneuert, mit zwei Achsen Rechteckscharten symmetrisch zu den Wappen der Mittelachse; beim „Wingershofer Tor“ (1579/80), bei dem ein Turm zuvor fehlte, entstand dieser auf der Front des neuen Vortores. Auch die wahrzeichenhafte „Stadtbrille“, der zweibogige Auslass der Vils, ist im Wesentlichen ein Bau des 16. Jahrhunderts.
11. Oberpfalz
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12. Mittel- und Oberfranken Mittelfranken und das südliche Oberfranken sind fruchtbare Agrarregionen, die allerdings nicht mit dem klimatisch begünstigten Unterfranken vergleichbar sind; im Osten und Norden reichen sie auf die siedlungsarmen Höhen der Frankenalb und des Fichtelgebirges hinauf. Der Sandstein prägt die qualitätvolle Architektur im größten Teil des Landes, das politisch vielfältig gegliedert war. Neben Bamberg, dem kleineren Pendant zum Bistum Würzburg, standen die großen Territorien der fränkischen Hohenzollern, die mächtige Reichsstadt Nürnberg und etliche weitere Reichsstädte, adlige und geistliche Herrschaften.
Abb. 371 Rothenburg ob der Tauber, der untere Teil des „Weißen Turms“ – des älteren, inneren „Rödertors“ – geht nach der Form des Gewändes und den Buckelquadern bis in die Zeit um oder bald nach 1200 zurück. Damit ist er älter als die erst ab etwa 1260 entstehende innere Stadtmauer.
100 Topographischer Teil
Im 10./11. Jahrhundert – in Würzburg und Hammelburg schon Anfang des 8. Jahrhunderts – wurden in Franken (wie in der Oberpfalz) große Befestigungen, stets in Spornlage, als castrum, castellum, urbs oder civitas erwähnt, zu denen Fiskalbezirke Mauern des 13. Jahrhunderts (Kleingaue, Marken) gehörten und die W. Emmerich daher als „Landesburgen“ bezeichnet hat. Sie wurden von einem comes civitatis verwaltet; bei oder in ihnen standen auch Pfarrkirchen, und es gab stets einen Burgflecken, bei Lage an einer Fernstraße auch Kaufmannssiedlungen. Dies waren also noch keine Städte im späteren Sinne, aber aus den Siedlungen bei den „Landesburgen“ gingen meist Städte hervor (Bamberg, Burgkunstadt, Cham/Oberpfalz, Hammelburg, Würzburg), darunter auch solche, die in der großen Burg selbst entstanden (Creußen, Kronach, Nabburg). Zu diesen Fällen mögen auch Hollfeld und Hilpoltstein gehören, aufgrund der Lage und früher Kirchen im ersten Fall, nach archäologischer Feststellung eines Grabens (frühes 12. Jahrhundert) im anderen. Im späten 12. Jahrhundert tritt in Franken der Begriff burgus für Siedlungen auf, die später Städte werden (zum Beispiel Coburg, Dinkelsbühl, Eichstätt, Rothenburg, Weißenburg); er meinte offenbar schon eine stadtähnliche, das heißt größere, marktbezogene und wohl auch befestigte Siedlung bei einem Königs- oder Herrenhof. Im 12. Jahrhundert und um 1200 entstehen im östlichen Franken jedenfalls die ersten Städte im engeren Sinne; im Flachland seien die „Sebalder“ und „Lorenzer Stadt“ in Nürnberg genannt, im Gebirge Hof. Kein eindeutiger Befund weist aber bisher auf Mauern vor dem mittleren 13. Jahrhundert, und selbst einfachere Befestigungen sind schwer zu belegen. Eine Befestigung der Burgsiedlung Nürnberg schon Mitte des 12. Jahrhunderts(?) ist aus historischen Gründen wahrscheinlich, ihr Verlauf aber bisher nur hypothetisch. In Weißenburg wurde jüngst ein Wall mit sekundär aufgesetzter Mauer ergraben; der Wall mag in die Zeit des burgus zurückgehen, die Mauer aber – angesichts der Erstnennung als ci-
vitas 1241 – kaum vor die Mitte/zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ähnliche Befunde gibt es in Lichtenfels (Wall um 1200, Palisade 1231 erweitert), in Altenstadt bei Bayreuth (frühes 13. Jahrhundert) – wo der Ausbau mit Mauer ausblieb – und in Hilpoltstein (vor 1230?). Die nach heutiger Kenntnis also wohl frühesten Mauern Mittelfrankens, jene der Reichsstädte Rothenburg ob der Tauber und Nürnberg, entstanden eher nach als um 1250. Die erste Mauer von Rothenburg ist archäologisch erst in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert; ein ergrabener dünnwandiger Rechteckturm ist eher als Abortanlage anzusprechen. Zwei Tore in Rothenburg dürften aber früher entstanden sein. Deutlich ist dies beim spätromanischen „Weißen Turm“, einem Torturm mit profilierten Rundbogentoren, feldseitigen Buckelquadern im Erdgeschoss und einer Konsolsturztür ins erste Obergeschoss (Abb. 371). Sein oberer Teil zeigt nur noch Eckbuckelquader, und diese kehren am fraglos etwas jüngeren „Markusturm“ wieder (Abb. 146), der neben dem inneren „Rödertor“ stand, bergfriedartig frei hinter der Mauer und mit hoch gelegenem Einstieg – ein seltener Fall im Stadtmauerbau. Die aus einem Burgflecken entstandene „Sebalder Stadt“ in Nürnberg – der Rat ist 1240 erwähnt, 1256 dann die universitas civium – besaß, nach Resten im Osten und Grabungsbefunden im Süden, eine Buckelquadermauer mit steilem Schrägsockel. Von den Toren steht nur noch der „Laufer Schlagturm“, ein
Abb. 372 Nürnberg, der „Laufer Schlagturm“, das östliche Tor der inneren Mauer der „Sebalderstadt“, stammt wohl noch aus dem mittleren 13. Jh. und wurde „1508“ modernisiert.
Schalenturm in Buckelquadern, der aber stark verändert ist (wohl „1508“; Abb. 372). Die originale Rundbogenblende mit Rundstab, einer spätgotisch veränderten Biforie im ersten Obergeschoss belegt auch hier noch spätromanische Formen. Es gab ferner quadratische Mauertürme, vor allem an den flussnahen Ecken; der „Wasserturm“, ein recht veränderter wuchtiger Bau in Buckelquadern, ist als Einziger erhalten. Auch Pappenheim und Dinkelsbühl – beides Orte mit enger Beziehung zum Reich – besitzen noch Mauerteile des 13. Jahrhunderts. Im Turm des Pappenheimer „Obertores“ steckt ein noch romanisches Rundbogentor mit originellen Kämp-
Abb. 373 Dinkelsbühl (Mittelfranken), die Buckelquadermauer des älteren, inneren Berings blieb nur an der Wörnitzseite teilweise erhalten (spätes 13. Jh.?). 12. Mittel- und Oberfranken
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fern, und die von der Burg zur Altmühl führende Mauer („Kanonenweg“) zeigt romanisches Kleinquaderwerk; tatsächlich sind unter der 1214/19 erwähnten Burg schon 1210 cives belegt, obwohl das Stadtrecht erst 1288 verliehen wurde. Vielleicht beschränkte man sich im frühen 13. Jahrhundert noch auf Sperrmauern von der Burg zum Fluss; die übrige Mauer dürfte erst ins 14. Jahrhundert gehören. Das schon 1188 als staufischer burgus erwähnte Dinkelsbühl besaß eine beidseitig mit wenig qualitätvollen Buckelquadern versehene Mauer, die nur flussseitig erhalten blieb. Der zugehörige Turm des „Wörnitztores“ zeigt in den beiden unteren Geschossen gute Buckelquader mit Zangenlöchern und gestufte Spitzbogentore mit Kämpfern; die Fallgatterschlitze mögen original sein (Abb. 373). Über der Torfahrt war der Turm als Schale geöffnet, wobei das zweite und dritte Obergeschoss Glattquader zeigen; die Spitzbogenpforte ins erste Obergeschoss ist gefast mit dreieckigem Anlauf, wie die Tore. Der Turm gehört wohl erst ins späte 13. Jahrhundert, und man kann nicht ausschließen, dass Baunachrichten zwischen 1306 und 1325 noch die Vollendung dieser ersten Mauer meinen. In Bamberg entstand vor 1265 (Spital extra muros) eine Mauer um die kleine „Inselstadt“; erhalten ist nur ein quadratischer Turm, dessen Buckelquader und Rundbogenpforte in diese Zeit weisen. Ab 1291 folgte allerdings eine lange Kette bischöflicher Verbote einer weiteren Befestigung; nur die Hussitengefahr bewirkte 1431 ein kurzes Einlenken. Dennoch wurden die bisher wenig befestigten Vorstädte im 15. Jahrhundert ummauert, was der Bischof 1497 teilweise akzeptierte. Hartmann Schedel zeigt 1493 noch teilweise Bretterzäune mit hölzernen Streichwehren (Abb. 21), aber im Endzustand gab es eine Reihung rechteckiger, nur in einem Fall erhaltener Streichwehren. Äußerungen von 1525/26, Bamberg sei ein „offener Fleck“, mögen daher rühren, dass die Stadtteile unter der Domburg noch im späten 16. Jahrhundert nur Tortürme und Mauerstücke, aber keinen geschlossenen Mauerring besaßen. Allerdings ist hier eine valva (Klappe, Tor) schon vor 1170 belegbar, die Bauzeit der belegbaren steinernen Teile dürfte um 1300 gelegen haben. Mit diesen fünf Städten – und Hof, dessen fast verschwundene, in Lehm gesetzte Mauer archäo102 Topographischer Teil
logisch datiert ist – sind die sicheren Mauern des 13. Jahrhunderts im östlichen Franken aufgezählt, denn weitere in der Literatur genannte Fälle sind ganz unsicher. Gegen 1230 soll die Buckelquadermauer von Hilpoltstein entstanden sein, nach 1280 die verschwundene erste Mauer von Windsheim. Dass sie auch weit jünger gewesen sein können, belegt etwa Feuchtwangen – obwohl schon im Steuerverzeichnis 1241 als Stadt belegt, stammt seine wohlerhaltene Mauer erst aus dem späten 14. Jahrhundert. Belege für Holzbefestigungen gibt es im östlichen Franken bis ins 14./15. Jahrhundert (Kupferberg, „Plancken“ 1327; Hersbruck, Mauer wohl erst nach 1400). Die große Zeit der Mauern Mauern des frühen umfasst im östlichen Franken 14. Jahrhunderts das 14. und 15. Jahrhundert. Zu den frühesten Anlagen dieser Phase gehört die erste Erweiterung von Nürnberg, deren Beginn für 1305 belegt ist. Es muss sich dabei – in der Forschung umstritten – um die „Lorenzerstadt“ handeln, die als Anlage eventuell ins 12. Jahrhundert zurückgeht, aber nun erst, anschließend an die Mauer der „Sebalderstadt“, ummauert wurde; die Reste ihrer Mauer haben steilen Anzug wie jene, darüber Buckeloder Glattquader. Der „Weiße Turm“, das Südwesttor, zeigt in der Durchfahrt ungewöhnliche Kleeblattbogenblenden, ist aber sonst stark umgebaut; sein (nach 1945 erneuerter) Torzwinger mit Rundtürmchen muss noch in die Zeit vor 1346 (Beginn der äußeren Mauer) gehören; ein umlaufender Zwinger vor der Südseite der „Lorenzerstadt“ wurde 1988 festgestellt. Weitere Türme sicherten die Durchlässe der Pegnitz, im Osten drei quadratische in Buckelquadern, von denen der besterhaltene („Männereisen“) Schlitzscharten und die inschriftliche Datierung „1323“ zeigt, während im Westen schon ein kleiner Halbrundturm auftritt („Henkersteg“, nach 1945 erneuert). Um 1300 gibt es erste Indizien, dass auch kleinere, nicht dem Reich gehörende Städte befestigt wurden; allerdings können die spärlichen Mauerreste meist auch jüngere Nachfolger von HolzErde-Anlagen sein, und auch die Verbreitung von Kirchenburgen mag erklären, warum man oft erst im Lauf des 14. Jahrhunderts zum Mauerbau schritt. Abenberg etwa wurde nach der Eichstätter Bischofschronik von Konrad von Pfeffen-
hausen (1297–1305) befestigt, aber, ob die großenteils erhaltene Mauer aus glatten Sandsteinquadern wirklich so alt ist, scheint offen; die kleinen Tortürme mit Spitzbogentoren und Fallgattern könnten auch weit jünger sein, die beiden erhaltenen (ehemals vier) quadratischen Türme gehören erst ins 15. Jahrhundert. In Spalt (1294 oppidum, was auch das befestigte Stift meinen könnte) ist eine später erhöhte, glattquadrige Mauer erhalten, mit Resten eines niedrigen Torbaues mit vorkragender Wehrplatte. Die für Kronach 1323/33 erwähnte Mauer ist in Neubauten des 15. Jahrhunderts verschwunden, jene von Pottenstein (Stadt 1323/27) in ihrer Bescheidenheit undatierbar. In Burgkunstadt (Stadt 1325) und Wunsiedel (Stadtrecht 1328) sind die Bestände nur noch minimal. Erst aus den 1330er Jahren gibt es eindeutige Baureste. In Uffenheim, zwischen 1333 und 1347 von den Hohenlohe befestigt, sind neben dem Großteil der Kalksteinmauer zwei Tortürme mit Eckbuckelquadern sowie ein hoher Rundturm an der höchsten Stelle und ein runder Erkerturm erhalten; die Bruchsteinmauer von WolframsEschenbach wurde wohl um 1332–60 begonnen. Die 1340/44 erbaute, anfangs wohl turmlose Mauer des schon 1289 als Stadt erscheinenden, aber 1315 entfestigten Herrieden verwendet offenbar die Buckelquader einer abgebrochenen Burg; der erhaltene Torturm dürfte nach seinen Wappen noch anderthalb Jahrhunderte jünger sein. Auch die Mauer von Weismain (oppidum 1323) zeigt Buckelquader; ihr spitzbogiges Mauertor wird von einem quadratischen Turm flankiert. Eindrucksvoller, weil – zum ersten Mal nach Nürnberg – turmreich, zeigt sich die Sandsteinquadermauer des bambergischen Seßlach; auf das Stadtrecht 1335 folgte hier 1365 eine weitere Rechtsverleihung, als Anerkennung für den abgeschlossenen Mauerbau. Die technisch einheitliche Mauer besitzt noch zwei Tortürme mit Eckbuckelquadern, fünf Rundtürme und zwei rechteckige Schalen, ferner drei flankierende Versprünge der Mauer. Vergleichbar ist die Mauer von Kulmbach, wo Bauzeit (vor 1340?) und -abfolge allerdings unklar sind; sowohl der (ältere?) Südteil der Mauer in Buckelquadern als auch der Abschluss gegen die Plassenburg in Bruchstein (15. Jahrhundert?) besitzen quadratische Türme.
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstehen die Mauern zahlreicher kleiner Städte, insbesondere aber jene drei Mauern, die nach Ausdehnung, Gestalt und Erhaltung die wichtigsten Frankens sind: die äußeren Ringe von Rothenburg ob der Tauber und von Nürnberg – also der Städte, die sich schon mit ihren ersten Äußere Mauern in Rothenburg, Nürnberg, Mauern als führend erDinkelsbühl, zweite Hälfte wiesen hatten – sowie des 14. Jahrhunderts die etwas jüngere und bescheidenere von Dinkelsbühl. Abb. 374 Rothenburg ob der Tauber, das „Sieberstor“ als südliches, wohl ältestes Tor des äußeren Mauerringes entstand wohl in der Mitte des 14. Jh.
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Die zweite Rothenburger Mauer – trotz Schäden 1945 wohl die besterhaltene Deutschlands – wurde nach heutigem Kenntnisstand wohl schon vor 1315 begonnen, als äußere Mauer und Graben erwähnt sind; jedoch geht man zurzeit davon aus, dass auch hier Holz-Erde-Befestigungen erst allmählich durch Stein ersetzt wurden. Die Abb. 375 Nürnberg, die meisten Türme der äußeren Mauer (1346–1407) besaßen feldseitig zwei Eckwarten, wie wir vor allem aus der Darstellung Hartmann Schedels wissen (vgl. Abb. 176); nach der Kappung der Türme wohl im 16. Jh. ist dies nur noch ausnahmsweise erhalten.
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Erhebung von Ungeld ist ab 1327 bis in die 1370er Jahre belegt, die Ersterwähnungen fast aller Tore und Türme liegen um 1370–1410, also erst in der Regierungszeit des ambitionierten Bürgermeisters Heinrich Toppler (1373–1408). Der dritte Ring um das Spital (1376 infra civitatem) entstand offenbar schon zeitparallel mit dem Abschluss des zweiten; und selbst eine vierte Erweiterung im Norden und Osten – durch sie wäre die größte Stadt Frankens entstanden – wird durch zwei von Toppler im Vorfeld begonnene Turmreste angedeutet. Die Mauer selbst ist aus Bruchstein, die Abstützung des Wehrganges vielfach variiert (Abb. 45). Die schalenturmförmigen Tore des zweiten Ringes deuten eine Bauabfolge Süden – Osten – Norden – Westen an: Das südliche „Sieberstor“ (Abb. 374) ist querrechteckig in unregelmäßigen Buckelquadern und noch ohne die später verbindliche Wappengruppe, „Röder-“ und „Würzburger Tor“ sind dagegen quadratisch, höher und zeigen einheitliches Buckelquaderwerk. Die Letzteren und überhaupt die meisten Türme der Ostseite (Abb. 53, 60) wurden erst sekundär in die abschnittsweise erbaute Mauer eingebunden. Das nördliche „Klingentor“ (Abb. 98) und wohl auch die weniger gefährdeten Westtore („Kobolzeller“ und „Burgtor“) belegen ihre späte Bauzeit (um 1400) durch den Übergang zu geglättetem Bruchstein mit und ohne Eckbuckelquader („Burgtor“). Die Türme im Süden und Osten der Mauer sind quadratisch und rund – unter letzteren ist vor allem der überragende „Faulturm“ in Buckelquadern zu nennen (Abb. 53) –, während im Norden halbrunde Schalen auftreten. Der Zwinger um den zweiten Ring ist aus Quellen nicht datierbar; seine Streichwehren stammen erst aus dem 15. Jahrhundert (Abb. 175). Er ist aber älter als die Mauer der Spitalvorstadt, in der er durchläuft; demnach gehört er spätestens ins mittlere 14. Jahrhundert, mag also von Anfang an geplant worden sein. Auch um die Spitalvorstadt wurde der Zwinger herumgeführt; ihre Tor- und Mauertürme unterscheiden sich im Westen wenig von denen des zweiten Ringes; immerhin gibt es eine Halbrundschale wie an dessen Nordfront („Kalkturm“). Im Osten tritt mit dem „Großen“ und „Kleinen Stern“ ein neuer Erkerturmtypus auf, der auch dem zweiten Ring im Nordwesten einmal sekun-
där hinzugefügt wurde: Der Rundturm balanciert auf kreuzförmigem, aus der Mauer und zwei Strebepfeilern gebildetem Fuß (Abb. 76). Wohl erst um 1410–15 markiert diese Turmform das sparsame Ende der aufwendigen Rothenburger Planungen, ebenso wie das billigere Mauerwerk der Tortürme und das Scheitern der großen topplerschen Erweiterung. Die etwa 1346–1407 entstandene, über 5 km lange äußere Mauer von Nürnberg unterscheidet sich durch ihre einheitlichen und qualitätvolleren Formen grundlegend von Rothenburg. Die auch hier von einer Gasse begleitete Hauptmauer besitzt rundbogige Wehrgangbögen und einen beidseitig schräg vorgekragten Wehrgang; sie ist fast überall mit Buckelquadern verkleidet, wie auch die etwa alle 50 m voll vorspringenden Rechtecktürme, die Schalen-, gelegentlich aber auch Volltürme waren. Sie zeigen Schlitzscharten, auch seitlich, vor allem aber frontal in zwei oder drei Achsen (Abb. 176, 180, 212). Die meisten Türme wurden im 16. Jahrhundert gekappt, aber einige zeigen noch Erker im Dachbereich (Abb. 375); nach Hartmann Schedel (1493) sei es jeder zweite gewesen. Nur ein Turm, im Nordwesten, ist außen polygonal, zwei, östlich vom Spittlertor, sind halbrund; da die südliche Mauer zuletzt (1385–1406) errichtet wurde und nur hier in voller Höhe Bruchstein sowie an der Brustwehr oft Backstein zeigt, dürften diese Türme die jüngsten der Mauer sein. Die vier Tortürme wurden im 16. Jahrhundert durch den Umbau zu starken Rundtürmen unkenntlich. Unklar ist die Entstehungszeit des Nürnberger Zwingers, dessen besterhaltene Teile noch die Brustwehr und rechteckige Streichwehren mit einfachen Schlitzscharten zeigen (Abb. 29, 176, 180). Auch die Buckelquader betonen die formale Nähe zur Hauptmauer, sodass man einen Baubeginn des Zwingers noch im 14. Jahrhundert annehmen darf; die Arbeiten am Graben 1427–52 mögen den Abschluss bezeichnen. Im Laufe des 15. Jahrhunderts sind nur noch einzelne Verstärkungen der Gesamtanlage erkennbar, etwa der „Schlayerturm“ am Pegnitzauslauf (1420–22), der formal der Hauptmauer entsprechende große Torzwinger des „Spittlertores“ (Abb. 169) und zwei polygonale Streichwehren (vor/um 1500), von denen die fünfeckige als eine der Vorahnungen späterer Bastionen gelten darf,
jene am „Frauentor“ mit ihren spiralig gedrehten Bändern und entsprechend schrägen(!) Schlüsselscharten als manieriertes, typisch spätgotisches Experiment (Abb. 376). Die äußere Mauer Nürnbergs ist das zentrale Beispiel für die große Rolle, die das Buckelquaderwerk im 14./15. Jahrhundert (und noch später) in Franken spielte. Schon der Ursprung des Buckelquaders im fränkischen Stadtmauerbau hatte vor 1250 in Nürnberg gelegen, jedoch lief die Tradition auch dort nicht unbedingt durch, wie die glatt gequaderten Teile der Lorenzer Mauer um 1300 zeigen. Außerhalb Nürnbergs findet man den Buckelquader erst in nachstaufischer Zeit in Dinkelsbühl (Abb. 373) und in Bamberg, schließlich ab dem mittleren 14. Jahrhundert auch in kleineren Städten, wobei die
Abb. 376 Nürnberg, eine wohl vor/um 1500 entstandene Streichwehr am „Frauentorzwinger“ ist durch aufgelegte Profile und entsprechend verzogene Schlüsselscharten in einer fast schon manieristischen Weise ausgestaltet (G. U. Großmann).
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Wiederverwendung der von einer Burg stammenden Quader in Herrieden heraussticht. Erst ab dieser Zeit finden die Buckelquader an Mauern des fränkischen Sandsteingebiets größere Verbreitung, wohl nach dem Vorbild der äußeren Nürnberger Mauer. Dass sie „staufisch“ seien, ist also im zeitlichen Sinne falsch, im Sinne eines ikonologischen/ideologischen Gehalts unwahrscheinlich, denn gerade unter den frühesten Mauern der Region findet sich auch eine wichtige Reichsstadt ohne Buckelquadermauer (Rothenburg) und eine Bischofsstadt mit dieser Bauform (Bamberg). Übrigens ist auch in Franken manch späte Buckelquadermauer fälschlich ins 13. Jahrhundert zurückdatiert worden, aus dem Irrtum heraus, Buckelquader seien stets „staufisch“; anderswo wurde aus gleichem Grunde und wegen einer gewissen Unsauberkeit ihre Sekundärverwendung angenommen, was aber nur in Herrieden und Lichtenfels naheliegt. 1372 gestattete Karl IV. Dinkelsbühl ein Ungeld für seine äußere Mauer, die bis etwa 1420 entstand und die – mit Ausnahme der Wehrgänge und der Oberbauten weniger Türme – gut erhalten ist (Abb. 80, 81, 83). Bemerkenswert ist hier, neben dem fast völligen Verzicht auf Buckelquader, vor allem die Vielfalt der Turmformen. Neben großen Rechteckschalen stehen schlanke Rundtürme, die aber erst durch Umplanung begonnener Halbrundschalen entstanden. Der „Salwartenturm“ ist eine Dreiviertelschale, das übereck stehende „Dreikönigstürmchen“ vervollständigt den Katalog; der runde „Grüne Turm“ überragt als hoher Luginsland die Angriffsseite. Die Tor- und größeren Rechtecktürme sind mehrfach durch Wasserschläge gegliedert, die Rundtürme durch schräge Rücksprünge. Maßwerkfenster treten am „Rothenburger Tor“ (Abb. 118) auf – das im ersten Obergeschoss einen kreuzgewölbten Raum mit Kreuzstockfenster besitzt (um 1372–90) – und als Blendmaßwerke an den obersten Geschossen mehrerer Rundtürme; Stadtund Reichswappen findet man, ähnlich wie in Rothenburg, als Paar an den Tortürmen (Abb. 83) und am „Dönersturm“ (Abb. 81). Mit den äußeren Mauern von Rothenburg, Nürnberg und Dinkelsbühl sind für das östliche Franken auch die wichtigsten Beispiele für Mauergassen genannt; die Lorenzerstadt von Nürnberg war ihnen vorausgegangen. Ihnen folgen 106 Topographischer Teil
nur noch wenige Beispiele vollständiger (Weißenburg und Windsheim, jeweils äußere Mauer; Scheßlitz) oder weitgehend vollständiger Mauergassen (Altdorf, Lauf, Schwabach, Lichtenfels). Häufiger sind die Städte, bei denen aus gemeinhin unklaren Gründen nur einzelne Teile des Berings von einer Gasse begleitet sind (Dinkelsbühl und Weißenburg, jeweils innere Mauer; Bamberg, äußere Mauer; Feuchtwangen, Greding, Gunzenhausen, Heideck, Herrieden, Hersbruck, Hilpoltstein, Neustadt, Neunkirchen, Ornbau, Wolframs-Eschenbach, Burgkunstadt, Coburg, Forchheim?, Rodach, Staffelstein, Wunsiedel); und zahlenmäßig die größte Gruppe bilden die Fälle, die gänzlich auf Mauergassen verzichteten. Das östliche Franken entspricht damit den Üblichkeiten des süddeutschen Raumes, wo Mauergassen selten blieben und vor allem bei größeren Städten bzw. späten Mauern auftraten. Die vielen fränkischen Kleinstadtmauern, die vom mittleren 14. Jahrhundert bis Anfang des 15. Jahrhunderts entstanden, unterscheiden sich stark von den aufwendigen Mauern in Rothenburg, Nürnberg und DinKleinstadtmauern kelsbühl. Insbesondere bevom mittleren 14. bis saßen die weitaus meisten frühen 15. Jahrhundert Mauern neben den Tortürmen noch immer keine Türme; nur in etwa einem Viertel der Fälle sind überhaupt Türme erhalten oder gesichert, wobei in vier Städten nur ein oder zwei Türme festzustellen sind. In Ansbach etwa findet man nur noch einen originalen Erkerturm; Langenzenn (vor 1388) besaß nur einen Erker- und einen Rundturm. Die Mauer von Arberg wurde zwischen 1383 und 1415 mit einem erhaltenen Rechteckturm verstärkt (und einem zweiten in der Burg), und Spalt erhielt um 1365–83 zwei quadratische Buckelquadertürme; in Schwabach ist ein einziger erhalten. Höchstens acht Mauern aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts – ein knappes Viertel der Neubauten – besaßen eine Mehrzahl von Türmen, vergleichbar Rothenburg oder Nürnberg. Am eindrucksvollsten war und ist die 1372/76 begonnene Süderweiterung von Weißenburg, mit ehemals fast 30 eng gereihten, meist quadratischen Schalentürmen. Sie zeigen Eckbuckelquader, originale Rechteckfenster und Aborterker, aber kaum Scharten; wann sie auf
Mauerhöhe abgetragen wurden, ist offen (Abb. 377). Der ältere Zwinger im Norden der Stadt wurde bis ins 15. Jahrhundert hinein mit vergleichbaren, großen Streichwehren verstärkt; hohe Rundtürme im Norden und Westen verbesserten die Sicht auf das Vorgelände. Greding, unter dem Eichstätter Bischof Friedrich von Öttingen (1383–1415) ummauert, besitzt neben zwei runden zahlreiche Rechtecktürme, ehemals wohl Schalen. Das ab 1360 von Karl IV. angelegte Rothenberg besaß gleichfalls zahlreiche runde und rechteckige Schalentürme. Die Halbrundtürme an der Südseite von Pappenheim wird man auf Ingolstädter Einfluss zurückführen; die Reste halbrunder Schalen in Coburg sind undatierbar. Weit sparsamer erhielt Feuchtwangen nach 1388/95 bis um 1421 (Inschrift am zerstörten „Spitaltor“) eine Mauer mit ehemals elf Türmen, die als sparsame Rund- oder eckige Türme auf Strebepfeilern balancierten. Lichtenfels, das neben einem erhaltenen Rechteckturm drei weitere unbekannten Alters besaß, ist die turmärmste in dieser kleinen Gruppe von Mauern, deren formale Inhomogenität nochmals unterstreicht, dass es sich um vereinzelte Experimente in einer Landschaft handelt, in der das Fehlen von Mauertürmen noch immer normal war. Auch die Hauptbeispiele Nürnberg, Rothenburg und Dinkelsbühl zeigen ja ganz unterschiedliche Formen; nicht einmal das abwechslungsreiche Nebeneinander rechteckiger und runder Turmformen ist – obwohl vorherrschend – gänzlich die Regel, wie vor allem Nürnberg zeigt. Buckelquadermauern gab es zwischen etwa 1350 und 1430 vor allem um Nürnberg herum – was das Vorbild bestätigt, aber auch durch die Sandsteinvorkommen erklärt wird (Altdorf, 1387–1447; Ansbach; Erlangen, um 1400?; Höchstadt an der Aisch, um/nach 1348; Lauf, nach 1355; Schwabach, nach 1364?; Spalt, Mauererhöhung um 1365–83). Diese Städte gehörten zu verschiedenen Herrschaften; Altdorf gehörte Nürnberg, Lauf Kaiser Karl IV. (in beiden Fällen findet man den schräg vorkragenden Wehrgang wie in Nürnberg). Das nördlichste Vorkommen ist Bayreuth, das den mit Nürnberg verfeindeten Hohenzollern gehörte. Meist treten die Buckelquader beidseitig auf, manchmal sind die Buckel später abgespitzt (Ansbach, Bayreuth). Neben den aufwendigen Buckelquadermauern
Abb. 377 Weißenburg, die Türme der Südmauer der Stadterweiterung, entstanden nach 1376, wurden zu unbekanntem Zeitpunkt gekappt, um der Artillerie weniger Angriffsfläche zu bieten (im oder nach nach dem Dreißigjährigen Krieg?).
bleiben die Bruchsteinmauern aber weiterhin der Normalfall, im Jura wie im Sandsteingebiet (Creußen, nach 1358; Feuchtwangen; Gräfenberg, nach 1347; Greding; Gunzenhausen; Langenzenn; Leutershausen; Lichtenfels; Merkendorf; Stadtsteinach, 1348?; Staffelstein, 1418, Wassertrüdingen, nach 1388; Weißenstadt, 1371; Windsbach). Dabei tritt zunehmend ein Mauerwerk aus großen Brocken auf, oft mit grob abgespitzter Ansichtsfläche und Zangenlöchern, das im ganzen süddeutschen Raum im 14./15. Jahrhundert weitverbreitet war. Die Mauern dieser Phase besaßen einfache Wehrgänge auf innen vorkragenden Absätzen oder als Holzkonstruktion. Nur Nürnberg zeigt regelrechte Wehrgangbögen, die es vielleicht auch in Bayreuth gab (Abb. 176). Für Rothenburg ist ein vielfältiges Experimentieren mit Strebepfeilern und Auskragungen typisch (Abb. 45), darunter in der Spitalvorstadt auch Bögen über Kragsteinen; diese Form tritt gleichzeitig im nahen Feuchtwangen auf, wie auch die über Strebepfeilern vorkragenden Türme. In Greding entstanden bei einer Mauererhöhung sekundär Strebepfeiler hinter der älteren Brustwehr. Die Tortürme der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind auffällig variantenreich; sogar die Tore einer Stadt können erhebliche Unterschiede aufweisen (Altdorf, Lauf). Die Dimensionen reichen von den sehr hohen Rothenburger Toren 12. Mittel- und Oberfranken
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Abb. 378 Lauf a. d. Pegnitz, das „Untertor“ oder „Nürnberger Tor“, Grundrisse des heutigen (unten) und des rekonstruierten ursprünglichen Zustandes sowie Rekonstruktionsversuch der feldseitigen Ansicht (Th. Biller in: Burg Lauf an der Pegnitz, 2006).
bis zu niedrigen Torbauten wie in Creußen. Üblich war verputztes Bruchsteinmauerwerk, gelegentlich in Form großer, glatt gespitzter Brocken, aber auch volle Buckelquaderverkleidung kam vor (Rothenburg; Altdorf, nur das „Obere Tor“ gegen Nürnberg; Forchheim, „Saltor“, wohl vor 1310; Höchstadt; Wolframs-Eschenbach); das „Obere Tor“ in Leutershausen zeigt noch Originalverputz (1996). Fallgatter, von Klauensteinen gehalten, sind häufig – am „Oberen Tor“ in Altdorf ungewöhnlicherweise stadtseitig –, Schmuckelemente äußerst selten. In Wolframs-Eschenbach – „Obertor“ um 1358–75, „Untertor“ um 1396– 1416 – gibt es Wappenpaare ähnlich wie in Rothenburg und Dinkelsbühl. In Höchstadt und Altdorf sind original profilierte Fenster erhalten. „Spitaltor“ und „Ellinger Tor“ in Weißenburg (Abb. 162) zeigen gestufte Spitzbogengewände, ebenso wie das „Obertor“ in Leutershausen; die späten Tore in Wolframs-Eschenbach sind sogar profiliert. In Weißenburg findet man auch umlaufende Wasserschläge, ähnlich wie in Dinkelsbühl; das abgegangene „Obertor“ war „1378“ datiert, die erhaltenen werden wenig älter sein. Treppengiebel gibt es in Dinkelsbühl und Greding, der obere Abschluss ist oft verändert. Die Vielfalt der Torturmformen wird durch andere Torformen noch ergänzt. Das (später verbaute) gestufte und profilierte Mauertor in Wassertrüdingen (nach 1388) ist ein spätes Beispiel für diese einfachste aller Torformen. Weitaus bemerkenswerter sind aber die Tore in Lauf an der 108 Topographischer Teil
Pegnitz, insbesondere das „Untere“, gegen Nürnberg gerichtete Tor. Lauf hat 1355 von Karl IV. Stadtrecht erhalten, der hier, dicht vor den Toren der wichtigen Reichsstadt Nürnberg, auch die Burg erbauen ließ. Wenn man daher beim „Obertor“ eine in Franken einzigartige Bauform findet – nämlich einen breiten Baukörper in flachen Buckelquadern, quasi aus zwei Türmen (Abb. 155, 378) beidseitig der hohen, profilierten Gewände zu einem Kubus zusammengewachsen –, so liegen kaiserliche bzw. böhmische Vorbilder nahe. In der Tat besaß die ehrgeizigste Stadtgründung Karls IV., die Prager „Neustadt“ (1348), ganz entsprechende Tore, von denen aber nur noch Abbildungen zeugen. Das „Untere Tor“, ein querrechteckiger Turm, wirkt als Kompromiss zwischen dem regional Üblichen und der „kaiserlichen“ Form. Auch neben dem Tor stehende Türme, in Franken schon früh vertreten (Rothenburg, „Markusturm“), treten in der Spätzeit gelegentlich auf; die Türme sind quadratisch (Lichtenfels, „Oberes Tor“; Herzogenaurach, beide Tore, erst um 1450?) oder rund (Gunzenhausen, Leutershausen) und zeigen Buckelquader (außer in Leutershausen). Ab den 1420er Jahren – in den böhmischen Nachbarländern die Zeit der Hussitengefahr – setzen in Franken die Wirkungen der Feuerwaffen ein. Freilich bleiben kleinere Umbauten dieser Phase schwer feststellbar, was vor allem damit zusammenhängt, dass die sonst etwa zu dieser Zeit auftretende Schlüsselscharte in Fran-
ken recht selten blieb, während die hier weiterhin übliche Schlitzscharte als solche undatierbar ist. So sind nur größere artillerietaugliche Bauten einMauern und Rondelle ab 1420 deutig zu identifizieren, und als solche kommen einerseits Rondelle infrage, die unmittelbar an die Hauptmauer angesetzt wurden, und andererseits umlaufende Zwinger mit Streichwehren. Daneben entstanden aber bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts immer noch einzelne Mauern, deren Formen – Mauer, Tor- und Mauertürme – noch ganz dem Standard des 14. Jahrhunderts entsprachen. Im 15. Jahrhundert entstanden gänzlich neue Mauern nur noch selten, im Grunde – wenn man von der Bamberger Inselstadt (um 1430) absieht – nur noch bei Kleinstädten und Märkten, vor allem im Jura und Fichtelgebirge. Charakteristisch sind neben Bruchsteinwerk, Schlitz- und Schlüsselscharten niedrige Rondelle (Betzenstein, Marktredwitz, Wunsiedel um 1460/70, Treuchtlingen, ehemals Velden) und Torbauten oder niedrige Tortürme (Betzenstein, Scheinfeld nach 1462, Staffelstein, ehemals Velden, umgebaut Wunsiedel und Pleinfeld). Kurios ist die frühere Deutung eines nischenreichen Rundbaues im fichtelgebirgischen Ludwigstadt, der lange als karolingische oder romanische Kapelle galt, aber doch eher ein Turm der Ortsbefestigung sein dürfte. Bemerkenswerterweise brach die Tradition der Rechtecktürme auch zur Zeit der ersten Rondelle nicht gänzlich ab, insbesondere in der Nürnberger Region. Der Markt Cadolzburg – 1414 „umbgraben und verplanckt“, 1450 mit „Schrancken“ versehen – erhielt erst danach eine Buckelquadermauer mit acht Rechteckschalen und kleinem Torturm, zu dessen Schlüsselscharten und Zugbrücke die frühere Inschrift „1475“(?) gut passt. Den Schlusspunkt setzte Neunkirchen am Brand, dessen „Äußerer Markt“ um „1479“ (Torturm) ummauert wurde, der „Innere Markt“ aber erst „1502“/„1503“; das Bistum Bamberg zierte die Tore und Rechteckschalen aus großen Buckelquadern mit aufwendigen, datierten Wappen. Besonders interessant für die Entwicklung der Turmformen im 15. Jahrhundert sind drei Fälle, bei denen man den Übergang vom eckigen zum Rundturm bzw. zum Rondell direkt abzule-
sen meint. In Merkendorf (1398 bis um 1430) besitzt die Bergseite drei Rechteckschalen, die (besser geschützte, daher später ummauerte?) Süd- und Ostseite aber hohe Rundtürme. Ganz ähnlich zeigen die beiden Südvorstädte von Neustadt an der Aisch (ab etwa 1400) südlich und östlich gegen den Berg eine nürnbergisch geprägte Buckelquadermauer mit dem „Nürnberger Tor“ und drei Rechtecktürmen, die aber im westlichen, flachen Teil unvermittelt (Mitte des 15. Jahrhunderts?) zu Bruchstein und Rundtürmen übergeht. In Hersbruck schließlich – der Markt erhielt 1313 und 1329 die Erlaubnis für Graben und Zaun – dürften sich die Formen von Anfang an gemischt haben: Neben den hausartigen Tortürmen – das „Nürnberger Tor“ ist „1444“ datiert, das „Wassertor“ erst 1601/02 ergänzt – gab es mindestens zwei rechteckige Schalentürme, aber auch sieben hufeisenförmige Rondelle mit rechteckigen Maulscharten, die kaum jünger als die Mauer sein dürften. Dieselbe Spannweite – vom hohen Turm bis zum modernen Rondell – zeigen im 15. Jahrhundert auch die Verstärkungen bestehender Mauern. Bestes Beispiel ist die bambergische Grenzbefestigung Kronach, von deren 1323/33 erwähnter Mauer in den umfassenden Neubauten des 15. Jahrhunderts kaum etwas übrig ist. Neben dem „Stadtturm“ – wohl dem Bergfried einer zerstörten Burg des 13. Jahrhunderts – entstanden zwei angriffsseitige Ecktürme erst 1444 („Lehlaubenturm“) und „1467“ („Hämelturm“); auch die Tore oder Vortore wurden in dieser Phase erneuert. Wohl an diese Modernisierung der Hauptmauer anschließend, wurde der Zwinger ausgebaut, dessen zwei kleine Rondelle 1509 und nach 1515 entstanden. Türme, die der Hauptmauer noch im späteren 15. Jahrhundert hinzugefügt wurden, findet man auch in Weißenburg (fünfeckig, „1469“), Wolframs-Eschenbach (zwei Rundtürme mit rechteckigen Maulscharten) und Abenberg (ehemals vier Rechtecktürme mit Schlüssel- und Maulscharten, einer datiert „1488“). Auch bei den Verstärkungen bestehender Mauern sind aber niedrige Rondelle deutlich häufiger. Datiert sind nur die sieben kleinen Bauten in Creußen, für die Albrecht Achilles 1473 einen Steuernachlass gewährte, mit diversen Schartenformen, darunter den regional, auch in Thüringen verbreiteten in Form eines kopf12. Mittel- und Oberfranken
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stehenden T, die etwa auch am dünnwandigen „Heilingschwertturm“ in Kulmbach auftreten. In Spalt entstanden neben einem gut erhaltenen Torturm (1422?) ein Rundturm – dieser entgegen seinen Schlüsselscharten und anderen späten Formen mit einem Wappen von 1322/24 – und zwei hufeisenförmige Streichwehren in gutem Buckelquaderwerk, ebenfalls mit Schlüsselscharten. Als Weiterentwicklung über teils komplexem Grundriss darf man die drei Eckrondelle von Uffenheim verstehen, mit Rechteck- und Schlitzscharten. Der halbrunde „Judenturm“ in Lauf, in Buckelquadern, wird um 1430 datiert. Ein bemerkenswerter, wohlerhaltener Sonderfall ist das eichstättische Ornbau, das schon 1317 Befestigungserlaubnis erhielt und dann wieder 1464 durch Friedrich III. Die Befestigung besteht aus einer Hauptmauer mit drei hohen Rundtürmen und einem Zwinger mit ungewöhnlichen, großen Streichwehren und einem Torbau (Abb. 242). Auch die Hauptmauer entstand nach dem Wappen am „Diebsturm“ und den Schartenformen erst nach 1464, der Zwinger dürfte nach mehreren Jahreszahlen zwischen 1477 und 1487 hinzugekommen sein. Die Streichwehren, die man auch als Kanonentürme bezeichnen könnte, sind erstaunlich hohe und massive, an die Hauptmauer gelehnte Rechteckbauten mit großen Schlüsselscharten; nur die jüngste(?) im Südosten war gerundet und besaß tief liegende Kanonenscharten. Der Torbau („1477“, „1745“ umgebaut) ist ein großer Torzwinger, dessen massive Außenmauern und tief liegende Scharten ihn zu einer Art noch größerer Streichwehr machen. Zwei Sonderfälle sind in Dinkelsbühl zu notieren. Für die Wassermühle, die zugleich ein Eckbollwerk der Stadt war (Abb. 200), gibt es keine Vergleichsbeispiele mehr; 1491 wurde das Wasserrad des hausförmigen Baues durch eine Art kleinen Zwinger mit Ecktürmen und Feuerwaffenscharten geschützt. Im Norden der Stadt wurde die als Tuchbleiche dienende große Wiese durch eine Mauer geschützt; die Barchentweberei war in Dinkelsbühl wohl um 1425 eingeführt worden, die Mauer wird nach den Formen ihrer Streichwehren und des (zerstörten) äußeren „Rothenburger Tores“ erst ins spätere 15. Jahrhundert gehören. Die Anfänge der umlaufenden Zwinger in Mittel- und Oberfranken ab der Mitte des 14. Jahr110 Topographischer Teil
hunderts sind in Rothenburg, Nürnberg und Weißenburg schon berührt worden. Interessanterweise ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung nicht erkennbar, denn datierbare Neubauten gibt es trotz der Hussitengefahr und der Entwicklungen dieser Zeit in Unterfranken erst wieder in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, wenn man den herausragenden Fall Nürnberg einZwinger, Torzwinger und Barbakanen, mal beiseitelässt. Natürlich 14./15. Jahrhundert mag es dennoch Neubauten vor 1450 geben, die wir nur nicht näher datieren können; ganz offen ist zum Beispiel das Alter geringer Reste in Stadtsteinach und Pappenheim, der Hofer Zwinger konnte archäologisch ins 15. Jahrhundert datiert werden – mit Grabenausbau bis ins 16. Jahrhundert und Schleifung 1554. Auch eine verbaute Streichwehr in Kulmbach ist undatierbar, ebenso wie der ergrabene, mit Schlüsselscharten versehene „Geyersturm“ in Coburg, an den die Zwingermauer sekundär angebaut ist. In die Mitte/ zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts gehören – neben dem schon behandelten Ornbau (1477– 87) – wohl auch ein Eckrondell in Gunzenhausen und der gut erhaltene Zwinger in Wolframs-Eschenbach. Wohl kaum jünger als die Rundtürme der Hauptmauer zeigt dieser runde (ältere?) und rechteckige Streichwehren mit eckigen Schlüsselscharten; die Entstehungszeit wird durch die Jahreszahl „1463“ am Vortor des „Oberen Tores“ angedeutet (Abb. 379). Undatiert ist die einheitliche Zwingeranlage von Dinkelsbühl aus Großquaderwerk, die vor allem bergseitig mit Gräben und Vorwällen erhalten ist. Die noch zehn rechteckigen Streichwehren, mit vielfältigen Schartenformen, Kissenrustika und schräg vorkragender Wehrplatte, scheinen kaum vor 1500 denkbar; noch später entstanden sind die runden Streichwehren der Flussseite („Kleine Bastei“ von „1555“). Vortore und Torzwinger sind auch im östlichen Franken häufiger als umlaufende Zwinger. Das früheste Beispiel mag das mit Rundtürmchen versehene (nach 1945 erneuerte) Vortor am Nürnberger „Weißen Turm“ sein, denn nach Baubeginn der äußeren Mauer (1346) war sein Bau kaum noch sinnvoll; auch die großen Torzwinger der äußeren Mauer, wohl noch aus der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts – am wenigsten verändert blieb jener am „Spittler Tor“ –, sind noch frühe Beispiele. Die Mehrzahl der Bauten entsteht ab 1460, etwa in Spalt (Reste in Buckelquadern, mit Wappen Bischof Wilhelms von Reichenau, 1464–96) und in Wolframs-Eschenbach. Dort ist insbesondere das „Obertor“ mit Wappen des Deutschen Ordens und der Datierung „1463“ wenig verändert (Abb. 161); mit der Steintreppe zum Wehrgang, der Zugbrückenblende und dem Eckerkern gibt es einen Datierungsanhalt für die ganz ähnlichen, aber undatierten Vortore in Rothenburg (Abb. 170) und Dinkelsbühl („Rothenburger Tor“, um 1500?). In Rothenburg bietet das „Kobolzeller Tor“ mit seinem zweiteiligen Zwinger das Ausnahmebeispiel einer größeren Anlage (Abb. 380). „1490“ und „1496“ sind zwei der drei Vortore von Greding datiert, wobei das Wappen Bischof Martins von Schaumberg (1560–90) wohl schon das Aufsetzen einer Wohnung datiert; derartige Umbauten, die den Vortoren das Aussehen eines Hauses mit Durchfahrt verleihen, sind nicht selten (zum Beispiel Wassertrüdingen 1752, Creußen, Höchstadt, Uffenheim), die Verbauung der Vortorreste am Forchheimer „Saltor“ in eine Bastion des 16. Jahrhunderts ist dagegen ein Sonderfall. Ein gestalterischer Höhepunkt ist das „Ellinger Tor“ von Weißenburg (Abb. 162) an der Straße nach der großen, benachbarten Reichsstadt Nürnberg; runde Aufsätze auf den schräg gestellten Eckerkern des Vortors, Rundscharten, Wappenschilde mit Christus und Engeln, schließlich eine Maßwerkbekrönung mit Renaissanceanklängen lassen an eine Entstehung etwa im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts denken (die Jahreszahl „1510“ ist modern). Gleichzeitig, aber weit schlichter sind Vortore in Leutershausen („Oberes Tor“, 1996 noch mit Seilrollen; Abb. 166) und in Lauf, wo vor die originalen Strebepfeiler des „Oberen Tores“ 1526 eine Fassade für die Zugbrücke gesetzt wurde (Abb. 155). „1583“ ist das Vortor des „Würzburger Tores“ in Uffenheim datiert, „1601“ schließlich eines in Creußen; weitere Beispiele sind in Hersbruck, Schwabach und Staffelstein erhalten oder belegbar. Barbakanen traten im östlichen Franken spät und selten auf, was angesichts der Kriegszüge der Hussiten überrascht, die 1430 immerhin bis
Abb. 379 Wolframs-Eschenbach, der südwestliche, im oberen Teil erneuerte Eckturm der um 1332–60 entstandenen Mauer, davor der weitgehend formlose Zwinger des 15. Jh.
Gräfenberg vordrangen. Anstatt massiver Vorwerke bevorzugte man hier wenig befestigte Torhöfe, wie sie etwa am Rothenburger „Rödertor“ im Zustand des 16. Jahrhunderts erhalten oder im schedelschen Stich von 1493 für Nürnberg dokumentiert sind (Abb. 223). Rothenburg bietet Abb. 380 Rothenburg ob der Tauber, vor dem wohl um 1360 erbauten „Kobolzeller Tor“ der äußeren Mauer entstand im 15. Jh. zunächst ein kleines Vortor, dann noch später ein großer Torzwinger.
12. Mittel- und Oberfranken
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Abb. 381 Rothenburg, die „Spitalbastei“ gehört zu den eindrucksvollsten Barbakanen, die in Deutschland erhalten sind. Der äußere Teil (rechts) entstand wohl in der 1. Hälfte des 16. Jh., die Überbauung des Grabens am ehesten gegen 1600 (vgl. Abb. 219).
am „Spital-“ und „Klingentor“ aber auch wichtige Beispiele für stark ausgebaute Barbakanen. Kern der „Klingentorbastei“ ist die befestigte Wolfgangskirche (1475–92; Abb. 204), während die „Spitalbastei“ (Abb. 381) anfangs ein Rundbau mit Hof und Kanonenplattform vor dem Graben war, nach beschädigter Inschrift („15??“) jedenfalls im frühen 16. Jahrhundert entstanden. „1537“ (Inschriften an der „Klingenbastei“ und am Wächterhaus der „Spitalbastei“) wurden beide ausgebaut. Vor dem „Spitaltor“ setzte man einen zweiten, kasemattierten Rundbau in den Graben und schuf so einen ungewöhnlichen, achtförmigen Grundriss, am „Klingentor“ genügte ein neuer Wehrgang in entsprechenden Einzelformen. Reste wohl echter, das heißt grabenumgebener Barbakanen findet man auch in Dinkelsbühl („Segringer Tor“), Gunzenhausen („Weißenburger Tor“) und Neustadt an der Aisch („Nürnberger Tor“), in Wolframs-Eschenbach („Unteres Tor“) belegt sie nur noch der Katasterplan. Die weiter westlich und nördlich recht verbreiteten Landwehren leisteten sich im östlichen Franken nur Rothenburg und Nürnberg – deren herausgehobene PosiLandwehren tion sich hier nochmals bestätigt. Die 62 km lange, im Osten durch eine Gebirgsstufe ersetzte Rothenburger Landhege – die bestuntersuchte neben jener des nahen Schwäbisch 112 Topographischer Teil
Hall – wurde unter dem Eindruck des Hussiteneinfalls 1430 begonnen und vor 1480 fertiggestellt. Sie ersetzte ein früheres Verteidigungssystem aus Burgen und Wehrkirchhöfen, damit „die Armen lewt von Rewttern nit Allso beschedigt wurden“. Sie bestand aus drei Gräben und zwei Wällen, war dicht bewachsen und auf dem Mittelwall wie auch beidseitig von Wegen begleitet; Türme (erhalten ist jener bei Lichtel) sicherten die Hauptstraßen, Schranken kleinere Durchlässe. Über die Wehrfunktion hinaus gelang es der Stadt bis ins 17. Jahrhundert hinein, alle wesentlichen Rechte innerhalb dieser Schutzanlage an sich zu bringen, sodass die „Landwehr“ geradezu zur „Staatsgrenze“ bzw. zum Synonym für das reichsstädtische Territorium wurde. Die demgegenüber späte und bescheidene Nürnberger Landwehr entstand 1449 als Wallgraben mit Blockhäusern und Schranken an den Straßen; 1461 überholt, verfiel sie bald wieder und wurde erst in der Krise 1631/32 in anderen Formen erneuert. Auch für die in Unterfranken verbreiteten Warttürme bietet in Mittelfranken nur das historisch eher zu Unterfranken gehörende Windsheim ein Beispiel (1428, erneuert 1490). Mit den Zwingern und Vortoren, besonders aber mit den Barbakanen waren bereits Entwicklungen berührt worden, die in Ostfranken über das 15. Jahrhundert hinausreichen. Neben so aufwendigen Verstärkungen gab es im 16. Jahrhundert und bis 16./17. Jahrhundert ins 17. Jahrhundert hinein natürlich viele punktuelle Verstärkungen und vereinzelt sogar letzte Neuummauerungen. Was die punktuellen Neubauten betrifft, muss ein weiteres Mal vor allem Nürnberg genannt werden, das nun teils hochmoderne, in jedem Falle aber höchst aufwendige Formen wählte und damit auch Rothenburg endgültig überflügelte. 1526/27 baute man zunächst zwei große, aber relativ niedrige und wenig kasemattierte Rondelle, nicht an den Toren, sondern – weit zweckmäßiger als in Rothenburg – an exponierten Ecken, die das beste Schussfeld boten. Die Planung der nordöstlichen regte offenbar Albrecht Dürer zum Entwurf einer „Bastei“ in seinem zeitgleichen Buch Etliche underricht zur Befestigung [...] an – aber selbst hier in seiner Heimatstadt, wo er hohes Ansehen genoss, weicht der ausgeführte Bau in Dimension und Details
erheblich von Dürers Zeichnung ab. Nur ein Jahrzehnt später, 1538, entstand mit der „Burgbastion“ (Antonio Fazuni) der früheste Vertreter einer ganz neuen, aus Italien stammenden Befestigungsweise in Deutschland – und wieder zwei Jahrzehnte später kehrte man mit den monumentalen runden Tortürmen G. Ungers zu einer Bauform zurück, die, wehrtechnisch gesehen, eher mittelalterlich ist (Abb. 238); im Gegensatz zu den Burgbastionen fanden sie nur einen vereinzelten Nachfolger, den Ansbacher „Dicken Turm“. Effektiver, aber weniger spektakulär war der weitgehende Umbau des Nürnberger Zwingers zum geschütztauglichen Wall mit Brustwehr, begleitet von der Kappung der meisten Türme. Dass Nürnberg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sein Umland endgültig an Wirtschaftskraft und Macht überragte, wird im Vergleich mit jenen Städtchen deutlich, die erst nach 1500 ummauert oder mindestens umfassend modernisiert wurden; ihre Mehrzahl liegt im gebirgigen und klimatisch ungünstigen Oberfranken, was dessen langsamere Entwicklung unterstreicht. Die neuen Mauern unterscheiden sich noch immer kaum von jenen des 14./15. Jahrhunderts (Neunkirchen am Brand 1502/03, Roth 1516–21(?), Lichtenberg 1560–62, Schlüsselfeld; die erst 1550 erweiterte Mauer des 1411 zur Stadt erhobenen Rodach mag ins 15. Jahrhundert zurückreichen). Schlüsselscharten in den Türmen sind noch das sicherste Erkennungszeichen, Rondelle sind zwar häufig (Roth, Rodach, Schlüsselfeld), aber neben ihnen treten nach wie vor Rechtecktürme auf. In Rodach und Schlüsselfeld finden sich auch die in der Spätzeit häufigeren, tief liegenden Scharten in der Mauer selbst, in Rodach kombiniert mit Wehrgang; dort gibt es auch noch einen neben dem Tor stehenden hohen Turm, in Schlüsselfeld einen echten Torturm mit Vortor. Die Merkmale der älteren, aber nach 1500 nochmals stark modernisierten Mauern waren nicht entscheidend anders; hier dominierten die Rondelle eindeutiger. In Kronach entstanden „Pfarrturm“ und „Schieferturm“ ab 1509, wohl überhaupt erst mit dem umlaufenden Zwinger, in Weismain zwei runde Schalen um „1519“, in Stadtsteinach vielleicht alle Rondelle der Hauptmauer erst nach 1553; in Arberg gibt es nur noch ein Fundament. Arberg und Weismain besitzen
noch tief liegende Scharten in veränderten oder erneuerten Mauerpartien, Arberg zudem einen (barockisierten) Torturm von „1531“; Torneuoder -umbauten sind ohnehin jene Baumaßnahmen, die noch bis ins 17. und 18. Jahrhundert weiterlaufen. In Neustadt an der Aisch wird neben dem Torturm des 15. Jahrhunderts nach 1523 ein neuer Torbau errichtet – und gleichzeitig wohl auch die Barbakane davor(?) –, weil erst nun der Fernverkehr durch die Stadt geführt werden durfte. Der wohl späteste Mauerbau Mittelfrankens – dennoch einer der formal bemerkenswerten – war die Neubefestigung der Deutschordensstadt Ellingen. Gab es dort, wo das benachbarte Weißenburg eine Befestigung 1377/78 verhindert hatte, noch 1405 nur einen Graben, 1536 einen Dorfzaun, so entstand die Mauer schließlich, nach Datierungen an Toren und Türmen, um 1590– 1660. Von den (zwei oder drei) Türmen der Bruchsteinmauer mit Wehrgang ist der runde Südostturm von „1594“ erhalten, mit Stockwerkgesimsen, Schlüsselscharten, gekehlten Rechteckfenstern und geschweifter Haube. Weit aufwendiger sind aber die Tore, besonders das „Pleinfelder Tor“, eine originelle Kombination von achteckigem Torturm und Doppelturmtor, mit Anspielungen auf spätgotische Formen und mit Wappen der Landkomture, die auf Erbauung im Zeitraum 1625–63 schließen lassen (Abb. 137); das schon 1609 erbaute, hausartige „Weißenburger Tor“ wurde 1945 zerstört. Lässt man die schlichte, als Befestigung kaum noch taugliche Ummauerung des Marktes Neuhof an der Zenn einmal beiseite (16. Jahrhundert?, mit Tor von 1723), so bietet die Zeit um 1600 nur noch vereinzelte Torneubauten. Das beginnt mit der einem älteren Turm nur vorgesetzten Renaissancefassade („1582“) des „Forchheimer Tores“ in Neunkirchen am Brand – ein bescheidenes Symbol, verglichen mit der wenig später ausgebauten bambergischen Grenzfestung Forchheim selbst. In Hersbruck entstand 1601/02 der Turm des „Wassertores“ gänzlich nach dem Vorbild der anderen, 150 Jahre älteren Tore und auch der wieder achteckige „Blasturm“ in Gunzenhausen, der 1603 einen 1578 eingestürzten Torturm ersetzte und dessen Sockelgeschosse wohl bewahrt, betont in seiner Schlichtheit die Tradition; von „1611“stammte ein zerstörter Torturm in Weismain. Auch die An12. Mittel- und Oberfranken
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zahl der älteren Tore, die um 1600 neue Dächer bzw. Giebel in den charakteristischen Formen der Renaissance erhielten, bestätigt die nach wie vor hohe Symbolbedeutung der Tore. Nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges wurden Mauern wieder instandgesetzt, und zwar sicherlich öfter, als dies die Literatur bisher erfasst hat. Diese Reparaturen waren nicht selbstverständlich, hatte doch der Krieg vielfach erwiesen, wie überholt die Mauern waren; neben kleinen Reparaturen spielten weiterhin die Tortürme die Hauptrolle. Reparaturen der Mauer selbst sind am deutlichsten in Weismain, wo die neuen Teile nach Zerstörung 1633 in aufwendigem Buckelquaderwerk ausgeführt und durch mehrere Jahreszahlen von „1643“ bis „1719“ markiert wurden; in Höchstadt wurden auf einer Tafel am Torturm die am Wiederaufbau Beteiligten detailliert aufgezählt. In Dinkelsbühl entstand das 1648 zerstörte „Segringer Tor“ schon 1655 neu, als hoher, kaum wehrhafter Turm in Formen, die eher um 1600 einzuordnen wären. In Bayreuth blieb von einem geplanten Festungsausbau „1674“ nur ein merkwürdiger Zwit-
ter übrig: ein Zwinger mit bastionsförmigen Streichwehren, der nur im Detail an gewisse Bauten Vaubans erinnert, aber als System doch ein mittelalterlicher Spätling bleibt. In Kronach entstanden noch 1722–25 und 1729–46 zwei vergleichbare, mit ihrem Polygonalgrundriss noch unmodernere Bauten. In Ansbach wurde dagegen das „Herrieder Tor“ mehrstufig der besonderen Aufgabe als Südeingang der Residenzstadt angepasst – 1684/85 wurde es achteckig erhöht, 1733/34 durch zwei Torhäuser flankiert (Leopoldo Retti) und 1750/51 schließlich in guten Formen wiederum achteckig erneuert (Johann David Steingruber; Abb. 257). Ein bescheideneres Gegenstück an einem eher überraschenden Ort findet man in Arberg (Gabriel de Gabrieli, „1731“/„1735“). Etwas öfter trifft man anstelle zerstörter mittelalterlicher Bauten auf bescheidene Häuser in Barockformen (Merkendorf, 1766–90; Feuchtwangen; Windsbach); sie wirken als aufwendige Varianten gleichzeitiger, in Fachwerk errichteter Dorftore, von denen in Unterfranken etliche erhalten blieben, in Mittelfranken nur jenes in Ickelheim (1713).
13. Unterfranken Unterfranken, landschaftlich durch das stellenweise breite Maintal und das Hügelland an der fränkischen Saale, wirtschaftlich durch den Weinbau geprägt, war früh auf das politische Zentrum Würzburg bezogen; nur das Gebiet um Aschaffenburg, jenseits des unbesiedelten Spessarts, gehörte zu Mainz, was sich in den Formen der Mauern deutlich spiegelt. Die schon 1057 und ab der Zeit um 1100 mehrfach belegte Befestigung von Würzburg bestand nach Grabungen an mehreren Stellen lange Zeit nur aus Wall und Graben; wohl im 12. Jahrhundert wurde in den Graben eine Mauer gesetzt, die zumindest stellenBefestigungen des weise eng gereihte Strebe11./12. Jahrhunderts pfeiler aufwies. Beide Phasen lagen offenbar vor 1195/99, als die vorgelagerte „Sandervorstadt“ ummauert wurde; auch dort konnte aber neuerdings eine vorangehende Holz-Erde-Befestigung belegt wer114 Topographischer Teil
den. Erhalten ist in der Vorstadt neben Zwingerresten nur der runde „Hexenturm“ (15. Jahrhundert). Die Umwehrung des „Mainviertels“ unter der Burg Marienberg, lange nur mit Hecken und Palisaden, ist ab 1274/91 belegt. Die drei Vorstädte im Norden und Osten schützte man zwischen 1322 und 1354 durch eine 2,5 km lange Mauer, von der nur der rechteckige Eckturm am Main („Schneidturm“) noch steht. Später aber – in der Hussitenzeit – misstraute man dieser Mauer, denn ab 1428/30 erhielt nur der ältere Stadtkern einen Zwinger mit (teils erhaltenen) Rundtürmen, und 1432/35 wurde sogar die dünn besiedelte „Rennwegvorstadt“ durch eine Quermauer wieder ausgeschlossen! Der vorgeschobene „Dicke Turm“ (1475/76) wurde aber 1506 doch wieder mit dem Mauerzug des 14. Jahrhunderts verbunden. Die Bastionärbefestigung des 18. Jahrhunderts ließ von all dem aber kaum etwas übrig.
Das castrum antiquum anstelle des späteren Stadtkerns von Aschaffenburg ließ Erzbischof Adalbert 1122 neu befestigen; die Inschrift des verschwundenen „Döngestors“ ist erhalten. Nur unter dem Stift, vor das im 13. Jahrhundert(?) eine neue Mauer mit Rundtourellen vorgeschoben wurde, ist die 2 m dicke Mauer des frühen 12. Jahrhunderts ergraben. Die große Unterstadt mit neuer Burg am Main wurde um 1380 befestigt, wie die Jahreszahl am erhaltenen Turm des „Sandtores“ andeutet; schließlich blieb von der Mauer der „Dingstall-Vorstadt“ das nach Erzbischof Theoderich (1439–59) genannte Tor zum Main, mit Kragsteinen eines breiten Wehrerkers darüber und (späteren) Wehrgangbögen. Auch von den Befestigungen des 13. Jahrhunderts blieb in Unterfranken wenig. Viele der damals ersterwähnten Städte bzw. oppida werden sich bis ins 14. Jahrhundert mit Gräben und Holz-Erde-BeBefestigungen des 13. Jahrhunderts festigungen begnügt haben, wofür Neustadt an der Saale das beste Beispiel ist. 1242 als wenig befestigt (parvum munitum) erwähnt, gelang dort die archäologische Feststellung eines frühen Torturms aus Holz, dem erst im späten 14. Jahrhundert die Steinmauer folgte. In einigen anderen Fällen sind (später ergänzte, anfangs offenbar turmlose) Mauern schon des 13. Jahrhunderts zu vermuten. Das gilt für Karlstadt, wo Bischof Otto (1207–23) die Bürger zum Mauerbau verpflichtete, oder für das fuldische Hammelburg, dessen Mauer 1242 begonnen und bis 1256/60 vollendet wurde; Reste in den jüngeren Türmen bestätigen hier die Zweiphasigkeit. Schweinfurt, schon 1226/30 civitas bzw. oppidum, aber wohl erst um 1254 an die heutige Stelle verlegt, besaß hinter einem breiten Graben eine schwache, 12 m dahinter eine starke Mauer; beide sind undatiert, aber eine Mauer ist 1282 erwähnt. In Münnerstadt wurden vor zwei (spätromanische?) Rundbogentore der Mauer später Tortürme gesetzt. Besonders interessant ist die 1275 erwähnte Mauer von Röttingen (die Stadt war im 13. Jahrhundert Sitz einer hohenlohischen Nebenlinie), denn hier gibt es anfangs niedrige, querrechteckige Mauer- und Tortürme in Schalenform, von denen zumindest einer auch ein schlicht „romanisches“ Rundbogentor aufweist. Mag daher ein Großteil der Mauer ins mittlere(?) 13. Jahrhun-
dert gehören, so zeigen doch Fallgatterklauen und mehrere Rundtürme, dass auch im 14. Jahrhundert noch Wesentliches geschah. Der verschwundene Brückentorturm von Kitzingen (oppidum 1290) besaß schon spitzbogige Doppelfenster. Oft ist aber so wenig erhalten, dass sich Aussagen über die Befestigungsart im 13. Jahrhundert verbieten; das gilt etwa in Ebern (civitas 1230), Haßfurt (munitio 1230, oppidum 1243), mit Tortürmen des 15./16. Jahrhunderts, in Mellrichstadt (Tore 1283, oppidum 1319), wo die Mauer wohl erst auf zwei Stadterweiterungen folgte, und in Kissingen (oppidum 1279). Auch in Miltenberg, Rieneck und Wörth mögen erste Mauern vor 1300 entstanden sein. Die große Zeit des Mauerbaues in Unterfranken – von etwa 1300 bis ins mittlere 15. Jahrhundert, mit ausgeprägter Nachblüte im 16. Jahrhundert – kann in drei Phasen unterschieden werden. In der Die Blütezeit (um 1300–1430) ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird, in noch wenigen Fällen, mit verschiedenen Formen experimentiert, während ab dem späteren 14. Jahrhundert sehr einheitliche Formen auftreten; diese beherrschen auch noch die Zeit nach 1430, modifiziert durch erste Wirkungen der Feuerwaffen, insbesondere auch durch das Auftreten von Zwingern. Noch in die erste Jahrhunderthälfte gehören die weitgehend erhaltenen Mauern von Iphofen (begonnen 1293), Ochsenfurt (1313/1338 oppidum), Ebern und Fladungen (Befestigungsrecht 1335); in Königshofen (Ungeld 1315) und Königsberg (1330 oppidum) ist wenig erhalten. Die vier Mauern zeigen in der Turmausstattung zwei Modelle. In Ochsenfurt sind drei der Ecktürme sekundär; der runde „Nikolausturm“ an höchster Stelle mag original sein und sicher sind dies die beiden Tortürme, ehemals Schalentürme mit Eckbuckelquadern und Klauensteinen für das Fallgatter. Auch in Iphofen, wo 1293 der Jude Michelmann zum Bauaufseher ernannt wurde, stammt neben dem Kern zweier schlichter Tortürme nur der Unterbau eines runden Eckturmes aus dieser Bauzeit. Im Gegensatz dazu zeigten Ebern und Fladungen von vornherein quadratische, hohe Eck- und Mauertürme, als Volltürme oder Schalen. Fladungen besitzt daneben noch einen Halbrundturm und mehrere Wehrerker. 13. Unterfranken
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Abb. 382 Miltenberg, der „Spitze Turm“ (um 1403) war das Tor der Vorstadt, das der Ankömmling aus Richtung Aschaffenburg zuerst sah. Dementsprechend ist er mit den runden Eckwarten der Wehrplatte und dem schmaleren Aufsatz besonders repräsentativ gestaltet (Kunstdenkmäler Bayern, Unterfranken, 18: Miltenberg, 1917).
Hier tritt also, nach einer turmarmen Frühphase, gegen Mitte des 14. Jahrhunderts zunächst eine beachtliche Vielfalt der Formen auf . Die erhaltenen Tortürme aus der Phase von etwa 1380 bis 1430 (Aschaffenburg, „1380“; Mainbernheim, nach 1382; Iphofen, „Pesttor“, nach 1384; Prichsenstadt) zeigen zumeist spitzbogige Durchfahrten (rundbogig: Volkach) und Eckbuckelquader, manchmal auch Klauensteine für Fallgatter und in Klingenberg genaste Fenster. Die stattlichen Tortürme in Münnerstadt mögen in dieselbe Zeit gehören; zwei waren Schalen, während der „Dicke Turm“, rund über quadratischem Sockel, in gutem Buckelquaderwerk, noch älter sein kann. Das Lohrer „Niedertor“ wurde ausnahmsweise durch einen hohen quadratischen Turm neben dem Tor gesichert, der Eckbuckelquader und Rechteckfenster zeigt (1331 „stat“, Turm wohl 1385 vollendet). Die beiden Vorstadttore des mainzischen Miltenberg 116 Topographischer Teil
(um 1403/05) schließlich gehören formal in mittelrheinische Zusammenhänge: Das gilt besonders für den über Rundbogenfries vorgekragten Wehrgang mit runden/polygonalen Eckerkern, beim „Spitzen Turm“ auch für den schlankeren Aufsatz (Abb. 382). Unter den Mauertürmen beherrschten ab dem späten 14. Jahrhundert die voll- und halbrunden Bauten vollständig das Feld (Prichsenstadt, nach 1367; Mainbernheim, nach 1382; Iphofen/Vorstadt, nach 1384; Gerolzhofen, vor 1397; Ochsenfurt, „Centturm“, „1411“; Röttingen, Mellrichstadt, Neustadt). Erkerartig vorkragend findet man sie auch in Neustadt und in Heidingsfeld (um 1367/76), wobei sie im zweiten Falle nur außen vorkragen; kleine Erker gibt es in Homburg (nach 1332/66?). Kaum je mischt sich ein Rechteckturm unter die runden (Heidingsfeld, Mainbernheim). Nur im mainzischen Bereich trifft man von Anfang an mittelrheinisch geprägte Formen. Das gilt für die erste Erweiterung von Miltenberg (um 1346), die Rechtecktürme und Scharten unter Wehrgangbögen zeigt, aber auch für das kleine Obernburg (Befestigungserlaubnis 1344), das gleichfalls Rechtecktürme, teils wohl als Schalen, erhielt. Die Mauern selbst bleiben bis Mitte des 15. Jahrhunderts absolut schlicht; ungewöhnlich sind die Strebepfeiler für den Wehrgang in Heidingsfeld und der fehlende Wehrgang in Mainbernheim. Ab etwa 1430 – die Hussitenangst dürfte mitgespielt haben – sind in Unterfranken erste Wirkungen der Feuerwaffen festzustellen, vor allem das vermehrte Auftreten von Schießscharten und von Zwingern mit runden Streichwehren. Vom Bau eines „Zwingers“ ist schon 1390 in Ochsenfurt die Rede, und eben dort findet man an der beZwinger und Vortore des 15. Jahrhunderts drohten Südseite Reste einer ganz ungewöhnlichen Zwingermauer, ehemals bis zu 10 m hoch, mit überwölbtem Wehrgang und hohen Erkertürmen – quasi eine zweite Hauptmauer und vielleicht eine wichtige Vorstufe für die späteren, niedriger ausgebildeten Zwinger. Der Zwinger um die Kernstadt von Würzburg (ab 1428/30) dürfte sonst der älteste sein, in der im 15. Jahrhundert verbindlichen Form mit niedrigen Streichwehren; sehr ähnlich ist jener in Kitzingen, der vielleicht 1443 begonnen wurde (dies wird bisher
auf die Vorstadtmauer bezogen, die aber ein Datum der 1470er Jahre trägt). Die übrigen Fälle sind nicht näher datierbar, aber die runden Streichwehren fehlen nie; gelegentlich ist ihr Obergeschoss über Kehlen vorgekragt (Lohr). Scharten sind nun normal: einfache Schlitze (Mellrichstadt), rechteckige Maulscharten (Neustadt, Schweinfurt), solche mit Visierschlitz bzw. T-förmig (Lohr, Aub) und Schlüsselscharten (Klingenberg). Oft ist nur noch die Grundrissform kenntlich (Amorbach, Hammelburg, Karlstadt, Münnerstadt, Gerolzhofen). Vortore und Außentore des 15./16. Jahrhunderts sind selten erhalten. Wichtig ist Iphofen, das seine vier Toranlagen weitgehend bewahrt hat; neben dem mit Buckelquaderfront und runden Eckerkern ausgestatteten „Einersheimer Tor“ (Abb. 383) ist vor allem das Außentor am „Rödelseer Tor“ mit Recht berühmt, vor allem wegen seiner teils in die Bauzeit (1455/66) gehörenden Fachwerkrückseite (Abb. 170). Datiert sind der allein erhaltene Eckturm des Vortores am Aschaffenburger „Herstalltor“ („1545“) und das barock umgestaltete Torhaus in Karlstadt („1549“). In Mainbernheim gibt es noch hausartig überbaute Vortore, in Mellrichstadt geringe Reste; die Vortore mit runden Ecktürmen (1607) in Volkach sind zerstört, wie auch die Anlagen in Würzburg. Die weiterhin runden, immer noch hohen Mauertürme des 15. Jahrhunderts setzen die Tradition des 14. Jahrhunderts fort, aber ergänzt um Schießscharten in den zeittypischen Formen (einzelne Rechtecktürme sind in Karlstadt, Ochsenfurt und Obernburg erhalten). Schlanke Vollrundtürme stehen noch in Karlstadt, Gemünden und Kissingen, Halbrundtürme bzw. Schalen findet man in Hammelburg, Ostheim, Iphofen, Arnstein und, sehr reduziert, in Schweinfurt. Der „1451“ datierte „Zuckmantelturm“ der Miltenberger Vorstadt mit seinen Schlüsselscharten ist schon recht niedrig, ähnlich den Türmen in Eltmann, während die äußere Mauer von Kitzingen mit dem in die 1470er Jahre datierten „Falterturm“ und seinem Gegenstück („Marktturm“) an der inneren Mauer das Fortleben der sehr hohen Türme belegt; dort ist einer von den vielen anderen Rundtürmen „1496“ datiert. In Zeil (vor 1452) sind schartenreiche Rundtürme durch Wehrerker ergänzt, und ähnlich findet man es
Abb. 383 Iphofen, das Vortor am „Einersheimer Tor“ entstand wohl im 15. Jh.; der ältere Torturm ist gekappt und daher von der Feldseite nicht zu sehen.
in Aub (Befestigungserlaubnis 1404). Der mainzische Bereich vor dem Spessart zeichnet sich auch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch durch reiche Schmuckformen aus: Wehrplatten mit Türme und Mauern im 15. Jahrhundert Ziererkern über Rundbogenfriesen findet man vor allem in Großostheim und Großwallstadt, an hohen Rundtürmen neben Toren, ähnlich in Obernburg, auf wohl älteren Rechtecktürmen; sonst ist als „Schmuck“ nur eine gelegentliche Vorkragung der Brustwehr über einer einfachen Schräge zu notieren. Auch die Mauern selbst wurden im 15. Jahrhundert mit Scharten unterhalb der stets vorhandenen Wehrgänge versehen; erkennbar ist dies noch in Eltmann, der Vorstadt von Iphofen und vor allem in Schweinfurt, wo der Wehrgang in13. Unterfranken
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Abb. 384 Neubrunn, der erhaltene Torturm der kleinen Stadt entstand um 1460.
nen über weiten Stichbogen vorkragt und unter jedem zehnten Bogen eine Schlitzscharte sitzt. Die Tortürme des 15. Jahrhunderts zeigen widersprüchliche Merkmale, die vielleicht eine Entwicklung spiegeln. Manche Tortürme des frühen(?) 15. Jahrhunderts betonen bis zu siebengeschossig die Höhe, als höchstens geschossweise zur Stadt geöffnete Volltürme (Haßfurt, Karlstadt, Aub); auch der neben dem Tor stehende Turm in Zeil ist sehr hoch (vor 1452). Nur drei Geschosse zeigt das „Mühltor“ in Gemünden, dessen Fallgatter in einer Stichbogennische saß, während sonst Klauensteine normal waren; wie der im 16. Jahrhundert sehr veränderte Turm in Zellingen dürfte es in die Zeit des Bischofs Rudolf von Scherenberg (1466–95) gehören. Nebentore tendieren dagegen zum niedrigen Torbau, wie etwa ein Wassertor mit profiliertem Spitzbogengewände, Klauensteinen und Eckbuckelquadern in Kitzingen; ähnlich sieht ein Wasserauslass in Aub aus. Moderne Schießscharten 118 Topographischer Teil
bleiben bei den Tortürmen eine Ausnahme, so, als behalte hier ein repräsentativer Anspruch das Übergewicht; eine Ausnahme ist auch das eher nüchterne, schartenreiche Markttor in Burgsinn, während der Torturm in Neubrunn (Erzbischof Dietrich, 1459–62) ein weiteres Mal den Schmuckaufwand mainzischer Bauten betont (Abb. 384). Neben Schlüsselscharten und Zugbrückenblende findet man hier Rundbogenfries, Wurferker und sogar Reliefs; der Turm übernimmt Formen eines nahen Mauertores von „1414“. Das „Theoderichstor“ (1439/59) unter der erzbischöflichen Burg Aschaffenburg war als Nebentor turmlos, aber ehemals durch mehrere breite Erker gesichert. Seit dem späten 15. Jahrhundert geht die Entwicklung in Unterfranken eher ungewöhnliche Wege. Wurden anderswo die wichtigeren Städte durch massive Bollwerke verstärkt, so blieb dies hier aus, offenbar, weil den Bischöfen an starken Städten wenig lag; der Bauernkrieg zeigte die Schärfe der inneren Spannungen. Selbst in Würzburg folgten auf die 1506/07 abgeschlossenen Stadterweiterungen bis Dorfbefestigungen zum Dreißigjährigen Krieg des 16. Jahrhunderts nur noch die Modernisierung des erhaltenen „Hirtenturms“ (1564) sowie Vorwerke am „Sander Tor“ (1553) und „Stefanstor“ (1624–26). Nimmt man hierzu noch den repräsentativen, aber wehrtechnisch völlig überholten neuen Turm des „Hohntores“ in Neustadt (1578–80), so sind die Neubauten in den größeren Städten schon aufgezählt. Dennoch bildet das 16. Jahrhundert – bis zu dem baufreudigen Würzburger Bischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573–1617) – eine reiche Spätphase unterfränkischen Mauerbaues, und zwar wegen der zahlreichen Dörfer, die auch jetzt noch neu befestigt wurden. Dabei sind zwei Formen verschiedenen Anspruches erkennbar: einerseits eine Umwehrung nur mit Zäunen bzw. Hecken und Torhäusern, andererseits Mauern mit regelmäßig gereihten runden Volltürmen. Dieser aufwendigere Ausbau, der meist mit der Erhebung zu einem Markt oder gar einer Stadt verbunden war, ist schwerpunktmäßig im Weinbaugebiet am Main östlich von Würzburg zu finden, erhaltene Beispiele der einfacheren Dorfumwehrungen überwiegend im nördlichen, zur Rhön ansteigenden Landesteil.
Abb. 385 Geldersheim, in dem unterfränkischen Dorf ist eines der regional verbreiteten Dorftore erhalten, entstanden vermutlich 1594–1602 unter Bischof Julius Echter; die Jahreszahl „1700“ am Torbogen deutet wohl auf einen Umbau.
Von den einfachen Dorfumwehrungen sind fast nur Tore erhalten, meist quer stehende Häuser, die neben der Durchfahrt noch Nutzräume enthielten, darüber Wohnungen für Wächter oder Hirten (Abb. 385); heute sind die Stein- ge-
genüber den reinen Fachwerkbauten überrepräsentiert. In Gabolshausen, wo heute die Kopie eines barocken Fachwerkbaues steht, waren die Tore schon um 1600 „sehr alt. Niemand weiß, wann sie gebaut wurden.“ Ein Spitzbogentor im steinernen Untergeschoss gibt es in Sonderhofen. Von „1551“ stammt der Steinbau in Treinfeld, von „1588“ das „Hirtentor“ in Thüngersheim, wo andere Tore „1609“ und „1751“ datiert sind und wo es auch ausnahmsweise eine Mauer mit Scharten gab. Nach seinen Wappen stammt der Steinbau in Großeibstadt, dessen Remise(?) mit toskanischen Halbsäulen schwer erklärbar ist, aus der Echterzeit, wie wohl auch der später veränderte Torbau in Nordheim. Schon barock sind die Fachwerktore in Trappstadt („1728“) und Gochsheim („1739“, mit steinernem Erdgeschoss). Im Maingebiet waren Torbauten mit Zäunen im 16. Jahrhundert die Ausnahme bzw. sie wurden bald durch Mauern ersetzt. In Etwashausen, einer Vorstadt von Kitzingen, steht noch ein Torturm von „1565“. Für Hörstein bei Aschaffenburg sind die Zäune mit einem Tor von „1562“ noch 1592 durch eine Abbildung belegt, die Mauer folgte 1597–1602.
Abb. 386 Dettelbach, die für die Region südlich von Würzburg charakteristische Rundturmmauer entstand nach der Stadterhebung 1484 bis ins mittlere 16. Jh. hinein. Auf dem Urkataster sind die Stadtmauerreste hervorgehoben; rechts Blick auf die Ostmauer gegen Norden, ganz hinten das „Faltertor“.
13. Unterfranken
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Für die aufwendigeren Mauern des späten 15. und des 16. Jahrhunderts, die sich fast nur im Maintal oberhalb von Würzburg finden, sind regelmäßig gereihte runde Volltürme mit Feuerwaffenscharten charakteristisch, verbunden durch 3–4 m hohe wehrganglose Mauern, die aber in Stehhöhe auch zahlreiche Scharten besaßen. Diese Art Befestigung knüpft an den seit 150 Jahren vorherrschenden Mauertypus der Region an, aber wohl noch direkter an die Zwingermauern des späten 15. Jahrhunderts in der Region, die hier quasi verselbstständigt wurden. Die Schartenformen reichen von einfachen Schlitzen über Variationen der Schlüsselscharte bis zu den oft ovalen Stufenscharten der Renaissance. Die Tendenz zur Anbringung von Jahreszahlen an Toren und Türmen belegt Bauzeiten, die fast immer mehrere Jahrzehnte umfassten. Eine große Variationsbreite zeigen bei diesen Städten die Tore, die nur selten noch höhere Türme waren (Frickenhausen, 1578/80, mit Vortor); üblich waren hier Torbauten über quadratischem Grundriss mit meist nur einem Obergeschoss. Die obersten Geschosse waren, wie auch bei den Türmen, manchmal aus Fachwerk (Sommerhausen, Marktbreit, Sulzfeld). Eine fortifikatorisch betonte Variante im mainzischen Gebiet bilden die trichterförmig eingezogenen Torgassen in Kleinwallstadt, Stockstadt und Sulzbach, an deren feldseitigen Ecken kleine Rundschalen das Vorfeld sicherten (um 1500?).
Das malerische Doppelturmtor der Vorstadt von Prichsenstadt (um 1550–90) war ein Einzelfall in Unterfranken. Weitgehend erhaltene Beispiele solch später Mauern, zugleich städtebauliche Ensembles ersten Ranges, findet man noch in Frickenhausen (1468–1562), Dettelbach (1484 bis um 1550), Eibelstadt (Stadtrecht 1443, Mauerbau 1512–75), Sommerhausen (1513–31), Marktbreit (1529–58) und Sulzfeld (1573; Abb. 386). Unter den Städten mit geringerem Bestand seien genannt: Stadtlauringen (nach 1475, Inschriften 1613–17), Gerolzhofen (äußere Mauer, zwischen 1489 und 1519), Hofheim (1525 Befestigung erwähnt, 1576 Stadt), Rothenfels (Schalenturm, 1525?), Geldersheim (1594–1602) sowie Euerdorf, Goßmannsdorf, Hendungen, Kleinheubach, Kreuzwertheim, Niedernberg und Stockheim. Eine Landwehr scheint in Unterfranken nur Würzburg besessen zu haben – vielleicht auch dies ein Zeichen der Schwäche der Städte im Spätmittelalter. Andere Landwehren grenzten offenbar größere Herrschaften ab, ohne Bezug auf eine Stadt; ein Zeugnis dessen ist der wohl gräflich wertheimische Turm bei Eichenbühl. Häufiger waren allein stehende Warttürme – etwa bei Neustadt, Ochsenfurt und Mellrichstadt – und Ketten von Warttürmen, die zur Signalvermittlung dienten, so etwa südlich von Neustadt an der Saale.
14. Württembergisch Franken Im Nordostteil von Baden-Württemberg siedelten im Gegensatz zum Rest des Bundeslandes nicht Alemannen, sondern Franken, was man heute noch an der Sprache bemerkt. „Württembergisch Franken“ wird hier pragmatisch definiert als Nordteil des Regierungsbezirks Stuttgart, der südlich durch die Kreise Heilbronn und Schwäbisch Hall gegen das Neckarland (vgl. Kapitel 7.) abgegrenzt ist. Erst die napoleonische Zeit hat hier die politische Landschaft vereinheitlicht, als sich die Randbereiche größerer Territorien mit kleineren mischten, wobei sie allerdings durch Zuordnung zu den neuen Einheiten Baden und Württemberg zunächst erneut gespalten 120 Topographischer Teil
wurden. Im Mittelalter waren hier neben Württemberg auch Kurpfalz, Mainz und Würzburg einflussreich, daneben als lokale Mächte die Grafschaften Hohenlohe und Limpurg, der Deutsche Orden, die Reichsstädte Heilbronn und Hall (heute im Grunde falsch „Schwäbisch“Hall). Im 13. Jahrhundert noch auf die beiden Reichsstädte und einige kleinere Städte vor allem an Neckar, Main und Tauber beschränkt, entwickelte das württembergische Franken im Spätmittelalter eine reiche Kultur von Kleinstädten, ergänzt durch befestigte Dörfer vor allem in den Weingegenden (geringe Reste nur in Ochsenburg).
Die älteste Mauer der Region, in wichtigen Resten erhalten und in einer anschaulichen Monographie von Eduard Krüger dargestellt, besaß („Schwäbisch-“)Hall, dessen Salzquelle eine frühe städtische Entwicklung ermöglichte. Die Weihe der Pfarrkirche St. Michael 1156 und das Münzrecht durch Friedrich I. datieren freilich, entgegen Krüger, noch nicht die Mauer, zumal um die Solequelle, unter dem Spiegel des Kochers, undatierte Mauern bis Mitte des 13. Jahrhunderts Reste einer kräftigen Palisade mitsamt Torbau erhalten blieben. Die erste Mauer umfasste einen Hügelausläufer über der Saline, der bergseitig durch einen Halsgraben geschützt wurde (Abb. 59); in der Mitte der Mauer aus lagerrechtem Bruchstein stand hier bergfriedähnlich ein querrechteckiger, nur als Stumpf erhaltener Turm („Folterturm“, Oberbau 15./16. Jahrhundert). Diese Mauer wird spätestens bald nach 1200 entstanden sein, denn noch in romanischer Zeit, vor 1250, ummauerte man sekundär, nach Zuschüttung eines Kocherarmes, auch den Stadtteil um die Saline. Das „Sulfertor“ zur Kocherfurt ist ein niedriger, querrechteckiger Torturm mit Eckbuckelquadern und ebensolcher Rundbogenpforte ins Obergeschoss (Abb. 387). Gleiche Merkmale in Grundriss und Quaderung zeigt auch der „Malefizturm“, der sekundär an die älteste Mauer gesetzt wurde. Die andere wichtige Reichsstadt der Region, Heilbronn, war nach allgemeiner Annahme 1241 schon ummauert, weil das staufische Steuerverzeichnis dieses Jahres ihr keine Befreiung gewährte. Erhalten ist dort nichts, jedoch lassen zwei Ecktürme des späten 14. Jahrhunderts die Vermutung zu, dass auch diese Mauer anfangs turmlos oder turmarm war. Sie zeigte jedenfalls eine Mauergasse, was in der Region sonst selten war (Mergentheim, teilweise Weinsberg). Neben den beiden Reichsstädten wurden um die Mitte des 13. Jahrhunderts auch vier kleinere Städte um die hohenlohische Ebene und am Main ummauert. Das Heilbronn benachbarte Weinsberg, unter der frühen Reichsburg, ist als Stadt zwar erst 1287 indirekt belegt, aber die Pfarrkirche geht ins frühe, die Mauer mindestens ins mittlere 13. Jahrhundert zurück. Sie zeigt Buckelquader, teilweise offenbar mit Bauabschnitten; von den wenigen quadratischen Türmen ist allein
Abb. 387 Schwäbisch Hall, das im Grundriss querrechteckige „Sulfertor“ (wohl Mitte des 13. Jh.) führte zu einer Furt über den Kocher. Der originale Zinnenkranz ist noch zu erkennen.
der schalenförmige „Wachtturm“ erhalten, ferner ein Rest an der Ecke gegen die isolierte Burg. Georadarmessungen konnten belegen, dass es 1375 belegte Schenkelmauern zur Burg wirklich gab, die aber schon vor diesem Jahr durch eine Stadtmauer unterhalb des Burgberges ersetzt worden waren. Öhringen, als Stift des 11. Jahrhunderts das frühe Zentrum des späteren Hohenlohe, erhielt die zweite Buckelquadermauer der Region (Abb. 388); weitgehend erhalten, lässt sie jedoch nur noch den Rest eines (originalen?) Rechteckturmes sowie einen Aborterker erkennen. Gräfliche Gründungen in beherrschender Lage sind dagegen Waldenburg über der hohenlohischen Ebene und Wertheim an der Taubermündung in den Main. Wertheim nahm schon um 1200 stadtartige Züge an; von der an die Burg anschließenden Mauer in Sandsteinbruchstein sind erhebliche Teile erhalten, auch die romanische Durchfahrt des „Hirschtores“, das ein außen 14. Württembergisch Franken
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Abb. 388 Öhringen, die Buckelquadermauer um den älteren Stadtkern entstand wohl im mittleren 13. Jh. und weist in Steinbearbeitung und Verband nur mittelmäßige Qualität auf.
Abb. 389 Waldenburg, der querrechteckige „Lachnersturm“ aus dem mittleren 13. Jh. schützte mit dem früher danebenliegenden Tor die schmale Angriffsseite der Stadt. Davor eines von zwei Rondellen wohl der Zeit gegen 1500.
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fluchtender Schalenturm war. Die anderen originalen Tore sind verschwunden, weitere Türme fehlten. Jedoch sind Zinnen unter dem „Altan“ der Burg erhalten, ein Wehrgangrest aus Steinplatten über Konsolen an der Tauberseite. Die hohenlohische Burg und die Stadt Waldenburg sind fraglos als Einheit geplant, knapp vor der Ersterwähnung 1253. Die schmale Angriffsseite der Stadt wird vom „Lachnersturm“ gesperrt, einer Mischung aus Bergfried und Schildmauer (Abb. 389), ähnlich dem älteren Haller „Folterturm“ oder dem Rottweiler „Hochturm“. Von den beiden Nebentoren zum Berghang zeigt das östliche, zur Quelle im Tal, noch das originale, spitzbogige Buckelquadergewände, während das „Mainzer Tor“ – man beachte den politischen Anspruch des Namens, die Stadt Mainz ist knapp 200 km entfernt – als verbauter Torzwinger des 15. Jahrhunderts erhalten blieb. Das 14. und frühe 15. Jahrhundert war die Blütezeit der Mauern in Württembergisch Franken, die allerdings schwer beurteilbar bleibt, weil von den in Bruchstein ausgeführten, in der Regel gassenlosen Mauern meist nur verMauern des baute Reste erhalten sind und 14. Jahrhunderts auch Baudaten fast immer fehlen. Bei den Mauern dieser Phase gab es sowohl solche, die fast nur Rechtecktürme besaßen, als auch solche, die weitgehend auf (halb)runde Türme setzten. Für beides lassen sich in den anderen Teilen Frankens Vergleichsbeispiele finden; und man könnte vor diesem Hintergrund vermuten, dass die rechteckigen Türme das ältere Modell aus dem 14. Jahrhundert, die Rundtürme – wie vor allem in Unterfranken – eine Entwicklung des 15. Jahrhunderts darstellen. Dass es so einfach nicht ist, zeigen die beiden Vorstädte von Schwäbisch Hall, die praktisch zeitgleich ab den 1320er/30er Jahren ummauert wurden und beide Modelle nebeneinander zeigen. Der Fall ist interessant, deutet er doch darauf hin, dass die Planer unter Umständen zeitgleich nach verschiedenen Modellen arbeiteten; denn zwei Baumeister wird man wegen des hohen Aufwandes, der in der gleichzeitigen Ummauerung zweier großer Vorstädte lag, annehmen dürfen. Allerdings weist auch manches darauf hin, dass die Rundtürme länger in Mode blieben, mindestens bis ins mittlere 15. Jahrhundert.
Abb. 390 Creglingen, der „Faulturm“ ist ein Eckturm der Stadt, wohl aus der 2. Hälfte des 14. Jh.
Abb. 391 Heilbronn, der „Götzenturm“ (seit dem 17. Jh. auch „Bollwerksturm“) ist ein der älteren Mauer 1392 hinzugefügter Eckturm (mit Zinnen von 1899). Götz von Berlichingen soll als Gefangener hier eine Nacht verbracht haben.
Das regional aufwendigste Beispiel einer Mauer mit regelmäßig gereihten Rechtecktürmen war fraglos Mergentheim, das um 1335–61 vom Deutschen Orden (erneut, nach einer ersten Mauer um 1280–1300?) befestigt wurde; von den auffällig breiten, hinter der Mauer stehenden Türmen ist nichts erhalten, ebenso wenig wie von der vergleichbaren Mauer des kleineren Boxberg, das 1332 zuerst als Stadt erwähnt wurde. Das besterhaltene Beispiel ist Ingelfingen, das 1323 Marktrecht erhielt, 1334 Stadt genannt wurde und 1357 sein „Oberes Tor“ besaß. Hier sind, an den nicht von Burg und Fluss gedeckten Seiten, vier nicht vorspringende Rechteckschalen erhalten; eine Poterne wurde jedoch von einem Rundturm gedeckt, um den der Wehrgang auf Kragsteinen herumgeführt war. Die „Gelbinger Vorstadt“ von Hall, ummauert ab 1324, besaß mit dem „Röhler-“ und dem „Beyschlagturm“
wohl zwei originale Rechteckschalen, während der „Josenturm“ eher symbolhaft den Kapellenchor der Josenkapelle überhöht. Mit ganz wenigen Rechtecktürmen kamen noch mehr Mauern aus, unter denen jene von Wimpfen am Berg (um 1300?) wohl die früheste war. Obwohl nicht klein, besaß die bald freie Reichsstadt neben zwei Tortürmen höchstens drei weitere Türme; leider sind neben einer Durchführung der Stadtentwässerung nur verbaute Mauerteile erhalten. Niedernhall erhielt 1356 Stadtrechte und dann ab 1361, nach einem Vertrag der zwei Besitzer Mainz und Hohenlohe, seine Mauer, die Türme nur an drei Ecken besaß; der südwestliche „Faselturm“, im Erdgeschoss zur Stadt geöffnet, ist original erhalten, an der Nordwestecke kragte nur ein Erker vor. Etwa gleichzeitig entstanden ist wohl die Mauer des 1363 zur Stadt erhobenen und ebenfalls etwa 14. Württembergisch Franken
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rechteckig ummauerten Sindringen; auch zwei nur im Erdgeschoss offene Ecktürme erinnern an Niedernhall, obwohl es hier auch einen runden Eckturm gab. Die kleine Burgstadt Forchtenberg (1298 oppidum) besitzt noch zwei Schalentürme; der Eckturm wurde schon „1431“ zum Gefängnis umgebaut, der andere ist eine Neuschöpfung von 1989. Auch in Weikersheim (als Stadt 1314/23 erweitert) ist ein 1602 umgestalteter Eckturm neben dem Schloss erhalten, in Creglingen (Stadtrecht 1349) neben zwei kleinen Schalen („Lindleinturm“, „Schlosserturm“) der „Faulturm“; der gut erhaltene Eckturm ist ein verschoben viereckiger Vollturm mit originaler Rechteckpforte, unveränderten Schlitzen und Fenstern sowie vorkragender Wehrplatte (Abb. 390). Schließlich besitzt Grünsfeld noch zwei Schalentürme, von denen einer wenig verändert ist. Die aufwendigsten Türme der Region erhielt Ende des 14. Jahrhunderts Heilbronn; die Mauer des 13. Jahrhunderts besaß einige Rechtecktürme, vielleicht auch originale, aber erhalten sind nur die Ecktürme zum Neckar. Der rechteckige „Götzenturm“, dessen Buckelquaderschale und Zinnen über Rundbogenfries nach 1944 erneuert wurden, trägt die Inschrift „Anno Domini 1392 da ward der turn an gebaut nach Georgi“ (Abb. 391). Zur Stadt ist er geschossweise in Spitzbögen geöffnet; Spitzbogenpforten zu den Wehrgängen, kleine Rechteckfenster und Schlitzscharten mit Dreieck- und Hufeisenfuß passen zur Erbauungszeit. Der runde „Bollwerksturm“ zeigt ähnliche Merkmale, jedoch eine Pforte mit Konsolsturz. Auch die Mauern mit runden Turmformen verwenden diese konsequent, also mit Rechtecktürmen nur als seltene Ausnahme. Die wohl früheste Mauer dieser Art umzog die Kocher- bzw. St. Katharinenvorstadt in Hall und entstand 1330–63 (Abb. 392); von der Reihung meist halbrunder Türme gegen die Bergseite ist nur der „Scharfrichterturm“ mit Schlitzscharten in mehreren Geschossen aufgehend erhalten. Crailsheim, das 1338 hällisches Recht erhielt und ab 1350 ummauert wurde, besaß mindestens drei Rundtürme, von denen nur der bergfriedartige, hinter der Mauerecke stehende „Diebsturm“ gut erhalten ist. Neudenau (1263 als Stadt erwähnt) besaß mehrere Rundtürme, von denen auch 124 Topographischer Teil
mindestens einer (sekundär?) hinter der Mauer stand; erhalten ist nur der Stumpf eines vorspringenden Eckturmes. Die meisten „Rundturmmauern“ gehörten auch in Württembergisch Franken erst ins späte 14. und ins 15. Jahrhundert. Die aufwendigste, aber leider undatierte besaß Tauberbischofsheim; sie zeigte weit überwiegend vollrunde und schlitzförmig zur Stadt geöffnete Schalentürme, erhalten ist nur ein Rundturmstumpf neben einem Bachdurchlass. Kirchberg wurde 1365 als „neue Stadt“ erwähnt und erhielt 1373 Ummauerungsrecht; auf die Spornlage mit einer Burg auf der Spitze reagierte man hier markant mit zwei Rundtürmen, die den Ecken der Angriffsseite aufgesetzt sind und von denen einer als Kirchturm barockisiert ist (Abb. 393). Der östliche, auch das Tor schützende besitzt eine hoch gelegene Spitzbogenpforte und wurde im 16. Jahrhundert erhöht. Die Mauer trägt gegen den Halsgraben noch den Wehrgang mit teils originalen Zinnen in 7–8 m(!) Abstand. Die Vorstadt „Altstadt“ von Öhringen wurde nach 1370 ummauert und zeigt mehrere schlanke Halbrundtürme, teils mit Schartenformen erst des 15. Jahrhunderts und in einem Falle mit Rundbogenfries; zwei Rechtecktürme, einer an der Südwestecke, akzentuierten die Turmreihung. Der Rundbogenfries unter der Wehrplatte bzw. auch unter der Brustwehr der Mauer – ein Element, das zweifellos vom Mittel- und Oberrhein einsickerte – ist auch sonst verbreitet. In Niederstetten (1340 Stadtrecht, 1367 jenes von Gelnhausen) sind noch drei Rundtürme erhalten, die nach den Schartenformen wohl noch ins 14. Jahrhundert gehören, aber im 15. Jahrhundert modernisiert wurden. Zwei runde Ecktürme, einer noch mit den Konsolen des Rundbogenfrieses, sind auch in Neckarsulm (als Stadt 1335 erweitert) erhalten; daneben gibt es den erneuerten quadratischen „Centturm“, der wohl ein Wohnturm war. Gundelsheim am Neckar erhielt 1378 Stadtrecht; die Mauer entstand mit dem Zwinger der Burg Horneck in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und besitzt Rundtürme mit außen erweiterten Senkscharten. Die Wehrplatten und Wehrgänge der Mauer waren durch Rundbogenfries abgesetzt, ein neckarseitiger, burgnaher Turm besaß ein zusätzliches Geschoss über dem Fries mit Rechteckfenstern und einem
Erker zum Fluss – eine Art Belvedere? Nächster Verwandter von Gundelsheim und zugleich die bestdatierte Mauer dieser Stufe ist Möckmühl, wo das oppidum des 13. Jahrhunderts noch 1454 auf der Höhe bei der Burg lag; aber schon 1373 wird die weitgehend erhaltene Mauer um die Stadt im Tal genannt (Abb. 82). Auch hier sind die (ehemals farbig gefassten!) Rundbogenfriese und die Rundtürme typisch, aber es gab auch zwei quadratische Türme. Im 15. Jahrhundert modernisierte man schließlich auch die spätromanische Mauer von Wertheim, und zwar durch Rundtürme hinter oder vor der Mauer; neben dem „Weißen Turm“, der stadtseitig abgeflacht und im Spitzbogen geöffnet war, ist der „Spitze Turm“ zwischen Main und Tauber ein schmuckreiches Symbol, vergleichbar rheinischen Beispielen (Rüdesheim, Oberwesel, Andernach, Köln). Auf durch Setzung schief stehendem Rundsockel erhebt er sich achteckig, bis zur Wehrplatte über Maßwerkfries und einem Gratgewölbe; die Wehrplatte besitzt an den Ecken Runderker, die mit vermuteten Spitzdächern ein besonders reiches Bild geboten haben müssen.
Abb. 392 Schwäbisch Hall, die bergseitige Mauer der „Vorstadt jenseits Kochens“ (um 1330–63), in der Rekonstruktion von Eduard Krüger (E. Krüger, D. Stadtbefestigung v. Schwäb. Hall, 1966).
Einige Städte kamen anscheinend mit einem einzigen Rundturm aus, so die Rechteckanlage von Lauffen, deren Südseite über einem 5 m hohen Felssockel noch mit Zinnen erhalten ist, das wohl 1325 gegründete Neuenstadt oder das 1351 privilegierte Neuenstein, beide mit Eckturm. Noch sparsamer waren Erkertürme, deren ehemalige Anzahl völlig unbekannt bleibt, von denen aber Reste in Lauffen, Grünsfeld und Niedernhall erkennbar blieben. Auch völlig turmlose
Abb. 393 Kirchberg an der Jagst, Ansicht der Stadt von Südwesten. Die Stadt entstand in etwa dreieckiger Form vor der Burg auf der Spornspitze; das aus dieser entstandene Renaissanceschloss ist rechts hinten sichtbar. Die Angriffsseite der Stadt wurde durch zwei Rundtürme an beiden Ecken gesichert (um/nach 1400).
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Städte scheint es noch immer gegeben zu haben, denn um 1300 wird eine Reihe kleiner Burgstädte fassbar, bei deren Mauern jeder Hinweis auf Türme fehlt: Löwenstein (Stadtrecht 1287 durch Rudolf von Habsburg), Külsheim, (1292 Stadtrecht, Rest einer Bachdurchführung), Beilstein (als Stadt 1304 erweitert; Reste der Schenkelmauern zur Burg) und Krautheim (1306 Recht von Rothenburg), wo es noch einen Mauerteil mit Zinnen gibt und ein hallstattzeitlicher Wall als Vorwall benutzt wurde. Tortürme sind auch aus dieser Phase nur ganz selten erhalten und meist recht bescheiden; in der Regel besitzen sie Wehrgangtüren. Als größeres Beispiel ist allein das Haller „Weilertor“ zu nennen, eine Rechteckschale mit anfangs vier Balkendecken (das oberste Geschoss ist jünger) und Klauensteinen für das Fallgatter. Die anderen, meist rechteckigen Tor-„Türme“ besaßen jeweils nur ein Obergeschoss (und früher wohl eine Wehrplatte); das gilt für das nur im Erdgeschoss alte „Tränktor“ in Niedernhall, das auch noch die Klauensteine des Fallgatters zeigt, für das „Alte Heilbronner Tor“ in Lauffen und einen im 16. und 19. Jahrhundert umgebauten Torturm mit Vortor in Krautheim, schließlich für das Weikersheimer „Untere Tor“, eine nach 1945 wiederaufgebaute kleine Schale. In Eppingen (Stadtrecht 1303) stand der quadratische „Pfeifferturm“ ausnahmsweise neben dem Tor; mit Eckbuckelquadern, Rundbogeneinstieg und dem auf Doppelkonsolen herumgeführten Wehrgang gehört er wohl noch ins frühere 14. Jahrhundert. Ein einfaches Mauertor, typisch für eine Schiffslände, ist schließlich das Wertheimer „Zolltor“, das durch einen Erker auf vier Kragsteinen geschützt war. Der turmlose und nur partiell erhaltene Zwinger um die Altstadt von Hall wurde von Krüger ins mittlere 13. Jahrhundert gesetzt, weil er zwei darauf gebaute, verändert erhaltene Türme für spätromanisch hielt („Säumarkt-Turm“, „Klingenturm“); sie gehören jedoch erst ins 15. Jahrhundert. Da der Zwinger hinter der „Gelbinger Vorstadt“ durchläuft (Ummauerungsbeginn 1324), mag er als solcher dennoch im frühen 14. Jahrhundert entstanden sein. Auch die Zwinger und Torzwinger entsprechenden Zwinger beider Vorstädte dürften noch ins 14. Jahrhundert gehören, wurden aber samt den breiten Gräben bis ins frühe 16. Jahrhundert verstärkt. 126 Topographischer Teil
Alle anderen Zwingeranlagen in Württembergisch Franken gehören in die allgemeine Blütezeit der Zwinger ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Möckmühl und Gundelsheim mit ihren neuen Mauern jener Zeit erhielten von Anfang an Zwinger. Jener in Möckmühl (um 1454–73) war talseitig wohl turmlos; am Berghang unter der Burg sind zwei Reste von Streichwehren erhalten, eine rund, die andere mit vorgelegter Spitze, eine sehr seltene Form. In Gundelsheim zeugen nur noch der Rest einer runden Streichwehr vor dem neckarseitigen Eckturm und ein kleiner Mauerrest vom Zwinger. Auch vor die beiden Schenkelmauern, die von der Burg Wertheim zu Main und Tauber hinabführen – nur die tauberseitige ist erhalten –, wurden wohl erst um oder nach 1500 breite Zwinger gelegt. Ansetzend an das hochoriginelle Vorwerk der Burg, trug die Mauer eine Brustwehr über Rundbogenfries und war nur durch eine kleine halbrunde Streichwehr sowie ehemals durch das Vortor des „Hirschtores“ verstärkt, das zwei runde Erkertürme und eine Zugbrücke besaß. Verschwunden ist der Zwinger mit runden Streichwehren in Mergentheim, der erst 1540– 44(!) entstand. Weitere, kleinere Städte besitzen nur noch begrenzte Reste. Vor der gesamten Mauer von Wimpfen am Berg zog sich ein schmaler Zwinger hin, der erstaunlicherweise nur eine einzige rechteckige Streichwehr besaß; sie sicherte wohl den Ansatz einer Vorstadtmauer, deren Wehrgang und Rundschalen rechteckige Maulscharten zeigen. In Lauffen war nur die östliche Angriffsseite mit einem Zwinger gesichert, der wohl ein Ausfalltor mit Zugbrücke besaß; im Barock wurde er als Wall hoch aufgefüllt, und das „Neue Heilbronner Tor“ wurde eingebaut. Laut Matthäus Merian habe auch die Südseite der Lauffener Oberstadt einen Zwinger mit einer Streichwehr besessen. Weitere Reste gibt es in Creglingen (Bergseite, Rundschale mit Schlüsselscharte), Neuenstein (breiter Zwinger mit zwei kleinen, runden Streichwehren), Neuenstadt (Rest mit rechteckiger Streichwehr) und Crailsheim (erneuerte Reste ohne Türme). Angesichts des Bedeutungsunterschiedes zwischen Hall und den zahlreichen Kleinstädten der Region kann es nicht verblüffen, dass Hall als einzige Stadt Württembergisch Frankens eine Landwehr besaß. Die „Haller Landheg“ – aus-
nahmsweise in einem eigenen Buch dargestellt – ist 1401 (1352?) sicher erwähnt, war aber 1503 noch nicht vollendet. In durchaus typischer Weise zeigte sie mehrere Abschnitte, die auf Erweiterungen schließen lasWarten und Landwehren sen, bezog natürliche Hindernisse ein und variierte die Anzahl ihrer Wallgräben. Nur vier ihrer Durchlässe waren durch Türme gesichert, von denen der „Landturm“ bei Hörlebach erhalten ist (Abb. 251); zudem gab es ein „Stainin Wachthaus“. Isolierte Warttürme waren in Württembergisch Franken ähnlich häufig wie im benachbarten Unterfranken. Auf dem Heilbronner „Wartberg“ steht noch ein Rundturm mit hoch gelegenem Einstieg und einem Kranz von Schlüsselscharten mit trapezförmigem Fuß (und erneuertem Oberbau). Auch auf den Bergen südlich von Mergentheim steht ein Rundturm, ähnlich nordwestlich von Weikersheim. Nahe Tauberbischofsheim gab es drei Rundtürme, die als Wachen an der Fernstraße Würzburg–Külsheim interpretiert werden; östlich von Lauffen am Neckar heißt noch ein Stadtteil „Wartturm“. Ein Sonderfall ist eine Straßensperre am Mainufer, 2 km westlich von Wertheim, die an einen Rundturm am Berghang endete; und auch die Warte über Künzelsau mahnt zur Vorsicht, wurde sie doch nicht vom Marktflecken, sondern 1488 von den Herren von Stetten gegen die Hohenlohe gebaut. Im Feuerwaffenzeitalter – mit den Zwingern war schon bis ins 16. Jahrhundert vorgegriffen worden – beschränkten sich nennenswerte Verstärkungen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Verstärkungen in der und im 16. Jahrhundert Region auf wenige Fälle. Vor der seit 1102 belegten Burg Vellberg entstand im Spätmittelalter ein „Vorhof“ bzw. ein vorburgartiges Städtchen, das 1466–99 eine aufwendige und vollständige Neubefestigung mit rondellartigen Türmen erhielt – eine der besterhaltenen Anlagen dieser Zeit in Deutschland. Charakteristisch ist hier besonders die Vielfalt von Schartenformen, meist für Hakenbüchsen: Neben Schlitzscharten mit und ohne runde Erweiterung und Rechteckfenstern gibt es querrechteckige und quadratische Scharten mit Visierschlitz, schließlich auch trapezoide Senkscharten. Typisch sind ferner die unterkehlten
Vorkragungen der Wehrplatte. Die Angriffsseite war durch einen zweistöckig gewölbten Wehrgang über tiefem Halsgraben verstärkt, in deren Mitte der „1466“ und „1489“ datierte, massive und hohe Torturm steht, der unter der Durchfahrt auch der Flankierung diente. Der Torzwinger des talseitigen „Pömpelestores“ von „1499“ ist wohl der jüngste Teil der Anlage. Um 1500 entstanden noch einige weitere Mauern neu, die letzten der Region, die mit Vellberg jedoch nicht vergleichbar sind. Das Städtchen vor der hohenlohischen Burg Langenburg wurde schon 1226 oppidum genannt, aber die verbaut erhaltene Mauer gehört wohl erst ins späte 15. Jahrhundert. Neben einer Rechteckstreichwehr im Norden (vgl. Hall, Crailsheim) und einem Rundturmstumpf ist vor allem das ungewöhnliche Haupttor erhalten. Es liegt in einer trapezoiden Torgasse, die von einem Rundturm mit Schlüsselscharte gedeckt wird. Ein Vortor mit Zugbrückenblende entstand vielleicht bei weiteren Arbeiten 1612 (Vortore sind daneben nur in Hall [siehe unten] und Krautheim erhalten). Von der Mauer um das nie zur Stadt erhobene Dorf unter der Gamburg sind nur zwei isolierte Rundtürme übrig, beide mit einer Wehrplatte über Rundbogenfries, einer auf dem rechteckigen Unterbau eines ehemaligen Tores. Ein kleiner Torturm von „1496“, eine Schale mit anfangs nur einem Obergeschoss, steht noch in Lauda, außerdem ein Turm über dem ganz anomalen Grundriss einer „8“ mit Schlüsselscharten. Freudenberg (Stadtrecht 1333) erhielt eine mit Wehrgang versehene, aber turmlose, zur hoch liegenden Burg hinaufziehende Mauer, die zwei Klingen im Steilhang als Gräben nutzte; Eckerker zum Main saßen auf Rundbogenfriesen. Die Mauer des heute ganz dörflichen Wimpfen im Tal entstand über Resten der römischen Kastell- und Stadtmauern und war offenbar wehrganglos; die Südwestecke trägt Reste einer vorgekragten Rundtourelle, neckarseitig sind zwei Tore zur Schiffslände und Vorkragungen wohl des Zollhauses(?) erhalten. Unter den Verstärkungen vorhandener Mauern muss das reiche Hall wieder zuerst genannt werden; es zeigt umfangreiche Ausbauten, die aber verschiedener Art sind, so, als hätten weiterhin verschiedene Meister in verschiedenen Stadtteilen gebaut. Nach Krüger entstanden zunächst, 14. Württembergisch Franken
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Abb. 394 Schwäbisch Hall, der „Pechnasenturm“, vom bergseitigen Graben der Stadt her gesehen (der ursprünglich 5 m tiefer war), ist mit seinen Schlüsselscharten und Wurferkern eine typische Streichwehr, entstanden wohl um 1515. Das spitzbogige Tor wurde erst 1926 eingebrochen.
um 1490, hufeisenförmige, lang vorgestreckte Streichwehren (Abb. 230) mit einer zweigeschossigen Einwölbung und Hosenscharten (erhalten ist der „Pulverturm“ der „Kochervorstadt“). Um 1515 ging man jedoch, vor allem an der Altstadtmauer, aber auch neben dem „Weilertor“ (1526) der „Kochervorstadt“, wieder zu traditionelleren Formen über, nämlich quadratischen, turmartigen Streichwehren mit Schlüsselscharten. Besonders jene im „Schiedgraben“ – der „Pechnasenturm“ mit vielen Wurferkern (Abb. 394) und der „Mantelturm“ – sind gut erhalten; jedoch dürften auch „Klingen-“ und „Säumarktturm“ (die stark umgebaut sind und von Krüger irrtümlich vor 1250 datiert wurden) zu diesen Streichwehren gehören (sehr ähnliche Einzelbauten finden sich in Langenburg und Crailsheim). Zu dieser spätgotischen Ausbauphase gehörte – nach der Fenster- und Giebelform – offenbar auch das wohlerhaltene „Äußere Langenfelder Tor“ mit seinen sehr massiven Mauern. Bescheiden wirken dagegen die beiden Rundtürme an der Nordfront der „Gelbinger Vorstadt“ und die Torzwinger am „Langenfelder“ und „Weilertor“. In Waldenburg erhielt die schmale Angriffsseite wohl um 1500 einen Zwinger mit zwei Eckrondellen mit verschiedenen Schartenformen. Wohl erst in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts legte man zusätzlich ein rechteckiges, dickwandiges Vorwerk an, dessen schon beim Bau verlegtes Tor zusätzlich durch ein Rondell geschützt wurde. Von der tauberseitigen Vorstadt von Wertheim blieben nur zwei Schlüsselscharten neben dem ehemaligen Torturm. Wimpfen am Berg schließlich, das wohl schon vor 1500 eine Vorstadt am „Speyerer Tor“ und das Gerberviertel vor dem „Unteren Tor“ befestigt hatte, leistete sich vor 1546 das einzige größere Rondell
Abb. 395 Neuenstadt am Kocher, der Turm des „Oberen Tors“ wurde inschriftlich 1701–03 erbaut und ist damit einer der spätesten Tortürme, die in Deutschland neu entstanden.
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der Region (Durchmesser 24 m), das mit rechteckigen Maulscharten ausgestattet ist. Drei Tortürme und eine extrem späte Mauer bilden den Abschluss des „mittelalterlichen“ Mauerbaues in Württembergisch Franken. In Forchtenberg entstand „1604“ das „Würzburger Tor“ völlig neu, ein Schaustück gegen die Tauberbrücke; Fensterformen, Geschossgesimse und vor allem der Beschlagwerkgiebel Renaissance sind moderne Formen dieser Zeit. und Barock Vergleichbar ist das fünf Jahre jüngere „Haller Tor“ in Ilshofen (Stadtrecht 1330), das Treppengiebel mit Muschelaufsatz, Wappentafeln und Rund- bzw. Brillenscharten zeigt. Der jüngste Torturm der Re-
gion – auch in ganz Deutschland einer der letzten – steht neben dem Schloss in Neuenstadt, dessen Wirkung er zweifellos steigern sollte, und ist „1701“ und „MDCCIII“ datiert (Abb. 395). Die Schlusssteine der Durchfahrt, geohrte Fenster, die Balustrade der Plattform und ein Fachwerkaufsatz bestätigen die Entstehungszeit. Übertroffen wird dieser Spätling aber noch durch die Befestigung von Künzelsau. 1413 als Marktflecken belegt, besaß es 1495 Wall und Graben, 1525–52 sind Tore erwähnt; das erhaltene „Morsbacher Tor“ ist ein Bau mit steinernem Erdgeschoss von 1625/27 und zwei Fachwerkgeschossen von 1822 (Gefängnis). Der Bau der (verschwundenen) Mauer folgte erst 1767–86.
15. Rheinisches Schiefergebirge Rheinland-Pfalz, in seinen heutigen Grenzen eine Nachkriegsschöpfung, ist geologisch zweigeteilt. Dem siedlungsunfreundlichen Schiefergebirge im Norden – die Grenze läuft von Bingen südlich an Kreuznach und Meisenheim vorbei und erreicht das Saarland südlich von Baumholder – steht das flachere Land im Süden gegenüber, das sich zum Oberrhein, aber auch nach Lothringen öffnet. Wichtigstes Territorium war im moselanischen Schiefergebiet Kurtrier; Mainz und Kurpfalz waren es im Süden. Im Schiefergebiet gab es in römischer Zeit keine befestigten Städte; Trier als Ausnahme liegt am Rande des Buntsandsteins und war im Mittelalter stark auf Lothringen bezogen. Ansatzpunkte für die spätere Stadtentwicklung wurden aber die Kastelle des 3./4. Jahrhunderts in Boppard (Abb. 8), Koblenz, Andernach und Bitburg, die den Rhein als Spätrömische Kastelle Verkehrsweg und Grenze und Mauern bis bzw. eine Fernstraße sicherMitte des 13. Jahrten. Ihre Formen – 2–3 m hunderts dicke Mauern, außen oder beidseitig vorspringende Rundtürme und schlichte Tordurchlässe – haben aber keinen direkten Einfluss auf die mittelalterlichen Mauern der Region gehabt, obwohl sie bis ins 13. Jahrhundert und länger genutzt wurden.
Die geringe Anziehungskraft der Schieferregion bewirkte, dass neue Mauern bis ins mittlere 13. Jahrhundert selten und meist nur an Rhein und Mosel entstanden. Schon um 1000 war die Trierer Domimmunität ummauert und bildete mit dem anschließenden Markt den Bezugspunkt von Klöstern, Adelssitzen und Höfen in den Resten der antiken Stadt. Ein BefestigungsAbb. 396. Trier, die „ Kastilport“ ist ein französisch geprägtes Doppelturmtor wohl des mittleren 13. Jh., das der älteren Mauer nachträglich eingefügt wurde.
15. Rheinisches Schiefergebirge
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Abb. 397 Andernach, die Flussseite des „Rheintors“ des frühen 13. Jh., vor der Höherlegung der Durchfahrt 1894. Auffällig sind die Skulpturen und die stadtseitige Öffnung in zwei Geschossen, die das Tor zu einem frühen Schalenturm machen. (Kunstdenkmäler d. Rheinprovinz, Bd. 17, Abt. 2, Halbbd. 1, Kr. Mayen, 1941).
versuch der Marktsiedlung im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts nutzte nördlich und westlich die konstantinische Mauer und ergänzte einen Wallgraben im Süden. 1140–43 folgte – in einem Ruhmgedicht gefeiert – wohl auf der gleichen Linie der Mauerbau bereits durch die Bürgerschaft; vom „Neutor“ dieser Phase (abgebrochen 1877) sind Teile des riesenhaften skulptierten Tympanons erhalten, Christus zwischen Petrus und Eucharius (Abb. 127). Die heutigen Reste der Trierer Mauer gehören weitgehend einem französisch bzw. lothringisch geprägten Neubau des 13. Jahr-
Abb. 398 Oberwesel, der bergseitige „Pulverturm“ (1240/41d) gehört offenbar zum ältesten Abschnitt der Oberweseler Mauer und folgte, anfangs kaum höher als die Mauer, dem kölnischen Vorbild (Kunstdenkmäler RheinlandPfalz, Tl. 9, Bd. 2, 2: Stadt Oberwesel, 1997)
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hunderts an, mit dem (stark erneuerten) Doppelturmtor der „Kastilport“ und eher bescheidenen Halbrundtürmen, die – nach geringen Resten – Schlitzscharten besaßen (Abb. 396). Andernach wurde von Erzbischof Friedrich I. von Köln 1109 „mit Mauern und Türmen umgeben“; es wird vermutet, dass dies nicht nur die Reparatur der Römermauer bedeutete, sondern bereits eine Osterweiterung. Das 1228 erwähnte „Rheintor“ dieser Erweiterung ist ein innen vorspringender Torbau des frühen 13. Jahrhunderts, zur Stadt in beiden Geschossen jeweils als tonnengewölbter Raum geöffnet; das Rundbogentor wurde 1899 höher gesetzt, aber die erstaunlich frühen Maschikuli und die (sekundär angebrachten) Skulpturen zweier Männer sind unverändert (Abb. 397). Oberwesel, das heute eine der eindrucksvollsten Mauern Deutschlands besitzt, war schon 1216 oppidum, die Befestigung ist 1257 und 1270 erwähnt. Die Mauer der ursprünglichen Stadt, auf flachem Rheinuferhang zwischen zwei Bachtälern, war weitgehend turmlos. Lediglich an der stark überragten Westfront stand ein einzelner Halbrundturm, der „Pulverturm“ (Abb. 398), der ursprünglich die Mauerzinnen kaum überragte; er ist 1240/41 dendrodatiert. Die sonst ganz schlichte Mauer zeigt nahe dem Turm auch unten Schlitzscharten in Rundbogennischen, was einen Kölner Kölnische Mauern des mittleren Einfluss nahelegt. Gegen den 13. Jahrhunderts Rhein wurde die Mauer früh erhöht, und es gibt einige Mauertore, die zu Schalentürmen umgebaut wurden; der „Steingassenturm“ ist 1243 dendrodatiert (Abb. 399). Ein Torturmrest an der Südostecke trägt den Namen „Altes Rathaus“. Damit sind jene frühen Mauern der Schieferregion, von denen wir noch Reste finden, bereits angesprochen; ergänzt seien das nur quellenmäßig bekannte „Untertor“ in Zell, 1229 von einem Himmeroder Konversen erbaut, und schließlich die Reste in Kreuznach, wo von den 1247 erwähnten Mauern der „Altstadt“ nur noch ein Mauerstück mit Wehrgangbögen und Resten eines Schalenturms zeugt. Ins mittlere 13. Jahrhundert gehören vier Mauern des kölnischen Einflussbereiches (vgl. Kapitel 17. Nördliches Rheinland), darunter als besterhaltene jene von Ahrweiler, die, nach 1246
Abb. 399 Oberwesel, der „Steingassenturm“ der rheinseitigen Mauer, hier von der Mauergasse, ist dendrochronologisch auf 1243 datiert.
begonnen, 1259 im Bau war und noch 1273 Akziseeinkünfte erhielt. Zwei der Tore sind hohe Doppelturmtore mit Scheitelrundstab in den Spitzbogenöffnungen und Schlitzscharten mit dreieckigem unteren Ende (Abb. 400); die Scharten finden sich auch an den drei halbrunden Schalentürmen, aber nicht an den beiden Tortürmen, von denen das „Obertor“ um 1500 erneuert wurde. Die Details der Mauer sind vergleichbar mit Bonn, Münstereifel oder Blankenberg, die um 1240–70 zu datieren sind (anders Udo Mainzer, der die Doppelturmtore erst ins 14. Jahrhundert setzt). Im nahen Erpel entstand das Erdgeschoss des „Neutores“ zur gleichen Zeit, aber der Oberbau und die Mauer entstanden wohl erst nach 1402, als noch ein dornbewachsener Graben erwähnt wird. In Koblenz, wo noch im mittleren 13. Jahrhundert Vorstädte umwehrt wurden, entstand 1276– 91 eine neue Mauer, die sich – mit Wehrgang15. Rheinisches Schiefergebirge
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Abb. 400 Ahrweiler, das „Ahrtor“ ist als Kombination eines Torturmes mit zwei Halbrundschalen eindeutig von der Kölner Mauer abhängig, entspricht aber, nach 1246 entstanden, schon eher dem „gotischen“ Zug zur Höhe (Kunstdenkmäler d. Rheinprovinz, Bd. 17, Abt. 1: Ahrweiler, 1938).
bögen und in Wehrganghöhe überwölbten Rundschalen, aber in den Bögen schartenlos – weitgehend an das Kölner Vorbild hielt; das Doppelturmtor war hier schon völlig durch Tortürme ersetzt. Wichtiger als der erhaltene Turmrest sind heute die umfassend erhaltenen Baurechnungen, die seltene Einblicke in Bauorganisation und -betrieb bieten (vgl. Band 1, Kapitel 3.1. Organisation und Finanzierung des Baues). Die weitgehend erhaltene Erweiterung des benachbarten, kölnischen Andernach zeigt ganz ähnliche Formen und mag Vorbild für Koblenz gewesen sein, wobei wir nichts über die Tore wissen. 132 Topographischer Teil
Vielleicht markierte die Erneuerung des „Koblenzer Tores“ vor 1249 den Baubeginn, das Ungeld von 1300 für den Graben verweist wohl auf den Abschluss. Die Ummauerung von Mayen folgte sicherlich der Stadterhebung 1291 (die auch Saarburg, Wittlich, Bernkastel, Welschbillig und Montabaur betraf). Sie zeigt halbrunde Schalen und Wehrgangbögen wie die von Köln abhängigen Mauern, aber auch Vereinfachungen, die auf die Entwicklung im 14. Jahrhundert verweisen. So wurde die Mauer teilweise ohne Bögen begonnen, manche Türme kragen erst in halber Höhe feldseitig vor. Die Tore waren einfache Bauten mit Rundbogenöffnungen und nur einem Obergeschoss, weit entfernt von den kölnischen Doppelturmtoren; zwei von ihnen wurden erst nach 1400 zu echten Tortürmen mit Erkertürmchen an der Wehrplatte umgebaut. Die besondere bautechnische Bedeutung von Mayen lag im Übrigen in dem intensiv betriebenen Abbau von Säulenbasalt, der in Andernach auf Schiffe verladen wurde und – in Mischung mit Schiefer, Tuff oder Backstein – viele Mauern des Niederrheins prägt, darunter so bedeutende wie etwa Köln, Bonn oder Neuss. Gegen 1300 wurden auch kleinere Städte der Eifel ummauert, ebenfalls mit enger Rundturmreihung, ähnlich wie Andernach und Koblenz, aber in kleinerem Maßstab. Dazu gehört etwa die – stark restaurierte – Mauer im zur Grafschaft Luxemburg Das 14. Jahrhundert gehörenden Hillesheim, die 1306 zuerst erwähnt und wohl nach 1352 nochmals verstärkt wurde (Abb. 401). Schlecht erhalten ist die Mauer von Welschbillig, das 1291 zur Reichsstadt erhoben wurde; die Reste des Kastells und der Mauern, wohl von französischen Bauleuten errichtet, zeigen Schlitzscharten mit einem Spitzbogenabschluss. Die Mauer des gräflich virneburgischen Monreal – das ab 1246 gelegentlich oppidum genannt wurde, später nur „Tal“ oder „Städtlein“ – besitzt schließlich eine Mauer mit kleinen Rundschalen und Schlitzscharten, die in die Zeit nach der Stadtrechtsverleihung 1291 gesetzt wird. Erst im 14. Jahrhundert ergriff die Entwicklung der Stadtmauern in größerem Umfang auch die Flussdurchbrüche, tief eingeschnittenen Täler und landwirtschaftlich ungünstigen Hoch-
Abb. 401 Hillesheim besitzt noch erhebliche Teile einer vor 1306 entstandenen Rundturmmauer, die mit Wehrgangbögen und halbkuppelgewölbten Rundschalen klar dem Kölner Vorbild folgte (Kunstdenkmäler d. Rheinprovinz, Band 12, Abt. 3: Daun, 1928).
flächen des eigentlichen Schiefergebirges. Nun wurden kaum noch größere Städte ummauert – wie (Ober-)Lahnstein (ab 1324), Bacharach (um 1353–66) und Linz (vor 1364) – oder um Vorstädte ergänzt wie Boppard Mitte des 14. Jahrhunderts und das bis um 1420/30 dreistufig erweiterte Oberwesel; jedoch erhielten nun viele Kleinstädte und auch Dörfer ihre Mauern. Unter den Steilhängen von Rhein- und Moseltal, wo Weinbau und Handel bessere Existenzgrundlagen boten, erhielten die Städtchen oft eine markante, burgbezogene Form, wobei ihre Länge meist nur um 200–300 m lag. Anfangs blieb die Stadt oft isoliert von der Burg, mit auch bergseitig geschlossener Befestigung (Bernkastel, um 1291/1299; Beilstein, nach 1319). In Alken, mit einer Ummauerung der ersten Hälfte/Mitte des 14. Jahrhunderts, war der oberste Turm angeblich durch eine über 200 m lange Mauer mit der Burg Thurandt verbunden, oder es gab eine dreiseitige Mauer, die nur an den Felshang ansetzte (Kaub und Braubach, spätes 13. Jahrhundert; Wellmich, nach 1356). Anfangs werden vielleicht Dornhecken („Gebück“) zur Burg hinaufgeführt haben, die Flur- und Straßennamen zufolge (Braubach, Wellmich, Montabaur) ohnehin wohl häufig Vorgänger der Mauern waren. Später wurden lange, die Felsen nutzende Schenkelmauern zur Burg üblich (Bacharach, vor 1366; St. Goars-
hausen, um 1370?; Trarbach, vor 1396, Abb. 402), auch bei der Erweiterung isolierter Städte (Braubach, Beilstein, Kaub). Normal ist auch der Verzicht auf Mauergassen, die in der Region nur selten und meist teilbereichlich auftraten, eher bei größeren Städten (Oberwesel, Andernach, Koblenz, Oberlahnstein), bei kleineren nur am Nordrand des Gebietes (Ahrweiler, Remagen, Sinzig). Die Gestaltung der Mauer selbst orientierte sich im 14. Jahrhundert gelegentlich noch an der kölnischen, aber auch in Oberwesel früh vertretenen Form mit Wehrgangbögen (Oberlahnstein, Kaub, Wellmich, Trarbach, Boppard, Linz, Münstermaifeld), wobei aber Scharten unter den Bögen seltener sind (Boppard, Nassau, Oberlahnstein) und gelegentlich der Spitzbogen auftritt. Verbreiteter ist nun die Vorkragung des Wehrganges in reich gemörteltem Schiefer, auch bei umfangreichen Neubauten wie Bacharach und Oberwesel. Vielfach ist feststellbar, dass der Wehrgang nicht mehr durch die Türme, sondern innen um sie herum geführt wird, sei es über Kragsteine (Südvorstadt Kaub, Münstermaifeld), sei es auf massivem Unterbau (Bacharach, Oberlahnstein). Als Hochwassergänge sind die rheinseitigen Wehrgänge von Bacharach und Kaub bis heute in Funktion. Schießscharten bleiben im 14. Jahrhundert üblich, aber in gewandelter Form und Anord15. Rheinisches Schiefergebirge
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Abb. 402 Trarbach (heute Traben-Trarbach) war, wie ein Kupferstich des 17. Jh. zeigt, ein gutes Beispiel für die Anbindung einer Burg an die Stadt durch lange Schenkelmauern (Hofmann, Trarbachsche Ehrensäul, 1669).
nung. Zwar gibt es noch hohe Scharten (über 1 m), aber weit häufiger sind nun niedrige Schlitze, und zwar meist nur in den Türmen; falls die Schlitze mit unterer Rechtecköffnung an den Linzer Tortürmen in dieser Form original sind(?), wären sie Vorläufer von Schlüsselscharten (spätes 14. Jahrhundert). In der Form der Türme und ihrer Zuordnung zu Toren und Pforten entwickelten die rheinischen Mauern des 14. Jahrhunderts eine Vielfalt, die im deutschen Raum ihresgleichen sucht. Während der Rundbogenfries unter der Brustwehr – eines der seltenen Beispiele wehrbauspezifischer Ornamentik – so gut wie überall auftritt, zeigt sich in den Baukörpern eine variantenreichere Schmuckfreude. Ist Formvielfalt ohnehin die Tendenz der späteren Gotik, so treten hier natürliche Bedingungen des Rheinlandes hinzu: Mörtelreiches, verputztes Schiefermauerwerk legt keine Form besonders nahe, sondern ist – 134 Topographischer Teil
anders als Haustein oder Backstein – kostengünstig in vielfältige Formen zu bringen; auch Werksteingewände sind im Schiefergebiet seltene, luxuriöse Ausnahmen. Unter den Torformen fehlt das am Niederrhein so häufige Doppelturmtor fast völlig (Gerolstein, nach 1336?), während der Torturm, als Schale oder Vollturm, recht zahlreich ist. Torturmreste in Oberwesel („Altes Rathaus“) und Kaub werden noch ins 13. Jahrhundert gehören. Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden die Schalentürme der vier erhaltenen Tore in Bacharach (vor 1366), teils mit Spitzbogenblenden unter dem Bogenfries, und kleinere Türme etwa in Alken (vor 1332?), Cochem (um 1332/64) und Dausenau (Mitte des 14. Jahrhunderts); auch das im Grundriss trapezförmige „Binger Tor“ in Boppard gehört wohl in diese Zeit. Eng verwandt mit dem Hauptturm der Burg Andernach (nach 1369) sind die beiden kraftvollen, bewohnbaren
Tortürme in Linz, mit Plattformen über Spitzbogenmaschikuli, am „Rheintor“ auch mit Eckerkern über Maßwerkfries (Abb. 403). Reich gegliederte Eckerker bzw. -türmchen am Dachansatz waren – auch im rheinischen Burgenbau der Epoche – sicher weitverbreitet, vor allem, wenn man die selten erhaltene Ausführung als Holzkonstruktion hinzunimmt, die etwa in Bacharach oder Kaub, laut Matthäus Merian, auch fast jeden Mauerturm zierte; Reste sind auch in Kaub (Eckturm der Norderweiterung) und am Vortor des Andernacher „Korntores“ erhalten. Linz scheint eine letzte Blüte der geschlossenen, oft bewohnbaren Tortürme um 1400 eingeleitet zu haben, denen man auch die ausgebauten Mayener Tore und die Stümpfe in Rhens, mit Wendeltreppen, Eckstrebepfeilern und Fallgatterblenden, hinzurechnen kann, ferner das „Obertor“ in Dudeldorf von „1453“ und das „Koblenzer Tor“ in Oberwesel (in dem ein Sturzholz des mittleren 13. Jahrhunderts dendrodatiert wurde). Die rheinischen Tore des 14. Jahrhunderts, die nicht in Türmen liegen, sind fast durchweg Sparformen. Eine Ausnahme ist nur das „Koblenzer Tor“ in Andernach, 1350 wohl erwähnt als „portze die nuweliche vur unser stat van A. enbuzen gebuwet is“. Der breite, nur zweigeschossige Bau schloss mit Brustwehr über Bogenfries; feldseitig aus Basaltlavabuckelquadern mit reich profiliertem Spitzbogentor und freskierter Maßwerkblende darüber (Abb. 105) markierte er die Südgrenze des kölnischen Territoriums. Als anderes, sparsames Extrem darf der schlanke Erkerturm gelten, der das Cochemer „Balduinstor“ überragt. Wesentlich verbreiteter war aber die Kompromissform des neben das Tor gerückten Mauerturmes. Rechteckig und teils voluminös begegnet er etwa in Kaub, Zell und Wellmich, sechseckig ebenfalls in Wellmich, achteckig schließlich in Braubach (Durchfahrt sekundär) und Dausenau; Ediger (vor 1360) beschränkte sich auf eine Tourelle. Der anderswo so verbreitete Torzwinger bzw. das Vortor fehlten im Rheinland; neben dem Andernacher „Korntor“ scheint es Derartiges nur in Wittlich gegeben zu haben. Besonders deutlich wird die Formenvielfalt des 14. Jahrhunderts auch bei den Mauertürmen. Vor allem die kleinen Städte suchen die Variation – man betrachte etwa Dausenau (Mitte des 14. Jahrhunderts; Abb. 140), von dessen sieben
Türmen nur zwei dieselbe (Rechteck-)Form zeigten! Zwar bleiben runde und quadratische Türme vorherrschend, aber Polygonalformen und Erker sind ähnlich verbreitet. Rundtürme, wie sie im 13. Jahrhundert vorherrschend gewesen waren (noch Bernkastel, Beilstein), treten auch bis um 1400 vielfach auf (Oberlahnstein, Boppard, Wellmich, Zell, Linz, Freudenburg, Alken, Kaisersesch, Münstermaifeld, Dierdorf, Unkel; Trarbach vor 1396?). Üblich ist die vollrunde Form, die sonst so häufigen Variationen des Schalenturmes (Oberlahnstein, Bacharach, Ediger, Rhens, Neuerburg) und der Hufeisenform (Boppard?, Engers, Simmern) sind seltener. Die spätesten dieser Türme mögen dabei erst ins Artilleriezeitalter gehören, aber der meist stark veränderte Zustand Abb. 403 Linz am Rhein, das „Neutor“ ist ein reich ausgestatteter Torturm, der wie der Hauptturm der nahen Burg Andernach um 1370 entstanden sein dürfte (Die Kunstdenkmäler des Kreises Neuwied; Kunstdenkmäler d. Rheinprovinz, Bd. 16, Abt. II: Neuwied, 1940).
15. Rheinisches Schiefergebirge
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lässt darüber selten Klarheit zu (Maulscharten in Trarbach). Rechteckige bzw. quadratische Türme bereichern auch die Formenvielfalt der Kleinstadtmauern (Braubach, Kirchturm; Dierdorf, Diez, Kaub, Wellmich), vor allem aber charakterisieren sie die wohlerhaltenen Mauern von Oberwesel und Bacharach. In Oberwesel erhielt die Bergseite von Altstadt und Nordvorstadt geschlossene und Schalentürme, die zugunsten von Hurden auf Rundbogenfriese verzichteten. Bacharach besitzt einschließlich der Tore zehn rechteckige Schalentürme (Abb. 404), nur an zwei Ecken Rundtürme. Unter den Polygonalformen sind das Achteck (Montabaur, Dausenau, Nassau) und das Sechseck (Oberlahnstein) ebenso vertreten wie das von Bergfrieden bekannte Fünfeck (Nassau), fünf Seiten des Achtecks (St. Goar und Montabaur, beide mit Rundsockel), das Trapez (Münstermaifeld) und schließlich ganz unregelmäßige Formen (St. Goar); Engers besitzt sogar einen (undatierbaren) „Fächerturm“, wie er aus der Spätantike bekannt ist.
Erker – Minimalersatz eines Turmes, zugleich aber von dekorativer Wirkung – scheinen erst um 1400 aufzutreten. „Halberker“, die stadtseitig wie Türme wirken und nur außen vorkragen, hatte es schon in Mayen gegeben; in Rhens erscheinen sie um 1400 nochmals. Häufiger sind echte Erker, über Konsolen oder Maßwerkfries (Boppard, Bacharach, Cochem), auch in rundlicher Grundform (Cochem, Ediger) oder polygonal und schon mit Schlüsselscharten (Zollhof in Bacharach). Gegen 1400 werden exponierte Türme, meist an einer rheinseitigen Ecke, gelegentlich durch Höhe, Volumen und Ornament hervorgehoben. Näher betrachtet – Bauuntersuchungen sind erst selten publiziert – gab es zwei Fälle: Wohntürme und Türme von wahrzeichenhafter Funktion, bei denen Wehr- und Wohnzweck zurücktraten. Beispiel eines Wohnturmes ist der südliche Eckturm von St. Goarshausen (um 1400; Abb. 405) mit Rippengewölbe, Fenstern, Aborterker und Wendeltreppe, der sicherlich Wohnung eines landesherrlichen Amtsträgers war; Vorbilder im Bur-
Abb. 404 Bacharach, der „Münzturm“ ist einer der rheinseitigen Tortürme der 1353–66 entstandenen Mauer. Nur als Ruine erhalten, wurde er nach 1907 in „malerischer“ Weise wiederhergestellt (E. Renard, D. Instandsetzung d. Bacharacher Stadtbefestigung 1907–1913, 1915).
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genbau der Zeit und Region sind unverkennbar. Derartige Türme waren gewiss häufiger, wenn man die integrierten Wendeltreppen (und gelegentlich auch die einfachere Form der Wandtreppe) zum Maßstab erhebt; andere Zeichen der Bewohnbarkeit wie Innenausstattung und Fenster sind sicher oft Umbauten gewichen. Genannt seien ein Rechteckturm der Nordvorstadt von Kaub und der Rundturm an der Ecke der dortigen Südvorstadt, mit originalen(?) Blockwerkfenstern. Auch die zerstörten runden Ecktürme von Bacharach (vor 1366), ein weiterer in Rhens (1390–1413) und ein bewohnbarer Rundturm in Münstermaifeld mit einer Treppe in der Mauerdicke gehören in diese Gruppe, die weitere Untersuchungen verdiente. Die wahrzeichenhaften Ecktürme dreier Rheinstädte – sie gehören zu den eindrucksvollsten Zeugnissen deutscher Stadtmauerarchitektur – sind wohl als reichere Fortentwicklung solcher Wohntürme zu verstehen, während eine ähnliche Turmform rheinischer Burgen, mit einem schlankeren Aufsatz, diese Form nach neueren Erkenntnissen wohl erst im 15. Jahrhundert übernahm („Butterfassturm“; Falkenstein, Friedberg, Homburg, Idstein, Kronberg, Marksburg, Rheinfels). Frühester Bau ist offenbar der Oberweseler „Ochsenturm“ (dendrochronologisch 1356) mit einem Achteckaufsatz, blendengeschmückten Zinnen über Rundbogenfriesen auf beiden Plattformen und ehemals einem Spitzdach (Abb. 91); kaum jünger dürfte, auf romanischem Sockel, der erneuerte Kölner „Bayenturm“ gewesen sein. 1435 folgte der monumentale Westturm von St. Martin in Oberwesel, der mit polygonalen Türmchen auf den Ecklisenen knapp hinter der Mauer steht (Abb. 92), und schließlich der Höhepunkt der Entwicklung, der 56 m hohe „Runde Turm“ in Andernach (1448– 52; Abb. 406), der den Oberweseler Turm reicher wiederholt. Dessen Rundbogenfriese sind in Maßwerk umgesetzt, das gemauerte Spitzdach durch Ziergiebel bereichert; die rippengewölbten Untergeschosse enthalten neben einem Kamin zehn Kanonenscharten. Der Andernacher „Runde Turm“ ist das seltene Beispiel eines größeren, artillerietauglichen Baues im rheinischen Schiefergebiet. Sicher mögen manche späten Rundtürme Feuerwaffenscharten besessen haben, aber wirkliche Ron-
Abb. 405 St. Goarshausen, der Turm an der rheinauf gelegenen Stadtmauerecke, im späten 14. oder im 15. Jh. erbaut, diente offenbar als Sitz eines katzenelnbogischen Bediensteten, etwa des Zolleinnehmers.
delle fehlen hier, wie ja auch der Andernacher Turm primär auf Symbolwirkung setzte. Nur in Pfalzel, das keine Bürgerstadt, sondern trierische Landesfestung war, entstand 1531–40 eine sehr aufwendige Rondellbefestigung, die einzige der Region vor dem Aufkommen der Bastionen. Dieser auffällige Verzicht auf Modernisierung setzte freilich schon weit vor dem Artilleriezeitalter ein, denn auch umlaufende Zwingermauern fehlen hier fast vollständig, ebenso wie Torzwinger (siehe oben). Außer dem frühen Beispiel in Koblenz (vor 1276) ist Sobernheim zu nennen, das einen Zwinger vertraglich bauen sollte, das aber 1403 vom Mainzer Erzbischof Fristverlängerung erhielt; falls der Zwinger je ausgeführt wurde, ist nichts erhalten. In Wittlich war der Graben bachseitig durch eine Art Zwinger zur Torsicherung abgeschlossen, Beilstein sicherte wohl einen Klosterneubau durch einen winzigen Zwinger mit Rundtürmen, und in Trarbach entstand 1581 15. Rheinisches Schiefergebirge
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Abb. 406 Andernach, der 1453 vollendete „Runde Turm“ an der rheinab gelegenen Stadtecke ist eines der besten Beispiele für einen „Wahrzeichenturm“, der mit überdurchschnittlicher Größe und besonderer architektonischer Gestaltung weithin sichtbar die Bedeutung der Stadt unterstrich.
eine äußere Mauer zur Mosel, die aber eher eine Stadterweiterung war. Das 15. und in Ausläufern sogar das 16. Jahrhundert stellen sich daher im Schiefergebiet nicht als Beginn neuer Entwicklungen dar, sondern als Spätphase traditioneller Ummauerungen. Nun erhalten fast nur noch Dörfer neue Mauern (Heimersheim, erweitert 1426; Rheinbrohl, „Dorpveste“ 1497; Enkirch, Ungeld 1499; Unkel, Mitte des 16. Jahrhunderts?) oder auch die
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spätesten der im Rheinland häufigen, ummauerten „Burgfreiheiten“ (Kerpen, erweitert 1475). Von Interesse sind dabei jene Fälle, in Das Zeitalter der Feuerwaffen, 15./16. Jahrhundert denen ausdrücklich Zäune oder Hecken („Gebück“, „Dornen“) durch Mauern ersetzt wurden – sicherlich ein Prozess, der schon weit früher einsetzte, aber erst nun durch detailliertere Quellen fassbar wird (Winningen: Zaun 1398, Mauer 1571–83; Bodendorf: 1485, Tore, Hecke und Graben noch 1661; Leutesdorf: Stadtrecht 1332, Recht zum Mauerbau am vorhandenen Graben 1501; Gelsdorf: 1554 Zäune). Anschaulich wird diese Entwicklung in Erpel: Das Erdgeschoss des allein erhaltenen Tores stammt aus dem mittleren 13. Jahrhundert, aber noch 1402 werden Graben und Dornen genannt, erst 1438 dann die Mauer. Eine Anschauung der rheinischen Dorf- und Kleinstadtmauern des 15./16. Jahrhunderts bietet am ehesten Trechtingshausen, dessen wehrganglose Mauer Rechteckscharten auf Bodenhöhe zeigt, ebenso im Obergeschoss des Torbaues. Allein ein runder Eckturm zum Rhein ist mit Schlüssel- und stichbogigen Maulscharten ausgestattet, auch mit blendenverzierten Zinnen. Diese dekorative Zinnenform findet sich im 15. Jahrhundert neben dem Andernacher „Runden Turm“ auch am „Zehnerturm“ der südlichen Ländenbefestigung von Oberwesel (um 1420–35). Mit diesen Mauern – die jüngsten sind erst gegen 1600 entstanden – endet die Entwicklung im Rheinland, abgesehen von dem extremen Spätling Gemünden, wo die 1689 zerstörte Mauer 1730–40 von der Gemeinde erneuert wurde. Der Zweite Weltkrieg und die Wirtschaftsblüte der Nachkriegszeit haben im Rheinland offenbar besonders viel Substanz auch der Stadtmauern zerstört, wie ein kritischer Überblick des Landeskonservators Bornheim genannt Schilling schon 1960 resümierte; der Abriss des letzten längeren Restes der wichtigen Koblenzer Mauer des 13. Jahrhunderts, erst 1964, bestätigte leider seine Befürchtungen.
16. Pfalz, Saar, Luxemburg und Lothringen An die auch architektonisch eigenständige Region des Schiefergebirges schließt südlich eine Landschaft an, die für die Landwirtschaft weit vorteilhafter ist und sich weiträumig zu Oberrhein, Main, Wetterau und Pfälzer Hügelland öffnet; im Westen stößt sie an den französischen Sprachraum, wobei die Sprachgrenze quer durch Luxemburg und Lothringen zieht. In diesem Raum entstanden linksrheinisch, aus antiker Wurzel, die Bischofsstädte Mainz, Worms und Speyer – Pendants zu Köln, Straßburg und Basel, auch in der Entwicklung ihrer Mauern bis ins 13. Jahrhundert. Eher einfach liegt der Fall von Mainz, dessen römische Mauerführung des 3./4. Jahrhunderts prinzipiell bis ins Spätmittelalter unverändert blieb. Nur rheinseitig verlegte Erzbischof Hatto um 900 die Mauer 20 m Die Bischofsstädte Mainz, vor, was archäologisch Worms und Speyer belegt ist, ebenso wie auch ein Abbruch (der gesamten Mauer?), der mit der Strafaktion Friedrichs I. nach dem Mord an Erzbischof Arnold (1160) erklärt wird. Die Wiederherstellung, wohl um 1200 begonnen, wurde rheinseitig, nochmals leicht vorgeschoben, um 1240 vollendet. Darauf deutet nicht nur das Selbstverwaltungsprivileg von 1244, quasi die Erhebung zur Reichsstadt, sondern auch das prunkvolle „Eisentor“ mit reich profiliertem Rundbogen, eingestellten Säulen und zusätzlichen Portallöwen (Abb. 97) – ein Empfangsbau am Rhein, dessen genaue Gestalt und Wehrhaftigkeit nach der Erhöhung zum Torturm im 14. Jahrhundert(?) allerdings unklar sind. Von den Verstärkungen des 14./15. Jahrhunderts – kleine Stadterweiterungen gab es nur im Südosten – zeugt außerdem fast nur noch der 1366 als „neuer Turm“ erwähnte „Holzturm“, ein hoher Torturm mit zwei Achsen spitzbogiger Doppelfenster und (erneuerten) polygonalen Erkertürmchen am Dachfuß (Abb. 130). Auch die Mauer selbst wurde, nach älteren Bestandsaufnahmen, erhöht und mit Bogenfriesen und Wehrerkern („Letzen“) versehen. Es gab in Mainz also durchaus jene reiche gotische Architektur, die von zahllosen Städten und Burgen des riesigen mainzischen Territoriums bekannt ist – aber das meiste
ist, wenig dokumentiert, verschwunden. Dies gilt auch für die Verstärkungen des 15./16. Jahrhunderts, die vor allem in einem Außenwall mit vorgeschobenen Tortürmen bestanden, auch in einer 1432 beschlossenen Landwehr; von dieser Phase zeugt nur noch der vielfach umgebaute, runde „Alexanderturm“ (um 1500?). Auch Worms besaß spätestens um 1000 eine Mauer; sie dürfte teilweise die Umwehrung eines spätrömischen Kastells benutzt haben und besaß vielleicht im Osten einen rechteckigen Eckturm. Ob dagegen die berühmte Mauerbauordnung des Bischofs Tietelah wirklich vollständig aus seiner Zeit (um 891– 914) stammt, wird angezweifelt. Die erhaltenen Teile der Wormser Mauer stammen von einem aufwendigen Neubau der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, der durch neue Grabungen gut dokumentiert ist. Im Osten, wo die Mauer 70 m vor der älteren liegt, konnte eine Kanaleinfassung direkt unter der Mauer, nahe beim, aber nicht unter dem Torturm „Mayfels“, dendrochronologisch auf 1196 datiert werden; andererseits belegen Spitzbogen und Profilierung des Tores, dass die „Fischerpforte“ derselben Front kaum vor den 1230er Jahren entstanden sein kann. In diesem Zeitrahmen wurde die Mauer erhöht, wie vermauerte Backsteinzinnen neben der „Fischerpforte“ zeigen. Von den 26 gleichartigen Rechtecktürmen, die mit der ersten Phase dieser Mauer konzipiert wurden, sind nur zwei erhalten, aber mehrere ergraben. Sie zeigen sauberes Kleinquaderwerk in rotem Sandstein, Eckbuckelquader und feldseitig kräftige, oft beidseitig vorspringende Strebepfeiler in Buckelquadern (Abb. 407). Charakteristisch war auch die stadtseitige Öffnung oberer Geschosse durch gekuppelte große Bogenöffnungen, am gänzlich backsteinernen „Martinstor“ mit Maßwerkfüllung im zweiten Obergeschoss – was unmittelbar an das „Altpörtel“ und weitere zeitgleich entstandene Türme in Speyer erinnert. Der Turm der „Fischerpforte“ zeigt zudem ein Fallgatter in Außennische, Kamin, einfache und doppelte Spitzbogenfenster im ersten und niedrige Schlitzscharten in Spitzbogennischen im zweiten Obergeschoss (Abb. 116). 16. Pfalz, Saar, Luxemburg und Lothringen
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Abb. 407 Worms, der Torturm der „Fischerpforte“ aus dem 2. Viertel des 13. Jh., die Feldseite (vgl. Abb. 125).
Die zweite Mauererhöhung mit zugespitzten, innen um die Türme herumgeführten Wehrgangbögen dürfte ins späte 13. oder 14. Jahrhundert gehören. Die ausgedehnten Vorstadtmauern entstanden wohl um 1500 – der „Aulturm“ war 1494 erbaut – und verschwanden nach der französischen Eroberung 1689 fast restlos. Sie besaßen nur kleine Rundtürme, die Wehrgänge beschränkten sich auf kurze Stücke bei den Türmen, aber die „Speyererpforte“ als Doppelturmtor und vor allem das „Mainzertor“ und der „Neuturm“ zeigten aufwendigere Ausstattung. Der Torturm besaß runde Eckvorlagen und ein ebenfalls turmgeschmücktes Vortor, der Eckturm am Rhein in Mauerhöhe einen auf Rundbogen vorgekragten Wehrgang; beide schlossen mit vorgekragter Wehrplatte und ausgekragten Ecktürmchen, deren Steildächer beim „Neuturm“ sogar krabbenbesetzt waren. Neben den Mauern der Domburg von Speyer – sie sind schon 969 erwähnt, Gräben und teils 140 Topographischer Teil
römische Reste archäologisch erwiesen – nennen die Quellen wenig später auch „Stadtmauern“. 1061 seien parietes ecclesiae und urbis muri bereits im Bau gewesen und vor 1085 habe Bischof Hutzmann bürgerliche Wohnstätten mit einer Mauer umgeben (muro eos circumdedi, und 1184: cum ex Spirensi villa urbem facerem); auch Bischof Johannes (1090–1104) gilt als Mauervollender. Nimmt man die Lage der frühen Stifte St. Guido und Allerheiligen hinzu und die Erwähnung der Gilgenvorstadt als „suburbium“ schon 1148, so dürfte die Stadtmauer von Speyer – immerhin 1200 m × 400 m groß (Abb. 408) – tatsächlich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstanden sein. Damit handelt es sich, zusammen mit Basel und vielleicht auch Worms, um eine der ersten nachrömischen Stadtmauern Deutschlands. Die erhaltenen Partien der 1 m dicken Mauer, aus schichtenrecht, teils fischgrätig verlegtem Sandstein, zeigen noch Zinnen, wobei der hölzern vorgekragte Wehrgang nur 2–3 m hoch lag (Abb. 409); ein isoliert erhaltener Abdeckstein trägt eine Inschrift, nach der das benachbarte Mutterstadt fünf Zinnen für sich beanspruchte. Von den ursprünglichen Toren wissen wir leider nichts. Archäologische Befunde, die mit der von den Schriftquellen angedeuteten mehrstufigen Erbauung korrespondieren(?), deuten auf zwei provisorische Nordabschlüsse, bevor die Mauer in Rechteckform vollendet war. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts – als eine Erweiterung um den Stapelplatz entstand, bereits in Backstein – wurden der Mauer Türme hinzugefügt, von denen das berühmte „Altpörtel“, ein rechteckiger, anfangs viergeschossiger Torturm, erhalten ist, der mit seinen Schlitzscharten und der stadtseitigen Öffnung in drei „Maßwerkfenstern“ als größeres Vorbild der Wormser Türme wirkt; später erhielt er ein Vortor und wurde „1514“ zum wahrzeichenhaften Stadtturm erhöht (Abb. 79). Dass gegen Mitte des 13. Jahrhunderts auch weitere Tortürme entstanden, lässt sich vermuten; jedenfalls zeigten auch diese nur in Abbildung überlieferten Türme („Salzturm“, „Utenturm“) verwandte Merkmale, insbesondere doppelte Spitzbogenöffnungen der Stadtseite. Um 1260 datiert Müller die Wehrgangbögen in Backstein und um 1280 einige weitere Türme, darunter den pittoresken „Heidenturm“ an der rheinseitigen Spitze
der Stadt, dessen heutige Form aber sicher erst ins 14. Jahrhundert gehört; wenig belegt scheint eine turmlose Zwingermauer. Im 14. Jahrhundert schuf das anhaltende Wachstum Speyers nicht weniger als vier Vorstädte, deren Mauern durchweg in Backstein errichtet wurden. Die „Gilgenvorstadt“ als früheste (um 1325) besaß dicht gereihte Halbrundtürme, wovon man aber schon bald wieder abkam, zugunsten eher spärlicher Rechtecktürme. Zwingeranlagen beschränkten sich auch hier auf die Tore. Ab 1410 entstand eine Landwehr mit zunächst hölzernen Warten an den Ausfallstraßen, die ab 1431 teils in Stein erneuert wurden. Neben den Bischofsstädten fehlen Mauern der Zeit vor 1300 in Rheinhessen fast völlig. Von den vermutlich römischen und um 1200 wiederaufgebauten Mauern von Bingen blieb nichts näher Datierbares, und auch Oppenheim, 1225/26 zur Reichsstadt erhoben, hat kaum noch aussagekräftige Reste; lediglich im „1566“ erneuerten „Gautor“ stecken die Rundbogentore eines Turmes mit trapezoider Torgasse und romanisch profiWeitere Mauern des 13. Jahrhunderts lierten Kämpfern. Wann die anschließende, aus vorstädtischer Zeit stammende „Altstadt“ ummauert wurde, ist unklar; von Mauer und Zwinger blieben größere, aber undatierbare Reste.
Abb. 408 Speyer, rekonstruierter Stadtplan um 1100 mit der strich-punktierten Mauer. Nach neueren Forschungen könnte die Stadterweiterung nach Norden bis zum St.-Guido-Stift eine eigenständige Ausbauphase gewesen sein (E. Herzog, D. ottonische Stadt, 1964).
Abb. 409 Speyer, eine Mauerpartie mit zwei Zinnenreihen übereinander, am Garten des Maulbronner Klosterhofs im Osten der Stadt, von der Stadtseite. Die unteren Zinnen gehören zur Mauer der Zeit um 1100, die oberen wohl ins 13. Jh. 16. Pfalz, Saar, Luxemburg und Lothringen
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Die Mauer von Alzey mag ins mittlere 13. Jahrhundert gehören; nach Schleifung 1266, in nur einem Tag, war der Ort schon 1277 wieder oppidum. Bis auf einen runden Eckturm besaß die teilweise mit Wehrgangbögen versehene Mauer nur Rechtecktürme, meist wohl Schalen. Der umlaufende Zwinger mit seinen Halbrundtürmen entstand kaum vor dem 15. Jahrhundert; die ähnlich gestaltete Vorstadtmauer mit Mauergasse war 1438 wohl schon im Bau. Die Burg Neuleiningen aus den 40er-Jahren des 13. Jahrhunderts (1242 im Bau) ist ein relativ früher deutscher Vertreter des französischen Kastelltypus mit runden Ecktürmen, Schießscharten und schon gotischen Fensterformen; außerdem stammen auch die Burgkapelle und die Stadtmauer aus demselben Guss (Abb. 410). Die Grafen von Leiningen schufen hier, in Gipfellage über der Rheinebene, einen zweiten Hauptsitz, einheitlich konzipiert als Burg und Stadt. Die Mauer in hammerrechtem Quaderwerk besitzt drei halbrunde Schalentürme an den exponierten Ecken und einen Rechteckturm. Türme und Mauern im Norden, Osten und Westen
Abb. 410 Neuleiningen, Stadtplan. Die mit drei u-förmigen Türmen und vielen Schlitzscharten ausgestattete Mauer entstand im Anschluss an die französisch beeinflusste Burg um die Mitte des 13. Jh. (vgl. Abb. 210; Kunstdenkmäler Bayern, Pfalz, VIII. Stadt u. Lkr. Frankenthal, 1939).
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zeigen hohe Schlitzscharten, wie in der Burg (Abb. 210) und auch das Westtor, ein rundbogiges, gestuftes Mauertor mit Fallgatter, entspricht ganz dem Burgtor. Es gibt mehrere originale Ausfallpforten und Aborterker von direkt an die Mauer stoßenden (Burgmannen-?)Höfen. Ein schwacher, mit Feuerwaffenscharten und ehemals Türmen versehener Zwinger umzog die Stadt, östlich zur Vorstadt erweitert; auch die Türme und Brustwehren wurden im 15. Jahrhundert verändert. Die anderen vor 1300 ummauerten Städte der Pfalz zeigen gleichfalls Rechteckform und hammerrechtes Sandsteinquaderwerk zumindest im Unterteil. Dies gilt für das schon 1219 zur Reichsstadt erhobene Annweiler, das Rechtecktürme in den Ecken besaß (geringe Reste). Wohl schon im mittleren 13. Jahrhundert war auch Neustadt an der Weinstraße befestigt (Ersterweiterung 1246, der Mauern 1265, Stadtrechte 1275), wo aber nur der „Storchenturm“, eine Rundschale, und stark veränderte Mauerreste erhalten sind. Von der etwa 1,50 m dicken Mauer in Bergzabern, das 1286 Stadtrechte erhielt, sind größere Teile erhalten, darunter ein quadratischer, bergfriedartiger
Turm mit Eckbuckelquadern – der älter sein könnte als die Mauer und später Kirchturm wurde – und ein an Neuleiningen erinnernder Halbrundturm an der Südostecke; von den bergseitigen Ecktürmen entstand der „Dicke Turm“ erst um 1500. Schließlich zeigt auch der von ehemals vielen Rechtecktürmen allein erhaltene Mauerturm in Landau (Stadtrecht 1291) Quaderwerk mit Eckbuckelquadern und eine Spitzbogenpforte; er sicherte wohl ein Nebentor und erhielt im 15. Jahrhundert Maulscharten. Der Backsteinrest in Hagenbach, das schon vor 1281 Stadt war, mag wenig jünger sein. Der Pfalzort Kaiserslautern war schon 1253 oppidum, ab 1276 Reichsstadt – aber die Fundamentpfähle der Mauer, die Sandsteinquader und Rechtecktürme zeigte, wurden an zwei ergrabenen Stellen erst 1330–33(d) geschlagen. Erhalten ist nur ein Stück Vorstadtmauer mit Schlitzscharten in Bodenhöhe (15. Jahrhundert); eine fünfeckige Streichwehr des frühen 17. Jahrhunderts wurde ergraben. Ein interessanter Fall ist Ottweiler (Saar), erst 1550 mit städtischen Freiheiten begabt, aber schon 1393 als „slozz, burg und vorburg“ erwähnt. Die sorgfältige Quadermauer, vor allem aber der bergfriedartige Rundturm an der Bergseite gehören jedenfalls ins 14. Jahrhundert, wenn nicht gar in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Im 14. Jahrhundert entstanden in Rheinhessen, Pfalz und Saar nur noch Kleinstadtummauerungen; die Reste sind begrenzt, lassen aber klare Linien erkennen. Wie am gesamten Oberrhein war der Torturm üblich, wobei aber wenig erhalten blieb; Volltürme als Tore gibt es noch in Meisenheim (nach 1315) und Kirchheimbolanden (nach 1368), im letzteren Falle mit Fallgatter in Spitzbogennischen. In Meisenheim und auf dem Schalenturm in Neu-Bamberg (nach 1320) findet man auch Erkertürmchen an der vorgekragten Wehrplatte, ein typisches Motiv des Mainzer und mittelrheinischen Raumes; in NeuBamberg kamen Wappen hinzu. Bei den Mauertürmen herrschte – wohl unter französischem Einfluss – die Rundform vor, überwiegend als Vollturm: Man kann sie noch siebenmal in (Saarbrücken-)St. Johann belegen, fünfmal in Kusel (vor 1347, zwei Schalen), mindestens dreimal in Meisenheim und zweimal in St. Wendel (Saar).
In Landstuhl (Schale mit Schlitzscharten, vor 1326), Wachenheim (nach Stadtrecht 1341) und Dürkheim (ab 1359/60) steht noch je ein Rundturm, wobei in Wachenheim außerdem ein zweiter runder und ein quadratischer Turm nachweisbar sind, die aber weitgehend jüngeren Phasen entstammen können. Die meist verbauten, der Mauergassen ermangelnden Mauern selbst sind selten beurteilbar; die Brustwehr mit Schießfenstern sieht man noch in Meisenheim, wo auch der Auslass des Mühlbaches mit Wehrerkerresten sehenswert ist. Wachenheim und Kirchheimbolanden (nach 1368) zeigen zudem Wehrgangbögen, im letzteren Fall (als Folge einer Umplanung?) in zwei versetzten Reihen, darüber den außen leicht vorgekragten Wehrgang (Abb. 411); ein hoher rechteckiger Schalenturm zeigt Rundbogenfriese unter der Brustwehr. Um 1400 wurde in Freinsheim eine gut untersuchte, starke Dorfummauerung begonnen, die in Turmhöhe und Schartenform erste Reaktionen auf Feuerwaffen zeigt; Bauherr war wohl Kurpfalz, das den Ort im Laufe des 15. Jahrhunderts stückweise erwarb (Abb. 412). Die Türme waren rechteckige Schalen mit Wehrplatten über Rundbogenfriesen; nur ein Turm ist bergfriedartig. Unterschiede in der Ausstattung der Türme dürften Folge langer Bauzeit sein; vor allem die hufeisenförmigen Schlüsselscharten der östlichen Türme Kleinstadtmauern des 14. Jahrhunderts sehen nach einer zweiten Entwicklungsstufe aus. Im 15. Jahrhundert überwogen sonst die Rundtürme, wie Oberstein, Deidesheim (1360 bis Mitte des 15. Jahrhunderts?) und Baumholder (nach 1490) belegen. Wehrgangbögen blieben selten; in (Idar-)Oberstein entstanden sie mit den Mauern wohl erst nach 1414, als noch ein Gebück belegt ist. Rundtürme und Bögen zeigte auch Pfeddersheim, das ab 1304 Reichsstadt war, seine Mauer aber erst gegen 1500 erhielt (eine Inschrift eher „1611“ als „1511“ zu lesen und auf Putzrustika zu beziehen). Seine mehrheitlich runden Mauertürme zeigen Schlüssel- und Maulscharten sowie die heimischen Rundbogenfriese; die gleichzeitig entstandenen Wormser Vorstadtmauern mögen ähnlich ausgesehen haben. Merkmale wie Schwalbenschwanzzinnen und die Backsteinecken der Rechtecktürme – singulär in der Region – lassen dagegen an einen oberitalienischen Bautrupp 16. Pfalz, Saar, Luxemburg und Lothringen
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Abb. 411 Kirchheimbolanden, zwei Wehrgangbögen übereinander wie hier an der östlichen, nach 1368 entstandenen Stadtmauer sind ziemlich einzigartig – Ergebnis einer Umplanung?
denken. In der kleinen Burgstadt Herrstein, das 1428 Stadtrechte erhielt, bestätigt die Dendrodatierung (1449) des kaum veränderten Torturmes mit Schlüsselscharten und Zugbrückenblende die baldige Erbauung der Mauer. Auch in Billigheim ist ein inschriftlich „1468“ begonnener Torturm mit einem wohl gleichzeitig gebauten Vortor erhalten, in Mauerwerk und Eckbuckelquaderung ein wichtiger Referenzfall. Auch in Dalsheim setzte man um 1470–90 überwiegend auf Rundtürme, die die hohen, mit Wehrgangbögen versehenen Mauern kaum überragten. Nur zwei Türme sind quadratisch, jene neben den zwei Toren bergfriedartig hoch; sie zeigen Schlüsselscharten, auch mit dreieckiDorf- und Stadtmauern des 15. Jahrhunderts gem Unterteil, und vorkragende Brustwehren. Abb. 412 Freinsheim, Rekonstruktionsversuch der Dorfmauer (um 1400–15. Jh.), im Zustand um 1820 (Schirmer/Becker, Die Befestigungsanlagen von Freinsheim, 1972).
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Wie schon die eher als „Landesfestungen“ anzusprechenden Mauern von Freinsheim und Dalsheim ankündigten, ist das 15. Jahrhundert in Rheinhessen und der Pfalz auch die Zeit aufwendiger Dorfummauerungen. Sicher besaßen viele Dörfer nur Wallgräben und Torbauten – wie etwa in Heßloch teilweise erhalten –, aber es gab auch Mauern wie jene in Ober-Ingelheim, die, ansetzend an eine Kirchenburg, 2 km lang war und mindestens 15 kleine Rundtürme besaß. Die Türme und die erhaltenen Tore – darunter ein kleines Doppelturmtor – zeigen Schlüsselscharten, Rundbogenfriese unter den Wehrplatten und runde Eckerker; anstatt des Wehrganges gab es aber nur Scharten auf Bodenhöhe. Dass es noch besser ausgestattete Mauern gab, belegen die Nachbarorte Groß-Winternheim mit einem über Bögen vorgekragten Wehrgang und NiederIngelheim, wo auf die Mauerreste der karolingisch-romanischen Pfalz eine hohe Mauer mit Wehrgangbögen und zwei Schartenreihen aufgesetzt wurde. In der Pfalz ist Jockgrim ein aufwendiges Beispiel mit Wehrgangbögen, Zinnen mit Schlüsselscharten und ehemals einem Doppelturmtor, alles in Backstein. Von vielen Dorfbefestigungen sind nur Einzelbauten erhalten, so ein schlichter Torbau in Westhofen und eine Anzahl von Rundtürmen, meist mit Schlüsselscharten (Gau-Algesheim, Göllheim, Obermoschel, Assel-
heim, ehemals Eisenberg); ähnlich sieht der Wartturm über Kirchheimbolanden aus. Von der gut datierbaren Mauer von Grünstadt – 1471 entstand erst der Graben – ist leider fast nichts erhalten. Umlaufende Zwinger sind in der Pfalz und in Rheinhessen wie allgemein im Oberrheingebiet selten. Das wichtigste Beispiel war Alzey aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit runden Streichwehren und Schlüsselscharten. Die Vorstadt in Oppenheim zeigt noch Teile eines undatierbaren, jedenfalls späten Zwingers, vergleichZwinger und Rondelle, 15.–17. Jahrhundert bar mit Neuleiningen. Matthäus Merians Darstellung deutet einen kurzen, bebauten Zwingerabschnitt in Kaiserslautern an, in Hornbach gibt es geringe Reste, der Zwinger in Neustadt ist verschwunden. Die vermeintlichen Zwinger in Speyer und Landau sind kaum belegt. Deidesheim besaß einen befestigten Außenhof vor dem „Landauer Tor“. Die wenigen Rondelle der frühen Artilleriezeit in der Region besaßen in der Regel ein gewölbtes Erdgeschoss und zwei Obergeschosse, davon das Abb. 413 Freinsheim, das Vortor des „Eisernen Tors“ mit zwei großen Rondellen, erbaut 1514, entspricht der Bedeutung der kleinen Stadt für Kurpfalz.
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obere über Rundbogenfries. Der „Dicke Turm“ in Bergzabern, in Buckelquadern mit Brillen- und ähnlichen Scharten, ist das besterhaltene Beispiel. In Annweiler verstärkte ein kleines Rondell von „1492“, in Glattquadern mit ähnlichen Scharten, einen Zwinger vor der Nordmauer. Der Mainzer „Alexanderturm“ (um 1500?) ist stark verändert, von zwei Rondellen in Kirchheimbolanden blieben nur Stümpfe. Wichtigstes Denkmal dieser Phase ist jedoch das Vortor des „Eisernen Tores“ in Freinsheim von „1514“, ein breit gelagertes Doppelturmtor in bestem Quaderwerk mit Maulscharten und kurpfälzischem Wappen (Abb. 413). An der Mauer von Kaiserslautern, die inschriftlich schon „1593“ verstärkt worden war, wurde eine fünfeckige Streichwehr ergraben, die bereits zur Bastionärbefestigung um 1620 gehört. Erst in französischer Zeit (nach 1680) entstanden sieben ähnliche Türme in (Saarbrücken-) St. Johann.
Das Herzogtum Lothringen und die – damals weit größere – Grafschaft Luxemburg griffen bereits im Mittelalter über die Sprachgrenze Deutschsprachiger Teil von Lothringen und Luxemburg hinaus, gehörten aber noch zum Reich. War schon im trierischen Raum und letztlich in weiten Teilen des Rheinlandes ein starker französischer Einfluss im Stadtmauerbau festzustellen, so kann es nicht überraschen, dass er hier noch weit deutlicher auftritt. Ältester Baurest in Lothringen ist der romanische Torturm von Saaralben, ein Backsteinbau mit Werkstücken in Sandstein (frühes 13. Jahrhundert); er besitzt Rundbogentore, ein dreigekuppeltes, säulchengetragenes Rechteckfenster wie manche Metzer Wohntürme, Skulpturen auf Eckquadern und noch Zinnen. Tortürme bzw. Torbauten wohl des 14./15. Jahrhunderts sind in Lothringen auch in Metz, St. Avold und Sierck
Abb. 414 Metz, das „Deutsche Tor“ vor der Schleifung der Festungswerke, um 1900. Heute sind nur noch das Doppelturmtor der Zeit um 1230 links und das dreieckige Vorwerk rechts (1426–29) erhalten (alte Ansichtskarte).
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Abb. 415 Luxemburg, Rekonstruktionsversuch der ersten Stadtmauer. An den Toren ist jeweils nur ein Turm belegbar, kein Doppelturmtor (J. Zimmer, Aux origines de la Ville de Luxembourg, 2002).
nachweisbar. Die „typisch französische“ Mauer mit ihren eng gereihten, weit vorspringenden und mit Schlitzscharten ausgestatteten Rundtürmen, auch zumeist Doppelturmtoren, wurde wohl beispielgebend in Metz eingeführt; das innere Tor der „Porte des Allemands“, um 1225, gibt noch eine Anschauung der 6 km langen(!), mit über 60 Türmen versehenen Anlage (Abb. 414). Kaum jünger (Stadtrecht 1226) war die um 1213– 40 erbaute Mauer von Saarburg, die eine ältere der Zeit um 1130(!) einbezog; Reste von sieben halbrunden Türmen sind erhalten, teils mit Schrägsockel und Schlitzscharten mit halbrundem Fuß (Abb. 69). Eine Mauer gleicher Art besaß Diedenhofen, vielleicht auch Saargemünd, während es in St. Avold (nach 1327) auch einzelne Rechtecktürme gab. Das Spätmittelalter wird im deutschsprachigen Lothringen von Finstingen und vor allem Rodemachern vertreten; in Finstingen stehen die Ruine eines Doppelturmtors und zwei Streichwehren (15. Jahrhundert?), Rodemachern – „la petite Carcassonne lorraine“ – zeigt eine einheitlich um 1483 von den Markgrafen von Baden erbaute, 1,50 m dicke Mauer. Die runden Türme – nur einer ist „mandelförmig“, eine ausschließlich französische Form – besitzen Maulscharten und überragen den Wehrgang nicht, der mit eng gereihten Schlitzscharten darüberzieht; die „Porte de Sierck“ ist ein Doppelturmtor. Auch die Mauern im deutschsprachigen Teil von Luxemburg zeigten klar französische Formen. In der Klosterstadt Echternach folgte auf einen ergrabenen Wall des 11./12. Jahrhunderts
vor 1239 eine Mauer mit zahlreichen Halbrundschalen, die lange Schlitzscharten mit einem Dreieckfuß zeigen. In Luxemburg selbst, wo lange eine Frühdatierung um 1050 vertreten wurde, entstand die erste Mauer wohl um 1170– 90; diese Datierung beruht allerdings bisher vor allem auf historischen Erwägungen zur Stadtentstehung, sodass die Mauer als solche auch erst
Abb. 416 Luxemburg, die „Wenzelsmauer“, die die Angriffsseite einer östlichen Stadterweiterung schützte, erhielt ihren Namen vermutlich von Herzog Wenzel I. von Luxemburg (1354–83).
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etwas später entstanden sein könnte (Stadtrecht erst 1244). Die durch Bauforschung und Archäologie erfassten Teile lassen quadratische Mauertürme erkennen, während die beiden vermuteten Doppelturmtore mit quadratischen Türmen nicht ganz gesichert scheinen; auch Einzeltürme neben der Durchfahrt scheinen denkbar (Abb. 415). Die „Altpforte“, das einzig erhaltene Tor, entstand nach J. Zimmer durch Ausbau eines Torturms zum Doppelturmtor mit einer Scharte wie in Echternach. Von den um 1325–98 erbauten
neuen Mauern blieben vor allem die fünf hohen Türme der „Wenzelsmauer“, halbrunde, oben überwölbte Schalen mit Schlitzscharten (Abb. 416); das 1684 teilzerstörte „Trierer Tor“ war ein auffällig breiter Turm. In Vianden zeigt ein langer Mauerzug am Hang noch zahlreiche Rundtürme, meist als Schalen (13./14. Jahrhundert), und verbaute Halbrundturmreste gibt es auch in Grevenmacher. Der Burgflecken Fels besaß vor 1400 eine einfache Mauer mit zwei Rundschalen.
17. Nördliches Rheinland Der rheinische Teil des späteren Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – heute die Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf – lag stets im Brennpunkt vielfältiger Einflüsse, die im Mittelalter eine höchst facettenreiche Architektur hervorbrachten. Als Hügelzone zwischen den teils vulkanisch geprägten Mittelgebirgen und dem niederrheinischen Flachland bietet die Region vielfältiges Baumaterial; außer im Gebirge sind die Siedlungsbedingungen sehr gut, und der Rhein ermöglichte erstrangigen Handel. Römische Bauten und Grenzbefestigungen wirkten ebenso anregend auf die Bauformen wie ab dem 13. Jahrhundert der nahe französische Sprachraum. Das schon in römischer Zeit hoch entwickelte Köln blieb auch im Mittelalter politisches und
wirtschaftliches Zentrum. Bis ins 10. Jahrhundert genügten der Stadt die Mauern des ersten nachchristlichen Jahrhunderts mit ihren Rundtürmen und den Haupttoren, die zumindest teilweise säulengegliederte Fassaden und doppelte Durchfahrten zwischen Rechtecktürmen besaßen. Bereits vor 948 erhielt die Rheinvorstadt beidseitig Wälle und Gräben und um 1106 beauftragte Heinrich IV. die Bürger(!) Kölns mit der Befestigung dreier Vorstädte; in seiner Vita ist die Rede von „Wällen und Türmen“. Manche oder alle Torbauten dieser Phase besaßen Doppeldurchfahrten nach römischem Vorbild, an das auch mindestens zwei Rundtürme erinnerten; die 1872 zerstörte „Würfelpforte“ hatte Biforien im (einzigen?) Obergeschoss. Mitte des 12. Jahrhunderts besaß auch die Rheinvorstadt zumin-
Abb. 417 Köln, das „Severinstor“ (wohl um 1210–50), Grundrisse der drei Hauptgeschosse im Zustand vor dem Abbruch der Mauer (vgl. Abb. 99; D. Kunstdenkmäler d. Rheinprovinz, 2, 4: Stadt Köln, D. profanen Denkmäler, 1930).
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dest den „Saphirsturm“ am Rhein und Torbauten, von denen (nur?) das „Alte Rheingassentor“ eine Kapelle im Obergeschoss zeigte. Die letzte, 8,5 km lange Befestigung von Köln, die vom zweiten bis zum fünften Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstand, war eine der wichtigsten Stadtmauern Deutschlands. Schon 1180 entschied Friedrich I., ein neuer „Wallgraben von bewundernswerter Breite und Höhe“ dürfe vollendet werden; Überlegungen zu dieser vierten Ausbauphase von Köln sind seit 1154 belegt. 1187 musste eines von mehreren „neuen Toren“ bis auf die untere Wölbung abgebrochen werden; gegen 1200 ist auch die Mauer als solche erwähnt. Die Stilanalyse ergibt dabei, dass die 13 großDie Mauern von Köln vom 10. bis artigen Tore Kölns – nur vier zum 13. Jahrhundert überstanden den Abbruch ab 1881 – erst vom zweiten bis zum fünften Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts entstanden sind (Udo Mainzer). Nur das Erdgeschoss des „Severinstores“ (Abb. 417) dürfte teils in die 1180er Jahre zurückgehen; querrechteckig, mit Seitenräumen neben der tonnengewölbten Durchfahrt, wirkt es wie eine Vereinfachung der etwas älteren Vorstadttore oder der Aachener Tore von 1171 ff. (vgl. unten). Das „Severinstor“ wurde gegen Mitte des 13. Jahrhunderts zum Torturm umgebaut, dessen Polygon, ähnlich dem „Ehrentor“, vom Kirchenbau der Zeit beeinflusst scheint. Normalform der Kölner Tore war aber das Doppelturmtor mit quadratischem, drei- bis viergeschossigem Durchfahrtsbau, der von zwei gleich hohen, im Erdgeschoss kuppelig gewölbten Halbrundschalen oder vollrunden Türmen flankiert wurde (Abb. 418); am stärksten durchgearbeitet ist das „Hahnentor“, durch das traditionell der deutsche König zu seiner Krönung zog (Abb. 107, 149). In der Wirkung monumental, erweist sich dieser Tortyp im Grunde als additive Entwicklung aus einem einfachen Torbau und der über fünfzigmal vertretenen Turmform der Kölner Mauer – einem runden, kuppelgewölbten Schalenturm (Abb. 66). Die gleichzeitig entstandene Mauer mit einem Wehrgang auf Bögen integrierte Reste der um 1180 niedriger begonnenen Mauer; unter jedem Bogen lag eine Schlitzscharte, vom Boden aus zu bedienen (Abb. 41). Solche Scharten gab es auch in den unteren
Teilen der Tore, während oben halbrunde Fenster vorherrschten, stadtseitig auch Biforien. Udo Mainzer hat belegt, dass die Ornamentik der Tore mit gleichzeitigen Neubauten jener Stifte eng zusammengingen, an deren Gebiet sie jeweils grenzten (Abb. 267). Gegen den Rhein gab es nur Mauertore (und drei wohl jüngere Tortürme; Abb. 139), jedoch war der rheinauf liegende „Bayenturm“ als wuchtiger Eisbrecher von 12,50 m im Quadrat ausgebildet; um 1400 wurde er durch einen Achteckaufsatz auf fast 40 m erhöht (vgl. Andernach, Oberwesel und andere). Die Kölner Mauer gehörte mit den Doppelturmtoren und genormten runden Mauertürmen als früher Fall in jene französische Einflusszone, die im 13. Jahrhundert weite Teile des Rheinlandes umfasste (vgl. Band 1, Kapitel 2.2.4.6.); als Vorbild kam um 1210/20 aber erst wenig mehr als die Pariser Mauer mit dem Louvre (um 1190– 1220) infrage, und deren eher funktionale Formen treten gegen die betonte Monumentalität der Kölner Türme deutlich zurück. Diese erhebliche Weiterentwicklung(?) der Formen gilt allerdings auch, wenn man – wie es die ältere Kölner Forschungstradition wollte – eher an römische Anregungen glaubt, etwa an die Tore und Türme des benachbarten Brückenkastells Deutz. Die in Köln geschaffenen Formen, aber auch der direkte französische Einfluss, prägten die rheinischen Mauern bis ins 14. Jahrhundert, und zwar im Natur- genauso wie im Backsteingebiet. Insbesondere die runden Wehrgangbögen mit darunter liegenden Scharten wurden zum Standard, ebenso die Fundamentbögen, die sicherlich schalungslos in den Boden oder älteren Wall eingelassen wurden; im ersteren Falle wurden sie, zumindest feldseitig, nachträglich zugeschüttet. Die Mauergasse, die in Köln lückenlos umläuft, bleibt im Rheinland die Norm, von sehr kleinen Städten abgesehen. Auch die in dieser Region selten durchbrochene Dominanz runder/halbrunder Türme wird man zu dieser Tradition rechnen, auch wenn sie fast nie so dicht und regelmäßig wie in Köln angeordnet wurden. Die Form des Doppelturmtores, die sonst vor dem 15. Jahrhundert in Deutschland kaum auftritt, reicht im Rheinland mit einer Anzahl von Varianten (die Udo Mainzer als territorial gebundene Sonderentwicklungen interpretierte) bis ins 14. Jahrhundert hinein; später findet man sie 17. Nördliches Rheinland
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Abb. 419 Bonn, der letzte erhaltene Turm der nach 1244 begonnenen Mauer, die dem kölnischen Vorbild folgte. Links daneben das Gewände des 1898 abgebrochenen „Sterntors“, das etwa 60 m weiter nördlich lag.
verkleinert an den Vortoren. An den rheinischen Toren, auch den Tortürmen, findet man fast immer das ins Gewände eingelassene Fallgatter, das in Köln verbindlich war – am Zülpicher „Weiertor“ ganz ausnahmsweise in der stadtseitigen Öffnung –, und ebenso bleibt die Mauertreppe in der Wange der Torbauten üblich. Eine vollständige, auch die enge Turmreihung übernehmende Kopie des Kölner Vorbildes entstand ab 1244 in der erzbischöflichen Residenz Bonn, zunächst nur mit lignea propugnacula super fossatum und novas portas de lapidibus; die sicher bald folgenden Mauern sind 1291 erwähnt (Abb. 419). Erhalten ist leider nur ein um 1900 kulissenhaft ergänzter Turm, mit Spolien unter anderem des „Sterntors“. Auffällig war in Bonn die konsequente Ausstattung mit hohen Schlitzscharten mit Hufeisenfuß, die in Köln noch selten waren; auch diese Modernisierung fügte sich in die französischen Einflüsse des späteren 13. Jahrhunderts im westlichen Deutschland, wobei man im Rheinland traditionell vom Aufkommen solcher Scharten erst nach 1300 ausging.
Abb. 418 Köln, das „Eigelsteintor“, oben Feldseite, unten Stadtseite (wohl um 1230–50). Die „romanischen“ Fenster entstanden erst bei der Restaurierung im späten 19. Jh., jedoch war ein hölzerner Wurferker schon im 17. Jh. vorhanden.
Mauern des 12. und früheren 13. Jahrhunderts sind im Rheinland aber keinesfalls nur in Köln belegt, sondern, vor allem mit archäologischen MitWeitere Mauern des 12. und frühen teln, auch in Duisburg, Neuss, 13. Jahrhunderts Aachen und Siegburg, von geringen Resten in Heinsberg (vor 1290?) abgesehen. Normales Material waren Tuffquader (in Heinsberg Mergel), während Basalt aus Mayen ab dem späten 12. Jahrhundert auftrat. In Duisburg, wo Mauer und Graben schon um 1120/25 und cives schon 1129 erscheinen, ist eine schwach fundamentierte, turmlose Mauer aus Tuffquadern mit ausgekragtem Holzwehrgang teilweise bis zu den Zinnen(!) erhalten (Abb. 420), die auf einen Wallgraben des 10. Jahrhunderts folgte. Schon um 1200 oder bald danach wurde sie durch eine polygonale Eckschale verstärkt. Ab dem 13. Jahrhundert entstand dann durch kontinuierlichen Ausbau eine Mauer nach Kölner Standard mit Wehrgangbögen und geschlossenen Halbrundtürmen, die Treppen in der Mauerdicke besaßen; archäologisch erfasst ist nur eine Partie am Hafen, bei der dieser Zustand durch Umbauten und unter Einbeziehung älterer Häuser nur teilweise erreicht wurde. Die Ergänzung von nun spitzbogigen Arkaden und Türmen währte bis ins 14. Jahrhundert, als auch 17. Nördliches Rheinland
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der Eckturm am Hafen als sechseckiger „Koblenzer Turm“ in Backstein wiedererrichtet wurde; um 1500 folgten eine Mauererhöhung, die Einwölbung von Türmen und wohl auch neue Tore. In Neuss bestand neben dem Damenstift schon 1021 eine Kaufleutesiedlung, die im 12. Jahrhundert ummauert wurde; ein Eckrundturm – zwei weitere Rundtürme sind an der Immunitätsmauer belegt – und ein Tor mit zwei quadratischen Seitentürmen deuten auf römische Vorbilder. Frühestens etwa 1180 begann man dann eine äußere, nur 0,60 m dicke, flach fundamentierte Tuffmauer, zu der wohl auch das ursprüngliche „Obertor“ gehörte: ein Mauertor mit innen rundbogig ausgenischtem Obergeschoss, ähnlich dem Andernacher „Rheintor“. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden, nach Kölner Vorbild, Wehrgangbögen und Halbrundschalen angefügt bzw. es entstanden weitere Mauerpartien mit solchen Schalen; auch der doppeltürmige Ausbau des „Obertores“ dürfte in diese Phase gehören (Abb. 421). Noch im 13. Jahrhundert wurde der umlaufende Zwinger begonnen, anfangs eher eine turmlose, grabenseitige Abstützung.
In Aachen, wo 1137 ein fossatum belegt ist, entstand ab 1171 eine Umwehrung auf Weisung Friedrichs I., wahrscheinlich als mauerverkleideter Wall, dem später einige Rundtürme vorgesetzt wurden (Grabung 1922); oberirdisch erhalten ist nichts. Die Tore ähnelten wohl jenen des frühen 12. Jahrhunderts in Köln, eines besaß sekundäre(?) Tourellen. Auch in Siegburg (1182 oppidum) scheinen Mauerteile des 12. Jahrhunderts aus Tuff und Basalt erhalten; im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts wurde die Mauer ergänzt und südlich erweitert. Neben einigen Halbrundtürmen entstanden dabei die Tortürme des „Grimmels-“ und des „Mühlentores“ mit gestuften Spitzbogendurchfahrten, im ersten Falle oben achteckig. Das rundbogige Holztor, ein Mauertor des 12. Jahrhunderts(?), erhielt schlanke Tourellen; die Urform des Kölntores, das später ein Vortor erhielt, blieb unbekannt. Von der inschriftlich wohl 1212 begonnenen Dürener Mauer ist nichts mehr erkennbar. Blankenberg/Sieg – die Siedlung bei der Grafenburg erhielt 1245 Stadtrechte, 1247 lag ein Hof bei der Pfarrkirche schon innerhalb der
Abb. 420 Duisburg, schematische Darstellung der beiden Hauptphasen der Stadtmauer an der Nordseite (links) und Grundriss des „Koblenzer Turmes“ mit Grabungsbefunden. 1: Ecke der Stadtmauer, um 1120–25 (Tuff); 2: älterer Turm, 12. Jh. (Tuff); 3: Backsteinturm, 14. Jh.(?). Rechts eine Zinne mit Resten von Quaderbemalung (J. Müller; Foto Verf.).
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Mauer – zeigt in den Rundtürmen der Burg und der mit zwei schartenbewehrten Rundschalen ausgestatteten Mauer der schon 1611 unbesiedelten „Altstadt“ (= Burgmannensiedlung?) französische bzw. Köln-Bonner Einflüsse. Die Tore der „Altstadt“ Mauern in der zweiten Hälfte des und der vorgelagerten (Neu-) 13. Jahrhunderts Stadt – die Letztere sonst turmlos – waren jedoch als (später erhöhte) Türme gestaltet; das „Katharinentor“ zeigt eine gestufte Spitzbogendurchfahrt mit Scheitelwulst, was die Datierung ins mittlere 13. Jahrhundert bestätigt, und Kreuzscharten im originalen Obergeschoss (Abb. 103). In einer Ausbauphase des 13./14. Jahrhunderts wurde die Angriffsseite der Stadt durch einen Zwinger, ebenfalls in Bogenkonstruktion, mit rechteckigen Streichwehren verstärkt. Der weitgehend verschwundene Außenring von Aachen war nach einer Steuerbewilligung spätestens 1257 geplant, während die Fertigstellung sich mindestens bis ins mittlere 14. Jahrhundert hinzog, mit noch späteren Ergänzungen. Das „Marschiertor“ – ähnlich ehemals das „Kölntor“ – war mit seinem Schartenreichtum noch fortschrittlicher als die gleichzeitigen Bonner Tore (Abb. 150); die komplexen Wurfeinrichtungen über der nischenartigen Torgasse erinnern an französische und englische Tore des späteren 13. Jahrhunderts. Die anderen Aachener Tore entsprachen, um 1300, dem verändert erhaltenen „Ponttor“ (Abb. 422): Der dreiräumige Grundriss knüpft an den blockförmigen Köln-Aachener Tortypus des 12. Jahrhunderts an, zieht aber die Seitenräume vor und bildet so eine hohe Außennische, entsprechend dem „Marschiertor“. Die 5,4 km lange Mauer mit Wehrgangbögen und Scharten besaß anfangs wohl kaum Türme; neben dem Stumpf des weit vorspringenden, runden „Pfaffenturms“ gehört sicherlich der restaurierte, halbrunde „Lange Turm“– an höchster Stelle, ungewöhnlich groß und bewohnbar – zu den ursprünglichen Bauten. Auch die einheitliche, fast lückenlos erhaltene Mauer von Münstereifel wurde mit der Burg Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen. Der Scheitelwulst des „Werthertores“, das ein Doppelturmtor war, aber im 14. Jahrhundert zum Turm reduziert wurde, belegt diese Datierung; die anderen Tore entstanden von Anfang an als Türme mit
Abb. 421 Neuss, der Kern des „Obertors“ ist ein stadtseitig offener Torbau ähnlich dem Andernacher „Rheintor“ (Abb. 397), der wohl noch in die Zeit vor/um 1200 zurückgeht. Durch Anbau der beiden Rundtürme entstand daraus im 13. Jh. ein hohes Doppelturmtor.
einem innen umgeführten Holzwehrgang. Ganz unkölnisch waren die Mauertürme hier rechteckig, innen im niedrigen Rundbogen geöffnet; allein die Ecktürme (und jene der Burg) sind halbrund. Mauer, Tore und Türme besitzen zahllose Kreuzscharten mit Sandsteingewände (Abb. 423). Die Grafen von Jülich befestigten ihre Hauptsitze erst um 1300. In Jülich, 1278 noch mit Wall und Graben befestigt und wohl danach ummauert, blieb nur das „Rurtor“, ein relativ kleines, aber mit zahlreichen Schlitzscharten versehenes Doppelturmtor; zwei Scharten sind sogar im Torgewände angeordnet, was so nur in Nideggen wiederkehrt, dem anderen Jülicher Hauptsitz. Dort wurden der Siedlung vor der Burg und der befestigten Burgmannensiedlung 1313 Stadtrechte verliehen. Die 1356 ersterwähnte Mauer mit Rechteckschalen, runden Ecktürmen und zahlreichen Schlitzscharten mit Hufeisenfuß erinnert an Münstereifel, verzichtet aber auf Wehrgangbögen. Das „Dürener Tor“ ist bis in Details eine Wie17. Nördliches Rheinland
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Abb. 422 Aachen, das um 1300 entstandene „Ponttor“ ist ein origineller Torbau mit hoher Nische für das Fallgatter und Wurfschlitze. Das zweitürmige Vortor wird gleichfalls noch ins beginnende 14. Jh. datiert (?).
derholung des Jülicher „Rurtores“, das „Zülpicher Tor“ ein Torturm mit im Rheinland ungewöhnlicher Fallgatternische (vgl. auch Kaster). Im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts – zur Zeit kriegerischer Konflikte des Erzbistums unter anderen mit den Jülicher Grafen – begann der Mauerbau, auf stadtherrliche Weisung, auch in den kleinen Städten. Dabei ersetzte die Mauer, besonders im Flachland, oft Wälle, Gräben und Palisaden; Udo Mainzer nennt 14 Holz-Erde-Befestigungen, die belegbar zwischen dem frühen 13. Jahrhundert und dem späten 14. Jahrhundert entstanden. Interessante Details bietet etwa Xanten (Stadtrecht 1228), wo die verfallenen Wälle von Erzbischof Friedrich von Saarwerden 1389 instand gesetzt und die Mauern wohl erst nach 1444 begonnen wurden; dabei hat man den Nordteil der Stadt aufgelassen. Ähnlich dürfte in Rheinbach das vom Wallgraben geschützte Gebiet beim Mauerbau um 1290–1323 verkleinert worden sein, um die Burg in Ecklage zu bringen (Abb. 22). 154 Topographischer Teil
Von den erzbischöflichen Mauern in Zülpich (1275/91), Lechenich (1279) und Brühl (Stadtrecht 1285) blieben größere Reste nur in Zülpich. Die wohl 1291 begonnene Bruchsteinmauer – die Bürger durften damals oppidum muro firmare – besaß schalenturmartige, mit einer Art Torgasse vor die Mauer geschobene Tore mit den zeittypischen hohen Schlitzscharten. Erst 1376–93 wurde in Backstein weitergebaut, nun mit Wehrgangbögen und Scharten; den vorhandenen Toren wurden Zinnen über Bogenfriesen aufgesetzt und Vortore angefügt, das „Münstertor“ entstand als Turm mit polygonalen Erkertürmchen neu. In Lechenich (1279 Akzise für die structura oppidi) gehören die fast allein erhaltenen, um 1860 von Ernst Friedrich Zwirner ergänzten Torunterbauten erst ins 14. Jahrhundert. Bei der Stadterhebung von Kempen (1294) vermerkte Erzbischof Sigfrid, die Bürger hätten in den befohlenen Mauerbau schon viel Mühe gesteckt; dennoch wurde im ganzen 14. Jahrhundert an der (verschwundenen) Mauer weitergebaut. Die drei er-
haltenen Türme in Ratingen (Stadtrecht 1276) mögen noch in die Zeit um 1300 gehören, während in Rheinberg – Stadt seit 1233, plancis et propugnaculis bis 1290, dann Mauerbau aus 1311 erwähnten Ziegeln – nur der Stumpf des Burgturmes überlebte. Zahlreich sind auch im Rheinland die meist nur in Resten erhaltenen Mauern des 14. Jahrhunderts, für Neue Mauern und Einzelbauten des die weiterhin Wehrgangbögen 14. Jahrhunderts und Scharten, halbrunde Schalen und Tortürme charakteristisch sind; Doppelturmtore sind die repräsentativen Ausnahmen (Reifferscheid, Bergheim, Goch, ehemals Uerdingen, Kalkar), gelegentlich ersetzt durch Tortürme mit zwei feldseitigen Ecktourellen (Reifferscheid, ehemals Euskirchen). Stefan Frankewitz hat herausgearbeitet, dass für viele kleine Gründungsstädte der Region die Verbindung mit Stadtburgen, fast immer in Ecklage, typisch war. Material war nun fast immer Backstein, Naturstein tritt nur noch im gebirgsnahen Süden auf. Primär gilt das für kleine „Freiheiten“ unter Höhenburgen, nämlich die schwer datierbaren Blankenheim (1341 „dal“) und Reifferscheid (Tore 1435) sowie für Kronenburg (Anfang des 14. Jahrhunderts „dal“, 1351 „Stat“). Eigentliche Stadtmauern in Bruchstein entstanden nur noch in Rheinbach – 1299 oppidum, zwei Türme der ab 1308(?) erbauten Mauer sind erhalten – und im vorher umwallten Euskirchen, das offenbar erst unter Jülicher Herrschaft ab 1355 eine Mauer mit innen abgeflachten Rundtürmen erhielt; der „Dicke Turm“ ist mit Gewölben, Kamin und Fenstern bewohnbar hergerichtet. Zu den Backsteinmauern der ersten Hälfte und Mitte des 14. Jahrhunderts gehörte etwa Bergheim (1329 im Bau) mit dem „Aachener Tor“, einem kleinen, früher dreigeschossigen Doppelturmtor; ein hohes Doppelturmtor ist auch das „Steintor“ in Goch, wo ferner eine Rechteckschale und einige spitze Wehrgangbögen blieben (vor 1366). Die Mauer von Kaster, 1339 als Stadt erwähnt, ist mit drei Halbrundtürmen verbaut erhalten, ferner zwei kleinen Tortürmen des 14. und 16. Jahrhunderts. In Uerdingen (Mauer 1333 erweitert) steht vor allem noch ein runder Eckturm. Reste von Backsteinmauern des 14. Jahrhunderts findet man ferner in Emme-
rich (wo eine Befestigung schon 1238 im Bau war), Rees (um 1300?) und, mit spitzen Wehrgangbögen und einer Halbrundschale, in dem schon früher ummauerten Düren. Unter den vielen verschwundenen Mauern des 14. Jahrhunderts sind die durch Rechnungen belegten Anlagen in Wesel erwähnenswert – vor 1349, Vorstädte bis um 1500 – und jene in Kalkar (Mitte des 14. Jahrhunderts), ehemals mit schönen Doppelturmtoren; in Büderich sind Gräben bis 1326 belegt, die Mauer ab 1365. Ab den 1370er Jahren ist eine „spätgotische“ Tendenz zu aufwendigeren Formen zu beobachten, die wohl wiederum von Köln ausging (Erzbischof Friedrich von Saarwerden, 1370–1414). Die Tortürme wurden höher – Doppelturmtore fehlten nun – und es traten reichere Fries- und FensAbb. 423 Münstereifel, eine Kreuzscharte, wie sie an der gesamten Mauer von Münstereifel auftritt, in der Nordmauer (nach 1265). Kreuzförmige Scharten waren in Deutschland eher selten
17. Nördliches Rheinland
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terformen aus Werkstein auf; bisher hatte sich echter Schmuck auf einfache Backsteinfriese und gelegentliche Madonnennischen (Aachen, Nideggen, Zons) beschränkt. Charakteristisch sind über Maßwerkfriesen vorgekragte Brustwehren, gerne mit polygonalen Eckerkern, denen eine reiche Dachform entsprach. Die wichtigste Mauer dieser Phase ist in Form und Erhaltung jene von Zons, erbaut ab 1373 durch Friedrich von Saarwerden. Wohl bis gegen 1400 – Wälle sind noch 1385 erwähnt – entstand eine rechteckige Mauer aus Basalt, Backstein und Tuff, deren Wehrgangbögen weitgehend unausgeführt blieben. Türme gab es nur an den Ecken, drei runde Türme und gegen den Rhein den bewohnbaren, quadratischen „Zollturm“ mit Inschrift von 1388 und Relief des Stadtgründers mit St. Petrus in reicher Maßwerknische. Sonst Abb. 424 Zons, ein Wehrerker der Nordmauer (um 1374–88), rechts daneben noch ein Rest der Zinnen. Die untere Schartenreihe ist charakteristisch für das Rheinland bzw. den Kölner Raum.
156 Topographischer Teil
besaß die Mauer nur Erker, landseitig rechteckig über Maßwerkfriesen (Abb. 424), in der wehrganglosen rheinseitigen Mauer achteckig und zweistöckig, auf kreuzförmigem Fuß; eine wichtige Rolle bei der Verteidigung spielten auch die drei weit vorspringenden Vortore mit Eckerkern. Der 1279 eingestellte Mauerbau in Zülpich wurde 1376–93 fortgeführt, mit dem Turm des „Münstertores“, entsprechenden Ergänzungen der anderen Tore und Torzwingern. In Kempen, wo 1368–70 vier (verschwundene) Türme hinzugefügt worden waren, wurde gegen 1400 der Turm des „Kuhtores“ erbaut, der (nach 1882 restaurierte) polygonale Ecktürmchen über Eckstrebepfeiler besitzt. 1389–93 entstanden die Xantener Tore, von denen der Turmstumpf neben dem „Meertor“ erhalten ist, und vor allem das 1906 ergänzte „Klever Tor“, ein viergeschossiger Turm mit polygonalen Eckerkern, seitlichem Treppenturm und einem über die Doppelgräben vorgeschobenen Zwinger, der mit einem kleinen Doppelturmtor abschließt (Abb. 425); ein Rundturm flankierte das abgegangene „Scharntor“. Die Mauer selbst wurde in Xanten erst um 1444– 1500 vollendet, mit vollrunden, ganz vorspringenden Türmen. Xanten war wohl die letzte Mauer einer halbwegs bedeutenden Stadt, die im nördlichen Rheinland neu entstand. Daneben sind um und nach 1400 nur noch kleine Städte zu nennen – Gangelt, Orsoy, Linn, das neuerdings gut untersuchte (Mönchen-)Gladbach, Solingen, Straelen, Gerresheim, Dülken, Wachtendonk (Palisaden schon 1257d), Schleiden, Wassenberg, Linnich (ab 1414, geringe Reste) –, die Backsteinmauern mit bescheidenen Tortürmen und meist nur wenigen Rundtürmen erhielten; stärkere, rondellähnliche Türme (Gladbach 1514) oder seltene Schlüsselscharten (Wassenberg) sind dabei die einzigen Hinweise auf neue Entwicklungen. Neben diesen Kleinstadtmauern blieben freilich weiterhin Holz-Erde-Befestigungen bestehen; Dülken besaß noch 1387 nur Wall, Graben und Palisaden, und das 1389 von Brabant befestigte Waldfeucht zeigt bis heute diese Entwicklungsstufe. Ein erwähnenswerter Sonderfall bleibt Mülheim bei Köln, das als Rheinhafen des Herzogtums Berg schon im späten 13. Jahrhundert, dann wieder 1414 befestigt werden sollte; dies wurde wie wiederum im 16. und 17. Jahrhundert
von der um ihr Monopol fürchtenden Stadt Köln verhindert, die ähnlich auch mit Deutz umging. Im kleineren Monheim, das ein paralleles Schicksal hatte, steht neben dem Haupttor noch ein wenig veränderter Wohnturm (um 1420). Die wichtigste wehrtechnische Neuerung des 14. Jahrhunderts, der umlaufende Zwinger, fehlt im Rheinland fast völlig. Nach archäologischen Ergebnissen gehen die Anfänge eines solchen Zwingers in Neuss ins späte 13. Jahrhundert zurück und wurden dann, um rechteckige Streichwehren ergänzt, im 14. Jahrhundert weitergeführt; aber er könnte hier, vor einer wenig standfesten Mauer, ursprünglich eher der Abstützung gedient haben. In Blankenberg verstärkte der Zwinger mit ähnlichen Streichwehren und Schlitzscharten nur die Angriffsseite (Abb. 426); auch er könnte noch in die Zeit um 1300 zurückgehen. Torzwinger sind im Rheinland offenbar im späteren 14. Jahrhundert aufgekommen. Es gab Vortore knapp vor dem Haupttor (Zülpich), aber üblicher waren lang gezogene Höfe, wie sie sich aus den verdoppelten Gräben im Flachland ergaben. Ihre feldseitige Front wurde gerne als kleines Doppelturmtor ausgeformt oder, sparsamer, mit zwei Eckerkern geschmückt. Die besten Beispiele sind Zons und Xanten, aber auch das Aachener „Ponttor“ (Abb. 422) und das „Weiertor“ in Zülpich sind gut erhalten (ehemals auch Dinslaken, Duisburg, Griethausen, Kalkar, Kleve, Kranenburg, Krefeld, Wesel und andere). Landwehren waren auch im Rheinland nicht selten und stammten zumeist aus dem späten 14. und 15. Jahrhundert. Neben Städten wie Wesel (ab 1373) und Aachen (ab 1419) oder auch einem sonst unbefestigten Ort wie Viersen (1383/1423) wurden auch ganze Territorien auf diese Weise geschützt, insbesondere jenes der Grafen von Kleve (um 1400–1440) und solche in der Gegend von Gladbach, Kempen und Goch . Bevor im mittleren 16. Jahrhundert die revolutionäre Form der Bastion auch ins Rheinland vordrang (Jülich ab 1547), hielten sich die Verstärkungen für Artillerie in engen Grenzen. Außentore Neue Formen im 16./17. Jahrhundert wurden modernisiert (Kempen 1522; Emmerich; Düren: Barbakanen bzw. Rondelle), Außenwälle durch Mauerwerk verstärkt (Zons) oder Wälle direkt
Abb. 425 Xanten, die Feldseite des „Klever Tors“ (1393) mit seinem wenig jüngeren, zweitürmigen Vortor.
vor die Mauer geschüttet (Rees). Dabei entstanden durchaus noch Türmchen von hohem ornamentalen Anspruch (Rees), während Kanonenrondelle selten blieben; neben kleinen Rundtürmen (Zülpich) findet man größere Rondelle in Aachen („Marienburg“, „1512“), Düren, Kempen und Neuss („Kehlturm“); die großen Kölner Rondelle und Barbakanen sind verschwunden. Hochinteressante Einblicke, wie um 1500 Verstärkungen in Holz ausgeführt wurden, bieten die in Geldern erhaltenen Rechnungen. Eine Spezialität des Niederrheins sind die meist erst nachmittelalterlichen Windmühlen („Galerieholländer“) auf Mauertürmen (Kranenburg, Orsoy, Rees, Zons und andere); in Köln ist ein noch spätgotisches Beispiel erhalten (Abb. 199), die Kempener Mühle stammt von 1581. 17. Nördliches Rheinland
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Abb. 426 Blankenberg a. d. Sieg, die südliche Zwingermauer (um 1300?) besaß innen Stützbögen, die aber ursprünglich unter Terrain lagen; das belegen die Fundamentbögen in der rechts sichtbaren Hauptmauer (Mitte 13. Jh.), die heute weit über Bodenniveau liegen.
Das Ende der Mauern kam auch im Rheinland mit den Kriegen des 17. Jahrhunderts, denn mit den Bastionen schleifte man vielfach auch die mittelalterlichen Mauern. Die 1723 begonnene äußere Mauer von Blankenheim ist ein Kuriosum, die Mauern der Manufakturstadt Krefeld (1692–1806 mehrfach erweitert) waren nur noch Zollmauern. Danach baute erst die Gegenwart
wieder „Stadtmauern“: Die niedrigen Andeutungen des Mauerzuges in Kempen und Rheinbach dienen durchaus einer didaktischen Vermittlung der Stadtentwicklung, aber das „mittelalterliche“ Neutor in Rheinbach – anstelle eines ehemals wohl barocken Tores! – schießt über das Ziel hinaus.
18. Westfalen Aus der karolingischen Eroberung und Missionierung jenes sächsischen Siedlungsraumes, der heute Westfalen genannt wird, entstand im hohen und späten Mittelalter keine politische Einheit, sondern eine Gruppe von Territorien, unter denen die um 800 gegründeten Bistümer Münster, Minden und Paderborn die größte Bedeutung behielten. Die allgemein starke rheinische Macht158 Topographischer Teil
stellung erreichte im 12. Jahrhundert ihren Höhepunkt, als das Erzbistum Köln seine Besitzungen und seinen starken Einfluss auf den westfälischen Adel 1180 durch die Übertragung des Herzogtitels von Engern und Westfalen an den Erzbischof politisch abrundete. In dem folgenden Konflikt vor allem mit Paderborn spielten beidseitig auch Städtegründungen eine wich-
tige Rolle, die den Auftakt zur Blütezeit der Städte und Ummauerungen im 13. und 14. Jahrhundert bildeten. Geographisch liegt Westfalen – im vereinfachten Sinne die heutigen Regierungsbezirke Arnsberg, Münster und Detmold – im Randbereich der Mittelgebirgszone. Trotz völlig flacher Gebiete, vor allem im „Münsterland“, stand für die Mauern überall genügend Naturstein zur Verfügung; Backsteinbauten blieben Ausnahmen (Borken, Warendorf, Coesfeld). Mauergassen waren in Westfalen von Anfang an der Normalfall, nur wenige kleine Städte wichen davon ab (Wünnenberg). Paderborn entstand aus der Burg Karls des Großen an den Paderquellen, die auch Pfalz und Bischofssitz enthielt. Das Kloster Abdinghof im westlichen suburbium und eine Marktsiedlung südlich davor entstanden im 11. Jahrhundert und waren offenbar von einem archäologisch erfassten Graben geschützt. Die nochmals stark erweiterte Umwehrung der Stadt, von der 1183 schon zwei Tore erwähnt wurden, wurde nach quellenmäßigen wie archäologischen Indizien zwischen 1127 und 1146 begonnen. Erhalten sind nur wenige und sehr veränderte Reste, die aber an der Südseite immerhin erkennen lassen, dass es Umwehrungen des 11./12. Jahrhunderts sich um einen mindestens 3 m hohen Wall mit grabenseitiger Mauerfront gehandelt hat. Alle erhaltenen Türme und auch die verschwundenen Tore waren jedenfalls erst gotisch (14./15. Jahrhundert). Wälle mit gemauerter Front – und jüngeren Türmen – gab es auch um 1200 in Dortmund bzw. nicht allzu viel später in Geseke – das schon
1217 Stadtrecht besaß und kölnischer Stützpunkt gegen Paderborn war. In Geseke blieb nur ein minimaler Rest, in Dortmund konnte der Torturm des „Kuckelketors“ archäologisch um 1200 datiert werden, und der um 1300 der Mauer vorgesetzte „Adlerturm“ wurde 1990–92 wiederaufgebaut (Abb. 264). Ein anderes Verhältnis von Wall und Mauer findet man in Soest, das aus einem Stift mit Burg und Marktsiedlung des 10. Jahrhunderts hervorging. Unter den kölnischen Erzbischöfen Rainald von Dassel oder Philipp von Heinsberg, also zwischen dem mittleren 12. Jahrhundert und spätestens 1191, entstand offenbar eine Mauer aus sauber geschichtetem, hammerrechtem Schilfsandstein, deren Fundamente von einem niedrigen Wall geschützt sind; vorgelagert war ein weiterer, sehr breiter, aber flacher, beidseitig mauergestützter Wall zwischen Gräben – eine ungewöhnliche Anlage, deren Datierung unklar ist. Die teilweise in Skizzen überlieferten romanischen Torbauten waren durchaus ungewöhnlich; bemerkenswert war vor allem das „Jakobitor“, das eine dreischiffige Kapelle trug und stark an den in Heiligkreuz in Hildesheim erhaltenen Torbau des 11. Jahrhunderts erinnert, aber natürlich auch an die nur textlich bekannten frühen Kölner Tore (Abb. 427). Vor die Mauer wurden offenbar sekundär halbrunde Türme gesetzt, fraglos nach Kölner Vorbild. Der gut erhaltene „St. Tönnisturm“ zeigt noch Schlitzscharten in mehreren Geschossen und spitzbogige, teils verdoppelte geschossweise Öffnungen zur Stadt; romanische Profilierungen weisen auf eine Datierung gegen 1250.
Abb. 427 Soest, das zerstörte romanische „Jacobitor“ mit dreischiffiger Kapelle im Obergeschoss, Grundriss und Ansicht nach Wilhelm Tappe (W. Tappe, Die Alterthümer d. dt. Baukunst in d. Stadt Soest, Bd. 1, 1823). 18. Westfalen
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In den weiteren Zentren Westfalens bleibt die genaue Form der frühen Umwehrung leider unklar. Die Anfänge von Münster ähneln jenen von Paderborn (Abb. 185); die Domburg besaß zunächst eine Holz-Erde-Befestigung, die um 1100 durch eine Steinmauer ersetzt wurde. Der vorgelagerte Wik wurde spätestens Anfang des 12. Jahrhunderts mit Wassergräben befestigt und in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstand, ablesbar an der Gründung der vier Pfarrkirchen um 1174, die Stadt im Umfang der heutigen Altstadt; von der Gestalt ihrer verschwundenen Umwallung, die im späten 13. Jahrhundert durch eine Mauer ersetzt wurde, ist jedoch nichts bekannt. Ähnliches gilt für die dritte Bischofsstadt, Minden, deren Stadtwerdung durch die Erwähnung von cives kurz nach 1185 angedeutet wird, von deren Mauer wir aber nach der Schleifung der späteren Festung überhaupt nichts mehr wissen, und ganz entsprechend sieht es in dem um 1185 gegründeten Lippstadt aus. Wie man sich den offenbar schon 973 befestigten Wik beim Damenstift Herford vorzustellen hat, bleibt auch völlig offen und von der Mauer, die frühestens im 13. Jahrhundert die bereits erweiterte Stadt umgab, ist kaum etwas erhalten. Lippstadt war um 1185 der Auftakt zu einer Welle von westfälischen Stadtgründungen gewesen, die eher in den südliMauern des chen gebirgigen Regionen ein13. Jahrhunderts gesetzt zu haben scheint, wo der kölnische Einfluss stärker und die Möglichkeiten der Materialbeschaffung besser waren. Gut fassbar ist dementsprechend eine Mauergruppe mit runden bzw. halbrunden Türmen und einer Mauergasse, die in die 1220er Jahre zurückgeht und die man als Weiterentwicklung der etwa gleichzeitig entstandenen Mauer von Köln verstehen muss; Soest als wichtiger Vertreter ist schon beschrieben worden. In Rüthen, das im Jahre 1200 von Erzbischof Adolf I. gegründet wurde und Soester Recht erhielt, war die Mauer 1225 im Bau, denn ein Bußgeld der Soester Bürger wurde für einen Turm verwendet. Nur eine von ehemals elf Rundschalen ist verbaut erhalten, und das „Hachtor“, ein niedriger Torbau mit Spitzbogendurchfahrten, einer Rundbogennische für das Fallgatter und Schlitzscharten, kann noch ins mittlere 13. Jahrhundert gehören. Auch 160 Topographischer Teil
Attendorn erhielt 1222 Soester Recht und wurde noch unter Erzbischof Engelbert (1216–25) ummauert, mit zahlreichen Rundschalen und zwei (allein erhaltenen) Rundtürmen. Siegen, 1224 eine de novo erbaute, aber bereits halb an Köln abgetretene nassauische Stadt, besaß eine weitere Mauer mit regelmäßig gereihten (halb[?]) runden Türmen; erhalten ist nur der starke Rundturm, der wohl das „Kölner Tor“ sicherte. In Hamm, gegründet 1226, dokumentieren Pläne bis ins frühe 19. Jahrhundert gleichfalls eine Mauer mit überwiegend u-förmigen Türmen. Schließlich sind im erzbischöflichen Recklinghausen vollrunde, aber zur Stadt geöffnete Türme mit Schlitzscharten erhalten (Abb. 428); die zugehörige Mauer wohl der Zeit um 1300 – die Stadt war schon 1236 „oppidum“, wurde aber 1296 entfestigt – besaß zwei Reihen Scharten und einen Wall am Mauerfuß, was gleichfalls nach Köln weist. Auch die Mauer von Höxter, das 1235 schon städtisch verfasst war, mag noch ins mittlere 13. Jahrhundert gehören; denn in der Konkurrenz mit dem großen Kloster Corvey und der dort gegründeten Stadt und Weserbrücke kappte die Stadt die Straße zum Kloster durch eine Befestigung, die auch das 1248 vom Kloster gegründete Franziskanerkloster einbezog. Das passt gut zum Zug der erhaltenen Mauer, und die vielen unregelmäßig verteilten Halbrundstümpfe mögen ein weiteres Beispiel kölnischen Einflusses sein. In weiteren Fällen kann man die Zugehörigkeit zur „kölnischen“ Mauergruppe nur vermuten, etwa in Dorsten, das 1251 durch Konrad von Hochstaden befestigt wurde, wo aber nur geringe und veränderte Reste von drei Rundtürmen blieben. Ob das kleine Brilon (gegründet um 1217/20, Soester Recht) auch eine turmreiche Mauer erhielt, bleibt offen; erhalten ist nur das 1681 stark veränderte „Derkere Tor“. Und unklar sind schließlich auch Form und Datierung der Mauer im gräflichen Arnsberg, wo Alt- und Neustadt schon 1238 gemeinsam Stadtrecht erhielten; der erhaltene Torturm der Altstadt, der die Neustadt ausschließt, könnte jedoch höchstens im Unterteil noch ins 13. Jahrhundert zurückgehen, die Reste von Rundschalen in beiden Stadtteilen sind nicht beurteilbar. Neben der formal „kölnischen“ (und zumeist in der Tat erzstiftischen) Gruppe von Mauern
entstanden im 13. Jahrhundert weitere Befestigungen, vor allem im Norden und Osten des Landes, die aber nur noch schwer zu beurteilen sind. Das gilt etwa für den Sonderfall des corveyischen Obermarsberg, 1210 als Mons Martis gegründet, anstelle der aus den Sachsenkriegen bekannten, großen „Eresburg“, deren ausgedehnte Wälle wohl der Mauer (oder Palisade?) als Basis dienten; erhalten sind nur zwei winzige Türme wohl des 15. Jahrhunderts. Die 1239 zuerst erwähnte „Neustadt“ des paderbornischen Warburg wurde wohl um 1260 ummauert; die Reste dieser Mauer, mit einem rechteckigen und einem runden Turmstumpf im Süden, sind aber nicht mehr aussagekräftig, wobei der „Frankenturm“ wohl eher ins 14./15. Jahrhundert gehört. In dem von Bischof Bernhard IV. von Paderborn (1228–47) gegründeten und befestigten Nieheim ist nur die Ruine eines quadratischen Turmes überliefert, und in Büren (Stadtgründung um 1188–1204) wurde die Mauer schon Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt; die beiden erhaltenen Rundtürme gehören aber erst ins 14./15. Jahrhundert. In Münster schließlich ist von der Mauer, die den Wall des 12. Jahrhunderts verstärkte oder ersetzte und 1278 fertig geworden sein soll, allein der hohe runde „Buddenturm“ erhalten. Abgegangen sind die Befestigungen von Bielefeld (Mitte des 13. Jahrhunderts) und Steinheim, das 1275 von Paderborn befestigt wurde, was Köln 1280 akzeptierte, wenn diese Befestigung befristet(!) bliebe. Im Falle des in der Ebene liegenden Coesfeld, das um 1300 befestigt wurde, wo aber alle Baureste erst ins 15./16. Jahrhundert gehören, wird man zunächst mit einer HolzErde-Befestigung zu rechnen haben. Neben Mauern, insbesondere jenen des kölnischen Einflussbereiches, hat man im 13. Jahrhundert in Westfalen weiterhin Holz-Erde-Befestigungen zu erWallbefestigungen im 13. Jahrhundert warten, insbesondere im flachen Teil des Landes. Dabei ist auch zu bedenken, dass es mit der rechtlichen Sonderform des „Weichbildes“ (lateinisch meist oppidum) in Westfalen eine Art der „Minderstadt“ gab, der offenbar auch einfachere Befestigungen entsprachen. Beispielhaft sei Bochum erwähnt, das – 1345 zunächst entfestigt – bald darauf wieder umwallt wurde, aber erst 1428 als „Stadt“ erscheint und nie eine Mauer erhielt.
Abb. 428 Recklinghausen, der ursprünglich zur Stadtseite offene „Stephansturm“ entstand wohl nach der Schleifung der Stadtbefestigung 1296 und verrät kölnische Einflüsse. Die Bekrönung ist modern.
Auch Bocholt erhielt 1201 zunächst Weichbildrecht („wicbilethe“) und dann 1222 münsterisches Stadtrecht; aber noch 1309, als die heute verschwundene Mauer schon begonnen war, lag ein Hof extra plancas. In Lemgo, dessen ältere Stadtrechte 1245 bestätigt wurden, ist in den 1950er Jahren eine schräg eingerammte Palisade hinter einem 18 m breiten Wassergraben ergraben worden, auf dessen Sohle zudem eine Bretterwand(?) stand. Die Mauer wurde auf Pfahlgründung in den Graben gesetzt; hinter ihr entstand eine teilweise 20 m breite(?) Mauergasse. Leider weiß man wenig über Gestalt und Datierung dieser Mauer; sie mag gegen 1265 um Alt- und Neustadt entstanden sein, mit teils halbrunden Türmen und – nach frühen Grabungen – auffällig flachen Torbauten. Auch in Borken, das 1263 zuerst als Stadt erschien 18. Westfalen
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und in diesem Jahr plancas besaß, hat man Wall, Graben und Palisade archäologisch nachgewiesen, und in Werl zeigte eine Grabung 1970, dass die Mauer in einen 2–2,50 m hohen Wall hineingesetzt war, der wohl nach der Entfestigung 1288 entstand(?). Einen ähnlichen Ablauf ahnt man in Beckum, das 1224 als Stadt, 1279 als befestigt erwähnt wurde; der allein erhaltene quadratische Turm ist nach der Art seines Fundamentes wohl in einen Wall hineingebaut worden. In weiteren Fällen ist die anfängliche HolzErde-Befestigung nur in den Quellen belegt, besonders dort, wo in den Kriegen des Erzbistums Städte mehrfach be- und entfestigt wurden. Menden war 1276, als es wohl kölnische Stadt wurde, ein befestigtes Dorf. Nach der Schlacht bei Worringen entfestigt, erhielt es ab 1292 wiederum Graben und Palisade; es folgten zwei weitere Entfestigungen (1313, 1344) und erst dann die Ummauerung. Ähnlich war Warendorf schon 1236 von Wall und Graben gesichert; Kamen besaß 1263 Gräben und Planken, wurde 1278 entfestigt, erhielt 1342 Stadtrecht und später eine Mauer und dreifache Gräben. Iserlohn wurde vor 1265 auf eine benachbarte Höhe verlegt und zunächst mit Palisaden befestigt; von der späteren Mauer ist wenig erhalten. Aus anderem Grund besonders interessant ist Horstmar, das nach dem Übergang an Münster (1269) bei einer bestehenden Burg entstand. Von der Umwehrung aus einem doppelten Wallgraben ist zwar neben Resten des gotischen „Schlosstores“ nur wenig erkennbar geblieben, aber hinter dem Innenwall war systematisch eine Reihe von acht(!) Burgmannenhöfen angeordnet (Abb. 192), von denen vier als Renaissancebauten erhalten sind. Hattingen, wo erst 1396 Wall und Graben genehmigt wurden und die Mauer im 16. Jahrhundert folgte, kann die Liste abschließen. Im Übrigen tritt auch in Westfalen, wie im angrenzenden Nordhessen, vielfach die Bezeichnung „Hagen“ (Hecke) auf, die einen Vorgänger der Mauer, aber auch eine Außenbefestigung (auf dem Außenwall oder um eine Vorstadt) meinen kann. War im 13. Jahrhundert im Grunde nur die „kölnische“ Gruppe mit ihren gereihten runden Türmen und Schalen fassbar gewesen, während andere Mauern aufgrund des Zerstörungsgrades recht nebelhaft bleiben, so kann man als die 162 Topographischer Teil
typische Form des 14. und frühen 15. Jahrhunderts vor allem den schlanMauern des ken und hohen Rundturm 14.–16. Jahrhunderts ausmachen. Diese Turmform konzentriert sich um Paderborn und ist dort sicherlich als Nordausläufer des hessischen Mauerbaues zu verstehen (vgl. Kapitel 20. Hessen); aber es gibt auch Ausläufer bis ins Flachland (Borken). Wie eingeschränkt der erhaltene Bestand weiterhin ist, verdeutlicht das „Westertor“ in Salzkotten – das einzige überhaupt erhaltene Tor der Region. Der eingeschossige Torbau mit gestuftem Spitzbogentor öffnete sich zur Stadt im Erdgeschoss mit einer Rundbogentonne; der Wehrgang der anschließenden Mauer lag nur 2,50 m über dem Boden. Können diese Formen durchaus noch ins 13. Jahrhundert gehören, so dürften die beiden kleinen rechteckigen Turmstümpfe, die darüber hinaus erhalten sind, kaum so alt sein. Dass man grundsätzlich mit älteren Mauern rechnen muss, die ihre (Rund-)Türme erst später erhalten haben, wird etwa in Borken deutlich. Planken sind schon 1263 erwähnt, die Mauer, aus gelbem Sandstein, entstand wohl ab 1345, finanziert durch eine Akzise. Auf die Mauer wurden sekundär (um 1400?) hohe Rundtürme in Backstein gesetzt, von denen drei erhalten sind. Sie zeigen noch Kragsteine der vorkragenden Brustwehren, der „Kuhmturm“ zudem ein Rautenmuster aus schwarzen Backsteinen. Von den sechs Rundtürmen in Borgentreich (1280 kölnische Befestigungserlaubnis, 1323 Stadtrecht) ist nur der „Balkenturm“ erhalten, um den der Wehrgang über eine Mauerverdickung und Doppelkonsolen stadtseitig herumgeführt war; auch ein feldseitiger Erker erinnert stark an das nahe Hessen. Auch in Lügde (Stadt vor 1246) sind zwei Türme aus Sandstein in die Kalksteinmauer eingefügt. In Dorsten – das 1251 von Köln befestigt wurde – sind Stümpfe dreier Türme erhalten, in Olpe (kölnisches Stadtrecht 1311) zwei völlig erneuerte, in Büren weitere zwei; das kleine Detmold besaß nur einen einzigen Turm. Bei der Burg Lippspringe sollte 1346 eine Stadt entstehen, deren 1386 erwähnte Mauer 1416 fertig war; erhalten ist neben Mauerresten in Kalkstein der Stumpf eines runden Eckturmes und Ähnliches findet man in Lichtenau (1326 zuerst erweitert). Breckerfeld im Sauerland, an der Fern-
straße vom Ruhrtal nach Frankfurt am Main, wurde 1396 zur Stadt erhoben und sogar Hansestadt; neben einem seiner Tore stand ein Rundturm, jedoch ist die Mauer nur in Spuren erhalten. Auch der mauergestützte Wall Paderborns aus dem 12. Jahrhundert wurde sekundär durch Türme verstärkt, von denen es Reste gibt; auch sie sind überwiegend hohe Rundtürme, jedoch gab es auch u-förmige Schalen und zumindest einen kleinen quadratischen Turm. Warendorf (1224 civitas, 1228 oppidum) war schon 1232 mit Wall und Graben gesichert, aber seine späteren fünf Rundtürme aus Backstein (erhalten ist der Stumpf des „Bentheimer Turmes“) entstanden kaum vor dem späten 14. Jahrhundert. Ein kleines Mauerstück aus Backstein ist sonst nur in Werne erhalten. Rechteckige Türme sind in Westfalen die Ausnahme, denn zu den geringen Resten, die vielleicht noch ins 13. Jahrhundert gehören (Warburg, Nieheim) kommen auch im 14. Jahrhundert nur zwei weitere Beispiele hinzu. Neben einem recht veränderten Turm in Burgsteinfurt ist es nur die kurz vor 1349 begonnene Mauer von Menden, die ausnahmsweise Rechtecktürme und – als typisch kölnisches Element – Schlitzscharten in Stehhöhe besaß. Nur die Mauer selbst, vielleicht 1345–48 erbaut, ist noch ahnbar in Horn (1248 als Stadt erweitert), immerhin an einer Stelle noch mit einem Wehrgangabsatz etwa 1,50 m über dem heutigen Gelände, und in Wünnenberg, das 1308 Bürener Stadtrecht erhielt. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts hat man in Westfalen noch mit traditionellen Mauern zu rechnen, deren hohe Rundtürme manchmal, aber keineswegs immer, schon Schlüsselscharten zeigen. Nach der Vereinigung der Alt- und Neustadt von Warburg 1436 modernisierte man offenbar die gemeinsame Mauer. Einige erhaltene Rundtürme und -schalen gehören in diese Phase und auch zwei Tore, von denen das „Sacktor“ neben einem Rundturm von 1443 liegt (Abb. 429). Der zweifach kuppelgewölbte Turm besaß im obersten Geschoss Rechteckfenster und darüber Dacherker; das Tor selbst war ein Mauertor mit Wehrgang über Konsolen. Hingegen war das „Johannistor“ ein Torturm mit hoher Rundbogennische für das Fallgatter und gleichfalls Rechteckfenstern. Kaum wesentlich vor 1500 sind die (nach
Abb. 429 Warburg, das „Sacktor“ der äußeren Mauer von 1443 (G. Kießling).
1945 erneuerten) Backsteinbauten in Coesfeld anzusetzen, der Turm des „Valkenbrücker Tores“ mit hohen Rechteckfenstern sowie Spitzbogenfries und der runde „Pulverturm“. Auch die Mauer von Das späte 15. und das 16. Jahrhundert Salzuflen gehört wohl erst in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts; der allein erhaltene Rundturm besitzt Schlüsselscharten in drei Geschossen. Vergleichbar ist Hattingen, wo erst 1396 Wall und Graben genehmigt wurden und Mauerreste mit zwei Rundturmstümpfen erhalten sind, und in dieselbe Phase gehört wohl auch die Mauer des lippischen Blomberg, das zwar schon 1255 Stadt war, aber in der Soester Fehde 1477 schwer zerstört wurde. Von der Mauer sind nur zwei Halbrundtürme kenntlich, aber das um 1520–30 erbaute „Niederntor“ ist ein schönes Beispiel der Übergangszeit (Blomberg); der im Typus noch ganz mittelalterliche Torturm aus Brockenmauerwerk lässt „nur“ durch zwei riesige, rechteckige Schlüsselscharten und durch den kugelbesetzten und wappengezierten Giebel erkennen, dass die Renaissance schon einsetzte. 18. Westfalen
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In Soest, das wohl nach der Belagerung 1447 seine Mauer mit einem erhaltenen Wall hinterschüttet hatte, entstand 1523–1526, also zeitgleich mit dem Tor in Blomberg, durch „Meister Porphyrius“ das neue „Osthofentor“, ein widersprüchlicher Höhepunkt spätgotischer Gestaltung (Abb. 126). Zwar besitzt es Maul- und Schlüsselscharten, zugleich aber eine reiche (stark erneuerte) Schaufassade mit Skulpturenund Inschriftennischen, einem Maßwerkfries und vor allem zwei filigranen, höchst verletzlichen Eckerkern; auch das zweigeschossig gewölbte Innere mit Wächterstube im Obergeschoss verrät hohen Anspruch. Bauformen, die sich in einem strengeren Sinne an Notwendigkeiten der Feuerwaffen anpassten, sind in Westfalen sonst nur als einzelne Rondelle an der Hauptmauer belegbar, bei größeren Städten auch als Modernisierung des Außenwalles mit noch größeren Rondellen und Torzwingern. In Unna sind zwei halbrunde Rondelle des späten 15. Jahrhunderts erhalten, eines mit Schlüsselscharten; vergleichbar ist der „Pulverturm“ in Lemgo. In Borken wurden um 1500 „Holkensturm“ und „Diebesturm“ angefügt, beides niedrige Backsteinbauten mit Anbauten von Schlüsselscharten; der „Diebesturm“ ist MCCCCCIIII datiert und zeigt noch den Rundbogenfries unter der Brustwehr, der innen achteckige „Holkensturm“ besitzt einen quadratischen Sockel und Rautenmuster aus schwarzen Backsteinen. Damit eng verwandt ist der MCCCCCI datierte „Siebenteufelsturm“ in Haltern, auch insoweit, dass die Mauern von Borken und Haltern wohl beide keine Wehrgänge besaßen. Noch jünger dürfte eine originelle, heute isolierte Streichwehr in Wiedenbrück sein; der Backsteinbau war mit einem „Hals“ an die Mauer(?) angeschlossen und besaß korbbogige Stufenscharten, die später durch ein Werkstück aus Sandstein zu recht ungewöhnlichen Hosenscharten umgestaltet wurden. Den größten Aufwand für den Ausbau seines Außenwalles trieb offenbar Münster, wo aber wenig erhalten blieb. Auf dem Wall stand der „Zwinger“, ein sehr großes, im 18. Jahrhundert zum Gefängnis umgebautes Rondell, und auch die Kanonenplattform des „Neuwerks“, nebst einer halbrunden Streichwehr, gehörte zum Au164 Topographischer Teil
ßenwall. Vergleichbar ist ein „1518“ datiertes, im ehemaligen Paderborner Konvikt verbautes Rondell, der ebenfalls stark ausgebaute Außenwall in Minden ist verschwunden. Im Zusammenhang der Rondellbauten und sicher von den nahen Niederlanden beeinflusst, kamen im 15. Jahrhundert die Doppelturmtore wieder in Mode, insbesondere in Verbindung mit großen Torzwingern bzw. als Vortore. Ein Vorläufer war das „Lüdinghauser Tor“ in Dülmen (Stadterhebung 1311), ein 1908 erneuertes Doppelturmtor mit schlanken Rundtürmen in der Hauptmauer; die wohl wehrganglose Mauer gehörte, nach örtlicher Tradition, erst ins 16. Jahrhundert und zeigt niederrheinische Formen – Backsteinmauerwerk mit Werkstücken aus Sandstein und Wehrplatten der beiden Türme über Klötzchen- bzw. Spitzbogenfries. Auch die Doppelturmtore als Vortore, in der Regel also auf dem Außenwall, gehörten sicherlich erst ins mittlere und spätere 16. Jahrhundert; leider ist keines erhalten. Zu nennen ist das Bielefelder „Niederntor“, das zu einem Ausbau des gesamten Außenwalles mit polygonalen Bollwerken gehörte, ähnlich wie Münster und Paderborn; der unregelmäßigere Torzwinger des „Nebelstores“ wurde 1952 ergraben. Vorgeschobene Doppelturmtore gab es ferner in Attendorn, Borgentreich und insbesondere in Soest, dessen große, teils mit gotischen Kapellen versehene Torzwinger allerdings nicht nur die strenge Form des Doppelturmtores zeigten, sondern auch unregelmäßigere Formen. In diese letztere Kategorie gehörten auch zwei Barbakanen in Lemgo, jene am „Neuen Tor“ wurde 1519 erbaut. Umlaufende Zwinger fehlten in Westfalen nahezu völlig. Das einzige Beispiel bietet in der Tat die Warburger „Neustadt“, die an ihrer Bergseite durch einen recht breiten Zwinger mit halbrunden Streichwehren gesichert war; nach seinen Schlüsselscharten gehört er in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. Sonst aber waren in Westfalen, obwohl nur ein kleiner Teil des Landes in der steinarmen Tiefebene liegt, anstelle der Zwingermauern Außenwälle bzw. verdoppelte Gräben üblich, die bei Matthäus Merian und auf anderen frühen Plänen dokumentiert sind; auch von ihnen ist neben häufigen Straßennamen auf „-wall“ nur selten Nennenswertes erhalten, zumal sie – nach den erwähnten Rondellverstärkungen des
früheren 16. Jahrhunderts etwa in Münster, Paderborn, Minden und Bielefeld – im 17. Jahrhundert oft zu bastionären Anlagen ausgebaut und letztlich geschleift worden sind. Als letzten Nachklang der Stadttore, bereits ohne Befestigungscharakter, darf man noch die „Stadtlegge“ in Tecklenburg anführen, einen einfachen Torbau von „1577“, erneuert 1772, mit Fachwerkobergeschoss; vergleichbar ist das barocke Fachwerktor der Burgfreiheit von Westerholt. Westfalen gehört zum Hauptverbreitungsgebiet der Warten und Landwehren, wobei nicht nur Städte Landwehren besaßen, sondern auch Landschaften, so etwa die „Landhecke“ um das Amt Siegen. Die Landwehr von Herford, falls wirklich schon 1255 erwähnt, wäre die zweitälteste Deutschlands gewesen, nur drei Jahre nach jener von Helmstedt. Warten und Landwehren Zumindest Bielefeld, Borgholz, Dortmund, Höxter, Lemgo und Soest besaßen regelrechte Landwehren, wobei weitere vorstellbar sind, vor allem bei jenen Städten, die mehrere Warten besaßen. Denn die meist doppelten (Lemgo, Soest, Bielefeld, Dortmund) Wallgräben mit Heckenbewuchs, aus denen die Landwehr bestand, sind in der Regel nur in geringen, wenig auffälligen Resten erhalten; archäologisch untersucht ist nur jene in Lemgo. Die Lemgoer Landwehr wurde 1353 zuerst erwähnt, in Höxter war 1356 Baubeginn – hier isolierte man mit diesem Mittel offenbar auch Siedlungen des konkurrierenden Klosters Corvey – und auch in Soest begann man wohl noch im 14. Jahrhundert. Solche Baudaten sind allerdings nicht absolut zu nehmen, denn zumindest die Landwehren von Borgholz, Lemgo und Soest zeigten zwei oder mehr Ringe bzw. Unterteilungen, also offenbar sukzessive Erweiterungen. In Borgholz ist dies durch einen Vertrag über die Anlage der äußeren,
auch das benachbarte Borgentreich umfassenden Landwehr von 1429 exakt fassbar, der auch geplante Warten mit Rundtürmen, umgebender Mauer und Spitzgraben genau beschreibt; sie entsprechen exakt den in Paderborn und Obermarsberg teilweise erhaltenen Warten. Auch von der Soester Landwehr, die mit zuletzt 53 km wohl die umfangreichste des Landes war, wissen wir, dass sie 1441, teils gegen den Protest des Kölner Erzbischofs, erweitert wurde. Auch an ihr soll partienweise etwa alle 3 km eine Warte gestanden haben; der Rundturm der „Kettelhaker Warte“ stand ungewöhnlicherweise auf einer quadratischen „Motte“. Auch die Landwehren von Lemgo, Bielefeld und Dortmund waren mit Warten ausgestattet, wobei es in Lemgo zusätzlich städtische „Turmhöfe“ an den Straßendurchlässen gab bzw. „Baumhöfe“ (von Schlagbaum) in Bielefeld. Warten ohne (bisher nachgewiesene) Landwehr besaßen Paderborn und einige kleinere Städte. Zwei Warten von Paderborn sind als Ruinen erhalten, beides sind schlanke Rundtürme mit Gewölben, runder Ringmauer und Spitzgraben; im Falle der „Haxterwarte“ steht der Turm ungewöhnlicherweise nicht inmitten der Mauer, sondern direkt an ihr. Auch südlich von Obermarsberg steht ein guter erhaltener Wartturm mit Hocheinstieg, Kuppelwölbung und Resten der umgebenden Mauer; alle drei Bauten entsprachen dem Modell, das 1429 für Borgholz beschrieben wurde. Den besterhaltenen Wartturm findet man heute bei Brakel, den Rundturm der „Moderer Warte“ mit einem (originalen?) ebenerdigen Spitzbogeneingang und den Konsolen des Holzaufbaues. Weitere Warten besaßen Warburg (Reste von drei Warten), Detmold (drei Warten, von einer noch Spuren) und Beckum (Rest eines Rundturmes).
19. Südliches Niedersachsen Während der große, von der Elbe bis zu den Niederlanden reichende Nordteil von Niedersachsen im glazial geprägten Flachland liegt, wo mittelalterliche Städte selten waren und Befestigungsreste noch seltener sind (vgl. Kapitel 25. Nieder-
sachsen und Schleswig-Holstein), liegt die kleinere Südspitze des Bundeslandes, etwa jenseits des Tales der Aller, in der Hügel- und Mittelgebirgszone. Hier herrschten deutlich günstigere Bedingungen für Besiedlung und Steinbau, was 19. Südliches Niedersachsen
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sich in größerer Städtedichte und häufigeren Mauerresten deutlich ausdrückt. Eine recht aktive stadtbezogene Mittelalterarchäologie hat zudem eine Anzahl wichtiger Ergebnisse für die Frühzeit der Stadtbefestigungen erbracht, sodass dieser Bereich hier in einem eigenen Kapitel dargestellt wird. Der Bischofssitz Hildesheim, um 815 entstanden und schon karolingisch befestigt, erhielt unter dem wegen seiner Kunstförderung berühmten Bischof Bernward (993–1022) eine neue Ummauerung der Domburg. Teils archäologisch untersucht, besaß diese großquadrige „Bernwardsmauer“ voll vorspringende Rundtürme in spätrömischer Tradition und, nach frühen Beschreibungen, Hildesheim, Befestigungen vom 9. bis Torbauten mit Kapellen im zum 12. Jahrhundert Obergeschoss – keine Stadtmauer, aber ein früher Bau vergleichbaren Charakters. Bei der Domburg entstand früh ein Siedlungsschwerpunkt, der das gleichfalls im frühen 11. Jahrhundert entstandene Kloster St. Michael und wohl auch schon die Kaufleutesiedlung der „Altstadt“ umfasste. Ihre frühe Befestigung lässt sich nur vermuten – der Stadtteilname „Hagen“ deutet auf Hecken –, aber östlich der Domburg blieb in der Kirche Heilig Kreuz ein großer, dreischiffiger Torbau des 11. Jahrhunderts verbaut erhalten, der laut gleichzeitiger Chronik kurz vor 1079 von Bischof Hezilo aus einem „Kriegshaus“ (domus bellica) in ein Stift verwandelt wurde (Abb. 10). Die Einbindung dieses Tores ist unklar; es dürfte zu einer Osterweiterung der Domburg gehört haben, seine schnelle Aufgabe mag die Entwicklung der „bürgerlichen“ Siedlung spiegeln. Der Ansatz einer Mauer, die auf Keramik des mittleren 12. Jahrhunderts steht, ist im Südwesten der Domburg ergraben; sie dürfte dem Verlauf der Hecke um „Hagen“ und „Altstadt“ gefolgt sein, kaum datierbare Reste sind im Westen und Norden verfolgbar. Man bringt sie mit der Bedrohung durch Heinrich den Löwen 1167 in Verbindung, wiewohl die Quellen damals nur ein vallum erwähnen. Noch früher datiert eine diskursive Forschung die Mauer von Goslar; sie ist damit eine der frühesten in Deutschland. Pfalz und Knappensiedlung („Bergdorf“) unter dem Rammelsberg, dessen Silbervorkommen die Bedeutung des Ortes 166 Topographischer Teil
begründeten, waren schon in den Sachsenkriegen mit Wällen und Planken bewehrt (Lambert von Hersfeld, um 1076). Um 1100 sind bereits vier Siedlungen mit Pfarrkirchen belegt, ab 1130 häufen sich civitas-Belege, woraus die Forschung eine Ummauerung im heutigen Umfang um 1100 bzw. Das 12. Jahrhundert bis 1130 erschließt (Abb. 1). Bauteile sind freilich erst 1181/86 erwähnt, nämlich die Mauer mit dem „Rozindor“ und „Vititor“, die an das burgum des Klosters Neuwerk grenzten; die nächste Erwähnung der „muri burgensium“ folgt dann erst 1254. Die umfangreichen, bis 8 m hohen Mauerreste aus kleinteiligem Bruchstein sind undatierbar; seltenes opus spicatum deutet immerhin auf die Romanik, ebenso wie die Einbeziehung zweier romanischer Kapellen (St. Michael, St. Martini). Auch die Torbauten, die Kapellen im Obergeschoss besaßen und nach den Patrozinien benannt waren (Bartholomäus, Vitus, Nikolaus, Maria im Rosenhag = Rosentor), bestätigen eine sehr frühe Entstehung; alle erhaltenen Tore und Türme sind freilich jünger. Intensive Archäologie konnte auch die Entstehung des Grafen- und Herzogssitzes Braunschweig klären. Ansetzend an ein Dorf und die Niederungsburg „Dankwarderode“ des 10. Jahrhunderts, entstand westlich der Burg bis gegen 1100 eine bereits städtische, Kaufleute, Handwerker und Burgmannen vereinende Siedlung mit Pfarrkirchen, Klöstern und Stiften, die wohl schon um 1100 eine Wall-Graben-Befestigung erhielt. Auf den flachen Wall wurde noch vor Mitte des 12. Jahrhunderts ein Mauerfundament in Trocken- und Lehmtechnik gesetzt, auf das dann zur Zeit Heinrichs des Löwen (1177 +/– 2d) eine 1,20 m dicke Mörtelmauer folgte; in dieser Zeit wurde auch östlich der Burg, in der feuchten Okerniederung, durch Aufschüttung der Raum für eine zweite Stadt, den „Hagen“, gewonnen. Bald nach 1200, unter dem Welfenkaiser Otto IV., wurde die Stadtmauer vollendet, unter Einbeziehung zweier weiterer Siedlungen, „Neustadt“ und „Altewiek“. Die folgende Entwicklung und die Bauform der Braunschweiger Mauern sind nur noch indirekt zu fassen, weil sie schon im 18. Jahrhundert abgetragen wurden. Ein Plan von 1671 zeigt noch immer weitgehende Turmlosigkeit; eine Reihung von Rundschalen im Norden mag ins späte 13./14. Jahrhundert gehört
haben, vereinzelte andere Türme sind gänzlich undatierbar. Die Tore waren in der Regel hohe Tortürme, die man nach allgemeiner Analogie nicht vor das 14. Jahrhundert setzen wird. Neben dem Bischofssitz Hildesheim, der Bergwerkstadt Goslar und dem Herzogssitz Braunschweig scheint auch die weit kleinere Stadt beim reichen Damenstift Gandersheim schon vor 1200 eine Mauer besessen zu haben, denn spätestens 1188 sind Rechte der Äbtissin nicht nur im Kloster, sondern auch innerhalb der muri urbani genannt. Die geringen, undatierbaren Reste stehen auf einem Wall, der sicherlich Vorgänger der Mauer war. Wälle und Gräben des 12. Jahrhunderts als älteste Umwehrungen, denen aber erst im 13. Jahrhundert Mauern folgten, sind auch bei drei weiteren Städten archäologisch erwiesen. Göttingen entstand Mitte des 12. Jahrhunderts – erst nach 1200 sind Bürger, Rat und Stadtrechte erwähnt – als fünfeckige Gründungsstadt, deren um 1180 schon wieder verfüllter Südgraben mit Resten des Holz-Erde-Walles 1985 ergraben wurde. In Einbeck entstand vor dem Stift des 11. Jahrhunderts ab dem mittleren 12. Jahrhundert eine Marktsiedlung, deren etwa 15 m breiter Graben erfasst ist, und etwa gleichzeitig nimmt man auch die Entstehung von Hannover an (1189 civitas, 1202 oppidum), dessen Wallgraben wohl des mittleren(?) 12. Jahrhunderts man schon 1953 festgestellt hat. In der schon Anfang des 14. Jahrhunderts wüst liegenden Stadt Nienover schließlich konnte der Wallgraben mit teils verdoppelten, bis zu 12 m breiten Gräben archäologisch ins späte 12. Jahrhundert datiert werden; Palisaden sind dagegen nicht sicher belegt. Nach den frühen Mauern von Goslar, Hildesheim, Braunschweig und Gandersheim, die zwischen etwa 1100 und 1180 entstanden, kam der Mauerbau der weiteren Städte in Südniedersachsen erst deutlich nach 1200 in Gang. Helmstedt entstand vor einem frühen und wichtigen Kloster; 1230 wollte die Stadt ihre Holzbefestigung durch eine Mauer ersetzen und dabei das Kloster ausTurmlose Mauern und Holzbefestigunschließen. Erst nach siegen im 13. Jahrhundert benjährigem Streit gab die Stadt nach und schloss mit der Mauer doch an das Kloster an; Bauarbeiten sind bis 1244 belegt. Die Mauerreste bestehen
Abb. 430 Hannoversch Münden, 1997 wurde die östliche Stadtmauer auf einer größeren Länge freigelegt. Die Mauer wurde um 1200 zunächst turmlos errichtet, die Türme – oben der „Fangenturm“ – erst später angebaut (A. Bulla).
aus großen Sandsteinbrocken über Fundamentbögen, die außen angeschüttet wurden – ein Phänomen, das man sonst vor allem im Rheinland findet; die Türme stammen erst aus dem 14./ 15. Jahrhundert. Osterode war schon bei der Zerstörung durch Heinrich den Löwen 1152 eine villa opulentissima und besaß wohl schon 1233 eine Mauer; Goslarer Recht wurde freilich, nach Gründung der Neustadt 1238, erst 1293 verliehen, und 1333/38 ist wiederum ein Mauerbau erwähnt. Die weniger als ein Meter dicke Bruchsteinmauer, die partiell auf einen älteren Wall 19. Südliches Niedersachsen
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Abb. 431 Einbeck, Ausgrabungsbefund am Altendorfer Tor. Reste des ältesten Walles, davor innerer Graben mit Brückenpfeiler von 1250(d); schwarz die Stadtmauer, bis um 1300. Ganz oben angeschnitten Mauern des vorgeschobenen Zwingers (Einbeck im Mittelalter, Oldenburg 2002).
gesetzt scheint, ist jedenfalls im 15. Jahrhundert stark verändert, wie nicht nur die Rundschalen mit Feuerwaffenscharten belegen, sondern vor allem auch entsprechende Scharten in der Mauer selbst. Für das 1183 zuerst als Stadt erwähnte (Hannoversch-)Münden nahm man bisher eine Ummauerung ab 1247 an, als die Stadt in den ungeteilten Besitz des Herzogs von BraunschweigLüneburg kam. Neuere Grabungen haben an der Ostseite rund 90 m lange Fundamente in romanischer Kleinquadertechnik freigelegt, die noch vor 1247 datiert werden (Abb. 430). Die Grabung zeigte auch eine innere Verstärkung der Mauer um einen runden Meter und zumindest ein halbrundes Bollwerk, das mit Fuge vorgesetzt war. Dies ist freilich aufgrund ihrer Merkmale auch für die noch stehenden Türme klar; die Ratsrechnungen, die 1401–66 umfangreiche Arbeiten an murum et turres belegen, bilden nur den letzten Beweis. Mindestens noch bis zum mittleren 13. Jahrhundert ist also im südlichen Niedersachsen mit turmlosen Mauern zu rechnen, und darüber hin168 Topographischer Teil
aus gab es auch noch Holzbefestigungen. In Rinteln etwa werden 1257 plancas sive murum erwähnt (ein Hinweis auf die im Bau befindliche Mauer?), Holzminden (Stadtrecht 1245) besaß nie mehr als Wall und Hecke, ebenso wie Seesen und das 1223 gegründete und schon 30 Jahre später in der Entwicklung stecken gebliebene Rosenthal bei Peine; Peine selbst (gegründet um 1220) kam nie über Holztore hinaus. Auch das wichtige Hameln, entstanden bei einem frühen Kloster, dürfte lange diesen Stand nicht überschritten haben; wahrscheinlich war der Ort bei einem frühen Kloster schon um 1200 stadtartig entwickelt – 1163/67 villa publica, 1187/88 vicus –, aber 1243 wird lediglich ein Graben erwähnt, worauf dann erst 1333 der Bau von Türmen (und der Mauer?) folgte. Ein Extremfall war offenbar Pattensen – schon 1299 oppidum und 1328 mit einem Rat versehen, erscheint es dennoch im 15. Jahrhundert wieder als „wicbelde“ und seine nur noch bei Matthäus Merian belegte Mauer entstand wohl erst im 16. Jahrhundert. Am deutlichsten ist der Übergang vom Holz zum Stein in Einbeck zu studieren, wo insbesondere Andreas Heege umfangreiche Grabungen durchgeführt hat. Die an die ältere Marktsiedlung anschließende „Neustadt“ – mit frühester Keramik von etwa 1230/40 – wurde bald mit einem 11–20 m breiten, aber flachen Graben umgeben. Das Holz zweier Torschwellen(!) und zweier Grabenbrücken konnte auf 1244 – 6/+ 8 bzw. auf 1250 dendrodatiert werden (Abb. 431). Falls es eine Palisade gab, verschwanden deren Spuren wohl unter der bald darauf errichteten Mauer. 1264 verwendete der Rat den Zehnten für ihren Bau, ein Mörteltrog aus ihrer direkten Nähe konnte 1271 +/– 10 dendrodatiert werden. Die Einbecker Türme dürften jedoch spätere Hinzufügungen sein. Der halbrunde, schartenreiche „Krähenturm“ an der Südwestecke könnte in den beiden Untergeschossen ins 13. Jahrhundert zurückgehen, aber die Mehrheit der Rechteckschalen gehört eher ins 14. Jahrhundert, zwei weitere, runde Türme – darunter einer mit unleserlicher Inschrift auf dem Einstieg und Doppelkonsolen für den Wehrgang – ins 15. Jahrhundert. Archäologisch gut untersucht und publiziert ist auch die Mauer von Duderstadt; dabei schälte sich aus vielen Einzelergebnissen erst langsam ein Bild der Gesamtentwicklung heraus. Die
Grabungen zeigten, dass Wall und Graben als früheste Befestigung wohl nur in Teilen der Stadtperipherie existierten. Die Mauer, die erst 1276 (valva lapidea) und 1279 („binnen der muren“) erwähnt wird und meist nur 3 m hoch erhalten ist, wurde wohl im frühen 13. Jahrhundert begonnen, vielleicht in „fliegendem Wechsel“ mit der Wallbefestigung. Ihr Brockenmauerwerk erinnert an Helmstedt, wie auch die bereichsweise belegte äußere Anschüttung der Fundamentbögen; allerdings wurden recht verschiedene Fundamentierungen festgestellt, unter anderem Pfahlroste. Balkenlöcher hinter der Mauer, in der Mauergasse, könnten auf einen stehenden Wehrgang deuten. Die Mauer war durch heute verAbb. 432 Goslar, der „Teufelsturm“, ein halbrunder ehemaliger Schalenturm, wurde laut einer hoch oben angebrachten, schwer fotografierbaren Inschrift 1280 durch Graf Siegfried von Blankenburg erbaut, offenbar als Buße, nachdem er der Stadt zuvor Vieh geraubt hatte.
schwundene, außen fluchtende Rechteckschalen in 30–40 m Abstand verstärkt; 17 Türme konnten durch Grabung nachgewiesen werden, die teilweise bereits vor der Mauer entstanden. Diese nicht vorspringende, ungewöhnliche Turmform gab es auch in Northeim, wo zumeist auch nur Reste der innen vorspringenden Turmwangen erhalten sind. Die Stadt, deren cives schon 1208 erschienen, erhielt 1252 Göttinger Recht; die Finanzierung der Mauer und erste Bauteile sind in den 1280er Jahren erwähnt. Auch die Mauer von Göttingen wird nach jüngster Einschätzung in die Mitte und zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert. 1232 wurde ein Privileg Ottos des Kindes erteilt, 1292 erschien die Lokalisierung intra/extra muros; freilich könnte eine reparatio schon 1251 auch auf einen Baubeginn bereits deutlich früher deuten. Neben einigen quadratischen war die Mehrzahl der Türme halbrund. Der einzig erhaltene Halbrundturm war im Erdgeschoss spitzbogig geöffnet und wies darüber eine Schale mit Schlitzscharten auf; der „giebelförmige“ Abschluss der Wehrgangtür und die Wehrgangbögen des anschließenden Mauerrestes legen eine Entstehung nicht vor dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts unter rheinischem Einfluss nahe. Dem Göttinger Beispiel kann man Goslar an die Seite stellen, wo an die turmlose Mauer des frühen 12. Jahrhunderts offenbar von Fall zu Fall Türme verschiedener Form angebaut wurden; neben den Toren sind insgesamt 14 nachweisbar, wenig für eine so große Stadt. Erhalten sind nur der „Teufelsturm“ und der „Weberturm“, zwei große Halbrundschalen mit Schlitzscharten; der Erstere trägt eine Inschrift, nach der ihn Graf Siegfried von Blankenburg als Buße für einen Viehraub erbaute (Abb. 432). Dies wird chronikalisch in dem Sinne bestätigt, dass 1280 beide „halben Türme“ (= Schalen) aus der Auslöse des gefangenen Grafen entstanden. Eine Mischung von Halbrund- und Rechtecktürmen besaß auch Hannover, wo freilich kaum etwas erhalten ist. Dass die Erwähnung des „Steintors“ 1266 schon das Bestehen der Mauer belegt, scheint zweifelhaft, aber 1297 unterstützt der Herzog von Braunschweig den begonnenen Mauerbau, und dann folgen bis mindestens 1320 Baunachrichten; 1320 wird auf den Bau eines Turmes verzichtet, 1352 werden vier andere ge19. Südliches Niedersachsen
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Abb. 433 Hannover, der „Beginenturm“ entstand vor 1357 zur Überwachung der nahen, wenig später zerstörten Burg (alte Ansichtskarte).
nannt, schließlich wird 1357 der „Beginenturm“ als „neu“ erwähnt. Erhalten sind nur der spätmittelalterlich veränderte Stumpf des halbrunden „Borgentrijkturmes“ und eben der „Beginenturm“, der zur Überwachung der nahen, 1371 zerstörten Burg entstand (Abb. 433). Besonders groß und aus den Quadern einer romanischen Kirche erbaut, mit Absätzen und teilweise genasten Fenstern gegliedert, vertritt er zweifellos einen höheren Anspruch als die übrigen, zerstörten Türme Hannovers. Im 13. Jahrhundert verdrängt also auch im südlichen Niedersachsen der Mauerbau die Holzbefestigungen, zumindest in größeren Städten; dabei ist ein Grabungsergebnis wie in Einbeck deswegen besonders aufschlussreich, weil es belegt, wie die Mauer mit nur ein bis zwei Jahrzehnten Abstand auf eine erste, demnach wohl als provisorisch zu verstehende Holzumwehrung mit Graben folgte. Die ersten Mauertürme waren Rechteckschalen, deren Feldseite ungewöhnlicherweise mit der Mauer fluchtete; die nahelie170 Topographischer Teil
gende Idee, die Türme seien nachträglich hinter und auf eine turmlose Mauer gesetzt, ist in Duderstadt durch Grabungsergebnisse widerlegt. Neben die vom späten 13. bis späten 14. Jahrhundert entstehenden Duderstädter Mauertürme treten jene in Northeim (und Hannover?) aus dem späten 13. Jahrhundert. In Göttingen und Hannover, deren Mauertürme sicher auch ins spätere 13. Jahrhundert gehören, traten außerdem halbrunde Schalen auf, deren Vorbilder man im Rheinland suchen darf. Städtische Landwehren und Warten waren in weiten Teilen des deutschen Sprachraumes verbreitet – schwerpunktmäßig zwar eher im Norden, aber als Sonderform der „Talsperre“ auch bis in die Alpen –, und zwar in der Regel im 15. Jahrhundert. Das südliche Niedersachsen ist hier mit Landwehren schon des 13./14. Jahrhunderts eine auffällige Ausnahme, die die Frage nahelegt, ob nicht die städtischen LandLandwehren des wehren hier überhaupt „er13.–15. Jahrhunderts funden“ bzw. aus älteren Formen der Gebietsabgrenzung entwickelt wurden. Diese Idee liegt vor allem in Helmstedt nahe, dessen Landwehr als früheste bisher bekannte bereits 1252 erwähnt ist, und zwar als Graben und Hecke mit zwei Warttürmen. Von diesen ist der Unterbau der „Magdeburger Warte“ erhalten, der – bei Warten fast einzigartig – quadratisch ist und wirklich ins 13. Jahrhundert zurückgehen mag. 1377 wurde die Helmstedter Landwehr erweitert, und dies fällt in die Zeit, in der auch viele andere Städte solche Anlagen schufen. Goslar begann seine Landwehr 1336/38 und baute sie im 15. Jahrhundert mit mehreren Warten aus, von denen noch zwei Rundtürme erhalten sind; bereits 1527 wurde sie aber teilweise zerstört. Die Erbauungszeiten der Hannoveraner Warten zwischen 1361 und 1392, dann wieder 1441 und 1460 sind detailliert überliefert, mehrere Türme auch erhalten; die „Döhrener Warte“ von 1382 ist ein ungewöhnlich aufwendiger Backsteinbau mit Kreuzrippengewölben in mehreren Geschossen. In Göttingen entstand die mehrfach gestaffelte Landwehr ab etwa 1380; sie bezog neben echten Warten auch Burg- und Kirchtürme ein. Neben dem erhaltenen Turm der „Diemardener Warte“ ist die „Rieswarte“ von besonderem Interesse, da eine Grabung in den 1980er Jahren ihre
Bebauung umfassend klären konnte (Abb. 248); ihre Ummauerung schützte neben dem Rundturm auch Holzgebäude, nämlich einen Stall, einen Bau zu Aufenthalts- oder Wirtschaftszwecken und eine Küche mit Herd. 1385 wurden die Landwehr und die verschwundenen Warten von Hameln erwähnt, 1392/97 liegen die frühesten Daten in Duderstadt, und auch die Landwehr von Northeim wurde 1400 bereits erweitert; Reste zweier runder Warttürme sind erhalten. In Hildesheim erfolgte die Ersterwähnung 1440/49, es gab mindestens eine Warte, in Gandersheim erscheint die Landwehr 1478/79. Zumindest eine (isolierte?) Warte bestand 1451 in Moringen. Erst 1583 wird der erhaltene „Fährturm“ bei Schöningen erwähnt; er beherbergte damals bereits ein Gasthaus, was bei den meist straßennahen Warten nicht selten war. Undatierbar ist eine Warte bei Osterode. Diese zweifellos unvollständige, noch zu ergänzende Übersicht belegt jedenfalls, dass die Entstehungszeit der meisten Landwehren in Südniedersachsen bereits im 14. Jahrhundert lag und damit durchschnittlich ein rundes Jahrhundert früher als in anderen Landschaften. Im Gegensatz zu den Landwehren geschah im 14. Jahrhundert bei den Stadtmauern selbst nicht viel; erst um 14. Jahrhundert und nach 1400 lassen Quellen und Baureste wieder größere Aktivitäten erkennen. Hildesheim bestand um 1300 aus drei rechtlich selbstständigen Städten; im Westen der Innerste hatte das Moritzkloster 1196 eine eigene Stadt angelegt, die 1288 eine Mauer besaß (und 1332 von den Hildesheimern zerstört wurde), und um 1220 gründete der Dompropst östlich der „Altstadt“ die rechteckige „Neustadt“. Deren Mauer wurde wahrscheinlich, wie Grabungsergebnisse zeigen, im späten 13. Jahrhundert an die älteren Mauern von Domburg und „Altstadt“ angeschlossen. Die „Neustadt“ blieb offenbar – trotz wiederholter Auseinandersetzungen – gegen die Altstadt immer schwach befestigt; 1572 wollte die „Altstadt“ gar ein Rondell gegen die Nachbarstadt bauen, und eine Zeichnung, die im folgenden Prozess entstand, zeigt an dieser Seite der „Neustadt“ nur Zäune. Erhalten ist von der späten Ausbaustufe dieser Städtegruppe nur der „Kehrwiederturm“, das Südtor der „Neustadt“,
der nach seiner Durchfahrt, der Fensterform und den Klauensteinen des Fallgatters erst um 1400 entstanden sein dürfte, zu einer Zeit also, als ein alle Stadtteile gemeinsam umschließender Wall schon angelegt wurde. Ein aufwendiger, die Vorstädte einbeziehender Wall entstand ab 1362 auch in Göttingen mit Erlaubnis des Herzogs von Braunschweig-Grubenhagen; auf der Krone des in weiten Teilen erhaltenen Walles wurde ein Geschütz der Zeit um 1400 („Bussenrohr“) gefunden. Der heutige Zustand ist durch einen Ausbau 1447–54 gekennzeichnet, als vermutlich Stützmauern mit Rondellen und Torzwingern entstanden, und durch einen weiteren von 1533–77; die einzige erhaltene, polygonale Streichwehr dürfte erst ins 16. Jahrhundert gehören. Schließlich wurde auch der Außenwall von Braunschweig ab dem mittleren 14. Jahrhundert erwähnt; im frühen 15. Jahrhundert ausgebaut, zeigt er auf den ältesten Plänen halbrunde Streichwehren, ging aber ab dem 17. Jahrhundert in den Bastionen auf. Die Wälle des 14. Jahrhunderts um Hildesheim und Göttingen umschlossen auch Stadtteile, die keine Mauer besaßen, sondern allein durch diesen Wall geschützt wurden; sie standen insoweit in direkter Tradition der mauerlosen Wallbefestigungen, die es damals fraglos noch in vielen kleineren Städten gab. Braunschweig hingegen ist ein relativ frühes Beispiel eines echten, das heißt parallel zu Mauer und innerem Graben verlaufenden Außenwalles, wie er in Niedersachsen und allgemein im deutschen Sprachraum meist erst im 15. Jahrhundert nachweisbar ist. In Hameln – wo es unklar ist, ob nicht schon im 13. Jahrhundert eine Mauer entstanden war – wird 1333 ein offenbar neuer Turm erwähnt, als der Rat beschließt, von diesem Jahr an alljährlich je einen weiteren Turm zu bauen; vor Abbruch der Mauer Anfang des 19. Jahrhunderts bestanden 20 Türme. Die beiden erhaltenen gehören freilich nach ihren Formen – Grundriss eines halben Achtecks, große geglättete Eckstücke und kleine Rechteckfenster – eher ins 15. Jahrhundert; lediglich der halbrunde Sockel des östlichen Turmes könnte ins mittlere 14. Jahrhundert zurückgehen. Auch in den kleineren Städten der Region hat man Probleme, Mauern des 14. Jahrhunderts 19. Südliches Niedersachsen
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bzw. deren Reste sicher zu identifizieren; in der Regel kann man nur aus den allgemeinen Daten der Stadtgeschichte schließen, dass eine verschwundene oder kaum noch datierbare Mauer in dieses Jahrhundert gehört haben mag. Ein quadratisches Türmchen in Bruchstein, neben dem verschwundenen Tor zur Burg, ist nahezu der einzige Rest in Gronau, das 1298 an heutiger Stelle neu entstand. Sarstedt, das 1296 Stadtrecht erhielt, zeigt nur noch geringe Reste einer Mauer aus Kalksteinbrocken. Die verschwundene Mauer von Schöningen wird in dem 1346/48 verliehenen Stadtrecht als existent erwähnt, und in Springe, das 1304 oppidum war, wurde die Mauer schon im 18. Jahrhundert abgebrochen. Eine so geringe Anzahl von Verdachtsfällen in einem Jahrhundert, das anderswo einen Höhepunkt des Mauerbaues darstellte, gibt zu denken; aber auch, wenn man annimmt, dass einige weitere Mauern, die nur unsicher ins 15. JahrAbb. 434 Alfeld, der „Fillerturm“ ist ein Beispiel für die im 15. Jh. weitverbreitete Ausstattung der Wehrplatte mit Eckwarten, wobei allerdings ursprünglich ein Dach anzunehmen ist.
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hundert datierbar sind, in Wahrheit älter waren (Alfeld?), bleibt diese Schwächeperiode des Mauerbaues auffällig. Die Überlegung, dass die kleineren Städte Südniedersachsens ihre Holz-ErdeBefestigungen zumeist bis ins 15. Jahrhundert behalten haben, liegt daher wohl nahe. Als gut fassbarer Einzelfall sei Wunstorf genannt, das 1325 noch Planken besaß, während 1430 heute verschwundene Mauern erwähnt sind; nur zwei Türme sind belegt. Um und nach 1400 ist wieder mehr Bautätigkeit an den Mauern des südlichen Niedersachsen festzustellen, wenn auch überwiegend als Modernisierung von Erste Hälfte des 15. Jahrhunderts Vorhandenem, vor allem in den reicheren Städten. In Alfeld und Stadthagen nimmt man neue Ummauerungen an, aber bei genauer Betrachtung sind in beiden Städten nur einzelne Türme erhalten, die keinen Schluss auf das Alter der Gesamtmauer erlauben. Alfeld war spätestens 1258 Stadt, als zweitgrößte des Erzstifts Hildesheim. Die Formen des allein erhaltenen „Fillerturmes“ stehen den beiden erhaltenen Türmen in Hameln nahe, halb achteckigen Bauten, die trotz der erwähnten Baunachricht von 1333 ins frühe 15. Jahrhundert gehören. Auffällig am „Fillerturm“ sind besonders die Tonnengewölbe in zwei Geschossen und die runden, über Halbkegeln ausgekragten Erker der Wehrplatte, die an mittelrheinische Formen erinnern (Abb. 434). Im eigentlich westfälischen Stadthagen, gegründet um 1225 vom Grafen von Schaumburg und 1344 mit Lippstädter Stadtrecht versehen, ist vor allem ein Rundturm erhalten, dessen Wehrgangpforte auf dem Sturz das Stadtwappen und die Jahreszahl „1423“ trägt; horizontale Simse über den kleinen Rechteckfenstern erinnern an Formen der Renaissance, sind aber regional noch mehrfach an Rundtürmen anzutreffen (Bodenwerder, Einbeck). Das früheste Beispiel für eine systematische Modernisierung um 1400 ist Goslar, das 1397 vom Hildesheimer Bischof die Erlaubnis erhielt, seine Tortürme zu erneuern; die geistliche Zustimmung war nötig, weil die romanischen Vorgängerbauten Kapellen enthielten. Erhalten ist aus dieser Ausbauphase leider nur der massive, „1443“ datierte Turm des „Breiten Tores“, der mit seinen Schlüsselscharten, der in drei Geschossen vorgesehenen Wölbung und vor allem der Skulp-
tur Karls IV. schon der frühen Feuerwaffenzeit angehört (Abb. 171, 436). 1401 erwähnen die Ratsrechnungen von Hannoversch Münden Arbeiten an murum et turres und diese Erwähnungen setzen sich bis 1466 fort. Die zahlreichen halb- und gelegentlich vollrunden Türme passen in Mauerwerk und Einzelformen gut zu dieser Epoche: kleine Rechteckfenster, Wehrgangtüren mit Konsolsturz, Herumführung des Wehrganges auf Konsolen, teilweise Gewölbe. Bemerkenswert ist der im 15./16. Jahrhundert als neu bezeichnete „Hampesche Turm“ mit seiner Höhe von 26 m. Der „Hausmannsturm“, das Westtor von Helmstedt, zeigt Kreuzrippenwölbung in der Durchfahrt, dann über einem Wasserschlag feldseitig eine Marienkrönung in Maßwerknische; auch genaste Spitzbogenfenster im obersten Geschoss sind selten (Abb. 435). Der Turm ist wohl erst nach 1400 entstanden, und auch die Türme der Helmstedter Mauer, überwiegend halbrund, sind eher noch jünger. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verstärkt und diversifiziert sich das Baugeschehen nochmals. Einerseits werden unter dem Einfluss der Feuerwaffen weitere Mauern modernisiert und auch Außenwälle angelegt, andererseits entstehen immer noch einige Mauern kleinerer Städte neu. Die Mauer von Duderstadt wurde wahrscheinlich um 1440–70 durch eine Anzahl kleiner, vorgesetzter Halbrundtürme bzw. Schalen verstärkt, die lokale Quellen ab 1451 als „nyge Bolwarke“ bezeichnen; ein höher erhaltener zeigt noch quadratische Scharten in zwei Geschossen. Diese Verstärkung kam offenbar zum Erliegen, als man ab 1498 die Vorstädte mit einem teils erhaltenen Wall umschloss, ähnlich dem anderthalb Jahrhunderte älteren von Göttingen. Dieser Wall, an dem vor allem die Bauern der Ratsdörfer arbeiteten, umfasst bis heute fast nur Wiesen und Gärten; vielleicht sollten die Bauern hier in Kriegszeiten Zuflucht finden. In vergleichbarer Weise verstärkte Northeim, wie chronikalische Erwähnungen und Zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts frühere Inschriften belegen, zwischen 1468 und 1491 seine Befestigungen, einerseits mit einem teilweise erhaltenen Außenwall mit Rondellen und Torzwingern; ein erhaltenes Rondell („Rodenbollwerk“)
Abb. 435 Helmstedt, der „Hausmannsturm“, das Westtor der Stadt (spätes 14./15. Jh.), ist in regionaltypisch schlichten Formen mit Glattquaderwerk und teils Putz gehalten, zeigt aber feldseitig die Skulptur einer Marienkrönung.
im Süden belegt andererseits, dass auch die Hauptmauer ausgebaut wurde. Die Mauer von Osterode, schon im 13. Jahrhundert erwähnt, wurde im 15. Jahrhundert offenbar fast völlig erneuert, wie nicht nur vier mauerhohe Rundschalen mit kleinen Feuerwaffenscharten zeigen, sondern vor allem auch die Scharten der Mauer selbst, in Stehhöhe über der Mauergasse. Außenwälle erhielten im mittleren 15. Jahrhundert neben dem Sonderfall Duderstadt und Northeim auch Hameln und Helmstedt. Im letzteren Falle erlaubte der Abt 1441 der Stadt, sich vom „Oster-“ bis zum „Nordertor“ neu mit Gräben zu befestigen, wie es anderorts schon gesche19. Südliches Niedersachsen
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Abb. 436 Goslar, das „Breite Tor“, inschriftlich datiert „1443“. Das eigentliche Tor mit einem kleinen Rondell ist hinten sichtbar. Der Rundturm gehörte zum dreieckigen Torzwinger, dessen äußeres Tor durch die Straße zerstört ist (vgl. Abb. 171).
hen sei; auch hier wird es um einen Außenwall gegangen sein, wie er teils noch erhalten ist. Völlig neue Mauern des fortgeschrittenen 15. Jahrhunderts darf man aus gutem Grunde in Bodenwerder, Stadtoldendorf und Dransfeld annehmen. Bodenwerder, das schon 1284 consules und 1287 Stadtrecht besaß, lag auf einer Weserinsel, was wohl lange den Mauerverzicht ermöglichte. Ein kleiner, quadratischer Turm neben dem ehemaligen Mühlentor und ein Rundturm zeigen Bruchsteinwerk; ein grobes „Gesims“ über dem Einstieg des Letzteren gehört eher ins 15. als ins 14. Jahrhundert, und auch eine organisch in den Mauerverlauf eingefügte, hufeisenförmige Streichwehr deutet an, dass wohl die gesamte Mauer erst im 15. Jahrhundert entstand. In Stadtoldendorf, ebenfalls schon 1281 Stadt, steht noch ein kleiner, quadratischer Turm neben dem ehemaligen „Hagentor“; von einem diagonal stehenden Eckturm („Försterbergturm“) ist nur der Un174 Topographischer Teil
terbau alt, und ein Mauerzug enthält eine mauerhohe Schale, die gleichfalls eher ins 15. Jahrhundert weist. In Dransfeld, das ab der Mitte des 14. Jahrhunderts Stadt war, ist zuerst 1415 ein Tor erwähnt; der allein erhaltene „Knustturm“ ist ein kleines Eckrondell, das vor der Mitte des 15. Jahrhunderts kaum vorstellbar ist. Der Ausbau von Goslar um 1500 bildet den Höhepunkt der spätgotischen Artilleriebefestigung in Niedersachsen und ist, aufgrund der teils hervorragenden Erhaltung, auch im ganzen deutschen Raum hoch zu bewerten. „1459“ war noch die Hauptmauer durch den halbrunden „Kegelworthturm“ mit Schlüsselscharten verstärkt worden, und auch die beiden hohen Rondelle neben der „Frankenberger Kirche“ verstärkten 1493/94 und 1504 noch Ecken der Hauptmauer. Ab 1494 bis 1517 entstanden dann die weit vorgeschobenen, stets mit mehreren Rondellen ausgestatteten Torzwinger und der monumentale, die Mauer völlig verdeckende Außenwall, auf den weitere, isolierte Rondelle platziert wurden; zusammen ermöglichten sie 16. Jahrhundert eine lückenlose Bestreichung sowohl der beiden Gräben als auch des Vorfeldes. Eine Anschauung der Torbefestigungen gibt heute vor allem das „Breite Tor“ (1494–1505; Abb. 180, 436), in geringerem Maße auch das zum Hotel umgebaute „Rosentor“ (1508) wie auch das „Wasserloch“ am Ausfluss eines Wasserlaufes; der „Dicke Zwinger“ („1517“) auf dem südlichen Außenwall ist das jüngste der riesigen Einzelrondelle (Abb. 233, 244). Charakteristisch für die Bauten dieser Phase ist im Grunde ihre Inkonsequenz – zwar gab es große Innenräume und Mauern bis zu über 5 m Dicke, aber die kleinen Schlitz- und Schlüsselscharten ließen ebenso wie die Balkendecken nur kleine Geschütze zu. Begrenzte schon dies die Wirkung, so waren die Bauten durch ihre hohen Dächer zugleich sehr verletzlich; in ihnen und auch in dem aufwendigen bildhauerischen Schmuck – erhalten sind Kaiserstatuen am „Breiten Tor“ und vom abgerissenen Rondell „Achtermann“, Reichs- und Stadtwappen am „Dicken Zwinger“ – zeigt sich eine noch ganz mittelalterlich-bürgerliche Auffassung von Befestigung, der Fernwirkung und kunstvolle Ausführung noch allzu viel galten. Dementsprechend verzichtete man, noch vor Vollendung der Gräben 1547, auf Rondelle und ersetzte sie
durch unterirdisch in den Außenwall eingelassene Kasematten; eine radikalere Abkehr vom vorher verfolgten Gestaltungsprinzip ist kaum denkbar. In Einbeck hatten die Verstärkungen spätestens mit dem ergrabenen und dendrodatierten Torzwinger des „Altendorfer Tores“ 1414 (– 2/+ 8(d) begonnen; den feldseitigen Abschluss bildete hier noch ein Torturm ohne Rondell. Um 1440 – so die Dendrodatierung einer Wasserleitung – folgte ein Außenwall, dem bis 1493 ein zweiter Graben und ein Wall vorgelegt wurden, mit entsprechender Verlängerung des Zwingers. Ein zweiter Torzwinger, am „Benser Tor“, konnte gleichfalls ergraben, aber nicht enger datiert werden. Diese Anlagen waren insgesamt deutlich bescheidener als jene des reichen Goslar, aber mit dem „Diekturm“, der in einer heute verwischten Inschrift „1500“ datiert war, wurde das dortige Niveau eher überschritten, denn hier ist jedenfalls das unterste Geschoss gewölbt. Er sicherte das „Benser Tor“, zwei Mühlen und vor allem den als Aquädukt eingeführten Mühlenkanal. Weitere Rondelle an Torzwingern und auf dem Außenwall trugen zwar hohe Dächer wie in
Goslar, aber ihre vorspringende Anordnung verrät auch hier das modernere Konzept. Ein isoliertes Torzwingerrondell, die „Rotunde“ von „1502“, blieb auch in Hannoversch Münden erhalten, während sonst nur eine indirekte Überlieferung von ähnlichen Anlagen zeugt. In Hameln entstand wohl im 16. Jahrhundert ein Außenwall mit Rondellen und dem „Neuen Tor“, von dem allein die Inschriften „1531“ und „1556“ erhalten sind. Ähnlich schlecht sind wir über Hildesheim informiert, wo nach frühen Darstellungen Entsprechendes anzunehmen ist; von einem nie vollendeten Rondell, das die Altstadt 1572 gegen die Neustadt errichten wollte, existiert eine Zeichnung. Mit den Torzwingern, Rondellen und Außenwällen vor allem der Zeit um 1500 endet das Baugeschehen an den Stadtbefestigungen des südlichen Niedersachsen ziemlich abrupt. Im 16. Jahrhundert, anderswo die Zeit früher Bastionen oder zumindest weiterentwickelter Rondelle, geschah hier nahezu nichts; erst wieder der Dreißigjährige Krieg änderte dies im Sinne nun völlig neuartiger Erdbastionen, die sich dann vor allem auf die landesherrlichen Städte beschränkten.
20. Hessen Hessen im engeren Sinne – der Nordteil des Bundeslandes mit den alten Zentren Kassel, Marburg und Fulda – bildet einen von Mittelgebirgen eingefassten Korridor, der sich südlich über die Wetterau zum Rhein, im Norden entlang der Weser und Leine zum Flachland öffnet. Die politische Entwicklung – die Landgrafen konnten ihr Kernland um Kassel erst im Spätmittelalter um Besitzungen am nördlichen Oberrhein erweitern, wo Mainz, Kurpfalz und andere Territorien weiterhin umfangreichen Besitz hatten – spiegelt sich auch in den Formen der Stadtmauern. Findet man im Nordteil das eindrucksvoll geschlossene Verbreitungsgebiet einer typisch hessischen Mauerform, so zeigen die Mauern in der Wetterau, im Schiefergebirge, im Rhein-Main-Gebiet und an der Bergstraße ein deutlich abweichendes Erscheinungsbild, das man, nur wenig vergröbernd, als mittelrheinisch-pfälzisch bezeichnen darf.
Die formale Einheitlichkeit der Mauern im nördlichen Hessen ist beeindruckend; kaum eine andere Region des deutschen Raumes – ausgenommen wohl Brandenburg und das kölnisch geprägte Rheinland des 13. Jahrhunderts – ist damit vergleichbar. Charakteristisch für die „hessische Stadt“ des 14./15. Jahrhunderts ist vor allem die Reihung hoher, schlanker Rundtürme, neben denen andere Turmformen völlig zurücktreten; die Seltenheit von Zwingern fördert die Klarheit des Bildes zusätzlich, allerdings aber auch das weitgehende Verschwinden der Tore im 19. Jahrhundert. Bei der Betrachtung der frühen Mauern – bis etwa 1300, im gesamten Gebiet des heutigen Hessen – ist vor allem auch zu fragen, wo die Ursprünge dieser dominanten spätmittelalterlichen Form zu suchen sind. Ähnlich dem benachbarten Thüringen gehen auch in Nordhessen einige Städte auf große 20. Hessen
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Höhenbefestigungen zurück, die im Frühmittelalter Mittelpunktsfunktionen besaßen. Der Charakter solcher nur im weiteren Sinne stadtartigen Anlagen ist im Falle der Büraburg gut erforscht, die in karolingischer Zeit zum militärischen Stützpunkt und Sitz eines Missionsbistums ausMauern des 12. und 13. Jahrhunderts gebaut wurde (Abb. 9). Trotz des Aufwandes, vor allem der steinernen „Kasemattenmauern“, vollzog sich die spätere Entwicklung von Stadt und Bistum jedoch im nahen Fritzlar. In anderen Fällen nimmt die Stadt die Stelle der Burg selbst ein, Abb. 437 Fulda, an der Süd- und Ostseite der unter Abt Marquard (1150–65) erbauten Stadtmauer sind noch Partien mit vermauerten, auffällig breiten Zinnenlücken (oben) und ausgeprägtem Fischgrätmauerwerk erkennbar.
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wobei Amöneburg und Schlitz im späteren Mittelalter nur noch begrenzte, vor allem strategische Bedeutung hatten, während Limburg, Weilburg, Kassel und Fulda auch als Städte wichtig blieben. Frühe Mauern sind in diesen Fällen nur ausnahmsweise belegt – in Kassel, wo chronikalisch die Ummauerung 1143 behauptet wird, und vor allem in Fulda, dem Missionskloster des Bonifatius, dessen Abt ab 969 Primas aller deutschen und französischen Benediktiner, ab 1220 Reichsfürst war. Die Stadt erhielt unter Abt Marquard (1150–65) eine Kalkbruchsteinmauer, die früheste erhaltene Hessens. Von diesem im 14./15. Jahrhundert stark ergänzten Bau ist im Osten und Süden noch Mauerwerk in opus spicatum erhalten, sogar Zinnen etwa 4,50 m über dem Gelände (Abb. 437) finden sich; auch ein Rundbogen des „Heertores“, ehemals die stadtseitige Öffnung eines niedrigen Torbaues, dürfte noch ins mittlere 12. Jahrhundert gehören. In (Bad) Hersfeld, dem zweiten großen und frühen Kloster der Region, kann die Vermutung eines Mauerbaues schon vor 1200 – immerhin ist ein Markt 1142, die Bezeichnung als Stadt ab 1170 bezeugt – durch die Reste nicht bestätigt werden; diese dürften eher erst ins 14. Jahrhundert gehören. Über einer Lahnfurt, unter der Burg des 11./12. Jahrhunderts, entstand entlang der Fernstraße der älteste Kern von Marburg, westlich gesichert durch einen 1996/97 festgestellten Sohlgraben wohl des mittleren 12. Jahrhunderts. Die erste, nun an die Burg anschließende und durch Doppelgräben gesicherte Mauer um ein westlich stark vergrößertes Stadtgebiet wird um 1180/90 datiert; ihr westliches Kammertor ist 1975 ergraben. Nachdem eine Stelle nahe der Südwestecke dieser Mauer bereits mit einem Rundturm verstärkt worden war, entstanden etwa um 1235–1250 eine noch weiter westlich vorgeschobene Mauer und wohl gleichzeitig die erste Nordmauer. Diese Phase zeigt Rundtürme in Form von Tourellen, die am rundbogigen, mit Kämpfern versehenen „Kalbstor“ und ehemals an der kleineren „Mainzer Pforte“ echte Doppelturmtore bildeten (Abb. 438); auch ein größerer Schalenturm im Norden wird gleichaltrig sein. Diese Mauer – auf sie folgte nach 1250 noch die Mauer um „Neustadt“ und Renthof mit einigen Rechtecktürmen – darf als das Vorbild der zahllo-
Abb. 438 Marburg, das „Kalbstor“ und ein weiteres Tor der um 1235–50 entstandenen Mauer sind Doppelturmtore mit Tourellen, die wohl als Verarbeitung französischer Vorbilder zu verstehen sind.
sen (nord)hessischen Rundturmmauern gelten. Ihr eigenes Vorbild ist dabei jedenfalls im Westen zu suchen, und zwar wohl eher direkt in Frankreich als im französisch beeinflussten Rheinland, wo es ab den 1220er Jahren zwar Rundschalen, aber keine Tourellen gab; dass man dabei an die 1235 begonnene Elisabethkirche, einen der frühesten gotischen Sakralbauten Deutschlands, denkt, liegt mehr als nahe. Etwa gleichzeitig mit Marburg entstand in Fritzlar – nach unklarer Frühzeit und der Zerstörung durch den Thüringer Landgrafen 1232 – eine andersartige Mauer (dass 1232 bereits Mauern „umbgeworffen“ wurden, sagt nur der vier Jahrhunderte jüngere Matthäus Merian; zudem könnten es jene der Domburg gewesen sein). Das Domstift war Mitfinanzier des Mauerbaues, und 1237 erhielten die Franziskaner Baugelände „vom (östlichen) Tor bis zum nächsten Turm“. Die weitgehend erhaltene Mauer aus Basaltbrocken ist, außer an der Talseite, von erstaunlicher Dicke (2,75–3,25 m!), wurde aber zunächst turmlos erbaut. Recht früh wirken jedoch zwei nur
mauerhohe, halbkuppelgewölbte Halbrundtürme im Norden, deren Fugen gegen die Mauer 1904 noch deutlich waren (und auf die man später Rundtürme aufsetzte). Da gerade nördlich des Franziskanerklosters, entgegen der Urkunde von 1237, kein solcher Turm steht, sondern ein runder des 14./15. Jahrhunderts, waren derartige Türme vielleicht anfangs rundum geplant, blieben aber großteils unausgeführt. Obwohl gleichzeitig mit Marburg, sind sie von einem anderen Typ, dessen westliche Herkunft freilich auch hier naheliegt; die enorme Mauerdicke erinnert ganz ausnahmsweise an die spätrömischen Kastelle des Rheinlands. Wenig Sicheres wissen wir über die weitgehend verschwundene, schon 1233 belegte Mauer Limburgs; ihre spitzbogigen Wehrgangbögen sind kaum vor der Mitte des 13. Jahrhunderts denkbar. Verwandt war die Mauer von Wetzlar, die ab 1260 in den Quellen erkennbar wird, aber von der lokalen Forschung schon um 1200 für möglich gehalten wird; geringe Reste und frühe Abbildungen zeigen auch hier Wehrgangbögen, 20. Hessen
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Abb. 439 Frankfurt/Main, erhaltene Wehrgangbögen der ersten, inneren Mauer, die wohl 1223–39 erbaut wurde.
und zwar sowohl kleine rundbogige wie größere spitzbogige; der allein erhaltene „Säuturm“ stammt aus dem 15. Jahrhundert. Schließlich besaß Korbach, das 1188 Soester Recht erhielt, 1265 eine Mauer, denn in diesem Jahr existierte die „Neustadt“, deren Mauer rechtwinklig auf jene der „Altstadt“ trifft. Die ältere Mauer steht auf einem Wall, wohl ihrem Vorgänger, und besitzt Reste dreier originaler(?) Halbrundtürme. In Nordhessen stehen also im 13. Jahrhundert französisch-rheinländische Einflüsse – (Halb-) Rundtürme, Marburger Doppelturmtore, Wehrgangbögen – neben sehr einfachen Formen. In der Wetterau und den Gebieten weiter südlich, außerhalb des ursprünglichen Hessen, fehlen dagegen schon damals die Rundtürme, und auch die Wehrgangbögen findet man nicht südlicher als Frankfurt am Main. Burg und Stadt Wiesbaden, von einer römischen Befestigung ausgehend, waren im 13. Jahrhundert ummauert, jedoch ist nichts erhalten. Die erste Mauer von Frankfurt am Main, wohl von 1223–39, besitzt Wehrgangbögen (Abb. 439); drei Rundtürme und die Tortürme mögen jünger gewesen sein. 178 Topographischer Teil
Ähnlich alt wird die Mauer von Dieburg sein (1212/20 civitas); mit Zinnen erhaltene Mauerreste zeigen noch regelmäßiges, romanisches Mauerwerk mit opus spicatum; die Rechteckform mit abgerundeten Ecken und das Fehlen von Mauertürmen erinnern etwa an Heidelberg. Auch die gegen 1,50 m dicke Basaltmauer von Münzenberg – Dieburg war wohl eine münzenbergische Gründung – kann, ohne die jüngeren Türme, mindestens ins mittlere 13. Jahrhundert zurückgehen; die „Altstädter Pforte“ des großen, wohl zusammen mit der Stadt ummauerten Vorburgbereichs ist ein nur zweigeschossiger Torturm in frühen gotischen Formen. Auch die innere Mauer der 1170 gegründeten Reichsstadt Gelnhausen mag – wenn man das Steuerverzeichnis richtig interpretiert – 1241 schon gestanden haben, jedoch sind die verbauten Reste heute kaum datierbar; der einzige erhaltene Torturm, das im oberen Teil schalenförmige innere „Holztor“, stammt nach Mauerwerk, Proportion und der Fallgatterführung sicher erst aus dem 14. Jahrhundert, wenn auch vielleicht unter Verwendung romanischer Rundbogengewände; und
auch in Friedberg, dem historischen Pendant Gelnhausens, blieb nichts, was eine Mauer des 12./13. Jahrhunderts sicher belegen könnte. Ein wichtiger früher Torturm blieb in Ortenberg erhalten, das als Stadt 1266 erwähnt ist und dessen Mauerreste Wehrgangbögen zeigen. Die „Oberpforte“ (Abb. 125) ist ein schlanker Schalenturm mit Spitzbogendurchfahrten, deren Kämpfer dem Portal der romanischen Pfarrkirche ähneln; die Lisenen für die Fallgatterführung sind zudem gegen das Tor mit Eckstäben abgeschlossen, die ganz ungewöhnlich in Kapitellen enden; eines ist ein sehr schlankes, etwa ins dritte Viertel des 13. Jahrhunderts zu setzendes Knospenkapitell. Als letztes Beispiel einer Mauer des 13. Jahrhunderts darf schließlich Dreieichenhain gelten, das 1256 bereits Stadtrechte hatte; die Reste seiner ersten Mauer, die einen niedrigen Torbau („Mitteltor“) besaß, mögen noch ins 13. Jahrhundert gehören (entgegen dem verdienstlichen Heimatforscher Nahrgang, der die Mauer schon um 1180 datierte). Neben den bisher behandelten Städten, deren Wurzeln meist ins 12. Jahrhundert zurückgehen, gibt es viele meist kleinere hessische Städte, deren Entstehung nach sicheren Anzeichen ins 13. Jahrhundert gehört, bei denen aber vor dem 14. oder gar 15. Jahrhundert jeder Hinweis auf eine Mauer fehlt. Nicht selten trat schon im 13. Jahrhundert eine „Neustadt“ als rechtlich wie formal selbstständige Einheit neben die ursprüngliche Stadt, wobei die Mauer in der Regel baulich einheitlich beide Teile umzieht und schon Holz-Erde-Befestigungen im 13. Jahrhundert damit die relativ späte Ummauerung belegt; als einzig eindeutige Ausnahme von dieser Regel ist bereits Korbach genannt worden. Dass all diese Städte anfangs und für etliche Jahrzehnte nur Wallgräben und Palisaden besaßen, ist in Hessen wie anderswo anzunehmen, aber nur in wenigen Fällen direkt belegbar. Ein Hinweis liegt gelegentlich in dem Begriff „Hagen“ bzw. „Hain“ oder „Heeg“ – der alten Form des heutigen Worts „Hecke“ –, der in vielen Städten Nordhessens als Straßenname im Nahbereich der Befestigung auftritt. In Fällen, bei denen er die Mauergasse bezeichnet (etwa „Hinter dem Hagen“ in Hessisch-Lichtenau), ist er ein Hinweis auf die Hecke als Vorgänger der Mauer
– denn man hätte die Straße sicher nicht nach einer Hecke genannt, die auf der anderen Seite der Mauer lag. Dass Hecken in der Frühzeit Hauptbestandteil auch wichtiger Befestigungen sein konnten, belegen dabei auch die „Hain“Namen bedeutender Burgen, die mindestens ins 11. Jahrhundert zurückgehen (Ziegenhain, Hain in der Dreieich = Dreieichenhain). In manchen Fällen blieb es auf Dauer bei der Holz-Erde-Befestigung, etwa in Rüsselsheim, das erst im 15. Jahrhundert Stadtrecht erhielt, und vor allem in Dörfern wie Altenstadt oder Wohnbach. In anderen nordhessischen Städten (Korbach, Grebenstein) haftet der Name „Hain/Hagen“ an der Grabenzone, die vermutlich, vor der Mauer als Hauptlinie, durch Hecken zusätzlich gesichert war. Ein klares Bild der Befestigung in der Anfangsphase einer Stadt bieten in Nordhessen – ebenso wie in den angrenzenden Teilen Niedersachsens und Westfalens – solche Städte, die schon bald nach der Gründung wieder zerstört wurden. Landsberg, um 1226 von den Thüringer Landgrafen angelegt und 1231 von Hessen wieder zerstört, besitzt einen von zwei Wällen eingefassten Graben mit Erdbrücken an den vier Toren (Abb. 16); Mauerwerk findet man in dieser Stadtwüstung allein in den kleinen Hauskellern, also den kühlenden Lebensmittellagern der ersten Stadtbewohner. Ein analoger, allerdings nicht quellenmäßig erfasster Fall wird das nahe Schartenberg gewesen sein, wo die 200 × 150 m große Wallanlage unter der Burg ebenfalls eine gescheiterte Stadt sein dürfte (vor/nach dem Kauf durch Hessen 1294/1307?). Interessant ist auch der Fall des um 1218 gegründeten Allendorf, wo Parzellierung und Wegeführung deutlich zeigen, dass die Erstanlage ein Halboval war, dessen Nordspitze bei der Ummauerung (noch im 13. Jahrhundert?) aus unbekanntem Grunde abgeschnitten wurde. Ein aussagekräftiges Thema ist in Nordhessen das Verhältnis von Burg und Stadt. Im großenteils spät gerodeten Waldgebirge gibt es sowohl Burgen als auch Städte in echter Gipfellage. Neben der burglosen Gipfelstadt (Herbstein) und dem unmittelbaren Anschluss der Stadtmauer an die Burg – dem naheliegenden und häufigsten Modell – gibt es als weiteren Fall, dass die Stadt ohne Verbindung zur Burg unterhalb liegt (Homberg/Efze, Naumburg, Rauschenberg, Spangen20. Hessen
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berg, Züschen) oder gar wie in Waldeck auf einem Nachbargipfel. Der Fall der „Burgfreiheit“ – einer Handwerker- und Wirtschaftssiedlung, die die Ausmaße einer Vorburg kaum übertrifft – ist dagegen deutlich auf den rheinischen und südlichen Teil des späteren Hessen beschränkt; ihre Mauern gehören in der Regel erst ins 14./15. Jahrhundert (Staufenberg, Torturm „1401“; Greifenstein, 1447–80; Braunfels, Erbach, Runkel, Sonnenberg). Die Dominanz der „Rundturmmauer“ im Norden und die ebenso deutliche Andersartigkeit der Formen im südlichen, rheinischen Landesteil macht es in Hessen ausnahmsweise möglich, die einzelnen Bestandteile der Mauern nacheinander abzuhandeln – zunächst die Mauer als solche, dann die Mauertürme und zuletzt die Tore. Die Gestalt der Mauer im 14./15. Jahrhundert Das Material ist in Hessen vielfältig – Schiefer und Basalt im Norden, verschiedene Urgesteine und Sandstein im Süden. Es bestimmt aber die Formen nur wenig, weil es fast ausnahmslos in Form von Bruchstein bzw. groben Brocken verarbeitet wurde; lediglich der Sandstein wurde gelegentlich als kleinteiliges Quaderwerk eingesetzt. Im südlichen, im Mittelalter noch nicht hessischen Landesteil findet man im 14. Jahrhundert etliche Mauern mit Wehrgangbögen, die an jene des 13. Jahrhunderts formal anschließen (Limburg, Wetzlar, Sonnenberg; Frankfurt am Main, Abb. 439). Datierbar und relativ früh sind die Mauern des mainzischen Eltville (1313 erwähnt, 1332 Stadtrecht, 1347 vollendet, gegen 1700 erneuert), jene mit stichbogigen Wehrgangbögen in Butzbach (wohl 1321–68) und schließlich in Darmstadt (Stadtrecht 1330), weitere sind erhalten oder belegbar in Hofheim, (Bad) Homburg, Neudorf, Nidda, Büdingen, Rüdesheim und Zwingenberg. Die nördlichsten Wehrgangbögen findet man in Rauschenberg östlich von Marburg, die östlichsten in Fulda, wo sie der Mauer des 12. Jahrhunderts sekundär vorgesetzt wurden, wohl mit einer Erhöhung erst im 15. Jahrhundert, denn unter den Bögen liegen zum Teil Schlüsselscharten. In Steinheim, Gelnhausen (Stadterweiterung), Babenhausen und in Hanau (Mauer 1338 erweitert) ist der Wehrgang innen über Sandsteinkonsolen und Backsteinbögen vorgekragt, sicher erst im 15./16. Jahrhundert 180 Topographischer Teil
sind Bogenfriese an der Außenseite der Mauer – wo sie nicht der Verbreiterung des Wehrganges, sondern der architektonischen Betonung dienten – gleichfalls fast nur in den Gebieten an Rhein und Main nachweisbar (Groß-Umstadt, Darmstadt, Heppenheim, Hirschhorn, Steinheim), weiter nördlich nur in Camberg und Wetter bei Marburg. Im südlichen Hessen gibt es auch einige Kleinstadtmauern, die anfangs offenbar turmlos waren; so etwa in Steinau an der Straße (erste Mauer, Stadtrecht 1290) und im Odenwald sicherlich in Lindenfels, vielleicht auch in Neckarsteinach und bei der ersten Mauer von Zwingenberg an der Bergstraße. Im Bereich der Wetterau gab es auch mehrere befestigte Dörfer, von denen Petterweil gut untersucht ist; die Umwehrung, die wohl im 14. Jahrhundert angelegt wurde, bestand dort großenteils aus doppelten Wallgräben mit Hecken bzw. Gebück, jedoch war ein Abschnitt auch als Mauer ausgebildet, und es gab sogar zwei (späte?) Rundtürme. Mit diesem Phänomen der anfangs turmlosen (Klein-)Stadtmauer – das am Oberrhein und allgemein im alemannischen Raum, insbesondere in der Schweiz, ausgesprochen häufig, wenn nicht normal war – ist ein momentan nicht lösbares Problem der Mauern im nördlichen, eigentlichen Hessen angesprochen. Die Reste der Mauern im „Rundturmgebiet“ sind nämlich alles in allem zu gering und bisher zu wenig untersucht, um sicher sagen zu können, ob sie wirklich stets mit den Türmen zusammen im 14./15. Jahrhundert entstanden sind. Es sind oben schon Mauern größerer Städte aus dem 13. Jahrhundert genannt worden, an die fast alle Türme nachträglich angesetzt worden sind, und es ist durchaus möglich, dass es unter den zahllosen kleineren Städten auch einige gibt, deren Mauern gleichfalls zunächst turmlos waren und noch ins 13. oder frühe 14. Jahrhundert zurückgehen. Ein gutes Beispiel bietet Grebenstein, 1311 als nova municio erwähnt, das seine nur die Altstadt umschließende Mauer jedenfalls vor 1356 erhielt, weil in diesem Jahre die Neustadt privilegiert wurde, unter anderem mit zwölf Jahren Steuerfreiheit für den Mauerbau. Um 1400 wurde schließlich die nun gemeinsame Mauer durch sechs formal anspruchsvolle Rundtürme verstärkt (Abb. 89). Weitere Verdachtsfälle älterer, zunächst turmlo-
ser Mauern sind etwa Eschwege, Lauterbach, Gudensberg oder Melsungen. Im Normalfall jedoch werden die nordhessischen „Rundturmmauern“ in einem Guss entstanden sein, und zwar zwischen dem mittleren 14. Jahrhundert und der Zeit um 1500; Hauptargument für diese Annahme ist die Beobachtung des Mauerwerks, das zumeist an Mauer und Türmen ganz einheitlich ist – fast immer kleinteiliger Bruchstein oder geglättete, ausgezwickte Brocken, manchmal mit Zangenlöchern, nur im Sandsteingebiet auch einmal hammerrechte Quader. Dass die Mauern in Nordhessen in der Regel Wehrgänge aufwiesen, belegen nur noch wenige Reste, denn die Mauerkronen sind fast immer zerstört, und ebenso die Tortürme mit ihren eventuellen Wehrgangtüren; die hoch gelegenen Einstiege der Mauertürme sind selten wirklich ein Beweis für Wehrgänge, denn sie können ebenso bergfriedartig über Leitern erreichbar gewesen sein. Wehrgang- bzw. Brustwehrreste findet man noch in Allendorf, Homberg/Efze, Homberg/Ohm, Herbstein, Spangenberg, Treysa und Wildungen; in Herborn und Rauschenberg gibt es noch Wehrgangtüren im Torturm, in Wolfhagen im „Kattenturm“, in Wetzlar im „Säuturm“. Im südlichen, rheinischen Landesteil gibt es noch öfter Zinnen mit Schlitzscharten in den Wimpergen und gemauertem Giebeldach, besonders deutlich in Eltville. Dass eine Mauer definitiv keinen Wehrgang besaß, ist nur in der „Freiheit“ in Homberg/Efze noch kenntlich, wo die nur 0,80 m dicke Mauer mit einen durchlaufenden „Giebeldach“ schließt; wahrscheinlich gab es dies nur bei besonders späten Mauern um untergeordnete Stadtteile. Bezüglich der Mauergassen erweist sich Hessen als Übergangsgebiet zwischen Norddeutschland, wo Mauergassen normal sind, und Süddeutschland, wo sie in der Regel fehlen. Die Mauern des 12./13. Jahrhunderts hatten überwiegend keine Mauergassen (Fulda, Marburg, Limburg, Wetzlar, Korbach), nur Fritzlar war weitgehend eine Ausnahme. Im 14./15. Jahrhundert gilt im Grunde dieselbe Regel, nur dass die absoluten Zahlen weit höher liegen; Mauergassen hinter der gesamten Mauer oder einem Großteil davon sind feststellbar in Amöneburg, Fritzlar, Hersfeld, Immenhausen, Kirchhain, Neukirchen, Neustadt, Oberursel, Spangenberg(?), Treysa,
Weilburg, Wetter, Wildungen, Zierenberg und Züschen. Die für Hessen typischen vollrunden Türme des 14./15. Jahrhunderts sind in der großen Mehrzahl der Fälle die einzige Turmform, die an einer Mauer auftritt. Am ehesten erscheinen sie noch in Kombination mit halbrunden Volltürmen oder Schalen, wobei dann die Rundtürme als die besonders wichtigen Türme erscheinen (Allendorf); andere, insbesondere rechteckige Türme fehlen Die Rundtürme im 14./15. Jahrhundert bei solchen Mauern fast völlig. Es gibt eine Tendenz zu regelmäßigen Abständen der Türme, was neben der einheitlichen Turmform sehr zu einem geschlossenen Bild beigetragen hat; jedoch ist der Abstand in der Regel eher groß, das heißt, die eingesetzten Mittel waren offenbar begrenzt. Auch einzelne Türme in einer sonst turmlosen Mauer kamen bei kleinen Städten durchaus vor. Eine engere Datierung der Türme bzw. der gesamten Mauer ist beim heutigen Forschungsstand nur in einem Bruchteil der Fälle möglich, aber doch so oft, dass sich ein gewisses Gerüst ergibt; es belegt, dass die auf den ersten Blick so einheitliche Form tatsächlich vom frühen 14. Jahrhundert bis ins mittlere 16. Jahrhundert hinein ohne auffällige Veränderungen gültig war. Nach der „Wildunger Altarchronik“ wurde die Mauer von (Bad) Wildungen am 8. September 1319 begonnen. Darauf folgten, jeweils nach Interpretation der Schriftquellen, die Mauern bzw. Einzelbauten in Butzbach (1321–68), Herborn (Ersterweiterung 1343), Höchst (1355/56 ff.), Walsdorf (1358), der „Leonhardsturm“ in Alsfeld („1386“), Gudensberg (wohl nach 1387), Bonames (ab 1410), der „Druselturm“ in Kassel (1415), ein Turm in Alt-Wildungen (1448), Seligenstadt (1460 ff.), der südwestliche Eckturm in Fritzlar („1477“), Eschwege (1531) und schließlich Flörsheim (1547/48). In all diesen Fällen müssen natürlich ergänzend die Baubefunde und -formen beachtet werden, um zu klären, ob wirklich der gesamte Bau so zu datieren ist. Hier bieten die Bauten jedoch wenig Hilfe; im Grunde sind die gelegentlich auftauchenden Schlüsselscharten die einzigen Indizien, dass ein Turm erst im 15. Jahrhundert entstanden ist (vgl. unten). Ihr Auftreten an sonst völlig „normalen“ Türmen verdeutlicht nochmals, dass das Aufkommen der Feuerwaffen 20. Hessen
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zunächst keine tief greifende Änderung der Bauformen auslöste. Zeitparallel gab es vielleicht eine Tendenz zu geringeren Höhen und dickeren Wänden, die wir nicht mehr exakt fassen können, aber von einem wirklichen Bruch kann keine Rede sein. Im Normalfall sind die Rundtürme so in die Mauer eingebunden, dass sie innen und außen etwa gleich vorspringen, jedoch gibt es auch Abwandlungen. Unter diesen sind die nur außen vorspringenden noch die häufigsten, die man prinzipiell im Verdacht haben muss, sekundär vorgesetzt zu sein (Zierenberg, Melsungen, Dieburg, Eschwege). Ähnlich wird man die nur zur Stadt vorspringenden Fälle sehen (nordöstlicher Eckturm in Herborn; Büdingen, erste Mauer) und erst recht jene wenigen besonders kräftigen, im Eindruck bergfriedähnlichen Türme, die mit geringem Abstand hinter der Mauer stehen (Lindenfels, Ortenberg, Gelnhausen). Der Durchmesser der Türme variiert stark, wobei aber die Höhe bei den noch besser erhaltenen in der Regel so gewählt ist, dass eine schlanke, „gotische“ Proportion entsteht. Es gibt erstaunlich kleine Türme (Amöneburg, Durchmesser etwa 3 m), der weitverbreitete Mittelwert liegt bei 5–6 m. Wichtige Städte besaßen aber auch weit dickere Türme (Kassel, „Druselturm“, „1415“, Durchmesser 9,20 m), wobei im 15. Jahrhundert wohl die allgemeine Tendenz zu größeren Türmen ging. Das Innere der Türme ist bisher selten dokumentiert; in vielen Fällen war das hohe Untergeschoss wahrscheinlich (kuppel)gewölbt. Ein interessanter Fall ist die relativ frühe Mauer von Zierenberg (1322 erwähnt), bei der die halbrund vorspringenden Türme zumindest bis in Mauerhöhe massiv waren, das heißt Tourellen wie im deutlich früheren Marburg; mangels Einzeluntersuchungen bleibt offen, ob das häufiger vorkam. Das Äußere der Türme zeigt überwiegend die üblichen Schlitzscharten bzw. Lichtschlitze, jedoch kommen – im Einstiegsgeschoss oder im obersten Geschoss, die damit wohl als Wachstuben markiert sind – relativ oft auch kleine Rechteckfenster vor. Die Wachstuben besitzen öfter Aborterker bzw. Reste davon, auch steinerne oder hölzerne Wurferker auf Höhe des Wehrganges sind gelegentlich noch erkennbar (Züschen). Reine Gliederungselemente fehlen am Turmkörper – im Gegensatz zum oberen Abschluss 182 Topographischer Teil
(vgl. unten) – fast völlig. Es mag öfter Sockelvorsprünge gegeben haben, die zugeschüttet sind; umlaufende, geschrägte Absätze sind nur in drei Fällen erhalten, jeweils in zwei Höhen (Allendorf, „Diebsturm“; Witzenhausen, „Eulenturm“; Gudensberg). Der originale Zugang war in der Regel eine Pforte auf Wehrganghöhe, mit Sturz, Spitz- oder Stichbogen, ganz ausnahmsweise auch mit Konsolsturz oder Rundbogen. Dass es nur eine einzelne Pforte ist – nicht zwei gegenüber, für die Durchführung des Wehrganges –, ist wohl primär durch den meist geringen, wenig Platz für Öffnungen lassenden Umfang des Turmes erklärlich. Da die Pforte aber keineswegs immer auf einen der Wehrgänge führt, sondern oft stadtseitig „ins Leere“, entsteht ein bergfriedartiger Eindruck, so, als sei der Turm über eine Leiter oder Außentreppe erreichbar gewesen, womit er den Wehrgang – soweit vorhanden(!) – ganz unterbrochen hätte. Dass dies nicht so war, belegt in nicht wenigen Fällen eine Reihe oft mehrfacher Konsolen an der Stadtseite des Turmes, die, wohl über aufgelegte Bretter, die Fortführung des Wehrganges um den Turm herum ermöglichten und zugleich den Zugang zu ihm (Abb. 440; Butzbach, „Hexenturm“; Fritzlar, Turm neben der „Regilpforte“; Homberg/Ohm; Allendorf , „Diebsturm“; Kassel „Druselturm“; Witzenhausen „Diebesturm“; Herborn, Melsungen, Spangenberg, Wetter). Varianten dieser Lösung bildet etwa die Führung des Wehrganges über eine unten verdickte Mauer (Hersfeld, „Klausturm“) oder über Blendbögen (Steinheim, Reinheim). Nimmt man Abb. 440 Kirchhain, der „Hexenturm“ mit stadtseitig herumgeführtem Wehrgang auf Kragsteinen, erbaut wohl vor 1368 (vgl. Abb. 54).
hinzu, dass in weiteren Fällen eine Holzkonstruktion dieselbe Funktion gehabt haben mag, deren Spuren verschwunden sein können, so dürfte der bergfriedartig isolierte Turm letztlich doch eher selten gewesen sein. Schmuckformen im engeren Sinne beschränken sich bei den hessischen Rundtürmen fast völlig auf den oberen Abschluss. Darüber hinaus kann man fast nur den Mainzer Wappenstein am Turm des Fritzlarer „Bleichentores“ nennen oder die sorgfältige Art, wie eine profilierte Vorkragung am Fuldaer „Jungfernturm“ eine gerade Wandpartie in die Rundung überführt (ähnliche, einfachere Formen in Homberg/Efze und Herbstein). Der obere Abschluss, der nur selten erhalten ist, zeigt in den einfacheren Fällen eine horizontal abgesetzte Brustwehr und dahinter, nur noch selten erhalten, ein Spitzdach, das sicherlich oft gemauert war (Alsfeld [Abb. 441], „Leonhardsturm“; Grebenstein, Seligenstadt; ). Die optische Absetzung der Brustwehr konnte durch ein Sims aus einfach vorgestreckten Steinen erfolgen (Butzbach, „Hexenturm“) oder durch deren Vorspringen (Homberg/Ohm, Amöneburg). Aufwendiger waren eine schräge Vorkragung (Fritzlar, Neustadt; Züschen) oder eine Unterkehlung (Alsfeld, „Leonhardsturm“; Wetter), schließlich vor allem Rund- bzw. Spitzbogenfriese, die wieder typisch rheinisch wirken (Homburg, „Rathausturm“; Hersfeld „Klausturm“; Friedberg „Roter Turm“; Walsdorf, Treysa, Wildungen). Fenster anstatt Zinnen betonten gelegentlich die formale Eigenständigkeit der Brustwehr (Homberg/Ohm, Amöneburg). Im 15. Jahrhundert und bis ins 16. Jahrhundert hinein gipfelte die Tendenz zur Betonung der Turmabschlüsse in ausgesprochen reichen Gestaltungen; diese Entwicklung, die ihren Ursprung sicher im Rheinland hatte, fand ihren Höhepunkt in Frankfurt am Main, von dessen äußerer Mauer aber leider kaum etwas erhalten ist. Sie machte sich gleichzeitig auch in den Bergfrieden einiger wichtiger Burgen bemerkbar (Steinheim, Friedberg, Trendelburg). Ein gutes Beispiel dieser – sicher nur ausnahmsweise erhaltenen – Formen sind die Türme in Grebenstein (um/nach 1400; Abb. 89), die die schräg vorgekragte Brustwehr und den gemauerten Spitzhelm durch drei Erker am obersten Geschoss, teilweise figürliche
Abb. 441 Alsfeld, der runde „Leonhardsturm“ von 1386 neben dem ehemaligen „Fulder Tor“ mit dem in Hessen weitverbreiteten gemauertem Spitzdach hinter den Zinnen.
Wasserspeier und eine Kreuzblume auf der Dachspitze ergänzten. Diese Elemente findet man auch anderswo, nur nicht so geballt. Die Erker treten am Bergfried von Trendelburg auf, in Holz bzw. Fachwerk waren sie sicher noch weit häufiger (Immenhausen; Eschwege, 1531), auch in der Variante als Dachaufbauten (Homberg/ Ohm; Frankfurt am Main, „Rententurm“ und andere). Figürliche Wasserspeier der Wehrplatte findet man auch in Züschen. In Seligenstadt zeigen die 1461–63 entstandenen Türme der Mainseite eine Umwandlung der Brustwehr in achteckige, blendengezierte Aufsätze ohne Wehrfunktion; besonders deutlich wird hier der Wille zum Schmuck, denn die Türme zur angreifbaren Landseite besaßen offenbar wirkliche Brustwehren. Als weitere Schmuckformen des 15. Jahrhunderts sind getreppte Zierzinnen zu nennen (Friedberg, „Roter Turm“) oder die Herumführung eines Wasserschlages um die Zinnen (Kas20. Hessen
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sel, „Druselturm“, 1415; vereinfacht Butzbach, „Hexenturm“). Unbestrittener Höhepunkt der Türme des 15. Jahrhunderts ist der zum Glück erhaltene „Eschenheimer Turm“ der äußeren Mauer von Frankfurt am Main (Abb. 131), der jedoch als Torturm weiter unten zu behandeln bleibt. Neben der Fülle vollrunder Türme gab es im Hessen des 14./15. Jahrhunderts auch andere Turmformen, die aber zahlenmäßig deutlich zurücktreten; im Gegenteil wird diese Dominanz noch betont, wenn man bedenkt, dass unter den anderen Formen die halbrunden Volltürme und Schalen am häufigsten sind Halbrunde Türme im und dass auch nicht runde 14./15. Jahrhundert Formen vielfach nur in Kombination mit runden vorkommen. Hier werden zunächst die Mauern mit einheitlichen Turmformen behandelt, dann jene mit wechselnden. Die Unterscheidung von halbrunden Volltürmen und Schalen ist oft schwierig, weil viele Schalen später stadtseitig geschlossen wurden, ohne dass das immer sicher erkennbar ist; in Hessen kommt hinzu, dass die Mehrheit der halbrunden Türme ohnehin nur als Stümpfe erhalten sind, womit für den Oberbau verschiedene Formen denkbar bleiben (drei Turmreste in Korbach/Altstadt; je zwei in Grebenstein/„Neustadt“, Homberg/Efze [„Freiheit“] und Wächtersbach; ein Turm in Hungen, zwei weitere anzunehmen; je ein Turm in Hofheim und Naumburg). In Korbach steht außerdem noch der im ersten und zweiten Obergeschoss spitzbogig geöffnete „Tylenturm“ – ein Mischtyp von Schale und Vollturm, wohl aus dem 14. Jahrhundert – und kleinere Türme schon mit Schlüssel- und Rundscharten. Der sehr schlanke „Kattenturm“ in Wolfhagen, der innen nur 1 m breit ist und an einer Ecke ein Wappenrelief trägt, entspricht mit seiner unterkehlten Brustwehr ganz den Rundtürmen des 15. Jahrhunderts, und auch die beiden schlanken Halbrundtürme der Stadterweiterung von Gelnhausen gehören wohl – entgegen der bisherigen Datierung ins mittlere 14. Jahrhundert – erst ins 15. Jahrhundert, wie auch die tief liegenden Scharten der Mauer selbst unterstreichen. Schließlich steht in Grünberg, neben geringen Resten eines Halbrundturmes, auch ein Rundturm mit Spitze zur Angriffsseite („Diebs184 Topographischer Teil
turm“) – eine Form, die sonst nur bei Bergfrieden auftritt, vor allem im österreichisch-böhmischschlesischen Raum. Runde Schalentürme kommen in Hessen ebenfalls vor, aber nicht sehr häufig und im Normalfall neben einzelnen Vollrundtürmen, die den Gesamteindruck dominieren. Die wenigsten sind so hoch erhalten, dass man sie noch eindeutig „Türme“ nennen kann; meist überragen sie die heutige Mauerhöhe (bis etwa 4 m) nicht mehr, könnten also stets so niedrig gewesen sein. Die Alternativen verdeutlicht Hirschhorn am Neckar – die Südspitze des Bundeslandes –, wo die erste, ab 1392 entstandene Mauer hohe Rundschalen mit Brustwehr über Rundbogenfries besitzt, die Vorstadtmauer (um 1500) nur eine niedrige, dünnwandige, mit Schlitzscharten versehene Schale. Der Wetzlarer „Säuturm“ ist ein Rundturm mit nur schlitzartiger Öffnung und (sekundären?) Schlüsselscharten; auch in der „Neustädter Vorstadt“ ist der Stumpf einer wohl jüngeren Rundschale erhalten. (Bad) Orb besitzt noch eine 7 m hohe Rundschale – während sechs weitere (und zwei rechteckige) auf Mauerhöhe abgetragen sind – und in Frankenberg/Eder ist von zahlreichen Türmen nur ein verbauter Rundturm erhalten, der ab dem ersten Obergeschoss offen gewesen sein könnte. In Butzbach (Mauerbau 1321–68?) steht noch eine Schale mit (sekundärer?) Schlüsselscharte neben zwei Vollrundtürmen, Kirchhain (Mauer belegt 1368) zeigt vier nur noch mauerhohe Schalen und einen Vollturm (des 15. Jahrhunderts). Das erzbischöflich mainzische Steinheim besitzt noch eine hohe Rundschale an einer Ecke, die nach ihren Fenstern von Anfang an Räume enthielt. Die Brustwehr war, wie jene der Mauer, durch einen Rundbogenfries abgesetzt und besaß zusätzlich Wehrerker; der dicht hinter der Mauer stehende Kirchturm – mit einer hohen Schlüsselscharte und gezinnter Wehrplatte mit Ecktürmchen – vervollständigt ein reiches, ganz mittelrheinisches Gesamtbild (Abb. 442). Das ebenfalls mainzische Höchst schließlich (Befestigungsrecht 1355/56) zeigt – jedoch erst in der Stadterweiterung um 1400 – noch eine Eckschale, vier weitere, umgebaute Rundtürme könnten auch Volltürme gewesen sein. Ausschließlich Rundschalen besaßen Hofgeismar, wo einige niedrig erhalten sind, Hanau (Mauer
1338 belegt), wo sie nur noch durch Matthäus Merian bekannt sind, und schließlich Salmünster (Mauer 1344 erbaut?), wo jedoch nur noch eine mauerhoch erhalten ist. Spät, im 15. Jahrhundert, entstanden die sechs Rundschalen von Allendorf, die (nebst einer rechteckigen) sekundär in die Mauer eingefügt sind und wahrscheinlich stets nur so hoch wie die Mauer selbst waren. Insgesamt bleibt die Aussagekraft der halbrunden Volltürme und Schalen in Hessen also begrenzt; sie erscheinen als gleichzeitige Variation der Rundtürme. Eine späte Reduktion der Schalen auf nur noch mauerhohe „Ausstülpungen“ der Mauer, mit flankierenden Feuerwaffenscharten, ist gelegentlich denkbar, aber kaum sicher zu belegen. Andere, also nicht runde Turmformen waren in Hessen die Ausnahme. Wo sie vorkamen, stehen Weitere Turmformen im 14./15. Jahrhundert sie in der Regel neben runden Formen, die fast immer in der Mehrzahl sind; kaum eine Mauer verzichtete völlig auf runde Türme. Mauern mit ausschließlich rechteckigen Türmen treten dementsprechend nur in drei Randbereichen des heutigen Hessen auf, wo sie jeweils als Ränder von Nachbarregionen erscheinen: Im äußersten Norden, nahe dem niedersächsischen Werraraum, im Taunus und schließlich um den Odenwald. Zur ersten Gruppe gehören HessischLichtenau und Immenhausen, die beide mit klei-
nen Rechteckschalen ausgestattet waren. In Lichtenau, dessen Mauer nach 1330 erwähnt ist, blieb nur ein Turmrest erhalten; der Rundturm neben dem „Obertor“ wurde wohl erst 1445–56 ergänzt. Die Schalen in Immenhausen sind nur mauerhoch erhalten, eine jedoch war ursprünglich dreigeschossig, wurde aber dann zu einem doppelt so hohen Vollturm umgebaut; die einzige Halbrundschale der Mauer ist entsprechend modernisiert. Im Bereich des Taunus besitzt vor allem die kleine, aber wirkungsvoll ausgebaute ursprüngliche Burgfreiheit von Sonnenberg drei Rechteckschalen mit Rundbogenfriesen, die vermutlich durch Wehrerker auf der Mauer ergänzt wurden (Abb. 443). Unterbauten von zwei Rechtecktürmen zeigt auch die erste Erweiterung von Kronberg (Ende des 14. Jahrhunderts?), und schließlich steht in Villmar, das nach 1361 ummauert wurde, noch eine rechteckige, im Spitzbogen geöffnete Schale. Im Odenwaldraum scheinen Rechtecktürme erst um und nach 1400 aufzukommen. In Michelstadt, wo der Beginn des Mauerbaues 1395 belegbar ist, blieben nur Unterbauten von etlichen Rechteckschalen; der einzige Rundturm zeichnete wohl den Burgbereich aus (und ist über 700 Jahre jünger, als ein modernes Schild behauptet). 1441 wurde in Babenhausen (1295 Stadtrecht) ein Ungeld für die Mauer bewilligt; 1445 war, nach früherer Inschrift, das „Hanauer Tor“ erbaut. Von sechs Rechteckscha-
Abb. 442 Steinheim am Main im 17. Jh. nach Merian. Besonders deutlich ist hier die Anpassung von Burg und Stadt an die Topographie. Der erhaltene Kirchturm mit seinen Eckwarten stand direkt hinter der landseitigen Mauer (Zeiller/Merian, Topographia Hassiae, 2. Aufl. 1655).
20. Hessen
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Abb. 443 Sonnenberg, das „Wiesbadener Tor“ mit dem Schalenturm „Stümpert“. Sonnenberg wurde wohl nach der Stadterhebung 1351 ummauert.
len stehen noch zwei, beide mit Brustwehr über Rundbogenfries; der „Eulenturm“ war ein Torturm, an den die Mauer mit Fuge stößt. Die beiden veränderten Türme der vielleicht noch ins 13. Jahrhundert gehörenden Mauer von Bensheim sind nicht datierbar, aber der Rundbogenfries des „Roten Turmes“ weist auch hier ins 14./15. Jahrhundert. Im gesamten heutigen Hessen findet man Mauern, die Türme verschiedener Form mischen. Gründe für ihr Auftreten und ihre Verteilung sind nicht erkennbar; gemessen an angrenzenden Regionen wie dem Mittelrhein oder Franken, erscheinen sie weit normaler als die hessische Vorliebe für Rundtürme, die auch bei diesen Mauern eine wichtige Rolle spielen. Die ausgedehnteste Mauer dieser Art war die äußere von Frankfurt am Main (Privileg Ludwigs des Bayern vom 17. Juli 1333), die runde und rechteckige Volltürme besaß; von ihr ist leider nichts erhalten. Der „Rententurm“ (1455–56 von Eberhard 186 Topographischer Teil
Friedberger) und der „Kuhhirtenturm“ (um 1490) sind spätere Ergänzungen; vor allem der Erstere, an markanter Stelle der Mainfront, ist mit sorgfältigen Details und polygonalen Dacherkern Zeugnis des formalen Reichtums der Frankfurter Türme und Tore im 15. Jahrhundert, der im gleichfalls erhaltenen Torturm des „Eschenheimer Tores“ (Madern Gertener, 1400–1428) gipfelte (Abb. 131). Die frühe Mauer von Fritzlar wurde im 14./15. Jahrhundert durch Türme verstärkt, die meist rund, aber auch rechteckig waren. Hauptbollwerk ist der halbrunde „Graue Turm“, ein zunächst viergeschossiger Turm mit einem Kreuzstockfenster (Abb. 55) zum Graben (zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, nicht die 1274 erwähnte „turris magna“!), der wohl im frühen 16. Jahrhundert erhöht wurde (Erdgeschosstür „1541“). Spangenberg besitzt noch zwei Rundtürme und die Stümpfe einer halbrunden und einer rechteckigen Schale, Witzenhausen den runden „Diebesturm“ (1413), den runden „Eulenturm“ und eine kleine Rechteckschale. Lich zeigte runde und rechteckige Türme, von denen nur eine große Rechteckschale mit unterwölbter Wehrplatte erhalten ist, weil sie im 16./17. Jahrhundert zum Kirchturm ausgebaut wurde. Große Schlitzscharten in den Obergeschossen, zwei umlaufende Wasserschläge, ein die Zinnen umlaufendes Gesims und die Wurferker vor den Zinnen deuten auf einen späten Turm, um oder nach 1400. Die Vorstadtmauer von Steinau zeigt neben drei Rundtürmen auch einen rechteckigen mit hoch liegender Pforte, eine zweite Vorstadtmauer (16. Jahrhundert?) einen weiteren Rundturm. Im mittelrheinischen Bereich bzw. im Schiefergebirge findet man noch mehr Turmformen. So zeigt Limburg neben einem Rundturmstumpf („Katzenturm“) den Rest einer Tourelle und Runkel (Burgfreiheit) neben einem Rechteckturm einen fünfeckigen Turm, beide mit Rundbogenfriesen. In Eltville (Mauer 1313–47) sind ein Rundturm, eine Rundschale und am Osttor ein Rechteckturm erhalten, in Camberg noch einer von mehreren Rundtürmen und ein Rechteckturm; auch das benachbarte Walsdorf besitzt noch einen Rundturm und eine Rechteckschale. Ganz im Süden wurde die ab 1330 entstehende Darmstädter Mauer mit sechs quadratischen und drei runden Türmen ausgestattet; die quadrati-
sche Schale des „Hinkelsturmes“ ist erhalten. Schließlich stammt die Vorstadtmauer von Dreieichenhain, die Stümpfe von vier Rundtürmen und einem Rechteckturm zeigt, wohl eher aus dem 15. als aus dem mittleren 14. Jahrhundert. Als turmähnliche Sonderformen sind schließlich der schildmauerartige, über Bögen vorgekragte Eckaufbau in Lindenfels zu erwähnen, mit dem man einen Eckturm im nahen Eberbach (Baden) vergleichen kann. Einzigartig ist auch die trapezoide Ausstülpung der Mauer von Ortenberg, die einen Brunnen in Hanglage einbezieht. Erker im Wehrgangbereich als sparsamster Ersatz eines Turmes sind, meist nur in Resten, praktisch nur in den rheinnahen Gebieten Hessens zu belegen (Wetzlar/Vorstadt, Sonnenberg(?), Amöneburg, Höchst, Steinheim, Bensheim/Vorstadt, Erbach); sie sind Mittel zur Belebung der Silhouette, typisch für die mittelrheinischen Mauern des 14./15. Jahrhunderts. Im nördlichen, ab 1866 preußischen Teil Hessens hat beamtetes, von kultureller Sensibilität freies Pflichtgefühl unter den „verkehrsbehindernden“ mittelalterlichen Toren gründlich aufgeräumt – unter den Tortürmen genauso wie unter den häufiDie Tore im 14./15. Jahrhundert gen langen Torzwingern. Während dort nur noch geringe Reste den früheren Bestand andeuten, ist im Südteil des Landes deutlich mehr erhalten. Unter den großen Städten Nordhessens hat allein Kassel einen Torturm bewahrt, das um 1330 erbaute und im Barock zur Sternwarte umgenutzte „Zwehrentor“ mit profilierten Spitzbogendurchfahrten, Kämpfern und Fallgatterfalz. In Herborn ist ein schlichter, in den Obergeschossen spitzbogig zur Stadt geöffneter Torturm erhalten („Leonhardsturm“), in Rauschenberg der Stumpf eines weiteren mit ähnlichen Details, zusätzlich mit einer Schlitzscharte über dem Tor und innen einem gefälzten Rechteckfenster; beide zeigen Wehrgangtüren. Die 1904 noch dokumentierte „Schogpforte“ in einer Wetzlarer Vorstadt war auch ein kleiner, oben geöffneter Torturm. Neben diesem betrüblich geringen Bestand ist noch das „Burgtor“ in Grebenstein zu nennen, ein spitzbogiges Mauertor; Grebenstein ist auch das beste Beispiele für normale Rundtürme, die neben Mauertoren bzw. -pforten angeordnet waren (vgl. auch Eschwege,
Alsfeld, ehemals Sachsenhausen, auch Burg Friedberg). Die verschwundenen Tore von Waldeck waren Torbauten mit nur einem Obergeschoss; allein das „Netzer Tor“ war ein echter Torturm. Ist das Wissen über die Torformen des 14./15. Jahrhunderts in Nordhessen also minimal, so bietet das im Mittelalter noch nicht hessische Gebiet um die Wetterau und in Rheinnähe bis heute bedeutende Bauten; der frühgotische Turm in Ortenberg ist schon genannt worden, auch das „Holztor“ der inneren Mauer von Gelnhausen. Auffälligerweise sind die erhaltenen Tortürme meist erst ins 15. Jahrhundert zu datieren, was den Verdacht nahelegt, dass auch in dieser Region die turmlosen Tore erst spät repräsentativ ausgestaltet wurden. Noch ins 14. Jahrhundert mag der Limburger Brückenturm zurückgehen; die 1315 begonnene Brücke war 1365 noch nicht fertig. Original ist allein das Erdgeschoss des Turmes mit kräftig gestuftem Spitzbogentor mit Kämpfer und Fallgatterschlitz im Gewände. Ob die schlichte dreigeschossige Schale in Kronberg mit der Mauer in die Zeit nach 1330 gehört, ist dagegen offen. Nach 1392 jedenfalls entstand mit der Erstmauer von Hirschhorn auch das „Mitteltor“, ein gut erhaltener Vollturm mit Eckbuckelquadern und vielen gefasten Rechteckfenstern, die teils zweiund dreifach gekoppelt sind; die Wehrplatte über Rundbogenfries fehlt heute, das Fallgatter hing in einer hohen Stichbogenblende. Anfang des 15. Jahrhunderts errichtete das reiche Frankfurt am Main an seiner äußeren Mauer den „Eschenheimer Turm“, einen der formal besten deutschen Stadtmauertürme (Abb. 131). Auf den 1400 anstelle eines Rundturmes begonnenen quadratischen Torturm setzte Madern Gerthener – der Meister des „Dom“-Turmes und weiterer Sakral- und Profanbauten in Frankfurt am Main, Mainz und Oppenheim – 1426–28 einen runden Oberbau. Die Überleitung zum Turmschaft wird feldseitig durch polygonale Erkertürmchen betont – was wie ein „flach gedrücktes“ Vortor anmutet –, zur Stadt durch den rundlich vorkragenden Wehrgang. Den Hauptakzent des fast 40 m hohen Baues bildet die Bekrönung: Zinnen über hohem Rundbogenfries, vier runde Erkertürmchen und das gemauerte Spitzdach mit zwei Reihen Fenstern sind zu einer wir20. Hessen
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kungsvollen Einheit zusammengefasst. Wichtig ist weniger das Detail, obwohl die Wappenadler von Gerthener selbst stammen, sondern vielmehr die perfekten Proportionen, die den Turm zum Höhepunkt der rheinisch-hessischen Burg- und Stadtmauertürme des 14./15. Jahrhundert machen; tatsächlich sandte der Herr von Eppstein 1439 seinen Baumeister nach Frankfurt, als er ein Vorbild für den Bergfried seiner Burg suchte. „1401“ erhielt die Burgfreiheit Staufenberg (1336 Stadtrecht belegt) einen zunächst wohl nur zweigeschossigen Torturm, der mit Fallgatterschlitz im Torgewände und stadtseitigen Rechteckfenstern zeittypische Merkmale zeigt. Ähnlich alt wird das „Martinstor“ in Eltville sein, ein querrechteckiger Torturm; nahe der wichtigen erzbischöflichen Burg ist er durch das Kreuzrippengewölbe in der Torfahrt und zwei genaste Spitzbogenblenden gegen den Rhein geschmückt. In die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts dürften die Tore der äußeren Mauer von Gelnhausen gehören, ein Vollturm („Schifftor“) und zwei Schalen („Ziegeltor“, „Haitzertor“), ebenfalls mit Rechteckfenstern, teils mit, teils ohne Fallgatter (ungewöhnlich sind die teils pyramidal geformten Eckbuckelquader am „Schifftor“). Kleine, wohl schalenförmige Tortürme des späteren 15. Jahrhunderts sind noch in Hadamar und Grüningen erhalten bzw. belegt, in Assmannshausen nur durch eine Inschrift von 1491; Wandreste von Tortürmen blieben in Amöneburg und Büdingen („Mühltorturm“). Einen hohen Turm des späten 15. Jahrhunderts findet man noch am „Obertor“ in (Bad) Orb, mit Lisenen für das Fallgatter des rundbogigen(!) Tores und dem Mainzer Rad auf einem Fenstersturz. Zwei Tore ohne Turmform sind an der Mainfront von Steinheim erhalten: ein beschädigter, wenig tiefer Torbaurest und das „Maintor“, ein Mauertor, das erst „1507“ zum bescheidenen Torbau umgestaltet wurde. Umlaufende Zwinger waren in Hessen nicht allzu häufig und sind auch hier selten datierbar; keiner scheint vor dem 15. Jahrhundert entstanden zu sein, auch wenn Schlüsselscharten, die diese Einschätzung bestätigen, kaum erhalten sind (Steinau, Darmstadt, Lindenfels). Der ausgedehnteste Zwinger Hessens umzog sicherlich Frankfurt am Main, aber da die Anlage schon zur Zeit der frühesten Abbildungen in 188 Topographischer Teil
Erdbastionen zu verschwinden begann und im 19. Jahrhundert mit diesen Umlaufende Zwinger beseitigt wurde, weiß man und Torzwinger nur, dass er einige halbrunde Streichwehren besaß. Eben diese Beschreibung gilt auch für verschwundene Zwinger in Butzbach (um 1428–34), Babenhausen und Michelstadt (geringe Reste). Halbrund sind die Streichwehren auch in Steinau, wo wohl nur abschnittsweise ein Zwinger bestand und im Westen der ältesten Stadt nur isolierte runde Streichwehren (eine mit „Hals“) direkt vor die Hauptmauer gesetzt wurden. In Steinheim, wo Zwingerreste nur am Mainhang blieben, war eines der Tore durch ein regelrechtes kleines Doppelturmtor gesichert; der Zwinger ist dann, im Bereich der erzbischöflichen Burg, weiträumiger ans Ufer herabgezogen, wo eine halbrunde Streichwehr und ein ebensolcher Erkerrest erhalten sind. In Darmstadt wechselten runde Streichwehren und rechteckige (mit Balken konstruktiv verstärkte) Erker miteinander ab, und einfache Schlitzscharten stehen neben Schlüsselscharten verschiedener Form in großen Innennischen; auch hier gab es an den Toren kleine Doppelturmtore wie in Steinheim. Der wohl erst um oder nach 1500 entstandene Zwinger im kleinen Lindenfels besaß neben den runden Eckstreichwehren der Angriffsseite sonst nur rechteckige; wichtig ist hier der spätgotische Bau des „Fürther Tores“, der gekehlte Torgewände, einen Wurferker mit Fratzenkonsolen, das wittelsbachische Wappen, Schlüsselscharten und Rechteckfenster zeigt (Abb. 444). In Allendorf entstand ein kurzes Zwingerstück nur dadurch, dass die Contrescarpe des breiten Wallgrabens nördlich als kurzes Zwingerstück, mit einer Rundschale, zum Fluss geführt wurde. Nicht mehr beurteilbar sind die minimalen und verbauten Zwingerreste in Wetzlar, während in Dreieichenhain ein Zwinger gänzlich unbelegt scheint. Repräsentativer Sonderfall eines Zwingers ist die um 1465 entstandene Anlage am Höchster Mainufer, die nicht nur den Zugang zum „Maintor“ und zur Burg sicherte, sondern zugleich als Kaianlage des wichtigsten Mainzer Flusszolles diente (Abb. 198). Mit drei Rundschalen versehen und in bestem Sandsteinquaderwerk ausgeführt, zeigt sie eine mit Wappenreliefs gezierte
Brustwehr über Maßwerkfries und profilierter Vorkragung und ein gestäbtes Spitzbogentor zum Burgbereich. Auch Torzwinger, soweit sie nicht in umlaufende Zwinger integriert waren, sind in Hessen wenig belegbar und noch seltener erhalten. Von der bescheidensten Art, dem kleinen rechteckigen Torzwinger, ist vor der „Altstädter Pforte“ in Münzenberg ein Seitenwandrest erhalten; er trägt auf der feldseitigen Ecke noch den Unterbau eines Runderkers. In Hadamar besteht ein geringer Rest eines ähnlichen Baues, in Waldeck ist jener des „Netzer Tores“ nur noch indirekt belegt. Vielleicht etwas häufiger waren lang gezogene Zwinger, die sicher auch hier mit tief gestaffelten, mehrfachen Wallsystemen zusammenhingen; keiner ist erhalten, aber in Fulda, Zierenberg, Steinheim, Fritzlar („Wintertor“) und Homberg/Efze („Neues Tor“) sind sie belegbar. Größere Varianten dieser Form gab es in Wildungen („Wegaer Tor“) und Amöneburg, wo Torzwinger jeweils aus zwei Höfen bzw. drei Toren bestanden; im letzteren Fall ist der Rest eines anderen Vortores erhalten, in Hungen kennen wir Torzwinger nur noch aus Plänen. Selbstverständlich gab es größere Vorwerke auch in Frankfurt am Main, wo sie aber nur über die ältesten Darstellungen (1552) als barbakanenartig oder als kleine Doppelturmtore einschätzbar sind. Eine Barbakane, zumindest einen großen Vorhof mit gerundeter Mauer, besaß auch Fritzlar („Werkeltor“; ein größer Hof lag auch vor dem „Schildertor“). Schließlich waren das bergseitige Tor in Weilburg und die dortige Lahnbrücke durch größere, turmbewehrte Anlagen gesichert. Von alledem blieben jedoch nur minimale Reste, die Datierungen und genauere Einordnungen unmöglich machen. Landwehren und Warttürme waren in Hessen nicht selten, ähnlich wie in den angrenzenden Regionen (Rheinland, Westfalen, Niedersachsen, Thüringen). Frankfurt am Main besaß eine der aufwendigsten Landwehren Deutschlands, die schon um 1900 gut erforscht wurde und in wichtigen Teilen erhalten ist. Die ersten Erwähnungen der Anlagen auf beiden Mainufern liegen in den 1370er Jahren, der Bau dauerte in mehreren Abschnitten letztlich bis ins frühe 17. Jahrhundert. An den Durchgängen, die teils mit hölzernen „Zingeln“ (Vorhöfen) versehen waren, be-
Abb. 444 Lindenfels, das vordere (Zwinger-)Tor des „Fürther Tores“ entstand wohl um 1500.
standen zunächst hölzerne Warten, die im Laufe des 15. Jahrhunderts durch Steinbauten ersetzt wurden; vier sind erhalten (Abb. 250). Sie bestehen aus hohen RundWarten und Landwehren türmen mit Fachwerkobergeschoss, der üblichen Wartenform, die eng von einer runden bzw. achteckigen Mauer mit weiteren Schießscharten und der Treppe umgeben wurde („Mantel“). Daran schloss sich eine rechteckige Ringmauer, in der anfangs wohl nur leichte Bauten für die Besatzung, ihre Pferde, zu schützendes Vieh usw. standen. Mehrere größere Städte Hessens hatten ähnliche Landwehrsysteme wie Frankfurt am Main, die jedoch im Detail bescheidener aussahen. Bestes Beispiel ist heute wohl Fritzlar, dessen Landwehrgraben im 15. Jahrhundert durch sieben Warten gesichert wurde, von denen sechs als Ruinen erhalten blieben (Abb. 445); es waren auch hier Rundtürme mit Hocheinstieg (Durchmesser 20. Hessen
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3,75–4,80 m), die in 4–6 m Entfernung durch eine rundliche Mauer und einen Graben geschützt waren. Die Fritzlarer Warten wurden schon 1365 erwähnt, als sie wohl noch Holzbauten waren. Fulda besaß acht durch Kirchtürme ergänzte Warten, von denen sechs erhalten sind; auch sie sind seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts belegt. Praktisch verschwunden sind dagegen die Landwehren von Friedberg (1394 und 1411 Erlaubnis für verschiedene Abschnitte) und Kassel (vier Warten). Von den kleineren Städten, bei denen in der Regel nichts erhalten blieb, sind Grebenstein (Landwehr, fünf Warten), Wolfhagen (1348 Anlage von Landwehr mit Warten) und Seligenstadt, wo vereinzelte Teile eines Wallgrabens mit einer Hecke erst im 16./17. Jahrhundert fassbar werden, zu erwähnen. Als nichtstädtische Landwehr, die ein hessisches Amt gegen Fritzlar sicherte, sei jene bei Großenenglis erwähnt, weil von ihr ein 1431 begonnener Torturm erhalten ist. Manche Städte begnügten sich mit isolierten Warttürmen auf überragender Höhe, die die frühe Meldung eines nahenden Feindes sichern sollten. Erhalten sind Türme in Grünberg (Fritzlarer Form mit Ringmauer), Korbach („Dalwiger Warte“), Sachsenhausen, Zierenberg und Kirchhain; dort sperrte die hessische, 1431 gebaute „Wittelsberger Warte“ die Straße zum mainzischen Amöneburg. Die Türme sind durchweg Abb. 445 Fritzlar, die Ruine der „Hellenwarte“ (spätes 14. oder frühes 15. Jh.) auf einer Anhöhe nördlich der Stadt. Der schlanke Rundturm und die schartenbesetzte Ringmauer sind typisch für den Bautypus; der bewohnbare (Fachwerk-)Aufbau des Turmes ist allerdings verschwunden, der Graben weitgehend eingeebnet.
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von der typischen Form, rund mit Durchmesser zwischen 3,40 m und 5,40 m, mit Hocheinstieg und ehemals einem Fachwerkobergeschoss; in Zierenberg zeugen noch Kragsteine und Balkenlöcher von dessen Abstützung. Es gibt mehrere Gründe, dass der Übergang zu feuerwaffentauglichen Bauten in Hessen ganz unauffällig blieb, dass sich also das Erscheinungsbild der Mauern in dieser Phase kaum veränderte. Die Häufigkeit der Rundtürme bei den hessischen Mauern schon des 14. und frühen 15. Jahrhunderts bedeuAdaption für Feuerwaffen tet, dass der anderswo feststellbare Übergang zu dieser artillerieresistenteren Turmform hier fehlt; da zudem auch die Feuerwaffenscharten in Hessen oft einfache Schlitze blieben, sind die Türme vor und nach dem Aufkommen der Feuerwaffen kaum unterscheidbar – manche Türme, die allgemein um 1400 datiert werden, könnten bis zu einem Jahrhundert jünger sein. Hinzu kommt die Tatsache, dass kaum eine Stadt sich wirklich große Artilleriewerke leisten konnte, dass also auch insoweit die Adaption traditioneller Formen üblicher blieb. Bei dieser Lage – also bei fast völligem Fehlen neuartiger, sonst für das Zeitalter charakteristischer Bautypen, insbesondere von Rondellen – wird automatisch die Schlüsselscharte zum Hauptindiz der technologischen Entwicklung, denn sie war ob ihrer Kleinheit in alle überkommenen Bauformen zu integrieren und ist zugleich unbestreitbarer Beleg für die Verwendung leichter Feuerwaffen. Gute Beispiele für die Allmählichkeit des Überganges bieten heute noch die Mauern von Hochstadt und Reichelsheim. In Hochstadt findet man an der Westseite drei noch relativ hohe Schalentürme ohne Scharten für Feuerwaffen, an der Nordseite bereits Schlitzscharten in Stehhöhe. Die Osthälfte der Mauer ist dann, zweifellos in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, ganz durch Feuerwaffen geprägt – Maulscharten für Hakenbüchsen in Stehhöhe und Wehrgangverzicht, zwei mauerhohe, zweigeschossige Rundschalen; der Torturm mit seinen vielfältigen Scharten gehört wohl erst ins 16. Jahrhundert. In Reichelsheim, wo die Mauer ab 1420 entstand, ist einerseits der Turm neben dem Nordtor erhalten, schlank und mit Hocheinstieg, andererseits ein
weit massiveres Eckrondell; beide zeigen Spitzbogenpforten und Schlüsselscharten, die nach Spolien wohl auch die Mauer enthielt. Die „typisch hessischen“, hohen Rundtürme sind jener Bautyp, an dem auch die Schlüsselscharten am häufigsten auftreten; relativ typisch sind Rechteckfenster an denselben Türmen. Genannt seien der „Jungfernturm“ in Fulda mit besonders großen Scharten (daneben auch solche in Form eines umgedrehten T), in Langen (wo neben einem Turm mit Schlüsselscharten auch einer ohne erhalten ist), Kirchhain („Hexenturm“), Lauterbach, Homberg/Ohm und Grüningen (1459 als Stadt erwähnt; „Diebsturm“); in Weilburg und Wetter mögen die Schlüsselscharten sekundär eingesetzt sein. Keine Schlüssel-, sondern Varianten rechteckiger Maulscharten zeigt der Gelnhäuser „Hexenturm“ von 1447, der mit Brustwehr über Rundbogenfries und gemauertem Achteckdach gut erhalten ist; eng vergleichbar ist der „Weiße Turm“ in Wölfersheim (um 1500?). Der 1535 erwähnte „Halbmond“ in Gelnhausen verdeutlicht die weitere Entwicklung zu einer breiten, niedrigen Rundschale mit flankierenden Ovalscharten. Ein ganz anderes Unikat, auch mit Maulscharten, stellt der Korbacher „Wollenweberturm“ von „1505“ dar, im Prinzip ein dicker Halbrundturm mit dünnerer Wand zur Stadt, der im unteren Teil eine Art „Bug“ besitzt; über dessen Abdachung folgt die Brustwehr über Klötzchenfries. Die Zeittendenz zu originellen Versuchen verdeutlicht weiterhin der rechteckige „Kriegerturm“ in Laubach, der abgerundete Ecken und flankierende Maulscharten besaß; Ähnliches hat es im ebenfalls solmsischen Lich gegeben. Die Liste der Unikate sei mit einem ehemaligen Doppelturmtor, als Vortor, in Groß-Umstadt abgeschlossen. Eigenständige Werke mit zahlreichen Schlüsselscharten sind auch die Frankfurter Warten. Die 1414 erbaute „Galgenwarte“ besitzt eine monolithische Schlüsselscharte im „Mantel“ des Turms, die, falls original, eine der frühesten datierten des Typs in Deutschland ist; bei den etwas späteren Warten ist der Typus schon weit häufiger und kombiniert mit Variationen von Maulscharten. Ein gleichaltriger Verwandter der Warten ist der Rüdesheimer „Adlerturm“, der in ganz ähnlicher Weise von einem runden Mantel um-
geben ist, der auch als Wellenbrecher diente; entsprechend der Lage am Rheinufer gibt es hier neben verschiedenformigen Scharten auch einen reichen Zierapparat, vor allem mit Maßwerkfriesen, Zinnen und polygonalen Erkertürmchen (Abb. 446). Auf den ersten Blick ganz traditionell sind einige Tortürme mit Schlüsselscharten; Hochstadt wurde schon genannt. Originell ist der „Rangenturm“ in Ziegenhain, auch wenn man schon 1539 die Torgewände entfernt hat. Über dem Erdgeschoss folgt ein Rundbogenfries, dann ein blenden- und wappengezierter Erker, von Schlüsselscharten flankiert; gefälzte Rechteckfenster und Traufgesims ergänzen ein reiches Bild. Die anAbb. 446 Rüdesheim, der „Adlerturm“, ein wenn auch kleiner Wahrzeichenturm am Rheinufer, erhielt seine heutige Form mit der reich geschmückten Wehrplatte und dem als Wellenbrecher dienenden, breiteren Unterbau im 15. Jh., wohl als Umbau eines älteren runden Eckturms.
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Abb. 447 Büdingen, im Stadtplan ist der ältere Stadtkern deutlich zu erkennen und ebenso die fast vollständig erhaltene, um 1480–1517 entstandene äußere Mauer mit ihren großen Rondellen (P. Niess, Büdingen, 1951).
deren Tortürme mit Feuerwaffenscharten sind vergleichsweise schlicht, so jener in Wieseck mit Schlüsselscharten, „Ober-“ und „Untertor“ in Dreieichenhain (ehemals Schalen ohne Fallgatter, am „Untertor“ Schlüsselscharten) und der Höchster „Zollturm“, gleichfalls eine in Fachwerk von „1664“ geschlossene Schale, die in der Torfahrt flankierende Schlitzscharten und ein vor die Wand gehängtes Fallgatter besitzt. Auch die Mauern eigneten sich zur unkomplizierten Einfügung von Schlüssel- (und Schlitz-) Scharten, insbesondere in Stehhöhe über der Mauergasse. Dies findet man, ergänzt durch Rundtürme, in Bonames, wo die Mauer ab 1410 entstand, und ähnlich in Staden. Schlitzscharten in Stehhöhe zeigen die Vorstadtmauern von Hirschhorn und Gelnhausen, denen auch der innen vorkragende Wehrgang gemeinsam ist; die erstere, mit zwei Rondellen ausgestattete Vorstadtmauer entstand eindeutig um 1500, während jene von Gelnhausen traditionell ins mittlere 14. Jahrhundert gesetzt wird, aber ein Jahrhundert jünger sein dürfte. Ein später Sonderfall ist die nur 2,50 m hohe Mauer des Münzenberger Tiergartens, die rechteckige Vorsprünge mit Schlitzscharten besaß. Rondelle als neuartige, durch geringe Höhe und große Mauerstärke ausgezeichnete Bau192 Topographischer Teil
form blieben in Hessen selten. Neben aufwendigen, bereits erwähnten Übergangsformen wie in Gelnhausen und Korbach und gelegentlich auftretenden niedrigen, dünnwandigen Schalen findet man echte, aber kleine Rondelle in Wildungen und Volkmarsen. In KorRondelle bach flankierte ein kleiner Rundturm das äußere „Enser Tor“, das auf einem Vorwall („Hagen“) lag; dessen Außenmauer besitzt rechteckige Scharten in größeren Abständen und mindestens eine runde Streichwehr mit Schlüsselscharten. Größere Rondelle gab es nur in wenigen Städten Hessens, obwohl hier Ende des 15. Jahrhunderts der Baumeister Hans-Jacob von Ettlingen tätig war, zu dessen umfangreichen und gut erforschten Baumaßnahmen viele aufwendige Rondelle gehörten; die Blüte dieser Bauform blieb jedoch auf die Burgen der Landesfürsten und des Adels beschränkt. Lediglich für den erwähnten Bau in Volkmarsen hat Reinhard Gutbier eine Urheberschaft von Ettlingens vermutet (1483?). In Kassel begann ein Rondellausbau 1523, wobei von den nach Abbildungen schier riesenhaften Anlagen keine Spur blieb (Abb. 246). Auch in Frankfurt am Main wurde der Zwinger bzw. der Außenwall von Sachsenhausen mit rondellartigen Anlagen verstärkt, teils in Erde, teils wohl
auch in Mauerwerk, zu denen einzelne Barbakanen an den Toren kamen; auch hier ist nichts erhalten und wenig Näheres bekannt. Zu den Verstärkungen der romanischen Mauer von Fulda gehörten nicht nur Wehrgangbögen, Scharten in Stehhöhe, Rundtürme und Torzwinger (ein Rest am „Peterstor“), sondern auch zumindest ein Rondell, der „Bierturm“. Die herausragende Rondellbefestigung Hessens und wohl ganz Deutschlands ist jedoch – nach der Konsequenz der Gestaltung und dem Erhaltungszustand – die ab spätestens den 1480er Jahren bis 1517 entstandene Umwehrung von Büdingen (Abb. 447). Die Herren (ab 1442: Grafen) von Büdingen konnten im 15. Jahrhundert offenbar großen Reichtum ansammeln, was sich in der Stadtbefestigung noch stärker ausdrückt als in ihrer Burg; die Quellen zur Stadtmauer werden erst zurzeit von Klaus-Peter Decker ausgewertet und werden noch genauere Vorstellungen der Bauabfolge ergeben. Obwohl man offenbar vor allem die zuerst um 1400 ummauerte „Neustadt“, die im Norden stark überragt wird, sichern wollte, behielt auch die Altstadt nördlich eine separate Befestigung; dort sind noch spätgotische Scharten erhalten. Schon vor 1489 bestanden an der Nordseite der „Neustadt“ zwei Rondelle, wohl der „Hexenturm“ und der „Folterturm“ (dessen Inschrift „[15]11“ an den Tod des gräflichen Bauherrn erinnert, lange nach dem Baubeginn; Abb. 232). Das stärkste Rondell, das „Große Bollwerk“ von 1491 an der Nordwestecke, besaß vier Geschosse mit Balkendecken und ist durch eine entsprechende Streichwehr mit dem „Hexenturm“ verbunden. In den Jahren nach 1491 entstand dann wohl zunächst ein mauergestützter Wall mit Schützengalerie und weiteren Rondellen; typisch sind rechteckige Maulscharten und „hessische“ gemauerte Spitzdächer. Das „Untertor“ („Jerusalemer Tor“, 1503; Abb. 154) ist ein Doppelturmtor mit einer Blendmaßwerkattika, wappengeziertem Erker und dreieckiger „Pförtnerloge“. Offenbar zuletzt – vielleicht aus Geldmangel – wurden an die ältere Südmauer der Altstadt kleine Rondelle angesetzt, und es entstand ein Außenwall mit weiteren Rondellen, darunter einem am „Mühltor“. Aus der folgenden, ins 16. Jahrhundert hineinreichenden Entwicklungsphase, als die verletzlichen Steinrondelle durch Erdanlagen ohne Hohl-
Abb. 448 Tann/Rhön, das Doppelturmtor von 1557, der älteste Teil einer sehr späten Ummauerung.
räume ersetzt wurden, stammte im hessischen Raum vor allem die aufwendige Neubefestigung von Burg und Stadt Hanau ab 1528. Die Anlage in unregelmäßigen, dem italienischen Bastionärsystem zeitlich vorangehenden Formen – Ingolstadt und Augsburg sowie den Mansfelder Schlössern ähnlich – wird vor allem mit den Festungsbaumeister und -theoretiker Reinhard Graf zu Solms in Verbindung gebracht. Auch in den solmsischen Städten selbst (Hungen, Lich) entstanden Erdrondelle, freilich viel kleiner; nur in Hungen sind Reste noch erkennbar. Die wenigen Baumaßnahmen an hessischen Stadtmauern, die im 16. Jahrhundert stattfanden, zeigen sich weiterhin ausgesprochen traditionsverbunden. Der Rundturm von 1531 am „Dünzebacher Tor“ in Eschwege betont mit seinen Fachwerkerkertürmchen am Dachansatz noch die spätgotische Schmuckfreude und vermeidet die funktionalere Rondellform. Auch der mainseitige Eckturm von Flörsheim, der einzige Rest der 1547/48 erbauten Mauer, mit achteckigem Fachwerkaufsatz und zeittypisch profilierten Rechteckfenstern dient mehr der Optik als ernsthafter Ver16./17. Jahrhundert teidigung. Dagegen macht die „Aul“ in Zwingenberg von „1532“, ein sekundär angesetzter Rundturm mit Ovalscharten, einen massiveren Eindruck, ähnlich wie das Rondell „Strunk“ in Lorch am Rhein von 1567, das einen integrierten Treppenturm, Rechteckfenster und Schlüsselscharten zeigt. Einen eher optischen Akzent setzt wieder das Doppelturmtor des abgelegenen Tann in der Rhön, das „1557“ den Anfang der offenbar ersten Ummauerung bildete (bis 1563); mit Rustikagewände, Wappen, Maulscharten und welschen 20. Hessen
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Hauben ist es betont modern (Abb. 448). Eine ganz neue Mauer wie Flörsheim und Tann erhielt auch Dillenburg im Westerwald erst 1588– 1618 – bei einer Nennung als oppidum 1254 und Stadtrecht durch Ludwig den Bayern 1344 eines der Extrembeispiele für stark verzögerte Ummauerung! Die schlichte Mauer besaß nur kleine Rundtürme und -schalen mit Rechteckfenstern, die prinzipiell auch 150 Jahre älter sein könnten. Wieder betont repräsentativ ist der 1603–05 entstandene Turm des „Steinheimer Tores“ in Seli-
genstadt (Entwurf Georg Ridinger?), ein reich durchfensterter, durch Stockwerksimse gegliederter Bau mit komplexer Dachform, dem mit Ausnahme eines Fallgatters schon jede Wehrhaftigkeit fehlt. Die Erneuerung der 1635 zerstörten Mauer von Eltville – anstatt der Wehrgangbögen entstanden eng gereihte Schlitzscharten in einer auffällig dünnen Mauer – und ein barocker Torhausrest in Burghaun seien als jüngste heute noch erkennbare Baumaßnahmen an hessischen Stadtmauern erwähnt.
21. Thüringen Das Bundesland Thüringen ist weder geographisch noch historisch jene Einheit, die der Bezug auf den „Stamm“ der Thüringer bzw. auf die mächtigen Landgrafen des 12./13. Jahrhunderts anzudeuten scheint. Vielmehr trennt der Gebirgszug des Thüringer Waldes das Land in zwei recht unterschiedliche Regionen. Dem nördlich durch den Harz begrenzten Thüringer Becken entsprach auf dem Südhang des Gebirges der hennebergische Machtbereich, dessen Bezüge zu
jeder Zeit stärker nach Süden, also nach Würzburg und Unterfranken, wiesen. Auch die Bauformen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert spiegeln dies deutlich wider. Erfurt entwickelte sich aus einer 729 erwähnten „urbs“ im Zentrum des Thüringer Beckens; diese Ursiedlung lag wohl auf dem Erfurt später zur Festung ausgebauten Petersberg, und an ihrem Fuß entstand spätestens im 11./12. Jahrhundert eine Händlersiedlung.
Abb. 449 Erfurt, die stark vereinfachende Ansicht bei Hartmann Schedel (1493) betont neben den Kirchen die regelmäßig mit Rechtecktürmen besetzte, fast völlig verschwundene Mauer – die wohl im späten 12. Jh. begonnen wurde – als wichtiges, wenn auch stark schematisiertes Merkmal der Stadt. Details wie die Schlüsselscharten zur Stadtseite(!) sind natürlich nur Phantasie (H. Schedel, Civitates orbis terrarum, 1493).
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Mauern werden schon 1066 erwähnt und 1165 durch den Landgrafen zerstört; ob sie noch die „urbs“ auf dem Berg oder schon die Talsiedlung sicherten, bleibt unklar. Zwar sind Grabenreste und sogar ein Steintor nahe dem Ufer der Gera ergraben, aber fehlende Dokumentation verhindert ihre Einschätzung und Datierung. Noch vor 1200 verdichten sich die Hinweise auf die Stadtwerdung im Rechtssinne („stat“ 1183/1200; burgenses, cives 1192; civitas 1196). Eine Urkunde von 1168 deutet auch auf einen beabsichtigten Mauerbau, ohne dass weiterhin Verlauf und effektive Bauzeit klar wären. 1183 nahm Barbarossa das Hospital extra muros unter seinen Schutz und dessen Lage weit östlich des Petersberges mag andeuten, dass die 1810–41 fast restlos abgetragene, gegen 6 km(!) lange innere Mauer im späten 12. Jahrhundert begonnen war (Abb. 449). Ein ornamentierter romanischer Bronzegriffel, der bei einer neueren Grabung auf einem Mauerabsatz(!) der nordöstlichen „Johannismauer“ gefunden wurde, wird als Bestätigung des Baues im 12. Jahrhundert angesprochen; jedoch war ein so wertvolles Stück sicher lange in Gebrauch. Auch die Abbildungen der Tortürme mit ihren Spitzbogendurchfahrten – erhalten ist von den rund 50 meist rechteckigen Türmen nur ein Rest des „Lauentors“ am Hang des Petersberges – deuten eine längere Bauzeit an, mindestens bis ins mittlere 13. Jahrhundert. Letztlich bleibt also die Entstehung der Erfurter Mauer etwa im Zeitraum 1170–1250 bisher Hypothese, und erst recht ein Vorgänger des 11. Jahrhunderts; die Archäologie könnte dies noch konkretisieren. Im 15. Jahrhundert wurde diese Mauer durch einen breiten Zwinger verstärkt – ein Rest ist am „Brühler Garten“ erhalten –, während gleichzeitig bereits die äußere Mauer um die Vorstädte und eine breite Gartenzone entstanden, in Verstärkung eines Erdwalles von 1375. Diese Mauer, die mit den späteren Festungswerken ab 1873 abgetragen wurde, besaß zahlreiche rechteckige Streichwehren, die Datierungen zwischen „1410“ und „1471“ trugen; 1483 sei die Mauer fertig gewesen. Sie besaß auch Eckrondelle, Runderker auf Strebepfeilern und niedrige Tortürme; ein einziger Turm, neben dem westlichen „Brühlertor“, war höher und mit vier Ecktürmchen geziert. Kann also Erfurt zur Kenntnis der frühen thüringischen Mauern bisher kaum Sicheres beitra-
gen, so gilt dies ähnlich für die weiteren frühen Städte der Region, die ihre Entstehungszeit oft durch romanische (Sakral-)Bauten dokumentieren, während die Mauern verschwunden oder kaum sicher datierbar sind. Mehrfach gewinnt man wie in Erfurt den Eindruck, dass die oppida bzw. „Städte“ des 12. und frühen 13. Jahrhunderts noch Mittelpunktsburgen älteren Typs waren, neben deMauern bis 1260 nen erst nachträglich Märkte und Städte im eigentlichen Sinne entstanden. Das gilt etwa in Gotha, wo die 1180/89 erwähnte „Stadt“ vermutlich noch die Höhensiedlung mit Pfarrkirche meinte; die ab 1253 und dann im 14. Jahrhundert oft erwähnte, verschwundene Mauer der Stadt darunter besaß offenbar Wehrgangbögen und Türme nur über den Toren. Im Tal unter der großen, mindestens ins 10. Jahrhundert zurückreichenden Burg/Höhensiedlung Altenburg ist ein novum forum 1192 erwähnt, aber die Ummauerungsreste der daraus entstehenden Stadt gehören erst ins 14./15. Jahrhundert. Schließlich gab es in Eisenberg 1219 eine ummauerte „Altstadt“ nahe der heutigen Stadt; nur von der Mauer der Letzteren blieben undatierbare Reste. Vielleicht gehört in diese Gruppe auch Vacha, das 1186 Stadt genannt und angeblich Mitte des 13. Jahrhunderts vom Kloster Fulda ummauert wurde; heute findet man eine Stadt mit Mauer des 15. Jahrhunderts am Hang einer leeren Bergkuppe – dem Ort der älteren Höhensiedlung? In Nordhausen und Ellrich ist eine ältere Befestigung als Vorläufer der Stadt nicht erkennbar. Nordhausen – 1198 villa, 1216 civitas – plante 1219 die Ummauerung oder besaß sie bereits, denn Friedrich II. befreite damals das Kloster Walkenried von Beiträgen zu den Gräben und zur Erbauung oder Reparatur der Mauern, deren Verlauf aber unklar bleibt. Auch Ellrich war 1229 oppidum und besaß schon 1315 muri, ohne dass so frühe Reste erkennbar sind. In all diesen vor etwa 1220 belegten „Städten“ ist eine verschwundene oder in den Resten nicht sicher erkennbare Mauer keineswegs auszuschließen; für die Frühzeit wahrscheinlicher sind aber auch in Thüringen Holz-Erde-Befestigungen, wie sie ausnahmsweise 1213 mit dem vallum von Creuzburg belegt sind. Auch Frankenhausen (1219 oppidum) deutet in diese Richtung, 21. Thüringen
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wo die Mauer auf einen etwa 2 m hohen Wall aufgesetzt ist; ihre erhaltenen Teile (Mitte des 13. Jahrhunderts?) mit Fundament- und ehemaligen Wehrgangbögen, aber offenbar ohne originale Türme, erinnern an die nur indirekt überlieferte Mauer von Gotha. Nennenswerten und sicher datierten Bestand einer noch romanischen Mauer bieten nach alledem nur wenige Städte Thüringens. In Eisenach, Sitz des landgräflichen Hofes unter der Wartburg, hätte der Sage nach schon Ludwig II. († 1172) sechs nahe Orte zum Mauerbau gezwungen, aber erwähnt ist die Mauer erst 1283. Spätestens in die Zeit um 1200 gehört das restauriert erhaltene „Nicolaitor“, dessen Rundbogengewände bis in Details dem Haupttor der Wartburg entspricht (Abb. 119). Der Torturm besitzt feldseitig eine romanische Biforie im ersten Obergeschoss, das stadtseitig offen war; die oberen Geschosse sind offenbar jünger. Die übrige Mauer zeigt einen tief liegenden Wehrgang (1,70 m über dem heutigen Gelände) und einige kleine Rechteckschalen; neben dem „Nicolaitor“ deutet nur eine Rundbogenpforte im Nordwesten noch romanische Entstehung an. Man wird wohl mit einer das ganze 13. Jahrhundert währenden, abschnittsweise erfolgten Erbauung zu rechnen haben; noch 1306 wurden die auf der Mauertrasse stehenden Türme der Marienkirche abgebrochen, was auf einen noch immer anhaltenden Mauerbau deutet. Mühlhausen entstand neben dem Königshof bzw. der Pfalz des 10. Jahrhunderts, 1238 gab es bereits eine zweite Pfarre neben der „Altstadt“. Um diese Zeit war die Ummauerung sicher im Gange, denn nur 13 Jahre später verzichtete Konrad IV. auf den Abriss eines Mauerteiles gegenüber der Pfalz; 1251 werden auch „Mauerbaumeister“ (magistri muri) erwähnt. In der weitgehend erhaltenen, über 2 km langen Mauer hat R. Aulepp umfangreiche Reste hammerrechten Quaderwerks festgestellt – im Burgbereich ist auch ein Rundbogentor mit Wehrgang direkt über der Nische erhalten –, die er nach Vergleichen um 1170 datiert; jedoch kommt eine Bauzeit in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ebenso infrage. Die wohl im 14. Jahrhundert weitgehend neu aufgemauerte und erhöhte Mauer besaß sorgfältige Ecken, aber offenbar keine Türme; die Tore sind verschwunden. 196 Topographischer Teil
Ähnlich wie Mühlhausen wurde auch das nahe, mainzische Heiligenstadt in den 1220er Jahren um eine „Neustadt“ erweitert und direkt anschließend befestigt; 1228 ist ein noch neues fossatum erwähnt, 1244 liegt bereits ein Hof extra muros. Eine Mauer aus quaderartigen Brocken blieb weitgehend erhalten, noch bis zu 4 m hoch; eine einzelne Rechteckschale mag original, die Stümpfe von sieben (ehemals 14) Halbrundschalen mögen eher sekundär sein. Weißensee erhielt 1265 Stadtrecht, aber die aufwendigen romanischen Bauten – Landgrafenburg, Pfarrkirche, Rathaus (Sitz des Marktmeisters?) – und die Johanniterniederlassung vor 1234 zeigen klar, dass die Gründungsphase auch hier weit früher lag; eine Erwähnung als civitas mit Umwallung schon im Jahr 1212 bestätigt dies. Dass die turmlose, weitgehend erhaltene Mauer so früh entstanden sei (um 1230–60), scheint denkbar, aber eine 1,80 m hohe Anschüttung vor dem nördlichen Mauerfuß lässt auch einen Wall als Vorgänger denkbar erscheinen. Auch die 1303 erwähnte Mauer von Stadtilm (1224 „oppidum“) war anfangs bis zum Wehrgang nur etwa 3 m hoch; Zinnen mit Schlitzscharten sind noch erkennbar, zwei quadratische Türme könnten in die Bauzeit des 13. Jahrhunderts gehören. Wohl erst im 15. Jahrhundert wurde die Mauer auf fast 8 m erhöht, mit einem gezinnten „Scheintürmchen“ und zwei Rondellen versehen. Weitere thüringische Städte kann man lediglich noch als Verdachtsfälle für Mauern des frühen oder mittleren 13. Jahrhunderts notieren, aber deren undatierbare Reste oder völlige Zerstörung lassen stets auch eine jüngere Entstehung in der Nachfolge einer Holz-Erde-Anlage zu. So soll der älteste Kern von Schmalkalden (1227 Stadt), um Pfarrkirche und „Alten Markt“, noch um 1900 eine romanische Mauerpartie mit Rundbogentor gezeigt haben; sonst ist der Mauerbau erst ab 1315 belegbar. Auch Arnstadt könnte – trotz problematischer Besitzergeschichte im 13./14. Jahrhundert – eine Mauer noch des 13. Jahrhunderts besessen haben; ihre Reste, vor allem die beiden gotischen Tortürme („Riedtor“, „Neutor“), gehen aber nicht vor das 14. Jahrhundert zurück. Die erste Mauer von Langensalza (oppidum 1222, Erwähnung des „Jacobstores“ 1282) ist verschwunden; zwei zugehörige Türme („Graeserscher Turm“, „Storchennest“ neben dem
ehemaligen „Frauentor“) dürften erst ins 14. Jahrhundert gehören. Gera (1237 oppidum) besitzt Reste seiner undatierbaren Kalkbruchsteinmauer, mit dem Stumpf eines Halbrundturmes, der kaum vor dem 15. Jahrhundert entstand. Die minimalen Mauerreste in Meiningen, das ebenfalls schon um 1200 zur Stadt wurde, sind undatierbar; und auch die verschwundene, angeblich schon 1289 bestehende Mauer von Worbis (Stadtrecht vor 1255) könnte nach einem ehemaligen Doppelturmtor im Westen auch weit später entstanden sein. Insgesamt also ist der Erkenntnisstand zu den Mauern auch des 13. Jahrhunderts in Thüringen wenig befriedigend. Als halbwegs sicher mag gelten, dass es eine kleine Anzahl spätromanischer, nicht sehr hoher Mauern gab, die über Wehrgänge und wahrscheinlich Tortürme verfügten – erhalten ist nur das Eisenacher „Nicolaitor“ –, aber kaum über Mauertürme (Mühlhausen, Heiligenstadt?, Weißensee?). Eine Ausnahme von der Turmlosigkeit ist Eisenach, dessen Rechteckschalen wohl erst ins 13. Jahrhundert gehören, während das Alter der zahlreichen Erfurter Rechtecktürme noch unklarer ist. Wehrgangbögen wohl noch dieser frühen Phase sind für Frankenhausen und Gotha anzunehmen. Holz-ErdeAnlagen wie in Creuzburg oder Weißensee, die erst im 14. Jahrhundert durch Mauern aus kaum datierbarem Bruchstein ersetzt wurden, bleiben in den meisten Fällen denkbar, ebenso wie die sekundäre Anfügung der meist nur vereinzelten Türme. Nordhausen wurde – nach der unlokalisierten Erstbefestigung von 1216/19 – bald erweitert und zunächst wohl nur mit Wällen und Hecken gesichert (StadtErste Hälfte des 14. Jahrhunderts teil „Auf dem Hagen“). Die großenteils erhaltene Mauer aus verwittertem Gipskalk wird auf etwa 1290–1330 datiert, das Alter der zahlreichen, meist halbrunden Türme bleibt wegen ihres schlechten Zustandes unklar. Für die Mauer von Schmalkalden, von der verbaute Reste in Sandsteinbruchstein erhalten sind, wurde 1315 ein Ungeld genehmigt; sie war jedenfalls noch immer turmarm, die Reste einiger verschiedenartiger Türme dürften erst ins 15. Jahrhundert gehören wie der gut erhaltene runde „Pulverturm“ mit einer Wehrplatte über Rundbogenfries.
Abb. 450 Saalfeld, die Stadtseite des „Darrtors“, wohl aus dem mittleren 14. Jh. In der Region verbreitet ist das gemauerte Spitzdach, eher selten sind die gestuften Zinnen (W. Seifarth).
Erst in den 1320er Jahren wird in Thüringen ein Typus von Mauer erkennbar, der in einer nennenswerten Anzahl von Städten ähnlich auftritt. Er ist gekennzeichnet durch Rundtürme in systematischer Anordnung – das heißt entweder an den Ecken einer Rechteckanlage oder in beachtlicher Anzahl regelmäßig gereiht. Pößneck (1324 Stadt) war eine Rechteckanlage mit schlanken Rundtürmen an drei Ecken und der Burg an der vierten; erhalten ist nur der „Weiße Turm“ mit Rundbogenpforte und Konsolen für den herumgeführten Wehrgang. Verwandt war vielleicht die 1325 erwähnte Befestigung von Neustadt an der Orla und jedenfalls Jena, das aber wohl erst nach der Jahrhundertmitte ummauert wurde. Wichtig für die Anfänge der südthüringischen Mauern mit Rundtürmen sind Eisfeld und Hildburghausen, Nachbarstädte im hennebergischen Territorium, die beide 1323 von Ludwig dem Bayern ein Ungeld zur Befestigung erhielten. In Hildburghausen sind neun von ehemals mindestens 24 Rundtürmen in Resten erhalten, meist schartenlose Schalen mit verengter Öffnung zur Stadt, an denen der Wehrgang innen vorbeiführte. Die Mauer der Eisfelder „Neustadt“ – sie entstand neben einem mit Gräben und Toren umwehrten Marktflecken –, angeblich 1323–28 erbaut, zeigt geglättete Brocken und ebenfalls Halbrundtürme. Etwa gleichaltrig mag schließlich die Schieferbruchsteinmauer von Saalburg sein, das bereits 1313 als Stadt fassbar wird; von mindestens zehn Halbrundtürmen sind noch acht als Stümpfe erkennbar, ferner ein vermauer21. Thüringen
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Geringfügig jünger als die bisherigen Beispiele mag die Mauer von Sondershausen sein (1341 Stadtsiegel und consules, 1347 „stat“), die südlich noch Reste von sechs Halbrundtürmen zeigt. Und auch die ausgedehntere Mauer des noch in romanischer Zeit an die heutige Stelle verlegten Saalfeld wird erst 1363 erwähnt; von ihren halbrunden Volltürmen sind fünf verbaut erhalten, 20 sollen es gewesen sein. Die vier erhaltenen, eher im mittleren 14. Jahrhundert entstandenen Tortürme aus Bruchstein mit glatten Eckstücken waren ursprünglich Schalen, nur das wenig veränderte „Darrtor“ war geschlossen und zeigt noch das gemauerte Spitzdach hinter den Zinnen (Abb. 450). Auffällig ist die Vielfalt der Anbringung des Fallgatters: Neben einer Spitzbogenblende für dessen Aufnahme treten auch Lisenen und Klauensteine auf. Mauern mit gereihten oder nur an die Ecken gesetzten Halbrundtürmen charakterisieren also etliche primär süd-, aber auch westthüringische Städte, von den 1320er Jahren bis mindestens Abb. 452 Mühlhausen, der „Rabenturm“ an der Nordwestecke der Stadtmauer (spätes 14./15. Jh.) ist stadtseitig geöffnet; der obere Abschluss ist modern. Davor überquerte eine Wasserzuführung als Bogenbrücke den Graben. Abb. 451 Jena, der Turm des „Johannistors“ (15. Jh.) zeigt stadtseitig noch originale Rechteckfenster sowie Kragsteine für den herumgeführten Wehrgang der damals niedrigeren Stadtmauer. Oben Konsole und Baldachin für eine Skulptur.
tes Spitzbogentor und das veränderte „Steintor“ an der Straße nach Süden. Wesentlich weiter nördlich gehört auch die 1327(?) schon bestehende Mauer von Heringen, das erst zwölf Jahre später zur Stadt erhoben wurde, in diesen Zusammenhang; auch hier sind drei halbrunde Schalen (und eine rechteckige) erhalten, von ehemals angeblich vierzehn. In diesem Raum vor dem Südharz erhalten ferner auch die erwähnten, nicht sicher datierbaren Rundtürme in Heiligenstadt und Nordhausen durch die besser fassbaren Vergleichsbauten einen gewissen zeitlichen Bezugspunkt, ähnlich wie die sonst undatierbare Mauer von Remda (1286 civitas) und vielleicht auch die schlecht erhaltene von Wiehe, das schon 998(!) civitas genannt wurde und zunächst nur Wall und Graben besaß. 198 Topographischer Teil
über die Jahrhundertmitte hinaus, wobei nicht vergessen werden darf, dass daneben auch manch schlichtere und schlechter erhaltene Mauer unerkannt in diesen Zeitraum gehören kann. Woher dieses formal und zeitlich so klar fassbare Phänomen damals kam, ist dabei schwer zu beantworten. In (Unter-)Franken, wo man aus geographischen wie historischen Gründen zunächst sucht, kann von einer Dominanz runder Turmformen zu dieser Zeit noch keine Rede sein; so wird man im Westen suchen müssen, etwa in Hessen, im Rheinland oder gar in Frankreich, wo diese Form letztlich um 1200 entstanden war. Die Ummauerung Jenas (1236 cives, Stadtrecht von Gotha 1334 belegbar) kann kaum vor einer grundrisslich deutlichen Osterweiterung 1353 entstanden sein, obwohl (hölzerne?) Tore schon 1304 und 1319 erscheiZweite Hälfte des nen. Reste der rechteckigen 14. Jahrhunderts Mauer wurden im 15. Jahrhundert verändert – in 2 m Höhe sind große Schlüsselscharten eingefügt –, aber das „Johannistor“ und der runde „Pulverturm“ der Nordwestecke gehören wohl in die erste Bauzeit. Über zehn weitere Rundtürme sind nur noch auf alten Darstellungen zu erfassen, lassen aber eine Einordnung bei den nach 1320 einsetzenden Rundturmmauern zu. Der Torturm aus glatten Quadern, mit Klauensteinen des Fallgatters, kreuzgratgewölbter Durchfahrt, Rechteckfenstern und gemauertem Helm (Abb. 451), ist typisch für thüringische (Tor-)Türme des 14./15. Jahrhunderts (vgl. Saalfeld und die im Folgenden erwähnten Tor- und Mauertürme). Die ornamentale Ausstattung übertrifft jedoch das übliche Maß: feldseitig ein Balkon mit Blendmaßwerk, ehemals eine Johannisstatue zur Stadt, figurale Wasserspeier der Wehrplatte und die bekrönende Kreuzblume. Die Mühlhauser Mauer des früheren 13. Jahrhunderts hatte Gründungsprobleme, denn sie wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf dem etwas gekippten Unterbau weitgehend erneuert, in Quadern der ersten Mauer und Bruchstein. Erst dann – und wohl bis ins 15. Jahrhundert – entstanden offenbar Mauertürme, von denen der achteckige, stadtseitig geöffnete „Rabenturm“ mit großen Kalkquadern und gemauertem Spitzdach dem Jenaer „Johannistor“ durchaus nahesteht (Abb. 452). Daneben sind, in
schlichterem Bruchsteinmauerwerk, eine Rundschale („Hospitalturm“) und, teils nur in Resten, etliche außen fluchtende Rechteckschalen erhalten. Die bescheidenste Form waren rechteckige, auf vorgesetzten Strebepfeilern mit Wasserschlag balancierende Wehrerker; ihre Brustwehren bestanden aus nur drei Steinplatten mit je einer Zinnenlücke (Abb. 453). Auch die erste Mauer von Langensalza wurde im mittleren 14. Jahrhundert verstärkt; neben dem „Graeserturm“ entspricht der Turm „Storchennest“ am verschwundenen „Frauentor“ wieAbb. 453 Mühlhausen, ein Wehrerker auf einer Art Strebepfeiler ist eine selten voll erhaltene Bauform (spätes 14./15. Jh.); hier das besterhaltene Beispiel von mehreren in Mühlhausen.
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der dem Modell mit Quadern und gemauertem Dach. Nachdem aber zwei Vorstädte im Norden und Westen 1356 einen gemeinsamen Rat erhalten hatten, entstand eine neue, alle Siedlungsteile umschließende, in wichtigen Teilen erhaltene Mauer. Die Eckverbände vieler ihrer Türme reichen bis zum Boden, sodass man diese als erste ausgeführte Bauteile ansehen muss; auch die tief liegenden Scharten mancher Mauerabschnitte und sieben Rondelle bzw. niedrige Rundschalen (unter anderen „Pulverturm“, „Wachturm“, „Gießturm“, „Schanzturm“) deuten darauf, dass die letzten Mauerabschnitte erst in der Feuerwaffenära vollendet wurden. Vielleicht bietet der erst 1464 erfolgte Bau des „Schwibbogens“ über die Salza hierfür eine Bestätigung. Die älteren Türme – unter ihnen ein echter Torturm („Klagetor“) und einer neben dem „Jahrmarkter Tor“, dieser mit ungewöhnlichem Spitzdach über vierseitigen Giebeln (Abb. 454) – sind dagegen fast alle quadratisch oder rechteckig und recht hoch; nur einer ist schalenförmig („Wichhaus“). Bruchstein mit glatter Eckquaderung bestimmt die Erscheinung, neben Schlitzen treten rechteckige und quadratische, gefaste Fenster auf, gelegentlich auch rechteckige Doppelfenster („Butterturm“, „Pulverturm“ bei St. Trinitatis); die Wehrplatte kragt oft über einer Schräge vor. Nimmt man zu dieser älteren Turmform und den niedrigen Rondellen zwei halbrunde Volltürme im Norden hinzu – vielleicht eine Übergangsform zu den Rondellen –, so bietet Langensalza die aufschlussreichste Sammlung von Turmformen, die Thüringen zwischen etwa 1350 und 1450 zu bieten hatte. Formal gleichartige und etwa gleichzeitig entstandene Tortürme („Riedtor“, „Neutor“) stehen auch in Arnstadt, das – ablesbar an seinen Sakralbauten – schon im frühen 13. Jahrhundert zur Stadt wurde (Stadtrechte 1266); rechteckige und runde Schalentürme sind kaum datierbar, die „Wasserkunst“ geht kaum vor das 16. Jahrhundert zurück. Weitere Tortürme sind zu erwähnen in Waltershausen (Mauer 1329 erweitert; „Nikolaustor“ mit Klauensteinen des Fallgatters, im 16./18. Jahrhundert umgebaut), in Sömmerda („Erfurter Tor“, wohl 1395; Mauer erst ab 1591!) und in Römhild, wo neben dem ehemaligen „Untertor“ ein quadratischer, im 16. Jahrhundert erhöhter Turm steht. 200 Topographischer Teil
Abb. 454 (Bad) Langensalza, der Turm neben dem verschwundenen Jahrmarkter Tor (um 1356–80) fällt durch seine für einen Stadtmauerturm ungewöhnliche Dachform auf. In Langensalza sind noch große Abschnitte der äußeren Mauer erhalten (2. Hälfte des 14. Jh.).
Neben die Rundturmmauern des früheren 14. Jahrhunderts traten – wie schon Mühlhausen und Langensalza zeigten – spätestens in der zweiten Jahrhunderthälfte auch solche, die auf meist eher kleine Rechtecktürme setzten; sie knüpften vielleicht an Eisenach und Erfurt an, aber auch neue Einflüsse aus Nachbarregionen sind denkbar. Frühe Beispiele waren möglicherweise Kahla, das 1333 befestigt gewesen sein soll, heute mit nur noch einer kleinen Rechteckschale, und das nach 1336(?) im Anschluss an die Burg befestigte Treffurt, mit einem diagonal gestellten Eckturm. Eine ganze Anzahl von Rechtecktür-
men besitzen Weida, darunter ein Backsteinbau, ferner Altenburg (teils mit jüngeren Backsteinbrustwehren) und Schmölln mit außen fluchtenden Rechteckschalen. Creuzburg zeigt noch Stümpfe von zwei rechteckigen Türmen und einem halbrunden Turm, in Königsee (cives 1257, civitas 1287) ist ein rechteckiger Schalenturm erhalten, mit frontalen Schlitzscharten und Bogenfries unter der Wehrplatte; er entstand gewiss erst nach dem Stadtrecht von 1365, wenn nicht um 1400. Unklare Fälle sind Blankenburg, von dessen Mauer zu wenig blieb (als Stadt 1323 erweitert), und Camburg (1349 oppidum, keine Mauerreste). Dass Erdwälle in Thüringen auch im späteren 14. Jahrhundert noch diskutabel waren – ähnlich wie in Hessen –, belegen vor allem die Außenbefestigungen dreier wichtiger Städte Thüringens. Die talseitigen Vorstädte von Nordhausen wurden nach 1365/68 zunächst umwallt, worauf nur für die „Neustadt“ und das „Altendorf“ später Mauern folgten, und auch die äußeren Sicherungen der Vorstädte von Mühlhausen und Erfurt kamen nie über Wälle hinaus. In Mühlhausen blieb ein repräsentativer Torturm der westlichen Vorstadt erhalten, das erst im 15. Jahrhundert entstandene „Frauentor“. Er zeigt bei besonderer Höhe die typischen Merkmale der Zeit und Region, ergänzt um einen giebelförmigen Regenschutz des Fallgatters, eine ehemals ausgemalte, fialengerahmte Kielbogennische zur Stadt und Rundbogenfenster mit Blendmaßwerk (Abb. 455). Landwehren und Warten besaßen sicher etliche thüringische Städte; die Literatur erfasst sie jedoch fast nur für Städte des Thüringer Beckens, weswegen man sie als Südausläufer des niedersächsischen Verbreitungsgebietes ansehen darf. Die zuerst 1281 erwähnte Stadtflur von Mühlhausen war durch den „Landwehrgraben“ gesichert, verstärkt durch Warttürme und analog genutzte Kirchtürme; davor lag nur im Nordwesten noch der „Landgraben“ mit weiteren Warten. Von drei Warten vor Langensalza ist eine – noch aus Holz gebaut – schon 1378 erwähnt. Die beiden Landwehren von Meiningen waren Gräben und sind 1525 zuerst erwähnt. Heiligenstadt besaß fünf Warten, zwei Rundturmreste sind erhalten, für Erfurt wird nur ein Wartturm bei Niederzimmern erwähnt.
Abb. 455 Mühlhausen, das „Äußere Frauentor“ entstand im 15. Jh. als Torturm der westlichen Vorstadt. Seine Höhe erlaubte einen guten Blick auf die darauf zuführende Straße; ungewöhnlich ist der giebelförmige Schutz für das ehemalige Fallgatter.
Das 15. Jahrhundert war auch in Thüringen vor allem die Zeit 15. Jahrhundert der aufkommenden Feuerwaffen, aber daneben entstanden weiterhin – und bis an die Schwelle zum 17. Jahrhundert – neue Mauern durchaus mittelalterlicher Art, mit Türmen und ohne Zwinger, die offenbar so spät erst Holz-Erde-Befestigungen ersetzten. Herzog Wilhelm der Tapfere ließ 1448–89 Tennstedt befestigen; der Mauerzug wurde durch seine Beauftragten abgesteckt, wegen Raufereien 21. Thüringen
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verurteilte Bürger mussten dafür Steine fahren oder einige Ruten Mauer bezahlen. Die Reste fallen durch ihre Formenvielfalt auf: Neben einem regionaltypisch quadratischen Turm („Fronveste“), der auch weit älter sein könnte, stehen Rundtürme („Pulverturm“, „Ketzerturm“), zwei niedrige Rundschalen und ein Wehrerker, alle nur mit Schlitzscharten. Ein Sonderfall ist die Mauer von Stadtilm, die im 15. Jahrhundert auf etwa 8 m erhöht und mit (zwei Rondellen sowie) mindestens einem gezinnten und mit Wurfschlitzen versehenen Aufsatz verstärkt wurde (der Rest eines Turmes?). Erst im 15. Jahrhundert dürfte auch die Mauer von Ellrich entstanden sein (Stadt 1315); Rundtürme und -schalen, die sich wie hier der Nordwesteckturm innen nur schlitzartig öffnen, sind früher schwer vorstellbar (vgl. Weil der Stadt, Württemberg) und auch der schlanke Turm des „Wernaer Tores“ passt dazu. Daneben entstanden weiterhin turmarme Mauern meist kleinerer Städte, etwa die wenig erhaltene von Wasungen (die „Pfaffenburg“ wurde „1564“ vor die Mauer gesetzt), die verschwundenen von Rudolstadt und Stadtsulza („Naumburger Tor“ 1459). Einen Eindruck kleinstädtischer Mauern erhält man noch in Ranis, wo der Ring an die große Burg anschließt, und in Bürgel mit dem „Badertor“, einem Torbau mit Fachwerkobergeschoss des 18./19. Jahrhunderts. „Doppelmauern“ – wie im 19. Jahrhundert gelegentlich das Ensemble von Haupt- und Zwingermauer genannt wurde – erwähnt die Dissertation von Lutz Meixner an zahlreichen Orten Thüringens, auch an solchen, wo heute kein Zwinger mehr erkennbar ist. Manchmal mag es sich hier um ein frühes Missverständnis des Wortes „Zingel“ (= Gürtel, Mauerring) handeln (vgl. Band 1, Kapitel 2.2.8.1.), aber andere Zwinger können auch völlig verschwunden sein. Das eindeutig Nachweisbare genügt dabei durchaus, um die Häufigkeit von Zwingern im Thüringen des 15./16. Jahrhunderts deutlich zu machen. Weimar erhielt nach einem Stadtbrand 1424 einen Zwinger mit kräftigen Rondellen, von denen zwei in klassizistischer Umformung erhalten sind; unklar ist, ob er einer älteren Mauer – die Stadt dürfte im 14. Jahrhundert ummauert worden sein – vorgesetzt ist oder ob diese erst gleichzeitig entstand. Kahla wurde um 1470 (bis um 1530?) durch sechs Rondelle verstärkt, kom202 Topographischer Teil
biniert mit einem Zwinger zumindest an der Angriffsseite; drei Rondelle, darunter der „1472“ datierte „Pfortenturm“, und eine halbrunde Zwingerstreichwehr sind teilweise erhalten. Instandsetzungen der Pößnecker Mauer sind 1424–97 belegbar, worunter auch ein neuer Zwinger mit Eckrondellen fiel; 1453 finanzierte das Karmeliterkloster einen Turm. Drei Rondelle sind erhalten, mit stichbogigen Maulscharten und – im Südosten – kreuzförmig erweiterten Rundscharten. Auch die Reste in Neustadt an der Orla sind wohl jene eines Zwingers, der an den Ecken um die Türme der abgegangenen Hauptmauer herumgeführt war (wie am „Pulverturm“ im nahen Jena). Ab 1455 wurde Nordhausen mit einem Zwinger umgeben; 1471 stritt man sich noch um Veränderungen des Grabens. Erhalten ist nur die sehr veränderte, hufeisenförmige Streichwehr des „Judenturms“ an der Nordostecke. Der von Matthäus Merian dargestellte Zwinger von Heiligenstadt, mit vier Rondellen, war schon um 1800 verschwunden, wie jener in Meiningen; in Langensalza blieben geringe Reste mit einer runden Streichwehr vor dem „Butterturm“ erhalten. Keinen Hinweis mehr auf Streichwehren gibt es bei dem breiten Zwinger um die innere Mauer von Erfurt und bei dem weit schmaleren von Arnstadt. Der 1429–64 erbaute „Zwinger“ in Schmalkalden war in Wahrheit die Stützmauer eines Außenwalles, mit nur zwei runden Streichwehren auf der gesamten Länge; als Promenade ist auch der Außenwall von Meiningen erhalten. Torzwinger und Barbakanen sind in Thüringen nicht erhalten und nur selten noch nachweisbar. Hildburghausen besaß rechteckige Torzwinger (aber keinen umlaufenden Zwinger); das Mühlhauser „Pfortentor“ erhielt wohl erst nach 1500 einen Zwinger mit flankierendem Rondell, Ähnliches entstand vor dem Erfurter „Johannestor“. Vielleicht schon in den 1440er Jahren wurde die Barbakane am Jenaer „Johannistor“ gebaut, jene am „Oberen Tor“ von Pößneck stammte von 1467 und bleibt nur durch Abbildungen bekannt. Nordhausen erhielt 1487 eine riesige Barbakane vor dem „Töpfertor“; das Vortor des „Rautentores“, von 1453, war noch ein Rechteckzwinger mit Eckrondell gewesen. Türme für Feuerwaffen, quasi die Leitform des 15./16. Jahrhunderts, traten nicht nur in Verbindung mit umlaufenden Zwingern und Tor-
verstärkungen auf, sondern wurden in eher seltenen Fällen auch als Einzelbauten der Hauptmauer hinzugefügt. Normal war dabei auch in Thüringen das Rondell; neben Weimar, Kahla, Pößneck und Nordhausen findet man es auch je zweifach in Mühlhausen und Stadtilm sowie ab „1430“ (Inschrift am „Roten Turm“) an drei Ecken von Jena (Abb. 226). Daneben traten andere Formen auf wie die rundliche Herumführung des Zwingers um einen älteren Eckturm – wobei Kanonenstellplätze ohne Dach entstanden, hinter einer eher dünnen Mauer (Jena, Pößneck) – oder der ganz vereinzelte, fünfeckig mit der Spitze über die Mauer vorspringende Turm in Mühlhausen; er besaß nur Gewehrscharten, mag also relativ früh gebaut worden sein. Die äußere Mauer von Erfurt besaß anfangs fast nur rechteckige, zwischen „1410“ und „1471“ datierte Streichwehren; wohl erst im 16. Jahrhundert erhielt sie zusätzliche Rondelle. Auch im 16. und sogar im 17. Jahrhundert gilt für Thüringen, dass keineswegs nur die üblichen Verstärkungen der spätmittelalterlichen Mauern stattfanden, sondern durchaus noch Mauern ganz neu entstanden. Leitform blieben wie im 15. Jahrhundert kleine Rondelle, oft mit hohen, die Turmform unterstreichenden Dächern oder nur als mauerhohe 16. und 17. Jahrhundert Schalen. Das hennebergische Themar (Stadt 1319), dem noch 1390 der Mauerbau verboten worden war, erhielt diese Erlaubnis erst 1457, wobei der Bau, nach dem Befund der gut erhaltenen Anlage, erst im 16. Jahrhundert stattfand (Abb. 218). Die Mauer besaß etwa alle 20 m eine Schlitzscharte in Stehhöhe, von den sieben Rundtürmen verschiedener Höhe sind zwei „1557“ bzw. „1603“ datiert. Sie zeigen verschiedene Schartenformen (Schlitz-, Maul-, quadratische und Rundbogenscharten) und sind durch Wasserschläge und Cordongesimse gegliedert; die Tore fehlen, das Brückentor war „1567“ und „1574“ datiert. Im mittleren 16. Jahrhundert begonnen wurde auch die formal noch konservativere Mauer von Heldburg, das noch im 15. Jahrhundert als Städtchen und Flecken genannt wurde. Die Mauer besaß einen Wehrgang mit Schlitzscharten; ein Kragstein zu seiner Verbreiterung war „1561“ datiert. Der kleine Turm des „Untertores“, mit zweitem Obergeschoss in Fach-
werk und Resten des Torzwingers, könnte formal auch ein Jahrhundert älter sein. Ein polygonaler Eckturm ist „1551“ datiert, ferner gibt es einen vollrunden, einen runden, innen abgeflachten und einen runden Schalenturm; ihre Formenvielfalt wiederholt sich wie in Themar in den Scharten, wo neben Schlüssel- und Maulscharten auch solche als gekipptes „T“ und gänzlich originelle Rund- und Kreuzformen erscheinen. Geohrte Fenster im Südostturm könnten auf Abschluss erst im 17. Jahrhundert weisen. Auch die Mauer von Geisa, mit mindestens vier Rundtürmen, gehört nach den Schlüsselscharten und der Schriftüberlieferung wahrscheinlich erst ins 16. Jahrhundert; vom äußeren Ring von Waltershausen (um 1560) ist nur ein Rondell erhalten. Eine Reihe noch heute eher dorfartiger Kleinststädte im Thüringer Becken zeigen ganz ähnliche, einfache Mauern des 16. Jahrhunderts; auch Dorfbefestigungen meist unbestimmbaren Alters, erkennbar durch erhaltene oder anders belegte Wälle und Gräben, waren in Westthüringen häufig, ebenso wie in Sachsen-Anhalt. Möglicherweise die älteste der einfachen Mauern ist jene von Greußen, die 22 nur mauerhohe Türme besaß, zumeist halbrunde, auch als Tourellen, aber auch rechteckige; Reste im Süden deuten auf einen Zwinger. Typischer und gut datiert ist dagegen Kindelbrück, das – trotz Stadtrecht von 1291 – 1366 noch immer villa war. 1372 erneuerte man das Stadtrecht, aber erst ab 1508 – zwei Jahrhunderte nach dem Stadtrecht! – begann der Maurer Nickel Krantz aus dem nahen Frankenhausen auf „strengen“ landesherrlichen Befehl mit dem Mauerbau. Die Mauer besaß Rundtürme mit Schlitzscharten, teils auch Schlitz- und Rundscharten in Stehhöhe; die Tore waren wohl hausförmig. Scharten in Stehhöhe einer dünnen, etwa 4 m hohen Mauer findet man ebenso in Sömmerda (Erbauung 1591–98 für 1925 Gulden, einen Groschen und zwei Pfennige) und Ohrdruf (1348 Stadt, Mauer um 1560–80; westlich Schlitze, im östlichen Schlossbereich Schlüsselscharten). Sechs mauerhohe Vollrondelle mit rechteckigen Schießfenstern gibt es in Sömmerda, drei breite Rundschalen in Ohrdruf. Wahrscheinlich turmlos waren Kölleda, wo neben Mauer- und Grabenresten nur das hausförmige „Backleber Tor“ von 1553 erhalten blieb, und wohl auch Clingen. 21. Thüringen
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Aufwendigster Fall einer Verstärkung ist die undatierbare Mauer von Schleusingen (Stadt 1268), die nachträglich mit ehedem sieben Rondellen verstärkt wurde; eines war „1513“ datiert, das Obertor erst „1573“. Die beiden erhaltenen Rondelle mit Fachwerkaufsätzen zeigen unter anderem Scharten in Form eines umgekehrten „T“, wie sie sonst nur im nördlichen Franken auftreten. Sonderfall eines Rondells ist der sorgfältig gestaltete „Wasserturm“ in Meiningen, in Großquaderwerk mit Maulscharten und vorkragendem Obergeschoss mit Ziermaske; die profilierten Fenster der Hauptgeschosse deuten auf einen Anbau an ein vornehmes Gebäude. Zwischen den Funktionen schwanken einige spät erbaute Tore. Das verschwundene Vortor des Nordhäuser „Siechentores“, 1563 als Doppelturmtor erneuert, war sicher noch fortifikatorisch gemeint, während ein bescheidenes Rundbogentor mit separater Fußgängerpforte im „Unteren Markt“ von Stadtroda, erst nach 1523 mitsamt der Mauer entstanden, völlig wehrlos ist; das gilt auch für das Rundbogentor, das in
Orlamünde (forum 1192, Ratsverfassung 1386) allein kenntlich blieb. Das „1579“ erneuerte „Osthöfer Tor“ in Tennstedt – auf das quadratische Erdgeschoss des 15. Jahrhunderts wurde ein achteckiger Oberbau mit Wappenschild, Rundscharten und welscher Haube aufgesetzt – ist dagegen repräsentativ gemeint, ebenso wie das späteste erhaltene Tor Thüringens, das 1655 erbaute (innere) „Frauentor“ in Mühlhausen; wie sicherlich schon sein spätromanischer Vorgänger ist es ein niedriger, kräftiger Torturm, nun aber in barocken Detailformen, mit Rustika an Torbogen und Ecken, Rundfenstern und Mansarddach. Die fast völlig verschwundene, mit Rundschalen versehene Mauer um die Solequelle unter Salzhausen (Stadt im 13. Jahrhundert) entstand erst 1668/69, war aber trotzdem nicht die jüngste Thüringens. Diese ist vielmehr Rastenberg, dessen schartenlose, mit noch zwei Rundschalen verstärkte Bruchsteinmauer nach einer Inschrifttafel „1711“ entstand; formal könnte sie aber auch ins 15. Jahrhundert gehören.
22. Sachsen-Anhalt Landschaftlich wie historisch umfasst SachsenAnhalt sehr unterschiedliche Regionen, was auch in der Verschiedenartigkeit der Befestigungsformen ablesbar ist; um die Darstellung zu vereinfachen, wird die im Flachland liegende Altmark mit ihrer Backsteinarchitektur hier zusammen mit der Mark Brandenburg (Kapitel 26. Brandenburg) behandelt, deren historischer Ausgangspunkt sie war. Freilich gehörte auch der Ostteil des Landes, um Zerbst, Dessau und Wittenberg, zur Backsteinregion. Die weit städtereichere Gegend um den Ostharz und südlich davon erwuchs aus einer Mehrheit von Territorien, unter denen das Erzbistum Magdeburg und Kursachsen eine Hauptrolle spielten, in die randlich aber auch Thüringen und Braunschweig hineinwirkten. Auch in diesem Raum, wo weitgehend Kalkbzw. Zechstein die Formen prägt, gibt es daher deutlich unterscheidbare Bauformen. Dass nahe dem „Alten Markt“ in Halle der Mauerrest einer frühen Befestigung erkennbar 204 Topographischer Teil
sei, was ab den 1920er Jahren vermutet wurde, bezweifelt man heute entschieden; lediglich ein archäologisch gefasster Sohlgraben hinter der späteren Mauern des späten 12. und des Südmauer der Stadt mag ins 13. Jahrhunderts 10./11. Jahrhundert(?) zurückreichen. 1182 ist die Befestigung als vallum civitatis erwähnt, in der eine porta quae dicitur lapidea zusätzlich die Ungewöhnlichkeit eines Mauerwerksbaues unterstreicht; frühestens damals also begann der Ausbau in Stein (der „dicke runde Turm“ des Wiprecht von Groitzsch 1118 war eine Burg). Unter den geringen Resten mag ein Mauerteil an der Südseite mit einem wenig vorspringenden Rechteckturm und (ursprünglichen?) spitzbogigen Wehrgangbögen ins 13. Jahrhundert zurückgehen. In Magdeburg, unter Otto I. zeitweise eine Art „Hauptstadt“ des Reiches, folgte auf die Domburg, suburbium und den befestigten Markt des 10. Jahrhunderts – dessen vermeintliche Ummau-
Abb. 456 Magdeburg im Jahr 1572 nach Braun/Hogenberg. Nachdem Magdeburg vom 17. bis zum 19. Jh. zur Festung ausgebaut und dann ab 1888 geschleift wurde, gibt fast nur noch die frühe Darstellung eine Vorstellung der turmreichen Mauern, die mindestens bis ins frühe 13. Jh. zurückgingen (Braun/Hogenberg, Civitates orbis terrarum).
erung viel diskutiert, aber nicht aufgefunden ist – wohl im frühen 13. Jahrhundert eine großzügige Stadtmauer, deren regelmäßig gereihte, quadratische Volltürme teils bis ins 20. Jahrhundert erhalten waren; zusammen mit aufwendigen Verstärkungen des Spätmittelalters und den Vorstädten wich sie aber weitgehend der Festungsentwicklung im 18./19. Jahrhundert (Abb. 456). Besser beurteilbar sind die Mauern von Halberstadt – wo auch mehrphasige Gräben um die Domburg, ab dem 8. Jahrhundert, archäologisch gesichert sind –, die 1199 zuerst genannt wurden. Anscheinend ging ihnen auf gleicher Trasse ein Wall-Graben-System voraus, das ins mittlere 12. Jahrhundert zurückreichen könnte, aber ab 1180 – nach der Zerstörung durch Heinrich den Löwen 1179 – jedenfalls nochmals verstärkt wurde. In dieser Phase, die bis ins mittlere 13. Jahrhundert dauerte, ging man dann offenbar zur Errichtung der Mauer über. Auf den teils
noch sichtbaren Wallresten findet man noch Partien der 1,90 m dicken Quadermauer mit fünf ursprünglichen Türmen, deren Ausführungsvielfalt auf ein Suchen nach neuen Formen schließen lässt. Bei den außen vorspringenden Rechtecktürmen reichen die Formen von Volltürmen (mit sekundär angestoßenen Kurtinen) bis zu Schalentürmen verschiedener Art. Die Spitzbogenwölbungen in mehreren Türmen lassen eine Entstehung kaum vor der Mitte des 13. Jahrhunderts zu, und auch das 1945 zerstörte „Johannistor“, ein Torturm mit Schalenform über der Torfahrt, mag so alt gewesen sein. Die Bischöfe Eckehard (1215–40) und Heinrich (1243–65) ummauerten Merseburg, ansetzend an Pfalz und Domburg, in der schon im Jahr 1004 Kaufleute ansässig gewesen waren; 1248 verzichtete der Markgraf von Meißen auf jeden Einspruch gegen die Mauern und Gräben. Der „Eulenturm“ und der später in die Westfassade 22. Sachsen-Anhalt
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Abb. 457 Merseburg, einer der wohl Mitte des 13. Jh. erbauten Stadtmauertürme wurde (von Anfang an?) auch als Turm der Kirche St. Sixti genutzt und schließlich 1888/89 zum Wasserturm ausgebaut.
von St. Sixti einbezogene, sehr massive Turm gehen offenbar so weit zurück (Abb. 457): rechteckige Volltürme aus gelben Sandsteinquadern, mit hoch liegender Rundbogenpforte und einfachen Lichtschlitzen; auch die Reste der Mauer selbst zeigen sorgfältiges, hammerrechtes Werk. 1989 wurde ein weiterer Turm am ehemaligen „Gotthardstor“ ergraben. Neben den drei Bischofsstädten besaß nur Querfurt, das um eine wichtige Burg heranwuchs, eine frühe Mauer. Sie ist bereits 1198 erwähnt, und Grabungen am Nebraer Tor erfassten über einem Wall-Graben-System einen Torturm wohl des frühen 13. Jahrhunderts, dem im 14. Jahrhundert ein langer Torzwinger folgte. Die Befestigung des vierten Bischofssitzes der Region, Naumburg, wurde lange von den wettinischen Landesherren behindert; als Spätling durfte die Bürgerstadt erst 1276 neben der längst Abb. 458 Naumburg, die „Wasserkunst“ ist ein rechteckiger Schalenturm aus der 2. Hälfte des 14. Jh., hier vom südlichen Zwinger aus gesehen, der erst frühneuzeitlich als Pumpwerk umgenutzt wurde.
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ummauerten Immunität „Gräben von solcher Tiefe“ anlegen, „als die Gräber mit einem Wurfe hoch herauswerfen können oder mit Planken, die auf dem Wall aus Flechtwerk errichtet sind und auf diesen mit Türmchen, die deutsch Erker genannt werden“. Der Ausbau in Stein folgte erst um 1340–1400; von der Hauptmauer blieben abgetragene Partien erhalten, auch mit einem von zahlreichen schlanken Schalentürmen („Wasserkunst“; Abb. 458). Die Tore waren einfache Torbauten neben kräftigeren Rechtecktürmen; erhalten ist nur der im Erdgeschoss gewölbte des im 15./16. Jahrhundert stark ausgebauten „Marientors“ (Abb. 220). Zerbst besitzt die besterhaltene Mauer in Sachsen-Anhalt, die ins 13. Jahrhundert zurückgeht (1291 extra muros Cerwistenses); Material und Typus entsprechen der Flachlandlage. Der komplexe, an Umbauten reiche Befund lässt als erste Stufe eine (turmarme) Feldsteinmauer erkennen, zu der auch die ursprüngliche Form der drei erhaltenen Tore gehört: Türme aus Feldstein mit Rundbogentoren im gewölbten Erdgeschoss, einem stadtseitig offenen Obergeschoss, mit Wehrgangtüren und gezinnter Wehrplatte (Abb. 459). Sie gehören damit einem frühen, überregional verbreiteten Tortypus an, der in romanische Zeit zurückreicht. Teile der (nach Befund und Quellen wenig standsicheren) ersten Mauer integrierte man – Quellen zufolge zwischen 1396 und 1486 – in eine Backsteinmauer mit Wiekhäusern und gelegentlich auftretenden Rundtürmen; die Tortürme wurden innen geschlossen und erhöht. Südliche Einflüsse am Rand des „Wiekhausgebietes“ verdeutlichen die auf Bögen umlaufenden Wehrgänge. In Bernburg erhielten Alt- und Neustadt 1279 Stadtrechte; die geringen Reste, der Turm neben dem „Nienburger Tor“ und ein Rundturm, gehen aber kaum vor das 15. Jahrhundert zurück. Auch Eisleben entwickelte sich früh städtisch (civitas/ cives um 1180) und besaß spätestens 1286 Mauern, von denen aber nichts übrig blieb, während vom äußeren Ring (um 1500) nur der südliche Doppelwall zeugt (1524/25). Weitgehend verschwunden sind auch die Mauern von Dessau (vor 1278 ummauert) und Wittenberg (Stadtrecht 1293, Stumpf eines Halbrundturmes am Elbtor). Die wichtigsten Städte am Nordrand des Ostharzes wurden im 14. Jahrhundert anspruchs-
voll ummauert. Hier ist besonders Quedlinburg zu nennen, wo murus forensis und murus civitatis von 1179 bisher nicht gefunden sind. „Alt-“ und „Neustadt“ zeigen eine gemeinsame Befestigung mit einheitlichem Turmtypus: rechteckige, kaum vorspringende Schalentürme in gutem Quaderwerk, um 7 × 7 m groß und bis zu 21 m hoch. Neben dem Stichbogenabschluss der Stadtseite und den Wehrgangtüren weisen auch spitzbogige, genaste Doppelfenster im obersten Geschoss mehrerer Türme (anstelle der Zinnen!) auf die gotische Entstehungszeit, und zwar nicht nur der Türme, sondern auch der mit Fuge anstoßenden Kurtinen. Chronikalisch sei der Graf von ReAbb. 459 Zerbst, der Turm des „Breitestraßentors“, Feldseite, lässt über dem ersten Obergeschoss, das ursprünglich stadtseitig offen war, noch die bei der Erhöhung vermauerten Zinnen erkennen. Zerbst besitzt noch mehrere Tortürme mit ähnlichen Merkmalen, die ins 13. Jh. zurückgehen dürften.
Abb. 460 Aschersleben, das „Johannistor“ (wohl nach 1462) zeigt im obersten Geschoss zur Feld- wie zur Stadtseite auffällig anspruchsvolle Maßwerkfenster.
genstein nach erfolgloser Belagerung 1337 verpflichtet worden, sieben Türme zu bauen, was zeitlich durchaus zum Erhaltenen passt. Auch das nahe Blankenburg zeigt noch ausgedehnte Mauerreste mit sechs Schalentürmen in einfacherem Mauerwerk, unter ihnen zwei halbrunde, von denen es in Quedlinburg auch wenige gab. Wernigerode hingegen besaß fast nur gerundete Schalen – zwei sind erhalten – und zwar in der „Alt-“ und der „Neustadt“. Obwohl auch hier Befestigung schon im 12. Jahrhundert vermutet wird, sind solche Türme erst im 14./15. Jahrhundert denkbar. Der schlichte Turm des „Westerntores“ (mit spätgotischem Helm) könnte mit seiner hoch liegenden Spitzbogenpforte in die Zeit vor 1300 zurückgehen, muss es aber keineswegs. Die umfangreich erhaltenen Mauern von Aschersleben sind wohl 1322 begonnen worden 22. Sachsen-Anhalt
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(Baunachrichten 1432–66 meinen Modernisierungen, etwa den Zwinger oder die halbrunden Schalen der Südseite). Auch hier ist der Rechteckturm üblich, aber fast durchweg als Vollturm, gelegentlich mit gemauertem Spitzdach hinter den Zinnen. Das „Johannistor“ ist ein schmuckreicher Neubau des 15. Jahrhunderts (wohl nach einem Brand 1462, kaum um 1380) mit Fallgatterführung, Eckstrebepfeilern, Gesimsen und einem Maßwerkfenster zur Stadt, das den Westbau der Stephanikirche (1406–69) evoziert (Abb. 460). Bis ins späte 16. Jahrhundert wurden die Wehrgänge mit T- und Schlüsselscharten erneuert, und die südliche Bergseite wurde durch großenteils erhaltene Anlagen verstärkt, vor allem durch zwei Eckrondelle – das südöstliche wohl 1583 vollendet – und die befestigte „Malzmühle“. Die Reste im nahen Staßfurt zeigen in ihren zwei Hauptphasen enge Verwandschaft mit Aschersleben. Auch hier Rechtecktürme, ehemals mit gemauerten Helmen, ein spätmittelalterlicher Zwinger und vor allem zwei massive Rondelle an den Südecken, das östliche mit Mittelpfeiler und Einwölbung über dem zweiten Geschoss. Die kleineren Städte nördlich und östlich des Harzes, vor allem in der fruchtbaren Börde, zeigen meist späte, sparsame Befestigungen. Charakteristisch sind Mauergassen, einfache Bruchsteinmauern – nach den fehlenden Türen in den Türmen wohl oft wehrganglos – mit Türmen fast nur an den Toren. Neben wenigen echten Tortürmen sind schlanke Rechtecktürme mit 4–5 m Seitenlänge neben dem Tor ein besonderes Merkmal der Region; außer Lichtschlitzen besitzen sie meist nur hoch liegende Einstiege. In Köthen (civitas 1313) mag der stattliche Turm neben dem „Magdeburger Tor“ in die Zeit um 1300 zurückgehen; am „Halleschen Tor“ gibt es daneben einen echten Torturm mit Wehrgangpforte. Eine ähnliche (noch frühere?) Kombination zeigt das gleichfalls askanische Haldensleben, 1181 durch den Erzbischof von Magdeburg zerstört und 1219 in seinen Besitz gelangt. Die weitgehend erhaltene, fast turmlose Mauer hat im massiven Turm des „Stendaler Tors“ mit seiner schlichten Rundbogendurchfahrt einen Bau, der ins 13. Jahrhundert zurückgehen mag, während der schlankere, ehemals neben der Durchfahrt stehende Turm des „Bülstringer Tores“ das regionaltypische Modell vertritt. In Weißenfels, wo die Mauer 208 Topographischer Teil
1282 zuerst erwähnt ist, scheint es nur zwei Rechtecktürme gegeben zu haben und ebenfalls Türme neben den Toren. Aussagekräftig für die späte Entwicklung des Tortyps mit einem Turm neben der Durchfahrt ist Aken, im Mischgebiet von Zechstein und Backstein (Mauer seit 1335 belegt). Das „Burgtor“ war nach Baubefund anfangs ein niedriger Torbau, neben den sekundär der kleine quadratische Turm gesetzt ist. Dieser und der größere „Dessauer Turm“, ebenfalls hinter die Mauer und neben das Tor gesetzt, mit Kreuzstockfenstern und Aborterker bewohnbar gestaltet, entstanden erst im 15. Jahrhundert. Der schlanke Turm neben dem ehemaligen „Köthener Tor“ hatte ursprünglich Backsteinzinnen, die 1551 mit einem Renaissancegiebel überbaut wurden. Ins 15. Jahrhundert gehören auch die Türme in Hettstedt; einer entstand inschriftlich „1434“. Weitere Reste gleichen Charakters gibt es unter anderem in Ballenstedt und Kroppenstedt mit jeweils noch mehreren Türmen, in Kalbe mit Spuren von Wehrgangbögen und einen durchfensterten Turm, schließlich in Barby, Dardesheim, GroßSalze, Löbejun, Oebisfelde, Schönebeck, Schwanebeck, Seehausen und Wegeleben; im Gebirge ist das heute turmlose Harzgerode zu erwähnen. Am Rande des Backsteingebietes zeigt GräfenAbb. 461 Freyburg/U., das „Eckstädter Tor“ ist zuerst 1385 erwähnt und wurde 1447/48 durch die Barbakane ergänzt, von der vor allem die nördliche Mauer erhalten ist.
Abb. 462 Laucha, die Barbakane am „Obertor“ ist gegenüber dem „Marientor“ im nahen Naumburg (vgl. Abb. 220) dadurch ausgezeichnet, dass ihr ursprünglicher Zustand weitgehend unverändert ist; nur das ältere Innentor wurde abgetragen, der Graben zugeschüttet.
hainichen (befestigt 1446–54?) zwei schlanke Volltürme neben ehemaligen Toren, Schmiedeberg einen spätgotischen Torbau, der an ein Wiekhaus neben dem Tor angesetzt wurde. Kemberg besaß wohl eine ganz „märkische“ Mauer mit kleinen Wiekhäusern. Südlich des Harzes sind nur wenige Mauern des 14. Jahrhunderts gut erkennbar. Die teilweise bis zu den Zinnen erhaltene Ringmauer von Freyburg/Unstrut (oppidum 1229, civitas 1261) gehört wohl in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts; der erhaltene Turm neben dem „Eckstädter Tor“ ist chronikalisch 1385 erwähnt (wurde 1447/48 um die erhaltene Barbakane ergänzt und diente schon 1548 als Gefängnis; Abb. 461). Ursprünglich war die Mauer wohl turmlos, aber im mittleren 15. Jahrhundert wurden 14 runde oder halbrunde Türme vorgesetzt, die fast alle erhalten sind(!); der nordwestliche Eckturm entstand 1449. Sie zeigen teils nur Schlitzscharten, die größeren aber auch quadratische KanonenMauern und Verstärkungen des 14./15. Jahrhunderts scharten, ehemals mit südlich des Harzes Klappläden, und in einem Fall gibt es auch Wurferker. Auf eine Herausschiebung der Mauer im Friedhofsbereich deuten Schlüsselscharten
im „Rektorat“ (um 1540), in einem Mauerversprung, und benachbarte Wehrgangbögen. Im nahen Nebra (oppidanus 1351) ist ein quadratischer Eckturm erhalten. Sonst aber sind späte Rundtürme für die Region typisch, was, ähnlich Freyburg, wohl auf anfangs turmarme Mauern deutet. In Sangerhausen (1204 noch vallis et aggeribus bene munitum; Mauerbau wohl 1252–63) könnten zwei beidseitig vortretende Rundturmstümpfe zwar noch ins 14. Jahrhundert gehören und die geringen Reste in Kelbra (oppidum 1287) sind undatierbar. Aber alle anderen Rundtürme der Region sind erst als Verstärkungen des 15. Jahrhunderts zu interpretieren, so etwa die drei erhaltenen Halbrundtürme in Zeitz. Die innere Mauer von Querfurt wurde Mitte des 15. Jahrhunderts oder danach völlig erneuert, mit starkem Torrondell und rondelliertem Zwinger; von ihr sind erhebliche Teile erhalten. Die Mauer um die fünffach größeren Vorstädte war kaum älter (spätes 14./frühes 15. Jahrhundert), aber mit ihren wenigen und kleinen, meist runden Türmen weitaus schwächer. Eindeutig spät sind auch die massiven Halbrundtürme in gutem Quaderwerk, die vor die Mauer von Halberstadt gesetzt wurden; gut erhalten ist besonders jener beim „Wassertor“ 22. Sachsen-Anhalt
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von „1444“ (mit Scharten des 16. Jahrhunderts). Der Zwinger mit seinen runden und fünfeckigen Streichwehren in Naumburg entstand um 1433– 99. Zu diesen Maßnahmen des 15. Jahrhunderts in Naumburg gehörte auch die Ausstattung der vier Haupttore mit Barbakanen, von denen nur jene am „Marientor“ von „1456“ erhalten ist, mit spätgotischen Backsteingiebeln wohl von „1511“ (Abb. 57, 147, 220). In der Umgebung von Naumburg fand man noch weitere Barbakanen, wobei jene in Freyburg – die am „Eckstädter Tor ist weitgehend erhalten – sogar schon 1447/48 errichtet wurden, also Naumburg vorangingen. In Weißenfels sind zwei Barbakanen (um 1480) nur noch auf Plänen und archäologisch belegt. Die insgesamt am wenigsten umgebaute Barbakane der Region besitzt Laucha, um 1450 sekundär vor die wenig ältere, mit verschiedenen Turmformen und Erkern versehene Mauer gesetzt (erste Rechte vor 1344, 1419 Stadtrecht von Langensalza). Sie zeigt noch die originalen, offenen Wehrgänge und Scharten, auch ein Stadtwappen als Relief (Abb. 462). Von den Modernisierungen in Halle – ab 1454 entstanden auch hier aufwendige Zwinger, Gräben und Vortore, ab 1538 einige Rundbasteien – zeugt nur noch der 1478 erwähnte „Leipziger Turm“, ein hoher Rundturm mit zahlreichen Scharten, aber auch Maßwerkfenstern, der ehemals das zweite Vortor des „Galgtores“ flankierte (Abb. 228). Er verdeutlicht, dass man hier noch um 1460 den Überblick und die Repräsentation höher schätzte als artillerieresistente Massivität; den hohen „Saigerturm“ des wohl mauerlosen, aber noch über einen kleinen Torturm verfügenden Stolberg wird man ähnlich datieren und verstehen. Modernere Kanonenrondelle findet man dagegen in Aschersleben und Staßfurt; das erstere ist erst 1583 datiert, und das andere mag kaum älter sein. Der hohe Turm des „Hallischen Tors“ in Zörbig erhielt um 1550 wohl nicht nur seine Giebel, sondern entstand völlig neu; als Rechteckturm neben dem (gleichzeitigen, abgebrochenen) Torbau errichtet, ist er der letzte Ausklang der regionaltypischen Tortradition. Zusammenfassend kann man ein „Kerngebiet“ der Stadtmauern in Sachsen-Anhalt definie-
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ren, indem man die randlichen Einflüsse ausscheidet: vor allem die (braunschweigischen?) Schalentürme am Nordrand des Harzes (Quedlinburg und andere) und die „märkischen“ Feldund Backsteinmauern ganz im Osten. Es bleibt die knappe Hälfte des heutigen Bundeslandes, die von Südosten her breit gegen den Harz vorstößt und deren formale Charakteristika recht einheitlich sind. Die Befestigungen dieser Region sind geprägt durch die Verwendung des weißlich grauen Zechsteins, der fast immer als Bruchstein erscheint, mit Quadern nur an den Ecken. Flächiges Quaderwerk findet man kaum, nur als Merkmal früher und besonders aufwendiger Mauern (Halberstadt, Merseburg, wohl Mitte des 13. Jahrhunderts) oder sehr später Bauteile. Ist der vorherrschende Eindruck schon insoweit, aber auch durch die Seltenheit von Schmuckformen wenig repräsentativ, so unterstreicht die absolute Vorherrschaft des quadratischen oder rechteckigen Turmes von den Anfängen um 1200 bis ins 15. Jahrhundert hinein einen konservativen Zug. Die Fülle der Kleinstadtmauern mit ihren schlanken „Minimaltürmen“ neben den Toren akzentuiert das Bild zurückhaltender Zweckmäßigkeit, weil gerade diese Art des Tores fast das einzige wirklich regionaltypische Merkmal ist, das man festhalten kann – neben dem gelegentlich erhaltenen gemauerten Spitzdächern hinter den Zinnen (Staßfurt, Merseburg, Aschersleben, Querfurt, Naumburg, Zerbst). Ins Bild einer eher langsamen, an Traditionen festhaltenden Entwicklung passt schließlich auch, dass Zwinger auf die wichtigsten Städte beschränkt blieben und offenbar nicht vor dem mittleren 15. Jahrhundert auftraten (Halle, Naumburg, Magdeburg, Aschersleben) und dass auch aufwendigere Einzelbauten im Artilleriezeitalter große Ausnahmen blieben. Allein die relative Häufigkeit von Landwehren und Warttürmen im 15. Jahrhundert zeigt eine gewisse Bereitschaft zu höherem, freilich ganz zweckbetontem Aufwand. Dass diese Formenwelt des sachsen-anhaltinischen „Kerngebiets“ einfach den Nordwestausläufer sächsischer Mauerformen gebildet hat, darf man vermuten; letzte Klarheit verhindern die geringen Befunde in Sachsen selbst.
23. Sachsen Vom Kurfürstentum bzw. Königreich Sachsen hat als heutiges Bundesland nur ein Kernbereich überlebt, während im Westen und Norden erhebliche Gebiete des früheren Sachsen zum heutigen Sachsen-Anhalt und zu Brandenburg gehören; andererseits integriert das Bundesland im Osten, um Görlitz, Teile von Niederschlesien. Das demnach weit größere, aus der Markgrafschaft Meißen hervorgegangene Sachsen des Spätmittelalters war das wohl reichste Territorium Deutschlands. Ein für die Landwirtschaft günstiges Hügelland, die gute Verkehrslage, vor allem aber die reichen Silbervorkommen im Grenzgebirge gegen Böhmen hatten hierfür die Voraussetzungen geschaffen. Die Anfänge dieser Entwicklung lagen im 10. Jahrhundert, als unter König Heinrich I. die deutsche Eroberung des slawisch besiedelten Landes begann. Nachdem sich die Erschließung anfangs auf Befestigungen („Burgwarde“) und Klöster gestützt hatte, folgte die erste Welle von Stadtgründungen zu Anfang des 13. Jahrhunderts; neben Städten, in denen Schriftquellen und auch romanische Pfarrkirchen diese Entstehungszeit sichern, gibt es freilich auch eine kaum geringere Anzahl, bei denen
die Forschung eine Gründung bald nach 1200 nur analog unterstellt, während Erstnennungen als oppidum, civitas und Ähnliches erst im mittleren und späten 13. Jahrhundert liegen. Vom Baubefund der Stadtmauern her sind solche historischen Unklarheiten leider kaum zu klären, denn der Umfang des Erhaltenen ist in Sachsen besonders gering. Die dichte Besiedlung und wirtschaftliche Kraft des Landes, vom Mittelalter bis in die Gegenwart, hatten schon im 18./19. Jahrhundert (Werdau 1756, Lößnitz ab 1829), vor allem aber ab Ende des 19. Jahrhunderts einen weitgehenden Austausch städtischer Bausubstanz zur Folge. Von den meisten Stadtbefestigungen in Sachsen zeugen daher heute vor allem noch ältere Darstellungen, aus denen die Zeichnungen Wilhelm Dilichs aus dem frühen 17. Jahrhundert hervorstechen (Abb. 463, 465). Der weitgehend aus dem 15./16. Jahrhundert stammende Ausbaustand, den sie übermitteln, unterstreicht den Reichtum Sachsens schon zu Ende des Mittelalters. Heute aber findet man in sehr vielen Städten keinerlei Reste mehr und in der Mehrheit der übrigen nur noch solche von geringem Umfang und begrenzter Aussagekraft,
Abb. 463 Freiberg, die Zeichnung von Wilhelm Dilich von 1626 (Ausschnitt) zeigt, hier von Nordosten, die regelmäßige Reihung der Rechtecktürme, von denen aber nur einige im Norden und Osten erhalten sind (vgl. Abb. 65, 464) (Beschreib. Darstellung d. älteren Bau- u. Kunstdenkmäler d. Kgr. Sachsen, 3: Freiberg, 1884).
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Abb. 464 Freiberg, der Stadtplan der Zeit um 1650 bestätigt die Reihung der Rechtecktürme an der gesamten Stadtmauer (Y. Hoffmann/U. Richter, Entstehung und Blüte der Stadt Freiberg, 2012, nach Hauptstaatsarchiv Dresden; Foto W. Rabich).
die durch das fast ausschließlich verwendete Bruchsteinmauerwerk noch mehr eingeschränkt wird. Einen Überblick, der angesichts des fast völligen Fehlens solch regionaler Arbeiten hoch anzuerkennen ist, haben Heinz Müller und Heyko Dehn 2010 vorgelegt; sie weisen freilich zu Recht auf das weitgehende Fehlen von Einzel212 Topographischer Teil
forschungen hin, was auch dazu führt, dass eher die Stadtgründung und frühe Stadtgeschichte im Vordergrund steht, während die selten näher datierbaren Befestigungsbauten primär aufgrund alter Pläne und Darstellungen skizziert werden. Als früheste Städte Sachsens gelten Bautzen, Freiberg, Leipzig, Meißen und Pegau. Von ihnen
Abb. 465 Groitzsch, Ansicht von Süden nach der Federzeichnung von Wilhelm Dilich, wohl um 1628 (Ausschnitt). Man erkennt eine niedrige, völlig turmlose Mauer, ganz links auch einen Graben (Beschreib. Darstellung d. älteren Bau- u. Kunstdenkmäler d. Kgr. Sachsen, 15: Borna, 1891).
bietet Leipzig, wo man Befestigung schon vor 1200 – oder gar vor 1150 – annimmt und 1217 castra neben den Toren belegt sind, mangels Resten und Grabungsergebnissen keine konkreten Erkenntnisse. Kaum besser steht es in Meißen, wo der seit 1002 belegte portus unter der Burg späBefestigungen des späten 12. und frühen testens 1217, als das Heilig13. Jahrhunderts kreuz-Kloster herausverlegt wurde, befestigt war. Schon 1150 erscheint offenbar auch die südlich schon stark erweiterte Stadt Meißen als civitas, deren Mauern 1285 schon teilweise vetustate collapsa, also recht alt, waren. Wie sie anfangs aussahen, bleibt aber offen, denn die Reste an der „Afrafreiheit“ mit zwei bescheidenen, im 16. Jahrhundert veränderten Türmen sind nicht sicher vor das 14. Jahrhundert datierbar. Auch in Pegau, wo vor dem Kloster des späten 11. Jahrhunderts schon 1180 eine Händlersiedlung lag, die um 1190 als civitas bezeichnet und durch eine Neustadt ergänzt wurde, sind schon 1219 zwei Tore erwähnt, deren Form aber ganz unbekannt bleibt, da die Reste der Mauer aus Backstein fraglos erst ins 14. Jahrhundert gehören. Bautzen ging aus einer schon 1002 civitas und urbs genannten slawischen Burgsiedlung hervor; das 1240 bestätigte deutsche Stadtrecht könnte
ins mittlere 12. Jahrhundert zurückgehen, eine erste Umwehrung wird nur noch aus dem Stadtplan erschlossen. Die lokale Forschung setzt die Reste der (1282 zuerst erwähnten) Hauptmauer noch ins frühe 13. Jahrhundert und hält einige nur teilweise erhaltene Rechtecktürme für sekundär. Der besterhaltene, der rechteckig vor die Mauer springende „Mönchsturm“, wird auf 1324 datiert; dies ist vom Bau her nicht überprüfbar, noch weniger bei den rechteckigen Unterteilen der Türme bei und über den Toren („Nikolaiturm“, „Schülerturm“ – echte Tortürme –, ferner „Reichenturm“, „Wendenturm“). Der sehr stattliche „Lauenturm“, nach Rechnungen 1400–03 erbaut, wäre damit der letzte der hinzugefügten Türme. Dass die nachträgliche Hinzufügung der Türme nicht die einzig denkbare Interpretation ist, beweist andererseits Freiberg, das nicht nur aufgrund seiner detailliert überlieferten Entwicklung zwischen 1170 und 1218 ein besonders interessanter Fall ist, sondern durchaus auch aufgrund seiner in längeren Partien erhaltenen Mauer. Eine Mauer um die Gesamtstadt ist schon 1233 erwähnt, etwa gleichzeitig mit dem Bau der Marienkirche, deren „Goldene Pforte“ ein herausragendes Beispiel für die architektonische Leistungsfähigkeit der jungen Bergwerksstadt ist. 23. Sachsen
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Die erhaltenen Reste sind die einer mächtigen, rund 2,50 m dicken und mindestens 9 m hohen Bruchsteinmauer, in die in Abständen um 100 m quadratische Türme einbanden (Abb. 464). Diese sind baueinheitlich mit der Mauer und haben stadtseitig schwächere Wände; über dem Wehrgang waren sie Schalen und besaßen Schlitze. Interessanterweise gibt es auch einige Türme, die offenbar zuerst isoliert standen und nachträglich außenbündig in die Mauer eingefügt wurden. Nichts spricht dagegen, dass diese Mauer, die quadratische oder rechteckige Tortürme besaß, 1233 mindestens im Bau war; die örtliche Tradition nimmt allerdings aufgrund schwer interpretierbarer Schriftquellen eine weitgehende Erneuerung der Mauer um 1392/95 an. Vergleichsbeispiele für Bautzen und Freiberg mögen die Mauern von Zittau und Zwickau gewesen sein, die aber im 19. Jahrhundert verschwanden und daher nicht mehr einzuschätzen sind. Die Stadtgründung von Zittau durch Ottokar II. von Böhmen ist chronikalisch überliefert: Auf einen Umritt folgte zunächst eine Umzäunung und erst später, 1255, die Ummauerung nach erheblicher Erweiterung. Die Hauptmauer zeigte, unregelmäßig verteilt, querrechteckige vorspringende Türme und entsprechend stellte Matthäus Merian auch die Hauptmauer von Zwickau dar, die 1295 zuerst erwähnt ist; ironischerweise ist dort allein der Rest des einzigen Halbrundturmes erhalten. Auch die Ummauerung weiterer sächsischer Städte wird traditionell vor oder um 1200 datiert, was aber kritisch zu sehen ist. Die Literatur des 19. Jahrhunderts, auf die Vermeintliche Mauern solche Datierungen zurückvor oder um 1200 gehen, neigte zu kühnen, oft in den Kategorien „slawisch“/„deutsch“ angelegten Hypothesen und hatte auch noch nicht erkannt, dass die Altersfrage der Mauern separat zu stellen ist; in Rochlitz, als extremes Beispiel, setzte das Inventar sogar die zweite(!) Bauphase der verschwundenen Mauern noch ins 12. Jahrhundert, während die neuere Literatur erst für 1367 die markgräfliche Initiative zum Mauerbau erwähnt. Auch die anderswo erhaltenen, sehr begrenzten Reste lassen, wie schon in Meißen, leider keine exaktere Datierung zu. So erscheint (Bad) Lausick schon 1158 bei einer Schenkung Kaiser 214 Topographischer Teil
Friedrichs I. als befestigt, aber mangels aller Reste ist die Art der Umwehrung ganz offen (Hof, befestigte Propstei oder ganze Siedlung?, Holz/Erde, Stein?). Auf andere Weise verunsichert das historisch wichtige Groitzsch, mit Burg und Kirchen des 11./12. Jahrhunderts, das 1207 Marktrechte erhielt; es gilt traditionell als unbefestigt, aber die Wilhelm-Dilich-Zeichnung dokumentiert einen Graben und eine niedrige Mauer (Abb. 465) – eine bescheidene und folglich frühe Mauer? Ein weiterer aufschlussreicher Fall ist Dresden, dessen Mauer wegen der frühesten Nennung als civitas häufig auf 1216 (oder gar ins späte 12. Jahrhundert) datiert wurde, während erst 1299 zum ersten Mal die Rede von den muri civitatis ist. Ein gutes Beispiel für die Gesamtentwicklung vom frühen 13. Jahrhundert bis ins 15. Jahrhundert bietet das 1209 civitas genannte Geithain, das damals ausdrücklich Wassergräben besaß. Die Zweistraßenanlage liegt auf einem Sporn zwischen staubaren Bächen, was die damals erwähnten Wassergräben erklärt; die romanische Bausubstanz beschränkt sich auf die Stadtpfarrkirche und einen Wohnturm daneben, beide im Bereich der Burg auf der Spornspitze; Mauer und Türme hingegen, beides in erheblichen Resten erhalten, gehören erst ins 14./15. Jahrhundert. Das (eigentlich schlesische) Görlitz wurde um 1210/20 gegründet und schon um 1250 westlich erweitert. Die Bruchsteinreste der Hauptmauer im Osten und Nordosten der größeren Stadt sind undatierbar, aber die durch Abbildungen belegbare Reihung quadratischer Türme im Süden erinnert an Freiberg und mag daher ins 13. Jahrhundert zurückgehen; zu denken gibt jedoch, dass 1305 der „Frauenturm“ – als erster erwähnter Bauteil – ausdrücklich als „Steinturm“ angesprochen wurde, so, als sei sonst noch Holzbau das lokal Übliche gewesen. Auch in Grimma wird die Stadtwerdung im frühen 13. Jahrhundert angenommen, die Mauer ist schon 1241 erwähnt; das Inventar datiert die erhaltenen langen Mauerreste an der Mulde mit rechteckigen und halbrunden Turmstümpfen dennoch erst um 1300. Die abgegangene Mauer von Chemnitz, das gegen 1220 bereits civitas war, ist 1264 und 1296 belegt. In Bischofswerda wurde die Mauer, die mindestens einen Halbrundturm besaß, angeblich um 1286 erbaut, aber
die Reste einschließlich des Turmes neben einem ehemaligen Tor sind undatierbar. Halbrundtürme besaß auch die 1294 erwähnte Bruchsteinmauer von Borna, wo die Tore niedrige Torbauten neben Rundtürmen waren. Schließlich sind geringe Reste, ebenfalls mit Stümpfen zweier Halbrundtürme, in Leisnig erhalten, wo 1286 die nova civitas ante castrum zuerst erwähnt wird; auch hier war das Haupttor („Obertor“) durch einen danebenstehenden Rechteckturm geschützt. All dies ergibt im Grunde die unerfreuliche Einsicht, dass über die sächsischen Stadtbefestigungen vor 1300 kaum Sicheres bekannt ist. Neben der Mauer von Freiberg, wahrscheinlich aus den 1230er Jahren, werden vor Ende des 13. Jahrhunderts nur wenige Mauern erwähnt oder sind auf andere Weise wahrscheinlich zu machen, und bei diesen ist der erhaltene Bestand für detaillierte Beurteilungen zu gering und zu arm an Merkmalen; das Erhaltene könnte in der Regel auch nach 1300 entstanden sein. Jedenfalls muss erwogen werden – und wäre bestenfalls durch archäologische Untersuchungen zu verifizieren –, dass auch Sachsen zu jenen Regionen gehörte, in denen zahlreiche Holzbefestigungen erst spät, das heißt gegen und nach 1300, durch Mauern ersetzt wurden. Dies war schon für Görlitz erwogen worden und als weitere Beispiele solcher Verzögerung – wegen der geringen Anzahl genauso wenig repräsentativ wie die möglicherweise frühen Mauern – kann Eilenburg genannt werden, dessen Nikolaikirche schon 1161 erwähnt ist, während die (verschwundene, durch einen doppelten Graben ergänzte) Mauer vielleicht erst um 1500 erbaut wurde, und Dahlen, das wohl schon vor 1240 zur Stadt, aber erst 1435 als solche bezeichnet wurde und noch 1619 nur einen Verhau mit Torbauten besaß. Taucha verfügte anfangs, als suburbium der Burg, über HolzErde-Befestigungen, und eine Mauer um die erweiterte Stadt wird noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts angenommen. Sayda (1253 civitas) besaß dagegen immer nur Wälle mit Steintoren und füllte den so vorgezeichneten Rahmen nie vollständig. Es ist nach dieser Lage der Dinge durchaus davon auszugehen, dass Sachsen zu jenen deutschen Regionen gehört, in denen der Mauerbau erst im 14. Jahrhundert einen deutlichen Aufschwung nahm; manches weist gar auf eine stär-
Abb. 466 Görlitz, der Unterbau des „Reichenbacher Turms“ mag noch vor seiner Ersterwähnung 1376 entstanden sein, der schlankere Aufbau gehört sicherlich erst ins 15. Jh.; im Vordergrund rechts der „Kaisertrutz“ (vgl. Abb. 222).
kere Belebung erst in der zweiten Jahrhunderthälfte. Grundlage dieser Vermutung sind jedoch fast nur einzelne Schriftquellen, während der Umfang des Erhaltenen vor allem außerhalb der größeren Städte bedrückend gering bleibt. Oft können solche Bauteile auch nur ganz allgemein ins 14./15. Jahrhundert datiert werden. Einen allmählichen, das ganze 14. Jahrhundert anhaltenden Ausbau meint man in Görlitz zu ahnen, wo 1305 der „Frauenturm“, 1315 der „Neißturm“, 1348 der „Nikolaiturm“, 1376 schließlich der „Reichenbacher Turm“ erwähnt werden (Abb. 466). Jedoch dürften die erhaltenen Türme an dreien dieser Tore erst ins späte 14. und ins 15. Jahrhundert gehören, als ab 1380 weitere Ausbauten belegt sind. Nur der quadratische Unterbau des „Reichenbacher Turmes“, mit spitzbogiger Fallgatternische, dürfte 1376 schon bestanden haben, während die wuchtigen Rundtürme neben dem „Frauen-“ und dem „Nicolaitor“ sicherlich erst in die Ausbauphase der 23. Sachsen
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Abb. 467 Delitzsch, der aus Backstein errichtete, stadtseitig mit Blenden gegliederte „Breite Turm“ (um 1400) schützte das verschwundene „Krumme Tor“ an der Straße nach Eilenburg.
1420er/1430er Jahre gehören; wie ihre ab 1305 erwähnten Vorgänger aussahen, bleibt daher völlig offen. Die Mauer von Chemnitz wird 1331 in aufschlussreicher Weise erwähnt. Die Untertanen des Klosters vor der Stadt, „die die stadt helffen umbzewnen“, durften in Kriegszeiten in die Stadt fliehen, aber im Falle ihrer Überfüllung „sollen unse Gotshawslewte ligen zwischen der Stadtmaure unnd demselben Zewne“. Der Schluss auf einen hölzernen Vorgänger des Zwingers vor der Mauer ist hier unausweichlich; die frühe Ge216 Topographischer Teil
stalt der Mauer bleibt aber offen, denn die bei Wilhelm Dilich belegten Türme können auch in eine 1376 beginnende Ausbauphase gehören. Erhalten ist in Chemnitz nur der quadratische „Rote Turm“, der nach Fugen (kurz) vor der Mauer erbaut wurde und einen Backsteinaufsatz wohl von 1486 trägt; das ergrabene Fundament des „Klostertorturmes“ konnte auf 1537 dendrodatiert werden. 1333, fast gleichzeitig mit Chemnitz, wird die verschwundene Mauer von Torgau erwähnt, die (jüngere?) Rundtürme neben den Toren besaß. Schließlich wird auch die weitgedehnte Vorstadtmauer von Bautzen schon ins frühe 14. Jahrhundert gesetzt, die nur nahe den Toren Zinnen besaß; freilich sind die erhaltenen Mauerteile undatierbar, und die lokale Forschung setzt die verschwundenen Türme erst ins 15. Jahrhundert, ebenso wie die Torzwinger und den vorgelegten Wall. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind neben Chemnitz (ab 1376) auch für Dresden (1355–70), Oelsnitz (nach 1356), Dippoldiswalde (1358–63), Großenhain (1370–80), Mügeln (1373) und Oschatz (1377) größere Baumaßnahmen überliefert. In Chemnitz, Dresden und Oschatz(?) ist von einer Verstärkung der vorhandenen Mauer auszugehen, in den übrigen Fällen mag diese überhaupt erst entstanden sein. Recht sicher ist das Letztere in Pulsnitz, das 1375 von Karl IV. das Recht erhielt, sich zu „mauren und festen“; in Mügeln war die Mauer teilweise durch Hecken ersetzt, wie Straßennamen andeuten. Die Reste als solche lassen kaum irgendwo eine Einschätzung der Maßnahmen zu; in Großenhain könnten die Reste der Hauptmauer und der (im 16. Jahrhundert veränderte) quadratisch vorspringende „Pulverturm“ so alt sein, auch die nur in Abbildungen überlieferten Türme neben den Toren. Ein erhaltener Rundturm in Oschatz wurde laut ehemaliger Inschrift „1377“ erbaut; die teils erhaltene Mauer der wichtigen Stadt, die schon Mitte des 13. Jahrhunderts ihren beachtlichen Umfang erreicht hatte, mag bis zu einem Jahrhundert älter sein, ohne dass dies eindeutig erkennbar wäre. Eine weitere, nicht geringe Anzahl begrenzter und isolierter Baureste kann man nur ganz allgemein ins (spätere?) 14. Jahrhundert oder ins 15. Jahrhundert setzen. Dazu zählt etwa der klassizistisch umgestaltete Turm am „Pulsnitzer Tor“
in Kamenz, der runde „Nonnenturm“ mit Mauerresten in Plauen, ein Rundturmstumpf und Mauerreste in Roßwein, schließlich ein langer Mauerrest mit quadratischem Turmstumpf in Penig. Reste einer Bruchsteinmauer mit einer halbrunden und einer rechteckigen Schale, beide mit einfachen Schlitzscharten, (und einen barocken Torbau) findet man noch in Adorf, geringe Reste eines Torbaues und der Mauer in Colditz, geringe Mauerreste in Glauchau; in Sachsen ganz vereinzelt ist ein Mauerrest mit spitzbogigen Wehrgangbögen in Döbeln (vgl. Marienberg, 1541– 66). Nur nach alten Darstellungen sind noch die fast verschwundenen Mauern von Pirna (Ersterweiterung 1412) und Zschopau einzuschätzen; in beiden Fällen sind (halb)runde Türme belegt, in Pirna auch rechteckige. Neben Bruchstein- hat es im flacheren Nordteil des Landes auch Backsteinmauern gegeben, wie aber wiederum nur seltene Reste zeigen, etwa die sehr geringen in Belgern (Torbau von 1805). Die Mauer in Pegau, das bereits 1219 zwei Tore besaß, zeigt einen Sandsteinsockel und Reste rechteckiger und halbrunder Schalentürme; sie ist kaum vor der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden. Mehr ist von der Mauer von Delitzsch erhalten, die eine Sonderform rechteckiger, im unteren Teil massiver Wiekhäuser besaß, offenbar aber auch einen auskragenden Holzwehrgang. Die zwei hohen, querrechteckigen Türme neben dem „Halleschen“ und dem „Eilenburger Tor“ – der Letztere ist 1397 begonnen, der andere zweifellos gleichaltrig, 1410 ist die Befestigung belegt – zeigen eine einfache, mehrgeschossige Blendengliederung, typisch für das Backsteingebiet (Abb. 467); trotz der späten Entstehung handelt es sich um die frühesten erhaltenen Türme dieser Art in ganz Sachsen! Direkt vergleichbar ist der über 30 m hohe Bautzener „Lauenturm“, dessen Steine 1400–03 gebrochen wurden; er zeigt in der Tat einen hohen Quadersockel, teils mit Buckelquadern, darüber aber Backstein mit Blendgliederung im obersten Geschoss (Abb. 468). Unser Wissen über die sächsischen Stadtmauern bleibt also auch bis gegen 1400 äußerst eingeschränkt. Immerhin ist zu konstatieren, dass nun vielfach gebaut wurde, oft sicherlich im Sinne der Verstärkung, aber gerade bei kleineren Städten auch im Sinne ihrer Erbauung. Wirklich
gesichert ist dies jedoch nicht, denn es gibt kaum noch Bauteile, die zuverlässig in diese Zeit gehören und uns selbst über einfachste Merkmale wie Turmhäufigkeit und -formen, Art der Tore usw. informieren können. Die Torform mit Turm neben der Durchfahrt, die in benachbarten Regionen wie dem mittleren Sachsen-Anhalt und Schlesien sehr häufig auftritt, ist auch hier nachweisbar (Bautzen, Bischofswerda, Görlitz, Großenhain, Delitzsch, Torgau), aber es fehlt in der Regel der Beweis, dass es sich nicht um spätere Ergänzungen handelt; die allein datierbaren Türme in Bautzen und Delitzsch entstanden erst um 1400. Bei den Mauertürmen gibt es – jenseits der ins mittlere 13. Jahrhundert bis ins frühe 14. Jahrhundert gehörenden Gruppe mit gereihten Rechtecktürmen (Freiberg, Bautzen, Zittau, Zwickau, Görlitz) – gelegentlich die Reihung (halb)runder Türme (Grimma, Borna, Leisnig, Zschopau), ohne dass diese Form enger zu datieren wäre. In der Mehrzahl der Fälle drängt sich der Eindruck auf, dass die Mauern anfangs eher Abb. 468 Bautzen, der „Lauenturm“ (1400–03), davor die „Röhrscheid“ – oder „Fischerbastei“, ein 1469 entstandenes Rondell (G. Springer).
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turmarm waren, was dann im 15. Jahrhundert die erheblichen Verstärkungen veranlasste. Erst nach 1400 kann man in Sachsen anhand halbwegs sicher datierter Bauwerke eine Anschauung von der Entwicklung der Stadtmauern gewinnen, wobei das weitgehend erhaltene Bautzen die höchste AusDas 15. Jahrhundert – sagekraft besitzt; verBautzen, Görlitz und Geithain gleichbar ist Görlitz, wenn auch weit stärker fragmentiert, während die Reste sonst wieder selten und isoliert sind. Das lausitzische Bautzen verdeutlicht sehr gut, wie der bescheidenere Baubestand einer Mauer des 13./14. Jahrhunderts durch einen aufwendigen Ausbau im 15. Jahrhundert trotz materieller Erhaltung quasi „zugedeckt“ werden konnte. Den Umfang der Neubauten, den man hier noch sehen, anderswo eher erahnen kann, erklärt die Tatsache, dass Sachsen im späten 15. Jahrhundert den vorläufigen Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Entwicklung erreichte oder ihm zumindest zustrebte. Die Modernisierungen des 15. Jahrhunderts umfassten in Bautzen nicht nur neue Türme an den Hauptmauern, insbesondere neben den Toren, sondern praktisch gleichzeitig auch schon Zwinger, die hier, im unmittelbaren Aktionsgebiet der Hussiten, spätestens ab den 1420er Jahren häufiger wurden. In Bautzen, wo im 14. Jahrhundert auch eine äußere Mauer entstanden war, verstärkte man ab den 1460er Jahren bis ins mittlere 16. Jahrhundert beide Mauern; die äußere erhielt einzelne Türme und einen Vorwall, die innere jedoch neue Tortürme, Zwingeranlagen, runde Artilleriestreichwehren („Basteien“) und Barbakanen (Abb. 177). Der Zwingerbau dürfte nach 1444 in Gang gekommen sein, als die im Nordzwinger stehende Nicolaikirche geweiht wurde; der Wehrgang ist sekundär zwischen ihre Strebepfeiler eingebaut, daneben steht ein noch recht einfaches Rondell („Pulverturm“). 1468/69 entstanden dann, im Zuge des fortschreitenden Zwingerbaues an der Südseite, die „Mühl-“ und „Fischerbastei“, mehrgeschossige Rondelle, die mit „Hals“ weit vor den Zwinger vorspringen; bis ins frühe 16. Jahrhundert folgten vier weitere Bauten gleicher, vor allem in Schlesien häufiger Art an den anderen Seiten („Gerberbastei“, 1503), wohl erst 1535 der letzte von diesen auf der Wasserkunst der Orten218 Topographischer Teil
burg. Wenig verspätet gegenüber dem Zwinger und den Rondellen entstanden offenbar neue Türme neben den Toren, bei denen die Symbolwirkung den fortifikatorischen Wert deutlich überstieg (1480 Vollendung „Wendischer Turm“; 1490–92 Aufsatz „Reichenturm“, 1522 Aufsatz „Nicolaiturm“). Charakteristisch sind die runden Oberbauten auf (älteren?) Rechtecksockeln, variierte Schlüsselschartenformen, gestufte Zinnen, lange Wasserspeier und andere, mehr der Optik dienende Details; noch jüngere, schmuckreiche Aufbauten vollenden diesen Eindruck („Wendischer Turm“ 1566; „Reichenturm“ 1715–18). Der Höhe- und Endpunkt dieser typisch spätgotischen Turmformen ist die zurecht berühmte „Alte Wasserkunst“, die – Nachfolgerin eines Holzbaues von 1495/96 – 1558 in höchst malerischer Formgebung (Abb. 201) vor den Felsabsturz zur Spree gesetzt wurde. Primär ein Hebewerk zur Wasserversorgung der inneren Stadt, ist sie zugleich mit Scharten und vorkragendem Wehrgang als Streichwehr ausgebildet; um weiterhin als „Stadtturm“ die westliche Talfront zu akzentuieren, wurde der runde Aufsatz zehngeschossig 50 m(!) über den Talgrund heraufgeführt; nur in der Bekrönung, einer Attika mit Rundzinnen, zeigt sich schon die Renaissance, dahinter ist die Wachstube noch mit einem Sterngewölbe geschlossen, ähnlich dem „Wendischen Turm“ (1566). Die Vorbildwirkung dieses selten eindrucksvollen Turmes erkennt man noch in der „Neuen Wasserkunst“ der Vorstadt, deren Formen aber schon zeitgemäß vereinfacht sind (1606–10). Die 1491 erbaute (1892 abgerissene) Wasserkunst in Großenhain, ein Rechteckturm mit Wasserschlägen, war mit den Bautzener Bauten nicht vergleichbar. Vergleichbar mit Bautzen, aber schwerer datierbar sind die Görlitzer Tortürme. Die Ersterwähnungen der Tore im 14. Jahrhundert liegen offensichtlich zu früh für die erhaltenen, sehr massiven Rundtürme des „Nicolai-“ und des „Frauentors“; der Letztere wird traditionell als Bergfried der 1384 begonnenen Burg verstanden. Zwar könnten beide Türme in die Zeit ab 1380 gehören, als auf Befehl des böhmischen Vogtes die Mauern „gebessert“ wurden, aber eher wird man sie erst der Ausbauphase 1421–28 zuweisen, als König Sigismund wegen der Hussiten anordnete, die Mauern „zu festen und zu bewah-
ren“ und 1432/33 eine „Defensionsordnung wider die Ketzer“ erließ. Zu diesem Ausbau, der letztlich bis ins 16. Jahrhundert reichte, gehört jedenfalls auch der stark an Bautzen erinnernde runde Oberbau des „Reichenbacher Turmes“ (spätes 15. Jahrhundert; Abb. 466); von den Zwingern, die gleichfalls Bautzen ähnelten, sind nur zwei Rondelle („Ochsenbastei“ von „1536“, „Hoterturm“) und die berühmte Barbakane des „Kaisertrutzes“ (vgl. unten) erhalten. Überwiegend erst Bestand des mittleren und späten 15. Jahrhunderts zeigt auch das bereits 1209 mit Wassergräben bzw. Stauteichen umwehrte Geithain. Die partienweise erhaltene Bruchsteinmauer ist undatierbar, aber ihre Türme zeigen spätgotische Merkmale der Mitte oder der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Erhalten sind der Turm des „Untertores“, der quadratische nordöstliche Eckturm und Spuren zweier ähnlicher Türme im Südosten, ferner Reste mehrerer Halbrundschalen mit Schlüsselscharten. Mit Bautzen, Görlitz und Geithain ist der Bestand auch der Spätphase bereits weitgehend aufgezählt – jedenfalls was die Ausbauten der Hauptmauer betrifft, also ohne Zwinger- und Toranlagen. In Freiberg kam der „Donatsturm“, ein hoher, aber konsequent mit Feuerwaffenscharten ausgestatteter Turm, 1455 unter Dach. Oschatz, wo die Rechnungen umfassende Ausbauten im 15. Jahrhundert belegen, besitzt noch einen Rundturm mit doppelten Kragsteinen als Rest der Brustwehr, der auf 1488/90 datiert wird; ein zweiter, nicht erhaltener stammte angeblich schon von 1479. Anderswo belegen allein noch die Quellen Ausbauten jener Phase. So soll Stolpen nach der Hussitenzerstörung 1429 (oder erst um 1470?) verlegt und ummauert worden sein; die Mauer besaß quadratische Türme neben den Toren und regelmäßig verteilte Rechteckschalen, nur einen Rundturm. In Werdau ist ein Inschriftstein aus den 1480er Jahren erhalten, Eilenburg wurde angeblich ab 1500 zum ersten Mal ummauert; schwer deutbare Baunachrichten liegen auch aus Mittweida, Zschopau (gesamte Mauer erst 15. Jahrhundert?) und Lauenstein vor. Zwinger spielten in Sachsen, wie schon Bautzen und Görlitz zeigten, eine bedeutende Rolle, die sich auch zeitlich enger eingrenzen lässt. Die Erwähnung eines Zaunes vor der Mauer in Chemnitz 1331 ist als aussagekräftiger, früher
Sonderfall schon angesprochen worden; der steinerne Zwinger als Nachfolger, der überwiegend halbrunde Streichwehren besaß, wird erst 1456 fassbar. Damit gehörte die Zwingeranlage wahrscheinlich in die Zeit der Hussitenzüge oder bald danach und eben dies wird in anderen Fällen noch deutUmlaufende Zwinger und Barbakanen licher (Freiberg, „parchen“ 1425; Dresden 1427–31; Kamenz ab 1432; eventuell Löbau 1432–59 und Großenhain nach der Einnahme 1429). In der Regel – nicht belegbar an den sehr geringen Resten in Penig, Colditz und Glauchau – besaßen die Zwinger Streichwehren, wobei halbrunde und rechteckige oft nebeneinander auftraten (Dresden, Großenhain, Zwickau, Zittau; in Pirna landseitig ein Außenwall mit Rechteckwehren). Dass dabei das Halbrund die jüngere, progressive Form war, ist wegen der meist ungeklärten Datierung nicht eindeutig festzustellen, aber jene Fälle, bei denen nach alten Darstellungen und Resten nur Rondelle auftraten, können als Indiz dienen (Torgau, Löbau, Oelsnitz, Plauen; in Meißen wurde 1484 ein Bollwerk auf Kosten des nahen Franziskanerklosters erbaut). Als späteste, ins 16. Jahrhundert herüberreichende Ausprägung kann man dabei jene länglich vorgestreckte Form ansprechen, die entweder einen etwas schmaleren „Hals“ besaß (Bautzen, Rochlitz) oder sich von der Hauptmauer bis in den Graben vor dem Zwinger erstreckte, sodass sie auch den Zwinger sperren und bestreichen konnten (Zittau wohl erst 1513–62; Zwickau 1486–1545; Pirna; vgl. Kapitel 24. Schlesien). Größere Reste findet man noch in Torgau (zwei Rondelle mit Backsteinscharten, wohl 16. Jahrhundert), Kamenz („Pichelturm“, schalenturmförmiges Rondell mit Rechteck- und Schlitzscharten), Oschatz (mit Resten von vier Rundwehren), Großenhain (mit Stümpfen zweier Rechteckwehren), Meißen („Afrafreiheit“, unter anderem zwei Scharten), geringere in Leisnig (zwei Rondellreste), Dippoldiswalde, Oelsnitz, Penig, Colditz und Glauchau. In Dresden wurde 1892 ein Rondell von 9 m Durchmesser und 1,75 m Mauerdicke ergraben, ein zweites 2003. Neue Befestigungen an den Toren waren, in Sachsen wie anderswo, entscheidende Teile der spätmittelalterlichen Verstärkungen. Sie sind fast überall der Stadtplanung des 19. Jahrhunderts 23. Sachsen
219
Abb. 469 Marienberg, das Zschopauer Tor, ein niedriger Torbau, entstand mit der 1541–66 errichteten Stadtbefestigung der Bergstadt. Es verfügte über Fallgatter und wenige seitliche Scharten, ein Graben fehlte.
zum Opfer gefallen; in Sachsen blieb nur ein einziger Bau erhalten, der – eigentlich allerdings schlesische – Görlitzer „Kaisertrutz“ (der so erst im 17. Jahrhundert genannt wurde). Er gehört als Sonderfall zum Typus der Barbakane – weit vorgestreckte Torzwinger mit gekrümmter Durchführung des Torweges und rondellartiger Rundung mit Geschützstellungen. Die älteren Pläne und Darstellungen zeigen die erstaunliche Verbreitung solcher Barbakanen in Sachsen – in der Tat liest sich eine Liste der nachweisbaren Barbakanen fast wie eine Liste der bedeutenden Städte des Landes, wobei in der Regel mehrere, oft sogar alle Tore Barbakanen besaßen (Bautzen, Chemnitz, Delitzsch, Dippoldiswalde, Dresden, Freiberg, Großenhain, Kamenz, Löbau, Oschatz, Plauen, Zwickau). Neben den Barbakanen war die einfachere (und wohl ältere) Form des rechteckigen Vortores in Sachsen nur selten zu finden (Chemnitz, Großenhain, Oelsnitz, Pirna); in Zittau gab es originelle Mischformen zwischen lang vorgestreckten Rechteckzwingern und Barbakanen.
220 Topographischer Teil
Neben einer Barbakane in Delitzsch – sie entstand nach Angaben einer Delegation, die 1451 eines der „krummen Tore“ in Naumburg studiert hatte – ist der Görlitzer „Kaisertrutz“ die einzige datierbare sächsische Barbakane, ab 1490 und bis 1541 erbaut (Abb. 222). Der mächtige Bau ist eine originelle Variante des Typus, denn der äußere, runde Teil – er allein ist erhalten, in den 1840er Jahren zur Wache umgebaut – war hier in sich abgeschlossen, ein vorgeschobenes Rondell ohne Durchführung des Torweges. Die Außenmauer war feldseitig bis zu 4,50 m dick, im Obergeschoss kragte ein Wehrgang vor. Besonders originell ist ein kleiner, achteckiger Aussichtsturm, der frei inmitten des runden Hofes steht. Den Abschluss des mittelalterlichen Städtebaues in Sachsen bildeten die „Bergstädte“ des Erzgebirges, die mit dem Vorrücken des Bergbaues um und nach 1500 entstanden; von ihnen zeigen Annaberg und Marienberg noch Befestigungsreste (Abb. 216). Annaberg, 1495 gegründet, 1503–40 ummauert, besaß eine Schiefermauer mit Wehrgang sowie vollrunde und u-förmige Rondelle mit einfachen Schlitzscharten – also eine Mauer, die gleichzeitig entstandenen Zwingermauern entsprach. Marienberg, 1521 gegründet, war bereits eine quadratische „Idealstadt“ im Sinne der Renaissance, deren Mauer ab 1541 teils auf Die Mauern der „BergKosten des Bergbauunstädte“ im 16. Jahrhundert ternehmers Ulrich Erckel errichtet wurde. Das „Zschopauer Tor“ ist ein Kubus mit nur zwei Obergeschossen, Rundbogentoren und Rundscharten, der gewölbt werden sollte – trotz der Einfachheit ein von der Renaissance geprägter Bau (Abb. 469). Die Mauer mit Wehrgangbögen über trapezoiden Pfeilern hatte große Eckrondelle, die mit Hosen-, Schlüssel- und Schlitzscharten ebenfalls ihre Entstehung im 16. Jahrhundert verraten. Dass Sachsen dann bereits im mittleren 16. Jahrhundert – vor allem in Dresden und Leipzig – zu hochmodernen, aus Italien angeregten Bastionsformen überging, unterstreicht ein weiteres Mal den damaligen Reichtum des Landes.
24. Schlesien Schlesien – das hier pragmatisch im Umfang der ehemaligen preußischen Provinz behandelt wird, jedoch mit der heutigen Westgrenze an der Görlitzer Neiße – war bis um 1200 ein Herzogtum im Königreich Polen. Die Bevölkerung war slawisch, und es gab bei den Fürstensitzen und Kastellaneiburgen zwar schon stadtähnliche Suburbien, aber noch keine Städte im Sinne des deutschen oder süd- und westeuropäischen Raumes. Erst Herzog Heinrich I. (1201–38) holte deutsche Siedler ins Land und mit ihnen auch neue Siedlungsformen und Rechtsmodelle. Die Stadt „nach deutschem Recht“, häufig von einem beauftragten, quasi als Unternehmer tätigen adligen „Lokator“ gegründet, tritt im Schlesien des 13. Jahrhunderts klar hervor (zum Beispiel Striegau 1242: civitas [...] Theutonico iure locata). In der Gründungsurkunde wurde verschiedentlich die schnelle Befestigung durch den Gründer zugesichert, etwa für Trachenberg 1253 (de nostris sumptibus civitatem blancis et fossatis munire). Bis ins 15./16. Jahrhundert entstand in den Teilherzogtümern, die sich aus Erbteilungen ergaben, eine erstaunliche Fülle von Städten, die sich allerdings nicht alle voll entwickelten; der Prozentsatz von Gründungen, die nie über Holzbefestigungen hinauskamen, ist in Schlesien – wie allgemein im Bereich der deutschen Ostkolonisation – sehr hoch (etwa 30–40 Prozent). Der in Schlesien noch beträchtliche Bestand erhaltener Bauteile – eine Übersicht zumindest für Niederschlesien bietet, leider nicht auf Deutsch, die Publikation Mury obronne miast dolnego slaska (Mauern der niederschlesischen Städte) von 1970 – lässt deutlich ein Nebeneinander unterschiedlicher formaler Gruppen erkennen. Dies passt nahtlos zum traditionellen Verständnis der schlesischen Architekturgeschichte des Mittelalters, in der man vor dem Hintergrund des kolonisatorischen Geschehens eine Mehrzahl verschiedener westlicher Einflüsse und „Importe“ zu finden meint. Dabei ist freilich auch nicht zu übersehen, dass ein wichtiger Grund dieser Vielfalt schon in den landschaftlichen Voraussetzungen liegt. Schlesien reicht – dem angrenzenden Sachsen ähnlich – von den Höhen
der Grenzgebirge gegen Böhmen und Mähren über ein geologisch komplexes Hügelland bis in die sandige, von der Oder durchflossene Tiefebene. Dementsprechend dienten im Südteil des Landes die verschiedensten Gesteine als Baumaterial, in der Regel als Bruchstein, während der Nordteil vom Backstein geprägt ist, der prinzipiell später auftrat und aufgrund seiner Kosten auch nur einem Teil der Flachlandstädte den Mauerbau erlaubte. Die frühen schlesischen Städte in der Ebene, die 1241 durch die Mongolen zerstört wurden – unter ihnen Breslau und Liegnitz –, besaßen noch keine Mauern, sondern wahrscheinlich Holzbefestigungen in der Tradition der hoch entwickelten slawischen Anlagen, an die sie auch fast alle anknüpften. Erst in den 1260er Jahren gibt es erste Belege für Mauern, wobei die wichtigen Städte entlang der „Hohen Straße“, dem West-Ost-Fernweg in der Ebene, und einige Bergbaustädte im Gebirge die Vorhut bildeten. Mit ihnen begann die bis ins mittlere 14. Jahrhundert reichende erste Hauptepoche schlesischen Mauerbaues, die an den Ersterwähnungen zwischen etwa 1280 und dem mittleren 14. Jahrhundert abzulesen ist. Auf sie folgte eine zweite Phase mit deutlich veränderten Mauerformen, die bis ins 15. Jahrhundert hineinreichte. Für die Mauern der ersten Phase war die regelmäßige, relativ enge Reihung gleicher Türme charakteristisch. Im südlichen Gebirgs- und Hügelland Niederschlesiens ist eine Gruppe mit rechteckigen Volltürmen erkennbar, im südlichen Oberschlesien dagegen eine Gruppe mit entsprechend gereihten halbrunden Schalen oder Volltürmen, die vielleicht von böhmischen Vorbildern abzuleiten ist. In die zweite Phase gehören im Backsteingebiet einige wenige Städte, die dem zur gleichen Zeit in Brandenburg üblichen „Wiekhaussystem“ zuzurechnen sind, mit eng gereihten Rechteckschalen und ohne Wehrgänge (vgl. Kapitel 26. Brandenburg). Weitaus üblicher wurden aber nun Mauern, die nur noch mit einigen wenigen Türmen ausgestattet waren, die neben den Toren und nur ausnahmsweise an anderer Stelle stan24. Schlesien 221
den; einige Kleinstadtmauern, die augenscheinlich völlig turmlos waren, sind wohl als Extremwerte dieser Gruppe zu verstehen. Breslau – Zentrum Schlesiens spätestens ab der Bistumsgründung im Jahre 1000, als Stadt schon im 12. Jahrhundert am Ufer nahe der slawischen Inselburg entstanden, 1204 civitas – wurde 1261, wesentlich vergrößert, neu gegründet und im folgenden Jahrzehnt ummauert. Eindeutige Reste dieser Mauer sind nicht erhalten, denn die BacksteinMauern mit Rechtecktürmen, teile im Osten und an Mitte des 13. bis Mitte der Oder, mit Zinnen des 14. Jahrhunderts und einem rechteckigen Turmrest, könnten auch erst zur zweiten Mauer (ab etwa 1290?) gehören, deren Verlauf dort der ersten Mauer entsprach. Die frühen Vogelschauen zeigen in dieser Mauer Tortürme, die in Niederschlesien sehr selten sind, und einfache Mauertore, aber die Mauer selbst war schon im 16. Jahrhundert verbaut.
Unter den frühen Mauern mit eng gereihten Türmen bilden einige niederschlesische Städte mit rechteckigen Volltürmen die wohl frühesten. Die Herkunft dieser Bauform ist unklar; man darf an frühe Mauern der unmittelbar anschließenden deutschen Gebiete denken, etwa Freiberg oder Erfurt, aber auch Mauern Süd- und Südwestdeutschlands. Gleichzeitig mit der Breslauer Mauer (1261–1301) entstand jene in Löwenberg, der rechtlich zweitältesten schlesischen Stadt (Stadtrecht 1217), aus hammerrechten Sandsteinquadern und mit WehrMauern mit Rundtürgang (Abb. 470). Sie zeigt men, 13. bis mittleres noch viele Stümpfe der vor14. Jahrhundert springenden rechteckigen Volltürme; auch der Turm neben dem „Bunzlauer Tor“ ist im Sockel so alt und daher wohl das früheste Beispiel für diese in (Nieder-)Schlesien zahlenmäßig klar dominierende Form des Turmes neben dem Tor. Im nahen Goldberg (Abb. 471) – Stadtrecht 1211 und damit die erste schlesische Stadtgründung – gibt
Abb. 470 Löwenberg, ein Abschnitt der ab 1261 entstandenen Hauptmauer im Süden, mit erhaltener Brustwehr und rechteckigem Turmstumpf im Hintergrund; die 1435–94 entstandene Zwingermauer ist hier nicht sichtbar.
222 Topographischer Teil
Abb. 471 Goldberg, ein Abschnitt der Hauptmauer im Osten mit halbrundem Turmstumpf und Resten der Zwingermauer. Goldberg ist zwar eine der ältesten Städte Schlesiens, jedoch scheint die Mauer erst im frühen 15. Jh. entstanden zu sein.
es technisch vergleichbare Mauerreste, und die Ansicht von Werner (1748) belegt auch an der südlichen Angriffsseite acht Rechtecktürme; jedoch zeigen die Mauerreste hier umfangreiche Reparaturen und Ergänzungen, darunter Rundtürme des 15. Jahrhunderts. Zur Gruppe der frühen niederschlesischen Anlagen mit Rechtecktürmen gehört ferner Bunzlau, das 1316 eine Mauer besaß; die erhaltenen Turmstümpfe, die wohl nicht ganz regelmäßig verteilt waren, ähnlich Goldberg, gehören überwiegend zu Volltürmen, aber mindestens einer war unten geöffnet und in etwa 6 m Höhe stichbogig geschlossen. Unklar ist der Fall von Freystadt; die Mauer besaß rechteckige Schalentürme ohne Wehrgangtüren, aber die backsteingefassten Feuerwaffenscharten in den Obergeschossen haben im 15./16. Jahrhundert das Bild offenbar entscheidend verändert. In Striegau soll Herzog Heinrich III. von Breslau († 1266) die Johanniter mit dem Mauerbau beauftragt haben, aber die geringen Reste der Hauptmauer aus Basaltbruchstein lassen kaum noch ein Urteil zu; ein isoliert erhaltener
Rechteckturm erinnert immerhin an Löwenberg und Goldberg. Auch die 1328 mitsamt dem Graben belegte Mauer von Strehlen besaß zumindest eine Rechteckschale, die im Unterbau des weit jüngeren „Pulverturms“ bewahrt ist. Als später Fall der niederschlesischen Gruppe mit Rechtecktürmen (Mitte bis zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts) ist die undatierbare Mauer des bedeutenden, im Flachland liegenden Glogau zu verstehen (gegründet 1253). Sie ist nur in weitgehend erneuerten Resten erhalten, bestand aber wohl einheitlich aus Backstein ohne Musterung. Offenbar gab es in größeren Abständen Rechteckschalen; zumindest eine besaß eine Außengliederung aus Rechteckblenden. Das allein in Resten erhaltene „Spitteltor“ war ein querrechteckiger, dreiräumiger Bau mit mittlerer Durchfahrt, gekehltem Torgewände und Fallgatter (Abb. 472); Vergleiche kann man in Böhmen (Prager Neustadt), aber auch im Deutschordensstaat suchen (Danzig, Thorn). Die zweite frühe Gruppe, die man im Hügelund Gebirgsland südlich von Breslau und in Ober24. Schlesien
223
Abb. 472 Glogau, die nach Kriegszerstörung stark ergänzten Reste des „Spitteltores“ im Süden lassen noch einen querrechteckigen, mehrräumigen Torbau erkennen, wobei das Kompartiment ganz links vielleicht als Turm leicht vorsprang. Die Mauer ist undatiert, dürfte aber ins 14. Jh. gehören.
schlesien findet, ist durch die Reihung halbrunder Türme charakterisiert. Nicht nur die Lage im Grenzgebirge gegen Böhmen, sondern auch bestimmte historische Zusammenhänge führen zu der Überlegung, ob hier böhmische Vorbilder umgesetzt wurden. Böhmen hatte früh Besitzungen im späteren Oberschlesien; 1312 unterstellte sich dieser Teil Schlesiens sogar böhmischer Oberhoheit, um so direkten Anschluss ans Reich zu finden. Leider sind die böhmischen Mauern bis heute nicht zusammenfassend dargestellt worden, ohnehin nicht in deutscher Sprache, sodass die Prüfung dieser Überlegung vertagt werden muss. Eine der frühesten Mauern dieser Einflusszone besitzt Leobschütz, das schon vor 1224 von Ottokar I. von Böhmen gegründet wurde; 1282 durften die Johanniter bereits zwei Pforten in die Mauer brechen. Zu den stark restaurierten Mauerresten gehören auch die Stümpfe von halbrunden Türmen und solchen, die zusätzlich eine feldseitige Spitze, einen „Bug“ haben (Abb. 473); diese Form ist in Schlesien sonst nicht nachweisbar. Fraglos noch ins 13. Jahrhundert gehört auch Reichenbach, wo 1333 bereits repariert wurde (Abb. 474). Die Mauer zeigt fast öffnungslose, halbrunde Schalen in Abständen von rund 20 m, 224 Topographischer Teil
Abb. 473 Leobschütz, die wohl um 1280 entstandene Mauer besitzt an der Südseite noch die Stümpfe von drei ursprünglich nur niedrigen Türmen, die feldseitig als „Bug“ zugespitzt sind – eine bei Stadtmauertürmen äußerst seltene Form.
die die wehrganglose Mauerkrone mit ihren Zinnen nur um etwa anderthalb Meter überragten. Dieses System ist ausgesprochen originell; die dichte Reihung halbrunder Türme tritt im deutschen Sprachraum sonst fast nur im Rheinland und an der Ostseeküste auf, aber nicht in Verbindung mit wehrganglosen Mauern, die wiederum charakteristisch für das sonst ganz andersartige und deutlich jüngere „Wiekhaus-System“ in Brandenburg sind. Bemerkenswert ist in Reichenbach auch der schmale, turmlose Zwinger, bei dem man durchaus erwägen darf, ob er zur Erstanlage gehörte. Direkt mit Reichenbach vergleichbar ist Münsterberg, bemerkenswert groß gegründet vor 1253, dessen Mauer 1336 belegt, aber wohl einige Jahrzehnte älter ist. Sie zeigt noch die Stümpfe zahlreicher nur 12–15 m voneinander entfernter(!) Halbrundschalen. Die Mauer ist ähnlich dünn wie in Reichenbach, der nur drei Geschosse hohe Turm des „Patschkauer Tores“ besitzt keine Wehrgangtüren; der im 15. Jahrhundert veränderte Torturm mag noch in die erste Bauzeit gehören.
Besterhaltenes Beispiel dieses Mauertypus ist aber das 1254 gegründete Patschkau, dessen Mauer erst Bischof Przecislaus (1342–76) zugeschrieben wird, der auch Neiße, Grottkau und Ziegenhals befestigte. Die Patschkauer Anlage unterscheidet sich aber von diesen Orten so stark, dass sie wohl einige Jahrzehnte älter ist. Offenbar besaß die noch bis zu 7 m hohe Mauer aus Schiefer anfangs keinen Wehrgang (vgl. Reichenbach), wie vor allem die fehlenden Türen in den Türmen zeigen; an der Talseite ist ein Wehrgang über teils aufwendigen, bogengetragenen Vorkragungen, die auch mühsam hinter den Türmen vorbeigeführt sind, wahrscheinlich sekundär ergänzt. Die Türme waren mit zwei Ausnahmen Halbrundschalen, von denen noch sieben in voller Höhe stehen; sie überragen den Wehrgang 1,5–5 m (Abb. 475). Ursprünglich öffnungslos, brach man später auf halber Höhe Scharten ein, ferner entstand eine Wehrplatte auf stadtseitigem Bogen und ein Spitzdach in Backstein; hierin wird man, zusammen mit dem sekundären Wehrgang der Mauer, den Umbau des Przecislaus sehen. Die
Abb. 474 Reichenbach, halbrunde Schalentürme an der Westseite der Mauer, die – 1333 erwähnt – noch ins späte 13. Jh. gehören könnte. Der turmlose Zwinger wird ins 15. Jh. datiert, könnte aber auch älter sein.
24. Schlesien
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Abb. 475 Patschkau, die halbrunden Schalentürme – hier in Außen- und Innenansicht – der wohl besterhaltenen Mauer Schlesiens gehen wahrscheinlich ins 13. Jh. zurück und wurden im mittleren 14. Jh. lediglich ergänzt und modernisiert.
Tore wurden im 15. Jahrhundert durch neue Türme verstärkt. In Frankenstein schließlich (Ersterweiterung 1287, Ersterweiterung der Mauer 1364) entsteht der Eindruck einer Schiefermauer, bei der man mitten im Bau zu Backstein überging, möglicherweise wegen Bauschäden, die an stark verformten Fundamentbögen ablesbar sind. Die erhaltenen Halbrundschalen, ganz unregelmäßig verteilt, sind bereits aus Backstein und besitzen Schlitzscharten in den Obergeschossen, was auf eine Entstehung erst gegen Mitte des 14. Jahrhunderts weist. Einige weitere Städte zeigen ihre Zugehörigkeit zur „Rundturmgruppe“ nur noch durch geringe, schwer datierbare Reste. Von den undatierten Mauern des seit 1276 belegbaren Bolkenhain 226 Topographischer Teil
sind im Wesentlichen die burgnahen Teile mit den Stümpfen mehrerer Rundschalen erhalten. Drei runde Türme zeigt auch noch die über 2 m dicke Mauer von Lauban, die 1318 fertig gewesen sein soll. Ein Rundturm blieb ferner in den geringen Mauerresten von Glatz erkennbar; ein suburbium unter der wichtigen Grenzburg ist schon 1114 belegt, die spätere Stadt könnte ihre Mauer durchaus noch vor 1300 erhalten haben. Sprottau (1260 civitas) zeigt bis zu 7 m hohe Mauerreste aus Feldstein mit Stümpfen von drei dicht stehenden Halbrundtürmen, ferner im Süden ein originales(?) stark restauriertes Backsteintor. Die Mauerreste in Naumburg am Queis mit drei Stümpfen halbrunder Türme gehören dagegen wohl erst in die Zeit um 1500.
In gewisser Weise die Synthese der beiden frühen Mauerformen war offenbar die nur in Resten erhaltene äußere Mauer von Breslau; nach alten Darstellungen (Weinher, Braun/Hogenberg) waren ihre dicht gereihten Türme in unregelmäßiger Folge rechteckig und halbrund. Das im Arsenal erhaltene Stück der Backsteinmauer bestätigt das beispielhaft, indem dort ein niedriger, quadratischer (Eck-)Turm – mit Spitzbogenfenster und vorgekragten Zinnen – neben einer Halbrundschale steht, die ab dem ersten Geschoss auch innen geschlossen ist. Man nimmt den Baubeginn dieser Mauer schon um 1290 an, aber noch 1337 verlieh der böhmische König der Stadt das Salzmonopol zu ihrem Bau. Neben turmreichen Mauern gab es in der Frühphase schlesischen Mauerbaues wahrscheinlich auch turmlose Kleinstadtmauern, die nach Umbauten und Abbrüchen schwer zu erkennen sind. Die Mauer von Habelschwerdt, in der Grafschaft Glatz nahe Böhmen, sei vorhanden gewesen, als König Johann von Böhmen 1319 das Stadtrecht verlieh; die drei erhaltenen Türme gehören aber erst ins 15. Jahrhundert, sodass die verbaute Mauer anfangs wohl turmlos war. Ähnlich ist Groß-Strehlitz einzuschätzen, wo 1324 Mauer, Graben und zwei Tore belegt sind, während der einzige erhaltene Turm in der schlichten BruchWeitere frühe Mauerformen steinmauer, der Campanile der Pfarrkirche, erst ins 15. Jahrhundert gehört. Sagan schließlich besitzt noch stark restaurierte Reste einer Feldsteinmauer, die wohl aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammt, nach Stadterweiterung 1284. Eine große Anzahl früher Mauern ist wegen des geringen Umfanges der Reste gar nicht mehr beurteilbar, darunter sind auch wichtige Städte. 1285 wurde die Mauer von Schweidnitz erwähnt, von der keine nennenswerten Reste blieben. Die Stadt neben der oberschlesischen Herzogsburg Ratibor, die schon 1217 belegbar ist, wurde bis 1273 mehrfach erweitert und wohl um 1299/1306 ummauert. Sie besaß rechteckige Voll- und Schalentürme, von denen nur eine Schale, im 16. Jahrhundert umgestaltet, erhalten ist. Parallelfall ist die spätere oberschlesische Hauptstadt Oppeln, deren Ummauerung noch vor 1300(?) angenommen wird; die geringen Reste, vor allem Stümpfe zweier polygonaler Türme in Backstein, wirken
eher jünger (zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts), und so können auch die indirekt überlieferten Rechteck- und Fünfecktürme(!) nicht datiert werden. Liegnitz, eine der wichtigsten Herzogsresidenzen, nach dem Mongolensturm 1252 neu gegründet, wurde etwa 1281–1326 ummauert (Ersterwähnung 1312), aber selbst der Verlauf dieser ersten Mauer ist nur noch grob bekannt. Praktisch nichts wissen wir auch über die verschwundene Mauer von Beuthen (1289 civitas), und in Brieg konnte bei jüngeren Grabungen nur der Grundriss des „Breslauer Torturmes“ geklärt werden; beide Mauern werden knapp vor bzw. um 1300 datiert (Brieg 1292 erweitert). 1306 ist die verschwundene Mauer des erst kurz zuvor gegründeten Cosel erwähnt. Nimptsch – eine Stadt in Berglage, Nachfolgerin einer Burg, die schon Thietmar von Merseburg erwähnte – soll ebenfalls vor 1300 ummauert worden sein, aber heute findet man nur noch Teile einer dünnen Bruchsteinmauer ohne Türme. Die Frage nach dem Aufkommen des Backsteins im Stadtmauerbau ist in Schlesien nicht einfach zu beantworten. Wären die Mauerreste an der Oderfront und im Osten der Innenstadt von Breslau mit Das Aufkommen des Backsteins Sicherheit der ersten Mauer zuzuweisen, so wäre Backstein hier von Anfang an, ab etwa 1260, in großem Umfang verwendet worden. Dass dies denkbar ist, belegen etwa die Ägidienkapelle auf der Dominsel oder der Saalbau der Burg Liegnitz, die wohl noch ein bis zwei Jahrzehnte älter sind. Aber auch, wenn man keine Reste der ersten Mauer von Breslau mehr akzeptieren will, so belegt die zweite dortige Mauer dennoch ein Aufkommen des Materials noch Ende des 13. Jahrhunderts, weil ihr Baubeginn gleichfalls noch um 1290 angesetzt wird. Ein bestätigendes Indiz mag man in der Musterung mit schwarzen Köpfen sehen, die auch in Schlesien erst an Bauten des mittleren 14. Jahrhunderts sicher nachzuweisen ist, während sie an den vermutlich frühen Bauten noch fehlt; die Köpfe erscheinen dann meist in regelmäßiger Verteilung, bilden aber keine linearen Muster, Rauten oder Ähnliches wie etwa in Ostpreußen. Ab dem 15. Jahrhundert ist Backstein dann auch in den gebirgigen Regionen weitverbreitet und wird – unter zunehmendem Verzicht auf eine aus dem Material entwickelte Architek24. Schlesien
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tur – immer häufiger in Mischung mit Naturstein aller Art eingesetzt. Ab dem mittleren 14. Jahrhundert setzten sich in Schlesien andere Mauerformen durch, soweit datierbare Fälle eine solche Aussage ermöglichen. Herrschte bis dahin die Reihung gleicher Türme, so wird dies nun zur Ausnahme – in Liegnitz entstehen noch gereihte Rechtecktürme, Lüben und Namslau übernehmen das brandenburgische Wiekhaussystem –, während in den vielen kleinen und mittleren Städten nun turmarme Mauern Mauern der Zeit um 1340–1400 üblich werden, mit in der Regel hohen Türmen nur noch neben den Toren oder ausnahmsweise an anderer exponierter Stelle. Der echte Torturm – mit Durchfahrt im Turmkörper, nicht daneben in der Mauer oder einem eigenständigen Torbau – ist in Abb. 476 Liegnitz, der Turm neben dem ehemaligen „Glogauer Tor“ der äußeren Mauer stammt aus der 2. Hälfte des 14. Jh. Er stand ohne Durchfahrt neben dem Tor, der heutige Durchgang entstand bei der Restaurierung im 19. Jh.
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dieser Phase, aus der recht viel erhalten ist, in Schlesien eine seltene Ausnahme. Die äußere Mauer von Liegnitz wurde nach dem Stadtbrand 1338 und einer erheblichen Stadterweiterung begonnen. 1345 durften jüdische Grabsteine pro structura benutzt werden, aber noch 1407 und 1409 ist von einem neuen Graben und dem Bau des inneren „Breslauer Tores“ die Rede. Nach alten Darstellungen besaß die Mauer etwa 30 Rechtecktürme, stand also in der Tradition früher niederschlesischer Mauern wie Goldberg, Löwenberg usw. Erhalten sind nur die quadratischen Türme neben dem ehemaligen „Glogauer“ und „Haynauer Tor“, in Backstein mit Mustern aus schwarzen Köpfen, gegliedert durch Wasserschläge bzw. Sockel aus Formsteinen (Abb. 476). Das aufwendigere „Haynauer Tor“ zeigt zudem Reste von Blendengliederungen und originale Stichbogenfenster an der Wehrplatte; der Ansatz des 8 m hohen Torbaues mit Satteldach ist erkennbar. Bischof Przecislaus von Breslau (1342–76) hat in seinem Territorium offenbar ein regelrechtes Mauerbauprogramm inszeniert. Die Mauer der bischöflichen Hauptstadt Neiße, aus Backstein über einem hohen Natursteinsockel, wurde im mittleren 14. Jahrhundert begonnen (Ersterwähnung 1354) und besaß weit überwiegend Rechtecktürme. Erhalten sind auch hier nur zwei mächtige quadratische Türme neben dem „Breslauer“ und „Münsterberger Tor“, die kaum vor dem späten 14. Jahrhundert entstanden. Der Letztere besitzt im zweiten Obergeschoss Blenden in Form von Kreuzstockfenstern und ehemals eine vorkragende Wehrplatte; das Tor nördlich daneben war ein Mauertor. Im nahen Zülz steht noch ein Backsteinturm („Stockhausturm“, Abb. 477) neben dem ehemaligen „Neustädter Tor“, der den Neißer Türmen eng verwandt, aber weniger verändert ist. Insbesondere die Gleichheit der symmetrisch gegliederten Wände und die Blendengliederung im oberen Teil, die in origineller Weise in den Spitzbogenfries unter der Wehrplatte übergeht, zeigen hohen formalen Anspruch; selten ist auch die ehemalige Zugbrücke vor dem Einstieg. Auch das benachbarte Grottkau dürfte seine technisch einheitliche Backsteinmauer erst durch Bischof Przecislaus erhalten haben, obwohl ihm chronikalisch „nur“ die Türme zugeschrieben
werden, die Tore und die Befestigung aber schon 1299–1301 belegt sind. Neben den Tortürmen gab es offenbar nur eine, höchstens zwei rechteckige Schalen. Das „Löwener Tor“ ist ein echter Torturm, der wie Teile der Mauer einen Kreuzverband und eine Musterung durch schwarze Köpfe zeigt; das Fallgatter lag in einer hohen Spitzbogennische. Die Bekrönung entstammt erst der Zeit um 1600, als auch die kleineren Türme am „Münsterberger“ und „Breslauertor“ umgestaltet wurden; beide standen neben der Torfahrt. Auch in Ottmachau ordnete derselbe Bischof 1348 den Mauerbau an, der 1369 als vollendet bestätigt wird(!). Leider sind nur geringe Reste in Bruchstein und Backstein erhalten, auch der Stumpf eines Halbrundturmes und der im 16. Jahrhundert umgestaltete Turm neben dem „Neißer Tor“. Auch die Befestigung von Ziegenhals wird Przecislaus zugeschrieben; der allein erhaltene schlanke Turm neben dem früheren „Obertor“ passt zu dieser Datierung. Im Nordteil Schlesiens entstand, unter dem hier 1348–58 residierenden Herzog Wenzel I., die Mauer von Lüben, eine Variante des brandenburgischen „Wiekhaussystems“. Das besterhaltene von noch sieben nachweisbaren Wiekhäusern, auch hier mit dem zeittypischen Muster aus schwarzen Köpfen, war erdgeschossig im Spitzbogen zur Stadt geöffnet, besaß im ersten Obergeschoss Schlitzscharten und im zweiten bereits die Wehrplatte mit Stichbogenfenstern (Abb. 478). Rechteckform, geringe Höhe und die regelmäßige Verteilung der Türme sind auch in Brandenburg typisch, ebenso kommt das stadtseitige Schließen der Obergeschosse vor; unüblich ist dort der Wehrgang der Mauer, der hier durch die Pforten des Turmes belegt ist. Schlesisch ist wiederum der quadratische Turm neben dem ehemaligen „Glogauer Tor“, an dem der Ansatz des viergeschossigen(!) Torbaues erkennbar blieb. Namslau war bis 1348, als Karl IV. es erwarb, „alleyne mit blancken und graben befestiget“. Zwei Jahre später legte der Kaiser selbst den Grundstein zur Mauer, deren Bau selten gut dokumentiert ist. 1359 mahnte der Kaiser die Fertigstellung an, 1371 waren die beiden Haupttore vollendet, 1388 das Wassertor im Bau. In den 1390er Jahren sind Arbeiten an verschiedenen Türmen belegt, 1415 war die Mauer vollendet. Die meisten der ehemals 45 Türme, selten bis
Abb. 477 Zülz, der Turm neben dem ehemaligen „Neustädter Tor“, fraglos erst aus dem 15. Jh., erinnert mit seiner Bekrönung an lombardische Vorbilder. Ungewöhnlich ist auch die ehemalige Zugbrücke vor der Pforte, die zum Wehrgang der verschwundenen Mauer führte.
zum ersten Obergeschoss erhalten, waren wiekhausartige Rechteckschalen; das Mauerwerk zeigt die zeittypischen Muster aus schwarzen Köpfen. Das „Krakauer Tor“, ein Mauertor, ist ausgebrochen, aber die hohe Stichbogennische für das Fallgatter darüber erhalten; es wurde durch einen 26 m hohen quadratischen Turm neben dem Tor gesichert. Gut erhalten sind auch die beiden Durchlässe für den Mühlenkanal im Norden der Stadt. 24. Schlesien
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Neumarkt bei Breslau, schon vor 1223 angelegt und Entstehungsort eines wichtigen Stadtrechtes, erhielt offenbar auch erst im mittleren 14. Jahrhundert eine Backsteinmauer, die teils turmlos durchlief, teils rechteckige Wiekhäuser und vorkragende Wehrerker (vgl. Bernstadt) besitzt; der turmlose (ältere?) Teil im Westen und Norden wurde wohl im 15. Jahrhundert durch Rundtürme verschiedener Größe verstärkt, die teils durch Ausbrüche der Mauer zu Schalen wurden. Noch weiter südlich zeigen auch die Reste in Falkenberg, mit verstreuten schwarzen Köpfen, Stümpfe von gereihten Rechtecktürmen, die allerdings um die 40 m Abstand hatten. Auch die nicht näher datierbare Mauer von Gleiwitz, aus Backstein mit einzelnen schwarzen Köpfen, gemischt mit Kalkstein, besaß dicht gereihte, flache Rechteckschalen und wenige rechteckige Volltürme; erhalten sind nur verbaute Teile. Das besterhaltene Beispiel einer Befestigung mit Türmen fast nur an den Toren ist Pitschen, dessen Backsteinmauer fast vollständig erhalten,
aber undatiert ist; Gesamtform und Musterung mit schwarzen Köpfen deuten auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts (Abb. 479). Die hoch erhaltene Mauer war wehrganglos, wie die fehlenden Türen in den Türmen bestätigen; Verzahnungen alle 12–15 m deuten auf abschnittsweise erfolgtes Ersetzen einer Holzbefestigung. Die sehr hohen quadratischen Türme am „Polnischen Tor“ und im Süden („Sandturm“) haben hoch liegende Einstiege, wenige Schlitze und Spitz- bzw. Stichbogenfenster an der Wehrplatte; der Turm neben dem „Deutschen Tor“ ist eine niedrigere Variante. Neben den drei Türmen akzentuierte auch der ehemals gezinnte Kirchturm die Stadtsilhouette. Auch die 2,10 m dicke Bruchsteinmauer von Jauer, teils bis zu den Zinnen erhalten, besaß offenbar nur Tortürme; allein jener neben dem „Striegauer Tor“ ist erhalten, ein schlanker Achteckturm auf quadratischem Sockel, der mit Schrägsockel, Gesimsen am Übergang zum Achteck und unter den Zinnen, kleinen Spitzbogen-
Abb. 478 Lüben, das weit nördlich im niederschlesischen Flachland liegt, erhielt im mittleren 14. Jh. eine Mauer aus Feld- und Backstein, an der mehrere Türme stark an brandenburgische Wiekhäuser erinnern.
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Abb. 479 Pitschen, die undatierte Stadtmauer (um 1400?) besaß nur drei Türme, davon zwei neben den Toren, die durch ihre besondere Höhe auffallen (Chr. Herrmann).
fenstern und dem gemauerten Spitzhelm formalen Anspruch erhebt. Er gehört zweifellos ins spätere 14. Jahrhundert; ganz ähnlich ist der Turm am „Niedertor“ in Neustadt, mit wohl jüngeren Schlüsselscharten und Zierzinnen. 1378 wurde auch der achteckige „Schnabelturm“ in Striegau mit einem auf Doppelkonsolen herumgeführten Wehrgang, der erst sekundär einen quadratischen Sockel erhielt, der älteren Mauer eingefügt. Isolierte Türme des späteren 14. Jahrhunderts sind in Guhrau, Krappitz und Haynau erhalten. In Guhrau blieb von der ausgedehnten, 1375– 1477 entstandenen Backsteinmauer nur der quadratische „Dohlenturm“ neben dem ehemaligen
„Glogauer Tor“; Zickzackmuster aus schwarzen Köpfen, Schlitzscharten, eine hoch gelegene Spitzbogenpforte und Stichbogenfenster an der Wehrplatte passen in die Zeit. In Krappitz steht neben geringen Mauerresten mit dem Stumpf einer Halbrundschale vor allem ein im Grundriss länglicher Torturm („Obertor“). Haynau (1288 civitas) besitzt geringe Reste einer 1357 erwähnten Basaltbruchsteinmauer, wobei der einzig erhaltene, quadratische „Weberturm“ aus Backstein ist. Die Tendenz zum Turmverzicht in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hat vielleicht auch turmlose Mauern hervorgebracht, insbesondere bei kleineren Städten im Backsteinge24. Schlesien
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biet; in manchen Fällen mag es freilich Türme an den Toren gegeben haben, die undokumentiert verschwanden. 1396 ist die Mauer von Kreuzburg erwähnt, in Backstein mit Rautenmuster aus schwarzen Köpfen; eine alte Abbildung zeigt ein offenbar turmloses Tor, der Bergfried der Burg stand im Mauerverlauf. In Bernstadt ist ein beidseitig über vier hohen Konsolen vorgekragter Wehrerker erhalten, auch hier steht der Bergfried der Burg in der Mauer. Fraustadt mag ebenfalls in diese Gruppe gehört haben, und schließlich sind von der Backsteinmauer von Wohlau erhebliche Reste erhalten, mit verstreuten schwarzen Köpfen und ohne nachweisbare Türme. Minimale Reste von Backsteinmauern findet man auch in Winzig, wo erst 1354 ein Backsteinbau die Holzkirche ersetzte, in Oberglogau (der dortige „Stockhausturm“ war wohl Bergfried einer Stadtburg), in Priebus, Sohrau und Steinau. Das 15. und das 16. Jahrhundert, eigentlich hier und anderswo eine Epoche des Ausklanges und Überganges, haben die schlesischen Mauern nochmals entscheidend verändert. Die Verstärkung der Hauptmauer mit zusätzlichen Türmen – eine Tendenz, die schon vor 1400 einsetzte – und die große Anzahl von Zwingeranlagen veränderten das Gesamtbild oft entscheidend. Schließlich prägNeue Mauern des 15. Jahrhunderts ten im späten 16. Jahrhundert italienisierende Attiken auf den Türmen ein charakteristisches, auch in Böhmen, Polen und Russland ähnlich anzutreffendes Bild. Nach 1400 entstanden auch in Schlesien kaum noch gänzlich neue Mauern. Greifenberg erhielt erst 1404 das Recht, sich zu ummauern; erhalten sind turmlose Bruchsteinmauerreste. Die fast verschwundene Mauer von Wünschelburg war 1418 vollendet, woraufhin die Stadt das Recht von Glatz erhielt; die 1428 begonnene Mauer von Parchwitz ist verschwunden, ebenso wie weitgehend die 1429 zuerst erwähnte von Kanth. Im gleichen Jahr verpflichtete Herzog Heinrich IX. von Glogau die Bürger von Grünberg zum Mauerbau; neben geringen Mauerresten steht noch der im 16./18. Jahrhundert veränderte Backsteinturm des 1487 wohl nachträglich eingefügten „Neutors“. Auch die Mauer von Freiburg – erhalten ist nur ein Mauerstück aus Naturstein mit einem Rechteckturm – wird (mit Recht?) erst ins frühe 15. Jahrhundert gesetzt. Die ursprünglich 232 Topographischer Teil
ab 1320 entstandene Mauer der Herzogsresidenz Oels wurde 1410 zum Schutz eines 1380 auf dem Graben erbauten Benediktinerklosters erweitert. Die nur mit einem einzigen Türmchen ausgestatteten Backsteinmauerreste nahe der Klosterkirche können erst in diese Phase gehören und wahrscheinlich auch der (nach Umgestaltung im 16. Jahrhundert regotisierte) Torturm des „Breslauer Tores“, mit reicher Blendgliederung in den Obergeschossen. Noch bescheidener wurde 1423 die schon 1263 gegründete Breslauer „Neustadt“ gesichert, die noch im 16. Jahrhundert neben einem Torturm nur Erdwälle besaß. Die Verstärkung bestehender Mauern durch Türme war im 15./16. Jahrhundert wahrscheinlich auch in Schlesien häufiger als heute erkennbar, denn bei isoliert erhaltenen Türmen, bei kleinteiligem Bruchsteinwerk oder Putz sind die Umbauspuren meist verwischt oder verdeckt. Die eindeutigen Beispiele lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. Einerseits entstanden nun hohe und aufwendig gestaltete Türme neben den Verstärkung der Hauptmauer durch Türme Toren, die vor allem solim 15. Jahrhundert che Mauern akzentuieren sollten, die bisher gar keine oder viele gleichartige Türme besaßen; hier ging es im Grunde also darum, vorhandene Mauern dem jüngeren Ideal der Mauer mit nur wenigen, aber umso stärker wirksamen Türmen anzupassen. Der andere Fall war einfach die Verstärkung zu schwacher Mauern. Die eindrucksvollsten Beispiele des ersten Falles sind heute die Türme neben ehemaligen Toren in Habelschwerdt, Patschkau, Goldberg und Löwenberg. Vielleicht die ältesten Beispiele (erste Hälfte des 15. Jahrhunderts?) mögen die schlichten quadratischen Türme in Habelschwerdt sein, als Kirchturm, neben dem „Glatzer Tor“ (mit Spuren des hohen Torbaues), und schließlich als echter Torturm („Wassertor“) mit rundbogiger Fallgatterblende. Neben Habelschwerdt findet man nur noch am „Breslauer Tor“ in Patschkau einen quadratischen Turm, der für einen Mauerturm aufwendig ausgestattet ist: Sockelprofil und Wasserschläge, Spitzbogenfenster, vorkragende Wehrplatte mit Blendgliederung in Backstein und allseitigem Mittelerker, Backsteinspitze. Der Turm am „Glatzer Tor“ ist dagegen unten quadratisch, mit abgeschrägten Ecken, und
Abb. 480 Löwenberg, der Turm neben dem ehemaligen „Laubaner Tor“ ist ein Rundturm auf quadratischem Sockel, wie er in Schlesien öfter vorkommt. Der Sockel dürfte aus der Zeit des Stadtmauerbaues stammen (1261–1301), der Aufbau von 1616–20 (vgl. Abb. 73).
wird erst über einem Gesims mit Wasserspeiern rund. Damit – und mit dem Rundturm am „Frankensteiner Tor“ – tritt die in dieser Phase vorherrschende Form auf. Der „Schmiedeturm“ neben dem ehemaligen Obertor von Goldberg – besterhaltener unter mehreren Bauteilen des 15. Jahrhunderts – ist gleichfalls rund, wirkt aber durch mehrfache senkrechte Quaderbänderung polygonal; auch er besitzt (monolithische) Spitzbogenfenster und eine vorkragende Wehrplatte, die durch Erker und Rundzinnen zusätzlich betont ist (Abb. 148). Neben dem „Bunzlauer“ und „Laubaner Tor“ in Löwenberg stehen gleichfalls Rundtürme auf einem eckigen Sockel, die jüngsten, schon ins 16.
Jahrhundert gehörenden Beispiele (Abb. 480). Der Oberbau des Ersteren ist auf einen Rechteckturm des 13. Jahrhunderts aufgesetzt und zeigt seine späte Entstehung nur durch Gesims und Fenster der Wehrplatte; der formal ähnliche Turm am „Laubaner Tor ist dagegen ein Neubau von 1616–20, was in der Rustikapforte, den mehrfachen Gesimsen und den Rundscharten der Wehrplatte besonders deutlich wird. Weit unauffälliger sind sekundäre Türme in Neustadt (Backsteinturm mit Stichbogenfries als Rest der Wehrplatte), Neumarkt (halbrunde Flankierungstürme an einer zuvor turmarmen Mauer) und Strehlen („Pulverturm“, eine Aufstockung des 16. Jahrhunderts). Sonderfälle bilden ein weiterer schlanker Backsteinturm in Neustadt, der wohl eine Wasserkunst beherbergte(?), und der kräftige, ins Achteck übergehende und barock umgestaltete „Campanile“ der Pfarrkirche von Groß-Strehlitz. In den 1420er/1430er Jahren lag auch Schlesien – wie Sachsen und Franken – im Aktionsbereich der Hussiten, in dem im 15. Jahrhundert überall Umlaufende Zwinger und Außenwälle Befestigungen modernisiert wurden; in Liegnitz baute man 1433 ausdrücklich „wedir dy ungetrawen ketzer zu Behem“. Umlaufende Zwinger waren in dieser Zeit besonders verbreitet, auch in Schlesien; das wird auf den Darstellungen des 17./18. Jahrhunderts (Matthäus Merian, Werner) sehr deutlich, aber auch die erhaltenen Teile sind beträchtlich. Dass es schon vor dieser Epoche gelegentlich umlaufende Zwinger gab, legt allein Reichenbach nahe, dessen Zwinger ungewöhnlich schmal und völlig turmlos war (um 1300?). Die Zwinger des 15. Jahrhunderts werden dagegen durch Streichwehren charakterisiert, unter denen besonders lang gestreckte, hufeisenförmige Anlagen auffallen; sie sprangen nicht nur in den Graben vor, sondern setzten bereits an der Hauptmauer an, sodass sie auch den Innenraum des Zwingers bestreichen konnten – oder, wenn es einen Außenwall gab, sogar den inneren Graben und den Wall zusammen. Solche Bauten bzw. alle größeren Rondelle wurden in Schlesien häufig „Bastei“ genannt (wobei das polnische „baszta“ einfach „Turm“ bedeutet). Das bedeutendste erhaltene Beispiel solcher weit vorgestreckter 24. Schlesien
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Abb. 481 Löwenberg, eine der in Schlesien verbreiteten Streichwehren, die von der Hauptmauer über den Zwinger hinaus in den Graben vorsprangen; die Zwingermauer ist rechts sichtbar, der Graben leider zugeschüttet. Die Streichwehr wurde nach örtlicher Forschung von Hieronymus Archonatti aus Mailand Mitte des 16. Jh. erbaut.
„Basteien“ deckte in Breslau den Einfluss der Ohle (Abb. 178). Der 13 m breite und fast 50 m lange Backsteinbau über einem Sockel aus Kalksteinrustika wurde wohl 1486 begonnen, zeigt zwei originelle kleine Erkertürmchen und Rundscharten, teils in Hosenform. Sonst sind die zweifellos vorbildhaften Zwingeranlagen der großen schlesischen Städte fast restlos verschwunden. Schon 1417 ist der Zwinger von Neiße erwähnt, von seinen halbrunden Streichwehren blieb nur ein Rest beim „Jesuitenkolleg“. 1483 wird in Liegnitz ein Meister Urban für den Bau von „Basteien“ bezahlt, was wohl auf den ganz verschwundenen Zwinger bezogen werden darf; ähnliche Überlegungen kann man an die 1486 erwähnten „neuen Mauern“ von Schweidnitz knüpfen. Auch Breslau erhielt wohl erst im späten 15. Jahrhundert einen Zwinger, der ab 1562 als Wall aufgeschüttet und später völlig abgetragen wurde. Über den Zwinger von Glogau wissen wir überhaupt nichts mehr, aber zumindest bezeugen drei Statuen des ehemaligen Odertors, von 1505, noch späte Ausbauten. So findet man heute die besterhaltenen Zwinger in einigen Klein- und Mittelstädten. Jener von Löwenberg, um 1435–94 entstanden, zeigt halbrunde und weit vorgezogene, u-förmige Streichwehren, teilweise noch mit Schlitzscharten, die innen in hohen Stichbogennischen liegen (Abb. 481). Ähnlich ist der Bestand in Freystadt, mit immerhin sieben langen Streichwehren 234 Topographischer Teil
und einem kräftigen Rondell neben dem zerstörten „Crossener Tor“; neben vielen Schlitzscharten findet man auch hier nur eine einzige Schlüsselscharte. Ab 1479 dürfte der Zwinger von Bunzlau (1251 civitas) entstanden sein (traditionell wird das Datum dort auf die gesamte Mauer bezogen), der ungewöhnlich hohe Halbrundtürme zeigte, in einem Falle mit ebenfalls hier seltener Schlitzscharte mit dreieckigem Fuß. Nur niedrige Reste mit zwei flach-runden und einer rechteckigen Streichwehr gibt es noch in Namslau; der „Parchen“ (parcham, eventuell slawisiert aus „Pferch“ = Zwinger) war dort 1471 und 1488, damals mit zwei „Basteien“, im Bau. Geringe Reste gibt es in Striegau, auch mit runden Streichwehren, und ähnlich in Hirschberg. In Patschkau wird ein Zwinger noch im 18. Jahrhundert beschrieben, ist aber spurlos verschwunden; und in Lauban könnte ein Zoll 1498 der Anlage des Zwingers gedient haben, von dem es aber keine Spuren gibt. Außenwälle bzw. eine Verdoppelung des Grabens kamen in Schlesien sicher häufiger vor, insbesondere im flachen Teil des Landes, aber, soweit es sich um reine Erdanlagen handelte, ist wenig erhalten geblieben. Gelegentlich findet man die Wallgräben noch in Parkanlagen (Kreuzburg), öfter nur noch als Straßennamen (Gleiwitz, ehemals „Niederwallstraße“). 1510–59 sei der Außenwall von Jauer entstanden, der durch drei besonders lange Streichwehren gesichert war. Erhal-
ten ist die Ruine der „Engelsburg“, eines rund 20 m langen(!) Baues, der mit seinen Pforten zur Stadt bzw. zum Graben und den Schlitzscharten in verschiedenformigen Nischen gut erhalten ist; der äußerste, gerundete Teil war unterkellert und besaß dort wohl weitere Scharten. Torzwinger und Barbakanen gehören allgemein zu den typischen Verstärkungen des 15./16. Jahrhunderts, nicht nur, aber vor allem im Zusammenhang umlaufender Zwinger; im Einflussgebiet der Hussiten, das neben Franken und Sachsen auch Schlesien umfasste, galt dies in eher noch höherem Torzwinger und Barbakanen Maße. Die Verluste dieser Anlagen, die im 19. Jahrhundert den Straßen im Wege standen, sind auch hier sehr hoch, aber mehrere recht verschiedene Arten lassen sich noch erkennen. Die Barbakanen, rondellähnliche Vortore, deren berühmteste und größte Vertreter Schlesien quasi einrahmen – das Krakauer „Florianitor“ und der Görlitzer „Kaisertrutz“ (Abb. 222) –, sind in Schlesien erstaunlicherweise nicht häufig gewesen, unter anderem sind sie noch in Breslau („Ohlauer Tor“), Glogau und Oppeln auf alten Abbildungen nachweisbar. Augenscheinlich häufiger als die in ihrer Gänze rondellförmigen, eigentlichen Barbakanen waren in Schlesien etwas sparsamere Torzwinger, deren Front aus dem Tor und einem flankierenden Rondell bestand. In Nimptsch sind vor beiden Toren noch Reste schartenreicher Flankenmauern erhalten, am „Obertor“ zudem die dreigeschossige, halbrunde Streichwehr. Auch die meisten Tore von Schweidnitz sahen so aus, wie Matthäus Merian zeigt, und auch das vorderste Werk des „Zolltores“ in Neiße; beim Nordtor von Fraustadt wird man diese Form nach einem verbaut erhaltenen Rondell vermuten. Auch der bedeutendste Baurest eines späten Vortores in Schlesien, die Antoniuskapelle vor dem „Haidauer Tor“ in Striegau, gehört zu diesem Typus, denn ihr runder, mit Scharten versehener Chor sprang flankierend neben dem Tor vor; die Kapelle, die auch eine Wehrplatte besitzt, entstand nach Portal- und Fensterformen, beide im Inneren des Torzwingers, um 1500 (Abb. 482). Noch unaufwendigere (ältere?) Torzwinger verzichteten auf das Rondell. Einen langen Rechteckzwinger hatte das „Breslauer Tor“ in
Abb. 482 Striegau, die um 1500 erbaute Antoniuskapelle war Teil eines Vorwerkes vor dem „Neutor“; die Abbruchstelle des äußeren Tores ist sichtbar. Die Apsis enthält Schießscharten, ebenso wie die nicht sichtbare Nordwand, die den Graben flankierte.
Brieg, ergänzt durch einen Sonderzwinger um das Stiftsgebäude in der benachbarten Burg. In Gleiwitz zeigt die Ausgrabung am „Ratiborer Tor“, dass der Zwinger in Wahrheit eine befestigte Grabenbrücke war und das Außentor als Brückenkopf auf der Außenböschung stand; so sahen auch die verschwundenen Vortore in Neiße aus. Unklar bleibt die Form des „Breslauer“ und des „Steinauer Tores“ in Wohlau, die das Datum „1601“ bzw. „1654“ trugen. Die aufwendigsten, leider verschwundenen Anlagen besaß aber – neben der Barbakane am „Ohlauer Tor“ – Breslau. Das Vorwerk am „Schweidnitzer Tor“ erreichte fast die Größe einer Vorstadt und umschloss mehrere Kirchen und Kapellen, ein Hospital und die Kreuzherrenkommende; aus seiner Mauer sprangen Rondelle verschiedener Größe vor. Kleiner, aber ebenfalls mit mehreren Streichwehren versehen, war das Vorwerk des „Nikolaitores“. Im 16. Jahrhundert wurde im gesamten östlichen Mitteleuropa und auch in Schlesien viel gebaut; Renaissanceformen prägen daher die Ar24. Schlesien
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chitektur dieser Länder, vor allem in den Städten. An den Stadtbefestigungen gilt dies allerdings überwiegend in dem Sinne, Das 16. Jahrhundert dass bestehende Bauten neu dekoriert wurden, insbesondere die Türme an den Toren. Die Verstärkung der eigentlichen Befestigungen bestand Anfang des 16. Jahrhunderts in Schlesien meist in Erdwällen, ausgestattet mit Erdrondellen und Streichwehren; von solchen Anlagen, etwa in Breslau, Liegnitz (1530–63) und Schweidnitz (1526 Neubau des Zwingers, der bis dahin „von Leime“, also aus Lehm, war), gibt es keine Reste mehr – mit Ausnahme der schon beschriebenen „Engelsburg“ in Jauer, die ja Teil eines um 1510–38 entstandenen Außenwalles war. Neubauten von Türmen der Hauptmauer findet man nach 1500 nur noch ausnahmsweise. Die 1514 und gar 1584 erbauten zwei Rundtürme in Hirschberg sind Nachfolger von Türmen, die 1480 bzw. 1550 eingestürzt waren; der Grund der zwei schon erwähnten Neubauten in Löwenberg, jener am „Bunzlauer Tor“ erst von 1616/20, bleibt unbekannt. Auch den Kirchturm von Kanth, der einen Umgang mit spielerischen Erkertürmchen besitzt, kann man in diesem Zusammenhang nennen und einfache Torneubauten wie in Oberglogau und ehemals in Glatz, wo das bis zum 19. Jahrhundert erhaltene „Böhmische Tor“ „1568“ als einfacher Bau mit Sterngewölbe neu entstand.
Weitaus häufiger war jedoch die Neudekorierung von Türmen des 13.–15. Jahrhunderts, vor allem an den Toren, durch Putz, farbige Gestaltung und neue Bekrönungen. Von Putz und Farben ist freilich nur noch in Ausnahmefällen etwas erhalten; der Turm am „Neißer Tor“ in Ottmachau zeigt restaurierten Renaissanceputz, der „Breslauer Torturm“ in Oels war noch um 1900 verputzt, dann wurde er „regotisiert“, und heute zeugen nur noch die Zinnen von seiner Adaption für Feuerwaffen. Besonders charakteristisch für die Renaissancearchitektur des östlichen Mitteleuropa waren jedoch geputzte Attiken mit gereihten Pilastern, Blendbögen und italienisierenden Zierzinnen, auch sie ursprünglich sicher farbig gefasst. Sie waren mit begrenztem Aufwand hinzuzufügen und prägten dennoch das Erscheinungsbild der Bürgerhäuser, der Repräsentationsbauten und eben auch der Mauertürme so stark, dass das höhere Alter der Türme selbst geradezu in Vergessenheit geraten konnte; tatsächlich neigen die deutschen Inventare der Zeit um 1900 zu entsprechenden Spätdatierungen ganzer Türme oder gar Mauern. Wohlerhaltene Attiken findet man noch auf Tortürmen in Grottkau, Haynau, Krappitz, Lauban, Neustadt, Patschkau, Ratibor und Ziegenhals sowie auf Mauertürmen in Frankenstein und Leobschütz (Mauerturm); einen barocken Spätling beherbergt Grünberg.
25. Niedersachsen und Schleswig-Holstein Die norddeutsche Tiefebene grenzt sich durch ihre geologischen Merkmale und ihre Landschaftsform deutlich von der südlich angrenzenden Mittelgebirgszone ab. Dieser andere Charakter hat auch im mittelalterlichen Städtewesen und in der Art und Entstehungszeit der Stadtbefestigungen Konsequenzen gehabt, die bis heute unübersehbar sind (und die man im weiteren Nordeuropa, insbesondere in Skandinavien, ganz entsprechend findet). Die eiszeitlichen Sandböden begrenzten den landwirtschaftlichen Ertrag und ließen nur eine geringere Siedlungsdichte als in den Mittelgebirgen zu. Auch die Städte blieben daher seltener als 236 Topographischer Teil
anderswo, und ihre wirtschaftliche Entwicklung verlief – mit Ausnahme einiger großer Hafenund Handelsstädte – meist langsamer. Hinzu kam der Mangel an Stein als Baumaterial. Feldstein als weitere typische Hinterlassenschaft der Eiszeit musste mühsam gesammelt werden, die Technologie des Backsteins wurde importiert und war teuer. Erst, wenn eine hinreichende Infrastruktur von Tongruben und Ziegelbrennereien entwickelt war, konnte eine Stadt die umfangreiche Bauaufgabe einer Stadtmauer in Angriff nehmen. Bis dahin waren Sand, Wasser und Holz die leichter verfügbaren Mittel, wie die oft tief gestaffelten Wallgrabensysteme zeigen. Die Mauern
sind von Feldstein in den unteren Teilen geprägt – im Fundamentbereich wegen der Resistenz gegen Nässe, im aufgehenden Bereich wegen der geringeren Kosten des Materials – und von Backstein in den oberen, wo sauberer Verband und Schmuckformen eine größere Rolle spielten. Ein weiteres Merkmal, das die norddeutschen Städte und ihre Mauern prägte, lag in der Tatsache, dass der weit größere Ostteil Norddeutschlands zunächst von Slawen besiedelt war und dass dort erst im Hochmittelalter Städte deutschen Rechtes entstanden. Da die slawischen Stämme Städte in diesem entwickelten Sinne noch nicht gekannt hatten, sind die Gebiete jenseits der Elbe – womit die Grenze aber nur grob angedeutet ist – von systematisch angelegten Gründungsstädten geprägt. Sie spiegeln nicht nur in ihrer Verteilung und in ihren Grundrissen ein systematisches Vorgehen der politischen Gewalten und der Gründer, sondern auch ihre Bauformen zeigen eine ungewöhnliche und auffällige Einheitlichkeit. Die Entwicklung der Städte begann regional stets mehr oder minder zur gleichen Zeit und auch der Mauerbau lief weitgehend zeitparallel ab. Damit wurde offenbar ein Austausch der Erfahrungen und formalen Moden möglich, der die Gestaltung der Mauern stärker vereinheitlichte als in den Altsiedel- und Natursteingebieten. Zusammen mit dem besonderen Charakter des Backsteins bzw. der Terrakotta, der einfache Formen und eine zum Normativen neigende Ornamentik begünstigte, entstanden so „Stadtmauerlandschaften“ von besonderer Geschlossenheit, in denen sich Entwicklungszüge und territoriale Gruppen besonders klar erkennen lassen. Niedersachsen und das heutige SchleswigHolstein entsprechen etwa jenem Teil der norddeutschen Tiefebene, der kaum slawisch besiedelt war und daher offenbar auch weniger systematisch kolonisiert wurde. Die Städte blieben hier selten, sind von sehr ungleicher Bedeutung und Verteilung in der Landschaft, und auch Unbefestigte Städte in Niedersachsen und das Stadium der UmmaueSchleswig-Holstein rung wurde meist spät oder gar nicht erreicht. Jeder Hinweis auf Befestigung – von der Lage zwischen Seen abgesehen – fehlt etwa in Dannenberg, Delmenhorst, Heiligenhafen, Lauen-
burg und Ratzeburg; auch gab es Tore ohne erkennbare Einbindung in eine Verteidigungslinie, die aber kaum vor dem 16. Jahrhundert belegbar sind und nicht unbedingt verteidigungsfähig waren (Bramstedt, Eckernförde, Plön, Segeberg). In Eutin, Oldesloe, Itzehoe (1303) und Nordhorn (Stadtrecht 1379) wurden Wassergräben und Tore durch Palisaden ergänzt. Ob man in Wilster, Meldorf und im frühen 14. Jahrhundert in Itzehoe aus dem Begriff „Zingel“ Mauern folgern sollte, ist unklar; das Wort (lateinisch cingulum = Gürtel) kann im Grunde jede ringförmige Umwehrung meinen, neben Mauern also sicher auch Palisaden, Wälle oder gar Wassergräben. Nicht nur deswegen mag unsere Kenntnis ehemaliger Mauern in dieser Region vollkommen unvollständig sein, sondern auch, weil hier fast alle Mauern relativ früh durch Steinraub verschwanden. Der häufigste und auf alten Darstellungen wie im Gelände am besten erkennbare Vorgänger und Ersatz für Mauern waren im norddeutschen Flachland Umwallungen, die vom 10. Jahrhundert bis ins Befestigungen des 10.–12. Jahrhunderts Zeitalter der Feuerwaffen auftraten. Der Halbkreiswall von Haithabu (Abb. 11), wohl vor 968 angelegt und bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts in Funktion, veranschaulicht bis heute die Befestigung einer frühen stadtähnlichen Händlersiedlung, eines „Wik“. 1300 m lang und noch bis zu 10 m hoch, ist er nach archäologischer Untersuchung das Produkt von bis zu neun Ausbauphasen. Der älteste Wall besaß eine Frontverstärkung aus Holz, später besorgten dies Soden; die Spitzgräben wandelten sich zu Sohlgräben. Holz- und findlingsverstärkte Walleinschnitte dienten als Tore. Das an Haithabu anschließende „Danewerk“ – der wichtigste frühe Vertreter einer Landwehr in Deutschland – sperrte die gesamte, hier 15 km breite jütische Halbinsel, spätestens ab dem 8. Jahrhundert (737d) als komplexes Wallsystem ausgebaut und bis ins 19. Jahrhundert in Funktion (Abb. 483). Der Hauptwall, ursprünglich mit Holzfront, erhielt später eine Verkleidung aus Trockenmauerwerk und ab 1158/63 aus Backstein („Waldemarsmauer“, nach Waldemar I. von Dänemark). Die Domburg des Erzbischofssitzes Bremen, ab Ende des 10. Jahrhunderts von Wall und dop25. Niedersachsen und Schleswig-Holstein
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Abb. 483 Das „Danewerk“ war eine Landwehr, die spätestens seit dem 7. Jahrhundert die Südgrenze des Königreichs Dänemark schützen sollte und bis ins 19. Jh. in zahlreichen Ausbauphasen modernisiert wurde; Plan und schematische Darstellung der Phasen (Wikipedia).
peltem Spitzgraben umgeben, sollte unter den Erzbischöfen Hermann und Bezelin, zwischen 1032 und 1043, eine Mauer erhalten, wohl mit quadratischen Türmen; der Bau wurde jedoch von Erzbischof Adalbert abgebrochen. Von der späteren Stadtmauer ist aus geringen Resten und frühen Abbildungen zu schließen, dass sie landseitig regelmäßig gereihte Halbrundtürme aus Backstein besaß (Abb. 484); die Flussseite ist weniger erforscht. Sie entstand vor 1229 und wurde nach 1300 durch eine Mauer um das Stephanikirchspiel ergänzt; der Vergleich der ersten Mauer mit jener von Lübeck drängt sich auf. Im wasserumgebenen Hamburg schützte der „Heidenwall“ ebenfalls schon um 1000 die ab dem 9. Jahrhundert an der Domburg entstandene Siedlung; auch hier wollte Erzbischof Bezelin (1035–43) eine zwölftürmige Mauer errichten, musste sich aber offenbar auf einen ergrabenen runden Wohnturm am Wall beschränken (dessen Datierung umstritten ist). Die nochmals erheblich gewachsene Stadt wurde wohl bis etwa 1265/74 ummauert, die Jacobivorstadt erst 1378/83, wobei aber Partien mit Palisaden offenbar bis um 1400 bestanden; erhalten sind nur Teile der neuzeitlichen Wallanlagen, deren Anfänge ins späte 15. Jahrhundert gehörten. Stade, dessen Wik und Burg mindestens ins 9./10. Jahrhundert zurückgingen, erhielt schon zwischen 1168 und 1181 durch Heinrich den 238 Topographischer Teil
Abb. 484 Bremen, an der Südostseite der Altstadt vermitteln Ausgrabungs- und Bauforschungsbefunde noch am ehesten ein Bild der 1229 ersterwähnten, heute völlig aus dem Stadtbild verschwundenen Stadtmauer, für die u-förmige Schalentürme charakteristisch waren (K. Bubke, Die Bremer Stadtmauer, 2007).
Löwen Stadtrecht und eine von Zeitgenossen als „mächtig“ gerühmte Befestigung, wohl zunächst als Wallgraben, dem die Mauer erst Ende des 13. Jahrhunderts folgte; Reste sind in den mehrfach veränderten Wallanlagen des 17.–19. Jahrhunderts nicht mehr erkennbar. Auch Schleswig, als Nachfolger Haithabus ins 11. Jahrhundert zurückgehend, erhielt wohl im 12. Jahrhundert einen Wall mit dem 1883 abgebrochenen, vom dänischen König zu unterhaltenden „Nordertor“; später sind auch „Bergfriede“ (Blockhäuser) belegt, aber keine Mauer. In Lüneburg, das an der wichtigen Saline mindestens ins 10. Jahrhundert zurückreicht, hat man im Süden der fast völlig verschwundenen Befestigung bei einer Grabung 1969 zuunterst einen Wall mit Palisade und Wassergraben festgestellt, der wohl eine der kleineren Vorgängersiedlungen schützte. Eine erste Verstärkung als dreifacher Wall datiert man gleichfalls noch vor den 1147 belegten Mühlenstau. Auf dem inneren der drei Wälle entstand um 1300 die Backsteinmauer; sie ist 1297 zuerst erwähnt, nachdem noch 1254 die Rede von den plancae civitatis gewesen war. Im 15. Jahrhundert schließlich fasste man die beiden Außenwälle zu einem breiten, artillerietauglichen Wall zusammen, der auch eine äußere Stützmauer und Rondelle erhielt und bis ins 18. Jahrhundert ausgebaut wurde. Über die zahlreichen Türme Lüneburgs wissen wir leider kaum noch etwas; im Norden steht noch eine Rechteckschale, Fundamente des „Springintgutturmes“ (um 1371–1409) wurden ergraben, der Turm der „Abtswasserkunst“ ist völlig umgebaut. Die Schriftquellen legen umfangreiche Ergänzungen ab 1443 nahe, alte Abbildungen zeigen reiche Formen, etwa am „Äußeren Sülztor“, einem 1440 erbauten Torturm, der vier runde Ecktürme besaß. Auch das nahe Bardowiek besaß einen heute verschwundenen Wallgraben, der erst in einer Abbildung 1585/88 sicher dokumentiert ist (Abb. 15). Ob er schon 1189 existierte, bei einer erfolglosen Belagerung Heinrichs des Löwen – was naheliegt –, oder doch erst um 1600 entstand, ist umstritten. Um die Domburg von Osnabrück, die spätestens im frühen 12. Jahrhundert eine bis heute allerdings wenig dokumentierte Mauer erhielt und auch einen Markt enthielt, wuchsen bald
Abb. 485 Osnabrück, der „Bucksturm“ (oder „Bocksturm“) entstand wohl im (frühen?) 13. Jh. (Anaconda 7).
Außenviertel, deren bürgerliche Bewohner 1171 von Friedrich I. privilegiert wurden und Befestigungsrecht erhielten. Die isoliert erhaltenen Türme reichen jedoch – was wohl auch hier auf eine lange bestehende Holz-Erde-Befestigung deutet – nur bis ins mittlere oder späte 13. Jahrhundert zurück. Insbesondere gilt das für den ehedem wohl viergeschossigen, halbrunden „Bocksturm“, dessen Rückseite sich in zwei Spitzbogen pro Geschoss öffnete (Abb. 485); seine Vorbilder muss man im Rheinland suchen. Die anderen erhaltenen Türme, quadratische, halbrunde und wohl ein Rondell, gehören erst ins 15. Jahrhundert; sie sind überwiegend der Hauptmauer von „Alt-“ und „Neustadt“ zuzuordnen („Barenturm“ mit befestigter Mauerüberführung über die „Hase“, 1471; „Bürgergehorsam“ 1519; „Gesperrter Turm“), teils auch dem Außenwall („Pernickelturm“ als Teil der „Honpforte“). Lübeck, vom 12. bis 14. Jahrhundert einer der wichtigen Handelsplätze Deutschlands und staatlich selbstständig bis 1937, besitzt eine reiche und gut erforschte Befestigungsgeschichte, die durch wenige, aber bedeutende Bauten bezeugt bleibt. Grabungen seit 1980 haben zur 25. Niedersachsen und Schleswig-Holstein
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Annahme einer ersten, 1181 durch Heinrich den Löwen angeordneten Mauer geführt, die wohl nur den Kern der heutigen Altstadt schützte, getrennt von der Burg im Norden (Abb. 186); 0,75 m dick, besaß sie massive Vorlagen/Strebepfeiler; noch früher (1158/59) erwähnte Befestigungen dürften Holz-Erde-Anlagen gewesen sein. 1217 wird dann chronikalisch das „erste Ummauern“ der Stadt notiert, also die Ummauerung der zu heutiger Größe gewachsenen (Alt-) Stadt; dabei wurde die Nordfront der in den 1180er Jahren in Backstein ausgebauten (1227/29 abgebrochenen) Burg mitsamt deren Torturm (Thermolumineszenz: um 1181) in die Lübeck Stadtmauer einbezogen und blieb bis heute erhalten (Abb. 486). Das „Burgtor“ besitzt (erneuerte) Rundbogendurchfahrten, darüber zwei Geschosse mit romanischen Öffnungen, das obere schon als Wehrplatte; eine erste Aufstockung mit Schießscharten(!) gehört auch nach Thermolumineszenz in die Zeit um 1217. Flankiert wird das Tor von fünf (früher sechs) halbrunden Schalentürmen von bis zu 10 m Durchmesser; ein weiterer Turm dieser Art an der Ostseite der Stadt zeigt gut erhaltene SchlitzAbb. 486 Lübeck, das Burgtor von der Stadtseite, vor Einbruch der seitlichen Durchfahrten. Der Unterbau stammt noch vom Burgtor des späten 12. Jh. (1181), der obere, mit der Architektur des Rathauses verwandte Teil von 1444 (Daguerrotypie, vor 1847).
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scharten, Rundbogenfenster und rundbogige Wehrgangtüren (Abb. 67). Solche Türme, nach einem Dendrodatum „um 1214“ entstanden, sind zu dieser Zeit in Norddeutschland einzigartig, aber sie entwickelten vor allem östlich von Lübeck, aber auch etwa in Bremen, eine reiche Nachfolge. Wohl ins 14. Jahrhundert gehört das sehr verbaute Außentor des „Kaisertores“ und auch von den Verstärkungen des 15./16. Jahrhunderts – neben Türmen und Vortoren entstanden Außenwälle, zuletzt mit Erdrondellen – blieben nur zwei Tore erhalten, die gestalterisch zum besten im deutschen Raum gehören. Das „Burgtor“ wurde ab 1444 aufgestockt und mit einer reichen Blendengliederung versehen, die auf jene des Rathauses anspielt (an dem der gleiche Baumeister, Nicolaus Peck, arbeitete; Abb. 486). Auch das (ehemals mittlere) „Holstentor“ (1464–78) bezieht sich mit reicher Blendengliederung vor allem stadtseitig auf das Zentrum kommunaler Gewalt, reduziert diese aber feldseitig zugunsten eines höchst gelungenen Gleichgewichtes von kraftvoll geschlossenen Rundtürmen und einem sparsam gegliederten (restaurierten) Mittelbau; die Doppelturmform ist von niederländischen Bauten inspiriert (Abb. 153, 258). Der Denkmalcharakter des anscheinend frei vor der Stadt stehenden Baues ist historisch abzuleiten, denn die Selbstständigkeit der Republik wurde an dieser Stelle einem besonders mächtigen Nachbarn verdeutlicht, dem auch in Schleswig und Holstein herrschenden König Christian II. von Dänemark. Unter den bisher angesprochenen Mauern war jene von Lübeck (1217) Mauern des die mit Abstand früheste, 13.–16. Jahrhunderts von dem bisher wenig erfassten Vorgänger des späten 12. Jahrhunderts ganz abgesehen; der Handelsstadt folgte, auch formal direkt beeinflusst, wohl bald der Erzbischofssitz Bremen. Die vier anderen Mauern gehören erst in die zweite Hälfte bzw. ans Ende des 13. Jahrhunderts (Hamburg, Osnabrück, Stade, Lüneburg), wobei die Osnabrücker Mauer als einzige nicht aus Backstein errichtet war. Erhalten sind von alledem nur geringe Partien in Lübeck, Bremen, Osnabrück und Lüneburg, die für sich allein, ohne Quellen und Ausgrabungen, kaum zu datieren und zu würdigen wären.
Auch vom 13. bis zum 16. Jahrhundert ändert sich nichts an der Seltenheit und schlechten Überlieferung der Mauern des norddeutschen Flachlandes. Im Bischofssitz Verden wurde die wohl aus einem Wik hervorgegangene „Norderstadt“ unter Bischof Iso vor 1239 befestigt, angeblich sogar ummauert (Stadtrecht 1259); die „Süderstadt“ um den Dom folgte erst vom 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert. Von der älteren Mauer ist nur ein quadratischer Turm wohl des 14. Jahrhunderts erhalten, zur Stadt im Spitzbogen geöffnet, außerdem in Domnähe ein Rondell der Bauzeit um 1512. Auch von der seit den 1320er Jahren belegten, im 15./16. Jahrhundert erheblich verstärkten Mauer von Mölln blieb fast nichts. In Kiel, das vor 1289 zunächst wohl mit Holz und Erde befestigt war, wurden die vor 1329 zumindest begonnenen, turmbewehrten Mauern schon ab dem 17. Jahrhundert wieder abgetragen (Abb. 252), ähnlich wie der murus latericius von Flensburg (um 1350). Dieser, gegen den Hafen nie geschlossen, aber durch zwei holzumwehrte Vorstädte ergänzt, war schon 1558 im Verfall; das erhaltene „Nordertor“ ist ein vor 1595 entstandener, unbefestigter Neubau. Wohl auch aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammen die Reste einer heute turmlosen Mauer aus Sandsteinbrocken in Schüttorf, das 1295 münsterisches Stadtrecht erhalten hatte. Nach Entfestigung 1683 verschwunden, aber archäologisch gut erforscht, ist die nach Quellen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstandene Backsteinmauer des erzbischöflich-bremischen, 1280/86 gegründeten Buxtehude. Es war eine schwache Backsteinmauer auf Pfahlgründung mit bescheidenen Torbauten, anfangs wohl ohne Ecktürme. „1539“ ist der „Zwinger“, ein kleines Backsteinrondell am ehemaligen „Marschtor“, datiert; der Sockel und die Einfassung der rechteckigen Maulscharten sind aus Granit, in beiden Geschossen ist je ein Kamin erhalten. Im 16. Jahrhundert wurden offenbar auch die Ecken der Stadt durch Rondelle gesichert. Archäologisch untersucht ist auch die Mauer von Uelzen. Dort sind 1269 fossata et plancas genannt, 1380–87 entstand chronikalisch die Mauer, 1430 ein Außenwall. Die im Block- und Kreuzverband errichtete, weitgehend verschwundene Mauer besaß regelmäßig gereihte Rechtecktürme, von denen einer ergraben ist. Offenbar war die
Mauer von Uelzen ein Westausläufer des brandenburgischen „Wiekhaussystems“, allerdings nicht mit einzelnen Rundtürmen, sondern mit größeren, blendengezierten Rechtecktürmen, von denen der „Schwarze Bär“ im Bild überliefert ist. Die Grabungen deuten an, dass Teile der Mauer noch Ende des 15. Jahrhunderts im Bau waren. 1402 wurden die Weichbildrechte von Fürstenau durch den Bischof von Osnabrück erneuert, wobei auch die Rede vom Wiederaufbau zweier Tore („Bergfrede“) und von neu zu schaffenden „Planken“ ist; Mauern sind erst 1470 erwähnt. Das „Hohe Tor“ ist ein kleiner Torturm wohl dieser Zeit, dessen Schmuckformen allerdings erst barock sind. Von 1485 stammt auch der kleine Torturm der „Hohen Pforte“ in Quakenbrück, obwohl das Städtchen wohl schon 1235 als osnabrückischer Stützpunkt entstanden war. Schließlich bewahrt Neustadt, ebenfalls schon 1244 gegründet, das „Kremper Tor“, einen wenig wehrhaften Torbau mit restaurierten Giebeln – außerhalb Lübecks das einzige erhaltene Tor in Schleswig-Holstein. Auch im 15. und frühen 16. Jahrhundert entstanden noch letzte Mauern. Neben Uelzen könnte dazu Celle (gegründet 1292) gehört haben, wo ein Wall als erste Sicherung ergraben ist, während die verschwundene Mauer erst 1407 durch die Bezeichnung extra muros fassbar wird. Oldenburg (Bremer Stadtrecht 1345) erhielt nach Grabungen der letzten Jahre erst im Laufe des 15. Jahrhunderts eine Backsteinmauer; auch eine Rechteckschale ist ergraben. Der Kirchturm („Lappan“) des Heiliggeistspitals sicherte fraglos das gleichnamige Tor daneben. An der Südseite steht außerdem noch der „Pulverturm“ von 1529, ein Rondell des Außenwalles. In Friesoythe schließlich war der kleine Torturm des „Langetors“ bis ins 20. Jahrhundert erhalten, der nach seinem Giebel wohl ins frühe 16. Jahrhundert gehörte; von der Mauer selbst zeugt nur noch die Gasse „Achter de Mür“. Das Zeitalter der aufkommenden Feuerwaffen führte im norddeutschen Flachland zu einer letzten Welle von Neubefestigungen, in der Regel als Wälle mit einzelnen Rondellen. Öfter als wir bereits wissen dürften diese durch den Ausbau vorhandener Wälle entstanden sein. Sicher wissen wir das etwa in Krempe, das 1333 die Genehmigung für Wall, Graben, Palisaden und vier 25. Niedersachsen und Schleswig-Holstein
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Tore erhielt, die dann in der neuzeitlichen Befestigung (1533–1607) aufgingen und mit ihr verschwanden. Auch Wildeshausen besaß bereits im 14. Jahrhundert eine Mauer, die aber nach der Münsterschen Stiftsfehde 1529 abgebrochen wurde; ab 1544 entstand dann eine auch archäologisch erwiesene WallbefesWälle, Rondelle und tigung. Ob Rendsburg, das ab Landwehren des dem 13. Jahrhundert mindes15./16. Jahrhunderts tens zwei Tore besaß, jemals ummauert war, bleibt offen; die Wallbefestigung (1536–1694) hat alles überlagert. Zuerst 1400 und, nach mehrfacher Änderung, zuletzt 1541 erhielt Otterndorf Stadtrecht, aber offenbar erst um 1580 Wälle und Tore. Auch Jever hatte nur Wälle mit Steintoren, die 1553–57 datiert waren. Weitere Beispiele neuzeitlicher Wälle waren Winsen/Luhe, Vechta (münstersches Stadtrecht wohl Mitte des 13. Jahrhunderts) und Cloppenburg, das 1411 Wigboldrecht erhielt und 1435 münstersches Stadtrecht. Erhaltene Beispiele von eher bescheidenen Rondellen in Verbindung mit den Erdwällen sind für Lüneburg, Osnabrück, Verden (um 1512), Oldenburg (1529) und Buxtehude (1539) schon genannt worden. Dendrochronologisch auf 1530/31
wurde ein großes, ergrabenes Eckrondell in Celle datiert; die Stadt hatte 1507–30 einen fast haushohen Erdwall erhalten. Die Befestigung von Emden schließlich ist in den Quellen nur bis ins mittlere 15. Jahrhundert zurückzuverfolgen; sie besaß zehn „Zwinger“, was hier wie in Buxtehude „Rondell“ bedeutete. Das norddeutsche Flachland war reich an Landwehren, deren Entwicklung fraglos in vormittelalterliche Zeit zurückreicht. Die Mehrzahl von ihnen grenzte Territorien ab, die nicht mit einer Stadt zusammenhingen und daher nicht zum Thema gehören, obwohl es teilweise bedeutende Anlagen waren; neben dem „Danewerk“ des 8.–12. Jahrhunderts sind etwa der limes saxoniae, die Landwehr von Fredeburg und das System bei Cloppenburg zu nennen. Die Hamburger Landwehr wurde ab etwa 1350 angelegt, jene von Lüneburg 1392 erlaubt und 1397–1406 angelegt; sie staffelte drei bis fünf Wälle. Zu ihr gehörte ein quadratischer Wartturm namens „Hasenburg“; 1479–84 wurde eine „Neue Landwehr“ hinzugefügt. Ein weiterer quadratischer Wartturm sicherte den Übergang über die Vechta, nahe Schüttorf.
26. Brandenburg Brandenburg – worunter hier die eigentliche, heute zwischen Deutschland und Polen geteilte Mark Brandenburg und zusätzlich die „Altmark“ als deren historischer Bezugspunkt verstanden wird – zeigt die typischen Merkmale eines durch mittelalterliche Kolonisation erschlossenen Territoriums im Flachland. Von den anderen damals deutschen Ländern im Nordosten unterscheidet es sich vor allem durch die Ferne vom Meer, die – trotz mehrfacher Konflikte mit Pommern – nie überwunden werden konnte. Auch in Brandenburg hatte es bereits slawische Burgen und Siedlungen gegeben, die nach ihren sozialen und wirtschaftlichen Merkmalen stadtartig waren. Typisch für solche Anlagen war, dass die neuen Städte deutschen Rechtes zwar manchmal in ihrer Nähe, kaum je aber direkt an ihrer Stelle entstanden; die Lage der viel kleine242 Topographischer Teil
ren slawischen Burgen auf schwer zugänglichen Inseln war dafür wohl der Hauptgrund. Aus einer slawischen Burg entstanden als bedeutende brandenburgische Städte im Grunde nur Tangermünde, Brandenburg, Prenzlau und wohl Jüterbog; an kleineren Städten seien Köpenick, Spandau und Putlitz genannt. Aber auch bei der Anlage der neuen Städte wurden die Möglichkeiten der eiszeitlich geprägten Landschaft genutzt. Gewählt wurde in der Regel ein flacher Hügel – oder mindestens eine Talsandinsel in einer Niederung – in der Nähe eines Sees bzw. Wasserlaufes. Das Wasser diente unmittelbar der Versorgung der Menschen und Tiere und zum Betrieb der wichtigen Mühlen, aber es wurde auch zum Schutz eingesetzt. Ein See an einer Seite der Stadt war normal, aber auch die Lage zwischen mehreren Seen (Fürsten-
werder, Lychen, Müncheberg) oder sumpfigen Niederungen ist häufig (Bärwalde, Drossen, Fürstenberg, Liebenwalde, Alt-Landsberg). Besonders interessant scheint insoweit der Fall von Freyenstein, das zunächst auf einer landwirtschaftlich günstigen Fläche gegründet, dann aber 1287 in eine sumpfige Niederung verlegt wurde. Auf Flussinseln entstanden einige der wichtigsten Städte Brandenburgs, in der Regel zugleich an Straßenübergängen. Die Brandenburger „Neustadt“ und Havelberg – beide ins 12. Jahrhundert zurückgehend – liegen auf Inseln, die offenbar künstlich geschaffen wurden, in Küstrin, Rathenow und Spremberg scheint die Insellage natürlich zu sein. Die Fälle schließlich, bei denen ein Mühlgraben zugleich als Stadtgraben angelegt wurde, waren sicher häufig. Jene archäologischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte, die brandenburgische Stadtbefestigungen betrafen, wurden 2000 zusammenfassend publiziert. Die Mehrzahl der Befunde betrifft allerdings nur Gräben – oft mit Brückenresten wie etwa in (Bad) Liebenwerda –, auch Fundmaterial aus der Verfüllung oder vom benachbarten Gelände, während die Aussagen zu Toren, Türmen und der Mauer selbst recht begrenzt bleiben, naturgemäß meist auf Fundamente, nur selten werden vollständige Grundrisse erkennbar; exakte Datierungen sind gleichfalls Ausnahmen. Die ebenfalls recht neue Arbeit von K. Voss (1999) befasst sich dagegen mit Aspekten von Stadtbild und Bauerhaltung und lässt Fragestellungen historischer Art am Rande. Stendal in der Altmark erhielt schon um 1160 durch die Askanier Stadtrecht und in diese Zeit dürften die Anfänge der teilweise erhaltenen zwei- bis dreifachen Wallgräben zurückgehen. In den inneren Wall sind zwei Tortürme aus Feldstein eingeDie Städte des 12. Jahrhunderts baut, das „Tangermünder“ (Abb. 94) und das „Uenglinger Tor“ (Abb. 487), die allerdings beide im späten 15. Jahrhundert völlig umgestaltet wurden. Ihre Rundbogendurchfahrten – das „Tangermünder Tor“ besaß ein Fallgatter – deuten durchaus noch in romanische Zeit, wohl ins mittlere 13. Jahrhundert. Wann die verschwundene Mauer auf dem inneren Wall entstand, ist offen; St. Petri lag noch 1288 nicht hinter Mauern, man setzt deren
Abb. 487 Stendal, das „Uenglinger Tor“ entstand wohl um 1460/70, indem Steffen Boxthude(?) einen neuen, reich geschmückten Oberbau auf den Feldsteinsockel des 13. Jh. setzte.
Bau daher bald danach an. Offenbar besaß die Mauer anfangs keine Türme, denn ältere Pläne zeigen nur vier Rondelle, von denen eines erhalten ist und ins 15. Jahrhundert gehört. In der für das Land namengebenden Burg Brandenburg war schon 948 ein Bischofssitz gegründet worden; daneben entstanden die beiden ersten Städte der Mark, die wohl um 1160 gegründete königliche „Altstadt“ Brandenburg und etwa zehn Jahre später die askanische „Neustadt“. Die Letztere, rundum von Havelarmen gesichert, besaß nach Quellen schon 1229 eine Befestigung, wobei aber eine Mauer erst 1302 erscheint, und zwar noch 1305 neben Palisaden. Grabungen unter der teilweise erhaltenen Mauer haben einen Wall und davor auch einen 15 m breiten Graben festgestellt. Auch geringe Reste der Mauer selbst konnten archäologisch für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts bestätigt werden, wobei freilich 26. Brandenburg
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weite Mauerabschnitte erst ins 15. Jahrhundert gehören und Reparaturen bis in den Barock die anfängliche Gestalt verunklären. Es scheint, was an Stendal erinnert, nur wenige Wiekhäuser gegeben zu haben. Auch für die Frühzeit der ungünstiger liegenden Brandenburger „Altstadt“ ist ein Graben archäologisch belegt. Die Ummauerung ist gegen 1300 anzunehmen, der „Rathenower Torturm“ ist ein (im 15. Jahrhundert modernisierter) Torturm wohl aus der Endphase des 13. Jahrhunderts. Die Reste der auch hier später stark erneuerten Mauer zeigen noch einige Wiekhäuser, darunter flussseitig auffällig flache, nur einen halben Stein vorspringende – frühe Beispiele um 1300 oder eher doch Sparform erst des 14./15. Jahrhunderts an besonders geschützter Stelle? In Havelberg, dem anderen Bischofssitz der Region, hatte Heinrich der Löwe wohl um 1160 eine Stadt auf einer künstlichen Havelinsel gegründet; Stiche des 17. Jahrhunderts belegen zwei Torbauten; dass es eine Mauer gab, ist zweifelhaft. Eine zweite bischöfliche Stadt, für die Kaiser Friedrich I. 1179 die Erlaubnis erteilte, entwickelte sich kaum. Als magdeburgischer Stützpunkt schließlich entstand im Süden Jüterbog, in der Gründungsurkunde 1174 eindeutig als Haupt eines „Landes“, das heißt als Stützpunkt der Erschließung und Mission, bezeichnet. Die Mauerreste der Stadt sind durch ihre Vielfalt interessant, gehen aber kaum vor das späte 13. Jahrhundert zurück. Zusammenfassend kann also für die frühesten, ab etwa 1160 entstehenden Städte von Altmark und Mark festgehalten werden, dass ihre Befestigungen aus Wasser, Wällen, Gräben und vermutlich Holz bestanden und dass dies offenbar ein rundes Jahrhundert lang so blieb. Die 1229 belegte Mauer der Brandenburger „Neustadt“, die früheste des Landes, bleibt bisher nebelhaft. Zwischen etwa 1230 und 1340 reihen sich die Ersterwähnungen der märkischen Städte dicht an dicht und, da die Ersterwähnung in aller Regel einige Jahre oder Jahrzehnte nach der Gründung bzw. Entstehung der Stadt liegen dürfte, war jedenfalls das 13. JahrhunHolz-Erde-Befestigungen dert die große Zeit auch im 13. Jahrhundert des märkischen Städtewesens. Für die Mauern 244 Topographischer Teil
gilt dies allerdings nicht, sondern deren Anfänge liegen – von einzelnen Vorläufern abgesehen – am Ende des Jahrhunderts, die große Zeit des Mauerbaues war aber erst im 14. und 15. Jahrhundert. Für Wallgräben und hölzerne Befestigungen in der Mark des 13. Jahrhunderts gibt es durchaus Belege, darunter auch erste archäologische. Unter ihnen sticht Frankfurt/Oder, das 1253 als jüngste der wichtigen märkischen Städte gegründet wurde, mit wichtigen Befunden hervor. Grabungen an der Südwestecke legten die Spuren einer Palisade mit separat leicht schräg abgestütztem Wehrgang frei, die direkt in den gefurchten Ackerboden eingelassen worden war (Abb. 19); selbst die Feuerstellen der Arbeiter wurden hier festgestellt. Auf den nur 3 m breiten und 1,50 m tiefen Graben wurde später ein Wall geschüttet und auf diesem entstand dann die (1312 zuerst erwähnte) Mauer; die ursprüngliche Holzbefestigung hatte also dort gestanden, wo später die Mauergasse entstand. So detailliert sind wir anderswo nicht informiert, auch wenn die Grabungen verschiedentlich Gräben erfassten, die bis dahin unbekannt waren. Immerhin fand man in (Bad) Liebenwerda, das ab der Zeit um 1400(?) allein mit einem Graben geschützt war, vier Pfostenlöcher des 1515 erwähnten „Torgauer Tores“ beidseitig der Pflasterstraße, aus denen man einen 5 m breiten Fachwerkbau rekonstruieren kann. In dem 16,50 m breiten Graben davor wurden neben Keramik des frühen 14. Jahrhunderts auch Reste einer Brücke gefunden, mit Teilen von 1485/87(d). Dieser Befund ist spätmittelalterlich, aber seine Schlichtheit ist im Grunde zeitlos; auch aus dem 13. Jahrhundert gibt es jedoch weitere Beobachtungen wie etwa ein Dendrodatum „1229“ in Friesack. Tangermünde, in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet, hat anfangs wohl eine Umwallung besessen, die auch den Siedlungsteil nördlich der Burg umfasste; erst beim Mauerbau im 14. Jahrhundert schloss man offenbar dieses „Hühnerdorf“ aus, um die Burg in Ecklage zu bringen. In Rheinsberg wurde der Graben archäologisch ins 13. Jahrhundert datiert und auch in Freyenstein, das schon 1287 verlegt wurde, sind noch Wall- und Grabenreste erkennbar. In Gransee legte man vor dem „Ruppiner Tor“ des 14. Jahrhunderts, im Bereich der Brücke,
Holzkonstruktionen frei, die dendrochronologisch Daten zwischen 1254 +/– 5 und 1316 ergaben – Wiederverwendung von Resten der Holzbefestigung beim Mauerbau? Nicht nur in Frankfurt/Oder, sondern auch in Spandau (Abb. 20) und Lübben, ferner vielleicht in Fürstenwalde entstand die Mauer räumlich vor älteren Gräben bzw. Palisaden (des 13. Jahrhunderts), das heißt, beim Mauerbau fand eine begrenzte Stadterweiterung statt. Mithilfe von Quellen lässt sich das lange Überleben von Holz-Erde-Befestigungen gleichfalls belegen. Gräben und Planken sind zum Beispiel 1272 in Beeskow erwähnt, und Küstrin (1261 oppidum) war noch 1397 eine offene Stadt, wo man dann 1446 „Planken“ errichten wollte. Drossen hatte – nach einer Chronik von 1735 – bis zur Belagerung durch Hans von Sagan 1477 nur eine „leimerne“ (aus Lehm bestehende) Mauer, die erst dann allmählich in Stein erneuert wurde. Und Potsdam, das im Mittelalter – wie andere kleine Städte der Mark – wohl nur Gräben besaß, erhielt erst um 1520 einen Wall, der laut Grabung aus Schlamm(!) bestand. Die Wälle von Lieben-
walde wurden 1701 „demoliret“, 1714 aber wiederhergestellt. Weitere Städte, die nie Mauern erhielten, waren zum Beispiel Driesen, Oranienburg (Bötzow) und Zehdenick. In einigen Fällen (etwa Calau, Nauen, Strausberg) findet man heute noch Wallreste, auf denen die Mauer steht; nach den archäologischen Ergebnissen in Frankfurt/Oder oder der Brandenburger Neustadt wird man fragen, ob es sich auch hier um Überreste der ersten Befestigung handelt. Ohnehin liegt die Überlegung nahe, dass die Wallgräben der meisten märkischen Städte – oder zumindest Teile von ihnen – älter als die Mauern sind, die auf bzw. hinter ihnen stehen. Jedoch bleibt dies eine allgemeine Überlegung, solange nicht archäologische Untersuchungen ein genaueres Bild ergeben. Wenn man den noch weiterer Forschung harrenden SonMauern des späten 13. Jahrhunderts derfall der Brandenburger „Neustadt“ einmal ausklammert, so treten (back-)steinerne Befestigungen in Brandenburg erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts auf. Dabei handelt es sich – vor allem unter
Abb. 488 Bärwalde ist ein Beispiel für eine Mauer (wohl des 14. Jh.), die in fast voller Höhe aus Feldstein besteht; nur die giebelförmige Bekrönung, ganz links noch erhalten, bestand aus Backstein.
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Backstein waren. Dabei spiegelt sich die wechselnde Verfügbarkeit des Feldsteins oft darin, dass die Ausführungsabschnitte ein und derselben Mauer das Material in ganz verschiedener Höhe verwendeten, offenbar je nach momentanem Nachschub. Die Forscher des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts haben dies aber oft nicht erkannt, sondern haben in etlichen solchen Fällen den Feldsteinteil der Mauer zu einer älteren Mauer des 13. Jahrhunderts erklärt (zum Beispiel Tangermünde). Dabei orientierten sie sich an der Entwicklung des brandenburgischen Sakral-
Abb. 490 Prenzlau, der quadratische Unterbau des „Blindower Tores“ dürfte nach 1287 entstanden sein und besaß ein zur Stadtseite im Bogen geöffnetes Obergeschoss. Der Übergang zu dem im frühen 15. Jh. aufgesetzten runden Oberbau wurde durch einen vorkragenden Holzwehrgang kaschiert, dessen Balkenlöcher man noch sieht.
Abb. 489 Burg bei Magdeburg, das „Kuhtor“ ist ein weiteres Beispiel für einen ursprünglich niedrigen Torbau aus Feldstein (etwa Mitte des 13. Jh.), der erst im 15./16. Jh. erhöht wurde.
dem Aspekt des heutigen Bestandes – zunächst nur um wenige Städte, was aber beim Studium gerade der älteren Literatur nicht deutlich hervortritt, und zwar wegen einer verbreiteten Fehldeutung der Feldsteinverwendung. Die Backsteinmauern Brandenburgs (und anderer Flachlandregionen) besitzen fast immer Fundamente aus Feldstein, aber in manchen Fällen hört dieses Material nicht 1–2 m über dem Boden auf, sondern die Mauer besteht in fast voller Höhe daraus (zum Beispiel Alt-Landsberg, Bärwalde [Abb. 488], Bernau, Friedeberg, Fürstenwalde, Gransee, Strausberg und abschnittsweise in Beeskow). Der Grund liegt offenbar darin, dass dieses Material billiger als Backstein war, da es von den Bauern auf den Feldern ohnehin gesammelt wurde. Auch in der Blütezeit des Mauerbaues im 14./15. Jahrhundert neigte man daher dazu, die Mauer so hoch wie möglich aus Feldstein herzustellen, wobei manchmal nur die Abdeckung und wenige Schichten darunter aus 246 Topographischer Teil
Abb. 491 Templin, die Mauer, wohl der Zeit um 1300, besaß neben den Tortürmen viele halbrunde, die wehrganglose Mauer nur wenig überragende Türme (vgl. Abb. 68).
baues – im Laufe des 13. Jahrhunderts wurde hier der Feldstein langsam vom Backstein verdrängt –, übersahen aber, dass die „spätromanische“ Feldsteinverwendung der Kirchen stets eine Sorgfalt in Bearbeitung und Schichtung zeigte, die den Stadtmauern völlig fremd war. In der Altmark dürfte neben den Unterbauten der beiden Stendaler Tore, deren Einbindung in eine Mauer ungeklärt ist, immerhin auch die Mauer von Burg bei Magdeburg bis ins mittlere 13. Jahrhundert zurückgehen; das Magdeburger Gebiet unterstand natürlich nicht askanischer Herrschaft. Neben Mauerresten mit Zinnen ist hier vor allem das Erdgeschoss des „Kuhtores“ zu nennen, mit Rundbogendurchfahrt in Backstein (Abb. 489). Beide Bauteile zeigen ein Feldsteinmauerwerk, das den spätromanischen Teilen der Frauenkirche entspricht (Mitte des 13. Jahrhunderts; der Rundturm des „Berliner Tores“ und ein kleiner Turm an der Nordmauer gehören ins 15. Jahrhundert). Nach Brandenburg/„Neustadt“ (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts) war offenbar die 1319 erwähnte Berliner Mauer die früheste der eigent-
lichen Mark. Zumindest fällt auf Plänen des 17. Jahrhunderts auf, dass der um 1290 errichtete Chor der Franziskanerkirche den Mauerverlauf durchbrach, sodass diese sekundär um ihn herumgeführt werden musste; die örtliche Forschung nimmt den Mauerbau um 1260–80 an. Die geringen Reste zeigen Feldstein in wechselnden Höhen und nur noch wenig Backstein; Günter Stein vermutete ohne zwingenden Grund, der Letztere sei erst im 14. Jahrhundert ergänzt. Einzelne Balkenlöcher wurden als Wehrgangspuren gedeutet. An den erhaltenen Partien deutet nichts auf ehemalige Wiekhäuser, obwohl solche belegt sind – waren sie erst im 14. Jahrhundert angebaut worden? Prenzlau erhielt 1287 die Erlaubnis zum Mauerbau; dass dieser bald danach begann, ist damit wenigstens wahrscheinlich. Älteste erhaltene Bauten sind hier, ähnlich wie in Stendal, zwei Tore. Das „Blindower Tor“ war anfangs ein quadratischer Torbau mit nur einem Obergeschoss und einer Wehrplatte (Abb. 490). Das Erdgeschoss mit der Spitzbogendurchfahrt ist aus sauber gequadertem Feldstein, das Obergeschoss 26. Brandenburg
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Abb. 492 Salzwedel, die Mauer der Neustadt – sicherlich aus dem 14. Jh. – zeigt in Abständen ungewöhnlich flache, nicht hohe Vorlagen bzw. Lisenen – ein einzigartiger, schwer zu deutender Befund.
mit erhaltenen Zinnen aus Backstein; das Letztere war zur Stadt im Spitzbogen offen und zeigte auch außen eine (im 15. Jahrhundert veränderte) Spitzbogenblende. Als Baukörper ganz ähnlich war das „Steintor“, bei dem der Turm aber neben dem Tor stand und mit Ausnahme eines 2 m hohen Sockels ganz aus Backstein ist. Die Prenzlauer Mauer, die an den Turm des „Steintores“ mit Fuge anstößt, war eine Wiekhausmauer, deren Bau gewiss ins 14. Jahrhundert hineinreichte. Ein Sonderfall ist Templin mit seiner weitgehend erhaltenen Mauer, die mit nur einer Ausnahme runde Wiekhäuser bzw. Schalentürme zeigte; sie gehört zu der „lübischen“ Mauergruppe, deren andere Vertreter sich im nahen Mecklenburg und in Westpommern finden. Die noch 45(!) fast völlig aus Feldstein bestehenden Türme zeigen in der Regel erdgeschossig je eine Scharte – was sonst in Brandenburg nicht vorkommt –, darüber jeweils drei, manchmal aus Backstein, und zuoberst Zinnen oder Schießfenster (Abb. 491). 248 Topographischer Teil
Frühestens ins späte 13. Jahrhundert gehören die Mauern von Wittstock, obwohl die Ummauerung angeblich 1244, nach anderen aber erst 1275 begonnen wurde, und Strausberg (angeblich ab 1254, zuvor Palisaden und ein 1225 +/– 10 datierter Pfahl, vielleicht aus dem Graben); die Erstere zeigt aber eher Merkmale des 14. Jahrhunderts, die Letztere, mit schlechter Mauertechnik, gar erst des 15. Jahrhunderts; in Strausberg steht die Mauer auf einem Wall, wohl ihrem Vorgänger. Eine Luckauer Befestigung ist schon 1290 erwähnt; dass dies schon die niedrig erhaltene Mauer mit ihren Wiekhäusern war, die bemerkenswerterweise auch (vermauerte) Zinnen hatte, ist zumindest nicht sicher (der Rundturm am „Calauer Tor“ stammt aus dem 14./15. Jahrhundert). Dasselbe gilt für die Nachricht, dass die sehr veränderte Neuruppiner Mauer schon 1291 begonnen wurde. Schließlich erhielt Treuenbrietzen 1296 die Erlaubnis zum Mauerbau, aber die niedrigen, turmlosen Reste, nur einseitig mit Mauergasse, lassen keine Datierung zu.
Weitaus die meisten Mauern in Brandenburg entstanden im 14. und 15. Jahrhundert und sind durch die besondere Turmform des Wiekhauses geprägt. Das Wiekhaus – der Name enthält das mittelhochdeutsche bzw. altsächsische „wich“/ „wik“, vom lateinischen „vicus“, das eine Siedlung bezeichnete – war ein in aller Regel rechteckiger Schalenturm, der mit der Breitseite zum Graben stand und innen und außen vorspringt (Abb. 88). Er hatte in der Regel drei durch Balkendecken Die Entstehung des „Wiekhaussystems“ getrennte Geschosse, von denen das Erdgeschoss öffnungslos war, während das nächste Geschoss frontale und manchmal auch seitliche Schlitzscharten besaß. Das zweite Obergeschoss war bereits die (nur selten erhaltene) Wehrplatte mit zumeist Schießfenstern. Die Erschließung der Obergeschosse erfolgte durch Holzleitern oder Treppen, auch durch Mauertreppen in einer Seitenwand. Das Wiekhaussystem war aber nicht allein durch diese Turmform definiert, sondern auch durch deren Verbindung mit der Gesamtheit der Mauer. Die Wiekhäuser waren nämlich in gleichen, relativ geringen Abständen (um die 30 m) in eine Mauer eingebunden, die keinen Wehrgang und nur wenige größere Türme besaß, die folglich allein von den Wiekhäusern aus verteidigt wurde. Die Mauern des Wiekhaussystems waren in der Regel rundlich geführt, besaßen also keine Ecken bzw. Ecktürme; die seltenen Ausnahmen (Arnswalde, Lippehne, Lübben, Tangermünde) sind meist wohl spät entstanden, im 15. Jahrhundert. Die Kurtinen sind durch (fast immer feldseitigen) steilen Anzug bis auf unter einen halben Meter an der Krone verdünnt und waren mit schräg gestellten Backsteinen abgedeckt. Regelmäßiger Bestandteil des Wiekhaussystems war schließlich die Mauergasse, von den mehrfachen Wallgräben abgesehen. Wann und in welcher Weise dieses Wiekhaussystem entstand, ist nur zu mutmaßen. Es ist im Wesentlichen in Brandenburg, Pommern und im Deutschordensland Preußen verbreitet, wobei nicht nur die Aufreihung von Westen nach Osten, sondern auch die Stilformen und die wenigen sicheren Datierungen darauf deuten, dass die Entstehung der Form in Brandenburg zu suchen ist; in Ostpreußen wurden den Mauern wieder Wehrgänge hinzugefügt.
Die Entstehungszeit märkischer Mauern ist kaum je genauer dokumentiert. Die Ummauerungserlaubnis für Prenzlau (1287) ist schon erwähnt worden, die Mauer von Salzwedel/ Neustadt war 1301 im Bau. Friedland (heute Mecklenburg) erhielt seine Befestigungserlaubnis 1304, 1319 folgten Spandau und Müncheberg. Im gleichen Jahr besichtigte ein Beauftragter des Markgrafen die Befestigungen von Sommerfeld. 1322 wurden vielleicht Mauern in Sandau erbaut; 1343 schloss Werben einen Vertrag mit dem Markgrafen, es dürfe bestehende Befestigungen beibehalten und neue ausführen. 1361 wird die Mauer von Pritzwalk „verstärkt“, vermutlich erst erbaut. Aus derartigen Nennungen darf man vorsichtig schließen, dass nach den genannten Daten der Mauerbau in Gang kam – aber, ob dies sofort geschah oder mit Verzögerung, und vor allem, wie lange sich der Mauerbau hinzog, bleibt ganz offen. Allein in Müncheberg, das der Herzog Wratislaw von Pommern 1319 zum Mauerbau aufforderte – unter Androhung einer jährlichen Strafe, solange diese unvollendet ist –, wurden im selben Jahr von allen Dörfern im Lande Leubus Steine angefahren, was immerhin den Baubeginn belegt. In Prenzlau mag man aus den ausnahmsweise rundbogigen Schießfenstern der Wiekhäuser auch ganz vorsichtig eine Bauzeit noch um/vor 1300 erschließen. Vor dem Hintergrund dieser ungünstigen, aber nicht ungewöhnlichen Datierungslage ist es nur bedingt möglich, die Entwicklung der brandenburgischen Mauern bzw. die Entstehung des Wiekhaussystems nachzuvollziehen. Die offenbar frühesten Mauern der Altmark und der Mark, Stendal und Berlin, hatten offenbar noch keine Wiekhäuser. Die frühesten Beispiele, um und direkt nach 1300, dürften nach gegenwärtiger Forschungslage Friedland (später Mecklenburg) und Salzwedel sein, beide mit Anzeichen, dass Wiekhäuser hier noch etwas Neues waren. In Friedland, wo der Bau wohl direkt nach 1304 in Gang kam, begann man offenbar noch mit Rundschalen, die in der Tradition von Lübeck standen, ging aber während des Baues zu rechteckigen Wiekhäusern über – so, als wäre diese Form erst während des Baues bekannt geworden. Der interessanteste Fall ist jedoch die Mauer der Salzwedeler „Neustadt“, die 1301 im Bau war. 26. Brandenburg
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Abb. 493 Braunschweig, eine Darstellung des Cyriakusstifts von 1547 zeigt eine Kombination von Palisaden und „Häusern“ aus Fachwerk, die man sich gut als Vorgängerform von Wiekhausmauern vorstellen könnte (Holzschnitt Hzg.-August-Bibl., Ausschnitt).
Die Neustadt war 1247 neben einer Altstadt gegründet worden, die zunächst wohl nur HolzErde-Anlagen besessen hatte – Befestigungen sind 1289 erwähnt – und wohl auch erst im 14. Jahrhundert ummauert wurde; erhalten sind ein Wiekhaus mit Spitzbogenblenden und Rundturmreste. Die Neustadt besitzt rechteckige Wiekhäuser, dazwischen je zwei flache Vorlagen an der anziehenden Mauer. Diese Vorlagen, die nur knapp 3 m hoch sind und oft über Fundamentbögen stehen, besitzen keine stützende Funktion, sondern dienen nur der Gliederung der Mauer (Abb. 492). Könnte das Wiekhaussystem der Versuch sein, die Formen hölzerner Befestigungen in Stein umzusetzen? Die Wiekhäuser wären im Rahmen dieser Überlegung ursprünglich Blockhäuser gewesen, die wehrganglose Mauer ein Zaun. Gerade der Befund in Salzwedel lässt in diese Richtung denken – die schmalen Vorlagen könnten „versteinerte“ Andeutungen der Zaunpfosten sein, die sich hier, in einer besonders frühen Mauer, noch gehalten haben, während sie danach als sinnlos verschwanden. Die Holzbefestigung des Braunschweiger Cyriacistiftes entsprach noch im 16. Jahrhundert diesem Bild (Abb. 493). Freilich bleibt die Ableitung des Wiekhaussystems von hölzernen Vorgängern bisher reine Hy250 Topographischer Teil
pothese, denn ein entsprechender archäologischer Befund fehlt. Selbstverständlich könnte das Wiekhaussystem auch von Mauern im Westen Deutschlands angeregt worden sein, denn rechteckige Schalentürme waren um 1300 natürlich keine neue Form mehr. Dabei blieben jedoch zwei Hauptmerkmale der brandenburgischen Form zu erklären, die hier neu auftraten, nämlich die dichte Reihung der Türme und vor allem der Verzicht auf Wehrgänge. Für die Mauer als solche waren in der ganzen Backsteinregion Fundamente und untere Mauerteile aus billigem und widerstandsfähigem Feldstein üblich, deren Höhe im Normalfall zwischen „unsichtbar“ – das Fundament bleibt (zumindest heute) im Boden verborgen – und etwa 2 m variierte. Auch größere Höhen des Feldsteins kommen vor, wie erwähnt bis hin zu Mauern, die nahezu in der gesamten Höhe daraus bestehen; in solchen Fällen findet man etwa alle 1,30 m Abgleiche aus kleineren Steinen (zum Beispiel Gransee, Pritzwalk). Die keineswegs besonders frühe Datierung dieser vermeintlichen „FeldsteinmauMauer, Mauergasse und Gräben im ern“ wurde schon angesproWiekhaussystem chen. Dass die Menge des verwendeten Feldsteins etwas mit der unregelmäßigen Zufuhr dieses billigen Materials zu tun hatte, zeigen besonders jene
Städte, bei denen verschiedene Abschnitte der Mauer auch ganz verschiedene Höhen des Feldsteins zeigen. Denn bei länger erhaltenen Mauerstrecken sind in der Regel alle 5–15 m senkrechte Verzahnungen zu erkennen, die zeigen, dass die Mauer abschnittsweise hochgeführt wurde, deutlich etwa noch in Prenzlau und Wittstock. So gibt es in Gartz Abschnitte, die fast völlig aus Feldstein bestehen, und andere ganz aus Backstein; in Königsberg gibt es teils 2-m-Feldsteinsockel, teils gar keinen. Und der Beispiele sind mehr, obwohl nicht allzu viele Mauern lang und hoch genug erhalten sind, um Derartiges festzustellen. Backsteinbögen im Fundament, anderswo häufig, treten in der Mark kaum auf (Bärwalde), sicher wegen der Nässeanfälligkeit des Backsteins und der Untauglichkeit von Feldstein für Bögen. Dass die Mauer des Wiekhausgebietes nach oben schwächer wird, in der Regel durch steilen Anzug an der Außenseite bis zu einer Dicke von unter 0,50 m an der Krone, ist fraglos auch in dem Versuch begründet, teuren Backstein zu sparen; möglich wurde es durch die eng stehenden Wiekhäuser, deren Seitenwände als Strebepfeiler wirkten. Rüstlochreihen sind in den Backsteinteilen üblich. In der Regel besaßen die Wiekhausmauern keine Wehrgänge, sondern wurden nur von den Wiekhäusern aus verteidigt. Dieses Faktum wird heute nicht mehr angezweifelt, obwohl gerade die ältere Literatur gelegentlich Rüstlöcher als Wehrgangspuren missverstand. Dennoch gab es auch in Brandenburg Ausnahmen von der Regel der Wehrganglosigkeit, die man in zwei Fälle gliedern kann: Ausnahmen im eigentlichen Brandenburg und Ausläufer benachbarter Regionen mit anderen Mauerformen. Um mit dem zweiten Fall zu beginnen, findet man im Westen Brandenburgs, im magdeburgischen Gebiet, drei Mauern mit Wehrgängen. Die ältesten Mauerteile von Jüterbog und geringe Reste in Görzke (um 1285?) zeigen spitze Wehrgangbögen, die in die Zeit um 1300 und davor zurückgehen dürften, und ein Mauerteil in Burg bei Magdeburg besitzt noch Zinnen. Im Südosten findet man andererseits im ehemals schlesischen Schwiebus und im wohl schlesisch beeinflussten Luckau Reste von Wehrgangabsatz und Brustwehr. In Brandenburg selbst sind Wehrgänge wohl nur besonders früh – Berlin entstand wohl vor der
Entwicklung des Wiekhaussystems – und besonders spät gebaut worden (vgl. unten). Die Mauergasse war im Zusammenhang des Wiekhaussystems noch wichtiger als allgemein für die Stadtmauern, denn normalerweise bot der Wehrgang eine Möglichkeit zur Bewegung der Verteidiger, die hier fehlte. Dementsprechend ist die völlig umlaufende Mauergasse in Brandenburg die Regel; Ausnahmen sind Alt-Landsberg, Lychen, Wusterhausen, wo die Mauer keine oder nur wenige Wiekhäuser besaß, und das eigentlich pommersche Gartz. Mauergassen, die nur an manchen Mauerabschnitten fehlen, gibt es zudem in Müncheberg, Treuenbrietzen und Tangermünde; im letzteren Fall fehlt die Mauergasse nur an der kaum angreifbaren Flussseite. Die Gräben und Wälle sind auch in Brandenburg in der Regel eingeebnet und nur als Grünzone erhalten oder überbaut. Erhaltene Partien machen zusammen mit Plänen des 18./19. Jahrhunderts aber dennoch deutlich, dass zwei oder gar drei Gräben üblich waren. Der sprichwörtliche Sand der Mark erleichterte so aufwendige Anlagen, deren Schutz offenbar bis in die frühe Artilleriezeit ausreichte, sodass Zwinger hier kaum angelegt wurden. In einigen Fällen konkretisieren Grabungen und Dendrodatierungen unsere Kenntnisse. So wurden die dreifachen Gräben von Gransee zwar 1714–36 eingeebnet, aber archäologisch konnte auf jedem Wall noch ein kleines Gräbchen festgestellt werden, vielleicht von einer Palisade; auch in Ruhland wurden dreifache Gräben festgestellt. In Luckau fand man Pfähle wohl der inneren Grabenabstützung, die von 1388–1400 stammten; ähnliche Abstützungen wurden in Bernau auf 1425 und 1482 dendrodatiert (in beiden Fällen könnten die Hölzer ein Reparaturzustand sein, datieren also nicht die Gräben selbst). In Strausberg schließlich war auf dem Wall zwischen den beiden Gräben zwischen eingerammten Pfosten das Mühlenfließ geführt. Größere Reste der Wallgräben sind ferner noch zu sehen in Alt-Landsberg, Brandenburg/Altstadt, Gardelegen und Neuruppin. Typisch für die Wiekhäuser ist zunächst einmal ihre regelmäßige Verteilung entlang der Mauer, in Abständen, die fast immer zwischen 20 und 40 m liegen (zum Beispiel Gransee: 24– 38 m). Ausnahmen von dieser Regel sind selten. So scheint Alt-Landsberg keine Wiekhäuser be26. Brandenburg
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sessen zu haben, ähnlich vielleicht Freyenstein und Kyritz. Recht unregelmäßig verteilte Wiekhäuser gab es offenbar in Müncheberg, Lychen besaß mindestens an den Mauerpartien, die durch Seen geschützt waren, keine Türme und auch in Dahme gibt es Reste von nur zwei Wiekhäusern in einer sonst offenbar turmlosen Mauer; auch Wusterhausen, Seehausen und SommerDie Gestalt der rechteckigen Wiekhäuser feld gehörten wohl in diese Gruppe. Die Pläne des 18./19. Jahrhunderts deuten weitere Fälle dieser Art an, aber bei allen nicht auf Baubefund beruhenden Aussagen über fehlende Wiekhäuser ist Vorsicht nötig wegen der Möglichkeit, dass sie nachträglich abgebrochen wurden; dies ist gelegentlich noch festzustellen und geschah offenbar im 17./18. Jahrhundert, als man die Mauern zwar zu Zollzwecken erhalten, aber die Backsteine der oberen Teile und der Wiekhäuser wiederverwenden wollte; dabei wurden die Lücken der abgebrochenen Wiekhäuser wieder zugemauert, was heute nur noch am anderen Verband zu erkennen ist, deutlich etwa in Neuruppin. Insgesamt ändert dies alles aber nichts am Bild der brandenburgischen „Normalmauer“ mit zahlreichen, regelmäßig verteilten Wiekhäusern. Der heutige Zustand dieser „Normalmauern“ kann so beschrieben werden, dass eine mehr oder minder große Zahl formal gleicher oder sehr ähnlicher Wiekhäuser erhalten ist; für die erhaltene Anzahl ist weniger die im Grunde wenig variable Mauerlänge verantwortlich, sondern der Umfang der späteren Abbrüche. Dass unser Wissen über die Gestalt der Wiekhäuser trotz der vielen erhaltenen Bauten begrenzt bleibt, liegt wiederum an den Abbrüchen des 17./18. Jahrhunderts, die meist nur das öffnungslose, in Feldstein gemauerte Erdgeschoss in 3–5 m Höhe übrig ließen, manchmal auch das erste Obergeschoss, während bis zur Traufe oder gar bis zur Giebelspitze erhaltene Wiekhäuser äußerst selten sind. Nur erdgeschossig erhaltene Wiekhäuser in unterschiedlicher Anzahl findet man heute in Arnswalde, Bernau, Brüssow, Fürstenwalde, Fürstenwerder, Lychen, Müncheberg, Neuruppin, Mohrin, Reetz, Rheinsberg (wo auch Wiekhäuser ergraben sind, aber kaum ins 13. Jahrhundert gehören), (Bad) Schönfließ, Soldin, Strausberg (dessen Mauer keineswegs ins 13. Jahrhundert ge252 Topographischer Teil
hört), Wusterhausen, Gardelegen und Seehausen. Etwas höhere Reste unterschiedlicher Aussagekraft sind zu notieren in Friedeberg, Gransee, Berlinchen, Cottbus (stark erneuert), Gartz (wo zumindest ein Wiekhaus sekundär vor die Mauer gesetzt ist), Landsberg an der Warthe, Lippehne, Rathenow (Mauerbau ab 1296), Tangermünde, Wittstock und Woldenberg. Schließlich gab es völlig verschwundene Wiekhäuser mindestens in Frankfurt/Oder (wo die Mauer schon 1312 erwähnt ist!), in Calau, Crossen und Sorau (ehemals Schlesien), schließlich in Sommerfeld. Die Form des rechteckigen Wiekhauses ist die eines Schalenturmes, auf dessen Seitenwände die Mauer meist etwa mittig traf. Es kam auch vor, dass das Wiekhaus feldseitig nur ganz wenig vorsprang, aber das eigentlich naheliegende – weil die Flankierung verbessernde – volle Vorspringen zur Feldseite gab es offenbar nicht. Freilich ist dieser letztere Fall nicht mehr einfach zu konstatieren, weil auch die zur Stadt vorspringenden Teile der Seitenwände im 17./18. Jahrhundert oft abgebrochen wurden, was gelegentlich noch klar erkennbar ist, aber keineswegs immer. Die Maße der Wiekhäuser variieren stark, auch an derselben Mauer. Eine lichte Breite von rund 2 m, wie etwa in Wittstock, dürfte das Minimum darstellen, der Normalfall liegt bei 3–5 m; die Tiefe orientiert sich an der Breite, in dem Sinne, dass der Grundriss fast immer ein dem Quadrat angenähertes Querrechteck war. Das Erdgeschoss war stets öffnungslos. Der Aufstieg zum ersten Obergeschoss, das wie die oberen Geschosse quer gespannte Balkendecken besaß, erfolgte normalerweise über Holztreppen, die auch das zweite Obergeschoss und die Wehrplatte erschlossen. Daneben gab es jedoch auch eine nicht seltene Art von Wiekhaus, bei der in einer der Wangen eine steile Mauertreppe zum ersten Obergeschoss angeordnet war (Bärwalde, Angermünde, Beeskow, Landsberg an der Warthe, Lippehne(?), Prenzlau [Abb. 494], Soldin). In manchen Städten mag es nur oder fast nur solche Wiekhäuser gegeben haben (etwa Gransee?), aber der überall reduzierte Bestand lässt sichere Aussagen kaum zu; in anderen Fällen ist das Nebeneinander dieses und des einfacheren Typus noch belegbar (Bernau, Neubrandenburg). In Bärwalde und Gransee konnte die gemauerte Treppe offen oder geschlossen noch ins zweite
Obergeschoss weiterführen und dies mag häufiger gewesen sein als der heutige Zustand erkennen lässt. Die stichbogige Tür zur Mauertreppe zeigt in der Regel noch den Türfalz, oft mit den eisernen Angeln; die Treppenwölbung besteht gelegentlich aus Backsteinen im Fischgrätmuster. Die Treppe mündet fast immer direkt hinter der feldseitigen Turmwand ins erste Obergeschoss – ausnahmsweise auch nach Umwinkelung in der Frontmauer selbst – und ist dort durch einen Lichtschlitz erhellt (an dessen Stelle in Landsberg an der Warthe ein Aborterker lag). Das erste und zweite Obergeschoss weist meist jeweils zwei oder drei mäßig hohe Schlitzscharten mit innen erweitertem, stichbogig, dreieckig oder treppenförmig schließendem Backsteingewände auf. Oft ist im zweiten Obergeschoss eine Scharte mehr angeordnet; bei sehr schmalen Türmen gibt es auch nur eine Scharte pro Geschoss. Seitliche Scharten sind, zumindest im ersten Obergeschoss und von den Lichtöffnungen der Treppen abgesehen, oft, aber keineswegs immer vorhanden; die flankierende Verteidigung erfolgte offenbar überwiegend vom zweiten Obergeschoss und der Wehrplatte aus, über die wir allerdings zu wenig wissen. Außer durch die Scharten war die Front der Türme in der Regel ungegliedert, wobei die meist fehlenden Backsteinteile unsere Kenntnis beschränken. Hohe und schmale Blenden im Backsteinteil, in Pommern nicht selten, kann man in Brandenburg nur noch in Gartz (ehemals Pommern), Lübben, Rathenow und Tangermünde nachweisen. Gelegentlich waren erstes und zweites Obergeschoss durch einen Zahnfries aus schräg gelegten Backsteinen getrennt (Gransee, Landsberg an der Warthe, Lübben), ein Motiv, das ebenfalls häufiger gewesen sein mag und auch an den größeren Türmen und Tortürmen vorkommt. Dass die Ecken mancher Wiekhäuser (und anderer Türme) von unten auf, also auch im Feldsteinteil, Ecken aus Backstein besaßen, ist sicher mehr ein technischer als ein ornamentaler Aspekt (Bernau, Lippehne, Reetz, Bad Schönfließ). Wie das zweite Obergeschoss bzw. die Wehrplatte eines Wiekhauses aussah, ist nur noch an einer kleinen Anzahl von Fällen zu studieren und das gilt noch mehr für die Dachform, von der nur noch wenige, fast durchweg in der Neumark ste-
Abb. 494 Prenzlau, ein stark restauriertes Wiekhaus (um 1300, verändert im 15. Jh.?) der Nordmauer verdeutlicht die Anordnung der Treppe, wie sie bei vielen brandenburgischen Wiekhäusern ähnlich zu finden war, aber meist zerstört ist . Sie lag unten in der verstärkten Seitenmauer und wurde dann auf dieser zur Wehrplatte weitergeführt.
hende Bauten zeugen (Abb. 88, 534). Das zweite Obergeschoss, das die Mauerkrone überragte, war bei den erhaltenen Bauten in Bärwalde, Drossen (wohl erst nach 1477) und Königsberg bereits die Wehrplatte, die mit stichbogigen Schießfenstern ausgestattet war (Bärwalde, Drossen), ausnahmsweise auch mit rechteckigen (Königsberg). In allen drei Fällen sind auch seitliche Giebel mit Blendgliederung erhalten. Man darf mit aller Vorsicht diese drei Beispiele als „Normalform“ eines brandenburgischen Wiekhauses verstehen, bei dem das zweite Obergeschoss bereits die Wehrplatte war. In Prenzlau zeigen mehrere erhaltene Bauten an der Nordseite, dass dieses Modell von reichen Städten repräsentativ ergänzt werden konnte. Auch hier gab es offenbar anfangs nur ein Ober26. Brandenburg
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geschoss und die Wehrplatte, wobei die Heraufführung der Mauertreppe bis zur Wehrplatte und die Ziermauerung der Scharten im Obergeschoss auffallen: Eine steil ansteigende Nischendecke aus Backstein im Fischgrätmuster ist nur hier belegbar. Die rundbogigen Schießfenster der Wehrplatte wurden zu Scharten umgewandelt, und direkt darüber wurde eine neue Wehrplatte mit Scharten erbaut. Über dieser folgten dann – sicher erst im 15. Jahrhundert – nicht nur höhere, sondern auch reichere Abschlüsse (Abb. 494). Erhalten sind seitliche, zur Feldseite ansteigende und getreppte Halbgiebel, auf deren horizontal schließender Frontwand man nach Matthäus Merian sogar Fialen ergänzen darf; eine Skizze von Adler belegt zumindest ein Wiekhaus mit feldseitigem, blendengeziertem und fialenbesetztem Dreiecksgiebel. Nach diesen wenigen Beobachtungen darf man die zweigeschossigen Wiekhäuser mit seitlichem Giebel mit aller Vorsicht für den brandenburgischen Normalfall halten. Der hohe Zerstörungsgrad wird aber die Häufigkeit und Gestalt abweichender Fälle für immer im Dunkeln lassen. Wiekhäuser waren stadtseitig wohl meist bis zum Dachwerk offen, jedoch sind einige Fälle erhalten, bei denen sekundär zumindest die oberen Geschosse stadtseitig mit einer Backsteinwand geschlossen wurden (Bärwalde, Bernau, Landsberg an der Warthe, Neubrandenburg, Prenzlau, Templin, Wittstock). Dass man dabei nicht vom Boden her aufmauerte, sondern in Höhe des ersten oder zweiten Obergeschosses einen weiten Tragbogen einfügte, gehört offenbar zu den vielen Hinweisen auf die hohen Kosten des Backsteins. Sinn der Wände war vermutlich, die für die Verteidigung besonders wichtigen oberen Geschosse im Artilleriezeitalter gegen Feuchtigkeit abzuschließen. Ein Wiekhaus in Königsberg, das die Wand über dem Bogen wohl von Anfang an besaß, gehört offenbar insgesamt erst ins fortgeschrittene 15. Jahrhundert. Neben den zahlenmäßig weit überwiegenden rechteckigen Wiekhäusern, die das Gesamtbild der brandenburgischen Mauern prägen, gibt es als Ausnahme auch halbHalbrunde Wiekhäuser runde Schalentürme, die in Verteilung und Dimensionen den rechteckigen Wiekhäusern entsprechen. In wenigen 254 Topographischer Teil
Städten treten sie gereiht oder sogar überwiegend auf, meist aber eher als Einzelfälle. Zur ersten Art gehört Templin, das oben schon der frühen, lübisch beeinflussten Gruppe in Mecklenburg und Pommern zugordnet worden ist (Abb. 491). In allen anderen Fällen liegt die Vermutung zumindest nahe, dass die Halbrundtürme erst einer Spätphase angehören, die kaum vor dem 15. Jahrhundert begann. Am deutlichsten ist dies in Wittstock, wo die runden, im Grundriss mehr als halbrunden („eingeschnürten“) Schalen nur im Nordteil der Mauer auftreten, der wohl eine Erweiterung des mittleren 15. Jahrhunderts darstellt. Ähnlich wurde offenbar die leider undatierte Tangermünder Mauer im Südwesten mit rechteckigen Wiekhäusern begonnen, ging aber in der Mitte der nordwestlichen Längsseite zu Rundschalen über. Weitere, nur in Resten erhaltene und schlecht datierbare Beispiele waren Pritzwalk – von den deutlich überwiegenden Rundschalen ist nur eine erhalten – und Werben, wo es neben Rundschalen auch runde Volltürme gab. In aller Regel undatierbar sind die weit häufigeren Fälle, bei denen nur eine einzige oder eine geringe Anzahl von Rundschalen in einer Mauer, die sonst rechteckige Wiekhäuser besaß, oder aber gar keine Türme (Kyritz) auftreten. Der schlechte Erhaltungszustand, das Fehlen von Scharten oder deren einfache, undatierbare Schlitzform machen eine Einordnung dieser Fälle fast unmöglich. In Neubrandenburg, Drossen und Bernau deuten die Vielzahl der Scharten oder die historischen Daten eine Datierung ins 15. Jahrhundert an, aber die größere Anzahl der Fälle kann hier nur pauschal notiert werden (Arnswalde, Bärwalde, Prenzlau, Rathenow, Gransee [eingeschnürte Form], Schönfließ und ehemals Neuruppin). Die meisten Wiekhausmauern besaßen neben den Wiekhäusern zwei oder drei Volltürme, in der Regel schlanke Rundtürme. Ihre Funktion kann nur vermutet werden; einerseits waren sie höher als die Wiekhäuser, boten also – zusammen mit Runde Volltürme in den Wiekhausmauern den Tortürmen – einen weit besseren Überblick über das Vorfeld. Andererseits waren sie verschließbar und daher als Waffenkammern, Lager und dergleichen nutzbar; in den späten Quellen er-
scheinen sie oft als „Pulvertürme“, was aber nicht die ursprüngliche Funktion gewesen sein kann, weil doch viele der Türme deutlich vor 1400 entstanden sein dürften. Äußerlich sind die Rundtürme, soweit erhalten, in der Regel sehr schlicht (Abb. 495). Der Einstieg liegt fast immer bergfriedartig hoch, gegen die Feldseite gibt es Schlitzscharten in mehreren Geschossen; das gemauerte, runde oder polygonale Kegeldach liegt hinter Zinnen, die durch Vorkragung oder geputzte Felder gegen den Turmschaft abgesetzt sind. Innen sind die Türme – die heute überwiegend schwer zugänglich bzw. bisher undokumentiert sind – oft reicher gestaltet als außen erkennbar. Die Schlitzscharten besitzen Innennischen, es dürfte gelegentlich Wandtreppen und Gewölbe geben; ein Turm in Gransee ist über dem Erdgeschoss gewölbt und der Angermünder „Pulverturm” besitzt ein Kreuzrippengewölbe über dem dritten Obergeschoss. Eine Stube unter der Wehrplatte, mit einem Aborterker im Geschoss darunter, wie in einem Bernauer Turm, war wohl eine Ausnahme. In mehreren Fällen wird deutlich, dass die Rundtürme erst nachträglich der Mauer hinzugefügt wurden, dass sie also vermutlich nicht zum ursprünglichen Konzept des Wiekhaussystems gehört hatten. So hat man in Templin zwei Schalentürme erst nachträglich zu höheren Volltürmen ausgebaut (Abb. 495), in Prenzlau sind zwei Rundtürme sekundär und ebenso, durch Grabung erwiesen, einer in Berlin. In Gartz ist nicht nur eines der erhaltenen Wiekhäuser, sondern offenbar auch ein Rundturm nachträglich angebaut, und das gilt auch für den erhaltenen Neubrandenburger Rundturm. In Angermünde dürfte der einzige Rundturm, der erhaltene „Pulverturm“, auch erst ins 15. Jahrhundert gehören, und noch eindeutiger ist dies in Treuenbrietzen, wo der Turm Schlüsselscharten und einen zweiten, erdgeschossigen Eingang besitzt. Ein solches Beispiel macht deutlich, dass der Übergang von solchen Rundtürmen, von denen keiner vor die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückgehen dürfte, zu den wenigen Rondellen des 15./16. Jahrhunderts in der Region fließend war. Neben den erwähnten sind derartige Rundtürme noch erhalten in Beeskow (drei Türme), Fürstenwalde („Bullenturm“), Bad Schönfließ und Soldin.
Abb. 495 Templin. Einzelne hohe Rundtürme sind typisch für die brandenburgischen Wiekhausmauern. Sie boten einen besseren Überblick als die Wiekhäuser und auch verschließbare Räume. Der „Pulverturm“ in Templin ist besonders interessant, weil Umbaubefunde zeigen, dass er erst nachträglich aus einer Rundschale entstand.
Neben Wiekhäusern und einigen wenigen Rundtürmen pro Mauer sind in Brandenburg alle anderen Turmformen seltene Ausnahmen, was das UngewöhnAndere Türme liche der regionalen Mauerform nochmals unterstreicht. Rechteckige bzw. quadratische Volltürme, in Deutschland neben entsprechenden Schalentür26. Brandenburg
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men wohl die häufigste Turmform, gibt es in Brandenburg kaum. Perleberg, dessen Mauer ab 1353 belegt ist, hatte nach Plänen des 18. Jahrhunderts als große Ausnahme nur im Südwesten Wiekhäuser, sonst aber rechteckige Volltürme; die Zerstörung nahezu der gesamten Mauer lässt aber keine Aussage über Gründe und Genese zu. Ein Rechteckturm in (Bad) Schönfließ hebt sich durch ein zusätzliches Geschoss und ein gemauertes Spitzdach von den üblichen Wiekhäusern ab. Der „Blaue Hut“ im eigentlich pommerschen Gartz verdankt seine Form der Tatsache, dass er durch Ergänzung eines Wiekhauses entstand, und auch ein quadratischer Vollturm in Sorau, der 1563 als Glockenturm erhöht wurde, gehört historisch zu Schlesien. Anschließen lassen sich hier die beiden quadratischen Eckturmstümpfe von Arnswalde, das weit im Osten der Neumark seine ungewöhnliche, nämlich nicht gerundete Grundrissform vermutlich Einflüssen aus dem Deutschordensland verdankt. Schwerer erklärbar ist die nicht näher datierbare, aber wohl lange im Bau befindliche Mauer von Tangermünde, die ebenfalls Ecktürme aufwies, nämlich landseitig runde und flussseitig quadratische. Nur zwei kaum vor 1400 erbaute Türme in Brandenburg gehören dem in Pommern eindrucksvoll entwickelten Typus an, der Teile verschiedener Grundrissformen übereinanderstapelt; charakteristischerweise steht der eine in Gartz, das zu Pommern gehörte, der andere in Friedeberg, das ganz im Nordosten Pommern benachbart ist. In Gartz besitzt der Turm „Storchennest“, der auf ein Wiekhaus aufgesetzt wurde, einen Rechtecksockel mit hohen Spitzbogenblenden, dann folgt ein Gesims und über Halbpyramiden der Übergang zum Achteck. Nur einen Meter höher liegt ein gezinnter Umgang, über dem schließlich ein schmaler Achteckaufsatz folgt, der nicht seine Zinnen, wohl aber das gemauerte Spitzdach bewahrt hat. Einfacher ist der „Hexenturm“ in Friedeberg, bei dem über dem Rechtecksockel ein schmalerer Rechteckteil mit runden Ecken folgt, dann ein runder Aufsatz mit originalem, gemauertem Turmhelm; auffällig sind „Kreuzstockfenster“ aus Backstein. Keine Türme, aber funktional verwandt, waren Erker auf der Mauerkrone, jeweils etwa mittig zwischen den Wiekhäusern, die man in Bees256 Topographischer Teil
kow (Abb. 75), Friedeberg, Prenzlau und Königsberg noch nachweisen kann. Die Häufigkeit solcher Erker kann heute kaum noch beurteilt werden, weil die Mauerkrone mit eventuellen Resten fast immer zerstört ist. Nur in Beeskow sind sie noch gut erhalten; sie ruhten auf jeweils sieben hohen Backsteinkonsolen und waren zur Stadt offen; auch Spuren von Holztreppen sind noch erkennbar; der Befund erinnert an das pommersche Pyritz. In Friedeberg gibt es nur noch Reste solcher Erker, jene in Prenzlau sind lediglich durch eine Skizze von Adler noch belegbar. Nachdem Tore des späten 13. Jahrhunderts in Brandenburg kaum erhalten sind – unpublizierte Forschungsergebnisse belegen dies zumindest für das „Rathenower Tor“ der Brandenburger „Altstadt“ –, blieb aus dem 14. ein geringer und aus dem 15. Jahrhundert dann ein weit reicherer Bestand. Dabei dominieren TorTore des 14. Jahrtürme das regionale Gesamtbild hunderts keineswegs so eindeutig wie in den meisten anderen deutschen Landschaften; vielmehr spielen Tore mit danebenstehendem Turm insgesamt die wichtigere Rolle, und gelegentlich treten noch andere Formen auf. Jedenfalls aber waren die Türme über und neben dem Tor der wichtigste Ort ornamentaler Gestaltung, nachdem die Wiekhäuser und die übrigen Türme zu solchen Zwecken kaum genutzt wurden. Mit der Entwicklung insbesondere der Ornamentik bzw. vor allem der Blendgliederungen an den Toren hat sich Heinrich Trost in einem der wenigen zusammenfassenden Bücher zum Thema der deutschen Stadtbefestigungen intensiv befasst; seinen Einschätzungen wird hier gefolgt. Tortürme aus dem 14. Jahrhundert findet man fast nur noch in Templin und – formal verwandt – wohl auch in Wittenberge („Steintor“); der wohl gleichaltrige, unregelmäßig gegliederte Unterteil des „Stettiner Tores“ in Gartz gehört eigentlich zu Pommern. Die vollständig erhaltenen Templiner Tortürme – „Mühltor“, „Berliner Tor“ und „Prenzlauer Tor“ – sind teils unter Einbeziehung von Vorgängerbauten wohl um 1320–40 entstanden und zeigen eine ausgewogene, geschossweise abgesetzte Blendgliederung (Abb. 496). Auch die stadt- und feldseitigen Ziergiebel und die Fallgatter zweier Tore sind Formen, die es dann – immer wieder leicht abgewandelt – bis
ins 15. Jahrhundert hinein gibt. Das Fallgatter wird in Strebepfeilern geführt, die fast über die ganze Turmhöhe aufsteigen und oben durch einen Schwibbogen mit dem Wehrgang verbunden sind. Nimmt man noch die Tatsache hinzu, dass die Treppe zu den Obergeschossen in der Seitenwand der Templiner Türme liegt, was den ganzen Turm etwas asymmetrisch macht, so kann man sagen, dass hier schon zahlreiche Merkmale der späteren brandenburgischen Tortürme vereint sind. Im erhaltenen Bestand an Tortürmen stammen die nächstjüngeren erstaunlicherweise erst aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts; ob nach den Templiner Toren tatsächlich lange Zeit nichts mehr neu gebaut wurde oder ob sich hier ein Zufall der Erhaltung zeigt, ist letztlich nicht zu klären – wahrscheinlicher ist das Erstere, weil sich das Phänomen bei den anderen Torformen ähnlich zeigt. Das Tor in einem kleinen Torbau oder gar nur in der Mauer selbst, aber von einem direkt danebenstehenden Turm geschützt, ist in Brandenburg die häufiger vorkommende Torform, die aber leider kaum zu datieren ist. Denn die in aller Regel runden Türme weisen – wie ihre Gegenstücke, die nicht an Toren stehen – kaum Schmuckformen auf, sondern nur Pforten und Schlitzscharten (vgl. noch Brandenburg/Altstadt, „Plauer Tor“; Dahme, „Jüterboger Tor“; Mittenwalde, „Berliner Tor“; Sommerfeld, „Sorauer Tor“; Luckau, „Calauer Tor“; Möckern). Kaum besser steht es bei den selteneren quadratischen oder rechteckigen Türmen neben dem Tor (Alt-Landsberg, Strausberg und Loburg), die auffälligerweise mehr Feldstein verwenden; zwei weitere Beispiele sind wieder Schlesien zuzuordnen, nämlich der Turm am Sorauer „Niedertor“ und ein Turm im nahen Triebel, der als große Ausnahme Eckstrebepfeiler besitzt. Alle diese Bauten können ebenso gut ins (späte) 14. Jahrhundert gehören wie erst ins 15. Jahrhundert. Sie sind auch hier, wie in den westlich angrenzenden Regionen Sachsens bzw. Sachsen-Anhalts, als die sparsamere Torform zu verstehen; nicht nur das geringere Volumen der Türme ohne Durchfahrt weist in diese Richtung, sondern eben auch der Verzicht auf Ornamentik. Ganz ungewöhnliche Torformen findet man in Fürstenwerder, wo beide Tore zwischen zwei
Abb. 496 Templin, der Mühltorturm, hier die Feldseite, entstand wohl um 1320–40.
aneinandergerückten Wiekhäusern lagen, sodass eine Art Doppelturmtor entstand, und in Reetz, wo dasselbe Motiv mit Rundschalen auftritt. Heinrich Trost hielt Fürstenwerder für eine frühe Torform und in der Tat könnte man dies denken, wenn auch vielleicht eher in der Gestalt des „Neustädter Tores“ in Tangermünde, das vor dem Umbau des 15. Jahrhunderts wohl einfach ein Mauertor neben einem ganz normalen Wiekhaus war. Eine weitere naheliegende Idee, nämlich ein Tor in einem Wiekhaus selbst, ist nur ein einziges Mal nachweisbar, nämlich als Nebentor in Mohrin. Bei isolierter Betrachtung der Elemente der brandenburgischen Mauern – Kurtinen, Gräben, Türme und Tore jeweils für sich – könnte ein allzu statisches Bild entstehen, als seien die Mauern letztlich eben doch alle gleich gewesen. Mit26. Brandenburg
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verantwortlich für diesen simplifizierenden Eindruck ist die Tatsache, dass die wenigsten Mauern eng datierbar sind. AndererZur Entwicklung seits trifft man oft schon in der Mauern im einer einzigen Stadt auf eine 14./15. Jahrhundert Variationsbreite, etwa in der Form der Wiekhäuser – Maße, Anzahl und Verteilung der Scharten, Fehlen oder Auftreten der Mauertreppe, Blendenschmuck usw. –, die auffällt und eine Erklärung fordert. Richtet man den Blick nur auf eine Stadt, so könnte man dabei an eine lokale Entwicklung glauben, etwa zu funktionaleren oder repräsentativeren Formen hin. Da man derartige Variationen aber in zahlreichen Städten ähnlich antrifft, drängt sich die Interpretation auf, dass es sich um regionale Entwicklungen handelt, die viele Mauern prägten, weil sie gleichzeitig im Bau waren. Manches mag dabei ein Einfluss aus anderen Regionen Deutschlands sein, etwa das Aufkommen der Rundtürme im späten 14. Jahrhundert, anderes scheint durch die zunehmende Verbreitung der Backsteinproduktion erklärbar. Nur die bemerkenswerte Konsequenz des Wiekhaussystems bleibt ein Unikat. In noch drei Städten – Jüterbog, Tangermünde und Beeskow – kann man anhand einer weitgehend erhaltenen Mauer studieren, wie die Konzepte aufeinander gefolgt sind. In Jüterbog, einer der frühen Städte der Mark, begann der Mauerbau – noch vor 1300? – mit der schon erwähnten Feldsteinmauer mit spitzbogigen Wehrgangbögen im Westen; es folgte offenbar die Südseite mit zumindest drei rechteckigen, blendengezierten Backsteintürmen und zuletzt – sicherlich erst im 15. Jahrhundert – ging man im Norden und Westen zu Halbrundschalen und zwei Rundtürmen über. Erst in diese letzte Phase gehören auch die von Rundtürmen flankierten Haupttore. Die Mauer von Jüterbog gehört nicht ins Wiekhausgebiet – der erhaltene Bestand umfasst nur ein einziges rechteckiges Wiekhaus im Norden –, verdeutlicht aber, wie der Mauerbau selbst bei einer großen und wichtigen Stadt im Backsteingebiet mehr als ein Jahrhundert dauern und dabei verschiedene Formen durchlaufen konnte; vergleichbar ist zum Beispiel Zerbst (vgl. Kapitel 22. Sachsen-Anhalt). Auch die Mauer von Tangermünde, deren Bau sich wahrscheinlich von der zweiten Hälfte des 258 Topographischer Teil
14. Jahrhunderts bis ins 15. Jahrhundert zog, lässt in der dichten Wiekhausreihung der drei landseitigen Mauern eine Entwicklung erkennen. Südlich des „Neustädter Tores“ gibt es Rechteckschalen mit Spitzbogenblenden auf der Frontseite, die nördlich des Tores durch schlichte Türme gleicher Form abgelöst werden; in diesen offenbar älteren Teilen, mit einem Rundturm an der Nordwestecke, gibt es noch viel Feldsteinverwendung. Etwa mittig in der Nordseite ging man dann – wohl erst nach 1400 – zu halbrunden Schalen über. Das „Neustädter Tor“ war anfangs nur ein Durchlass, der von einer der blendengeschmückten Schalen flankiert wurde, und auch das etwas jüngere „Hühnerdorfer Tor“ war ein quadratischer, nur im Obergeschoss innen geöffneter Turm mit Durchfahrt daneben. Im 15. Jahrhundert – wohl zwischen 1440 und 1470 – wurden schließlich die drei Tore im schmuckreichen Spätstil der Backsteingotik ausgebaut. Das (restaurierte) „Neustädter Tor“ (Abb. 156) erhielt einen zweiten, runden Flankenturm mit Scharten lediglich im ersten Obergeschoss, die beiden Zinnenkränze und der neue Torbau zeigen reiche Blendengliederung, alle vier Obergeschosse sind rippengewölbt; von der ebenfalls reichen Fassade des Vortores blieb nur ein Rest. Der „Hühnerdorfer“ Torturm (Abb. 545) wurde achteckig erhöht, mit hohen Maßwerkblenden und Ziererkern unter der Wehrplatte, schließlich entstand die „Roßpforte“ zum Hafen als einfacher, aber im Zinnenbereich dekorierter Torturm ganz neu. Insgesamt bietet Tangermünde das heute besterhaltene Beispiel für die Entwicklung des Wiekhaussystems, ungewöhnlich nur durch die Ecktürme. Trotz anderer Annahmen ist auch die Mauer von Beeskow nicht datiert (die Erlaubnis der Nutzung von Lehmgruben 1321 bedeutet keineswegs zwingend den Beginn des Baues!). Man begann offensichtlich an der Süd- und Westseite mit regionaltypischen Wiekhäusern, die auf den Mauerkronen durch die bereits erwähnten Erker (Abb. 75) ergänzt wurden; der „Zinnaer Klosterhof“ besitzt ein mit der Mauer gleichzeitig entstandenes Stichbogenfenster. Dann ging man noch im Westen zu einem System mit einer gezinnten Mauer über – die Zinnenform deutet auf Feuerwaffen –, bei dem die Wiekhäuser teils schon fehlten. Zu beiden Bauphasen gehören
noch die typischen vereinzelten Volltürme, wobei deren geringere Höhe im Westen und Norden den Einfluss der Feuerwaffen bestätigt, und erst recht der Achteckturm im Norden mit Senkund kreuzförmigen Scharten für Musketen. An der heute weitgehend fehlenden, östlichen Flussseite findet man schließlich noch zwei Rondelle mit erweiterten Schlitzscharten für Geschütze, vergleichbar etwa mit der sächsischen Burg Belzig (Rondelle wohl nach 1465). Insgesamt kommt man nach diesen Merkmalen kaum umhin, für die Beeskower Mauer eine lang gezogene Bauzeit anzunehmen, die mindestens vom Ende des 14. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts reichte und in der man mehrfach Anpassungen an den regionalen Stand der Verteidigungstechnik vornahm. Ähnliches wird man für viele brandenburgische Mauern annehmen dürfen, die nur selten so gut erhalten sind und eher weniger auffällige Entwicklungen spiegeln. Fast alle in Brandenburg erhaltenen Tortürme stammen erst aus dem 15. Jahrhundert. Wirklich erklärlich ist dieses Phänomen bisher nicht, nachdem ein großer Teil der Mauern selbst schon im 14. Jahrhundert errichtet worden war. Der baukörperliche und ornamentale Aufwand der nun entstehenden Türme über (und neben) dem Tor weist jedenfalls stark darauf hin, dass gestiegene Repräsentationsansprüche – verbunden mit der Wirtschaftskraft, sie in Bauten umzusetzen – der weTortürme des 15. Jahrhunderts sentliche Faktor dieser Entwickmit Achteck- oder lung war, der ja auch überregioRundaufsatz nal gut ins Bild der Spätgotik passt. Offen bleibt dabei jedoch die Frage, wie die älteren Tore ausgesehen haben. In einigen Fällen sind, wie schon angesprochen, ältere Türme als Kern der Neubauten erkennbar, so in Stendal, Prenzlau, Brandenburg/Altstadt („Rathenower Tor“), Templin, Gartz und dem Sonderfall Bernau; es ist möglich, dass es noch mehr solche Fälle gibt, die erst durch Bauforschung erkennbar würden. Aber es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Tore des 15. Jahrhunderts gerade bei kleinen, spät ummauerten Städten die Erstbauten sind, denen nur ein Holzbau oder ein einfaches Mauertor vorangegangen ist. In die Jahre um 1420–40 gehören das „Bernikower“ und das „Schwedter Tor“ in Königsberg
in der Neumark, deren reiche Gestaltung mit Turmformen zusammenhängt, die im benachbarten Pommern häufig waren und auch an Kirchtürmen auftreten, etwa in Königsberg selbst (Abb. 100). Beide Tortürme zeigen einen quadratischen Schaft, der mit mehreren Blendenreihen gegliedert ist, und dann über einem Zinnenkranz einen immer noch kräftig dimensionierten Achteckaufsatz, der in einem zweiten Zinnenkranz und einem gemauerten Spitzdach endet. Dabei zeigt das nach Heinrich Trost etwas spätere „Schwedter Tor“ eine noch differenziertere, durch einen Maßwerkfries bereicherte Gliederung des Schaftes, und vor allem ist der Übergang zum Achteck durch angelehnte Rundtürmchen weit überzeugender gestaltet – einer der gestalterisch besten Tortürme des mittelalterlichen deutschen Raumes! Wie die Königsberger Tore die Umgebung anregten, wird wohl in Lippehne am deutlichsten, wo jedenfalls das „Pyritzer Tor“ erst nachträglich für den achteckigen Aufsatz umgebaut wurde, vielleicht auch das „Soldiner“ Tor. Niedrigere, schlichter gegliederte und daher weniger überzeugende Varianten von Königsberg sind auch die ehemals drei Tore der Nachbarstadt (Bad) Schönfließ, wo leider gerade das höchste „Stresower Tor“ abgerissen ist. Auch außerhalb der Neumark entstanden im 15. Jahrhundert gelegentlich Türme mit quadratischem Schaft und rundem Aufsatz, nämlich in Prenzlau, Stendal, Werben und Reetz; in den beiden ersten Fällen handelt es sich um große und reiche Städte, die die Form ihrer anspruchsvollen Wirkung halber übernommen haben dürften. Noch in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts setzt Heinrich Trost die Erhöhung des aus dem späten 13. Jahrhundert stammenden „Blindower Tores“ in Prenzlau (Abb. 490). Auf den ersten Blick nur ein schlichter, wenn auch kräftiger Rundturm mit Schlitzscharten, muss man sich verdeutlichen, dass früher ein vorkragender Holzwehrgang den unschönen Übergang zwischen Quadrat und Rund verdeckte und betonte. Welches Potenzial in dieser zunächst pragmatischen Form steckte, verdeutlicht erst das jüngere und ganz einheitliche „Mitteltor“ (um 1470; Abb. 115), bei dem der nun steinerne Wehrgang mit abgeschrägten Ecken und Rundscharten eine äußerst markante Form schafft; allerdings stand der Turm neben dem Tor, erst das 19. Jahrhun26. Brandenburg
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dert schuf die Durchfahrt. Der Umbau des dritten Prenzlauer Haupttores, des „Steintores“, vertritt ein einfacheres Modell, indem der Rechteckturm des 13. Jahrhunderts neben der Durchfahrt über gleichem Grundriss erhöht wurde; den neuen Teil schmücken relativ schlichte, hohe Blendbiforien und darüber ein Wappenfries. Auch neben dem „Dramburger Tor“ in Reetz steht schließlich ein Turm mit quadratischem Unterbau und rundem Aufsatz. Den Höhepunkt der märkischen Tortürme bilden im mittleren 15. Jahrhundert die zwei erhaltenen Türme in Stendal, beide ebenfalls auf Torreste des 13. Jahrhunderts aufgesetzt (Abb. 94, 487). Der quadratische Unterbau wurde durch ein gegliedertes Obergeschoss und einen blendenreichen Zinnenkranz abgeschlossen, mit Erkertürmchen an den Ecken. Darüber folgt ein runder, keineswegs schlanker Aufsatz mit einem zweiten, ähnlichen Zinnenkranz. Der „Tangermünder Torturm“ wirkt gedrungener, weil der ältere Sockel bis zu halber Turmhöhe erhalten ist. Dagegen besticht der etwas jüngere „UenglinAbb. 497 Gransee, das Ruppiner Tor (2. Viertel des 15. Jh.), hier die Feldseite, zeigt eine in Brandenburg mehrfach auftretende „Brücke“ hoch über dem Tor, die als eine Art größerer Wurferker die Verteidigung der Durchfahrt verbessern sollte (T. Radt).
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ger Turm“ (um 1450/60) durch die konsequentere, aufragende Gestaltung und die weit reichere (restaurierte) Blendgliederung. Der „Uenglinger Turm“ wird Steffen Boxthude zugeschrieben, und das gilt auch für das (äußere) „Elbtor“ im nahen Werben (um 1460/70), wo der rondellartige, aber sehr ähnliche Rundturm mit abgesetztem Oberteil allerdings neben dem Vortor steht (Abb. 101); der Torbau ist – ein seltener Fall – erhalten und besitzt über der kreuzrippengewölbten Durchfahrt nur Zinnen. Als drittes Tor desselben Baumeisters gilt schließlich der Umbau des „Neustädter Tores“ in Tangermünde, wo gleichfalls ein Rundturm mit schlankerem Aufsatz, reicher Blendgliederung und gewölbten Innenräumen hinzugefügt wurde, sodass das ältere Tor nun von zwei unterschiedlichen Türmen gerahmt ist (Abb. 156). Jenseits der Tore tritt die Turmform mit schlankerem Aufsatz in Brandenburg kaum auf. Zu nennen ist im Grunde nur das lausitzische Cottbus, wo nicht nur der recht schlichte Turm neben dem „Spremberger Tor“ unten quadratisch und oben rund ist, sondern auch ein Mauerturm im Westen, dessen runder Teil abgeplattet ist; schließlich trägt der mit schwarzen Rauten gezierte „Münzturm“ auf einem quadratischen Unterteil einen achteckigen Aufsatz mit Schlüsselscharten. Neben der Form mit schlanTortürme des kem Aufsatz wird im 15. Jahr15. Jahrhunderts hundert natürlich auch die Form ohne Aufsätze des einfachen, quadratischen Torturmes mit Ziergiebeln weitergeführt; in der Regel handelt es sich auch nach Größe und Ornamentik um die bescheideneren Tore. Noch in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mögen die zwei Türme in Soldin entstanden sein („Neuburger Tor“, „Pyritzer Tor“) und wohl auch der Oberbau des „Stettiner Tores“ in Gartz, der einen horizontal schließenden Schaugiebel besitzt und ursprünglich wohl zur Stadt offen war. In das zweite Viertel des 15. Jahrhunderts datiert Heinrich Trost das „Ruppiner Tor“ in Gransee, dessen Formen – der Giebel stammt aber erst von 1892 – das Vorbild der Marienkirche erkennen lassen (Abb. 497). Die „Brücke“ auf den Pfeilern des Fallgatters ist dagegen ein Motiv, das schon hundert Jahre früher in Templin auftrat.
Abb. 498 Bernau, das „Steintor“ entstand in der 2. Hälfte des 15. Jh. neu, mit gewölbten Innenräumen, die dem Gefängniswärter zur Wohnung dienten. Das Gefängnis war der Rundturm („Hungerturm“) rechts, der eigens durch einen Laufgang mit dem Torturm verbunden wurde.
Ins mittlere 15. Jahrhundert gehören das mit einer Stadterweiterung entstandene „Gröper Tor“ in Wittstock (um 1450) und das wenig jüngere Tangermünder „Wassertor“, das – obschon ein schön gestalteter Torturm – unter den Tangermünder Toren das weitaus schlichteste war. Um 1470/80 erneuerte man in Salzwedel das „Neuperver Tor“ mit gerade abschließenden Schauwänden zur Feld- und Stadtseite. Ein Sonderfall ist das Bernauer „Steintor“, dessen Reste nach einem Brand 1485 ummantelt wurden; es ergab sich ein besonders massiver Turm, der ungewöhnliche Eckstrebepfeiler besitzt (Abb. 498). Die kreuzrippengewölbten Geschosse waren über eine Mauertreppe erreichbar und Kamin wie Abort im ersten Obergeschoss weisen auf eine Wächterwohnung, von der auch das Gefängnis im älteren „Hungerturm“ kontrolliert wurde, den man eigens mit einem Gang auf Bögen zugänglich machte. Ein vergleichbarer Fall ist der „Rathenower Torturm“ in Brandenburg/Altstadt (Abb. 499), der durch Ummantelung und runde Ausmauerung aus einem Torturm zu einem schmuckreichen Turm neben
dem Tor wurde; neben Blendgliederung und Maßwerkfries zeigte er einen Wappenfries, der die bewegte Geschichte Brandenburgs im 14./15. Jahrhundert spiegelte (unter anderem das Reich, Bayern, Sachsen-Anhalt, Böhmen und Brandenburg). Weitere Tortürme wohl des späteren 15. Jahrhunderts stehen noch in Friedeberg („Driesener Tor“ mit Maßwerkgiebel), in Seehausen und in Reetz („Arnswalder Tor“). Der Tortypus, bei dem ein Mauertor oder Torbau von einem danebenstehenden Vollturm geschützt wird, ist in Brandenburg häufig und geht hier, wie schon erläutert, gewiss ins 14. Jahrhundert zurück, ohne dass in den meisten Fällen eine genaue Datierung möglich ist. Eine Reihe von Toren dieser Art Türme neben dem Tor im gehört aber mit Sicherheit erst ins 15. Jahrhundert 15. Jahrhundert, darunter auch solche, deren schlichte Form als hohe Rundtürme auch älter sein könnte. So schätzt etwa Heinrich Trost alle drei Tore von Jüterbog so ein, dass die Unterteile der Türme noch ins 14. Jahrhundert gehören könnten, die oberen 26. Brandenburg
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Abb. 499 Brandenburg, der „Rathenower Torturm“ – hier die Stadtseite – wurde um 1290 als niedriger Torturm begonnen, aber Mitte des 14. Jh. umgebaut und erhöht, sodass er nun neben dem Tor stand. Der heutige Durchgang ist modern, der Bogen der ursprünglichen Durchfahrt blieb aber erkennbar.
Abb. 500 Tangermünde, der Turm neben dem ehemaligen „Hü(h)nerdorfer Tor“. Der rechteckige Unterbau entstand als Schalenturm bzw. Wiekhaus um 1300, der schmuckreiche, mit dem Brandenburger „Mühlentorturm“ (Abb. 268) vergleichbare Aufbau um 1460–90.
Backsteinteile erst ins späte 15. Jahrhundert; das „Zinnaer Tor“ ist mit einem stärker geschmückten quadratischen Turm zu einer Art unregelmäßigem Doppelturmtor gestaltet, ähnlich dem „Neustädter Tor“ von Tangermünde. Auch der Rundturm am „Berliner Tor“ in Burg dürfte erst nach 1400 entstanden sein und ebenso der wappengeschmückte Rundturm am Außentor des „Altperver Tors“ in Salzwedel, neben dem auch die rippengewölbte Durchfahrt erhalten ist, schließlich die Rundtürme neben zwei Beeskower Toren, die Rautenmuster aus schwarz gebrannten Köpfen und Zierfriese zeigen. Sicheren Boden bezüglich der Datierung betritt man in Brandenburg, wo der „Mühlentorturm“ inschriftlich 1411 von Meister Nicolaus Kraft aus Stettin errichtet wurde (Abb. 268). Er
ist allerdings – achteckig, mit einer hohen Maßwerkblende pro Seite und kraftvollem Profil unter den Zinnen – ein hervorragend proportioniertes, fast sakral wirkendes Unikat, vergleichbar mit dem „Hühnerdorfer Tor“ in Tangermünde, bei dem eine ähnliche Gliederung allerdings über einem älteren und höheren, stadtseitig geöffnetem Sockel ansetzt und der auch mit den Erkern unter der Wehrplatte die Chance einer ähnlich klaren Form vergibt (Abb. 500). Am „Steintor“ der „Neustadt“ zeigt der nur wenige Jahrzehnte jüngere, starke Rundturm mit zahlreichen Schlitzscharten in den gewölbten Geschossen das andere formale Extrem im Zeitalter der frühen Feuerwaffen; vergleicht man den erwähnten Turm am Werbener „Elbtor“ (Abb. 101), so wird die in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
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herrschende Spannweite zwischen Wehrhaftigkeit und Repräsentation sehr deutlich. Rechtecktürme neben dem Tor kommen, wie Rechtecktürme allgemein, in Brandenburg kaum vor. Einziges Beispiel ist das „Berliner Tor“ in Müncheberg mit einem blendenverzierten Turm; das dortige „Küstriner Tor“ besitzt bereits wieder einen kräftigen Rundturm mit Artilleriescharten und Maßwerkfries unter den Zinnen. Die mehrfach gestaffelten Wallsysteme, deren Tiefe oft 40–50 m erreichte, führten im norddeutschen Flachland zu Torzwingern von entsprechend extremer Länge. Sie überbrückten die wasserführenden Gräben und waren dabei seitlich nur durch schwache Mauern geschützt. Wichtigster Teil war das Zwingertor vor dem äußersten Graben, weil es dort dem Ankömmling seine Architektur Vortore des 15. Jahrhunderts darbot und weil von hier angeordneten Rondellen aus zugleich das Vorfeld kontrolliert und beschossen werden konnte. Für beide Formen bietet heute Neubrandenburg (Mecklenburg) die besterhaltenen, typischen Beispiele, bei denen zum Beispiel auch die Entstehung der Zwinger in zwei Abschnitten noch nachvollziehbar ist (Abb. 167). Sonst ist von den ehemals sehr häufigen Vortoren aber wenig erhalten, wegen der Verkehrsprobleme des 18./19. Jahrhunderts; ausgegraben wurden die Fundamente solche Zwinger in Müncheberg, Nauen, Cottbus und Brandenburg/„Altstadt“. In Brandenburg sind – neben dem „Elbtor“ in Werben (Abb. 101) – die Vortore des „Neumarkter“ und des „Dammtores“ in Jüterbog wohl die wichtigsten erhaltenen Bauten (um 1480), ursprünglich Torbauten mit feldseitiger Fußgängerpforte, zwei Wehrgeschossen übereinander und relativ schlichter, aber Formsteinfriese integrierender Blendgliederung; beide besaßen Eckbetonungen durch polygonale Tourellen bzw. runde Erkertürme auf Strebepfeilern. Schmaler, aber durch den aufragenden Giebel zwischen Rundtürmchen fast noch eindrucksvoller ist das Vortor des „Berliner Tores“ in Mittenwalde (Ende des 15. Jahrhunderts). Den Höhepunkt der märkischen Vortore bildete sicherlich das „Schwedter Tor“ in Königsberg, das wir nur noch durch Matthäus Merian kennen (Abb. 100). Vor dem anspruchsvollen Torturm der Hauptmauer stand,
vermutlich als zweite Ausbauphase, ein Vortor, das von zwei polygonalen, stark von Maßwerkfenstern durchbrochenen und mit Eckstrebepfeilern versehenen Türmen überragt wurde – eine sakral anmutende Architektur, vor die dann im frühen 16. Jahrhundert ein weiteres Doppelturmtor mit schartenreichen Rondellen gesetzt wurde (Ähnliches gab es vor dem „Gröper Tor“ in Wittstock). Einfacher und turmlos gestaltet, aber mit zwei Durchfahrten versehen, ist das Vortor des „Prenzlauer Tores“ in Templin, das Heinrich Trost noch vor 1450 ansetzt; es stand hinter dem äußeren Graben, vertritt also auch insoweit eine ältere Entwicklungsstufe. Reste eines ähnlichen Baues gibt es am „Neustädter Tor“ in Tangermünde. In Rathenow gehört ein Mauerstück mit einer dreiteiligen Hosenscharte (16. Jahrhundert) sicher zum Vortor des „Steintores“. Zusätzliches Wissen über die Anlage verschwundener Vortore brachten in den letzten Jahren Grabungen in Müncheberg („Küstriner Tor“) und Nauen; sie ließen auch die Überbrückung der Gräben besser erkennen. Von weiteren Vortoren sind nur noch geringe Reste erhalten, so ein Rundturm mit Schlitzscharten in Arnswalde. In Cottbus stand noch bis 1878/79 die „Bastei“, eine hufeisenförmige Streichwehr wohl des frühen 16. Jahrhunderts, die zum Torzwinger des „Spremberger Tores“ gehörte. Reste von den langen Seitenmauern der Zwinger sind gelegentlich erhalten, oft bis zur Unkenntlichkeit verbaut. Zu nennen sind auch hier Jüterbog, ferner Bernau – beide mit Spitzbogennischen im Erdgeschoss und Zinnen darüber –, Tangermünde und Fürstenwerder. Die Rondelle vor den Torzwingern, von denen kaum etwas erhalten ist, waren die wichtigsten VerstärMauerverstärkungen im späten kungen der brandenburgi15. Jahrhundert schen Mauern im 15. Jahrhundert, denn umlaufende Zwinger gab es hier nicht und auch Verstärkungen der Hauptmauer fanden kaum statt. Das gilt zunächst für die Türme. Bei den ausnahmsweise halbrunden „Wiekhäusern“, die selten als größere Turmgruppe (Wittstock, Tangermünde, Pritzwalk, Werben), häufiger als Einzelbauten festzustellen sind, ist schon festgehalten worden, dass sie oft wohl erste Reaktionen auf (leichte) Feuerwaffen darstellten. In Beeskow 26. Brandenburg
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sind schon runde bzw. achteckige Volltürme erwähnt worden, die niedriger waren als im Normalfall und Scharten für leichte Feuerwaffen besaßen, schließlich auch echte Rondelle als Endpunkt der Entwicklung. Verdeutlicht man sich, dass viele der anderen, im Erscheinungsbild ganz unauffälligen Rundtürme auch ins 15. Jahrhundert gehören dürften und dass Schlitzscharten hier wie in manch anderer Region auch im Artilleriezeitalter üblich blieben, so wird deutlich, dass mehr Volltürme erst in die Spätzeit gehören könnten, als es bei oberflächlicher Betrachtung erscheint. Wirkliche Rondelle an der Hauptmauer, also niedrige Bauten mit eindeutigen Feuerwaffenscharten, blieben demgegenüber seltene Ausnahmen. Neben Beeskow darf hier der Stendaler „Pulverturm“ genannt werden – der drei zerstörte Gegenstücke hatte – mit zwei Kuppelgewölben, Schießscharten und einer Treppe in der Mauerdicke. Weitere Rondell(rest)e findet man noch in Schwiebus und Sorau, die aber zu Schlesien gehörten. Die größte Schwachstelle der typischen Wiekhausmauer war im Zeitalter der Feuerwaffen die Mauer selbst, weil sie keine Wehrgänge besaß. Dies konnte man natürlich ändern, indem man den Wehrgang nachträglich hinzufügte, entweder auf Balken auskragend oder – wegen der Schwäche der Mauern – auf neuer Tragkonstruktion, das heißt Wehrgangbögen. Die erste, einfachere Lösung ist etwa an einem nordöstlichen Mauerstück in Wittstock zu finden, wo es auch noch Zinnen gibt; dies dürfte kein Umbau sein, sondern einfach der letzte Teil der Mauer. Ähnlich findet man auch in Beeskow Zinnen nur auf jenem Abschnitt der Mauer, der wohl zuletzt entstand. In Cottbus gibt es Mauerteile, die durch dreifachen, steilen Anzug und quadratische Scharten am Wehrgang auffallen; sie mögen ab 1434 entstanden sein, als die Stadt sich Geld für die Befestigung lieh, nachdem sie 1429 den Hussiten widerstanden hatte. Die Lösung mit einem Wehrgang auf Strebepfeilern ist bisher nur in Brandenburg/Neustadt archäologisch erwiesen. Man muss sich aber klarmachen, dass gerade derartige Teile den Abbruchmaßnahmen des 17.–19. Jahrhunderts zuerst zum Opfer gefallen sind, also durchaus nicht so einzigartig gewesen sein müssen; auch die 264 Topographischer Teil
Darstellungen bei Matthäus Merian, die oft Scharten bzw. Wehrgänge andeuten, geben hier zu denken, auch wenn sie sicher zum Schematismus neigen. Bei allen Erwägungen zu den Modernisierungen des 15. Jahrhunderts darf jedoch nicht vergessen werden, dass in eben diesem Jahrhundert erst die letzten Wiekhausmauern entstanden! Kaum vor Mitte des 15. Jahrhunderts dürfte jene von Königsberg vollendet gewesen sein und die Mauern der Kleinstädte Drossen, Lübben und vielleicht Meyenburg sind noch jünger. Die Feldsteinmauer von Drossen soll erst nach 1477 entstanden sein; sie besaß rechteckige und halbrunde Wiekhäuser, auch Rundtürme, vielleicht aber auch einen Wehrgang auf Holzstreben. In Lübben, wo eine Palisade des späten 13. Jahrhunderts ergraben ist (als Stadt erweitert 1359?), ist von steinernen Toren 1449, vom Mauerbau erst 1487 und 1497 die Rede; erhalten ist ein Rundturm an einer Ecke und ein Wiekhaus („Trotzer“) mit reicher Blendgliederung (Zahnschnitt, überkreuzte Stäbe, Maßwerkblenden). In Meyenburg weisen nur die Rundtürme und -schalen, die teilweise sekundär an die Feldsteinmauer angesetzt sind, auf späte Entstehung. Das norddeutsche Flachland war generell arm an umlaufenden Zwingern, was zweifellos an der Möglichkeit lag, den leichten Sandboden zu gestaffelten Grabensystemen zu forZwinger und men; eine zusätzliche Verteidigung Landwehren des unmittelbaren Vorfeldes schien daher im frühen Artilleriezeitalter offenbar noch entbehrlich. Die Mark Brandenburg ist ein klassisches Beispiel, denn neben einem geringen Zwingerrest in Jüterbog kann, nach frühen Darstellungen, allein in Frankfurt/ Oder ein breiter Zwinger mit runden Streichwehren nachgewiesen werden; falls der innere Graben erst nachträglich verfüllt wurde, wäre es ursprünglich ein rondellbewehrter Außenwall gewesen. Auch Sorau besaß einen Zwinger, gehörte aber zu Schlesien, wo dies normal war. Die Mode der Landwehren scheint in Brandenburg nur wenige Städte im Westen und einige besonders große Städte erfasst zu haben. Im Westen, wo das norddeutsche Hauptverbreitungsgebiet der Landwehren anschloss, sind die Fälle von Gardelegen, Seehausen und Kyritz zu nennen – alle mit Warttürmen, von denen in See-
hausen zwei erhalten sind –, ferner Osterburg und Jüterbog, wo die Landwehr ab 1379 angelegt wurde. In der eigentlichen Mark ist neben Brandenburg nur auf Berlin zu verweisen, wo der „Landwehrkanal“ aus einem von der Spree abgeleiteten Graben südlich vor der Stadt entstand, und vor allem auf Wittstock, wo mit der „Dabernburg“ eine größere Warte erhalten blieb (Abb. 249); sie wirkt als formale Fortentwicklung etwa westfälischer Warten, besteht also aus Rundturm und ummauertem Hof, wobei der Letztere hier rechteckig war. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde an den brandenburgischen Mauern kaum noch gebaut. 1519 war die (offenbar erste) Mauer von Zielenzig im Bau, aus riesigen Findlingen, ausgeAusklang und Nachfolge, zwickt auch mit Backstein. 16.–18. Jahrhundert Sie besaß nur einen Rundturm und einen Turm an einem der beiden Tore, der eventuell nie vollendet wurde. Vom Material her ähnlich ist die undatierte Mauer von Züllichau, einer schlesischen Gründung; sie zeigt noch Reste von Zinnen und Schlitzscharten in Backstein. Ganz isoliert ist schließlich der Torbau des „Steintores“ von Salzwedel mit seinen Schlingwerkgiebeln, der wohl um 1520/30 entstand. Ein besonders mächtiger Torbau – verwandt manchen abgegangenen Außentoren des späten 15. Jahrhunderts (Königsberg, Wittstock), sie aber weit überragend – ist das „Salzwedeler Tor“ in Gardelegen, ein „1553“ datiertes Doppelturmtor; die beiden anderen Stadttore besaßen ähnliche Anlagen. Die schartenreichen, mit Zierzinnen bekrönten Rondelle fassen einen übergie-
belten Torbau mit Sterngewölben in der Durchfahrt ein. Gardelegen ist – gemessen am erhaltenen Bestand, aber auch die anderen Rondelle an Vortoren würden daran nicht viel ändern – schon der Höhepunkt spätestmittelalterlicher Artilleriebefestigung in Brandenburg bzw. der Altmark. Wenige Jahre später wurden in Spandau, Küstrin und Peitz schon die ersten Bastionärfestungen der hohenzollerischen Landesherren begonnen, von denen Küstrin und Peitz schon vor 1600 auch als Städte neu befestigt wurden. Die Macht der Hohenzollern, die sich ab den 1440er Jahren teils gewaltsam gegen die brandenburgischen Adligen und Städte durchsetzten, ist fraglos auch der Hauptgrund, warum die Stadtmauern des Landes ab der Mitte des 15. Jahrhunderts nur noch durch Repräsentationsbauten ergänzt wurden, auf moderne Befestigungen aber verzichteten. Im 18. Jahrhundert erlebten viele brandenburgische Stadtmauern ein Nachleben unter anderen, absolutistischen Vorzeichen, nämlich als „Akzisemauern“, die die Umgehung der Zollpflicht an den Toren verhinderten. Die berühmtesten Akzisemauern gehörten zu den aufwendigen barocken Stadtplanungen von Berlin, Potsdam und Schwedt, jedoch ist von ihnen fast nichts erhalten (Abb. 254). Eine gute Anschauung gibt noch das zweitrangige, nach Stadtbrand neu angelegte Neuruppin, dessen Mauer 1788– 96 unter Verwendung von Resten der mittelalterlichen Mauern entstand. Viele mittelalterliche Mauern des Landes erhielten ihre heutige Form erst damals – die Backsteine wurden als Baumaterial entfernt und neu verwendet, nur ein rund 3 m hoher Rest blieb zu Zollzwecken erhalten.
27. Mecklenburg Mecklenburg – hier erfasst im Sinne seines Umfanges 1945 – war nur ein kleines Land, dessen neuzeitliche Grenzen zudem im Südosten wichtige Städte einschlossen, die im 13./14. Jahrhundert brandenburgisch gewesen waren (Neubrandenburg, Friedland). Die relativ wenigen mecklenburgischen Stadtmauern kann man im Grunde nur dann einordnen, wenn man sie im
Rahmen der gesamten nord- und nordostdeutschen Backsteinregion sieht, also in Beziehung mit der Nordseeküste, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Pommern und dem Ordensland Preußen; diese Betrachtungsweise findet man auch in dem grundlegenden Buch von Heinrich Trost über die norddeutschen Stadttore. Dennoch wird auch in Mecklenburg allein ein Grundprinzip 27. Mecklenburg
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deutlich, das für die ganze Südküste des Baltikums gilt, nämlich die Entwicklung zunächst der wichtigen Hafenstädte, denen die kleinen und mittleren Städte im Landesinneren dann erst deutlich verzögert und mit viel geringerer Wirtschaftsdynamik folgten. Die Häfen Rostock und Wismar – bis heute die Wirtschaftszentren der Region – sind zugleich die ersten, bei denen in den 1260er/1270er Jahren Mauern belegbar werden. In Rostock – bei der slawischen Spätes 13. Jahrhundert Niederungsburg ist ein forum 1189 erwähnt, 1218 lübisches Recht und 1252/62 bereits der Zusammenschluss dreier Städte – wird 1262 zuerst das restauriert erhaltene „Kuhtor“ erwähnt, 1270 auch die Mauer, 1279 ein Turm, zugleich aber noch bis 1286 „Planken“; demnach entstand die Backsteinmauer zwischen etwa 1260 und 1290. Ihre Reste im Südosten des „Kröpeliner Tores“ – anAbb. 501 Rostock, das Kuhtor ist 1262 zuerst erwähnt und damit eines der ältesten, wenn auch stark restaurierten Tore im norddeutschen Backsteingebiet. Spuren der ursprünglichen Zinnen sind noch erkennbar.
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dere Teile sind sehr verändert – zeigen wendischen Verband über einem 3 m hohen Feldsteinsockel und breite Zinnen. Halbrundschalen in großen Abständen sind ein Motiv, das in Mecklenburg-Vorpommern und bis ins nördliche Brandenburg hinein im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert mehrfach auftritt und offenbar erst gegen Mitte des 14. Jahrhunderts von rechteckigen „Wiekhäusern“ abgelöst wird; Vorbild all dieser Mauern war höchstwahrscheinlich Lübeck, das für diesen Raum auch wirtschaftlich und rechtlich entscheidender Vorreiter war. Das Rostocker „Kuhtor“ (Abb. 501) – nach 1800 zum Wohnhaus umgebaut und in den 1930er Jahren wiederhergestellt – ist ein nur zweigeschossiger Torbau in Backstein, im Erdgeschoss feldseitig fast völlig geschlossen; über einem doppelten „Deutschen Band“ folgt eine feine Blendgliederung und dann bereits die Zinnen. Schon die blockhafte Form verdeutlicht hier die Nähe zu romanischen Torkonzepten des südund westdeutschen Raumes. Die noch größere Schlichtheit des nach 1945 abgetragenen „Petritores“, das stadtseitig sogar einen Rundbogenfries besaß, bestätigt diese Datierung; auch der jüngere Turm des „Kröpeliner Tores“ benutzt Teile eines ähnlichen Baues als Sockel. Wismar entwickelte sich ähnlich wie Rostock – 1211 als Hafen erwähnt, 1229 burgenses, 1261 gemeinsamer Rat dreier Städte, 1266 Bestätigung des Lübecker Rechtes, Mauerbau wohl um 1270/80 –, aber von der Backsteinmauer blieben nur geringe Reste. Beim Dominikanerkloster erkennt man noch einen schmalen Absatz vom Wehrgang und Zinnen, während ein rechteckiges Wiekhaus erst nachträglich auf die schon schräg stehende Mauer aufgesetzt wurde. Der einzige erhaltene Turm war ursprünglich eine Rundschale mit Schrägsockel und Schlitzscharten; er wurde später rechteckig erhöht. Das in Bauaufnahmen überlieferte „Poeler Tor“, ein Torturm mit hohen Doppelfenstern zur Stadt und Zierfries unter dem Dach, mag nach seiner schlichten Gestaltung noch ins frühe 14. Jahrhundert gehört haben; damit wäre es der einzige frühe Torturm in den Hafenstädten, dessen Gestalt wir noch beurteilen können. Weitere mecklenburgische Mauern sind – obwohl zwischen 1218 und 1250 etliche Städte gegründet wurden – vor 1300 nicht sicher fassbar.
Zwar soll Güstrow (Stadtrecht 1228) ebenfalls ab 1293 ummauert worden sein, aber die sehr veränderten, geringen Reste der Mauer und eines Rundturmes sind kaum datierbar; Matthäus Merian zeigt immerhin zahlreiche Halbrundschalen, die an Rostock und Lübeck erinnern. Auch in Malchin, das 1236 als Stadt belegt ist und dessen romanische Kirche 1247 geweiht wurde, mag man die nur an der Südseite runden Wiekhausreste als Hinweis auf einen Mauerbau noch vor 1300 verstehen. Wie die 1288 in Plau erwähnte Befestigung beschaffen war, bleibt dagegen ganz offen. Der Verdacht einer Entstehung noch vor 1300 liegt auch in Röbel, Penzlin und vielleicht Woldegk nahe, ohne sich – gegenüber einer naheliegenderen Datierung ins 14. Jahrhundert – wirklich erhärten zu lassen. Röbel entstand aus einer „Altstadt“ mit Motte und Kirche des frühen 13. Jahrhunderts und einer „Neustadt“, die 1261 Schweriner Recht erhielt. Offenbar nur die Letztere erhielt eine Mauer, von der Teile ohne Hinweis auf Türme erhalten sind; eine Stelle zeigt über doppeltem Deutschen Band drei rechteckige Doppelblenden, ein romanisch wirkendes Motiv, das auf eine Entstehung noch vor 1300 weisen mag. Penzlin, ebenfalls vor 1226 gegründet, besitzt noch Reste einer vergleichbaren, turmlosen Mauer, und auch die Reste in Sternberg – gegründet durch Fürst Pribislaw von Parchim-Richtenberg (1238–56) – sind ähnlich zu beschreiben; dort ist ein spitzbogiges Mauertor („Mühlentor“) erhalten. Das anfangs brandenburgische Woldegk – 1271 ist sein Pfarrer erwähnt, 1298 Rat und Bürgerschaft – kann hier angefügt werden. Der auffällig schlichte Torturm seines ehemaligen „Burgtores“ mag für relativ frühe Entstehung sprechen, wie auch eine erfolglose Belagerung 1315/16, aber die Mauer mit ihren zahlreichen, nur in den Feldsteinteilen erhaltenen Wiekhäusern wäre in diesem Falle eine der frühesten Wiekhausmauern überhaupt (vgl. Kapitel 26. Brandenburg). Normal war in Mecklenburg zweifellos bis weit ins 14. Jahrhundert die Befestigung aus Holz und Erde (was etwa auch für Plau gelten wird) oder einfach die Sicherung durch die natürliche Lage. Die Wallanlagen in Burg Stargard mögen sogar vor die Stadterhebung 1259 zurückgehen, denn schon 1209(!) wurde hier ein Tor er-
Abb. 502 Parchim, der Giebel des 1847/48 abgerissenen inneren „Kreuztores“ übernahm die Form des Westgiebels der Klosterkirche Chorin (Kunst- u. Geschichts-Denkmäler d. Grhzg. Mecklenburg-Schwerin, Bd. 4: Amtsgerichtsbezirke Schwaan, Bützow ... Parchim ..., 1896).
wähnt; der Mauerbau unterblieb wohl wegen der Konkurrenz von Neubrandenburg. In den Quellen werden Planken nicht nur in Rostock (bis 1286), sondern auch in Schwerin bis Mitte des 14. Jahrhunderts erwähnt. Am konkretesten ist jedoch der Fall von Neubrandenburg, wo bei der Bestätigung des Stadtrechtes 1261 erlaubt wurde, Holz ad palisadam im Stadtwald zu schlagen; dies belegt zugleich, dass noch 13 Jahre nach der Gründung nicht einmal die Holzbefestigung fertig war (die These, die Palisade sei auf dem inneren Vorwall verlaufen, die Mauer also hinter ihr gebaut worden, ist interessant, aber unbelegt). Belege für die anfängliche Mauerlosigkeit findet man ferner in jenen Städten, die noch in der Neuzeit belegbar mauerlos waren. So umgab etwa Grabow nach einem Plan von 1725 lediglich der Flusslauf der Elde, Malchow liegt auf einer Insel; Goldberg besaß zwei Jahre später nur Wälle und teils doppelte Wassergräben, Gade27. Mecklenburg
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busch hat auf Matthäus Merians Darstellung zwar Tortürme, in einem Fall sogar ein Vortor, aber keine Mauern. In den ersten beiden Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts werden fünf mecklenburgische Mauern belegbar, überwiegend im Landesinneren. 1310 ist die damals offenbar schon fortgeschrittene Mauer von Parchim erwähnt; 14. Jahrhundert 1225/26 war das Stadtrecht verliehen worden, bereits 1282 wurden Alt- und Neustadt vereint. Leider ist neben dem teils dreifach gestaffelten Grabensystem im Osten der „Altstadt“ wenig erhalten; die Mauer der „Altstadt“ besaß Halbrundschalen in weiten Abständen, die in die Nachfolge von Rostock und Güstrow gehören. Das zeichnerisch überlieferte „Kreuztor“ der „Altstadt“ besaß – man vergleiche Rostock – nur ein Obergeschoss und feldseitig kaum Öffnungen, aber Fallgatterführungen in Lisenen; die stadtseitige Giebelform (Abb. 502) zitierte den berühmten Westgiebel des Klosters Chorin (nach 1273) und bestätigte so die Entstehung um 1300. Neben Ribnitz – 1252 civitas, Mauer ab 1311 erwähnt – und Bützow – 1317 sind zwei Tore erwähnt –, wo die Mauern verschwunden sind, stellen die zwei brandenburgischen Städte Neubrandenburg und Friedland, was den erhaltenen Bestand betrifft, die Höhepunkte des Mauerbaues im frühen 14. Jahrhundert dar. Friedland, 1244 gegründet und mit Stendaler Recht begabt, erhielt 1304 neben einer Bestätigung seiner Freiheiten auch das Recht der Ummauerung. Die sicherlich in den folgenden Jahrzehnten entstandene Mauer zeigt im Südosten und Süden Reste relativ weit voneinander entfernter Rundschalen, die noch das lübeckische bzw. Rostocker Vorbild spiegeln, im Übrigen aber Rechteckschalen bzw. Wiekhäuser (zwei Vollrundtürme sind eventuell noch jünger). Dies wird man als Ergebnis einer Entwicklung im Verlauf des Baues deuten, wobei die Wiekhäuser das jüngere, in Brandenburg im 14. Jahrhundert absolut vorherrschende Modell sind. Zu der älteren, „lübeckischen“ Phase gehört auch der Erstbau des „Anklamer Tores“, eine ungewöhnliche Variante des Doppelturmtores, bei dem allerdings die große Torkammer die schlanken, seitlich angesetzten Türme auch optisch zurückdrängte; wahrscheinlich kam dieses Konzept aber nicht 268 Topographischer Teil
über das Erdgeschoss hinaus, denn die vier Obergeschosse sind einheitlich über erweitertem Grundriss entstanden (Abb. 503). Durch Anfügung eines feldseitigen Bauteiles in voller Höhe, dessen Blendengliederung auch noch in die Zeit vor 1350 gehört, entstand nun die Wirkung eines relativ normalen Torturmes, der lediglich durch die beiden angesetzten Rundtürme auffällt. Von Interesse ist, dass der Erstbau schon Lisenen für das Fallgatter besaß, der sekundäre Vorbau bereits eine Zugbrücke! Die Neubrandenburger Mauer gilt als gleichzeitig mit Friedland entstanden, allerdings nur aufgrund stilistischer Einordnung zweier Tortürme. Hier gab es anfangs ausschließlich rechteckige Wiekhäuser; der runde „Fangelturm“ ist um 1400 sekundär auf ein Wiekhaus gesetzt, eine schartenreiche Rundschale im Westen entstand erst im 15. Jahrhundert. Obwohl der OberAbb. 503 Friedland, das „Anklamer Tor“, hier die Stadtseite, ist mit einem wahrscheinlichen Baubeginn nach 1304 eines der frühen Tore in Mecklenburg und als Kombination eines Torturmes mit zwei flankierenden Rundtürmen ungewöhnlich.
teil der Wiekhäuser durchweg fehlt bzw. Fachwerkeinbauten des 17./18. Jahrhunderts geopfert wurde (Abb. 255), sind zumindest zwei Typen Wiekhäuser kenntlich, wahrscheinlich wieder Entwicklungsstufen: einige (ältere?) Wiekhäuser sind treppenlos, die Mehrzahl hat eine steile Mauertreppe in einer Wange. Der nicht sehr hohe „Stargarder Torturm“ (Mitte des 14. Jahrhunderts) ist feldseitig durch nur wenig blendengegliederte Untergeschosse mit Lisenen für das Fallgatter gekennzeichnet, darüber steigen schmale, gleiche Blenden bis in den Staffelgiebel auf; stadtseitig erstreckt sich dieses Motiv, mit gerundeten Formsteinen, über die volle Turmhöhe. Die Feldseite des vielleicht etwas älteren „Friedländer Tores“ ähnelt jener des „Stargarder Tores“. Seine Stadtseite wurde im 15. Jahrhundert völlig erneuert, und dies gilt auch für die anderen Neubrandenburger Tortürme. Wahrscheinlich ersetzten sie noch ältere, bis ins frühe 14. Jahrhundert zurückgehende Torbauten, die mittlerweile als unmodern galten. Mit den wichtigen Mauern der brandenburgischen Grenzstädte Friedland und Neubrandenburg sind die sicheren Mauern des 14. Jahrhunderts im heutigen Mecklenburg schon angesprochen. Erstaunlicherweise fällt es für diese Zeit schwer, überhaupt neu errichtete Mauern zu benennen – ein für den Entwicklungsstand vor allem der küstenfernen Landesteile höchst aussagekräftiges Faktum, da es sich dabei sonst im deutschen Sprachraum um die wohl produktivste Phase des Mauerbaues handelt! Einigermaßen sicher ins mittlere 14. Jahrhundert gehörte nur die Mauer von Schwerin – immerhin Grafenund Bistumssitz des Landes und als Stadt womöglich ins 12. Jahrhundert zurückgehend –, von der aber nichts erhalten und wenig bekannt ist. Erst um und nach 1400 ist etwas Baugeschehen ahnbar, womit das wieder recht produktive 15. Jahrhundert eingeleitet wird; wie in vielen anderen Regionen handelt es sich nun fast immer um Ergänzungen vorhandener Mauern. Eine Ausnahme scheinen im heutigen Bestand allein die Mauern von Wittenburg und Lenzen zu sein, die beide um oder nach 1400 entstanden sein dürften. Die Mauer von Wittenburg, das schon um 1230 civitas war, besitzt außen einen hohen Anzug und eine über 2 m hohe Brustwehr
Abb. 504 Rostock, der untere Teil des „Kröpeliner Tors“ – hier von der Stadtseite – stammt noch aus dem späten 13. Jh., die Erhöhung wohl aus dem mittleren 14. Jh. (vgl. Abb. 124).
mit stichbogigen Innennischen, in denen Rechteckfenster und Schlitze abwechselten – eine sehr seltene Brustwehrform. Die erhaltenen Türme – drei quadratische, eine Rechteckschale und ein Rundturm – sind mit Seitenlängen bzw. einem Durchmesser unter 4 m erstaunlich klein, aber Gewölbe in den unteren Geschossen, feldseitige Blenden, vorkra15. Jahrhundert gende Brustwehren und profilierte Traufgesimse zeugen von beachtlichem formalen Anspruch. In Lenzen ist der Turm neben dem „Bergtor“ erhalten, der vom Achteck ins Rund übergeht und zahlreiche schwarze Köpfe 27. Mecklenburg
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zeigt; der Unterbau eines der wenigen, stets rechteckigen Mauertürme zeigt Lisenen an den Ecken und in der Frontmitte, war also ebenfalls reich gegliedert. Um 1400 ist auch der aufwendige Umbau des „Kröpeliner Tores“ in Rostock zu datieren, durch den der wichtigste Torturm Mecklenburgs entstand (Abb. 124, 550); seine nächsten Verwandten findet man in Pommern (Demmin, Altentreptow, Anklam). Über dem zweigeschossigen Sockel des 13. Jahrhunderts entstanden nun fünf weitere Geschosse mit aufwendiger Gliederung. Auf der Höhe des dritten Obergeschosses war eine große, von Rundblenden flankierte Spitzbogenblende in unbekannter Weise ausgemalt; darüber läuft ein Maßwerkfries aus glasierten Formsteinen um, das nächste Geschoss zeigt gekippte Wappenschilde. Um das fünfte Obergeschoss war ein auskragender Holzwehrgang geführt und darüber schloss der Turm in spektakulärer Weise mit vierseitigen, blendengezierten Staffelgiebeln bzw. einem Dach mit gekreuzten Firsten;
zumindest dieses letzte Motiv besaß auch das im 16. Jahrhundert zerstörte „Steintor“. Der Neubau des „Kröpeliner Tors“ um 1400 gab in gewisser Weise das Thema für die im 15. Jahrhundert auch in den kleinen Städten üblich werdende Art der Modernisierung an, nämlich die Neugestaltung der Tore. Heinrich Trost hat in seinem Buch über „Norddeutsche Stadttore“, das auch die angrenzenden, größeren Backsteinregionen einbezieht, dieses Phänomen in dem Sinne gedeutet, dass gerade die kleinen Städte nun verspätet durch Formenreichtum auszugleichen versuchten, was ihnen die größeren an Stärke der Mauern voraushatten. Dem muss man allerdings – vor allem aufgrund der Erkenntnisse zum weitgehenden Fehlen des Mauerbaues im 14. Jahrhundert – die Frage hinzufügen, ob nicht viele kleine Städte überhaupt erst im 15. Jahrhundert die wirtschaftlichen Möglichkeiten zum Mauerbau erreicht hatten. Den herausragenden Bestand spätgotischer Tore besitzt Neubrandenburg, das inzwischen
Abb. 505 Neubrandenburg, das Vortor des „Treptower Tors“, eine der reichsten Schauarchitekturen seiner Art in Norddeutschland (Mitte 15. Jh.), zeigt Anklänge an die Rathaus- und Sakralarchitektur der Region.
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mecklenburgisch geworden war. Offenbar sukzessive, von der Zeit um 1400 bis in ins dritte Viertel des 15. Jahrhunderts entstanden hier drei der vier Tortürme neu, wobei nur in einem Falle die feldseitige Fassade erhalten blieb; zudem wurden in zwei Bauphasen die Vortore erbaut, und zwar mit spektakulären Fassaden, von denen gleichfalls drei erhalten sind. Der größte und formal aufwendigste Torturm ist der um 1400 entstandene „Treptower“, der die schlichte und geschossweise Gliederung früherer Tortürme des Backsteingebietes weit hinter sich lässt, zugunsten komplexer, die Vertikale betonender Maßwerkblenden (Abb. 133). Bemerkenswert ist besonders die Feldseite, die im Gegensatz zu früheren Tortürmen der Backsteinregion nicht geschlossener, sondern reicher als die Stadtseite gestaltet ist; insbesondere sind die Lisenen für das Fallgatter nun mit hohen Blenden geschmückt und vor dem Staffelgiebel durch einen Bogen verbunden, der einen wiederum geschmückten Wehrgang trägt – ein in Brandenburg häufiger zu findendes Motiv. Auch das (unvollendete) Sterngewölbe der Durchfahrt ist außergewöhnlich. Nach diesem Prunktor – das sicher nicht zufällig an der Straße zu den reichen Hafenstädten Rostock und Wismar steht – wirken das „Neue Tor“ und das „Friedländer Tor“ (beide erst nach 1450) wieder zurückhaltender; das Erstere lehnt sich recht direkt an das ein Jahrhundert ältere „Stargarder Tor“ an, beim Letzteren wurde allein die Stadtseite mit einer reichen Blenden- und Giebelarchitektur aufgewertet. Noch spektakulärer als die Tortürme – und ohnehin als einige Wiekhäuser, deren Obergeschosse im 15. Jahrhundert Rückwände über Bögen erhielten – sind jedoch die Neubrandenburger Vortore, von denen noch drei erhalten sind (Abb. 505). Es sind Querriegel mit nur einem Obergeschoss, mit großem Spitzbogentor, aber nur wenigen Schießfenstern. In seinen einfachen Formen das früheste Vortor ist jenes am „Friedländer Tor“, mit noch recht schlichter Blendenreihung im Obergeschoss. Ihm folgten im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts das „Stargarder“ und das „Treptower Vortor“ mit ungemein reicher Blendgliederung vor allem im Obergeschoss, bestehend aus einer Reihung von vier Blendgiebeln, getrennt von Fialen, weitgehend aus Formsteinen. Das Vorbild einer so ausgepräg-
Abb. 506 Ribnitz, das „Rostocker Tor“ ist durch seine Annäherung an Zentralbauformen ein Sonderfall (um 1525/30; F. Koppe).
ten Schauarchitektur, die zum Reichsten im deutschen Stadtmauerbau gehört, ist weniger in den reichen sakralen Giebelformen der Zeit und Region zu suchen als vielmehr in den Rathäusern der großen Küstenstädte (Lübeck, Stralsund). Obwohl Torzwinger bzw. über die Gräben vorgeschobene Vortore auch in Mecklenburg häufig waren, blieb die Nachfolge so reicher Bauten wie in Neubrandenburg doch sehr begrenzt. Erhalten blieb von alledem fast nichts; die zwei Vortore in Malchin – dort ist am „Mühlentor“ auch ein Rechteckturm erhalten, der neben dem inneren Tor stand (um 1400?) – wirken strenger, weil die Blenden in hier je zwei Obergeschossen kleiner und schematisch gereiht sind und weil der Abschluss horizontal ist. Das verschwundene Vortor am Parchimer „Kreuztor“ vertrat einen einfacheren, sicher stärker verbreiteten Typus mit schlichter feldseitiger Blendgliederung über dem Spitz27. Mecklenburg
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Abb. 507 Friedland, das „Neubrandenburger Tor“ (um 1475) ist durch seine vier schlanken Ecktourellen betont, wohl ein Versuch, mit der aufwendigen Form des älteren „Anklamer Tors“ der Stadt (Abb. 503) zu konkurrieren.
bogentor; da dieses nicht weniger als 9 m(!) breit war, ist hier wie in Malchin mit einem zurückgesetzten Gewände zu rechnen, das später ausgebrochen wurde. Neben Neubrandenburg entstanden im 15. Jahrhundert weitere, in der Regel kleine Tortürme in der Hauptmauer. In Teterow bietet das „Rostocker Tor“ eine verkleinerte Abwandlung des prunkvollen „Treptower Tores“ von Neubrandenburg, während das „Malchiner“ Tor mit geschossweiser Reihung kleiner Blenden bereits in eine andere Stilphase um 1450 gehört; dass die verschwundene Mauer der kleinen Stadt insgesamt erst in dieser Zeit entstand, wird man vermuten. Heinrich Trost sieht die hier auftretende geschossweise Blendenreihung, das heißt die Betonung des eher horizontal Lagernden, als Merkmal des mittleren 15. Jahrhunderts im Backsteingebiet. Eindrucksvollstes Beispiel dieser Stilstufe 272 Topographischer Teil
ist das singuläre „Rostocker Tor“ in Ribnitz, das fast schon Renaissancemerkmale zeigt – geradezu im Widerspruch zu seiner Funktion ist es ein Zentralbau mit umlaufenden Blendenreihen in den beiden Obergeschossen, dessen Zeltdach von einem deutlich kleineren Achteckaufsatz bekrönt ist (Abb. 506). Dass die Ecken des quadratischen Unterbaues nicht mit Erkertürmchen, sondern mit sehr zarten Rundstäben besetzt sind, unterstreicht die „ungotische“ Klarheit der Form besonders. Dagegen betont der kleine Turm des Wismarer „Wassertores“ in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schon wieder stärker die Vertikalbewegung, vor allem im stadtseitigen Giebel, dessen Blenden über der Torfahrt ansetzen und bis in die gezinnten Staffeln aufsteigen. Heinrich Trost erkennt hier – und in weiteren Toren des Backsteingebietes – eine bereits „neugotische“, wieder das Aufragende betonende Tendenz gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Der klarste und aufwendigste Vertreter dieser Stufe (um 1475) ist das „Neubrandenburger Tor“ in Friedland (Abb. 507). Oktogonale, ganz öffnungslose Ecktürme vollenden hier einen Zug zur Höhe, der bereits in den schmalen Blenden des Turmkörpers und den Pfeilern des Staffelgiebels angelegt ist. Ecktürme findet man in dieser Phase auch in den Tortürmen des weit entfernten Stendal, näher aber am markanten Turm der Stralsunder Marienkirche; der ältere „Anklamer Torturm“ in Friedland selbst hat zwar eine andere Form und Genese, mag aber rein optisch auch Anregung gewesen sein. Reste von Landwehren, die in den mecklenburgischen Städten aus dem 15. Jahrhundert stammen dürften, sind anhand von Graben- und Wallresten bisher für Neubrandenburg, Parchim, Röbel und Wismar notiert worden; in Parchim steht noch ein runder Wartturm, der mit seinem hoch gelegenen Einstieg der überregionalen Üblichkeit solcher Bauten entspricht. Im 16. Jahrhundert wurde in Mecklenburg kaum noch gebaut; insbesondere die Verstärkung der Befestigungen auf Artilleriestandard überforderte fast 16. Jahrhundert alle Städte des Landes. Man verließ sich notgedrungen auf die überkommenen Anlagen, vor allem auch auf die Wall-GrabenSysteme, die sich relativ leicht für Artillerie adap-
tieren und – in Rostock und Wismar – später gar zu Bastionärbefestigungen ausbauen ließen. Lediglich Rostock, das weiterhin alle anderen Städte überragte, verstärkte 1526–32 das „Steintor“ – und offenbar allein dieses Haupttor – durch ein monumentales Rondell, den „Zwinger“; er ist durch eine Bauaufnahme von 1849 bekannt (Abb. 239). Es war ein prinzipiell einfacher, fünfgeschossiger Bau mit Balkendecken, aber 6,50 m dicken Mauern; das Äußere war durch Backsteinmusterung, einen vorgekragten Zinnenkranz und den zurückgesetzten Oberbau geschmückt, im Inneren fiel ein kreuzrippengewölbter, kaminbeheizter Raum mit großen Fenstern zum Torzwinger auf. Vergleichbar in Funktion, Form und Alter ist das freilich weit kleinere Halbrondell am „Friedländer Tor“ in Neubrandenburg (Abb. 167) – auch hier das einzige, vor dem formal schlichtesten der wenig älteren Vortore, so, als habe man die Prunkarchitektur der anderen nicht verdecken wollen. In Rostock führte eine Sondersituation zu weiteren aufwendigen Neubauten 1574–77. 1565 nämlich hatten die Herzöge von Mecklenburg die Stadt besetzt und – unter Abbruch des inneren „Steintores“ und eines großen Mauerabschnittes, aber unter Einbeziehung des drei Jahrzehnte alten „Zwingers“ – eine Festung zur Kontrolle der Stadt erbaut. Nach dem Ende dieser Situation wurde das heutige „Steintor“ neu erbaut, ein niedriger, breiter Torturm mit Renaissanceportalen und aufwendig aufragendem Dach, dessen Fuß von Zwerchgiebeln geziert ist. Östlich davon entstand ein hoher Mauerabschnitt neu, mit kräftigen und dicht gereihten Strebepfeilern für den hölzernen Wehrgang und einem achteckigen Turm mit Kanonenscharten („Lagebuschturm“). Außerhalb von Rostock sind als ganz begrenzte Maßnahmen der Renaissance nur die Turmgiebel auf dem Malchiner „Mühlentor“ und dem „Malchiner Tor“ in Teterow zu erwähnen, im letzteren Falle nur als sehr sparsamer Umbau. Weit später, um 1800, entstand am „Rostocker Tor“ in Teterow ein frühes Beispiel von Neugotik: eine hölzerne Füllung der hohen Spitzbogenöffnung zur Stadt, der ein schlichtes, aber wirkungsvolles Maßwerk aufgelegt ist (Abb. 508). Insgesamt stellt sich also das kleine Fürstentum Mecklenburg als ein Land dar, in dem auf
die relativ frühe Entwicklung der Häfen Rostock und Wismar und auf einen bescheidenen Boom des Mauerbaues im späten 13. Jahrhundert offenbar erst im 15. Jahrhundert wieder eine gewisse Blüte folgte.
Abb. 508 Teterow, das „Rostocker Tor“ aus dem mittleren 14. Jh. Die große Spitzbogenblende im Oberteil der Stadtseite wurde Anfang des 19. Jh. mit einer neugotischen, verbretterten Gußeisenkonstruktion gefüllt.
27. Mecklenburg
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28. Pommern Nach Pommern, dem Land „am Meer“ (polnisch: „po morze“), drang das Städtewesen deutscher Prägung im 13. Jahrhundert von Westen entlang der Küste vor. Aus wirtschaftlichen Gründen blieben die Ostseehäfen auch später in der Regel weit wichtiger als die Städte im Binnenland. Zum Rückgrat des Verkehrs entwickelte sich andererseits früh der Unterlauf der Oder; hier lagen die Hauptstadt Stettin und beiderseits des Flusses mehrere wichtige Städte, während die Besiedlung gegen Osten merklich ausdünnte. Heute ist das Land als Einheit nur noch schwer wahrnehmbar, weil die Grenze zu Polen es eben dort trennt, wo sein historisches Zentrum war, und auch, weil das westliche Vorpommern keine Grenze mehr innerhalb des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern besitzt. Allerdings lag auch schon im 13./14. Jahrhundert im Süden Vorpommerns (und Südosten Mecklenburgs) eine Zone, die zwischen Pommern, Brandenburg und Mecklenburg strittig war, und deren Städtebau teils nicht pommerisch ist. Mitbehandelt wird hier außerdem der städtearme Westteil der ehemaligen Provinz Westpreußen, der im Mittelalter nicht zum Deutschordensstaat gehörte. Wie allgemein im westslawischen Raum gab es auch in Pommern schon vor Übernahme der deutschen Stadtformen stadtartige Siedlungsverdichtungen, in der Regel um große Burgen bzw. Fürstensitze, die ab der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts quellenmäßig fassbar werden. Etliche spätere Städte knüpften an diese Gegebenheiten an, aber auch hier in der Regel so, dass die großzügiger angeStadtgründungen und frühe Holzbelegten Neugründungen nicht festigungen an derselben Stelle, sondern neben den oft auf Inseln liegenden Burgen entstanden (Altentreptow, Belgard, Cammin, Demmin, Kolberg, Pyritz, Schivelbein, Stargard, Stettin, Stolp, Treptow, Usedom, Wolgast). Die Gründung von Städten nach deutschem Modell, gefördert vor allem von den Pommernherzögen selbst, begann in den 1230er und 1240er Jahren. Neben den wichtigen Häfen Stettin (um 1230/40) und Stralsund (erhielt 1234 ros274 Topographischer Teil
tockisches, das heißt lübisches Recht) gehörte das später in der Entwicklung stecken gebliebene Bahn (1234) zu den frühesten Städten, ebenso die Gründung bei der im 12. Jahrhundert umkämpften Burg Demmin an der Peene (1236). Nach dem herzoglichen Wappen, einem roten Greifen, ist Greifswald benannt (gegründet zwischen 1241 und 1248, lübisches Recht 1250) und auch das 1254 zuerst erwähnte Greifenhagen an der Oder. Noch in die 1240er Jahre gehören schließlich Loitz (gegründet 1242), Stargard (1243, wohl Stammsitz des Herzogshauses), Altentreptow (1245 civitas) und Anklam (wird 1243–57 als Stadt erkennbar). Die westliche Herkunft des Stadtmodells ist daran erkennbar, dass meist lübisches Recht verliehen wurde, in direkter Ableitung oder über die ältesten Städte in Pommern selbst vermittelt (Stralsund, Greifswald, später Kolberg, Barth, Wolgast, Köslin, Schlawe). Der Höhepunkt der Stadtgründungswelle liegt in Pommern zwischen den 1250er Jahren und dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts; insgesamt sind fast alle mittelalterlichen Städte des Landes innerhalb von nur acht Jahrzehnten entstanden – was andeutet, dass ein bereits voll entwickeltes Modell hier relativ spät, aber konsequent zur Erschließung des Landes eingesetzt wurde. Nicht wenige der Städte werden anfangs als oppida erwähnt, was die regionale Forschung im Sinne eines (Markt-)Fleckens interpretiert, also einer wohl noch unbefestigten, nicht mit Stadtrecht versehenen, aber ein Dorf deutlich übertreffenden Ansiedlung (Usedom 1267; Naugard 1268 villa sive oppidum, 1290 civitas). Mit der Verleihung des Stadtrechtes wurde aber wohl in der Regel die Erwartung baldiger, zunächst hölzerner Befestigung verbunden. So erhielt Treptow bei seiner Gründung 1277 das Recht auf eine hölzerne Befestigung und dann 1299 die Erlaubnis zum Mauerbau, dennoch besaß es noch 1338 nur Planken. Auch Stolp, 1310 zur Stadt erhoben, erhielt eine zehnjährige Steuerbefreiung erst für den Zeitpunkt der Fertigstellung seiner Palisaden zugesagt. Sinn der Sache – der selten so deutlich wird wie hier – war offenbar, zunächst eine schnelle Sicherung zu
schaffen, um erst dann, mit finanzieller Unterstützung des Landesherrn, an den mühsameren Mauerbau heranzugehen. Belege für anfängliche Holz-Erde-Befestigungen, die zweifellos auch in Pommern normal waren, sind sonst selten (wobei freilich die polnische archäologische Literatur hier nicht systematisch ausgewertet werden konnte). In Kolberg wird schon 1289 ein Erdwall um eine Vorstadt erwähnt (die Mauer entstand hier nicht vor dem 14. Jahrhundert), in Stolp 1325 Palisaden, im wirtschaftlich schwächeren Landesinneren besaß Tütz noch 1409 nur Plankenzäune, Wall und Graben, in Deutsch Krone sollen im 15. Jahrhundert Befestigung und Burg noch hölzern gewesen sein, und ähnlich verhielt es sich in Märkisch Friedland. Aber auch der Seehafen Wollin hatte zum Wasser nie eine Mauer, sondern stets nur Plankenzäune. Nach der Quellenlage entstanden die ersten pommerschen Mauern ab den 1270er Jahren, also mit einer Verspätung von drei bis vier Jahrzehnten auf die ersten Städtegründungen (die Behauptung einer Ummauerung von Demmin schon Mitte des 13. Jahrhunderts steht dahin). Greifswald, 1241 mit Marktrecht ausgestattet und schon vor 1250 um eine Neustadt erweitert, erhielt 1264 das Recht auf Ummauerung, die dann 1272–78 entstand. In Stralsund sind 1278 noch Planken erwähnt, die Mauer wird für 1280– 1310 angesetzt. In Stargard stritten sich bis 1295 der Rat und das Augustiner-Eremiten-Kloster um den Mauerbau, und gleichzeitig könnte auch die Mauern und Türme, 13.–16. Jahrhundert 1314 zuerst genannte Mauer von Greifenhagen entstanden sein. Ob die 1286 in Massow und 1288 in Köslin angesprochenen Befestigungen schon Mauern waren, nicht nur Palisaden oder Planken, bleibt offen; im ersten Fall wurde die Stadt zweckgebunden vom Hofzins befreit, im zweiten sollte das Nonnenkloster eine Gasse gegen die Befestigung frei lassen. Grundsätzlich findet man in Pommern, den geologischen Bedingungen entsprechend, Backsteinmauern auf mehr oder minder hohen Feldsteinsockeln, also ein ähnliches Bild wie an der ganzen Ostseeküste und im südlich anschließenden Brandenburg. Allerdings ist der Bestand, der eine Beurteilung der Mauern und Mauertürme
Abb. 509 Greifswald, der „Fangenturm“, der nordöstliche Eckturm am Ryck bzw. Hafen, wurde wohl noch vor 1300 erbaut (C. Löser).
erlaubt, nur noch begrenzt; der heutige Eindruck ist vielmehr meist von isoliert erhaltenen Tortürmen geprägt. Eine reine Feldsteinmauer wie in Loitz, die zudem ohne Mauergasse auskommt, war sicher auf wenige Kleinstädte beschränkt. Die meisten Mauern des Landes besaßen dicht gereihte, rechteckige Wiekhäuser, entsprechend den angrenzenden Ländern, jedoch scheint diese Form zu Anfang, um 1300, noch nicht die einzige gewesen zu sein; vielmehr reichte der an Rundschalen erkennbare lübische Einfluss bis nach Greifswald und Anklam. Greifswald – 1241 Marktrecht, 1250 lübisches Recht und Erwähnung der Neustadt, 1264 Ummauerungsrecht – wurde zunächst wohl durch einen Erdwall mit Palisade geschützt, der aber offenbar sehr bald („um 1275“) durch eine Mauer ersetzt wurde; das „Fleischertor“ wird 1293/94 erwähnt. Die Stadt besitzt im Westen noch 4 m 28. Pommern
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Abb. 510 Stargard, Wiekhäuser der Zeit um 1300. Typisch für Pommern ist der seitliche Zugang, ehemals sicher über eine Holztreppe oder Leiter.
hohe Mauerreste mit den Sockeln von fünf Halbrundschalen; nach Plänen des 17. Jahrhunderts und Matthäus Merian dürfte es aber auch Rechtecktürme gegeben haben. Auch der runde „Fangelturm“, der ungewöhnlicherweise in drei Höhen durch „Zahnschnitte“ aus Backstein gegliedert ist, mag noch vor 1300 entstanden sein (Abb. 509). Dass Rundschalen in Pommern wirklich früh sind, belegt auch ein isolierter Rundturm in Anklam, der durch Umbau aus einer Schale mit Wehrgangtüren entstand. Wehrgänge, die bei den voll entwickelten, späteren Mauern des Wiekhaussystems nie vorhanden waren, findet man auch in Stralsund, wo frühe Rundtürme jedoch fehlen. Die Stadt, deren Frühentwicklung parallel zu Greifswald verlief (1234/1240 Privilegien, 1256 Neustadt erwähnt), war schon durch ihre Insellage gut gesichert. 1278 sind noch Planken belegt, der Mauerbau fand etwa 1280–1310 statt. Soweit die begrenzten und allzu restaurierten Reste es erkennen lassen, besaß die Mauer Zinnen mit Spähschlitzen und bemerkenswert große Wiekhäuser bzw. rechteckige Schalentürme, von denen allerdings durchweg nur die öffnungslosen Unterteile alt sind (Breite bis über 9 m). Die zwei erhaltenen, niedrigen Tortürme, „Kütertor“ und „Kniepertor“ gehören erst ins mittlere 15. Jahrhundert (dass das 1874 abgerissene, hausartige „Fährtor“ am Hafen älter war, ist ganz unwahrscheinlich). Dürfte Stralsund also eines der frühesten Beispiele für Wiekhäuser im gesamten Backsteingebiet sein, so kann als Pendant dazu Stargard öst276 Topographischer Teil
lich von Stettin genannt werden. Dort stritt sich der Rat bis 1295 mit dem Augustiner-EremitenKloster um den Mauerbau, der demnach im Gang oder geplant war. Auch hier findet man an der Westseite Unterbauten von sechs breiten Wiekhäusern; eines zeigt im ersten Obergeschoss noch fünf Scharten, davon drei frontal, je eine seitlich (Abb. 510). Werfen die spärlichen Reste des späten 13. Jahrhunderts also nur noch Schlaglichter auf das ehemals Vorhandene, so sieht es im 14. Jahrhundert besser aus, das hier wie allgemein im Backsteingebiet den Boom des Mauerbaues brachte. Das belegen zunächst die Baunachrichten, die sich allerdings nur selten auf erhebliche Reste beziehen lassen. In Stettin war die Mauer 1318 noch im Bau, denn den Franziskanern wurde auferlegt, sie im Bereich ihres Klosters, an der Oder, selbst zu errichten. Im Jahr zuvor hatte Schivelbein Befestigungserlaubnis erhalten (schon für die Mauer?), und 1325 durfte Loitz eine Mauer zwischen Burg und Stadt errichten. 1336 erhielt Kallies einen Abgabenerlass für die Befestigung, 1338 und 1350 geschieht dasselbe in Dramburg. In die zweite Jahrhunderthälfte fallen einige Ersterwähnungen von Mauern, auch ganz im Osten des Landes, die seit unbekannter Zeit bestehen, so 1360 in Naugard, 1374 in Stolp (das 1325 schon Palisaden besaß) und 1400 in Schlawe; in Barth ist der Mauerbau um 1368 im Gange. Besonders interessant ist eine Erwähnung in Altentreptow 1360, wo nämlich der Raum „tuschen der Zyngel und der Muren“ angesprochen wird; da Zwingermauern in Pommern und im Backsteingebiet fast völlig fehlen, wird hier wohl eine umlaufende Palisade am Grabenrand gemeint sein oder auch der Graben selbst. Wie fast im gesamten Backsteingebiet sind die Mauern des 14./15. Jahrhunderts auch in Pommern durch drei Hauptelemente charakterisiert, nämlich einerseits durch die zahlreichen, gleichförmig gereihten Wiekhäuser, andererseits durch die Akzente der Tor- und einiger weiterer Türme. Von den pommerschen Wiekhäusern sind nur wenige erhalten, vor allem, wenn man die Erhaltung des ersten oder gar des zweiten Obergeschosses zur Bedingung macht. Dass sie dennoch der Normalfall waren, belegen neben den interessanteren Resten auch etliche Mauern mit nur noch niedrigen und wenig aussagekräf-
Abb. 511 Pyritz, Wiekhäuser der Mauer, die die insgesamt besterhaltene in Pommern ist.
tigen Resten (Altentreptow, Gollnow, Greifenhagen, Köslin, Naugard, Pasewalk) und solche, die nur noch durch ältere Pläne belegbar sind (zum Beispiel Barth, Dramburg, Schlawe, Stettin, Usedom und Wolgast). Neben der über Pommern hinaus üblichen engen Reihung der Türme gab es wohl auch hier Ausnahmefälle mit nur vereinzelten Wiekhäusern an gefährdeten Stellen (Naugard). Für die Entstehungszeit des Wiekhaussystems interessant sind dabei, neben Stralsund und Stargard, auch die Mauern der Nachbarstädte Greifenhagen und Stettin, die 1314 bzw. 1318 schon existierten bzw. im Bau waren. Die beste Anschauung pommerscher Wiekhäuser erhält man heute in Pyritz, dessen wohl um 1350/60 errichtete (und im 15. Jahrhundert erheblich ausgebaute) Mauer von ihren ehemals fast fünfzig Wiekhäusern etliche bewahrt hat, wenn auch nur eines bis zum zweiten Obergeschoss (Abb. 511). Ungewöhnlicherweise kam man über eine Holztreppe entlang der Mauer ins erste Obergeschoss (das System mit Steintreppe in einer Seitenwand tritt hier nur einmal auf). Im ersten Obergeschoss findet man dann frontal zwei, seitlich je eine Scharte, deren Nischen dreieckig oder treppenförmig schließen. Das zweite Obergeschoss besaß als Wehrplatte stichbogige Schießfenster, vier frontal und je eines seitlich. Zwischen den Wiekhäusern gab es in Pyritz rechteckige Wehrerker, die außen senkrecht aus der steil geböschten Mauer aufstiegen, innen auf 3,5 m hohen Backsteinkonsolen ruhten (Abb. 512). Derartiges mag häufig mit den
Mauerkronen verschwunden sein; einen brandenburgischen Vergleich bietet noch Beeskow (Abb. 75). Relativ häufig, gemessen am Erhaltenen, waren die feldseitigen Fronten von Wiekhäusern mit hohen Blenden gegliedert, die im Stichbogen
Abb. 512 Pyritz, Reste eines Wehrerkers, dessen Konstruktion so nur in Pyritz erhalten ist.
28. Pommern
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abschlossen (Belgard, Massow). Die Blendenzahl reichte von zwei (Massow) über drei (Belgard) und vier (Stolp, Belgard, Schivelbein) bis zu fünf Blenden (Stolp); als große Ausnahme ist in Stolp einmal eine Lisene gestuft. Mehrfach findet man einen „Zahnschnitt“ aus übereck gelegten Backsteinen, der unter den Blenden angeordnet ist (Schivelbein); er kann auch verdoppelt sein (Stolp) oder an der Mauer weiterlaufen (Pyritz). Scharten gab es grundsätzlich nur im ersten Obergeschoss, während das zweite schon Wehrplatte war; in der Regel liegt in den Seitenwänden je eine Scharte, in der Front zwei (Massow) oder drei (Stolp, Belgard, Treptow), wobei die äußeren manchmal asymmetrisch verzogen (Belgard) und Scharten- und Blendenzahl aufeinander abgestimmt sind. In Massow sind die Ecken aus Backstein tief in den Feldsteinsockel herabgezogen. Ein Sonderfall ist der „Luntenturm“ in Kolberg (Abb. 513), nach Grundriss und Höhe ein Wiekhaus, aber stadtseitig geschlossen und vor allem mit einer reichen Gliederung durch Abb. 513 Kolberg, der „Luntenturm“ (wohl 14. Jh.) ist eine vergrößerte, stadtseitig geschlossene und stärker ausgeschmückte Variante eines Wiekhauses, die in Kolberg offenbar mehrfach vorkam.
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Blendmaßwerk und Fenster sowie einem krabbenbesetzten Giebel; Kolberg besaß offenbar viele Türme dieser Form, die wohl den Reichtum der Hafenstadt andeuteten. Der „Trinker“ in Pyritz ist eng verwandt, war dort aber ein Einzelfall. Auch in Pommern war es üblich, die gleichförmige Wiekhausmauer durch einige höhere Türme zu akzentuieren, die in der Regel rund, ausnahmsweise auch polygonal waren. In einigen Städten – erhalten sind Beispiele in Pyritz, Stargard, Greifenberg und Pasewalk – wurden diese Türme durch schlankere Aufsätze baukörperlich besonders ausgestaltet, womit sie bestimmten Torturmformen in Pommern und der angrenzenden Neumark angenähert wurden. Ein bemerkenswertes Phänomen stellen auch echte Ecktürme dar – etwa in Dramburg, Greifenberg und Stettin –, die es vergleichbar auch in Ostpreußen gibt, kaum aber in Brandenburg, wo die Mauern so gut wie immer rundlich geführt sind und daher gar keine Ecken besitzen. Die einfachen Rundtürme zeigen in der Regel Hocheinstiege – entsprechend dem Fehlen der Wehrgänge bei Mauern des Wiekhaussystems – und feldseitig Schlitzscharten in den oberen Geschossen; leicht vorspringende Brustwehren und gemauerte Spitzdächer waren wohl ebenso üblich. Ein kräftiger und gut erhaltener Vertreter steht noch in Pasewalk („Pulverturm“; Abb. 514), kleinere finden sich in Bahn, Barth, Gollnow („Fangerturm“), Treptow („Grützturm“) und Demmin; dort und in Stolp gibt es auch Fundamente weiterer Rundtürme. In Barth dürfte der kleine Turmstumpf (knapp 3 m Durchmesser) erst nach der Zerstörung der Mauer 1478 entstanden sein, jener in Demmin wäre gar erst 1570 erbaut(?). Ein Rundturm neben dem „Naugarder Tor“ von Massow dürfte sekundär auf ein Wiekhaus gebaut sein. Merkmale des Artilleriezeitalters zeigt der oderseitige (nach 1945 stark ergänzte) Eckturm von Stettin, den rundbogige und runde Scharten in gewölbten Geschossen und einem Gang in der Mauerstärke auszeichnen; er dürfte erst ins 16. Jahrhundert gehören (Abb. 515). Ein achteckiger Stumpf in Wolgast ist heute der einzige Hinweis auf einen Vollturm dieser Form in Pommern. In Gollnow immerhin ruht ein Achteckturm auf zwei Strebepfeilern der Mauer, wobei dreifache, gefaste Bögen den Übergang herstellen; der zweigeschossige Achteckteil ist durch
Abb. 514 Pasewalk, ein auch für Pommern üblicher Rundturm, wie er bei vielen Mauern vereinzelt neben zahlreichen Wiekhäusern vorkam (15. Jh.?).
Abb. 515 Stettin, der „Siebenmäntel-“ oder „Frauenturm“, ein Eckturm an der Oder, dürfte kaum vor dem 16. Jh. entstanden sein. Das Obergeschoss samt Zinnen und Dach ist eine Rekonstruktion nach Kriegszerstörung.
Spitzbogenblenden gegliedert. Rechteckige Erkertürme über je zwei innen wie außen vorspringenden Strebepfeilern findet man in Lassan, quasi die Sparform eines Wiekhauses. Die eindrucksvollsten Akzente der Wiekhausmauern waren – wohl erst im 16. Jahrhundert, jedenfalls kaum vor Ende des 15. Jahrhunderts – jene Türme, die mehrere Teile verschiedener Grundrissformen übereinander „stapelten“ und diese verspielte Ästhetik durch weitere Einzelformen noch steigerten. Vielleicht das früheste, jedenfalls das bescheidenste Beispiel ist der Pasewalker „Kiek in de Mark“, der aufgrund politischer, an den Namen geknüpfter Erwägungen nach 1445 entstanden sei. Der quadratische (an ein Wiekhaus anknüpfende?) Sockel ist steil ins Rund überführt und durch einen dreifach vor-
kragenden Aufsatz mit Scharten bekrönt, der (alte?) Zierzinnen und das gemauerte Spitzdach trägt. In Pyritz, wo alle größeren Türme erst ins 16. Jahrhundert datiert werden und auch die Tore ähnliche Formen zeigen, könnten der „Eulenturm“, der auf eine ältere Rundschale aufsetzt, und sein Pendant, der „Eisturm“, eine andere Frühform darstellen, nämlich relativ normale Rundtürme, auf deren gezinnte und mit Stichbogenblenden gezierte Plattform ein relativ niedriger Rundaufsatz folgt. Schließlich ist auch der „Gernegroß“ in Pyritz ein interessanter Sonderfall, denn hier war von Anfang an eine mittenbetonte Dreiturmgruppe gebaut worden – hinter dem Spital, vielleicht von diesem gesondert finanziert(?) – und das mittlere Wiekhaus wurde nachträglich geschlossen und mit einem schlan28. Pommern
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und damit nur Vorpommern erfasste. Dennoch wird deutlich, dass sich in den Tortürmen dieselben beiden Hauptbauzeiten spiegeln, die auch bei den Mauern insgesamt erkennbar waren, nämlich einerseits eine Frühphase um 1300 und andererseits eine sehr aktive Ausbauphase im gesamten 15. Jahrhundert. Aus der Zeit um 1300 stammen noch drei Tortürme, die sicher nicht zufällig alle in Vorpommern bzw. an der Oder stehen und alle im
Abb. 517 Stargard, zu den besonders sehenswerten Stadtmauerresten in Stargard gehört der 1499 vollendete „Eisturm“ (vgl. Abb. 510, 520, 521; Chr. Herrmann).
Abb. 516 Pyritz, der „Gernegroß“ ist ein ungewöhnliches Beispiel für einen Turm, der den Überblick über das Vorfeld verbessern sollte. Auf einen Unterbau, der aus dem ortsüblichen Wiekhaustypus entwickelt ist, wurde ein schlanker Rundturm aufgesetzt (Mauer und Turm wohl vor 1300, runder Aufsatz 15. Jh.).
ken runden Aufsatz besonders betont (Abb. 516); ähnlich mag der „Mühlenturm“ ausgesehen haben. Den Höhepunkt dieser „Schmucktürme“ des 15./16. Jahrhunderts bilden zwei formal fast gleiche, aber leider nicht genau datierte Türme in Stargard, der Turm „Rotes Meer“ und der „Eisturm“ (Abb. 517). Beide besitzen ausnahmsweise einen quadratischen Unterbau, auf den ein runder Aufsatz folgt und schließlich ein achteckiger. Die Verwendung schwarz gebrannter Ziegelköpfe – auch in Rautenmustern, wie im Ordensland weiter östlich verbreitet – und von Rundscharten, schließlich der achteckige gemauerte Helm mit Dachhäuschen fügen der ohnehin verspielten Form weitere Reize hinzu. Der beschädigte „Pulverturm“ an einer Mauerecke in Greifenberg mag ähnlich ausgesehen haben. Wie allgemein im Backsteingebiet waren und sind auch in Pommern die Tortürme die wichtigsten Akzente der StadtTorformen bis Mitte mauern; eine umfassende des 14. Jahrhunderts Studie zu ihnen fehlt, da Heinrich Trost sein Untersuchungsgebiet an der Grenze der DDR enden ließ 280 Topographischer Teil
15. Jahrhundert umgebaut wurden. Das Demminer „Kuhtor“ (heute „Luisentor“) und das Anklamer „Steintor“ (Abb. 518) sind eng verwandte, nur dreigeschossige Backsteinbauten (die im 15. Jahrhundert erhöht wurden). Beide besaßen anfangs kein Fallgatter, die Blendengliederung ist noch sparsam und kleinteilig, die ehemalige Wehrplatte durch eine Reihe kleiner Schießfenster erkennbar. Die Fenster sind stichbogig und in Anklam auch dreieckig abgeschlossen, und diese letztere, später nicht mehr auftretende Form findet man auch am „Bahner Tor“ in Greifenhagen. Dieses dritte frühe Tor ist ein ebenfalls dreigeschossiger und fallgatterloser Bau, hier aber in Feldstein (der in Demmin nur an der Seitenwand auftritt). Anders als Demmin und Anklam war der Turm hier im Obergeschoss zur Stadt im Spitzbogen geöffnet; die Öffnung wurde aber noch im Mittelalter geschlossen, und ein Fallgatter und Backsteinblenden wurden nachträglich eingefügt. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren in Pommern zunächst drei- bis fünfgeschossige, mit Ziergiebeln schließende Tortürme üblich, also die im Backsteingebiet ohnehin normale Form, die sich in kleineren Städten und mit bescheidener Höhe noch länger hielt; stadtseitige Öffnung im Obergeschoss ist die Ausnahme (Rügenwalde, „Hohes Tor“; Tribsees, „Mühlentor“). Komplexe Blendengliederungen, die in der Regel Maßwerkformen variieren und entweder die Höhe des ganzen Turmschaftes einnehmen oder zwei manchmal gestaffelte Reihen bilden, blieben bis zur Jahrhundertmitte üblich, wobei meist auf Formsteine ganz verzichtet wurde. Zahnfriese, oft auch mehrere Schichten hoch, und Stichbogenfenster sind in Pommern offenbar ganz zeitlos. Nur selten tritt noch reicherer Schmuck auf; etwa die beschädigten Terrakotten am Schivelbeiner „Steintor“ wären hier zu nennen. Eine Besonderheit sind zusätzliche Wehrgänge im oberen Turmteil, die in zwei Varianten auftreten. Manche Tore besaßen einen umlaufenden, vorgekragten Holzwehrgang (Anklam, „Steintor“; Demmin, „Kuhtor“; Altentreptow, „Neubrandenburger Tor“; vgl. Rostock, Kröpeliner Tor). In anderen Fällen wurden Fallgatter und vorgelegter Wehrgang kombiniert – das Gatter hing zwischen zwei Strebepfeilern, die bis zur vollen Turmhöhe hochgeführt und oben durch
einen frei vor die Turmwand gespannten Bogen verbunden waren (Gollnow, „Wolliner Tor“); diese Form tritt auch in Brandenburg auf. Der Bogen trug einen äußeren Wehrgang und ließ Abb. 518 Anklam, die unteren drei Geschosse des „Steintorturms“ sind um 1300 entstanden, die Erhöhung gehört ins 15. Jh.
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folgte auf die blendengeschmückten Zierzinnen ein Achteckaufsatz, der wiederum mit vorgekragten Zierzinnen und gemauertem Spitzhelm schloss. Ist hier an die Türme in Stargard („Rotes Meer“, „Eisturm“) zu denken, so besaß das „Stettiner Tor“, bei dem der Übergang zum hier niedrigeren Achteck durch Rundtürme auf den Ecken des Unterbaues vermittelt ist, ein Pendant im „Schwedter Tor“ (um 1420/30) im benachbarten Königsberg/Neumark. Ab dem mittleren 15. Jahrhundert trat in Pommern eine neue, blockhaft niedrige Torform auf, ohne die höhere Torturmform zu verdrängen. Außerdem setzte sich bei der Blendgliederung die schon vorher erkennbare Tendenz zu betont schlichter Reihung endgültig durch, wobei die Blenden meist über der Durchfahrt ansetzten und dann über die gesamte Turmhöhe gingen; Maßwerkformen waren nun äußerst selten, der Abschluss mit Stich- oder gar RundAbb. 519 Altentreptow, die Feldseite des „Neubrandenburger Tors“ (um 1450). Um das Geschoss mit den Stichbogenblenden, unterhalb des Giebels, lief früher ein ausgekragter Holzwehrgang.
hinter sich einen Wurfschacht, der von der eigentlichen Wehrplatte aus zugänglich war. Das „Neubrandenburger Tor“ in Altentreptow vereinte sogar beide Formen (Abb. 519). Dabei ist zu beachten, dass auch im 15. Jahrhundert der Umgang mit dem Fallgatter noch variabel war; neben der aufwendigen Form mit dem Bogen gab es das Gatter in einer Bogennische (Schivelbein, „Steintor“), aber auch den völligen Verzicht (Rügenwalde, „Hohes Tor“). Als Bekrönung, oft verschwunden oder verändert, dienten wohl meist Staffelgiebel, in reicheren Fällen mit Blendbiforien zwischen frei stehend hochgeführten Pfeilern (Anklam, „Steintor“, Demmin, „Kuhtor“, beide im 15. Jahrhundert erhöht). Sonderfälle waren die Tore in Pyritz, deren Achteckaufsätze – beide 1945 zerstört, vom „Stettiner Tor“ blieben nur niedrige Reste – von der polnischen Forschung erst ins 16. Jahrhundert gesetzt werden, die aber doch wohl insgesamt in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts gehörten. Der quadratische Teil des „Bahner Tores“ besaß schmale Rechteck- und Stichbogenblenden in voller Höhe, beim (jüngeren?) „Stettiner Tor“ gab es zwei Blendenreihen übereinander; bei beiden 282 Topographischer Teil
Abb. 520 Stargard, die Stadtseite des „Pyritzer Tores“ von 1439. Die blockartige Form ist im 15. Jh. selten (Chr. Herrmann).
bogen weit häufiger als der Spitzbogen. Neben dem zeitlosen und weitverbreiteten Zahnfries aus schräg verlegten Backsteinen benutzte man gern querrechteckige, weiß geputzte Blenden für die HoTorformen der Mitte und zweiten Hälfte rizontalgliederung. Die Falldes 15. Jahrhunderts gatter hingen nun meist in tiefen Bogennischen; wo man weiterhin auf sie verzichtete, mag das Gatter im nun sicherlich üblichen Vortor gelegen haben. Feldseitige Strebepfeiler im unteren Turmteil führten zwar gelegentlich auch das Fallgatter, kamen daneben aber auch zu reinen Stütz- oder Schmuckzwecken vor. Und auch die Öffnung der Obergeschosse zur Stadt, in Form eines hohen Spitzbogens, ist nicht ganz ausgestorben (Stolp, „Neues Tor“, „Mühlentor“). Das „Pyritzer Tor“ in Stargard (1439) und das „Kütertor“ in Stralsund (nach Rechnung von 1446) sind die datierten Beispiele des blockartigen Tortypus. In Stargard zeigt die Feldseite nur eine tiefe Fallgatternische, die Stadtseite eine komplexe Blendgliederung; ungewöhnlich sind die Zwerchhäuser im Zeltdach (Abb. 520). Das Stargarder „Walltor“ ist recht ähnlich, aber nach seinen Vorhangbogenblenden und -fenstern sowie dem Renaissancegiebel erst um/nach 1500 erbaut. Noch schlichter sind „Kütertor“ und „Kniepertor“ in Stralsund, mit separater Blendenreihung in den Obergeschossen; das „Kniepertor“ zeigt zudem einen Maßwerkfries aus schwarz glasierten Formsteinen. Ein besonders voluminöser, ähnlich zu beschreibender Vertreter des Blocktypus ist das „Neue Tor“ in Stolp, dem auch das zerstörte „Holzentor“ ähnelte. Kleinere Vertreter der Art sind schließlich das „Anklamer Tor“ in Usedom, wieder mit Rundbogennische für das Fallgatter, und das Hohe Tor“ in Belgard, ein Torbau mit nur einem Obergeschoss. Neben dem „Blocktypus“ wurde im mittleren 15. Jahrhundert der klassische Torturmtypus weitergeführt. Das Pasewalker „Mühlentor“, quadratisch, aber mit achteckigem Aufsatz, knüpfte an die etwas älteren Tore in der Neumark und in Pyritz an, während das dortige „Prenzlauer Tor“ offenbar keinen Aufsatz besaß. „Stolper Tor“ und „Kösliner Tor“ in Schlawe – 1458 und 1453 erwähnt – sind querrechteckige, voll vor die Mauer tretende Baukörper, aber für den Blocktypus zu
Abb. 521 Stargard, das „Mühlentor“ (Mitte 15. Jh.) ist in Wahrheit kein Stadttor, sondern der ungewöhnlicherweise als Doppelturmtor gestaltete Auslass der durch die Stadt geführten Ihna (Chr. Herrmann).
hoch; die sehr regelmäßige Gliederung des „Stolper Tores“, mit Maßwerkblenden über die volle Turmhöhe, unterstreicht dies noch. Verwandt ist das stark restaurierte Stolper „Mühlentor“, das zumindest feldseitig fünf Blenden in voller Höhe zeigt. Schließlich sind „Stralsunder“, „Greifswalder“ und „Mühltor“ in Grimmen, wohl schon nach der Jahrhundertmitte entstanden, gut erhaltene Beispiele kleinstädtischer Tore. Baukörperlich komplexere Torformen, wie sie Heinrich Trost für Brandenburg und besonders die Neumark festgestellt hat, treten nach der Jahrhundertmitte auch östlich der Oder auf, aber 28. Pommern
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Abb. 522 Barth, das „Dammtor“, um 1475 erbaut, ist das jüngste in Pommern erhaltene Stadttor. Als einziges des gesamten Landes verzichtet es völlig auf Wandgliederungen und setzt nur auf Erker und Zwerchhäuser in der Dachzone (J. Lorenz).
ausgesprochen selten. Das „Bautor“ in Cammin ordnet den zweigeschossigen Torbau mit Lisenen für das Fallgatter und schwarz glasierten Fensterwimpergen(!) neben einem seinerseits reich gegliederten Turm an. Auf quadratischem Unterbau, der mit blendengeschmückten Zinnen schließt, sitzt ein runder Aufbau mit mehrfach vorgekragten Zinnen und gemauertem Spitzdach. Hochoriginell ist das Stargarder „Mühltor“, in Wahrheit kein Tor, sondern der Durchlass des Flusses Ihna, bei dem ein quaderförmiger Unterbau von zwei schlanken Achtecktürmen bekrönt wird, deren Zinnen über Stichbögen vorkragen (Abb. 521). Den Schlusspunkt der pommerschen Tortürme bildet, so der Forschungsstand, ein ungewöhnlicher Bau, der wohl um 1475 entstandene 284 Topographischer Teil
Turm des „Dammtores“ in Barth. Er verzichtet als einziger in ganz Pommern auf jegliche Blendgliederung, betont aber die Dachzone mit schräg gestellten Eckerkern – eine wirkungsvolle Gestaltung, die man aber, vom Backstein einmal abgesehen, eher in Franken vermuten würde (Abb. 522). Weit über die Wallgräben herausgeschobene Vortore haben im 15./16. Jahrhundert sicherlich viele pommersche Städte gehabt, entsprechend den tief gestaffelten Wallgrabensystemen, die hier wie allgemein im Flachland üblich waren. Durch Pläne und Abbildungen belegbar sind einige, erhalten blieb jedoch kein einziges. Grobe Zeichnungen des bereits stark veränderten äußeren „Prenzlauer Tores“ in Pasewalk zeigen immerhin Kielbogenblenden, die in die Zeit um 1500 weisen; in Greifswald, Stettin und Stolp belegen Pläne und Vogelschauen nur die Vortore als solche. Interessanterweise gibt es aber mehrere Belege für Doppelturmtore mit zwei Rondellen, die man ebenfalls in die Zeit um 1500, eher noch ins 16. Jahrhundert datieren wird; dies gilt für Köslin („Hohes Tor“), für beide Tore von Pyritz, für Kolberg („Mündertor“) und für das „Greifswalder Tor“ von Stettin. Eine Anschauung von den Wallgräben erhält man noch in Cammin mit langen Partien des Doppelgrabens, ähnlich in Pyritz und Treptow, schließlich in Greifswald und Barth, wo Promenaden auf dem Wall verlaufen. In Stargard ist an einer Ecke des Außenwalles ein großes Erdrondell erhalten geblieben, und etwas Entsprechendes muss es auch in Stolp gegeben haben. Wie verbreitet Landwehren in Pommern waren, harrt noch genauerer Erforschung. Nach dem zweifellos veralteten deutschsprachigen Forschungsstand gab es Landwehren lediglich in Anklam und Treptow. Die Anklamer Landwehr aus Wall und Graben besaß mehrere Warten; der erhaltene „Hohe Stein“ ist ein Rundturm von 1458, der ebenfalls von Wall und Graben umgeben war. Damit entspricht er, von den backsteintypischen Einzelformen einmal abgesehen, den gleichzeitigen Warten in südlicheren Regionen wie etwa Hessen oder Franken. Auch Kolberg besaß zumindest mehrere abgegangene Warten. In Treptow ist der Doppelwall der Landwehr teils erhalten, einer der Durchlässe war durch einen Rechteckturm gesichert.
Bauten, deren Form entscheidend durch Feuerwaffen geprägt ist, sind in Pommern selten und bescheiden geblieben. Der schon beschriebene, leider undatierte runde Eckturm in Stettin (Abb. 515) ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die schon im 14. Jahrhundert schartenreichen Rundtürme ohne Weiteres für leichte Feuerwaffen weiterentwickeln ließen, ohne dass dies ihre äußere Erscheinung sehr verändert hätte. Rondelle im eigentlichen Sinne, das heißt deutlich niedrigere Rundtürme, sind im erhaltenen pommerschen Bestand äußerst selten. Neben den erwähnten Vortoren mit je zwei symmetrischen Rondellen sind solche Bauten in Stargard, Stolp und Pyritz erhalten. Stargard hat im 15./16. Jahrhundert seine Befestigung besonders konsequent erneuert, wie schon die Torbauten dieser Phase zeigten. Ein dreigeschossiges Rondell (heute Museum) besitzt Der Einfluss der Feuerwaffen kreuzförmige Schlüsselscharten aus Formsteinen(!), die im mittleren Geschoss zu flankierenden Dreiergruppen zusammengefasst sind; drei weitere, zweigeschossige Rondelle zeigen einen ungewöhnlichen, „stichbogigen“ Grundriss und besitzen rechteckige Maulscharten. Außerdem wurden in Stargard große Mauerpartien im 16. Jahrhundert
erneuert, denn sie zeigen tiefe Wehrgangbögen mit innen erweiterten Schlitzscharten darunter und in der außen vorgekragten Brustwehr teils außen getreppte Rechteckscharten. Scharten in Stehhöhe findet man sonst in Pommern nur noch in Gollnow, in Form (nachträglich eingebauter?) stichbogiger Schießfenster. Von den beiden weiteren Rondellen zeigt jenes in Stolp, halbrund und stark restauriert, nur breite Schlitzscharten, jenes in Pyritz aber stichbogige, außen erweiterte Kanonenscharten, die fraglos erst ins (späte?) 16. Jahrhundert gehören; das Stargarder Erdrondell dürfte kaum jünger sein. Zeigen schon diese wenigen und bescheidenen Beispiele der Modernisierung für Feuerwaffen, dass die Blüte der pommerschen Stadtmauern vor 1500 beendet war, so bestätigen dies Torumbauten in Renaissanceformen, die es auch in Pommern gibt. Wurde das Stargarder „Walltor“ wohl erst 1590 mit modernen Giebeln vollendet, so sind „Steintor“ und „Mühlentor“ in Tribsees kleine Tortürme wohl des früheren 15. Jahrhunderts, die durch Vermauerung der stadtseitigen Öffnung und Aufsetzen von Rundblendenund pfeilergezierten Giebeln modernisiert wurden; ähnlich sind das „Steintor“ und das „Hohe Tor“ in Greifenberg zu beschreiben.
29. Deutschordensland Preußen Um 1400 umfasste das Deutschordensland, so wie es hier mangels aktueller Grenzen definiert wird, etwa die spätere preußische Provinz Ostpreußen und den städtereicheren, im Weichseltal liegenden Ostteil der Provinz Westpreußen, schließlich auch die Ostspitze des späteren Pommern. Als der Deutsche Ritterorden 1231 ins Land der Pruzzen vordrang, gehörFrühe Mauern und ten von Anfang an nicht nur Befestigungen Burgen, sondern auch Stadtgründungen zu seinen Maßnahmen der Beherrschung und Erschließung. Thorn, 1236 gegründet, wurde etwa 1250–62 ummauert, die „Neustadt“ folgte wohl schon 1264– 76; in Kulm, gegründet 1232, berührt eine Quelle 1267 den Mauerbau. Die teils erhaltenen Mauern
von Kulm und Thorn/Altstadt zeigen in der Tat Merkmale, die im Lande sonst fehlen: hohe, weit vor die Mauer tretende, rechteckige Schalentürme, in Kulm auch einige halbrunde (Abb. 523). Auch die gezinnten Wehrgänge, 2,50–4 m über der Straße, tragen zu einem Bild bei, das – mit Ausnahme des Backsteins – ganz west- oder süddeutsch wirkt. Teile des Kulmer Wehrganges ruhten auf Strebepfeilern, was an einem kleinen Mauerteil in Marienburg und – als hohe Bögen – bei der Mauer einer Vorstadt(?) in Strasburg wiederkehrt. Auch die verschwundenen Mauern von Elbing/Altstadt – wohl vor 1300 begonnen, nachdem schon 1233 die Rede von geplanter Umwallung war – zeigten noch den westlichen Einfluss der Wehrgänge auf Bögen und verfügten auch über Volltürme; die Flussseite behielt freilich 29. Deutschordensland Preußen
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lange ihre Palisaden, die „Neustadt“ kam nie über sie hinaus. Eine Gasse hinter der Befestigung ist übrigens in der Altstadt schon 1238 genannt, in der Neustadt 1347; Mauergassen bleiben im Ordensland absolut verbindlich. Das lange Warten auf die Mauer kennzeichnete die vielen Kleinstädte, die im 13./14. Jahrhundert vor allem im Ostteil des Territoriums entstanden. Landsberg besaß noch 1335 Palisaden, Neuenburg erneuerte sie 1336, 1333–70 sind die Daten für Königsberg; den primus lapis muri Civitatis legte selbst das Handelszentrum Danzig erst 1343, wobei die „Rechtstadt“ (die richtige = ursprüngliche Stadt) und eine erste Erweiterung zusammen befestigt wurden. In Allenstein sind 1357 noch septa erwähnt, Wartenburg, 1364 gegründet und hölzern gesichert, wurde 1373–1401 ummauert, Schwetz 1375–92. Die Mauern in Bischofstein, vor 1401 begonnen, waren 1460/70 noch unfertig. Gerdauen (1406), Bartenstein und Landsberg (beide 1411) bilden in den Quellen die Schlusslichter der Ummauerung, aber mancher Baubefund, etwa Guttstadt mit seinen Rundtürmen für Feuerwaffen, belegt Mauerbauten bis deutlich ins 15. Jahrhundert hinein, von einem Fall wie dem nie ummauerten Bütow Abb. 523 Kulm, die in den 1260er Jahren im Bau befindliche Mauer erinnert mit ihrem ehemals gezinnten Wehrgang – in der Erhöhung gut erkennbar – und dem rechteckigen Turm konzeptionell stark an Stadtmauern Süd- und Norddeutschlands, obwohl sie aus Backstein ist.
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(1399 „plancken“) ganz abgesehen. Die Quellen erwähnen andererseits neben Kulm, Thorn und Elbing keine weiteren Mauerbauten vor 1340; mancherorts hat man dennoch aus strategischen Gründen so Frühes vermutet, aber angesichts der späten Bauzeiten selbst wichtiger Burgen des Ordens wird man dem kaum je zustimmen können. Die Masse der ostpreußischen Mauern entstand in dem Jahrhundert 1350–1450 und zeigt eine regionaltypische Variante des Wiekhaussystems (vgl. Kapitel 26. Brandenburg). Die wichtigste Abweichung vom Normalfall in Brandenburg und Pommern beMauerformen 1350–1450 steht darin, dass hier offenbar stets Wehrgänge vorhanden waren, und zwar meist als einfache Absätze der 1–1,50 m starken und oft 7–8 m hohen Mauern; sie besaßen Zinnen bzw. Wehrfenster, in der Spätzeit Reihen von Schlitzscharten. Die Wiekhäuser waren hier also nicht der einzige Standort der Verteidiger; dennoch sind sie im Ordensland besonders groß. Breiten von 8–14 m, mit bis zu vier Schartenachsen in der Front, treten vor allem im Osten auf, augenscheinlich als Spätstufe der überregionalen Entwicklung und Reaktion auf die latente Kriegsgefahr. Das normale Wiekhaus war auch in Ostpreußen stadtseitig offen (und trat innen halb vor die Mauer, anders nur in Schwetz), jedoch ist auch der Fall des vierseitig geschlossenen Wiekhauses, also des Rechteckturmes feststellbar. Von Anfang an gab es solche Türme etwa in Heilsberg, Mohrungen und Tolkemit, offenbar noch im Mittelalter zugefügte vierte Wände findet man in Hohenstein, Saalfeld, Gilgenburg und Rössel (Abb. 524); teils sind Sonderfunktionen offensichtlich, etwa als Kirchturm (Gilgenburg) oder Gefängnis (Rössel). Schmuckformen beschränken sich an den Wiekhäusern auf feldseitige, hohe Blenden (Danzig mit abgeschrägten Ecken, Dirschau [Abb. 525], Konitz, Rössel, Thorn; in Tolkemit nur im Obergeschoss). In Konitz ist noch der Treppengiebel eines Wiekhauses erhalten, mit ansteigenden Stichbogenblenden. Die Tendenz zur Rechteckanlage – sie erinnert an die überwiegend früher entstandenen Ordensburgen und unterscheidet Ostpreußen von den pommerschen und brandenburgischen Backsteinregionen mit ihren rundlichen Formen – lässt Ecktürme zu markanten Elementen werden.
Abb. 524 Wiekhäuser im preußischen Ordensland waren in der Regel breiter als in Brandenburg, von wo die Form wahrscheinlich übernommen wurde. Der Grundriss von Hohenstein verdeutlicht die Konsequenz, mit der die breiten Wiekhäuser angelegt wurden (nach 1359); unten ein Beispiel aus Heilsberg (14. Jh.), das die Ausstattung mit Scharten verdeutlicht.
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Abb. 525 Dirschau, gelegentlich findet man im Ordensstaat Wiekhäuser, deren Front mit Spitzbogenblenden geschmückt war (wohl 2. Hälfte des 14. Jh.).
Sie sind meist quadratisch (Braunsberg, Abb. 34); Elbing, Gollub, Graudenz, Preußisch Friedland, Rastenburg, Schwetz, Seeburg) oder rund (Hohenstein, Neumark, Schöneck, Schönsee, Thorn), Abb. 526 Lauenburg, ein Rekonstruktionsversuch der Nordecke der Stadtbefestigung macht die dichte Reihung der Wiekhäuser deutlich. Zum Eckturm vgl. Abb. 34. Die Mauer zwischen den Türmen ist hier sicher zu niedrig dargestellt (Muzeum Lebork).
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aber es treten auch Formen wie ein schräg gestelltes Wiekhaus oder die turmlose Ecke auf (beides Preußisch Stargard). Den formalen Höhepunkt bilden Achtecktürme (Elbing), die auch im Mauerverlauf größerer Städte vorkommen (Danzig, Thorn), gelegentlich aus dem Quadrat über Schrägen ins Achteck überführt (Konitz, Strasburg, Preußisch Stargard) oder in der Sparform als Schalenturm (Strasburg). Einige besonders massive, rechteckige Ecktürme neben der Pfarrkirche lassen Wohnfunktionen (des Pfarrers?) vermuten (Liebemühl, Neuenburg, Rastenburg); in Neidenburg mag man den an einen Eckturm anschließenden Saalbau („Klösterchen“) ähnlich deuten. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel einer quadratischen Anlage ist in Lauenburg in wichtigen Teilen erhalten, wohl aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts (Handfeste 1341, 1353 Burg bewohnbar; Abb. 526). Die sehr großen Wiekhäuser, jeweils acht an jeder Mauerseite, waren hier quadratisch und besaßen frontale und flankierende Scharten in drei Geschossen, darüber die Wehrplatte mit stichbogigen Schießfenstern; sie sprangen voll über die Mauer vor. Der erhaltene nordöstliche Eckturm geht über quadratischem Sockel ins Achteck über und zeigt das Rautenmuster aus schwarz gebrannten Backsteinköpfen, das auch an den jüngeren Ordensburgen auftritt (Abb. 34). Dass die Kirchen mit ihren hohen und massiven, den Mauern etwa gleichzeitigen Türmen auch die Wehrhaftigkeit der Stadt akzentuieren sollten, wird besonders deutlich, wo sie eine Wehrplatte mit Schießfenstern oder Zinnen besitzen (Mohrungen, Strasburg). Die Symbolik kulminiert in Rastenburg, dessen zweitürmige Kirche, in überhöhter Ecklage und mit turmverstärktem Zwinger, als Dominante die tiefer liegende Ordensburg ersetzt (Abb. 193). Gerade hier, auch in Deutsch-Eylau, zeigt sich aber auch die Unwehrhaftigkeit der Kirche selbst, deren hohe Fenster sich feldseitig öffnen. Die Riesenburger Marienkapelle sprang dagegen als echtes Vorwerk in die Grabenzone vor. Die (zerstörten) Tore der Thorner Altstadt waren ursprünglich (1250/62) niedrige, gezinnte Rechtecktürme und erinnerten auch insoweit an west- und süddeutsche Verwandte des mittleren 13. Jahrhunderts. Die Tortürme des 14./15. Jahrhunderts – Beispiele sind in Allenstein, Barten-
Abb. 527 Danzig, das „Krantor“ (1442–44) am Hafen, hier um 1900 vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg, wurde offenbar von Anfang an als eine Kombination von Stadttor und Kran erbaut (altes Foto).
stein, Danzig, Elbing, Marienburg, Konitz, Preußisch Holland, Riesenburg, Strasburg, Wehlau erhalten – zeigen dagegen in der Regel glatte Schäfte und betonte Ziergiebel Die Tore (Abb. 132); Türme neben der Torfahrt, weiter westlich im 14./15. Jahrhundert weitverbreitet, sind in Ostpreußen selten (Neumark, Preußisch Stargard). Eine kleinteilige Blendengliederung, deren geschossweise Anordnung dennoch nüchtern wirkt, zeigt ausnahmsweise das „Schlochauer Tor“ in Konitz, wohl als pommerscher Einfluss zu verstehen. Neben den üblich schlichten Scharten und Schießfenstern waren Fallgatter in Ostpreußen die Norm. Allein in Strasburg blieb der Rest eines kleinen, vorgelagerten Torzwingers erhalten; von den späten Vortoren im Grabenbereich zeugt noch der monumentale „Gefängnisturm“ in Danzig mit seinen Zwinger (1410). In Thorn, Danzig und Schwetz tritt eine Sonderform des Tores auf, die als turmartig hohes Haus mit Querdurchfahrt erscheint. Das Thorner „Nonnentor“ und die Danziger Tore (nach 1450 bis zum 16. Jahrhundert) öffneten sich zum Ha-
fen und mögen Nebenfunktionen als Lagerhäuser gehabt haben, jedoch galt dies für das Thorner Paulinertor (1250/62) nicht und wohl auch nicht in Schwetz. Die wenigen, ins 15. Jahrhundert gehörenden Doppelturmtore des Ordenslandes dürften auf niederländische Vorbilder zurückgehen, die auf dem Seeweg nach Osten „exportiert“ wurden. Neben dem wiederaufgebauten Danziger „Krantor“ am Hafen (nach 1440; Abb. 527), das nur außen Rundtürme vortäuscht, blieb auch das Heilsberger „Hohe Tor“ erhalten, im 19. Jahrhundert restauriert (Abb. 528); das Letztere und das zerstörte Elbinger „Markttor“ (1437) waren Vorwerke außerhalb des Grabens. Zerstört ist auch das Danziger „Heilige-Leichnams-Tor“ (nach 1466), während das dort erhaltene „Milchkannentor“ (um 1517?) das Thema mit zwei ungleichen Türmen variiert. Der weitgehende, durch kraftvolle Gliederung kompensierte Verzicht auf Form- bzw. Profilsteine ist ein Charakteristikum der ostpreußischen Gotik allgeSchmuckformen mein (wobei hier übrigens Block29. Deutschordensland Preußen
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Abb. 528 Heilsberg, das „Hohe Tor“ (wohl 15. Jh.) ist ein im Ordensland seltenes Beispiel eines Doppelturmtores, wahrscheinlich von zeitgenössischen Bauten in den Niederlanden beeinflusst. Ähnlich dem Lübecker Holstentor war es nicht das Haupttor, sondern bildete den äußeren Abschluss eines Zwingers vor dem Graben (Chr. Herrmann).
und wendischer Verband oft nebeneinander vorkommen und damit für Datierungszwecke unbrauchbar sind). Auch die Giebel der Tortürme – Hauptträger der Gestaltung, nachdem gewölbte Torfahrten fehlen oder Planung blieben (Strasburg) – sind im Detail einfach. In Bartenstein, Strasburg und Preußisch Holland findet man noch gestaffelte Ziergiebel und Spitzbogenblenden zwischen „Fialen“, in Allenstein schlichtes Blendmaßwerk, während der Danziger „Gefängnisturm“ im 1509 aufgesetzten Teil zwei spätgotische Blendenreihen erhielt. Profilierte Fenster findet man im Bestand der ostpreußischen Mauern nur noch am Braunsberger „Pfaffenturm“, Zierfriese in Thorn („Krummer Turm“) und Gollub, „Zahnschnitte“ aus schräg verlegten Backsteinen in Thorn und Grau290 Topographischer Teil
denz; sonst sind – neben den gruppierten Putzblenden der Tore – schwarze Rautenmuster im Mauerverband, wie an den Ordensburgen, und Putzstreifen unter dem Wehrgang, oft zwischen zwei vorgestreckten Steinlagen, der einzige Schmuck der Turmschäfte. Die beiden Tortürme in Marienburg, dem Sitz des Landesherrn, die eine etwas reichere Blendengliederung und einen Fries von Wappenschilden im Bereich der Wehrplatte besitzen (ähnlich das Thorner „Nonnentor“), stellen schon das Maximum an Ornamentik dar (Abb. 529). Ob man in der Betonung der glatten Mauerfläche, die den Ordensstaat deutlich von den Backsteingebieten weiter westlich unterschied, einen Ausdruck der besonders strengen Wehrhaftigkeit der Ordensherren erkennen sollte, bleibe dahingestellt.
Zwinger traten an den Ordensburgen – unter dem wohl aus dem Persischen oder vom deutschen Wort „Pferch“ herzuleitenden Namen „Parcham“ – schon um 1300 auf und mindestens in Thorn ist der Zwinger ähnlich früh, denn, als 1293 der Graben zur eben befestigten Neustadt mit einer Mauer geschlossen wurde, da stieß sie bereits gegen die „kleinere Mauer“ der Altstadt; Teile dieser Zwingermauer sind mit Zinnen erhalten, (spätere?) StreichZwinger und Rondelle wehren besitzt sie nur gegen die 1454 zerstörte Ordensburg. Weitere, wohl späte Zwinger, meist auf einen exponierten Teil der Mauer beschränkt und gelegentlich mit Rundtürmen, sind in Resten erhalten (Allenstein, Braunsberg, Graudenz, Rastenburg) oder ver-
schwunden (Danzig, Elbing, Mewe, Neidenburg, Preußisch Holland). Der Übergang zur Artilleriebefestigung wurde in Ostpreußen offenbar durch den Schock der Schlacht von Tannenberg ausgelöst: 1410–37 erhielt Elbing einen (verschwundenen) Außenwall mit kleinen Rondellen, ebenso auch Marienburg, wo noch viel von den schalenturmartigen Bauten erhalten ist („Plauen-Bollwerk“; Abb. 225). Die im 15. Jahrhundert entstehenden Außentore integrierten meist Rondelle (zum Beispiel Thorn 1449/50) wie in den westlicheren Backsteingebieten; weitere, meist noch turmartig hohe Rondelle oder polygonale Anlagen finden sich in Guttstadt, Braunsberg und Rastenburg.
Abb. 529 Marienburg, die Türme des „Töpfertors“ (links) und des „Marientors“, jeweils Feldseite, dürften im mittleren 14. Jh. entstanden sein und sind hier – am Hochmeistersitz des Deutschen Ordens – stärker geschmückt als andere Tore des Ordenslandes (Chr. Herrmann).
29. Deutschordensland Preußen
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Literatur 1. Allgemeine Literatur zur mittelalterlichen Stadtbefestigung im deutschsprachigen Raum (chronologisch nach Erscheinungsjahr)
Vorbemerkung Es gibt kaum zusammenfassende Darstellungen der mittelalterlichen Stadtbefestigungen, die auf Grundlage überregionaler Erfassung des erhaltenen und ehemaligen Bestandes Aussagen über die Entwicklung des Bautypus zu treffen versuchen und die dabei dem heutigen Stand von Mediävistik und Architekturgeschichte entsprächen. Der Grund dafür ist fraglos die Tatsache, dass der weit überwiegende Teil der vorliegenden Literatur ausschließlich einzelne Mauern behandelt bzw. dass regionale Zusammenfassungen bisher selten und zudem fast immer nur kurz und beschreibend sind (vgl. die Teile 2.–4. dieses Literaturverzeichnisses). Die älteren Darstellungen mit übergreifendem Anspruch behandeln etwa bis zum 1. Weltkrieg meist verfassungsrechtliche Fragen („Wehrhoheit“, „Befestigungsrecht“) oder sie geben reine Beschreibungen bzw. ästhetische Wertungen, häufig ebenfalls mit (im Titel meist nicht erkennbarem) Schwerpunkt auf einigen wenigen Städten; sie sind heute, mit einigen Ausnahmen, vor allem aufgrund neuer lokaler Forschungen weitgehend überholt, werden hier aber wegen ihrer forschungsgeschichtlichen Bedeutung aufgeführt.
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Eickemeyer, Rudolf, Ueber die Einschließung der Landstädte und anderer offenen Orte ..., Mainz 1792 (Einleitung zit. in: Churbaierisches Intelligenzblatt, 8. Jg. 1803, S. 371–376)
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Haase, Carl, Die mittelalterliche Stadt als Festung, Wehrpolitisch-militärische Einflußbedingungen im Werdegang der mittelalterlichen Stadt, in: Die Stadt des Mittelalters, hg. v. C. Haase, Bd. 1, 2. Aufl. Darmstadt 1975 (Wege der Forschung, Bd. 243), S. 377–407 (zuerst in: Studium Generale, 16, 1963, S. 379–390)
Gelbrich, Helmut, Historische Befestigungs- und Wallanlagen in Stadtzentren, in: Architektur der DDR, 8/1988, S. 30–32
Herzog, Erich, Die ottonische Stadt, die Anfänge der mittelalterlichen Stadtbaukunst in Deutschland, Berlin 1964 (Frankfurter Forschungen zur Architekturgeschichte, Bd. II) Schmidtchen, Volker, Bombarden, Befestigungen, Büchsenmeister, von den ersten Mauerbrechern des Spätmittelalters zur Belagerungsartillerie der Renaissance, Düsseldorf 1977 Koller, Heinrich, Hochmittelalterliche Siedlungsplanungen und Stadtgründungen im Ostalpenraum, in: Forschungen zur Geschichte der Städte und Märkte Österreichs, Bd. 1, Linz 1978, S. 1–68 Leudemann, Norbert, Deutsche Bischofsstädte im Mittelalter, zur topographischen Entwicklung der deutschen Bischofsstadt im Heiligen Römischen Reich (phil. Diss. München), München 1980 Meckseper, Cord, Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, Darmstadt 1982 Schmidtchen, Volker, Das Wehr- und Wachtwesen niedersächsischer Städte im Spätmittelalter und früher Neuzeit am Beispiel von Osnabrück und Lüneburg, in: Stadt im Wandel, Landesausst. Niedersachsen 1985, Ausstellungskat., Bd. 4: Aufsätze, S. 287– 300
Stadtmauern und Befestigungsanlagen, bearb. v. Karlheinz Stoklas, 2. Aufl. Stuttgart 1989 (I[nformationszentrum]R[aum u.]B[au]-Literaturauslese, Nr. 928) (enthält 115 Titel, wovon sich aber nur ein geringer Teil auf mittelalterliche Befestigungen im deutschen Raum bezieht) Koller, Heinrich, Die mittelalterliche Stadtmauer als Grundlage städtischen Selbstbewusstseins, in: Stadt und Krieg, Sigmaringen 1989, S. 9–25 Stadttore, bearb. v. Terje Nils Dahle, Stuttgart 1990 (I[nformationszentrum]R[aum u.]B[au]-Literaturauslese, Nr. 3014) (enthält 32 Titel, wovon sich nur 10 auf mittelalterliche Befestigungen im deutschen Raum beziehen – ein extremes Beispiel, wie schlecht die thematisch einschlägige, meist lokale Literatur erfasst wurde) Stadt- und Landmauern, 3 Bde., Zürich 1995–99 (Veröff. d. Inst. für Denkmalpflege ETH Zürich, 15, 1–3) (Das Werk behandelt nur die Stadtbefestigungen in fast allen Schweizer Kantonen, gehört also streng genommen in die Abteilung der regionalen Literatur. Wegen seiner Vorbildlichkeit für eine wissenschaftliche und aktuelle Bestandsaufnahme wird es jedoch bei der allgemeinen Literatur zitiert.) Isenmann, Eberhard, Reichssteuerverzeichnis von 1241, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München 1995, Sp. 640
Binding, Günther, Zum Kölner Stadtmauerbau, Bemerkungen zur Bauorganisation im 12./13. Jh., in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, 47, 1986, S. 7–17
Toch, Michael, The Medieval German City under Siege, in: The Medieval City under Siege, Woodbridge 1995, S. 35–48
Ennen, Edith, Die europäische Stadt des Mittelalters, 4., verbesserte Aufl. Göttingen 1987 (1. Aufl. 1972)
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Torbus, Tomasz, Das Krakauer „Rondell“ als Musterbeispiel der spätmittelalterlichen Barbakane und seine polnischen Nachfolgebauten, in: Burg und Stadt, S. 129–146
Untermann, Matthias, Erscheinungsformen der Stadtbefestigung, in: Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, S. 3–25
Untermann, Matthias, Stadt contra Burg, abgebrochene Stadtburgen im Blick der Archäologie, in: Burg und Stadt, S. 9–20
Wübbecke-Pflüger, Brigitte, Stadtbefestigung und Stadtbewachung, Grundstrukruren städtischer Sicherheitsorganisation im späten Mittelalter, in: Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, S. 45–58
„vmbringt mit starcken turnen, murn“, Ortsbefestigungen im Mittelalter, Frankfurt/M., Berlin usw. 2010 (Beihefte zur Mediaevistik, Bd. 15) (Die Aufsätze sind in den Abteilungen des Literaturverzeichnisses jeweils separat erfasst.)
Porsche, Monika, Stadtmauer und Stadtentstehung, Untersuchungen zur frühen Stadtbefestigung im mittelalterlichen deutschen Reich, Herringen 2000 (behandelt frühe Stadtbefestigungen, vor allem anhand archäologischer Befunde, an den sechs Beispielen Regensburg, Worms, Duisburg, Hildesheim, Halberstadt und Lübeck) Durdík, Tomás, The city walls of Tábor, a breakthrough in the development of central european fortifications, in: The town walls in the middle ages/Les enceintes urbaines au moyen âge, The Hague 2000 (Europa Nostra Bulletin, 53), S. 71–76 Decker, Klaus-Peter, Landesdefension und Schützenlust, Beziehungen zwischen Festungsbau und Schüt-
294 Topographischer Teil
Meyer, Carla, Mächtige Mauern – stolze Stadt, Bedeutung und Symbolik der Stadtbefestigung im spätmittelalterlichen Städtelob, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, S. 85–100 Stieldorf, Andrea, Zur Funktion von Stadtbefestigungen auf Siegeln und Münzen, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, S. 61–84 Wagener, Olaf, Ortsbefestigungen und ihr Vorfeld, eine Spurensuche anhand historischer Abbildungen, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, S. 119–138
2. Literatur zu den Stadtbefestigungen bestimmter Regionen Vorbemerkung Die nicht allzu zahlreichen Arbeiten, die sich mit den Stadtbefestigungen einer Region beschäftigen, grenzen ihre Untersuchungsgebiete recht unterschiedlich ab. Die hier gewählte Untergliederung in Regionen ist daher in pragmatischer Weise an die Kapitel des Topographischen Teils (Bd. II) angelehnt; in den Unterteilungen folgt die Anordnung der Reihenfolge in der Überschrift.
Alpiner Raum (Österreich, Tirol, Schweiz) – Lind, Karl, Mittelalterliche Städte-Befestigungsbauten in Niederösterreich, in: Mittheilungen d. k.k. Central-Commission f. Erforschung u. Erhaltung d. Kunst- u. historischen Denkmale, N.F. 2, 1876, S. 70– 90, 109–19; 3, 1877, S. 72–6, 136–9; 4, 1878, S. 31–32 – Lind, Karl, Die mittelalterliche Städtebefestigung in ihren heutigen Denkmalen, in: Österreichisches Jahrbuch, Jg. 14, 1890, S. 111–197 – Dachler, Anton, Befestigung mittelalterlicher Städte und Märkte in Niederösterreich mit Ausnahme der Stadt Wien, in: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien, 49, 1916, S. 21–54 – Kohla, Franz Xaver, Kärntens Burgen, Schlösser und wehrhafte Stätten, Klagenfurt 1953 (Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie, Bd. 38) – Seebach, Gerhard, Stadtbefestigungen, in: Niederösterreichische Jubiläumsausstellung 1000 Jahre Babenberger in Österreich, Stift Lilienfeld 1976 (Katalog), Wien 1976 – Klaar, Adalbert, Baualterpläne österreichischer Städte, Lief. 1–5 (Niederösterreich), 2 Begleittexte 1980, 1985, Wien 1972 – Machatschek, Alois, Mittelalterliche Stadttore im nördlichen Österreich, in: IBI-Bulletin 44, 1986, S. 81– 88 – Klaar, Adalbert, Baualterpläne österreichischer Städte, Lief. 6,7 Burgenland, Wien 1987 – Hofer, Nikolaus, Sichtbare und unsichtbare Mauern, Mittelalterliche Stadtbefestigungen in Ostösterreich aus archäologischer Sicht, in: „vmbringt mit starcken turnen ...“, Frankfurt/M. 2010, S. 207–224
– Weingartner, Josef, Tiroler Burgenkunde – Geschichte, Bewohner, Anlage und Verfall der Burgen, Dorfburgen, Stadtbefestigungen, Klausen und Schanzen, Innsbruck, Wien 1950 – Kaiser, Peter, Stadtbefestigungen in Tirol und angrenzenden Regionen, in: ARX, 1, 1989, S. 457–466 – Hye, Franz-Heinz, Das Phänomen „Stadtmauer“ in Tirol – vom Mittelalter bis ins 19. Jh., in: Stadt – Burg – Festung, Innsbruck 1994, S. 279–332 – Merz, Walther, Die mittelalterlichen Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 2 Bände + Ergänzungsband, Aarau 1906 – Baeriswyl, Armand Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter, Archäol. u. hist. Studien zum Wachstum ... Burgdorf, Bern, Freiburg/Br., Basel 2003 (Schweizer Beiträge z. Kulturgeschichte u. Archäologie d. Mittelalters, Bd. 30) – Burgenkarte der Schweiz, in zwei Blättern, 1:200000, 2. Auflage, Wabern 2007 – Baeriswyl, Armand, Zum Verhältnis von Stadt und Burg im Südwesten des Alten Reiches, Überlegungen und Thesen an Beispielen aus der Schweiz, in: Burg und Stadt, München, Berlin 2008, S. 21–36 – Bitterli, Thomas, Ortsbefestigungen und befestigte Orte in Mittelalter und früher Neuzeit – Versuch einer Systematik anhand der neuen Schweizer Burgenkarte, in: „vmbringt mit starcken turnen ...“, Frankfurt/M. 2010, S. 13–40 – Stadt- und Landmauern, 3 Bde. + Nachträge zu Bd. 2: s. Allgemeine Literatur
Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg, Elsass) – Bauer, Hans, Mainfränkische Stadtbefestigungen, Teil 1, in: ARX, 1, 1994, S. 337–341 – Emmerich, Werner, Landesburgen in ottonischer Zeit, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 37, 1957, S. 50–97 – Frischeisen, Johann Friedrich, Torbauten in Mittelfranken (Fotos: Wilma Dommel), München, 1989 – Scherbaum, Jochen, Stadtbefestigungen im nördlichen Franken, in: AusGrabungen, Schicht für Schicht ins Mittelalter, Begleitheft z. Ausstellung d. LehrLiteratur
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– Backes, Magnus, Burgen und Stadtwehren der Eifel, ein Burgen- und Reiseführer (3. Aufl.), Neuwied 1966
– Meckseper, Cord, Mittelalterliche Steinhäuser und Wohntürme in der südwestdeutschen Stadt, in: Konstanzer Arbeitskreis f. Geschichte, 54. Arbeitssitzung 1971 (Zusammenfass. e. Vortrags), Marburg 1972 – Fleck, Walther-Gerd, Vier Städte im Kochertal – Forchtenberg, Ingelfingen, Niedernhall, Sindringen, Stuttgart 1988 – Eidloth, Volkmar, Stadtbefestigung als hinderliche Vergangenheit? Städtebaulich-planerische Tendenzen in kleineren Städten des 19. Jh., in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 29. Jg., 2000, H. 2, S. 96–108 – Metz, Bernhard, Alsatia Munita, Répertoire critique des sites fortifiés de l´Ancienne Alsace du 10e siècle à la Guerre de Trente Ans, Lieferungen in: Bull. d’information de la soc. pour la conservation des monuments hist. d’Alsace, Nr. 1 (1999) – 34 (2005) – Metz, Bernhard, Die elsässischen Stadtmauern nach den Schriftquellen, in: „vmbringt mit starcken turnen ...“, Frankfurt/M. 2010, S. 225–238 – Henigfeld, Yves, u. Amaury Masquilier, Archéologie des enceintes urbaines et de leurs abords en Lorraine et en Alsace (XIIe–XVe siècle), Dijon 2008 (Revue Archéologique de l’Est, 24. suppl.); Bespr. v. Th. Biller in: ZGO 157, N. F. 118, 2009
Pfalz, Rheinland, Hessen – Stein, Günter, Stadt-, Dorf-, Kirchen-, Klöster- und Friedhofsbefestigungen sowie Landwehren des Mittelalters, in: Pfalzatlas, Textband (Lief. 21, nebst Karte Vorl. 74), o. O. (Speyer) 1973 – Ulrich, Stefan, Die Veränderung der Wehrarchitektur vom Spätmittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, in: Kaiserslauterer Jahrbuch für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Bd. 10/11, 2010/11) S. 65–158 – Renard, Edmund, Mittelalterliche Stadtbefestigungen und Landesburgen am Niederrhein, in: Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz, Jg. 2, 3. Heft, 1908, S. 135–161 – Schmidt, Jakob Heinrich, Stadttore im Rheinland, Bonn 1938 (Rheinische Meisterwerke, H. 4) – Bornheim gen. Schilling, Werner, Stadt und Stadtmauer am Mittelrhein, in: Die kleine Stadt (Jahrbuch
296 Topographischer Teil
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Thüringen, Sachsen, Schlesien – Meixner, Lutz, Städtische und stadtnahe Fortifikationsanlagen – ein Beitrag zur Geschichte und Denkmalpflege des Festungswesens im Thüringer Raum, 4 Bde (Diss. Ing. Weimar 1988, ungedruckt) – Müller, Christine, Die Stadt als Burg, ludowingische Kleinstädte als frühes Beispiel „spezialisierter“ Stadtgründungen, in: Burg und Stadt (Forschungen zu Burgen und Schlössern, Bd. 11), München, Berlin 2008, S. 91–104
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– Müller, Jenny, Die mecklenburgischen Stadttore (Auszug d. masch.-schr. Diss. Rostock 1923), in: Mecklenburgische Monatshefte, 2, 1926, S. 13–24
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Norddeutsches Flachland, Brandenburg, Mecklenburg, Pommern, Deutschordensland – Pelc, Ortwin, Im Schutz von Mauern und Toren – die Befestigung der schleswig-holsteinischen Städte in Mittelalter und Neuzeit, Heide 2003 – Adler, Friedrich, Mittelalterliche Backstein-Bauwerke des Preussischen Staates, Bd. I. 1. Stadt Bran-
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Literatur
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3. Literatur zu den Befestigungen einzelner Städte (alphabetisch nach Städten, dann chronologisch)
Vorbemerkung Hier werden Bücher und Aufsätze aufgeführt, die ausschließlich die Befestigungen einer einzelnen Stadt behandeln. Ich habe mich bemüht, vor allem jene Darstellungen vollständig zu erfassen, die im Charakter wissenschaftlich, nicht allzu kurz und nach dem 2. Weltkrieg erschienen sind. Ältere und kurze Darstellungen sind i. d. R. nur dann zitiert, wenn es nichts Jüngeres und Umfassenderes gibt – wenn also z. B. für Brandenburg oder das Rheinland nicht allzu viele Titel auftauchen, so liegt dies nicht an schlechter Aufarbeitung der dortigen Mauern, sondern gerade im Gegenteil am Vorliegen der zusammenfassenden Werke von Trost und Mainzer, bei denen die wichtigen der früheren meist monographischen Arbeiten zitiert werden. Dagegen spiegelt sich in der Literaturfülle zu einigen anderen Städten eine intensive neuere Forschung, der aber eine allgemein anerkannte Zusammenfassung bisher fehlt. Alle Arten von Kunstdenkmälerinventaren (auch Kurzinventare, Denkmaltopographien) sind hier aus Platzgründen weggelassen, obwohl sie stets benutzt wurden; zitiert sind nur einige meist neuere Bände, in denen die Befestigungen in beispielhafter und ausführlicher Weise behandelt wurden; eine aktuell gehaltene Übersicht zumindest der zwar älteren, aber wissenschaftlich meist deutlich brauchbareren „Großinventare“ findet man unter: https://de.wikisource.org/wiki/ Kunstdenkmäler. Nicht separat aufgeführt sind auch weitere Standardwerke wie der „Dehio“, das „Handbuch der Historischen Stätten“ und die „Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern“. Nicht zitiert werden ferner die verschiedenen Reihen von „Städtebüchern“ bzw. „Städteatlanten“, die die Geschichte der Städte eines Landes oder einer Region in streng regulierter monographischer Form vorstellen. Sie enthalten in der Regel auch Angaben zu den frühen Erwähnungen der Stadtbefestigungen, für deren Relevanz auf die Kapitel 1.3. und vor allem 1.4. („Historische Schlüsse auf die Zeit der Befestigung“) hingewiesen sei. Auch monographische Veröffentlichungen, die die Geschichte einzelner Städte behandeln („Stadtgeschichten“), werden hier nur ausnahmsweise angeführt, wenn sie umfangreichere und methodisch aktuelle Darstellungen der Befestigungen enthalten. Da dies nur eine
298 Topographischer Teil
enge Auswahl darstellt, sei für weitere ortsbezogene Literatur auf die Spezialbibliographien hingewiesen, die das deutsche Sprachgebiet bis auf einige Grenzgebiete abdecken, wenn auch leider die letzten anderthalb bis zwei Jahrzehnte noch nicht: Bibliographie zur deutschen historischen Städteforschung, bearb. v. B. Schröder u. H. Stoob, 2. Teile und Index, Köln, Wien 1986–96 (Städteforschung, B1) Bibliographie zur Geschichte der Städte Österreichs, geleitet u. hg. v. Wilhelm Rausch, bearb. v. W. Katzinger, R. Machalka-Felser, A. Schweiger, Linz 1984; als CD-ROM mit Ergänzungen: Österreichischer Arbeitskreis für Stadtgeschichte, 1999 Bibliographie der Stadtgeschichte der Schweiz von 1986 bis 1997, hg. v. Martin Körner, zsgest. u. redigiert v. Daniel Schläppi, Bern 2002; CD-ROM
Aachen – Rhoen, Carl, Die Befestigungswerke der freien Reichsstadt Aachen, Aachen 1894 – Laurent, Joseph, Die noch erhaltenen Teile der mittelalterlichen Befestigungswerke der Stadt Aachen und ihre Wiederherstellung, in: Die Denkmalpflege, 20, 1918, S. 101–105 – Loewer, C., Die Barbarossa-Stadtbefestigung auf dem Grundstück Alexianergraben 40–48; Buchkremer, Josef, Reste der inneren Stadtbefestigung ... am Hirschgraben, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, 45, 1923, S. 278–282 – Huyskens, Albert, Stadtbefestigung, Landgraben und Warten der ehemaligen Reichsstadt Aachen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, 61, 1940 (1941), S. 167–200 – Bertram, Friedrich Wilhelm, Die Aachener Stadtbefestigung im Mittelalter, ein Beitrag zur Baugeschichte der Stadt Aachen (Diss. TH Aachen 1949, ungedruckt) – Lerho, Bruno, Die große Aachener Stadtmauer mit Toren und Türmen, Aachen 2006
Aalen – Becker-Erdem, Heidrun, Ausgrabungen im Alten Rathaus, ehemals Gasthaus Krone-Post in Aalen, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1990, 1991, S. 276–278
Ahrweiler – Federle, Albert, Die Huteneinteilung im alten Ahrweiler, in: Rheinische Vierteljahresblätter, Jg. 13, 1948, S. 219–227
Aichach – Czysz, Wolfgang, und Wolfgang Schmidt, Ausgrabungen an der mittelalterlichen Stadtmauer von Aichach, in: Das archäologische Jahr in Bayern, Jg. 1993, S. 164–167
Aken – Zahn, W., Der Turm des Köthener Thores in Aken, in: Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg, 36, 1901, S. 281–284
Alken – Simonis, Holger, Stadt Alken, die Geschichte einer Befestigung und ihrer Erhaltung, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, Frankfurt/M. usw. 2010, S. 311–322
Alsfeld – Jäkel, Herbert, Die mittelalterlichen Befestigungsanlagen der Stadt Alsfeld, Entstehung – Zerstörung – Erhaltung, in: Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld, 13. Reihe, Nr. 9/10, S. 129–192
Alzey – Schuster, Gertrude Maria, ... bey so gefährlich Zeiten, Die Stadtbefestigung von Alzey, Alzey 1987
Amberg – Loré, Friedrich, Die Ausgrabungen im kurfürstlichen Schloß in Amberg, in: Das archäologische Jahr in Bayern, Jg. 1991, S. 178–81 – Conrad, Mathias, Die Amberger Stadtbefestigung im Spätmittelalter, in: Der Eisengau, 21, 2003, S. 4–61 – Conrad, Mathias, Amberg die festest Fürstenstad, eine wehrarchitektonische Betrachtung, in: Arx, 2, 2011, S. 9–14
Andernach – Terwelp, Gerhard, Die Ringmauern, Wehrthürme und Tore von Andernach,in: Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande (später: Bonner Jahrbücher), Heft 77, 1884, S. 196–207 – Clemen, Paul, Andernach (Kreis Mayen), Umbau und Wiederherstellung des Rheinthores, in: Berichte über die Tätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz ..., 5, 1900, S. 14–21 – Schwab, J., Die Entwicklungs- und Befestigungsgeschichte der Stadt Andernach am Rhein, in: Der Burgwart, 18, 1917, S. 144–156 – Günter Stein u. Josef Röder, Die Bauaufnahme der
römischen Stadtmauer in Andernach, in: SaalburgJahrbuch, 19, 1961, S. 8–17 – Atzel, Isabel, Hans Belting u. a., 550 Jahre Runder Turm, Andernach 2003 (Andernacher Beiträge, 18)
Aschersleben – Heimatgeschichte der Stadt Aschersleben. Die Stadtbefestigung, o. O. (Aschersleben) 1990 – Schwarz, Anne, Der Krappsche und der Beysische Turm der Ascherslebener Stadtbefestigung, in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Bd. 24, 2015, S. 217–246
Augsburg – Kießling, Hermann, und Ulrich Lohrmann, Türme – Tore – Bastionen, die reichsstädtischen Befestigungsanlagen Augsburgs, Augsburg 1987 – Häußler, Franz, Augsburgs Tore, der Reichsstadt Wehr und Zier, Augsburg 2002 (Das kleine AugsburgAlbum, Bd. 2) – Zeune, Joachim, Vom Taubengrab zum architektonischen Kleinod (und zurück?) – der „Fünffingerlesturm“ der Augsburger Stadtbefestigung, in: Burgen und Schlösser, 2010/2, S. 103–114
Babenhausen – Dörr, Hans, Babenhausen und seine Stadttore, in: Der Odenwald, 42, 1995, S. 154–159
Bacharach – Bredt, F. W., Bacharach und seine Stadtbefestigung, ein Beitrag zur Denkmalpflege und Kunstgeschichte des Mittelrheins, in: Mitteilungen des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz, 2. Jg., 1908, S. 7–42 – Renard, Edmund, Die Instandsetzung der Bacharacher Stadtbefestigung 1907–1913, Sonderabdruck aus dem XIX. Jahresbericht der Provonzialkommission für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz, Bonn 1915
Bamberg – Losert, Hans, Stadtkerngrabung in Bamberg, in: Das archäologische Jahr in Bayern, 1985, S. 138–40
Bardowick – Hübener, Wolfgang, Der Stadtwall von Bardowick, in: Archäologie des Mittelalters und Bauforschung im Hanseraum, Rostock 1993 (Schriften d. Kulturhist. Museums in Rostock, 1), S. 201–205
Barr – Le Minor, Jean-Marie, Les anciennes fortifications de Barr, in: Annuaire de la Société d’histoire et d’Archéologie de Dambach-la-Ville, Barr et Obernai, 14, 1980, S. 77–91
Literatur
299
Basel – Geßler, Eduard Albert, Die Armierung des St. Alban-, Spalen- und St. Johanntors vom Ende des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, ein Beitrag zum Basler Geschützwesen, in: Basler Jahrbuch, 1911, S. 221– 240 – Bernoulli, August, Basels Mauern und Stadterweiterungen im Mittelalter, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 16, 1917, S. 56–85 – Bernoulli, August, Basels Stadtbewachung und Verteidigung im Mittelalter, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 17, 1918, S. 316–343 – Siegfried, Paul, Basels Entfestigung, in: Basler Jahrbuch, 1923, S. 81–146 – Müller, Christian Adolf, Die Stadtbefestigung von Basel, die Befestigungsanlagen in ihrer geschichtlichen Entwicklung (Neujahrsblatt, hg. von der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, 133/1955) – Müller, Christian Adolf, Die Stadtbefestigung von Basel, Beschreibung der Wehranlagen nach alten Plänen und Bildern, Basel 1956 (Neujahrsblatt, hrsg. von der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, 134/1956) – Meyer, Werner Die Vorstadtbefestigung von St. Alban, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 61, 1961, S. 145–150 – Müller, Christian Adolf, Die Basler Torsperren im 19. Jahrhundert, in: Basler Stadtbuch, 1963, S. 13–35 – Moosbrugger-Leu, Rudolf, Der Kleinbasler Brückenkopf, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 71/2, 1971, S. 183–197 – Gasser, Helmi, und Fritz Lauber, St. Alban-Tor einst und jetzt, 2. Aufl., Basel 1978 – D’Aujourd’hui, Rolf und Guido Helmig, Die Burkhardsche Stadtmauer aus dem späten 11. Jahrhundert, in: Basler Stadtbuch, 1983, S. 233–242 – D’Aujourd’hui, Rolf, und Guido Helmig, Die Burkhardsche Stadtmauer aus der Zeit um 1100, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 83, 1983, S. 353–365 – D’Aujourd’hui,Rolf,Zur hochmittelalterlichen Stadtbefestigung von Basel – von der Burkhardschen Stadtmauer zum Inneren Mauerring, in: Archäologie der Schweiz, 8, 1985, H. 2, S. 101–108 – Descoeudres, Georges, und Alfred Wyss, m. e. Beitrag von Rolf D’Aujourd’hui, Archäologie und baugeschichtliche Untersuchungen am St. Johann-Tor in Basel, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 85, 1985, S. 323–330 – Helmig, Guido, Vorbericht über die Grabungen im Areal der ehemaligen Dompropstei – Antikenmuseum, St. Alban-Graben 5–7 (1983/38), in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 86/2, 1986, S. 220–231
300 Topographischer Teil
– D’Aujourd’hui, Rolf, Zur Entwicklung der hochmittelalterlichen Stadtbefestigung östlich des Birsigs, zwischen Barfüsserplatz und Rittergasse, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 87, 1987, S. 234–265 – Barth, Ulrich, Die Grossbasler Rheinmauer zwischen Wettsteinbrücke und Mittlerer Brücke, in: Basler Stadtbuch, 1987, S. 149–158 – D’Aujourd´hui, Rolf, und Christian Bing, Hochmittelalterliche Stadtbefestigung und Entwicklung der Bebauung zwischen Leonhardsgraben und Spalenvorstadt/Heuberg, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 88, 1988, S. 261–300 – Helmig, Guido, Schaufenster zur Stadtgeschichte (Befunde zur inneren Stadtmauer, 12. Jh., am St.-Alban-Graben), in: Basler Stadtbuch, 1988, S. 255–268 – Helmig, Guido, Beobachtungen an der Rheinterrasse des Ramsteinerhofes, Rittergasse 17, 1988/6.Überlegungen zur mittelalterlichen Befestigung der Rheinhalde entlang der äußeren Rittergasse, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung BaselStadt, 1988, S. 25–30 – D’Aujourd’hui, Rolf, und Hansjörg Eichin, Renovation des Casinos am Steinenberg, Hinweise auf die Stadtbefestigung und die Entwicklung der Bebauung, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, 1988, S. 41–59 – Matt, Christoph Philipp, Archäologische Befunde rund um den Spalenschwibbogen, zusammenfassende Bemerkungen zu alten und neuen Leitungsgrabungen, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 88, 1988, S. 309–326 – Matt, Christoph Philipp, Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen am Petersgraben und die Quartiere hinter der Stadtmauer (mit Lit. zu den einzelnen Grabungen/Fundstellen), in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt, 1988, S. 60– 97 – Rippmann, Dorothee, Zur Entwicklung der hochmittelalterlichen Stadtbefestigung zwischen Barfüsserplatz und Rittergasse, Entgegnung auf R. D’Aujourd’huis „Zur Entwicklung der hochmittelalterlichen Stadtbefestigung östlich des Birsigs ... (in dieser Ztschr., Bd. 87, 1987), in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 88, 1988, S. 6–20 – Helmig, Guido, und Christoph Philipp Matt, Inventar der Basler Stadtbefestigungen – Planvorlage und Katalog. – 1. Die landseitige Äußere Grossbasler Stadtmauer; – 2. Die rheinseitige Grossbasler Stadtbefestigung, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1989, S. 69153, und 1990, S. 153–222 – Helmig, Guido, und Hans Ritzmann, Phasen der Entwicklung des Abschnittes der Äusseren Stadtbefestigung zwischen Spalenvorstadt und Rhein, in:
Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1989, S. 154–175 – Helmig, Guido, Ein neuer Aufschluss der Inneren Stadtmauer am Leonhardsgraben Nr. 3 (1989/27), in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt, 1989, S. 40–45 – D’Aujourd’hui, Rolf, Mittelalterliche Stadtmauern im Teufelhof – eine archäologische Informationsstelle am Leonhardsgraben 47, in: Teufelhof gestern – heute, Basel 1990 (Sonderausgabe aus d. Basler Stadtbuch 1989, S. 155–166), S. 4–11 – D’Aujourd’hui, Rolf, Die Entwicklung Basels vom keltischen Oppidum zur hochmittelalterlichen Stadt. Überblick über den Forschungsstand 1989, 2. Aufl. Basel 1990 – Matt, Christoph Philipp, Petersgraben 45 (1989/3), ein Schalenturm an der Inneren Stadtmauer, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1989, S. 29–39 – Matt, Christoph Philipp, Steinengraben 22/Leonhardsstrasse 22/24, zum Neufund der spätmittelalterlichen Kontermauer, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1989, S. 46–53 – Reicke, Daniel, Leonhardsgraben 61, Untersuchung der Seitenfassade: Befunde zur Baugeschichte und zu den Stadtmauern, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1989, S. 202–205 – Reicke, Daniel, Heuberg 20, Basel, die baugeschichtliche Untersuchung 1987/88 (Befunde zur Burkhardschen Stadtmauer, um 1080/1100), in: Heuberg 20 Basel, Untersuchungen und Funde in einem Altstadthaus, Basel 1989, S. 3–22 – D’Aujourd’hui, Rolf, Basel Leonhardsgraben 47: Eine Informationsstelle über die mittelalterliche Stadtbefestigung im Teufelhof, Führer zur Ausstellung, Separatdruck aus Unsere Kunstdenkmäler, 41, 1990, 2, S. 169–180 – Helmig, Guido, Ein Aufschluss der Inneren Stadtmauer am St. Alban-Graben – St. Alban-Graben (A)/ Rittergasse 20, 1990/25, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt, 1990, S. 27– 34 – Helmig, Guido, Neue Erkenntnisse zur Befestigung der Inneren St. Alban-Vorstadt, Malzgasse 2, 1989/33, und St. Alban-Vorstadt 38 (A), 1990/36, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung BaselStadt, 1990, S. 71–84 – Jaggi, Bernard, Ein Stadtmauerbefund im Kleinen Klingental (Unterer Theinweg 26, 1988/30), in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1990, S. 85–87 – Richner, Kaspar, Aufschlüsse zur Stadtmauer und zu den Teichen in Kleinbasel, in: Jahresbericht der
Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1990, S. 88–91 – Matt, Christoph Philipp, Ein Tunnel ins Mittelalter, Archäologie und Energieleitungstunnel (ELT), in: Basler Stadtbuch 1992, Basel 1992, S. 235–240 – D’Aujourd’hui, Rolf, Die hochmittelalterliche Stadtbefestigung am Beispiel Basel, in: Die Befestigung der Mittelalterlichen Stadt, Köln usw. 1997, S. 79–90 – Helmig, Guido, Die Befestigung der Basler Vorstädte und ihre Integration in den äußeren Mauerring, in: Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, Köln usw. 1997, S. 167–178 – Matt, Christoph Philipp, und Christian Bing, Das westlichste Teilstück der Burkhardschen Stadtmauer am Leonhardsgraben, Spalenberg 59/Leonhardsgraben 9 (1994/18), in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1994, 1997, S. 123–126 – Helmig, Guido, und Udo Schön, Die Stadtbefestigungen am St. Alban-Graben und am Harzgraben, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1994, 1997, S. 77–112 – Helmig, Guido, Basel – Etappen der Befestigung einer Stadt, in: Jahresbericht der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel Stadt, 1996, 1998, S. 31–43 – Möhle, Martin, Das Spalentor in Basel, in: Kunst und Architektur in der Schweiz, 4, 2002, S. 62–65 – Matt, Christoph Philipp, Basels Befestigungen, in: Mittelalter 9, 2004, H. 2, S. 40–51 – Matt, Christoph Philipp, und Philippe Rentzel, Burkhardsche und Innere Stadtmauer – neu betrachtet, archäologische und petrographische Untersuchungen, in: Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt, Jahresbericht 2002, Basel 2004, S. 131–253 – Fischer, Andreas, Mauern, Schanzen, Tore – Basels Befestigungen im Wandel der Zeit, Basel 2007 – Habicht, Peter, und Christoph Philipp Matt, Das Spalentor und die Vorstadt, die Geschichte eines Basler Wahrzeichens, Basel 2015
Bautzen – Wilhelm, Felix, Die mittelalterlichen Befestigungsanlagen der Stadt Bautzen und die Gründe für ihren teilweisen Abbruch, Bautzen 1928 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Bautzen, H. 1 = Oberlausitzer Heimatstudien, H. 12) – Wilhelm, Felix, Bautzens wehrhafte Bürgerschaft im Mittelalter, Bautzen 1929 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Bautzen, H. 2 = Oberlausitzer Heimatstudien, H. 14) – Schmitt, Eberhard, Bautzens Stadtbefestigungen, Bautzen 1996
Literatur
301
Bergheim
Bonn
Jaenger, Fernand, und J.-Charles Schmitt, Die mittelalterlichen Befestigungswerke der Stadt Bergheim im Ober-Elsaß, in: Cahiers d’archéologie et d’histoire d’Alsace, Jg. 21, Nr. 81–84, 1930, S. 275–286 – Ulrich, Stefan, Neue Erkenntnisse zur Stadtbefestigung Bad Bergzaberns, in: Pfälzer Heimat, Jg. 60, 2009, H. 1, S. 11–18
– Aders, Gebhard, Bonn als Festung ein Beitrag zur Topographie der Stadt und zur Geschichte ihrer Belagerungen, Bonn 1973 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn, Bd. 12) – Dollen, Busso von der, Der Kampf um das Sterntor, die Auseinandersetzungen um Abriß oder Erhaltung der letzten mittelalterlichen Torburg Bonns im 19. Jahrhundert, in: Bonner Geschichtsblätter, Bd. 31, 1979, S. 83–121
Berlin
Bönnigheim
Bergzabern
– Adler, Friedrich, Zur Geschichte der Befestigung Berlins, in: Märkische Forschungen, 8, 1863, S. 213– 220 – Holtze, Friedrich Wilhelm,Geschichte der Befestigung von Berlin, 2. Aufl. Berlin 1874 (Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 10; 1. Aufl. in: Märkische Forschungen, 7, 1861, S. 1–102) – Stein, Günter, Berlins Stadtmauer, in: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte, 2, 1951, S. 1–3 – Seyer, Heinz, Zur mittelalterlichen Stadtbefestigung von Berlin-Cölln, in: Ausgrabungen und Funde, 19, 1974, S. 164–167
Bern – Hofer, Paul, Die Wehrbauten Berns, Burg Nydegg und Stadtbefestigung vom 12. bis zum 19. Jh., Bern 1953 – Zytglogge, der Wehrturm, der zum Denkmal wurde, ein Bericht zum Abschluß der Restaurierung 1981–83, hg. v. d. Baudirektion d. Stadt Bern ..., Bern 1983
Bernau s. Templin Bielefeld – Pinder, Eberhard, Das Nebelstor, Grabungsbericht und Deutung; Karl Soll, Die Befestigungen der Stadt Bielefeld, in: Festgabe des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg zur 750-Jahrfeier der Stadt Bielefeld am 6. Juni 1964, Bielefeld1964 (Sonderveröffentlichung d. Historischen Vereins f. d. Grafschaft Ravensberg, 6), S. 8-30; 31–63
Blankenberg/Sieg – Mühlberg, Fried, Blankenberg, Neuß 1958 (Rheinische Kunststätten)
Bocholt – Sundermann, Werner, Stadtkernarchäologie ergänzt historische Nachrichten, Bericht über archäologische Befunde und Funde unter besonderer Berücksichtigung der mittelalterlichen und neuzeitlichen Befestigungsanlagen der Stadt Bocholt, in: Unser Bocholt, 38, 1987, H. 2/3, S. 37–51
302 Topographischer Teil
– Gross, Uwe, und Kurt Sartorius, Funde aus dem älteren Stadtgraben von Bönnigheim, Kreis Ludwigsburg, in: Archäologische Ausgrabungen in BadenWürttemberg, 1990, S. 275–276
Borken – Pöpping, Karl, Rund um die Borkener Stadttürme, Borken 1986 (Aus der Geschichte unserer Stadt, Schriftenreihe der Stadt Borken, H. 2)
Börsch – Kern, Erwin, Observations nouvelles sur l’enceinte et le patrimoine architectural et paysager de Boersch, in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire, 53, 2010, S. 73–94
Bozen(-Gries) – Oberrauch, Luis, Die Grieser Ringmauer, in: Der Schlern, 62, 1988, S. 604–607
Brandenburg – Müller, Joachim, Die Stadtbefestigung in Brandenburg an der Havel, ein kurzer Überblick über den Stand der archäologischen Forschung, in: Jahresbericht des Historischen Vereins der Stadt Brandenburg, 8., 1998–99, S. 55–69
Braubach – Ebhardt, Bodo, Die mittelalterlichen Befestigungen von Braubach und ihr Zusammenhang mit der Marksburg, in: Der Burgwart, Jg. 3, 1902, S. 46–49
Braunschweig – Sack, Carl Wilhelm, Die Befestigung der Stadt Braunschweig, als Einleitung zu dem Manuscripte des Braunschweigischen Zeugherrn Zacharias Boiling über denselben Gegenstand zur Zeit des 30jährigen Krieges, Sonderdruck aus: Archiv des Historischen Vereins für Niedersachsen, Jge. 1847 und 1848, Hannover 1850 – Meier, Heinrich, Braunschweigs älteste Befestigung, in: Braunschweigisches Magazin, 1911, Nr. 1, S. 15–22
– Schrader, Wilhelm, Die alten Stadttore, in: Braunschweigische Heimat, Jg. 20, 1929, Nr. 4, S. 142–146 – Timme, Fritz, Alte Wehrbefestigungen? Untersuchungen zur älteren Geschichte Braunschweigs, in: Der Freundeskreis des Großen Waisenhauses, Braunschweig, Jg. 2, 1953 (ohne Seitenzählung) – Rötting, Hartmut, Über den Fortschritt der stadtarchäologischen Arbeit seit 1985, in: Stadtarchäologie in Braunschweig, erweit. Neuauflage 1997 (Forschungen der Denkmalpflege in Niedersachsen, 3), Hameln 1997, S. 314–343
Bregenz – Kleiner, Viktor, Zur Geschichte der Bregenzer Stadtmauern, in: Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs, 5, 1909, S. 105–112
Bremen – Grohne, Ernst, Die älteste Stadtbefestigung Bremens, in: Bremisches Jahrbuch, 43, 1951, S. 125–136 – Stein, Rudolf, Das vergangene Bremen, der Stadtplan und die Stadtansicht im Wechsel der Jahrhunderte, Bremen 1961 (Forschungen zur Geschichte der Bau- und Kunstdenkmäler in Bremen, Bd. 1) – Dillschneider, Karl, Der Schnoor – neues Leben in Bremens ältestem Stadtteil (Die Stadtmauer und ihre Türme im Bereich des Schnoor-Viertels, S. 104–110), Bremen 1972 – Bubke, Karolin, Die Bremer Stadtmauer, schriftliche Überlieferung und archäologische Befunde eines mittelalterlichen Befestigungsbauwerks, Bremen 2007 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 68)
Bremgarten – Motschi, Andreas, Ein Kerker mit Gefangeneninschriften im Spittelturm von Bremgarten, in: Mittelalter, 5, 2000/3, S. 71–83
Brixen – Mader, Ignaz, Die alte Stadtanlage und Befestigung von Brixen, in: Der Schlern, 2/1921, S. 244– 249 – Wolfsgruber, Karl, Die Hofburg Brixen, in: Tiroler Burgenbuch, Bd. 4, Bozen, Wien 1977, S. 28–36 – Tavernier, Ludwig, Der Dombezirk von Brixen, bauhistorische Studien zur Gestalt, Funktion und Bedeutung, Innsbruck 1996 – Tavernier, Ludwig, Bischof und Herrschaft, politische Akzente und urbanistische Bedeutung der neuen Burg des Bischofs in Brixen im 13. Jh., in: Schloß Tirol, Saalbauten u. Burgen d. 12. Jhs. in Mitteleuropa (Forschungen zu Burgen u. Schlössern, hg. v. d. Wartburg-Ges. ..., Bd. 4), München 1998, S. 87–98
Büdingen – Prenntzell, Konrad, Wie Büdingen zur Festung wurde, in: Büdinger Geschichtsblätter, 13, 1988, S. 263–265 – Decker, Klaus-Peter, Landesdefension und Schützenlust, Beziehungen zwischen Festungsbau und Schützenwesen in Büdingen um 1500, in: Büdinger Geschichtsblätter 17, 2001, S. 367–401
Büraberg – Vonderau, Joseph, Die Ausgrabungen am Büraberg bei Fritzlar 1926/31, die freigelegten fränkischen Festungsanlagen sowie die Grundlinien der ältesten Kirchenbauten am ersten hessischen Bischofssitz inmitten des Kastells, Fulda 1934 (Veröffentlichung des Fuldaer Geschichtsvereins, 22)
Burghausen – Balthasar, Albert, Die Baugeschichte der Burg und der Stadtbefestigung von Burghausen (Diss. TH München, ungedruckt), 1949
Buxtehude – Das Projekt Stadtmauer, in: Fundort Buxtehude, ein archäologischer Rundgang durch die Stadt, Buxtehude 1986 (Buxtehuder Notizen, Nr. 1), S. 68–139 – Heese-Greve, Gisela, Buxtehude, Grabungen an der Stadtbefestigung, in: Kulturlandschaft zwischen Elbe und Weser, 25 Jahre Landschaftsverband der ehem. Herzogtümer Bremen und Verden, Stade 1988 – Heese-Greve, Gisela, Die Stadtmauer und umgebende Befunde am Westfleth 11, Buxtehude-Altstadt, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Bd. 60, 1991, S. 137–156 – Mattern, Michael, Die Stadtmauerbefunde auf dem Grundstück Westfleth 59, Buxtehude-Altstadt, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, 61, 1992, S. 189–202
Cadolzburg – Kress, Hans Werner, Die mittelalterliche Befestigung des Marktes Cadolzburg, Cadolzburg 1984 (Cadolzburger Heimathefte, I)
Calau – Eickhoff, Sabine, Stadtkernuntersuchungen in Calau, Niederlausitz, in: Ausgrabungen und Funde, 39, 1994, H. 6, S. 315–330
Celle – Atkinson, Catherine, Celle – eine wehrhafte Stadt, Ausgrabung an der ehemaligen Stadtbefestigung vor dem Hintergrund der frühneuzeitlichen Festungsgeschichte, Celle 1989
Literatur
303
Chemnitz
Danzig
– Müller, Josef, Die Chemnitzer Stadtbefestigung, in: Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte, 28, Jahrbuch 1931–32, S. 59–80 – Jährig, Manfred, Dendrochronologische Untersuchungen an Balken des Klostertorturmes der ehemaligen Chemnitzer Stadtbefestigung (Karl-Marx-Stadt), in: Ausgrabungen und Funde, 20, 1975, S. 112–116 – Ullrich, Ursula, Chemnitz – Stadt und Stadtbefestigung: Auf den Spuren der Vergangenheit, Chemnitzer Geschichte, Darstellungen und Dokumente, Chemnitz 1995 – Herlin, Lothar, Die Stadtbefestigung von Chemnitz, Ergebnisse der Grabungen „Am Roten Turm“ und „Rathausstraße“, in: Arbeits- und Forschungsberichte zur Sächsischen Bodendenkmalpflege, Bd. 40, 1998, S. 175–186
– Hoburg, Karl, Geschichte der Festungswerke Danzigs (Neudruck d. Ausg. Danzig 1852), Osnabrück 1986 (Bibliotheca Rerum Militarium, XXXV) – Keyser, Erich, Die Baugeschichte der Stadt Danzig, Köln, Wien 1972 (Befestigung: S. 172–182, 269–274, 305–6; Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart, 14) – Stankiewicz, Jerzy, und Slawomir Swieciochowski, Entwicklung und Architektur der Danziger Befestigungen, in: Zeitschrift für Festungsforschung, 1988, S. 9–20 – Volmar, Erich, Tore und Türme Danzigs, in: Der Burgwart, Jg. 31, 1930, S. 34–36
Chur – Carigiet, Augustin, Neuere Untersuchungen zu den Stadtmauern von Chur und Maienfeld, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft von Graubünden, Jg. 124, 1994, S. 140–155
Coburg – Helbich, Hans-Helmut, Tore und Türme der einstigen Stadtbefestigung von Coburg, in: Heimat-Tageblatt (Coburg), 1987,4, S.1–4, und 1988, 9, S. 1–4 – Wessels, Reiner, Stadtarchäologie und Bauforschung in Coburg, in: Das archäologische Jahr in Bayern, Jg. 1991, S. 190–4
Cottbus – Wetzel, Günter, Frühgeschichtliche und hochmittelalterliche Funde aus der Altstadt von Cottbus, in: Ausgrabungen und Funde, 15, 1970, S. 165–174
Crailsheim – König, Hans-Joachim, Stadt und Festung im 15. Jahrhundert, Crailsheim 1980 (Bilder aus der Geschichte der Stadt Crailsheim, H. 1)
Dachstein – Jaenger, Fernand, Die bischöfliche Feste Dachstein und ihre Wehranlagen, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte, Jg. 13, 1938, S. 385–404
Dalsheim – Ulrich, Stefan, Die Fleckenmauer in Dalsheim, eine bauhistorische Betrachtung, Monsheim 2005 – Ulrich, Stefan, Die Fleckenmauer in Dalsheim (Rheinhessen) als Fallbeispiel für eine spätmittelalterliche Ortsbefestigung, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, Frankfurt/M. usw. 2010, S. 323–342
304 Topographischer Teil
Darmstadt – Denkmalschutz in Darmstadt; Die Darmstädter Stadtmauer in sieben Jahrhunderten; Die Altstadt, der Hinkelsturm, der Zwinger, Darmstadt 1996 (Beiträge zum Denkmalschutz in Darmstadt, hg. v. Magistrat der Stadt Darmstadt, Denkmalschutz-Kulturamt, Heft 6.)
Dausenau – Fischbach, Stefan, Die mittelalterliche Stadtbefestigung von Dausenau an der Lahn – eine historische und architektonische Studie, Dausenau 1995 (Beiträge zur Baugeschichte historischer Architektur in Dausenau an der Lahn, Nr. 4) – Fischbach, Stefan, Nachträge zu Nr. 4: Die mittelalterliche Stadtbefestigung ..., Dausenau 2000 (Beiträge zur Baugeschichte historischer Architektur in Dausenau an der Lahn, Nr. 12)
Dinkelsbühl – Arnold, Gerfrid, Chronik Dinkelsbühl, Bd. 5: Mauern und Türme, die Stadtbefestigung vom Königshof ins 21. Jh, Dinkelsbühl 2014
Dortmund – Berken, Robert von den, Die Befestigungsanlagen im alten Dortmund, ein Beitrag zur Topographie der Stadt, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, 43, 1937, S. 173–183 – Vier neue Stadttore für Dortmund und die bauliche Rekonstruktion der Wälle, in: Revitalisierung des Stadtraumes (Architektur-Wettbewerbe, 132), Stuttgart 1987, S. 92–93 – Althoff, Christiane, Die Befestigung der Stadt Dortmund, Ergebnisse der Stadtkernarchäologie, Dortmund 1996
Dreieichenhain – Dreieichenhain – Burg und Stadt, Vergangenheit und Gegenwart, Langen b. Frankfurt/M. o. J. (um 1970?)
Dresden
Duisburg
– Papke, Eva, Festung Dresden, aus der Geschichte der Dresdner Stadtbefestigung, hg. von Staatliche Schlösser und Gärten Dresden, Dresden 1997
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Drosendorf Woldron, Ronald, und Raimund Rhomberg, Drosendorf, starke Mauern an der Thaya, Drosendorf o. J. (2007)
Duderstadt – Konze, Marlies, und Ruth Röwer-Döhl, Zur Erforschung der mittelalterlichen Stadtbefestigung von Duderstadt (erweiterte Fassung eines Aufsatzes in: Göttinger Jahrb. 1988, S. 5ff.), in: Die Goldene Mark, 40, 1989, S. 42–65 – Konze, Marlies, und Ruth Röwer-Döhl, Duderstadt, Stadtarchäologie an der Stadtmauer (Ausstellungskatalog), Duderstadt 1990 – Konze, Marlies, und Ruth Röwer-Döhl, Archäologische Untersuchungen an der Nordmauer von Duderstadt, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Bd. 60, 1991, S. 113–136 – Röwer-Döhl, Ruth, Zur mittelalterlichen Stadtbefestigung von Duderstadt, in: Koldewey-Gesellschaft, Bericht über d. 37. Tagung f. Ausgrabungswiss. u. Bauforschung, 27.–31. Mai 1992, in Duderstadt, o. O. (Bonn) 1994, S. 96–104 – Ehbrecht, Ulrike, Die mittelalterlichen Stadttore Duderstadts, in: Die Goldene Mark, 42, 1991, S. 30–74 – Renner, Beate, Die Bautechniken der Duderstädter Stadtmauer im Westen und Süden der Stadt, in: Eichsfeld-Jahrbuch, 1, 1993, S. 93–126 – Ehbrecht, Ulrike, Die Befestigung der Stadt Duderstadt, Teil I: Mauer, Türme, Wall und Landwehr, Ergebnisse der archivalischen Forschung, Duderstadt 1993 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Duderstadt, III) – Konze, Marlies, und Ruth Röwer-Döhl, Zur Erforschung der Stadtbefestigung Duderstadts, die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen am fünften Sanierungsabschnitt der Duderstädter Stadtmauer 1993, in: Göttinger Jahrbuch, Bd. 42, 1994, S. 29–54 – Röwer-Döhl, Ruth, Duderstadt, zur Bautechnik der mittelalterlichen Stadtbefestigung, in: Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, Köln usw. 1997, S. 233– 242 – Porath, Antina, 11 Jahre Archäologie an der Stadtmauer von Duderstadt, in: Archäologie in Niedersachsen, Bd. 1, 1998, S. 114–118 – Porath, Antina, Die Befestigung der Stadt Duderstadt, Teil II, Göttingen 2002 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Duderstadt, Band IV)
Durlach – Seidenspinner, Wolfgang, Die feste Stadt, Anmerkungen zu Funktion und Bedeutung der mittelalterlichen Stadtbefestigung und ihrer denkmalpflegerischen Bewertung, mit einem aktuellen Beispiel: Durlach, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 13, 1984, Nr. 2, S. 64–75
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Einbeck – Feise, Wilhelm, Eimbeck (sic!) als Festung, in: Jahres-Bericht des Vereins für Geschichte und Altertümer der Stadt Einbeck und Umgebung, 12, 1929, S. 16–47 – Heege, Andreas, Einbeck im Jahre 1728, der Stadtplan des E. E. Braun. M. e. kommentierten u. ergänzten Nachdruck d. Aufsatzes „Eimbeck als Festung“ v. Wilhelm Feise, Oldenburg 1994 (Quellen u. Materialien z. Gesch. d. Stadt Einbeck, H. 3) – Heege, Andreas, und Ursula Werben, Nachrichten aus der Ur- und Frühgeschichte (S. 17–24: Neustadt, Bensener Tor), in: Einbecker Jahrbuch, Bd. 43, 1994, S. 17–24 – Heege, Andreas, und Ursula Werben, Nachrichten aus der Stadtarchäologie 1994, in: Einbecker Jahrbuch, Bd. 44, 1995, S. 39–104 – Heege, Andreas, Von Tor zu Tor, archäologische Forschungen zur Stadtentwicklung Einbecks, in: Berichte zur Denkmalpflege, Niedersachsen, 2/1996, S. 62–65 – Heege, Andreas, und Ursula Werben, Nachrichten aus der Stadtarchäologie 1995, in: Einbecker Jahrbuch, Bd. 45, 1996, S. 5–44 – Heege, Andreas, Die Befestigung der Einbecker Altstadt, in: Berichte zur Denkmalpflege, Niedersachsen, 3, 1997, S. 131–133 – Heege, Andreas, Einbeck im Mittelalter, eine archäologisch-historische Spurensuche, Oldenburg 2002 (Studien zur Einbecker Geschichte, Bd. 17)
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306 Topographischer Teil
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Eltville – Kratz, Werner, Eltville, Baudenkmale und Geschichte, Bd. 1, Eltville 1961
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Esslingen – Koepf, Hans, Die Esslinger Obertorvorstadt, in: Esslinger Studien, 24, 1985, S. 225–242 – Koepf, Hans, Stadtbefestigung und Brückenbauten der Reichsstadt Esslingen, in: Esslinger Studien, 25, 1986, S. 33–68 – Bernhardt, Walter, Die Befestigung der Pliensauvorstadt, die Änderung des Neckarlaufs und der Bau der beiden Esslinger Steinbrücken, ein Werk Rudolfs von Habsburg, in: Esslinger Studien, 25, 1986, S. 1–32 – Hahn-Woernle, Birgit, Das Wolfstor in Esslingen und sein plastischer Schmuck, in: Esslinger Studien, 26, 1987, S. 1–36 – Jaeger, Falk, Die Steinmetzzeichen des 13. Jhs. in Esslingen – eine Felduntersuchung, in: Burgen und Schlösser, 1992/2, S. 72–84 – Ottersbach, Christian, Die Esslinger „Burg“, eine reichsstädtische Befestigungsanlage als Sinnbild bürgerlicher Macht, in: Marburger Correspondenzblatt zur Burgenforschung, 1, 1997/98, S. 13–22
Feldkirch – Bitschnau, Martin, Bauarchäologie und Stadtgeschichte ..., in: Getzner, Manfred A. (Hg.), Burg und Dom zu Feldkirch, Feldkirch 2009, S. 297–350
Flensburg – Wolff, A., Flensburgs alte Stadtmauern, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holstein-Lauenburgische Geschichte, 12. Bd., 1882, S. 113–129
Forchheim – Atzbach, Rainer, Christian Behrer, Werner Feil, Der Saltorturm in Forchheim, Überlegungen zur Stadtbefestigung Forchheims, Forchheim 1995
Frankfurt /Main – Romeiss, Martin, Die Wehrverfassung der Reichsstadt Frankfurt am Main im Mittelalter, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, 5. Folge, Bd. 2, H. 1 = H. 41, 1953, S. 5–63 – Pehl, Hans, Als die Frankfurter noch hinter der Mauer lebten, die mittelalterliche Befestigung der Freien Reichsstadt, Frankfurt/M. 1977 – Wettbewerb Eschenheimer Tor, Schillerstraße/ Börsenplatz, Frankfurt, in: Revitalisierung des Stadtraumes (Architektur-Wettbewerbe, 132), 1987, S. 17– 22 – Clausmeyer-Ewers, Bettina, Die Wallanlagen in Frankfurt am Main, Entwicklung von der mittelalterlichen Stadtbefestigung zu den heutigen Wallgrünflächen, Stadt Frankfurt/M., Der Magistrat, Garten u. Friedhofsamt, Frankfurt/M. 1988
Freiberg – Hoffmann, Yves, und Uwe Richter, Entstehung und Blüte der Stadt Freiberg, Halle 2012
Freiburg/Breigau – Freiburg im Breisgau – die Stadt und ihre Bauten, hg. v. Badischen Architecten- und Ingenieur-Verein (Befestigungen: S. 198–202), Freiburg/Br. 1898 – Krummer-Schroth, Ingeborg, Bilder aus der Geschichte Freiburgs, Brücken und Tore, Freiburg 1966/67 – Schadek, Hans, Burg und Stadtbefestigung von Freiburg bis zum Ende des 16. Jhs., in: Stadt und Festung Freiburg, Bd. 2. Aufsätze zur Geschichte der Stadtbefestigung, hg. v. Hans Schadek und Ulrich Ecker, o. O. (Freiburg) 1988 – Schmidt-Thomé, Peter, Die Stadtbefestigung von Freiburg im Breisgau zum Ende der Zähringerzeit, neue archäologische Befunde, in: Château Gaillard, 14, 1988, 1990, S. 375–392
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Freinsheim – Becker, Karl, und Wulf Schirmer, Die Befestigungsanlagen von Freinsheim, Sonderdruck aus: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, Bd. 69, 1972, Speyer 1972
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Freistadt – Dichtl, Karl, Die Befestigung von Freistadt, in: Heimatgaue, 11, 1930, S. 77–97,171–85
Freyburg – Schmitt, Reinhard, Freyburg, ehemaliges Rektoratsgebäude, in: Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt, Jg. 2, 1994, Heft 2, S. 181–183
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Gemar s. Zellenberg
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Gengenbach
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Fulda – Hoffmann, F., Die mittelalterliche Befestigung der Stadt Fulda, in: Der Burgwart, Jg. 3, 1901/02, S. 1–5, 16–17
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Geispolsheim s. Wangen
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Gießen
Glanzenberg – Heid, Karl, Burg und Städtchen Glanzenberg/Limmat, Grabungsbericht, in: Zeitschrift f. Schweizerische Geschichte, 23, 1943, S. 28–52
Gleiwitz/Gliwice – Jankiewicz, Adam, Gliwickie mury obronne - Stan wiedzy i badan. rodzaje zródel i przekazów (= Die Stadtmauer von Gleiwitz, Stand der Erkenntnisse und Untersuchungen, Quellen und Überlieferung), in: Rocznik muzeum w Gliwicach, V, 1989, 1992, S. 14–20 – Bergman, Eleonora, Gliwickie mury obronne - An przeksztalcen i mozliwosci ekspozycji (= Die Stadtmauer von Gleiwitz, Analyse ihrer Veränderungen und der Möglichkeiten der Vermittlung), in: Rocznik muzeum w Gliwicach, V, 1989, 1992, S. 21–35 – Stabrowska, Dorota, Most przy Bramie Raciborskiej na Pl. Rzezniczym w Gliwichach w swietle badan archeologicznych (= Die Brücke des Ratiborer Tores am Rzezniczy-Platz in Gleiwitz im Licht der archäologischen Untersuchungen), in: Rocznik muzeum w Gliwicach, V, 1989, 1992, S. 97–106
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Geldern
Gmünd
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Gmunden
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Zeiten (Kammerhofmuseum der Stadt Gmunden, Saisonausstellung 1990), Gmunden 1990, S. 1–23
Görlitz – Lemper, Ernst-Heinz, Der Kaisertrutz – eine spätmittelalterliche Bastion im System der Görlitzer Stadtbefestigungen, in: Burgenforschung aus Sachsen, 7, 1995, S. 8–32
Goslar – Griep, Hans-Günther, Die Befestigungsanlagen, in: Goslar, hg. v. W. Hillenbrand, 2. Aufl. Berlin (W), Basel 1965 (Deutschlands Städtebau, Kommunal- und Volkswirtschaft), S. 41–45 – Griep, Hans-Günther, Goslar, Die Befestigungsanlagen, Goslar 1992 (Führer durch Goslar, Bd. 5)
Göttingen – Schütte, Sven, Zur frühesten Stadtbefestigung Göttingens und zur mittelalterlichen Geschichte der Groner Straße, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, 56, 1987, S. 279–310 – Schütte, Sven, Die Befestigungsanlagen der Stadt Göttingen im Mittelalter, in: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland, 17: Stadt und Landkreis Göttingen, Stuttgart 1988, S. 137–146
Gransee – Fathke, Hans-Jörg, Überarbeitung des Restaurierungs- und Sanierungskonzeptes der Stadtbefestigung Gransee (unveröff. Gutachten), Berlin 1996
Grebenstein – Vesper, Willi, Die Wehranlagen der Stadt Grebenstein, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte, Bd. 81, 1970, S. 195–222
Greifswald – Kiel, Uwe, Michael Lissok u. Hans-G. Wenghöfer, Von der Stadtbefestigung zur Wallpromenade, die Geschichte der Greifswalder Fortifikationswerke und ihrer Umgestaltung zur städtischen Grünanlage, Rostock 2008 – Meyer, Rebecca Elisabeth, Die mittelalterliche Stadtbefestigung von Greifswald im Zustand um 1500, Studienarbeit Univ. Greifswald, Kunstgeschichte, Greifswald 2010
Gries s. Bozen Gronau – Koch, Günther, Anlage und Befestigung der Stadt Gronau (Leine), in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Gronau (Leine), Schriftenreihe des Stadtarchivs, Jg. 1989/90, S. 5–29
Grötzingen – Cichy, Bodo, Die Mauern von Grötzingen, Kreis Esslingen, Denkmalpflege in einer kleinen Stadtgemeinde, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Jg. 2, Juli–Sept. 1973, S. 16–25
Hainburg – Seebach, Gerhard, Burg und Stadt Hainburg – baugeschichtliche Untersuchungen, in: Unsere Heimat, 2 (N. F. 48), 1977, S. 94–107 – Karches, Friedrich, Die Wehranlagen der Stadt Hainburg a. d. Donau, (Hainburg) 1978 – Rhomberg, Raimund, und Ronald Woldron, Das Wienertor in Hainburg an der Donau, Forschungsbericht (ungedruckt), Wien 2005 – Woldron, Ronald, Bauhistorische Untersuchung Stadtbefestigung Hainburg (unveröff. Gutachten) 2014
Halberstadt – Siebrecht, Adolf, Halberstadt aus stadtarchäologischer Sicht, die Bodenfunde des 8. bis 13. Jh. aus dem mittelalterlichen Stadtgebiet und ihre historische Erschließung, Halle/Saale 1992 (Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, Bd. 45)
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Hamburg – Bocklitz, Klaus, Hamburgische Festungsanlagen, in: Clasen, Armin, und Klaus Bocklitz, Studien zur Topographie Hamburgs, Hamburg 1979 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs, Bd. 14), S. 93–154
Hameln – Ulmenstein, Günther, Frhr. von, Die Stadt- und Landesfestung Hameln, Göttingen 1955 (Schriftenreihe der Genealogischen Gesellschaft Hameln zur Geschichte der Stadt Hameln und des Kreises Hameln-Pyrmont. H. 8)
Hannover – Brauns, Hans, Die Hannoverschen Bürgerwehren, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Jg. 14, 1911, S. 1–50 – Plath, Helmut, Die frühe Entwicklung der Stadt Hannover im Lichte der Altstadtgrabungen, Festschrift zur Feier des 75jährigen Bestehens der Geographischen Gesellschaft zu Hannover, Hannover 1953, S. 37–56
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Harburg (Ries) – Volckamer, Volker von, Harburgs Tortürme, verschwundene „Künder städtischen Ansehens“, in: Schönere Heimat, 78, 1989, Nr. 2, S. 79–85
Heidingsfeld – Tittmann, Ekkehard, Die spätmittelalterliche Stadtmauer in Heidingsfeld, in: Die Geschichte der Stadt Heidingsfeld, Regensburg 2005, S. 491–510
Helmstedt – Meier, Paul Jonas, Die Befestigung der Stadt Helmstedt im Mittelalter, in: Zeitschrift des Harzvereins für Geschichichte und Altertumskunde, Jg. 28, 1895, S. 615–640 – Meier, Heinrich, Zur Geschichte der Befestigung Helmstedts, in: Braunschweigisches Magazin, 19, 1913, Nr. 10, S. 112–115
Hildesheim – Meier, Paul Jonas, Die Stadttore des mittelalterlichen Hildesheim, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 9, 1932, S. 180–196 – Kruse, Karl Bernhard, Die Bernwardsmauer in Hildesheim, Grabungsvorbericht, in: Die Diözese Hildesheim in Vergangenheit und Gegenwart: Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde im Bistum Hildesheim, Jg. 55, 1987, 1988, S. 21–29 – Kruse, Karl Bernhard, Die Bernwardsmauer in Hildesheim, in: Koldewey-Gesellschaft, Bericht über die
310 Topographischer Teil
35. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung, 11. – 15.5.1988, 1990, S. 55–56 – Brandorff, Helmut, „Die Bernwardsmauer“ in Hildesheim, ein Vorbericht, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Bd. 60, 1991, S. 169–175 – Kruse, Karl Bernhard, Die Bernwardsmauer in Hil-desheim – Befestigung von Domhügel und Stadt im Mittelalter, in: Romanik in Niedersachsen, Symposion ... Braunschweig 1993, Braunschweig 1997 (Quellen und Forschungen zur braunschweigischen Landesgeschichte, Bd. 33), S. 109–117 – Bode-Meuser, Isa, u. a., Mauern, Türme, Tor, ein Jahrtausend Hildesheimer Stadtbefestigung, Hildesheim 2006 (Veröffentlichungen der Hildesheimer Volkshochschule zur Stadtgeschichte Hildesheims, Heft 11) – Brandorff, Helmut, Die Bernwardsmauer in Hildesheim, eine Auswertung der Befunde und der Keramikfunde unter chronologischen und kulturgeschichtlichen Aspekten, Rahden/Westf. 2010 (Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens, Bd. 42)
Hilpoltstein – Platz, Thomas, Burg und Stadt Hilpoltstein – Baugeschichte und Bedeutung, in: AusGrabungen, Schicht für Schicht ins Mittelalter, Begleitheft zur Ausstellung des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters ..., 2. Aufl. Bamberg 1998, S. 70–78
Höchst – Maier, Ursula, Clemens Bandur und Rolf Kubon, Der Zollturm zu Höchst am Main, Höchst 1981 (Höchster Geschichtshefte, 34/35)
Horn – Woldron, Ronald u. a., Die Stadtbefestigung von Horn (unveröff. Gutachten), 2007 – Reingrabner, Gustav, Horn, die Stadt und ihre Mauer, Horn 2011
Ingolstadt – Fuchs,Reinhard,Die Befestigung Ingolstadts bis zum 30-jährigen Krieg (Diss. TH Karlsruhe, 1938), Würzburg 1939 – Ingolstadt, die Herzogsstadt – die Universitätsstadt – die Festung. In Zusammenarbeit m. Siegfried Hofmann hrsg. v. Theodor Müller u. Wilhelm Reissmüller. 2 Bde. hier: Bd. 1: Hubert Freilinger, Historische Lagebeziehungen – präurbane Strukturen – Ausprägung der Urbanität (S. 69–120), Alex. Frhr. von Reitzenstein, Die Festung Ingolstadt der Herzöge u. Kurfürsten, Ingolstadt 1974, S. 97–91, 261–94 – Hofmann, Siegfried, Stadtpfeifer und Türmer, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt, 93, 1984, S. 97–110
Ingweiler/Ingwiller
Kenzingen
– Vuillemin, Adrien, L’enceinte urbaine d’Ingwiller (Bas-Rhin) de 1345 à 2013,in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire, 56,2013, S. 123–145
– Weber, Klaus, Stadt und Festung Kenzingen (S. 27– 40); Hämmerle, Reinhold: Das erzherzogliche Wappenrelief am unteren Stadttor (S. 41); Hesselbacher, Martin: Das Schwabentor zu Kenzingen (S. 42-45), in: Die Pforte (Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und Landeskunde in Kenzingen e. V.), Jg. 10/11, Nr. 18– 21, 1990–91, S. 27–45
Innsbruck – Mittermair, Martin, Das Adelige Damenstift zu Innsbruck, ein Beitrag zur mittelalterlichen Stadtgeschichte, in: Harald Stadler (Hg.), Zwischen Schriftquelle und Mauerwerk, Festschr. für M. Bitschnau (= Nearchos 20), Innsbruck 2012, S. 80–98
Iphofen – Bauer, Hans, Mainfränkische Stadtbefestigungen, Teil II: Das Beispiel Iphofen, in: Arx 16, 2 (1994), S. 383– 389 – Seyler, Emanuel, Die Stadtbefestigung von Iphofen, in: Der Burgwart, Jg. 14, 1913, S. 9–11
Jauer – Schönaich, Gustav, Die alte Jauersche Stadtbefestigung, Vortrag gehalten in der Philomathie zu Jauer ..., Jauer 1903
Jena – Mühlmann, Ottogerd, Ein weiteres Beispiel für Bautradition im Mittelalter, in: Burgen und Schlösser, 1985, 2, S. 109–113
Kiel – Wendrich, Walter (nach Unterlagen von August Klein), Die alte Kieler Stadtmauer, Kiel 1955 (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, 47, 1955)
Klausen – Garber, Josef, Von den alten Stadttoren und Türmen in Klausen, in: Der Schlern, 1/1920, S. 84ff.
Koblenz – Bär, Max, Der Koblenzer Mauerbau, Rechnungen 1276–1289, Leipzig 1888, Reprint 2010 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, 5) – Michel, Fritz, Die Stadtbefestigung von Koblenz von der Römerzeit bis in XX. Jahrhundert, in: Der Burgwart, Jg. 29, 1928, 5/6, S. 86–92
Köln
– Lehmann, Franz, Die Stadtbefestigung von Kahla, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichts- und Altertumskunde von Kahla, 7, 1919/20, S. 1–28
– Ennen, Leonard, Die Festungswerke von Köln und Deutz, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein ..., Heft 33, 1879, S. 1–40 – Wiethase, Heinrich Johann, Kölner Torburgen und Befestigungen 1180–1882, hg. v. d. Architekten- und Ingenieur-Verein für Niederrhein und Westfalen, Köln 1883–84 – Hansen, Joseph, Stadterweiterung – Stadtbefestigung – Stadtfreiheit im Mittelalter, in: Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, Mitteilungen, Jg. 5, 1911, S. 7–32 – Vogts, Hans, Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, 2. Band, IV. Abteilung, Die profanen Denkmäler, Düsseldorf 1930 (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, 7. Band) – Turm der Frauen, der Kölner Bayenturm – Vom alten Wehrturm zum FrauenMediaTurm, hg. v. Alice Schwarzer, Köln 1994
Kaiserslautern
Königsberg
Judenburg – Deuer, Wilhelm, Judenburg, Stadtbild – Kunst – Künstler, eine Bau- und Kunstgeschichte mit ausführlichem Stadtführer (Stadtbefestigung: S. 156–158), Judenburg 1989
Jülich – Scharenberg, Wilhelm, Älteste Stadtmauer Jülichs entlang der Kapuzinerstraße, archäologische Funde zur mittelalterlichen Stadtbefestigung, in: Heimatkalender für den Landkreis Jülich, 1972, S. 139–142 – Neumann, Hartwig, Das Rurtor „Hexenturm“ in Jülich, Köln 1987 (Rheinische Kunststätten, Heft 311)
Kahla
– Westrich, Klaus-Peter, Reste der ehemaligen Stadtbefestigung in der Kaiserslauterer Altstadt, in: Heimatkalender für Stadt und Landkreis Kaiserslautern, 1970, S. 75–76 – Westrich, Klaus-Peter, Entdeckung einer Inschrift an der alten Kaiserslauterer Stadtmauer, in: Heimatkalender für Stadt und Landkreis Kaiserslautern, 1974, S. 130
– Beckherrn, Carl, Geschichte der Befestigungen Königsbergs, in: Altpreußische Monatsschrift, Bd. 27, 1890, S. 385–475, 639–41 – Ehrhardt, Traugott, Die Geschichte der Festung Königsberg/Pr., 1257–1945, Würzburg, Frankfurt/M. 1960 (Ostdeutsche Beiträge, Bd. 17)
Literatur
311
Königshofen
Langenau
– Sperl, Josef, Stadt und Festung Königshofen im Grabfeld, ein geschichtlicher Abriß, Königshofen 1974
– Koch, Konrad Albert, Die ehemalige Stadtbefestigung von Langenau, in: Ulmische Blätter für heimatliche Geschichte, Kunst und Denkmalpflege (Monatsbeilage z. Ulmer Tagblatt), Jg. 1, 1924, S. 85–86
Konstanz – Beck, Alfons, Mauerring und Wohntürme der Altstadt Konstanz, in: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensee ..., 78, 1960, S. 133–156 – Dumitrache, Marianne, Archäologisches Schwerpunktprogramm in Konstanz, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1996, S. 223–234 – Röber, Ralph, Römische und mittelalterliche Gräben aus Konstanz, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 2001, 2002, S. 188–191 – Löbbecke, Frank, und Ralph Röber, Drei Stadtmauern im Süden der Konstanzer Altstadt, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 2002, 2003, S. 202–204 – Röber, Ralph, Konstanz-Stadelhofen, zur Befestigung einer Vorstadt, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 2001, 2002, S. 194–198 – Löbbecke, Frank, Archäologie und Bauforschung, die Stadtmauern im Süden der Konstanzer Altstadt, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 37, 2008, H. 3, S. 156–158
Langensalza, Bad – Münch, Gisela, Die mittelalterliche Stadtbefestigung von Bad Langensalza, Bad Langensalza 1999
Laucha – Pissors, Eva, und Romy Langner, Das Obertor in Laucha, Baugeschichte einer spätmittelalterlichen Vorbefestigung im Saale-Unstrut-Gebiet, in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, H. 19, 2010, S. 276– 310
Lauchheim – Gerlach, August, 1431–1931, die Bürgerwehr zu Lauchheim, ihre Geschichte, Erhaltung und Erneuerung nach den Einträgen im Schützenbuch, Ellwangen 1931 (Beiträge zur Lauchheim-Kapfenburger Geschichte, H. 13)
Lauda
– Schulze, Robert, Die Befestigung Köthens, in: Anhaltische Geschichtsblätter, 1, 1925, S. 60–66
– Roller, Otto, Wappen und Inschrift am oberen Tore zu Lauda und die Stadtherren Laudas, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 88 (N. F. 49), 1936, S. 623–629
Krems
Lauf an der Pegnitz
Köthen
– Woldron, Ronald, und Helga Schönfellner-Lechner, Das Steinertor in Krems (unveröff. Gutachten) 2010
Kronach – Hummel, Georg, Die Stadtbefestigung zu Kronach einst und jetzt, Kaufbeuren 1906? (Bibliothek für Volks- und Heimatkunde, Sonderheft zu den Deutschen Gauen, 51.)
Ladenburg – Kaiser, Hartmut, Neue Untersuchungen an der älteren mittelalterlichen Stadtumwehrung von Ladenburg, Rhein-Neckar-Kreis, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1996, S. 264–265
Landsberg/Lech – Die Restaurierung des Bayertores in Landsberg/ Lech, in: Nachrichtenblatt für das deutsche Malerhandwerk/Die Mappe, 91, 1977, Nr. 12, S. 799–802
Landshut – Bleibrunner, Hans, Landshuts Stadtbefestigungen nach dem Sandtnermodell 1572, Landshut 1962(?)
312 Topographischer Teil
– Biller, Thomas, Das Untertor zu Lauf als Bau Kaiser Karls IV., in: Burg Lauf a. d. Pegnitz, ein Bauwerk Kaiser Karls IV., Regensburg 2006 (Forschungen zu Burgen und Schlössern, Sonderband 2), S. 99–108
Laufenburg – Reiff, Uwe, Die Befestigung Laufenburgs am Hochrhein, baugeschichtliche Untersuchung der Befestigungsanlagen vom 13. bis 19. Jh. (Ing.-Diss.), Stuttgart 1991
Laupen – Hürlimann, Emil Peter, Burg und Festung Laupen, Laupen 1939
Leimen – Hildebrandt, Ludwig H., und Uwe Gross, Weitere Untersuchungen im Rahmen der Stadtkernsanierung von Leimen, Rhein-Neckar-Kreis, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1996, S. 266– 269
Lemgo – Meier, Karl, Die Festung Lemgo, in: Mitteilungen aus der lippischen Geschichte und Landeskunde, 24, 1955, S. 9–114 – Gaul, Otto, Lemgoer Rathäuser und Stadtbefestigung (13.–14. Jh.)., Ausschachtungsfunde 1950–1968: Altstädter Rathaus – Neustädter Rathaus – Ostertor – Zwischenstädter Tor, in: Lippische Mitteilungen, 41, 1972, S. 63–93 – Hentschel, Hermann, Stadtbefestigung Lemgo, Vorstellung eines repräsentativen Abschnitts der Lemgoer Stadtbefestigung des ausgehenden Mittelalters durch den Verein Alt-Lemgo (2. Aufl.), hg. v. Verein Alt Lemgo e. V. im Lippischen Heimatbund, Lemgo 1990
Leutkirch – Koch, Konrad Albert, Stadt Leutkirch, in: Der Burgwart, Jg. 31, 1930, S. 11–12
Lichtenau – Siegel, Gustav, Die Stadtbefestigung von Lichtenau in Hessen, in: Der Burgwart, Jg. 1, 1899, S. 9–11
Limburg/Lahn – Metzen, Joseph, Zur Geschichte der mittelalterlichen Befestigung der Stadt Limburg, in: Annalen des Vereins für nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, 41, 1910/1911, H. 1, S. 38–74
Lingen – Buschhaus, Manfred, Erkenntnisse über Teile der spätmittelalterlichen Stadtbefestigung Lingens aus Baubeobachtungen 1984/85, in: Kivelingsfest, 1987, S. 79–87
Linnich – 600 Jahre Linnicher Stadtmauer 1393–1993, Linnich 1993 (Linnicher Geschichtsverein, Jahresblätter 1993)
Lößnitz – Göppert, Herbert, Die Lößnitzer Stadtbefestigung, Stollberg-Reichenbach 2004 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Lößnitz, Heft 6)
Lübeck – Rahtgens, Hugo, Die Burgtorbefestigung Lübecks, in: Lübische Forschungen, Jahrhundertgabe des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Lübeck 1921, S. 91–156 – Rahtgens, Hugo (u. Friedrich Bruns), Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck, Bd. I, 1. Teil: Stadtpläne und -ansichten, Stadtbefestigung, Wasserkünste und Mühlen, Lübeck 1939
– Schadendorf, Wulf, Das Holstentor, Symbol der Stadt, Gestalt, Geschichte und Herkunft des Lübecker Tors, Lübeck, Hamburg 1977 – Schadendorf, Wulf, Das Holstentor zu Lübeck, der Bau und seine Geschichte, o. O. (Braunschweig 1978) (Niederdeutscher Verband für Volks- und Altertumskunde, Bd. 2) – Gläser, Manfred, Die Lübecker Burg- und Stadtbefestigungen des 12. und 13. Jh., in: Archäologisches Korrespondenzblatt, 20, 1990, S. 227–234 – Schadendorf, Wulf, Das Holstentor in Lübeck, 2. Aufl. München 1991 (Große Baudenkmäler, Nr. 377) – Goedicke, Christian, und Jens Christian Holst, Thermolumineszenzdatierung an Lübecker Backsteinbauten, Probleme und Entwicklungen, in: Wege zur Erforschung städtischer Häuser und Höfe ..., Neumünster 1993, S. 251–271 – Gläser-Mührenberg, Manfred, Burgen und Stadtmauern auf dem Lübecker Stadthügel, in: Castella Maris Baltici, 2, Nyköping 1996 (= Sörmländska handlingar, Nr. 19 = Lund Studies in Medieval Archaeology, 18), S. 59–67 – Holst, Jens Christian, Dar umme is se noch so ordeliken buwet – Früher Backsteinbau in Lübeck, in: Festschrift für Günther Kokkelink, Hannover 1999 (Schriften des Instituts für Bau- und Kunstgeschichte, Bd. 12), S. 41–50
Ludwigstadt – Haberstroh, Jochen, Die Ausgrabung in der ehemaligen Marienkapelle in Ludwigstadt, in: Das archäologische Jahr in Bayern, 1988, S. 152–154
Lüneburg – Dumrese, Hans, Die mittelalterlichen Straßensperren in Lüneburg, in: Lüneburger Blätter, 9, 1958, S. 9– 20 – Heinzel, E., Die Abtragung eines Wallrestes in Lüneburg, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, 40, 1971, S. 332–336 – Sander, Antje, Die Lüneburger Bauamtsrechnungen von 1386 bis 1388, in: Öffentliches Bauen in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Ulf Dirlmeier u. a., St. Katharinen 1991 (Sachüberlieferung und Geschichte, 9.) – Nelson, Hildegard, Die Lüneburger Stadtbefestigung, in: Berichte zur Denkmalpflege, Niedersachsen, 1995, H. 2, S. 62–65
Lünen – Lappe, Josef, Die Wehrverfassung der Stadt Lünen mit besonderer Berücksichtigung der Schützengesellschaft, Dortmund 1911 (Jahresbericht des Progymnasiums zu Lünen an der Lippe, Ostern 1911, Programm-Nr. 485, Wiss. Beilage)
Literatur
313
Luxemburg – Zimmer, John, Aux origines de la Ville de Luxembourg, Luxembourg 2002
Luzern – Carlen, Georg, Luzern, Kapellbrücke und Wasserturm, in: Denkmalpflege und Archäologie im Kanton Luzern, Jahresbericht ..., 1994, Luzern 1995 (Sonderdruck aus dem Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern, 1995), S. 70–75 – Habegger, Ueli (Red.), Kapellbrücke und Wasserturm, der Wiederaufbau eines Wahrzeichens im Spiegel der Restaurierung und Forschung, Luzern 1998 – Manser, Jürg, und Ueli Habegger, Die Museggmauer, neun Türme über der Stadt Luzern, Luzern 2012. – Manser, Jürg, Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern, in: Mittelalter, 17, 2012/2, S. 88–95
Magdeburg – Hülße, Friedrich, Der Umfang des ältesten Magedeburg und dessen allmählige Erweiterung, (S. 52: Grabung Stadtmauerturm), in: Festschrift zur 25jährigen Jubelfeier des Vereins für Geschichte und Altertumskunde des Herzogtums und Erzstiftes Magdeburg, Magdeburg 1891, S. 49–57 – Peters, Otto, Die älteste Stadtmauer Magdeburgs, in: Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg, Jg. 40, 1905, S. 33–44 – Peters, Otto, Mittelalterlicher Stadtplan und Mauerumfriedung in Magdeburg, in: Der Burgwart, Jg. 12, 1911, S. 29–36
des frühen Mittelalters, in: Kölner Jahrbuch für Vorund Frühgeschichte, 9, 1967/68, S. 141–143 – Esser, Karl Heinz, 10 Jahre Ausgrabungen in Mainz 1965–1974, Mainz 1975 (Mainzer Schriften zur Kunst und Kultur in Rheinland-Pfalz, Bd. 3)
Marburg/Lahn – Altwasser, Elmar und Reinhard Groß, Vorbericht über die Untersuchungen zur älteren Marburger Stadtbefestigung im Bereich des ehemaligen Gymnasiums Philippinum, in: Fundberichte aus Hessen, 15, 1975, S. 387–394 – Strickhausen, Gerd, Zur Entwicklung der Marburger Altstadt im Hochmittelalter, in: Der Marburger Markt, 800 Jahre Geschichte über und unter dem Pflaster, Marburg 1997 (Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur, Bd. 59), S. 11–53 – Altwasser, Elmar, Archäologische Bodenuntersuchungen auf dem Marburger Marktplatz und in dessen Umfeld, in: Der Marburger Markt, 800 Jahre Geschichte über und unter dem Pflaster, Marburg 1997 (Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur, Bd. 59), S. 33–53
Marienburg
Maienfeld s. Chur
– Dobisch, Werner, Die mittelalterliche Befestigung der Stadt Marienburg, in: Ostdeutsche Monatshefte, Jg. 7, 1926, Nr. 2, S. 122–130 – Zacharias, Rainer, Marienburgs mittelalterliche Befestigungsanlagen, in: Westpreußen-Jahrbuch, 28, 1978, S. 105–112 – Zacharias, Rainer, Marienburgs Befestigungsanlagen, vom Ende der Ordenszeit bis zum Beginn des 19. Jh., in: Westpreußen-Jahrbuch, 30, 1980, S. 55–66
Mainbernheim
Mautern
– Seubert, Hans, Restaurierung der Stadtmauer Mainbernheim, in: Die Bauverwaltung, 58, 1985, Nr. 5, S. 200– 203 – Seubert, Hans, Restaurierung der Mainbernheimer Stadtmauer, in: Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger, 40, 1985, Nr. 48, Sonderbeil. „Stein auf Stein“, S. 25
– Thaller, Herma, Die Befestigungsanlage von Mautern an der Donau, in: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien, 40, 1953, Beiblatt, Sp. 191–204
Mainz – Körber, Karl, Römische Inschriften des Mainzer Museums, 3. Nachtrag, X. Inschriften aus romanischer, gothischer und noch späterer Zeit: Sechs Zinnensteine, Nr. 242–247, in: Zeitschrift des Vereins zur Erforschung der Rheinischen Geschichte und Altertümer, Bd. 4, 1900, S. 301–304 – Diepenbach, Wilhelm, Die Stadtbefestigung von Mainz (Stadtmauern, Tore, Türme, Wälle und Bastionen), in: Mainz, ein Heimatbuch, hg. von Heinrich Wothe, Bd. 1, Mainz 1928, S. 21–42 – Uslar, Rafael von, Turris, Curtis und Arx im Mainz
314 Topographischer Teil
Mayen – Renard, Edmund, Zur mittelalterlichen Stadtbefestigung von Mayen, in: Zeitschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz, 15, 1921, S. 44–51
Memmingen – Dapper, Michael, Die Ausgrabungen im Memminger Antonierhaus, in: Das Antonierhaus in Memmingen, München 1996 (Arbeitshefte des Bayrischen Landesamts für Denkmalpflege, 84), S. 119–133 – Dapper, Michael, Das welfische Memmingen – archäologisch betrachtet, in: Die Welfen, landesgeschichtliche Aspekte ihrer Herrschaft, hg. v. KarlLudwig Ay u. a., Konstanz 1998 (= Forum Suevicum, Bd. 2), S. 173–196
Meran – Stampfer, Cölestin, Geschichte der Stadtmauern von Meran, in: Programm des k.k. Ober-Gymnasiums in Meran 1888, S. 3–30
„vmbringt mit starcken turnen, murn“, Frankfurt/M. usw. 2010, S. 291–310
Mühlhausen
– Paquin, E., Das deutsche Tor in Metz, in: Der Burgwart, Jg. 5, 1904, S. 33–34
– Jordan, Reinhard, Der Sühnebrief von 1525 und die Festungswerke der Stadt Mühlhausen, in: Mühlhäuser Geschichtsblätter, 4, 1903/04, S. 63–66 – Aulepp, Rolf, Die Stadtmauer von Mühlhausen in ihrer historischen Aussage, in: Eichsfelder Heimathefte, 16, 1976, S. 318–336 – Aulepp, Rolf, Der alte Wall vor der inneren Stadtmauer von Mühlhausen, in: Rolf Aulepp, Neues aus dem alten Mühlhausen, Mühlhausen 1993 (Mühlhäuser Beiträge, Sonderheft 9), S. 19–25 – Bühner, Peter, Mühlhausen in Thüringen – die Stadtmauer, ein Rundgang entlang der historischen Befestigungsanlagen, Mühlhausen 2008
Michelstadt
Mülenen
– Albach, Walter, Zur Geschichte der Stadtmauer Michelstadts, in: Der Odenwald, 19, 1972, S. 35–41
– Schaetzle, Alfred, Burg und Städtchen Mülenen im Berner Oberland, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 4, 1942, S. 21–27
Merseburg – Rademacher, Otto, Merseburgs Befestigungen, in: Rademacher, Otto, Aus Merseburgs alter Geschichte, Heft 7, 1912, S. 16–31 – Saal, Walter, und Stock, Michael, Ergebnisse der Stadtarchäologie Merseburg in den Jahren 1989/1990, in: Ausgrabungen und Funde, 37, 1992, H. 4, S. 232– 239
Metz
Minden – Meinhardt, Volkmar Ulrich, Die Festung Minden, Gestalt, Struktur und Geschichte einer Stadtfestung, Minden 1958 (Mindener Beiträge zur Geschichte, Landes und Volkskunde des ehem. Fürstentums Minden = Mindener Jahrbuch. N. F. H. 7.)
Möckmühl – Saur, Ilse, und Walther-Gerd Fleck, Möckmühl, Burg und Stadtbefestigung, ihre Erbauung und Geschichte (Hg.: Heimatkundl. Arbeitskr. d. Stadt Möckmühl), Möckmühl 1998
Mölln – Nissen, Nis Rudolf, Mölln, Festung an der Salzstraße, Mölln, Lauenburg 1961 (Schriftenreihe des Heimatbundes und Geschichtsvereins Herzogtum Lauenburg, 9)
(Mönchen-)Gladbach – Pongs, Rüdiger, Die Gladbacher Stadtbefestigung, die Verteidigungsanlagen in Gladbach vom befestigten Münsterberg bis zur Fortifikation des Dreißigjährigen Krieges, Mönchengladbach 2014
Monheim – Richter, Erhard-Werner, H. K. Peters u. a., Der Schelmenturm in Monheim, Geschichte und Gegenwart, Monheim 1980
Monreal – Schmidt, Achim H., Bauliche Reste vom Machtstreben der Grafen von Virneburg in Monreal/Eifel, in:
München – Kleemann, Otto, Die Befestigung Alt-Münchens, in: Jahrbuch für Münchner Geschichte, 4, 1890, S. 215– 32 – Müller, Karl, München als befestigte Stadt, in: Bayerland, Jg. 1903, S. 507–509, 519–521, 531–533, 549–551, 555–557 – München und seine Bauten (Befestigungen S. 13– 39), München 1912 – Gilardone, Georg, Wälle und Mauern um München, in: Das Bayerland, 46, 1935, S. 673–703 – Hagn, Herbert, P. Veit und Stefan Winghart, Die Münchner Stadtmauer am Isartor, in: Das archäologische Jahr in Bayern, 1984, S. 166–169
Münster – Schaumburg, Ernst von, Zur Geschichte der Befestigung der Stadt Münster, in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde (später: Westfälische Zeitschrift), 16 (N. F. 6), 1855 (Nachdr. 1971), S. 142–74 – Geisberg, Max, Zur Geschichte der älteren Befestigungen Münsters, in: Niedersachsen, Jg. 16, 1910–11, S. 44–53 – Kirchhoff, Karl-Heinz, Zwinger und Neuwerk, Beiträge zur Geschichte der Befestigung der Stadt Münster im ausgehenden Mittelalter, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, N. F. 5, 1970, S. 55–94 (auch in: ders., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift Münster, Warendorf 1988)
Literatur
315
Münstereifel – Clemen, Paul, Münstereifel, Erhaltung und Sicherung der Stadtbefestigungen, in: Berichte über die Tätigkeit der Provinzialkommission für Denkmalpflege in der Rheinprovinz ..., 15, 1910, S. 31–42
Murten/Morat – Flückiger, Ernst, Die Baugeschichte der Stadt Murten, in: Festschrift Friedrich Emil Welti, Aarau 1937, S. 157–182 (2. Aufl. als Monographie u. d. T. Murten, Die Baugeschichte, Aarau 1945) – Schöpfer, Hermann, Murtens Ringmauern, in: Mittelalter ... Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins, 4, 1999/2, S. 33–39
der mittelalterlichen Stadt, Köln usw. 1997, S. 219– 224
Neuleiningen – Stefan Ulrich, die Burg Neuleiningen, ihre Baugeschichte unter Berücksichtigung der Stadtbefestigung, Neustadt/Weinstr. 2005 (Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Reihe B, Abhandlungen z. Gesch. d. Pfalz, Bd. 7)
Neuß
Nabburg
– Sauer, Sabine, Betrachtungen zur Stadtbefestigung von Neuss, in: Fund und Deutung, Neuere archäologische Forschungen im Kreis Neuß, Neuß 1994 (Ver'öffentlichungen des Kreisheimatbundes Neuß e.V., Nr. 5), S. 89–99
– Kirch, Karlheinz, Nabburgs alte Tore und Bürgerbauten, in: Oberpfälzer Heimat, 20, 1976, S. 95–105
Neustadt/Fränk. Saale
Naumburg – Lepsius, Carl Peter, Zur Geschichte der Befestigung der Stadt Naumburg, in: Carl Peter Lepsius, Kleine Schriften, Bd. 1, Magdeburg 1854 (Beiträge zur thüringisch-sächsischen Geschichte und deutschen Kunstund Altertumskunde), Magdeburg 1854 – Biller, Thomas, Das Marientor in Naumburg an der Saale, Ergebnisse der Bauforschung 1996–1998, in: Burgen und frühe Schlösser in Thüringen und seinen Nachbarländern, München 2000 (Forschungen zu Burgen und Schlössern 5), S. 105–114 – Biller, Thomas, Siegfried Wagner, Hans-Heinrich Häffner, Das Marientor und die Naumburger Stadtbefestigung (5 Beiträge), Naumburg 2000 (Schriften des Stadtmuseums Naumburg, Nr. 8)
Neiße – Klose, Arwed, Festung Neiße (S. 18–50: Die Mauer [1342–1642]), Hagen-Hohenlimburg 1980
Neubrandenburg – Biermann, Karl Heinz, Neubrandenburg, die mittelalterliche Wehranlage (Hg. Neubrandenburg-Information), Neubrandenburg (19)75 – Schumacher, Paul, Die Stadtbefestigung von Neubrandenburg, ihre städtebauliche Bedeutung und denkmalpflegerische Erhaltung, in: Denkmale in Mecklenburg, ihre Erhaltung und Pflege in den Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg, Weimar 1976, S. 228–242 – Klemm, Bernhard, Die vier Tore der Stadt Neubrandenburg, in: IBI-Bulletin, 44, 1986, S. 73–80 – Schulz, Harry, Die mittelalterliche Wehranlage von Neubrandenburg, Regensburg 1994 (Schnell & Steiner, Kleine Kunstführer Nr. 2163) – Schmidt, Volker, Die spätmittelalterliche Stadtbefestigung von Neubrandenburg, in: Die Befestigung
316 Topographischer Teil
– Mittelstraß, Tilman, Neustadium, oppidum Franconiae parvum munitum -– Stadtkerngrabung in Bad Neustadt a. d. Saale, in: Das archäologische Jahr in Bayern, Jg. 1992, S. 155–158
Neustadt/Weinstraße – Habermehl, Paul, Tore, Türme und Kanonen, Neustadt und seine Befestigungsanlagen, Neustadt/Weinstr. 2010 (Schriftenreihe der Bezirksgruppe Neustadt im Historischen Verein der Pfalz, 15)
Niederstetten – Fleck, Walther-Gerd, Die Befestigungen von Niederstetten, Beschreibung und Baugeschichte, in: 650 Jahre Stadt Niederstetten, Tauberbischofsheim 1991, S. 385–403
Nienover – Thomas Küntzel, Die Stadtwüstung Nienover im Solling, Auswertung der Befunde zu Stadttopographie, Hausbau und Stadtbefestigung im 13. Jh., Rahden 2010
Nordhausen – Meyer, Karl, Die Reichsstadt Nordhausen als Festung, in: Zeitschrift des Harzvereins, Jg. 21, 1888, S. 292–368
Nordhorn – Specht, Heinrich, Brücken und Tore der Stadt Nordhorn, Bentheim 1938 (Das Bentheimer Land. 16)
Nördlingen – Kessler, Hermann, Die Stadtmauer der Freien Reichsstadt Nördlingen, Nördlingen 1982 (Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen, Schriftenreihe des Historischen Vereins für Schwaben, Bd. 12) – Meyer, Werner, Die Stadttore der Reichsstadt Nördlingen, in: IBI-Bulletin, 44, 1986, S. 98–104
– Voges, Dietmar-Henning, Beispiele früher Denkmalpflege in Nördlingen, in: Schönere Heimat, 78, 1989, Nr. 2, S. 55–60
Northeim – Hueg, Adolf, Die Stadtbefestigung, aus dem Nachlaß von Ad. Hueg, in: Northeim, 700 Jahre Stadt, 1252– 1952, Northeim 1952, S. 25–30
Nürnberg – Bach,Max,Die Mauern Nürnbergs,Geschichte der Befestigung der Reichsstadt, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 5, 1884, S. 47–96 – Volckamer auf Kirchensittenbach, Guido von, Die Stadtmauer von Nürnberg mit ihren Veränderungen während dreier Jahrhunderte, dargestellt durch Abbildungen aus dem 17., 18. und 19. Jh., München 1897 – Bach, Max, und Ernst Mummenhoff, Die Mauern Nürnbergs (und Entgegnung von Mummenhoff), in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 13, 1899, S. 245–259 – Mummenhoff, Ernst, Die Abschließung der Stadt Nürnberg gegen die Burggrafenburg um 1362 und im Jahre 1367, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 13, 1899, S. 260–272 – Mummenhoff, Ernst, Das Fröschtor – Maxthor –, ein altes Thor; Fröschturm und Eiserne Jungfrau, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 13, 1899, S. 272–275 – Mummenhoff, Ernst, Die älteste Stadtbefestigung Nürnbergs, Entgegnung auf die Angriffe Dr. Siegfried Rietschels ..., in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 17, 1906, S. 319–339 – Mummenhoff, Ernst, Urkunden zur Geschichte der dritten Stadtummauerung, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 19, 1911, S. 237–243 – Bach, Max, Die erste Ummauerung der Stadt Nürnberg, in: Der Burgwart, Jg. 14, 1913, S. 12–17 – Mummenhoff, Ernst, Der heutige Stand der Frage der ältesten Nürnberger Stadtbefestigung, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 20, 1913, 242–261, 274 – Mayer, Relief Nürnbergs vom Jahre 1540 im Nationalmuseum zu München, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 20, 1913, S. 261–274 – Giesecke, Albert, Die Befestigungen der Stadt Nürnberg und Albrecht Dürer, in: Der Burgwart, Jg. 22, 1921, S. 25–38 – Schwemmer, Wilhelm, Die Stadtmauer von Nürnberg, Berlin 1944 (Führer zu großen Baudenkmälern, H. 31) – Kriegbaum, Wilhelm, Die Mühle an der Mauer, ein Beitrag zur Erforschung der vorletzten Stadtbefestigung des Sebalder Stadtteiles von Nürnberg, in: Schönere Heimat, 53, 1964, S. 159–169
– Hofmann, Hanns Hubert, Die Nürnberger Stadtmauer, Nürnberg 1967 – Schwemmer, Wilhelm, Die Stadtmauer von Nürnberg, Verluste und Erhaltung im 19. und 20. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 56, 1969, S. 424–444 – Gries, Fritz, Die Freilegung der Stadtmauer beim Bau der Dresdner Bank am Hans-Sachs-Platz, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 56, 1969, S. 422–423 – Haas, Walter, Ein Stück der älteren Nürnberger Stadtmauer beim Kornmarkt, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 76, 1989, S. 161–173 – Friedel, Birgit, Neue Aspekte zur Ummauerung der Sebalder Stadt im Hochmittelalter, in: Nürnberg, Archäologie und Kulturgeschichte, Nürnberg, 1999, S. 111–118 – Liebert, Thomas, Eine Stadt rüstet auf, der Ausbau der Nürnberger Stadtbefestigung im 15. und 16. Jh., in: Nürnberg, Archäologie und Kulturgeschichte, Nürnberg 1999, S. 119–129
Oberwesel – Caspary, Hans, und Günther Stanzl, Stadtbefestigung, in: Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz, Rhein-Hunsrück-Kreis, 2.2. ehem. Kreis St. Goar, Stadt Oberwesel, Bd. 2, München, Berlin 1997, 794–895 – Stanzl, Günther, Neue Forschungen zum Zehnerturm in Oberwesel, in: Burgen und Schlösser, 2002/3, S. 183–191 – Stanzl, Günther, Die Stadtbefestigung von Oberwesel im Rheintal, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“ Frankfurt/M. 2010, S. 273–290
Oettingen – Keßler, Hermann, Die Befestigung der Stadt Oettingen, Nördlingen 1991
Oldenburg – Eckert, Jörg, Archäologische Untersuchungen an der mittelalterlichen Stadtmauer von Oldenburg, in: Oldenburger Jahrbuch, Bd. 94, 1994, S. 291–311 – Eckert, Jörg, und Jonathan Scheschkewitz, Oldenburg, Mittelalterliche Stadtmauer und große Gruben unbekannter Funktion, in: Archäologie in Deutschland, 1995, Nr. 1, S. 45
Osnabrück – Fischer, Ellinor, Die frühmittelalterliche Domburg von Osnabrück, in: Burgen und Schlösser, 2008/4, S. 204–210
Osterburken – Rabold, Britta, Die Osterburkener Kastelle als Materiallieferanten für die hochmittelalterliche StadtLiteratur
317
mauer? in: Archäologische Ausgrabungen in BadenWürttemberg, 1996, S. 183–185
Osterode – Eder, Ekkehard und Stefan Flindt, Der Scharfrichterturm der Osteroder Stadtmauer, in: Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand, 1995, Nr. 51, S. 101–106 – Grobis, Heike, Auf alten Wegen rund um die Altstadt, die Osteroder Stadtmauer im Spiegel der Stadtgeschichte, in: Heimatblätter für den südwestlichen Harzrand, 1997, Nr. 53, S. 162–176
Paderborn – Ortmann, Bernard, Die ältesten Befestigungen innerhalb der Altstadt von Paderborn seit karolingischer Zeit, zum Paderborner Jubiläum 777–1977, Felsberg um 1977 – Balzer, Manfred, Siedlungsgeschichte und topographische Entwicklung Paderborns im Früh- und Hochmittelalter, in: Stadtkernforschung, hg. v. Helmut Jäger, Köln, Wien 1987 (Städteforschung, Reihe A, Bd. 27), S. 103–147 – Wemhoff, Matthias, Befestigungen, Straßenverläufe und Parzellenstrukturen. Fragen und Thesen zur Stadtentwicklung Paderborns, in: GrabungsKAMPagne Paderborn 1994, Archäologische und historische Forschungen zur Siedlungsgeschichte am Kamp. Ausstellungs-Katalog 1995/96, Museum in der Kaiserpfalz, Paderborn 1995, S. 5–20
Pappenheim – Hertlein, Beata, und Wolf-Heinrich Kulke, Das Bauwerk als Dokument, zu den Möglichkeiten der Bauforschung in der Burgenforschung am Beispiel des Kanonenwegs der Burg Pappenheim, in: Marburger Correspondenzblatt zur Burgenforschung, H. 1, 1997–98, S. 13–22
Passau – Reinecke, Paul, Grabungen auf dem Altstadthügel in Passau, in: Reinecke, Paul, Kleine Schriften zur vorund frühgeschichtlichen Topographie Bayerns (zuerst in: Germania, 3, 1919, S. 57–61), Kallmünz 1962
Pirna – Friedrich (Major), Die ehemaligen Stadtbefestigungen Pirnas und ihre Überreste, in: Mitteilungen aus dem Verein für Geschichte der Stadt Pirna, H. 4, 1912, S. 3–15 (m. 2 Plänen)
Pößneck – H. M., Die alte Pößnecker Stadtmauer, in: Heimatklänge (Pößnecker Zeitung und Ziegenrücker Kreisanzeiger), Nr. 141–3, Sept./Okt. 1927, S. 565–566, 569– 570, 573–574
Prenzlau s. Templin Pyritz – Gaedke, Ernst, Pyritz, ein Musterbild mittelalterlicher Befestigungskunst (Umschlagtitel: Die Pyritzer Wehrbauten), Bake 1930 – Lukas, Ewa, Pyrzyckie obwarowania miejskie, +ródta do dziejów fortyfikacji miejskich Pyrzyc (= Die Stadtbefestigungen von Pyritz, Quellen zur Geschichte der Befestigungsanlagen der Stadt Pyritz), in: Zeszyty Pyrzyckie, 2, 1969 (1970), S. 155–181
Quedlinburg – Rienäcker, Christa, Die mittelalterlichen Wehranlagen Quedlinburgs – Stadtbefestigung, Quedlinburg 1988
Rain/Lech – Dorn, Ludwig, Die Geschichte der ehemaligen Grenz- und Festungsstadt Rain am Lech, 2 Teile, Rain 1935–36
Rappoltsweiler – Jaenger, Fernand, Die mittelalterlichen Befestigungswerke der Stadt Rappoltsweiler, in: Bulletin de la Société pour la conservation des Monuments Historiques d’Alsace, 26, 1926, S. 141–147
Rattenberg
Petterweil
– Burger, Daniel, Burg Rattenberg in Tirol und ihr „Oberes Schloss“, spätmittelalterliche Außen- und Vorwerke zum Schutz vor Überhöhung, in: Zwinger und Vorbefestigungen, Tagung ..., Langenweißbach 2007, S. 141–151
– Wolf, Dieter, Zur Ortsgeschichte von Petterweil im Mittelalter, Karben 2001
Ravensburg
Pfullendorf – Grohm, Hans, Die Pfullendorfer Stadtmauer, Gedanken zur Frühgeschichte und Errichtung der Stadtbefestigung, in: Pfullendorfer Heimatheft, 1, 2011, S. 31–45
318 Topographischer Teil
– Siegelin, Bruno, und Ulrich Knapp, Reparatur statt Erneuerung, der Grüne Turm in Ravensburg, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Jg. 29, 2000/1, S. 50–59
Rees – Düffel, Jacob, und Hermann Terlinden, Bilder aus der Vergangenheit der Stadt und Festung Rees, mit
einem Nachtrag. (1. Aufl., Autor Düffel: 1939), Kleve 1972
Regensburg – Strobel, Richard, Die Stadtbefestigung an der Südost-Ecke von Castra Regina in nachrömischer Zeit, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 102, 1962, S. 209–223 – Stroh, Armin, Fortsetzung der Untersuchung an der Südostecke des Lagers der Legio III Italica in Regensburg, in: Germania 41, 1963, S. 131–133 – Dünninger, Eberhard, Weltwunder Steinerne Brücke, Texte und Ansichten aus 850 Jahren, Amberg 1996 – Feistner, Edith (Hg.), Die Steinerne Brücke in Regensburg, Regensburg 2005 (Forum Mittelalter, Bd. 1)
Reichenweier – Jaenger, Fernand, Die mittelalterlichen Befestigungswerke von Reichenweier, in: Bulletin de la Société d’Archéologie de Riquewihr, XVIII, 1934 (auch als Extrait, danach die Seitenzahlen), S. 1–24
Retz – Woldron, Ronald, Retz – Stein um Wein, Eine Stadt im Spiegel ihrer Befestigungsanlagen, Retz o. J. (2014)
Reutlingen – Domes, Gerda, Die Befestigungsanlagen der Freien Reichsstadt Reutlingen, Reutlingen 1966 (Materialien für den Unterricht in den sach- und sozialkundlichen Fächern der Reutlinger Hochschulen, Heft 2) – Schmidt, Erhard, Das obere Bollwerk in Reutlingen, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1988, 1989, S. 323–327 – Marstaller, Tilmann, Das Tübinger Tor, neue Daten zum ältesten Reutlinger Stadttor, in: Reutlinger Geschichtsblätter, Jg. 2007, N. F. 46, S. 9–56
Rheinberg – Küsters, Ludwig, Die kurkölnische Festung Rheinberg, ein Spielball fremder Nationen, 2. Aufl. (1. Aufl. Rheinberg 1967), Rheinberg 1967
Rhens – Bellinghausen, Hans, Die Ortsbefestigung von Rhens am Rhein, in: Der Burgwart, Jg. 29, 1928, S. 11-–14
Richensee – Bosch, Reinhold, Richensee, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte, 43, 1943, S. 52–68
Rinteln – Vogt, Karl, und Walter Maack, Stadt und Festung Rinteln, die Geschichte der Rintelner Befestigungen, Rinteln 1964 (Schaumburger Heimathefte, H. 11)
Rosenthal – Meckseper, Cord, Rosenthal bei Peine/Niedersachsen: 1223 gegründet, 1256 aufgegeben – und immer noch da, in: Kulturlandschaft-Siedlung-Bauernhaus ..., Festschr. anlässl. d. 65 Geburtstages von Hartmut Wenzel, Weimar 2003, S. 37–43
Rosheim – Peter, Christian, La première enceinte de la ville de Rosheimm in: Vivre au Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog), Strasbourg 1990, S. 114–115
Rostock – Koppmann, Karl, Zur Geschichte des Steinthors, und: Umbau des äußersten Steinthors, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, 2, 1899, S. 69–80; 106–108 – Ahrens, Rudolf, Rostocks Befestigungsreste, in: Niedersachsen, 5, 1900, Nr. 17, S. 260–264 – Lorenz, Adolf Friedrich, Zur Geschichte der Rostocker Stadtbefestigung, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock, 20, 1934/35, S. 27–78 (auch separat: Weimar u. Rostock 2007 = Umrisse, Bd. 5) – Lorenz, Adolf Friedrich, Die Mauern und Tore von Rostock, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 1937, S. 258–269
Rothenburg ob der Tauber – Heller, Karl, Rothenburg in Wehr und Waffen, 2. Aufl., Rothenburg 1926 – Eichhorn, Ernst, Zur Baugeschichte und Bedeutung der Befestigungsanlagen in der ehemaligen Reichsstadt Rothenburg o. d. T., ein Beitrag zum fränkischen Wehrbau, seinen städtebaulichen und historischen Voraussetzungen (phil. Diss. Erlangen 1947), 3 Bde. (Text, Tafeln, Abbildungen), Erlangen 1947 – Schnurrer, Ludwig, Die Stadterweiterungen in Rothenburg ob der Tauber, ihre topographischen und sozialen Hintergründe und Folgen, in: Stadterweiterung und Vorstadt, Stuttgart 1969 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Bd. 51), S. 59–79 – Schnurrer, Ludwig, Die St. Wolfgangskirche in Rothenburg o. d. T., Sonderdruck aus: Jahrbuch Verein Alt-Rothenburg e.V., 1985–86, S. 73–75 – Köber, Anke, Archäologische Befunde zur frühstädtischen Umwehrung Rothenburgs ..., in: Das archäologische Jahr in Bayern, 2000, 2001, S. 129–132 – Köber, Anke, Archäologische Forschungen zur hochmittelalterlichen Stadtbefestigung und zum spätmittelalterlichen Judenviertel in Rothenburg, in: Städte, Regionen, Vergangenheiten, Würzburg 2003 (Quellen u. Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, Bd. LIX), S. 91–107 Literatur
319
– Borchardt, Karl, und Ekkehart Tittmann, Mauern – Tore – Türme, Zeugnisse zur Geschichte von Rothenburg o. d. Tauber, Rothenburg o. d. T. 2005 (Rothenburger Hefte, 1 = Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg 2005)
Rottweil – Meckseper, Cord, Rottweil, Untersuchungen zur Stadtbaugeschichte im Hochmittelalter, Diss. Ing. und Habil.-Schr. TH Stuttgart, 2 Bde. (ungedruckt), 1969 – Steinhauser, August, Die Rottweiler Stadtbefestigung von der Stauferzeit bis zum Dreißigjährigen Krieg, Rottweil 1976 – Hecht, Winfried, Pulver aus der Reichsstadt Rottweil, Rottweil 1977 (Kleine Schriften des Stadtarchivs Rottweil, 4) – Gildhoff, Christian, Sondierung bei der Villa Duttenhofer im Bereich der ehemaligen Hochbrückvorstadt von Rottweil, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1989, S. 289–291
Rügenwalde – Hoech, Th., Stadt und Schloß Rügenwalde, in: Der Burgwart, Jg. 18, 1917, S. 113–118
Rüsselsheim – 500 Jahre Stadt und Festung Rüsselsheim, 1437– 1937, Festschrift, Rüsselsheim 1937
Rust – Roth-Fuchs, Gabriele, Die Befestigungsanlage der Freistadt Rust, in: Burgenländische Heimatblätter, 38, 1976, S. 33–42
Rüthen – Henneböle, Eberhard, Die Festung Rüthen und die Rüdenburg, in: Westfalen, Bd. 33, 1955, S. 109–112
Saalfeld – Kuhlmann, Kurt, Das wehrhafte Saalfeld im Laufe der Jahrhunderte, Saalfeld 1935 (Saalfelder Weihnachtsbüchlein, Jg. 82)
Saarbrücken – Herrmann, Hans-Walter, Saarbrücken – französische Festung? Urteile französischer Offiziere über den strategischen und fortifikatorischen Wert der Städte Saarbrücken und St. Johann, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend, 19, 1971, S. 201–219
Salzburg – Kirchschlager, Walter, Salzburger Stadttore, ein historischer Spaziergang entlang den alten Stadtmauern, Salzburg 1985
320 Topographischer Teil
Schaffhausen – Bänteli, Kurt, Zur Baugeschichte der Schaffhauser Stadtbefestigung, Ergebnisse baugeschichtlicher Untersuchungen 1982–89, in: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte, Bd. 66, 1989, S. 93–140 – Bänteli, Kurt, Schaffhausen, seit dem 11. Jahrhundert befestigte Stadt, in: Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins, Jg. 67, 1994, S. 82–92
Schleswig – Petersen, Ernst, Alt-Schleswigs Umwallung, Tore, Brücken und Wehrtürme, in: Beiträge zur Schleswiger Stadtgeschichte, H. 2, 1957, S. 3–20 – Vogel, Volker, Schleswig im Mittelalter, Archäologie einer Stadt (S. 68f.: Die Stadtbefestigung), Neumünster 1989
Schorndorf – Hartmayer, Ralf, Eine wehrhafte Stadt – neue Befunde im Daimler-Carré in Schorndorf, Rems-MurrKreis, in: Archäologische Ausgrabungen in BadenWürttemberg, 2001, S. 214–216
Schwäbisch Gmünd – Strobel, Richard, Die Kunstdenkmäler der Stadt Schwäbisch Gmünd, I: Stadtbaugeschichte, Stadtbefestigung, Heiligkreuzmünster, München, Berlin 2003 (Die Kunstdenkmäler in Baden-Württemberg), S. 105– 152 – Arnold, Susanne, und Michael Weihs, Die „stauferzeitliche“ Stadtmauer in der Badmauer-Gasse in Schwäbisch Gmünd, Ostalbkreis, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1999, 2000, S. 199–200
Schwäbisch Hall – Krüger, Eduard, Die Stadtbefestigung von Schwäbisch Hall, Schwäbisch Hall 1966
Sempach – Rösch, Christoph, Stadtburgen neu betrachtet, am Beispiel von Sempach und Sursee, in: Mittelalter, 17, 2012/03, S. 129–138
Siegburg – Schmitz, Johannes, Die Siegburger Stadtbefestigung, in: Heimatblätter des Siegkreises, 2, 1926, S. 10–17
Simmern – Faller, Karl, Der Schinderhannesturm in Simmern (2. Aufl.), Simmern 1992
Soest – Schwartz, Hubertus, Die Befestigungen einer Hansestadt (Soest), in: Städtewesen und Bürgertum als geschichtliche Kräfte, Gedächtnisschrift für Fritz
Rörig hg. von Ahasver von Brandt, Wilhelm Koppe, Lübeck 1953, S. 437–448 – Schwarz, Hubertus, Mauern und Tore im Norden der Stadt (1961); Die bauliche Entwicklung des Grandweger Tores (1956), in: Gesammelte Aufsätze von Hubertus Schwarz, Soest 1963 (Soester wiss. Beiträge, Bd. 24), 51–56
St. Gallen
Solothurn
– Woldron, Ronald, Burg und Stadtbefestigung von Bad St. Leonhard, Bauhistorische Untersuchung (unveröff. Gutachten), 2011
– Schlatter, Edgar, Baugeschichtliches über die Stadtbefestigungen von Solothurn, Solothurn 1921 (Sonderschriften, hg. vom Historischen Verein des Kt. Solothurn, H. 1) – Hochstrasser, Markus, Befunde zur baulichen Entwicklung der Stadt Solothurn, in: Solothurn, Beiträge zur Entwicklung der Stadt im Mittelalter, Kolloquium vom 13./14. Nov. 1987 in Solothurn (Veröffentlichung des Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich, Bd. 9), Zürich 1990, S. 234–254 – Kaiser, Peter, Zur Geschichte der Stadtmauern von Solothurn, in: Mittelalter, Moyen Age ..., Jg. 2, 1997, H. 2, S. 40–44
Spandau (Berlin) – Biller, Thomas, Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen von Spandau, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 77, 1981, Heft 4, S. 350– 373
Speyer – Behles, Joseph, Das Altpörtel zu Speyer, ein Beitrag zur Baugeschichte der mittelalterlichen Stadttore (3. Aufl.; 1. Aufl. 1959), Baden-Baden 1978 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 323) – Müller, Karl Rudolf, Die Mauern der Freien Reichsstadt Speyer als Rahmen der Stadtgeschichte, (Hg.) Bezirksgruppe Speyer des Historischen Vereins der Pfalz, Speyer 1994 (Beiträge zur Speyerer Stadtgeschichte, Heft 8)
Stargard / Pommern – Stampa, Joachim, Stargard in Pommern, Stadt der Tore und Türme, die Wehrbauten, Elmshorn 1976 (Stampa, Stargarder Buchreihe, 3)
Stettin – Fredrich, Carl, Ein Stück der mittelalterlichen Stadtmauer Stettins, in: Baltische Studien, N. F. 27, 1925, S. 337–347
Steyr – Berndt, Friedrich, Die Wehrbefestigungen der Stadt Steyr, in: Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, 1, 1949, S. 26–32
– Vogler, Werner, Stadt- und Klostermauern in St. Gallen, in: Stadt- und Landmauern, Bd. 3, Zürich 1999 (Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege an der ETH Zürich, Bd. 15.3), S. 107–115
(Bad) St. Leonhard
St. Pölten – Schemper, Karl, Das Linzer Tor (1962); ders., Vom Ledererturm und Ledererbach; ders., Auf den Spuren des Wiener Tores (1970); ders., Vom sogenannten dicken Turm an der Stadtmauer von St. Pölten (1973), in: Mitteilungsblatt des Kulturamtes (St. Pölten) 11, 1962, S. 228–230; 19, 1970, S. 22–24, 300, 325–326, 359– 360, 395–396; 22, 1973, S. 51–52
Straßburg – Apell, Ferdinand von, Geschichte der Befestigung von Strassburg i. E. vom Wiederaufbau der Stadt nach der Völkerwanderung bis zum Jahre 1681 (Repr. Washington 2014, ohne Pläne), Strassburg 1902 – Hatt, Jean-Jacques, Dévouvertes et observations nouvelles sur les enceintes de Strasbourg, in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire, 13, 1969, S. 73–98 – Zumstein, Hans, Fouilles des fondations de la Tour Sainte-Catherine à Strasbourg, in: Cahiers alsaciens d’Archéologie, d’art et d’histoire, 14, 1970, S. 105–116 – Schwien, Jean-Jacques, Strasbourg: La Caserne Barbade, in: Bulletin de la société industrielle de Mulhouse, 1987, No. 3, S. 87–91 – Henigfeld, Yves, Strasbourg (Bas-Rhin), Enceinte [Krautenau], in: Archéologie médiévale, XVIII, 1988, S. 371 – Schwien, Jean-Jacques, Strasbourg (Bas-Rhin), Caserne Barbade, in: Archéologie médiévale, XVIII, 1988, S. 370–371 – Kern, Erwin, La permanence du front est de l’enceinte de l’Antiqité à nos jours, in: Vivre au Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog), Strasbourg 1990, S. 109 – Zumstein, Hans, Fondations de la Tour Sainte-Catherine, in: Vivre au Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog), Strasbourg 1990, S. 111 – Schwien, Jean-Jacques, Le chantier de la Caserne Barbade, in: Vivre au Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog), Strasbourg 1990, S.109–110 – Kern, Erwin, Enceinte du 3e agrandissement de la ville, construite entre 1374 et 1390, in: Vivre au Literatur
321
Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog), Strasbourg 1990, S. 112–113 – Henigfeld, Yves, Enceinte du quatrième agrandissement (1387–1441), in: Vivre au Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog), Strasbourg 1990, S. 114–115 – Klein, Jean-Pierre, und Jean-Jacques Schwien, Strasbourg et ses fortifications au Moyen Age et à l’époque moderne, Mise-au-point et essai de synthèse, in: Vivre au Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog), Strasbourg 1990, S. 21– 32 – Zumstein, Hans, Le fossé de 995 et le problème du premier agrandissement de Strasbourg, in: Cahiers alsaciens d’Archéologie, d’art et d’histoire, 41, 1998, S. 67–73 – Baudoux, Juliette, und Richard Nilles, Fouilles de la ligne B du Tramway: découverte d’un important fossé défensif d’epoque médiévale, rue de Molsheim à Strasbourg, in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire, 42, 1999, S. 65–75
Sulzfeld
Uelzen – ... im Glanzgenuss des Lichts, künstlerische Darstellungen der Uelzener Stadtbefestigung, eine Ausstellung in der Kundenhalle der Stadtsparkasse Uelzen vom 1. bis 30. Juni 1989, Uelzen 1989 – Ring, Edgar, Archäologische Untersuchungen an der Stadtbefestigung in Uelzen, Überlegungen zum Alter der Befestigung und zum Siedlungsprozeß des 13. und 14. Jh., in: Heimatkalender für Stadt und Kreis Uelzen, 1989, S. 113–118 – Ring, Edgar, Stadtbefestigung in Uelzen, Archäologische Untersuchungen und Überlegungen zum Alter der Befestigung, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, 59, 1990, S. 269–274 – Ring, Edgar, Konstruktion und Alter der Befestigung der Stadt Uelzen im Bereich Lüneburger Tor und Schnellenmarkt, in: Heimatkalender für Stadt und Kreis Uelzen, 1990, S. 89–94 – Ring, Edgar, Die Befestigung der Stadt Uelzen vom 13. Jh. bis zum Ende des 30jährigen Krieges, in: Uelzener Beiträge, Bd. 12 (5 Jahre Stadtarchäologie in Uelzen), 1992, S. 69-–82
– Haas, Herbert, Zuwendung des Bundes für die Erhaltung und den Wiederaufbau von Baudenkmälern: Stadtmauer Sulzfeld, in: Die Bauverwaltung, 53, 1980, Nr. 11, S. 426–429
Uerdingen
Sursee s. Sempach
Ulm
Templin
– Loeffler, Emil von, Geschichte der Festung Ulm, Ulm 1881 – Koch, Konrad Albert, Die Entwicklung der mittelalterlichen Stadtbefestigung von Ulm a. d. Donau, in: Der Burgwart, Jg. 18, 1917, S. 18–19, 34–38 – Koch, Konrad Albert, Erste deutsche bzw. Dürersche Befestigung der Stadt Ulm, in: Der Burgwart, Jg. 19, 1918, S. 62–65 – Schefold (Oberst), Geschichte der Festung Ulm, in: Ulmische Blätter für heimatliche Geschichte, Kunst und Denkmalpflege (Monatsbeilage zum Ulmer Tagblatt), Jg. 2, 1925, S. 1–3, 14–5, 19–21 – Speidel, Erich, Sanierung der Ulmer Stadtmauer, in: Die Bauverwaltung, 58, 1985, Nr. 2, S. 66, 68 – Oexle, Judith, Der Ulmer Münsterplatz im Spiegel archäologischer Quellen, Stuttgart 1991. – Bräuning, Andrea, Neue Ergebnisse der Grabungen auf dem Ulmer Münsterplatz, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1992, S. 335–339 – Bräuning, Andrea, Um Ulm herum, Untersuchungen zu mittelalterlichen Befestigungsanlagen in Ulm; mit Beiträgen von Anke Burzler u. a., Stuttgart 1998 (Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg, Bd. 23) – Bräuning, Andrea, Nachgrabungen auf dem Grünen Hof in Ulm im Bereich des Diebsturms und des
– Stock, W., Über die mittelalterliche Befestigung der Städte Bernau, Prenzlau, Fürstenwerder und Templin, in: Der Burgwart, Jg. 7, 1906, 69–73, und 8, 1907, 13–17
Tittmoning – Kottmayr, M., Stadt und Burg Tittmoning in: Der Burgwart, Jg. 14, 1913, S. 73–77
Tübingen – Kirchhoff, Joachim und Erich Sommer, Hochmittelalterliche Siedlungsbefunde am Kelternplatz in Tübingen, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 1990, S. 249–252
Überlingen – Telle, Wilhelm, Überlingens Wehr, Beitrag zur geschichtlichen Entwicklung seiner Befestigungen, in: Badische Heimat, Jg. 11, 1924, S. 79–84 – Telle, Wilhelm, Die Überlinger Befestigungen, in: Telle, Wilhelm, Aus der Geschichte Überlingens, m. e. Anh. zusammengestellt v. Alfons Semler, Überlingen 1928, S. 1–66
322 Topographischer Teil
– Jakubowicz, Victor, Aus der Geschichte des Uerdinger Obertores, in: Die Heimat, Krefelder Jahrbuch 6, 1927, S. 126–138
Gefängnisses, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 2001, S. 198–220
Villach – Fresacher, Walther, Die Verteidigung von Villach im Mittelalter, in: Jahrbuch des Museums der Stadt Villach, in: Neues aus Alt-Villach, 3, 1966, S. 19–50 – Neumann, Dieter, Geschichte der Stadtmauer und der Verteidigung von Villach, in: Neues aus Alt-Villach, 24. Jahrbuch des Stadtmuseums, 1987, S. 41–86
Villingen – Jenisch, Bertram, Archäologische Untersuchungen zur mittelalterlichen Topographie von Villingen, Stadt Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden Württemberg, 1988, 1989, S. 304–308 – Jenisch, Bertram, Neue Aspekte zur Villinger Stadtbefestigung, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 3/1994, S. 100–108
Wachenheim – Ulrich, Stefan, „Es irrt der Mensch, solang er strebt.“ Das neue Modell der Wachtenburg und seine Folgen, neue Erkenntnisse zu Burg und Stadtbefestigung Wachenheim, in: Pfälzer Heimat, Jg. 64, 2013, H. 2, S. 71–82
Waidhofen/Thaya – Woldron, Ronald, Waidhofen an der Thaya, die Stadtbefestigung (unveröff. Gutachten) Waidhofen 2009
Waidhofen/Ybbs – Richter, F., Der älteste Torturm des Marktes Waidhofen/Y. (1976); ders., Ybbstor und Ybbsturm (1977); ders., Das einstige Weyrer Tor in W./Y., (1978); ders., Das einstige Amstettner Tor in W./Y. (1979), in: Waidhofener Heimatblatt, 2–5, 1976–79
Waldkirch – Allgeier, Reinhard, Andreas Haasis-Berner und Thomas Kern, Neues zu den Stadtmauern, in: Waldkircher Heimatbrief, Nr. 167, Mai 1998, S. 3 – Haasis-Berner, Andreas, Die Stadtmauern von Waldkirch, in: Waldkircher Heimatbrief, Nr. 165, Dez. 1997 u. 166, März 1998, S. 4–9, 4–6
Wangen – Jaenger, Fernand (über die Mauern von Wangen und Geispolsheim), in: Cahiers alsaciens d’histoire et d’archéologie, 1947, S. 133–136
Weier (Wihr-au-Val) – Goehner, Charles, L´enceinte médiévale de Wihrau-Val, in: Cahiers d’archéologie et d’histoire d’Alsace, Jg. 15, Nr. 57–60, 1924, S. 237–240
Weimar – Fink, Fritz, Die Stadtbefestigung – Mauern, Tore und Türme im alten Weimar, Weimar o. J. (1932) (Beiträge zur Geschichte der Stadt Weimar, Heft 9)
Weinsberg – Haag, Simon M., Helmut Deininger und Manfred Wiedmann, Die Schenkelmauern zwischen Burg und Stadt Weinsberg und die Vorburgsiedlung, oder die Unterstützung historischer Forschung durch neuere naturwissenschaftliche Errungenschaften, in: Württembergisch Franken, 84, 2000, S. 75–101
Weißenburg im Elsass – Schellmanns, René, La Porte Saint-Etienne revoit le jour, in: L’Outre-Forêt, Nr. 58, 1987, Heft 2, S. 57 – Schellmanns, René, Porte Sainte-Etienne, Wissembourg, Tour-porte du rempart nord, in: Vivre au Moyen Age, 30 ans d’archéologie médiévale en Alsace (Ausstellungskatalog) Strasbourg 1990, S. 115
Weißenburg in Bayern – Burger, Daniel, Die Weißenburger Stadtmauer um die Andreaskirche, ein archäologischer Befund zur Stadterweiterung von 1376, in: Beiträge zur Archäologie in Mittelfranken, 3, 1997, S. 172–190
Weißenfels – Sachse, Maik, Die Weißenfelser Stadtbefestigung, in: Weißenfelser Heimatbote, Jg. 6, 1997, S. 105–112
Wemding – Gräser, Lothar und Joseph Schneid (+), Die Stadtmauer von Wemding, Leben in einer spätmittelalterlichen Stadt, Hg. Stadt Wemding, Wemding 1993 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Wemding, Nr. 3)
Werdau – Beier, Hans-Jürgen, Inge Hempel und Olaf Kreßner, Die Stadtbefestigung zu Werdau, in: Burgenforschung aus Sachsen, 9, 1996, S. 106–119
Werdenberg – Albertin, Peter, Werdenberg, in: Mittelalter, 5 Jg., 2000, H. 2, S. 36–47
Werl – Lobbedey, Uwe, und Wanda Przeorski, Archäologische Beiträge, in: Werl, Geschichte einer westfälischen Stadt, Bd. 1, Paderborn 1994, S. 26–27 Literatur
323
Werne/Lippe – Pohlschmidt, Hermann, Die Wehrverfassung der Stadt Werne (phil. Diss. Münster 1924), Münster 1924
Wesel – Bellebaum, Doris, Die Befestigungen der Stadt Wesel in ihrer Entwicklung 1349–1552, dargestellt auf Grund von Stadtrechnungen (phil. Diss. Köln 1959), Köln 1961 – Schmidtchen, Volker, Wesel – Fester Platz in sieben Jahrhunderten, befestigte Stadt des Mittelalters und neuzeitliche Festung, in: Forschen, erhalten, pflegen, nutzen, Wesel 1991(Schriftenreihe Festungsforschung, Bd. 10), S. 159–180
Westhofen/Westhoffen – Zumstein, Hans, Die mittelalterlichen Befestigungen von Westhoffen, in: Pays d’Alsace, 79-80,1972/ 3–4, S. 43–46 und Plan – Dottori, Boris, L’enceinte fortifiée de Westhoffen (Bas-Rhin), étude historique et architecturale (XIVXIX siècles), in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d´art et d’histoire, 56,2013, S. 147–175
Wetzlar
– Wiener Stadt- und Burgbefestigung (Themenheft), Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 64, 2010
Wiener Neustadt – Lind, Karl, Die alten Stadttore zu Wiener Neustadt, in: Berichte und und Mitteilungen des Altertumsvereins zu Wien, 22, 1883 – Staub, Franz, Die Reckthurmfrage in Wiener-Neustadt, in: Illustrierter Wiener-Neustädter Kalender, Jg. 12, 1902, S. 108–142 – Woldron, Ronald, Die Stadtmauer nördlich des Rabenturms (unveröff. Gutachten), 2010
Wiesloch – Hildebrand, Ludwig H., und Uwe Gross, Notbergungen an der mittelalterlichen Stadtmauer von Wiesloch, Rhein-Neckar-Kreis, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg, 2000, S. 200–202
Wildeshausen – Steffens, Heino-Gerd, Stadtkernforschung in Wildeshausen, Lkr. Oldenburg, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, 43, 1974, S. 197–198
(Bad) Wimpfen
– Ebel, Friedrich, Die Wetzlarer Stadtbefestigung, in: Der Burgwart, Jg. 5, 1904, S. 87–94 – Schoenwerk, August, Die Wetzlarer Stadtbefestigung, in: Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins, 23. H., 1967, S. 6–47
– Remmele, Martin, Die Entwicklung der mittelalterlichen Stadtbefestigung von Wimpfen am Berg, in: Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden-Württemberg, Bd. 8, Stuttgart 1983, S. 423–442
Wien
Winterthur
– Geschichte der Stadt Wien, hg. v. Altertumsverein zu Wien, Red. v. H. Zimmermann, Bd. 1: Bis zur Zeit der Landesfürsten aus habsburgischem Hause, 1282; 2,1: Von der Zeit der Landesfürsten aus habsburgischem Hause bis zum Ausgange d. Mittelalters, Wien 1897–1900. – Bd. 1: Wendelin Boeheim, Das Befestigungs- und Kriegswesen, S. 262–292; Bd. 2,1: A. Kutzlnigg, Das Befestigungs- und Kriegswesen, S. 290–294, 307–316, 318–321 – Brunner, Otto, Zur Geschichte der Befestigung Wiens im Mittelalter, in: Monatsblatt des Vereines für Geschichte der Stadt Wien, Bd. 14, 8. (43.) Jg., 1926, S. 154–159 – Schieri, Monika, Umwallung Wiens von 1529– 1683 (phil. Diss. Wien 1968), Wien 1968 – Hummelberger, Walter, und Kurt Peball, Die Befestigungen Wiens, Wien, Hamburg 1974 (Wiener Geschichtsbücher, Bd. 14) – Ladenbauer-Orel, Herta, Die Wiener Stadterweiterung um 1200, in: Mitteilungen der österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte, Bd. 26, 1976, S. 149–161
324 Topographischer Teil
– Stadttor in Winterthur, in: Schweizer Ingenieur und Architekt, 105, 1987, S. 1175–1177 – Windler, Renata, Neues zur Winterthurer Stadtbefestigung, die Ausgrabungen in der Alten Kaserne (Technikumstr. 8), in: Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins, 63, 1990 (Bd. 16), S. 90–100 – Wild, Werner, Stadtbefestigung und Steinbauten des 13. Jh. in Winterthur – die Untersuchungen an der Technikumstr. 20–22, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 59, 2002, H. 1, S. 1–24
Wittstock – Dost, Wolfgang, Die Wittstocker Stadtmauer, backsteinerner Zeuge 750-jähriger Stadtgeschichte, Wittstock 1997
Wölfersheim – Losse, Michael, Der Weiße Turm der Stadtbefestigung in Wölfersheim (Hessen), in: Festungsjournal, H. 19, Febr. 2003, S. 56
Worms – Isele, Heribert, Das Wehrwesen der Stadt Worms von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jhs. (phil. Diss. Heidelberg 1950), Heidelberg 1950 – Reuß, Hans, Um Zoll, Geleit und Wachen, zur Vergangenheit der beiden Wehrzollhäuser am Wormser Rheinfahr, in: Der Wormsgau, 3, H. 6, 1957, S. 391–403 – Armknecht, Karl Heinz, Die Wormser Stadtmauern, in: Der Wormsgau, 9, 1970/71, S. 54–65 – Grün, Wolfgang, Fritz Reuter und Walter Hotz, Wehrhaftes Worms (8 Aufsätze mit verschiedenen Untertiteln), in: Wormser Monatsspiegel, Februar – September 1982 – Grünewald, Mathilde, Die neuen Daten der inneren Wormser Stadtmauer und der östlichen Stadterweiterung (und: Mechthild Neyses, Dendrochronologische Untersuchungen an Hölzern aus dem Stadtbereich von Worms), in: Festschrift für Fritz Reuter zum 60. Geburtstag, Worms 1990 (Der Wormsgau, Sonderheft), S. 51–72,161–166 – Grünewald, Mathilde, Neue Thesen zu den Wormser Stadtmauern, mit Exkursen zur Mauerbauordnung und der Vita Burchardi sowie Bemerkungen zur Lage des Wormser Hafens, in: Mannheimer Geschichtsblätter, N. F. Bd. 8, 2001, S. 11–44, 449–480 – Wagener, Olaf, und Aquilante De Filippo, Die Wormser Stadtmauer – neue Erkenntnisse zu Datierung und Entwicklung ..., in: Der Wormsgau, 30. Bd 2013, S. 19–58
Würzburg
nen und Ansichten, in: Aus dem Schwarzwald, 34, 1926, S. 8–10
Zell am Harmersbach – Hesselbacher, Martin, Die Stadtbefestigung von Zell am Harmersbach, Maßnahmen zu ihrer Erhaltung, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Jg. 1, 1972, S. 19–25
Zellenberg, Gemar – Jaenger, Fernand, Die mittelalterlichen Befestigungswerke von Zellenberg und Gemar, in: Cahiers d’archéologie et d’histoire d’Alsace, Jg. 18, Nr. 69–72, 1927, S. 87–93
Zerbst – Specht, Reinhold, Die Wehranlagen der Stadt Zerbst, in: Sachsen und Anhalt, Jahrbuch der Historischen Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt, 5, 1929, S. 38–103
Ziegenhain – Apell, Ferdinand von, Die ehemalige Festung Ziegenhain, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde, 35. Bd. (N. F. 25. Bd.), 1901, S. 192–320
Zistersdorf – Schmid, Josef, Der Streit um ein Zistersdorfer Stadttor, in: Unsere Heimat, 41, 1970, H. 2, S. 82–84
– Seberich, Franz, Die Stadtbefestigung Würzburgs, 2 Bde (Bd. 1: Die mittelalterliche Befestigung mit Mauern und Türmen), Würzburg 1962–63 (Mainfränkische Hefte, H. 39, 1962, und 40, 1963) – Kopp, Walter, Würzburger Wehr, eine Chronik zur Wehrgeschichte Würzburgs, Würzburg 1979 (Mainfränkische Studien, Bd. 22) – Vychitil, Peter, Neues zur frühen Stadtbefestigung Würzburgs, Unterfranken, in: Das archäologische Jahr in Bayern, 1982, S. 149–150 – Vychitil, Peter, Archäologische Beobachtungen und Ausgrabungen zu einer älteren Würzburger Stadtbefestigung, in: Mainfränkische Studien, Bd. 67, Würzburg 2000 (Beiträge zur Archäologie in Unterfranken), S. 41–48 – Heyse, Dieter, Frank Feuerhan, und Petra Mößlein, Würzburgs frühe Stadtbefestigungen auf der Grundlage neuer archäologischer Ausgrabungen in den Jahren 2003 und 2004, in: Mainfränkische Studien, Bd. 71, Büchenbach 2004 (Beiträge zur Archäologie in Unterfranken, 2004), S. 165–176
Zons
Zavelstein
– Hakala, Hans, Der Anton-Turm, in: Niederösterreichische Landzeitung, Festausgabe zum Zwettler Sommerfest 1962, S. 63–64
– Koch, Konrad Albert, Zavelstein, einiges über die ehemalige Befestigung von Stadt und Burg mit Plä-
– Zons und seine Stadtmauer (mehrere Aufl. um 1907/ 09), Essen 1909
Zug – Rothkegel, Rüdiger, Die Befestigungen der Stadt Zug im ausgehenden Mittelalter: von (Leitungs-)gräben und (Stadt)mauern, in: Tugium, 8, 1992, S. 111–135 – Rothkegel, Rüdiger, Die Befestigungen der Stadt Zug/Schweiz in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, Köln usw. 1997, S. 179–192 – Rothkegel, Rüdiger, Die Stadt Zug und ihre Mauern, in: Tugium, 16, 2000, S. 135–151
Zürich – Mantel, Alfred, Geschichte der Zürcher Stadtbefestigung, in: Neujahrsblatt der Feuerwerker-Gesellschaft in Zürich, 114 (S. 5–61), 115 (S. 3–55), 116 (S. 3–53), 1919–21
Zwettl
Literatur
325
4. Befestigungen nichtstädtischer Siedlungen, Landwehren und Warten (chronologisch nach Erscheinungsjahr)
Vorbemerkung Dieser Teil des Literaturverzeichnisses bietet nur eine Auswahl der auch hier weit verstreuten, oft heimatgeschichtlich geprägten Literatur, weil die Thematik nur teilweise Fragen städtischer Befestigungen berührt. Insbesondere zu den Landwehren ist festzuhalten, dass sie nicht nur Städte, sondern sehr früh auch schon größere Regionen bzw. Herrschaften sicherten; dabei sind Ursprünge und Entwicklung ein viel diskutiertes, hier nicht zu klärendes Thema. Die Auswahl erfasst in erster Linie neuere Überblicksarbeiten, soweit sie an halbwegs zugänglicher Stelle publiziert sind, jedoch hätte ein vollständiges Ausscheiden älterer Publikationen das Bild auch verzerrt. Literatur, in der Landwehren und/oder Warten zusammen mit der eigentlichen Stadtbefestigung behandelt werden, sind in der Regel nicht hier aufgeführt, sondern im Teil 3. des Literaturverzeichnisses. Eine gute Auswahl neuester Literatur bietet auch: de.wikipedia.org/wiki/Landwehr. Wörner, Ernst, und Max Heckmann, Orts- und Landesbefestigungen des Mittelalters mit Rücksicht auf Hessen und die benachbarten Gebiete, Mainz 1884 Pelissier, Eduard, Zur Topographie und Geschichte der linksmainischen Landwehren der Reichsstadt Frankfurt, in: Programm des Lessing-Gymnasiums zu Frankfurt a. M., Ostern 1901, S. 3–63 Pelissier, Eduard, Zur Topographie des rechtsmainischen Gebiets der Reichsstadt Frankfurt a. M. und der sogenannten Landwehr um die Stadt (phil. Diss. Freiburg/Br. 1902?), Frankfurt/M. 1902 Hertlein, F., Einzelstehende Warttürme, in: Der Burgwart, Jg. 5, 1904, S. 79–82, 94–97 Weerth, Otto, Über Knicke und Landwehren, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine, 54, 1906, Sp. 372–380 Pelissier, Eduard, Der gegenwärtige Stand der Landwehrforschung, in: Deutsche Geschichtsblätter, 11, 1910, S. 11–21 Bemmann, Rudolf, Der Mühlhäuser Landgraben, in: Mühlhäuser Geschichtsblätter, 10, 1909, S. 14–36 Pelissier, Eduard, Landwehren des Erzstifts Mainz, in: Mainzer Zeitschrift, Bd. 17/19, 1921/24, S. 28–33 Bartelt, Wilhelm, Die Landwehren, Schwedenschanzen und Landwehrgräben im Ruppiner Kreis, Neuruppin 1922
326 Topographischer Teil
Frenzel, Walter, Der Lausitzer Grenzwall, ein Riesenwerk der Sechsstädter, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Vorgeschichte und Geschichte der Oberlausitz zu Bautzen, 1927, S. 38 f. Pelissier, Eduard, Die Landwehren der Dreieich, Frankfurt/M. 1928 Krüger, Herbert, Die Landwehrbefestigung der Stadt Höxter, in: Zeitschrift f. vaterländische Geschichte u. Altertumskunde, Bd. 86/2, 1929, S. 60–94 Borchers, Karl, Die Landwehren der Reichsstadt Goslar, in: Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde (später: Harz-Zeitschrift), 64, 1931, S. 71–81 Hering, Elisabeth, Befestigte Dörfer in südwestdeutschen Landschaften (mit bes. Berücksichtigung d. Rhein-Main-Gebietes) und ihre Bedeutung für die Siedlungsgeopgraphie, nat.-wiss. Diss. Frankfurt/M. 1934, Naumburg 1934 Engels, Wilhelm, Die Bauart der bergischen Landwehren, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, 62, 1934, S. 73–77 Engels, Wilhelm, Die Barmer Landwehr, in: Zeitschrift d. Bergischen Geschichtsvereins, 63, 1935, S. 78–90 Weerth, Karl, Westfälische Landwehren, in: Westfälische Forschungen, 1, 1938, S. 158–198 Engels, Wilhelm, Die Landwehren in den Randgebieten des Herzogtums Berg, in: Zeitschrift d. Bergischen Geschichtsvereins, 66. Bd., Jg. 1938, S. 67–278 Engels, Wilhelm, Landwehren und Landesgrenzen, in: Rheinische Vierteljahresblätter, 9, 1939, S. 149–153 Feise, Wilhelm, Die Einbecker Landwehr, in: Blätter aus Volkstum u. Heimat, Hildesheim, 1940, S. 41–52; u. in: Aus Einbecks Vergangenheit, Oldenburg 1998 (= Quellen u. Materialien z. Geschichte d. Stadt Einbeck, 5), S. 83–103 Beschorner, Hans, Dreißig Jahre weiterer Landwehrforschung, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Bd. 86, 1941, S. 131–157 Middelhauve, Lutz, Die Landwehren der Stadt Lüneburg, in: Lüneburger Blätter, 1, 1950, S. 15–29 Schultz, Hans Adolf, Die Landwehr der Stadt Braunschweig, ihr Verlauf im Lichte der neuesten For-
schung, in: Braunschweigische Heimat, Jg. 40, 1954, S. 73–77 Weerth, Karl, Westfälische Landwehren, in: Westfälische Forschungen, Bd. 8, Münster 1955, S. 206–213 (vgl. auch den Artikel des Autors in der gleichen Reihe, Bd. 1, 1908) Weikmann, Meinrad, Befestigte Dörfer, in: Deutsche Gaue, Bd. 52, 1960, S. 6–74 Conrad, Otto, Der altwürttembergische Landgraben vom Heuchelberg zum Bottwartal 1456–1805, in: Historischer Verein Heilbronn, 24. Veröffentl., 1963, S. 87– 121 Woltering, Herbert, Die Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber und ihre Herrschaft über die Landwehr, 2 Teile (Rechts- u. Staatswiss. Diss. Münster 1965), Teil 1 sep.; Teil 2 = Jahrbuch 1971/72 des Vereins AltRothenburg, Rothenburg o. d. T., 1966–71 (u. unveränd. Nachdr. in einem Band, Insingen 2010)
Bürger, Otto, Die Hardenberger Landwehr von der Velau in Velbert bis Horath, in: Historische Beiträge des Bergischen Geschichtsvereins, Abt. Velbert – Hardenberg, Heft 9, 1988 Butz, Reinhardt, Zur Landwehraufnahme in Sachsen, in: Archäologie und Heimatgeschichte, 4, 1989, S. 45– 49 Mattern, Eduard und Reinhard Wolf, Die Haller Landheg, ihr Verlauf und ihre Reste, Sigmaringen 1990 (Forschungen aus Württembergisch Franken, Bd. 35; m. umfangreichen Literaturangaben zu Landwehren) Tappe, Ernst, Die Bedeutung der Lemgoer Landwehren, in: 800 Jahre Lemgo. Aspekte der Stadtgeschichte, Lemgo 1990 (Beiträge z. Geschichte der Stadt Lemgo, Bd. 2), S. 171–188 Butz, Reinhardt, Die Landwehren an den Grenzen der Klosterherrschaft Dobrilugk, in: Sächsische Heimat, 1991, H. 4, S. 58–60
Grimm, Paul, Zu den Landwehren des oberen Eichsfeldes, in: Studien zur europäischen Vor- und Frühgeschichte, Neumünster 1968, S. 180–187
Butz, Reinhard, Die Landwehren im Herrschaftsbereich der Schönburger, in: Sächsische Heimat, 1991, H. 4, S. 120–123
Neugebauer, Werner, Die mittelalterliche Landwehr der Hansestadt Lübeck, in: der Wagen, 1969, S. 74–78
Butz, Reinhardt, Landwehren als Grenzmarkierungen im Bereich der Klosterherrschaft Dobrilugk, in: Die Schwarze Elster, Nr. 33 (610), Juni 1991, S. 5–7
Stein, Günter, Stadt-, Dorf-, Kirchen-, Klöster und Friedhofsbefestigungen sowie Landwehren des Mittelalters, in: Pfalzatlas, Textband (Lief. 21, nebst Karte Vorl. 74), Speyer 1973, S. 781–824 Liessem, Udo, Zur Bau- und Kunstgeschichte des Pferdeturmes in Hannover-Kleefeld, in: Hannoversche Geschichtsblätter, N. F. Bd. 33, 1979, H. 1–3, S. 63–70 Schlag, Willi, Alte Grenzbefestigungen, Landwehren und Grenzsteine im Bereich der Verbandsgemeinde Westerburg, Westerburg 1979 (Westerburger Hefte, 13) Neugebauer, Werner, Landwehr und Landgraben, wehrhafte Zeugnisse des mittelalterlichen Lübeck, in: Archäologie in Lübeck, Lübeck 1980, S. 134–136 Ehrentraut, Hans-Peter, Zur Lage und Bedeutung der mittelalterlichen Landwehren im Nordosten des Kreises Riesa, in: Ausgrabungen und Funde, 26, 1981, S. 51–54
Butz, Reinhardt, Die Landwehren der Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig, ihr archivalischer, archäologischer, siedlungs- u. namenkundlicher Nachweis u. zur Bestimmung ihrer Funktion, in: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift, 32, 1991, S. 358– 363 Butz, Reinhardt, Die Landwehr von Peres, Lkr. Borna, in: Arbeits- u. Forschungsberichte z. sächsischen Bodendenkmalpflege, 35, 1992, S. 225–230 Butz, Reinhardt, Landwehren im Befestigungswesen Sachsens, in: Burgenforschung aus Sachsen, 7, 1995, S. 33–55 Hellmuth Andersen, Henning, Das Danewerk, zur Wehr des ganzen Reiches, Neumünster 1996 (Geschichte und Kultur Schleswig-Holsteins, 2), 1996 Buttler, Jens, Die Hildesheimer Landwehr, in: Hildesheimer Jahrbuch, 69, 1997, S. 137–159
Pieper, Kurt, Landwehren im Raume Mönchengladbach, Ursprung, Bedeutung und Bestand, in: Rheydter Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Heimatkunde, 14, 1982, S. 99–139
Budde, Thomas, Die Helmstedter Landwehr, ein Beitrag zur Erforschung mittelalterlicher Grenzbefestigungen, Hameln 1998 (Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 16)
Butz, Reinhardt, Die Landwehren der Bezirke Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig, ihr archivalischer, archäologischer, siedlungs- und namenkundlicher Nachweis und zur Bestimmung ihrer Funktion, PH Dresden (ungedruckte phil. Diss.) 1988
Kneppe, Cornelia, Die Anfänge der Bielefelder Stadtlandwehr, in: Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, Köln usw. 1997, S. 137–164 Schneider, Alois, Grenzlinien spätmittelalterlicher städtischer Territorialherrschaften, Die Schwäbisch Literatur
327
Haller und Rothenburger Landhege, in: Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, Köln usw. 1997, S. 111–135 Butz, Reinhardt, Zu einigen ausgewählten Landwehren im Raum zwischen Elsterwerda, Senftenberg, Sonnewalde, Schlieben und Bad Liebenwerda, in: Der Speicher, Jahresschrift des Kreismuseums Finsterwalde und des Vereins der Freunde und Förderer des Kreismuseums Finsterwalde, Heft 4, Zittau 2000, S. 5–11 Butz, Reinhardt, Gerhard Billig, Hans-Peter Ehrentraut, Der Teufelsgraben, eine Landwehr in der Großenhainer Pflege, in: Anthropogene Formenelemente in der Landschaft, ein Auswahlband, hg. von Jürgen Knauss, Crimmitschau 2001 (Mitteilungen zur Geographie, Landes- und Volkskunde, Bd. 5), S. 69–87 Butz, Reinhardt, Wenig beachtete Kulturlandschaftsrelikte, in: Anthropogene Formenelemente in der Landschaft, ein Auswahlband, hg. von Jürgen Knauss, Crimmitschau 2001 (Mitteilungen zur Geographie, Landes- und Volkskunde, Bd. 5), S. 47–68 Butz, Reinhardt, Ergebnisse der Landwehraufnahme in Sachsen und methodische Hinweise, in: Im Dienste der historischen Landeskunde, Beiträge zu Archäo-
328 Topographischer Teil
logie, Mittelalterforschung, Namenkunde und Museumsarbeit, vornehmlich in Sachsen, Festgabe für – G. Billig zu seinem 75. Geburtstag, hg. von Rainer Aurig u. a., Beucha 2002, S. 327–350 Helbeck, Gerd, Die bergischen Landwehren zwischen Wupper, Ennepe und Bever, in: Romerike Berge, 53. Jg. 2003, H. 3, Seite 2ff. Kollmann, Martin, Landwehren, in: Romerike Berge, 57. Jg., 2007, H. 1, S. 27–41 Schilling, Arniko F., „Warthen ob dem Gebürg“, in: 850 Jahre Burg Zwernitz, Bayreuth 2007, S. 56–62 Frankewitz, Stefan, Stadt- und Landbefestigungen am Niederrhein im späten Mittelalter, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, S. 251–272 Obrecht, Jakob, Letzimauern und Seesperren in der Innerschweiz, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, S. 171–186 Schmitt, Reinhard, Dorfbefestigungen im heutigen Sachsen-Anhalt, in: „vmbringt mit starcken turnen, murn“, S. 187–206 Wozniak, Thomas, Feldwarten und Landwehr von Quedlinburg, in: Burgen und Schlösser in SachsenAnhalt, H. 24, 2015, S. 247–305
Glossar Artillerie(zeitalter) Unter Artillerie versteht man Pulvergeschütze (umgangssprachlich „Kanonen“), die in systematisierter Form eingesetzt bzw. in Zeughäusern hergestellt und dauerhaft instand gehalten werden. Nachdem in Europa erste Pulvergeschütze schon in der 1. Hälfte des 14. Jh. belegt sind, fand diese Systematisierung der neuen Waffenart in der 2. Hälfte des 15. Jh. statt, insbesondere durch die Einführung von Kalibern, d. h. normierten Kugelgrößen. Die hohe Zerstörungskraft der Artillerie, die bis heute Bedeutung hat, führte im 15./16. Jh. zu einem grundlegenden Wandel der Bauformen von Befestigungen.
Ausfallpforte Neben den Toren besaßen viele Stadtmauern auch Pforten, die nur für einzelne Personen geeignet waren. Sie werden meist als Ausfallpforten oder Schlupfpforten bezeichnet, wurden aber fraglos nicht nur für Überraschungsangriffe auf Belagerer, sondern im weitesten Sinne für die Kommunikation der Stadt mit dem Vorland genutzt. Vgl. 2.2.6.5.
Außenwall Ein Wall, der, durch einen Graben getrennt, vor der Mauer oder dem Zwinger lag und vor dem seinerseits feldseitig ein weiterer Graben lag; es konnte auch zwei und noch mehr Außenwälle mit vorgelagerten Gräben geben, insbesondere im Flachland. Vgl. 2.2.11.6.
Backstein Von Hand versetzbare Quader verschiedener, aber jeweils normierter Größe aus einem steinähnlichen Material, das durch Brennen von (manchmal lehmhaltigen) Ton entsteht. Backstein (modern: Mauerziegel) ersetzte im Mittelalter Naturstein insbesondere dort, wo dieser selten war, d. h. vor allem in eiszeitlich geprägten Flachlandregionen (Norddeutschland, Bayern südlich der Donau). Wegen der Suche nach geeigneten Tonvorkommen und des aufwendigen Herstellungsprozesses war Backstein kein billiges Material. Vgl. 2.2.2.4.
Barbakane Eine Barbakane – das Wort kommt aus dem Persischen: barbah-hané meinte eine Mauer mit Schießscharten oder auch nur die Scharte selbst – ist eine Art von Torzwinger, der weit vor das Tor vorspringt und dort eine Art (nicht überdachtes) Rondell mit vielen Geschützscharten bildet. Barbakanen, die wohl im frühen 15. Jh. von den Hussiten „erfunden“
wurden und in den Böhmen umgebenden Ländern (Schlesien, Sachsen, Thüringen, Franken) besonders verbreitet waren, waren eine der frühen Reaktionen auf die Verbreitung der Artillerie. Vgl. 2.2.11.4.
Bastion Der Begriff wird in der Literatur verschieden verwendet, insbesondere unterschied die Literatur des 19. Jh. zum Festungsbau zwischen „Rundbastionen“ und „Spitzbastionen“. Wegen der grundsätzlichen Unterschiede nicht nur in der Form, sondern auch der Funktion und Entstehung werden die Ersteren hier als (Erd-)Rondelle, die Letzteren einfach als Bastionen bezeichnet. Die Bastionen in diesem Sinne wurden um 1500 in Nord- und Mittelitalien entwickelt, aus der Zielvorstellung einer besonders ökonomischen Flankierung aller Bauteile heraus, drangen dann schon im 16. Jh. in fast alle Teile der damaligen Welt vor und blieben bis ins 19./20. Jh. aktuell. Vgl. 2.2.11.7. und 2.3.1.
Baulos Wenn bei einem umfangreichen Bauwerk schon bei der Planung einzelne Abschnitte abgegrenzt und an verschiedene Ausführende (heute: Baufirmen) vergeben werden, so bezeichnet man diese Teilaufträge, aber auch die Bauabschnitte, die aus ihnen hervorgehen, als Baulose.
Bering Altertümlicher Ausdruck für den Mauerring
Berme Ein unbebauter – d. h. vor allem nicht als Zwinger ausgebauter – Geländestreifen zwischen der Mauer und dem Graben, der eine erhebliche Breite erreichen kann.
Blide Eine Blide (auch Tribok, fr. trébuchet) war eine große, hölzerne Wurfmaschine aus der Zeit vor den Feuerwaffen, die mit einem langen Hebelarm und einem schweren Gegengewicht funktionierte. Sie konnte schwere Steine (kugelähnlich bearbeitet, rund 30 kg) über mehrere Hundert Meter weit – aktuelle Schätzungen gehen bis zu 450 m – recht zielgenau werfen und damit erhebliche Zerstörungen zumindest an Holzbauteilen und dünneren Mauern bewirken. Alle modernen Rekonstruktionen beruhen auf ungenauen mittelalterlichen Zeichnungen und den viel exakteren Darstellungen von Viollet-le-Duc aus dem 19. Jh.; die Geschosse sind jedoch zahlreich gefunden worden. Glossar
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Brillenscharte Eine Maulscharte, deren äußere Öffnung zwei seitliche Rundöffnungen durch einen schmaleren „Steg“ in der Mitte verbindet. Meist nach innen abgetreppt, eine Form des 16. Jh. für Handfeuerwaffen oder kleine Geschütze. Vgl. 2.2.11.3.
Brockenmauerwerk Im Grunde eine Variante des Bruchsteinmauerwerks, nur aus wesentlich größeren Steinen. Auszwickung mit kleineren Steinen ist häufig, die Ansichtsseite (Spiegel) kann grob geglättet sein. Brockenmauerwerk tritt vor allem im 15. Jh. auf.
Bruchstein(mauerwerk) Bruchstein ist Naturstein, der so zu Mauerwerk verarbeitet wird, wie er aus dem Steinbruch kommt, ohne Bearbeitung durch Steinmetze. Bruchsteinmauerwerk ist daher deutlich billiger als vor allem Quaderwerk, aber auch anfälliger, weil der Mörtelanteil höher ist und daher die Verwitterung bessere Angriffsmöglichkeiten hat. Es wurde vor allem dort verwendet, wo der Naturstein für Steinmetzarbeit wenig geeignet war oder wo besondere Sparsamkeit herrschte. Vgl. 2.2.2.1.
Brustwehr Die Brustwehr ist eine relativ dünne Mauer (auf Wehrgängen oder Türmen), die den Verteidiger gegen die Geschosse von Angreifern schützt. Sie ist daher in der Regel etwa 1,60 m hoch (das reicht, weil der Schütze viel tiefer steht) und mit Zinnen und/ oder Scharten versehen, damit auch der Verteidiger schießen oder werfen kann. Vgl. 2.2.3.4.
Buckelquader Buckelquader (auch Bossenquader) sind Quader, bei denen der Spiegel (= die in der Wand sichtbare Seite) zwar durch Bearbeitung seiner Ränder, den Randschlag, exakt definiert wurde, bei denen aber der Bereich in der Mitte nicht glatt gearbeitet wurde, sondern roh oder wenig geglättet vorsteht: als Buckel. Buckelquader, die wie alle Quader aufwendige Steinmetzarbeit erfordern, können eine Sparform vollständiger Quader oder ästhetisches Mittel sein. Ihr nach dem Vermauern nicht mehr sichtbarer Teil muss auch keine Quaderform besitzen, sondern kann grob zugespitzt sein. Vgl. 2.2.2.3.
(d) S. Dendrochronologie
Deckungswall Ein Wall, der dem (inneren) Graben vorgelagert und dabei so hoch ist, dass er die Mauer, von der Feldseite gesehen, vollständig verdeckt und so vor Artilleriebeschuss schützt. Deckungswälle sind nur selten in
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voller Höhe erhalten, können aber durchaus häufiger gewesen sein. Vgl. 2.2.11.6.
Dendrochronologie/Dendrodatum Die Dendrochronologie, entwickelt von dem US-amerikanischen Astronomen Andrew Ellicott Douglass (1867–1962), ist eine Datierungsmethode von Holz, die heute bei der Erforschung älterer Gebäude zentrale Bedeutung hat. Sie beruht auf der Abfolge verschieden breiter Jahresringe, die – wenn genügend Jahresringe erhalten sind – eine innerhalb der Jahrhunderte einzigartige Abfolge ergeben. Wenn man diese Abfolge mit einer aus vielen Hölzern gewonnenen Vergleichskurve zur Deckung bringt, ist aus dem letzten Jahresring zu erschließen, wann der Baum gefällt wurde. Wenn eine Datierung auf diese Weise gewonnen wurde, wird sie oft durch ein an das Datum angehängtes „(d)“ gekennzeichnet, z. B. „1242(d)“.
Doppeltor Der Begriff wird wegen seiner Missverständlichkeit in diesem Werk nicht verwendet: Gemeint sind zwei Tore hintereinander, also ein Tor mit Torzwinger. Vgl. 2.2.7.
Doppelturmtor Ein Tor, das symmetrisch von zwei gleich gestalteten, meist feldseitig gerundeten Türmen eingerahmt ist (berühmtestes Beispiel: Lübeck, Holstentor). Die Form trat seit der Antike auf, erlebte vor allem im Westen Deutschlands, unter französischem Einfluss, eine gewisse Blüte und trat dann überregional bis in die Renaissance gelegentlich auf. Die Rahmung durch eckige oder gar verschieden gestaltete Türme war dagegen selten. Vgl. 2.2.6.4.
Durchlasstor Alternativer Ausdruck für Mauertor.
Fallgatter Ein Fallgatter ist ein Gitter aus massiven Holzbalken, unten mit eisernen Spitzen versehen, das vor oder im Gewände des Tores einer Befestigung in (meist steinernen) Führungen sitzt bzw. an Seilen oder Ketten aufgehängt ist. Es kann im Falle eines Angriffs schnell heruntergelassen werden und bildet dann einen zusätzlichen äußeren Schutz der Torflügel. Vgl. 2.2.5.4.
Feldseite Die Außenseite einer Befestigung, die dem freien Feld zugewandt ist; das Gegenteil ist die Stadtseite.
Feldstein Unter Feldstein versteht man Steine aus unterschiedlichem Material und verschiedener Größe, die in der Eiszeit durch Gletscher und Wasser aus Gebirgen (Skandinavien, Alpen) ins Flachland bzw. in die
Grund- und Endmoränen transportiert und dort auf den Feldern gesammelt wurden. Feldsteine, die bei dem langen Transport in rundliche Form geschliffen wurden, waren in Regionen ohne anstehenden Naturstein bzw. ohne Steinbrüche ein wichtiges, aber von Steinmetzen nur schwer zu bearbeitendes Material. Vgl. 2.2.2.1.
Fischgrätmauerwerk s. opus spicatum Fundament Der unter der Erde liegende Teil einer Mauer, der sie trägt und ihre Standfestigkeit sichert. Neben Streifenfundamenten, die unter der gesamten Mauer entlanglaufen, gab es bei Stadtmauern auch oft Punktfundamente, zwischen denen Bögen die Mauer trugen (Fundamentbögen). Durch spätere Abtragung von Wällen bzw. Absenkung des Bodenniveaus liegen die Fundamente von Stadtmauern heute gelegentlich zum Teil frei, zumal, da man bei Stadtmauern meist wenig Wert auf tiefe Fundamentierung legte. Vgl. 2.2.3.3.
Fundamentbögen vgl. Fundament Geschütz Eine schwere Fernwaffe, die durch eine Pulverexplosion Geschosse durch ein Rohr auf ein Ziel „feuert“. Umgangssprachlich wird „Kanone“ mit Geschütz gleichgesetzt, jedoch meint dies nur Geschütze, bei denen die Geschosse (Kugeln) bestimmten normierten Maßen bzw. Gewichten entsprechen (Kaliber).
Gewände Die in der Regel aus Werkstein bestehende Einfassung eines Durchganges (Tor, Pforte) oder Fensters, der an der wichtigeren (Zugangs-)Seite ihre Form bestimmt (etwa rechteckig, rund- oder spitzbogig) und von der anderen Seite her als Anschlag für die Toroder Fensterflügel bzw. das Türblatt dient.
hammerrecht Bruchsteine (oder Feldsteine), die man in eine regelmäßig geometrische Form bringen wollte, vor allem als Quader, wurden im Mittelalter zuerst grob mit einem Steinhammer (heute: Fäustel) bearbeitet, dann wurden mit feinerem Gerät (Fläche, Zahnfläche) glatte Flächen hergestellt. Die letzte Bearbeitungsstufe kann man jedoch unterlassen und erhält so Quader mit etwas unregelmäßigen Oberflächen, die bei geringerem Aufwand dennoch ein sauberes, schichtenrechtes Mauerwerk ergeben. Die heutige Definition von „hammerrecht“ ist etwas anders.
Hauptmauer Die eigentliche Stadtmauer, die entweder die einzige Mauer ist, die die Stadt umgab, oder die durch eine
vorgelagerte Zwingermauer, einen umlaufenden Zwinger, ergänzt wurde.
Hocheinstieg Die einzige Pforte zu einem Turm oder turmartigen Gebäude, die mehrere Meter über dem Boden liegt, sodass sie nur über eine Leiter oder eher Treppe erreichbar ist oder auch über eine Brücke von einem anderen entsprechend hohen Gebäude. Der Sinn des Hocheinstiegs, der neben Stadtmauertürmen vor allem für die Bergfriede von Burgen charakteristisch war, bestand darin, dass sich Verteidiger notfalls in den Turm zurückziehen und dann durch Demontage oder Zerstörung der hölzernen Zugangskonstruktionen eine leichten Zugang der Angreifer verhindern konnten.
Hosenscharte Eine Hosenscharte ist eine Scharte für Handfeuerwaffen, bei der mehrere schmale Kanäle an der Außenseite in einer einzigen Öffnung spitzwinklig zusammenlaufen. Im Falle von nur zwei Kanälen ergibt sich im Grundriss ein Bild, das an eine Hose erinnert; jedoch gab es auch Scharten dieser Art mit drei Kanälen.
Hurden Hurden sind hölzerne Wehrgänge, die an der Mauerkrone feldseitig auskragen und damit einen Wurf bzw. Schuss direkt von oben erlauben; sie sind allerdings auch relativ verwundbar für die Geschosse von Bliden oder Brandpfeile.
Kragstein Ein Stein, der so in eine Wand eingemauert ist, dass ein erheblicher Teil vorsteht und als Auflager für Holzbauteile dient, etwa für einen Streichbalken, auf dem dann wiederum die Deckenbalken ruhen. Kragsteine sind nicht oder kaum geschmückt (untere Abrundung, Fasung der Kanten); sind sie formal stärker ausgearbeitet, spricht man eher von Konsolen.
Maschikuli Wenn man die Brustwehr nicht außenfluchtend auf die feldseitige Kante der Mauer setzt, sondern auf eng gesetzte, weit vorstehende, doppelte oder dreifache Kragsteine, entstehen zwischen dem Boden des Wehrganges und der Brustwehr Schlitze, die einen direkteren Wurf oder Schuss nach unten ermöglichen als die Öffnungen in der Brustwehr selbst. Maschikuli (das nur im Plural verwendete Wort stammt aus dem Arabischen, ist also als Einfluss der Kreuzzüge anzusprechen) waren in Frankreich, Italien usw. deutlich häufiger als in Deutschland und traten überwiegend vom 14. bis 16. Jh. auf. Vgl. 2.2.3.4.
Glossar
331
Mauer Da die mittelalterlichen Stadtbefestigungen oft vereinfachend als „Mauer“ bezeichnet werden, soll hier definiert sein, dass „Mauer“ in diesem Werk die aus Steinen aufgeschichtete Wand meint, sei es im Normalfall als gemörtelte Mauer, sei es ausnahmsweise als ohne Bindemittel aufgeschichtete Trockenmauer.
Mauergasse Eine Gasse, die unmittelbar hinter der Hauptmauer verläuft, diese daher zugänglich macht und die Parzellen bzw. Blöcke von der Befestigung trennt. Vgl. 2.2.3.6.
Mauertor Ein einfacher Durchlass in der Mauer, ohne Raum oder Gebäude dahinter (auch: Durchlasstor). Vgl. 2.2.6.1.
Maulscharte Eine Scharte des 15./16. Jh. für Feuerwaffen, deren äußere Öffnung wesentlich breiter ist als hoch, wie das Maul eines Tieres. Sie kann einfach rechteckig sein, oval oder noch andere Formen annehmen, etwa als Brillenscharte. Vgl. 2.2.11.3.
opus spicatum Ein Mauerwerk aus plattenförmig brechendem Stein (z. B. Schiefer), bei dem eine Schicht aus schräg gelegten Platten besteht. Folgt darauf eine Schicht, bei der die Schräge gegenläufig angeordnet ist, so ergibt sich in der Außenansicht ein Bild, das an Fischgräten oder auch Getreideähren (lt.: spica) erinnert. Diese Mauerwerksart kam fast nur in romanischer Zeit vor (11. bis Mitte des 13. Jh.)
Palisade Eine Barriere, die aus dicht nebeneinander eingerammten oder eingegrabenen Pfählen besteht, so hoch, dass sie ohne Hilfsmittel nicht oder nur mühsam überstiegen werden kann. Vgl. 2.2.1.3.
Quader Ein Naturstein, der so bearbeitet wurde, dass er der geometrischen Quaderform entspricht; auch Backsteine besitzen in der Regel Quaderform. Eine Quadermauer ist wegen der sauberen Schichtung der Quader besonders standfest und wegen der schmalen Fugen, die nicht so schnell und tief auswittern, auch besonders dauerhaft
Rondell Als Rondell wird ein runder, dickwandiger Bau bezeichnet, der in mehreren Geschossen mit Stellungen bzw. Scharten für Geschütze ausgestattet ist und mit ihnen das Vorfeld der Befestigung wesentlich besser beherrscht, als es mit den Waffen des Zeitalters vor den Feuerwaffen oder nur mit Handfeuerwaffen
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möglich gewesen wäre. Ein Rondell erinnert an einen Rundturm, aus dem es formal und funktional entwickelt wurde, aber es überragt die anschließenden Mauerzüge in der Regel nicht und wirkt auch wegen seines wesentlich größeren Durchmessers niedriger. Vgl. 2.2.11.5.
Rondengang In der Schweiz üblicher Begriff für einen breiten Umgang auf einem Wall hinter der Mauer bzw. gemauerten Wallfront (Beispiele Basel, Freiburg/Br.). Der Begriff wird hier wegen der Seltenheit des Phänomens und der Verwechselbarkeit mit den Begriffen „Wehrgang“ (Umgang auf der frei stehenden Mauer) und „Mauergasse“ (Weg hinter der frei stehenden Mauer) nicht verwendet.
Schalenturm Ein Schalenturm – auch verkürzt: Schale – besitzt stadtseitig keine gemauerte Wand. Er war dort entweder offen oder es gab eine Holz- bzw. Fachwerkwand (die jedenfalls später meist entstand). Der Grund der Form lag sicherlich nicht darin, dass der Turm für eingedrungene Angreifer nicht verteidigungsfähig sein sollte, sondern in der Ersparnis von Mauerwerk. Vgl. 2.2.4.8.
Scharte Eine Scharte ist eine Wandöffnung, die zum Schießen mit Handfeuerwaffen oder Geschützen dient. Die Formen können sehr vielfältig sein; wichtig sind etwa Schlitzscharten, Maulscharten, Schlüsselscharten oder Brillenscharten. Vgl. 2.2.11.3.
schichtenrechtes Mauerwerk Schichtenrecht nennt man ein Mauerwerk, bei dem Steine gleicher Höhe durchlaufende Schichten bzw. Lagen bilden. Der Anblick dieses Mauerwerks, sofern es unverputzt ist, ist regelmäßiger, seine Solidität höher als bei unregelmäßigem Mauerwerk aus Steinen wechselnder Höhe (Bruchstein- oder Brockenmauerwerk).
Schießscharte s. Scharte Schlitzscharte Eine Scharte, deren Öffnung nur aus einem schmalen, senkrechten, verschieden hohen Schlitz besteht. Relativ hohe Schlitzscharten, oft mit dreieckigem oder „steigbügelförmigem“ Fuß als Senkscharte für den Schuss steil nach unten, waren die früheste Schartenform, die in Deutschland vorkam, etwa von der Zeit um 1220 bis mindestens um 1400. Kürzere Schlitzscharten, die man leicht mit Lichtschlitzen verwechseln kann, waren dagegen eine primitive Schartenform, die im Grunde zu jeder Zeit auftreten konnte. Vgl. 2.2.11.3.
Schlupfpforte
Torturm
Alternative Bezeichnung für Ausfallpforte.
Als Torturm werden hier ausschließlich Türme bezeichnet, die in ihrem Erdgeschoss selbst die Tordurchfahrt enthalten (also keine Türme, die ohne Durchfahrt neben einem Tor standen). Tortürme waren im deutschen Raum die meistverbreitete Form eines Haupttores. Vgl. 2.2.5.
Schlüsselscharte Eine Schlitzscharte, deren unteres Ende kreisförmig erweitert ist, um den Lauf einer Muskete oder eines kleineren Geschützes durchstecken zu können; der Schlitz darüber diente nur noch zum Visieren. Die Form entspricht einem altertümlichen Schlüsselloch, das auf dem Kopf steht. Schlüsselscharten kamen im frühen 15. Jh. auf und blieben bis mindestens ins 16. Jh. – und als Schmuckform weit darüber hinaus – die mit Abstand am meisten verbreitete Schartenform. Vgl. 2.2.11.3.
Stadtseite Die der Stadt zugewendete Seite der Befestigungen, im Gegensatz zur Feldseite.
Streichwehr Eine Streichwehr ist ein kleiner, an einen Turm erinnernder Bau, der vor eine Zwingermauer – bei deren Fehlen auch vor die Hauptmauer, was aber selten ist – in den Graben vorspringt. Aus seinen seitlichen Scharten kann – daher der Name – der Graben „bestrichen“ werden, während die geringe Höhe der Streichwehr den Schuss über den Graben hinweg auf das Vorfeld der Befestigung nicht oder kaum erlaubt. Der Begriff stammt aus dem Festungsbau des 16.–19. Jh., kann aber auch schon auf Zwinger des 15. Jh. angewendet werden. Vgl. 2.2.8.3.
Torbau Im Gegensatz zum Torturm und zum einfachen Mauer- oder Durchlasstor wird hier ein Gebäude als Torbau bezeichnet, das in der Regel ein Geschoss über der Torfahrt besitzt, aber nicht turmartig hoch ist. Vgl. 2.2.6.2.
Torgasse Eine Torgasse wird dadurch gebildet, dass die Ringmauer nicht einfach seitlich an das Tor – den Torturm oder Torbau – anschließt, sondern, dass ihre Flucht einige Meter vor dem Tor verläuft, sodass sie beidseitig zum Tor hin abknicken oder einbiegen muss. Diese von außen beidseitig auf das Tor zulaufenden kurzen Mauerabschnitte bilden zwischen sich die Mauergasse, die es den Verteidigern ermöglich, von drei Seiten auf einen Angreifer einzuwirken. Mauergassen waren vor allem in vor- und frühgeschichtlichen Befestigungen verbreitet, kamen aber gelegentlich auch in mittelalterlichen (Burgen und) Stadtbefestigungen vor. Ein anderer Ausdruck für diese Torform ist „Zangentor“.
Torzwinger Ein Zwinger, der auf den Bereich vor einem Stadttor – oder Burgtor – beschränkt ist (der also nicht der gesamten Stadtmauer oder zumindest längeren Teilen von ihr vorgelagert ist; zu dieser Form s. „Zwinger, umlaufender“). Primärer Zweck eines Torzwingers ist es, dem Haupttor, meistens einem Torturm, ein zweites Tor vorzuschalten, das ein Angreifer zuerst zerstören muss, bevor er sich dem Haupttor nähern kann. Darüber hinaus kann der relativ große, von Fall zu Fall unterschiedlich geformte Zwingerhof weiteren Zwecken dienen, etwa der Versammlung von Truppen vor einem Ausfall oder der Aufstellung von Geschützen (s. a. „Barbakane“). Die kleinste Ausprägung des Torzwingers, das hier so genannte „Vortor“, ist dagegen wohl eher als Einrichtung zu verstehen, die vor allem der Aufnahme der Zugbrücke und ihrer Aufzugsvorrichtung diente. In der regionalen Literatur wird für Torzwinger gelegentlich das Wort „Doppeltor“ verwendet, das ich hier u. a. wegen seiner Missverständlichkeit vermeide. Vgl. 2.2.7.
Turm Als Turm werden hier Bauten verstanden, die über dem Erdgeschoss mindestens noch zwei Obergeschosse (und eine Wehrplatte) aufweisen. Torbauten, die über der Durchfahrt nur ein Geschoss und eine Wehrplatte besitzen, sind ein Grenzfall; da sie in der Regel höher als breit sind, also durchaus turmartige Proportionen aufweisen, werden sie hier meist auch als Torturm bezeichnet.
turmarm Unter einer turmarmen Mauer wird in diesem Werk eine Mauer verstanden, die neben Tortürmen höchstens einen weiteren Turm aufweist. Vgl. 2.2.4.3.
turmlos Als turmlos werden hier Mauern bezeichnet, die außer Tortürmen keine weiteren Türme aufweisen. Vgl. 2.2.4.3.
Vorhof Als Vorhof wird hier ein durch Mauern oder hölzerne Abgrenzungen abgegrenzter Bereich vor dem Tor und den Gräben bezeichnet, der in der Regel unbefestigt war und lediglich zur Kontrolle des Verkehrs, zur Erhebung von Abgaben/Zöllen u. Ä. diente. Vom Torzwinger unterscheidet sich der Vorhof durch Glossar
333
seine fehlende Befestigung und eben die Lage außerhalb der Gräben. Vgl. 2.2.11.4.
Vortor Als Vortor wird hier eine sehr häufige, besonders kleine Form des Torzwingers verstanden: ein rechteckiger Hof, umgeben von Mauern mit Wehrgängen, der in der Front das äußere Tor mit Zugbrücke enthält. Es ist wahrscheinlich, dass diese Form des Torzwingers primär dafür entwickelt wurde, die Zugbrücke und den Mechanismus für ihre Bewegung aufzunehmen, wofür die meist älteren Tortürme ungeeignet waren. Vgl. 2.2.7.1.
Wahrzeichenturm Als Wahrzeichenturm – der Begriff wird hier zum ersten Mal verwendet – wird ein Mauerturm bezeichnet, der durch seine Position an einer besonders gut sichtbaren Stelle der Stadtmauer – in der Regel an einer Ecke, oft am Flussufer – und durch seine besondere Höhe und Architektur die Stadt und ihre Bedeutung symbolisiert. Auch Tortürme konnten solche Funktionen übernehmen, werden hier aber nicht als Wahrzeichentürme bezeichnet. Vgl. 2.2.4.10.
Wall, Wallgraben Ein Wall ist eine längliche Aufschüttung aus Erde oder ähnlichem Material (Kies, Gestein, Schlamm), die im Zusammenhang einer mittelalterlichen Stadtbefestigung in der Regel aus dem Material eines feldseitig davor ausgehobenen Grabens entstand. Graben und Wall zusammen – der Wallgraben – bildeten ein Annäherungshindernis sowohl für Angreifer zu Fuß als auch für Reiter, wobei ihre Effektivität von der Höhe, der Hangneigung und der Ergänzung durch andere Bauteile, vor allem Palisaden, Zäune oder Hecken, abhing; auch die Versteilung der feldseitigen Wallfront durch Holzkonstruktionen oder Mauern kam vor, gelegentlich auch die Mauer auf dem Wall (wobei das möglicherweise höhere Alter des Walles nur archäologisch zu klären ist). In der Frühzeit der Stadtbefestigungen, und im Flachland noch länger, bildeten Wallgräben oft die Hauptverteidigungslinie, hinter der keine Mauer stand. Im Spätmittalter waren sie fast immer nur noch Annäherungshindernisse im Vorfeld der Mauer, auch mehrfach hintereinander gestaffelt. Vgl. 2.2.1.2., 2.2.11.6.
Wehrgang Der Wehrgang ist ein schmaler, über Treppen von der Stadt zugänglicher Gang auf der Mauer, wo sich die Verteidiger bewegen konnten. Er wurde feldseitig durch die Brustwehr geschützt, durch deren Zinnen und Scharten, bei vorgekragter Brustwehr auch durch Wurflöcher oder -schlitze (Maschikuli), eine Einwirkung auf Angreifer möglich war. Wegen der
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geringen Dicke vieler Stadtmauern gab es verschiedene Arten von Tragkonstruktionen, die den Wehrgang stadtseitig verbreiterten, von Holzvorkragungen oder -stützen, über vorkragende Steinplatten, Kragsteine und Strebepfeiler bis zu Wehrgangbögen.
Wehrgangbögen Als Wehrgangbogen – für den in der lokalen Literatur viele verschiedene Bezeichnungen kursieren – wird hier eine verbreitete, relativ aufwendige Konstruktion zur stadtseitigen Verbreiterung des Wehrganges verstanden: vom Boden aufsteigende Strebepfeiler, die unter dem Wehrgang durch Bögen miteinander verbunden sind. Vgl. 2.2.3.5.
Wehrgangschirm Eine aus Massivholz (Blockwerk) bestehende Wand, die auf Konsolen oder Kragbalken vor der eigentlichen Brustwehr stand. Der Wehrgangschirm enthielt vor den größeren Öffnungen der Brustwehr (Zinnen, Schießfenster) eine kleine Scharte und bildete so einen besseren Schutz für die Verteidiger, zumal das Holz im Gegensatz zu Stein nicht so leicht splitterte. Der Schlitz, der unten zwischen der Brustwehr bzw. Mauer und dem Wehrgangschirm entstand, erlaubte auch den Schuss oder Wurf nach unten, ähnlich den Maschikuli. Vgl. 2.2.3.4.
Werkstein Jeder Stein, der von Steinmetzen in eine bestimmte Form gebracht wurde. Im Prinzip ist z. B. auch ein Quader ein Werkstein, jedoch werden in der Praxis eher Steine mit komplexeren bzw. profilierten Formen als Werksteine bezeichnet, wie sie etwa für Gewände, Stützen oder Gesimse nötig sind.
Zingel Altertümliche Bezeichnung für einen Mauerring, von lateinisch: cingulum = Gürtel. Im 19. Jh. und vor allem in heimatgeschichtlicher Literatur wurde das in älteren Schriftquellen gelegentlich verwendete Wort oft fälschlich mit „Zwinger“ gleichgesetzt bzw. damit verwechselt, was dazu führte, dass verschiedentlich umlaufende Zwinger bei Städten angenommen wurden, die in Wahrheit keine besaßen. Vgl. 2.2.8.1.
Zinne Im technischen Sinne ist die Zinne jener Teil der Brustwehr zwischen zwei Zinnenlücken, der so hoch ist, dass er aufrecht stehende Verteidiger gegen Schüsse von Angreifern decken kann. Die Zinne – im Mittelalter auch als „wintberge“ o. Ä. bezeichnet, weil sie vor dem Wind schützt – war in der Regel wesentlich breiter als hoch und konnte eine Schlitzscharte enthalten; die Zinnenlücken dagegen sind eben so breit, dass der Verteidiger nicht nur hindurchschießen, sondern sich auch hinausbeugen kann, um
Angreifer am Mauerfuß sehen und bekämpfen zu können. In der mittelalterlichen Dichtung (und jener des 19. Jh.) wurde „Zinne“ auch zum metaphorischen Begriff: „auf der Zinne stehen“ meinte nicht die Zinne im eigentlichen Sinne, sondern so viel wie: auf der höchsten Stelle der Mauer oder des Turmes stehen und durch die Zinnenlücke ins Land hinausschauen.
Zugbrücke Eine Holzbrücke, deren Länge ungefähr der Höhe der dahinterliegenden Toröffnung entspricht und die auf scharnierähnlichen Auflagern unter der Toröffnung ruht, sodass sie im Falle einer Bedrohung an Seilen oder Ketten hochgezogen werden kann. Aufgezogen steht sie dann, eingelassen in eine entsprechende Rechteckblende, senkrecht vor der Toröffnung. Damit ist einerseits der Zugang zum Tor auf mehrere Meter unterbrochen, andererseits sind die Torflügel durch die Brücke zusätzlich geschützt. Das Aufziehen der Brücke erfolgte in der Regel wohl über Winden oder per Hand, wobei Gegengewichte für leichte Beweglichkeit sorgten. Vgl. 2.2.7.2.
Zwinger Als „Zwinger“ – abgeleitet vom Begriff des „(Ein-) zwängens“ – wird in der Literatur zu mittelalterlichen Befestigungen traditionell jeder Raum bezeichnet, der feldseitig vor der Hauptmauer bzw. zwischen ihr und dem Graben liegt und der zumindest feldseitig von einer zweiten Verteidigungsmauer begrenzt wird. Dabei unterscheidet der Oberbegriff „Zwinger“ nicht zwischen dem die ganze Mauer (oder größere Abschnitte ohne Tor) „umlaufenden Zwinger“ und dem ausschließlich den Platz vor einem Tor sichernden „Torzwinger“ (mit äußerem Tor und verteidigungsfähigen Mauern auch seitlich). Diese Unterscheidung zweier funktional unterschiedlicher Phänomene wird hier aber konsequent zugrunde gelegt; vgl. 2.2.7., 2.2.8.
Zwinger, umlaufender Ein Zwinger, der sich nicht auf den Platz vor einem Tor beschränkt, sondern vor der gesamten Hauptmauer oder zumindest vor längeren Abschnitten der Hauptmauer verläuft. Vgl. 2.2.8.
Glossar
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Abweichende heutige Namen von Städten des im Mittelalter deutschsprachigen Raumes, die nicht in der Bundesrepublik Deutschland liegen
1. Frankreich Altkirch = Altkirch Ammerschweier = Ammerschwihr Barr = Barr Bergheim = Bergheim Börsch = Bœrsch Buchsweiler = Bouxwiller Colmar = Colmar Dambach = Dambach-la-Ville Diedenhofen = Thionville Egisheim = Eguisheim Ensisheim = Ensisheim Finstingen = Fénétrange Gebweiler = Guebwiller Gemar = Guémar Hagenau = Haguenau Herrlisheim = Herrlisheim Ingweiler = Ingwiller Kaysersberg = Kaysersberg Maursmünster = Marmoutier Metz = Metz Molsheim = Molsheim Mü(h)lhausen = Mulhouse Mutzig = Mutzig Neuweiler = Neuwiller Niederehnheim = Niedernai Oberehnheim = Obernai Pfaffenhofen = Pfaffenhoffen Rappoltsweiler = Ribeauvillé Reichenweier = Riquewihr Reichshofen = Reichshoffen Rodemachern = Rodemack Rosheim = Rosheim Rufach = Rouffach Saaralben = Sarralbe Saarburg = Sarrebourg Saargemünd = Sarreguémines Schlettstadt = Sélestat Selz = Seltz Sennheim = Cernay Sierck = Sierck-les-Bains St. Avold = Saint-Avold St. Pilt = Saint-Hippolyte Straßburg = Strasbourg Sulz = Soultz-Haut-Rhin Thann = Thann Türkheim = Turckheim
336 Topographischer Teil
Wangen = Wangen Weißenburg i. E. = Wissembourg Westhofen = Westhoffen Zabern = Saverne Zellenberg = Zellenberg
2. Polen und Russland Allenstein = Olsztyn Arnswalde = Choszczno Bahn = Banie Bartenstein = Bartoszyce Bärwalde/Neumark = Mieszkowice Belgard = Biatogard Bernstadt = Bierutów Beuthen = Bytom Bischofstein/Ostpreußen = Bisztynek Bolkenhain = Bolków Braunsberg = Braniewo Breslau = Wroctaw Brieg = Brzeg Bütow = Bytów Bunzlau = Bolestawiec Cammin = Kamiev Pomorski Cosel = Ko+le Danzig = Gdavsk Deutsch Eylau = Itawa Deutsch Krone = Watcz Dirschau = Tczew Dramburg = Drawsko Pomorskie Drossen = Oöno Lubuskie Elbing = Elblcg Frankenstein = Zcbkowice Ölcskie Fraustadt = Wschowa Freystadt = Koßuchów Friedeberg = Strzelce Krajevskie Gerdauen = Schelesnodoroschny Gilgenburg = Dcbrówno Glatz = Ktodzko Gleiwitz = Gliwice Glogau = Gtogów Goldberg = Ztotoryja Gollub = Golub-Dobrzyv Gollnow = Goleniów Graudenz = Grudzicdz Greifenberg in Pommer = Gryfice Greifenberg in Schlesien = Gryfów Ölcski Greifenhagen = Gryfino
Groß-Strehlitz = Strzelce Opolskie Grottkau = Grodków Guhrau = Góra Guttstadt = Dobre Miasto Habelschwerdt = Bystrzyca Ktodzka Haynau = Chojnów Heilsberg = Lidzbark Warmivski Hohenstein/Ostpreußen = Olsztynek Jauer = Jawor Kallies = Kalisz Pomorski Kanth = Kcty Wroctawskie Kolberg = Kotobrzeg Königsberg/Neumark = Chojna Königsberg/Ostpreußen = Kaliningrad Konitz = Chojnice Köslin = Koszalin Krappitz = Krapkowice Kreuzburg = Kluczbork Kulm = Chetmno Landsberg/Ostpreußen = Górowo Itaweckie Landsberg/Warthe = Gorzów Wielkopolski Lauban = Lubav Lauenburg = Llbork Leobschütz = Gtubczyce Liebemühl = Mitomtyn Liegnitz = Legnica Lippehne = Lipiany Löwenberg = Lwówek Ölcski Lüben = Lubin Marienburg = Malbork Märkisch Friedland = Mirostawiec Massow = Maszewo Morin = Moryv Mohrungen = Morcg Münsterberg = Zilbice Namslau = Namystów Naugard = Nowogard Naumburg/Queis = Nowogrodziec Neidenburg = Nidzica Neiße = Nysa Neumark/Ostpreußen = Nowe Miasto Lubawskie Neumarkt b. Breslau = Öroda Ölcska Neunburg/Westpreußen = Nowe Neustadt = Prudnik Nimptsch = Niemcza Oberglogau = Gtogówek Oels = Oleönica Oppeln = Opole Ottmachau = Otmuchów Parchwitz = Prochowice Patschkau = Paczków
Pitschen = Byczyna Preußisch Friedland = Debrzno Preußisch Holland = Pastlk Preußisch Stargard = Starogard Gdavski Priebus = Przewóz Pyritz = Pyrzyce Rastenburg = Kltrzyn Ratibor = Racibórz Reetz = Recz Reichenbach = Dzierßoniów Riesenburg = Prabuty Rössel = Reszel Rügenwalde = Dartowo Saalfeld = Zalewo Sagan = ?agav Schivelbein = Öwidwin Schlawe = Stawno Schöneck in Westpreußen = Skarszewy (Bad) Schönfließ = Trzcivsko Zdrój Schönsee/Westpreußen = Kowale Schweidnitz = Öwidnica Schwetz = Öwiecie Schwiebus = Öwiebodzin Seeburg = Jeziorany Sohrau = ?ory Soldin = Myölibórz Sommerfeld = Lubsko Sorau = ?ary Sprottau = Szprotawa Stargard = Stargard Szczecivski Steinau = Öcinawa Stettin = Szczecin Stolp in Pommern = Stupsk Strasburg = Brodnica Strehlen = Strzelin Striegau = Strzegom Thorn = Toruv Tolkemit = Tolkmicko Trachenberg = ?migród Treptow an der Rega = Trzebiatów Triebel = Trzebiel Tütz = Tuczno Wartenburg/Ostpreußen = Barczewo Wehlau = Snamensk Winzig = Wivsko Wohlau = Wotów Wollin = Wolin Wünschelburg = Radków Ziegenhals = Gtuchota Zielenzig = Sullcin Züllichau = Sulechów
Heutige Namen mittelalterlicher Städte außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
337
Orts- und Namenregister Im Register sind Namen von Städten und anderen Orten (etwa Dörfern, Burgen, Klöstern) erfasst sowie von Regionen bzw. Landschaften und Personen. Nicht erfasst sind abstrakte Bezeichnungen von Regionen (z. B. Norddeutschland, Kolonisationsgebiet, alpiner Raum u. Ä.) sowie Namen von Bauteilen (z. B. „Obertor“, „Weißer Turm“ usw); auch Ortsnamen in der Bezeichnung von Bauteilen („Mainzer Tor“) werden nicht erfasst.
Zur Lokalisierung vor allem der weniger bekannten Städte im deutschen Sprachraum sind die modernen Länderbezeichnungen hinzugefügt. Für die Länder der Bundesrepublik Deutschland werden dabei die üblichen Abkürzungen verwendet, für jene Teile des mittelalterlichen deutschen Sprachraumes, die heute zu anderen Ländern gehören, wurden Kürzel definiert (kursiv in der folgenden Liste).
B BB BW BY CH EL HB HE HH HP LO LUX MV NI NM NRW ÖR OP RP SCH SH SL SN ST TH TI
Abenberg BY 109, 121, 276. Bd. 2: 102, 109 Abensberg BY 89. Bd. 2: 87, 89 Adalbert von Bremen, Erzbischof Bd. 2: 238 Adalbert I. von Saarbrücken, Erzbischof Bd. 2: 115 Adelsheim BW 177. Bd. 2: 61 Admont (Kloster) ÖR Bd. 2: 11 Adolf I., Erzbischof von Köln Bd. 2: 160 Adorf SN 197. Bd. 2: 217 Ägypten 226 Ahrweiler RP 90, 116, 177, 203, 204, 272, 341. Bd. 2: 131, 133; Abb. 400 Aichach BY 23, 109, 187. Bd. 2: 81, 82, 83, 84, 86, 89 Aigues Mortes 204. Bd. 2: 14 Aken ST 104, 133, 174, 197, 198. Bd. 2: 208 Albrecht, Herzog von Bayern 237. Bd. 2: 92, 99 Albrecht I., römischer König Bd. 2: 32 Albrecht IV. von Habsburg, Graf Bd. 2: 57 Albrecht V. von Habsburg, Graf Bd. 2: 57 Albrecht Achilles, Kurfürst von Brandenburg Bd. 2: 109 Alfeld NI 123, 141. Bd. 2: 172; Abb. 434 Alken RP Bd. 2: 133, 134, 135 (Bad Soden-)Allendorf HE 53. Bd. 2: 179, 180, 181, 182, 185, 188 Allendorf TH 280 Allenstein OP 232; Abb. 132. Bd. 2: 286, 288, 290, 291 Allerheiligen (Kloster) CH Bd. 2: 27 Allgäu 294. Bd. 2: 78 Alsfeld HE Bd. 2: 181, 183, 187; Abb. 441 Altbayern 85, 216, 264, 265, 313. Bd. 2: 90, 94 Altdorf BY 64, 134 Altdorf bei Nürnberg BY 162. Bd. 2: 106, 107, 108 Altenburg TH 34. Bd. 2: 195, 201 Altenstadt BY 45. Bd. 2: 101 Altenstadt HE Bd. 2: 179 Altensteig BW Bd. 2: 62 Altentreptow MV 36, 168, 228. Bd. 2: 270, 274, 276, 281, 282; Abb. 519 Alt-Eschenbach CH 241, 261; Abb. 58, 182. Bd. 2: 30, 32, 33 Altkirch EL Bd. 2: 48 Alt-Landsberg BB Bd. 2: 243, 246, 251, 252, 257 Alt-Lübeck SH 36; Abb. 9
= Berlin = Brandenburg = Baden-Württemberg = Bayern = deutschsprachige Schweiz = Elsass (Frankreich) = Bremen u. Bremerhaven = Hessen = Hamburg = Hinterpommern (Polen) = Lothringen (Frankreich) = Luxemburg = Mecklenburg-Vorpommern = Niedersachsen = Neumark (Polen) = Nordrhein-Westfalen = Österreich (ohne Tirol) = Ordensland Preußen inkl. anderer mittelalterlicher Territorien (Polen, Russland) = Rheinland-Pfalz = Schlesien (Polen) = Schleswig-Holstein = Saarland = Sachsen = Sachsen-Anhalt = Thüringen = Tirol (Nord-, Süd- und Osttirol)
Aach BW Bd. 2: 53, 63 Aachen NRW 23, 44, 73, 77, 84, 95, 98, 132, 157, 163, 168, 181, 195, 203, 204, 206, 222, 272, 311, 331, 338, 344, 345, 346, 347; Abb. 150. Bd. 2: 149, 151, 152, 153, 156, 157; Abb. 422 Aalen BW Bd. 2: 66 Aarau CH 231. Bd. 2: 31, 33, 38 Aarberg CH 61, 89. Bd. 2: 30, 32, 39 Aarburg CH Bd. 2: 31 Aargau (Kanton) 70; Abb. 42. Bd. 2: 31 Abdinghof (Kloster) NRW Bd. 2: 159
338 Topographischer Teil
Altmark 112, 207, 311. Bd. 2: 204, 242, 243, 244, 247, 249, 265 Altstätten CH Bd. 2: 31 Alzey RP 237. Bd. 2: 142, 145 Amberg BY 26, 90, 114, 121, 173, 190, 205, 208, 232, 234, 264, 273, 331; Abb. 138, 208. Bd. 2: 94, 95, 96, 97, 98, 99; Abb. 367, 368 Amersfoort 206 Ammerschweier EL Bd. 2: 52 Amöneburg HE 34, 224, 314. Bd. 2: 176, 181, 182, 183, 187, 188, 189, 190 Amorbach BY Bd. 2: 117 Amsterdam 206 Andernach RP 24, 33, 64, 84, 99, 108, 116, 130, 137, 142, 150, 156, 177, 181, 195, 209, 217, 296, 350, 355; Abb. 105. Bd. 2: 74, 125, 129, 131, 132, 133, 134, 135, 137, 138, 149, 152; Abb. 397, 406 Andlau EL Bd. 2: 59 Angermünde BB Bd. 2: 252, 255 Anklam MV 168, 311. Bd. 2: 270, 274, 275, 276, 281, 282, 284; Abb. 518 Annaberg SN 267. Bd. 2: 220 Annweiler RP 61, 113, 279, 296. Bd. 2: 142, 146 Ansbach BY 128, 296, 319, 324, Abb. 257. Bd. 2: 106, 107, 113, 114 Arberg BY 24, 188. Bd. 2: 106, 113, 114 Arbon CH 250. Bd. 2: 33, 34, 37 Armenien 202 Arnold von Selenhofen, Erzbischof von Mainz Bd. 2: 139 Arnsberg NRW Bd. 2: 159, 160 Arnstadt TH 232. Bd. 2: 196, 200, 202 Arnstein BY Bd. 2: 117 Arnswalde NM 112. Bd. 2: 249, 252, 254, 256, 263 Arnulf I., der Böse, Herzog von Bayern Bd. 2: 94 Aschaffenburg BY 23, 64, 119. Bd. 2: 114, 115, 116, 117, 118, 119 Aschersleben ST 150, 173, 176, 237, 259, 299, 314. Bd. 2: 207, 208, 210; Abb. 460 Aschmann (Bürgerfamilie) 291, 333. Bd. 2: 71 Askanier (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 243 Asperg BW Bd. 2: 72 Asselheim RP Bd. 2: 145 Assmannshausen HE Bd. 2: 188 Attendorn NRW 116. Bd. 2: 160, 164 Aub BY 122, 197, 279. Bd. 2: 117, 118 Auerbach BY Bd. 2: 97, 98, 99 Augsburg BY 37, 66, 85, 89, 94, 113, 124, 142, 144, 147, 153, 159, 187, 188, 190, 237, 276, 307, 338, 358; Abb. 108, 135. Bd. 2: 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 93, 193; Abb. 349, 350 Augsburg, Bischof von 24, 237. Bd. 2: 83 Aulepp, Rolf Bd. 2: 196 Babenhausen HE 53, 82, 226, 227, 237, 331, 336. Bd. 2: 180, 185, 188 Babylon 202, 226 Bacharach RP 97, 99, 112, 115, 126, 142, 184, 221, 247, 257, 309; Abb. 198. Bd. 2: 133, 134, 135, 136, 137; Abb. 404
Baden 17, 26, 61, 118, 121, 161, 216, 223, 231, 237, 268, 271, 291, 295, 303, 314, 347. Bd. 2: 48, 52, 53, 57, 58, 59, 61, 62, 63, 64, 66, 120 Baden CH 276. Bd. 2: 31, 37, 39; Abb. 310 Baden, Markgrafen von Bd. 2: 66, 147 Baden-Baden BW Bd. 2: 58, 59 Baden-Württemberg 31, 105. Bd. 2: 120 Bader, Lorentz Bd. 2: 52; Abb. 326 Baer, Casimir Herrmann 21 Baeriswyl, Armand 245 Bahn HP Bd. 2: 278 Balingen BW 132, 289. Bd. 2: 70, 71 Ballenstedt ST Bd. 2: 208 Bamberg BY 51, Abb. 21. Bd. 2: 98, 100, 102, 103, 105, 106, 109 Barbarossa s. Friedrich I. Barby ST Bd. 2: 208 Bardowiek NI 43, Abb. 15. Bd. 2: 239 Bärnau BY Bd. 2: 98 Barr EL Bd. 2: 52 Bart, Heinrich 333. Bd. 2: 93 Bartenstein OP Bd. 2: 286, 288, 289, 290 Barth MV 67, 184. Bd. 2: 274, 276, 277, 278, 283, 284; Abb. 522 Bärwalde NM Abb. 88. Bd. 2: 242, 246, 251, 252, 253, 254; Abb. 488 Basel CH (s. a. Kleinbasel) 14, 21, 38, 63, 64, 73, 79, 81, 84, 88, 89, 108, 112, 113, 118, 121, 130, 136, 160, 161, 163, 167, 177, 181, 182, 205, 216, 218, 236, 249, 264, 265, 295, 306, 307, 333, 335, 347, 349; Abb. 49, 109, 128, 204. Bd. 2: 24, 26, 27, 28, 30, 33, 35, 37, 41, 42, 43, 44, 45, 53, 57, 139, 140; Abb. 300, 301 Baumholder RP Bd. 2: 129, 143 Bautzen SN 36, 64, 66, 79, 108, 114, 139, 153, 201, 235, 254, 260, 264, 283, 292, 319, 328, 342; Abb. Titelbild (S. 2), 177, 201. Bd. 2: 212, 213, 214, 216, 217, 218, 219, 220; Abb. 468 Bayerischer Wald 107 Bayerisch Schwaben 89, 122, 177, 215, 216, 268. Bd. 2: 78, 80, 84, 86, 89, 93 Bayern (s. a. Altbayern, Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz) 16, 17, 31, 45, 56, 66, 89, 109, 120, 121, 176, 178, 188, 200, 207, 215, 216, 228, 236, 237, 281, 290, 296, 300, 303, 314, 321, 331, 351. Bd. 2: 14, 78, 83, 87, 89, 91, 92, 93, 95, 261 Bayreuth BY 62, 85, 313, 317. Bd. 2: 101, 107, 114 Beckum NRW 314. Bd. 2: 162, 165 Beeskow BB 50, 55, 68, 127, 128, 201, 270, 279; Abb. 75. Bd. 2: 245, 246, 252, 255, 256, 258, 259, 262, 263, 264, 277 Beilngries BY 89, 266. Bd. 2: 87, 91 Beilstein BW Bd. 2: 126 Beilstein RP 232, 247. Bd. 2: 133, 135, 137 Belgard HP 36, 150, 198. Bd. 2: 274, 278, 283 Belgern SN 66, 197. Bd. 2: 217 Belgien 206 Belzig (Burg) SN Bd. 2: 259 Bensheim HE Bd. 2: 186, 187 Berching BY 157, 265, 281. Bd. 2: 97, 98, 99; Abb. 370 Register
339
Berg (Herzogtum) Bd. 2: 156 Bergen op Zoom 206 Bergheim EL 303. Bd. 2: 52; Abb. 325 Bergheim NRW Bd. 2: 155 Bergzabern RP 61, 64, 279, 295, 296. Bd. 2: 142, 146 Berlin B 42, 104, 311, 314, 317, 318, 334; Abb. 14. Bd. 2: 249, 251, 255, 265 Berlinchen NM Bd. 2: 252 Bern CH 63, 121, 130, 148, 149, 150, 188, 190, 216, 218, 231, 236, 240, 245, 248, 302, 349; Abb. 136. Bd. 2: 28, 29, 33, 35, 36, 37, 41, 42; Abb. 303 Bernau bei Berlin BB 150, 159, 169, 222; Abb. 87, 241. Bd. 2: 246, 251, 252, 253, 254, 255, 259, 261, 263; Abb. 498 Bernburg ST Bd. 2: 206 Bernhard IV., Bischof von Paderborn Bd. 2: 161 Bernhard von Spanheim, Herzog von Kärnten Bd. 2: 8 Bernkastel RP 247. Bd. 2: 132, 133, 135 Bernstadt SCH 127, 249. Bd. 2: 230, 232 Bernward (Hl.), Bischof von Hildesheim 37. Bd. 2: 166 Besigheim BW 246, 279, 314. Bd. 2: 66, 70, 71; Abb. 338 Betzenstein BY Bd. 2: 109 Beuthen SCH Bd. 2: 227 Bezelin von Bremen, Erzbischof Bd. 2: 238 Biberach an der Riss BW 67, 135, 184, 229, 237, 291, 295; Abb. 231. Bd. 2: 74, 75, 76 Biel CH Bd. 2: 34, 36, 37 Bielefeld NRW 225, 304, 308, 311. Bd. 2: 161, 164, 165 Bietigheim BW 150. Bd. 2: 68, 69, 71 Billigheim RP 23. Bd. 2: 144 Bingen RP 115, 329, 330. Bd. 2: 129, 141 Bischofstein OP 55. Bd. 2: 286 Bischofswerda SN 201. Bd. 2: 214, 217 Bischofszell CH Bd. 2: 32, 37, 38 Bitburg RP 33. Bd. 2: 129 Bitterli, Thomas 14 Blankenberg an der Sieg NRW 75, 116, 155, 237, 272; Abb. 103. Bd. 2: 131, 152, 157; Abb. 426 Blankenburg TH Bd. 2: 201, 207 Blankenburg, Graf von 23, 115 Blankenheim NRW 266. Bd. 2: 155, 158 Bleiburg ÖR Bd. 2: 11, 12 Blomberg NRW 189. Bd. 2: 163, 164 Bludenz ÖR 302. Bd. 2: 24, 32, 39, 41 Blumberg BW Bd. 2: 61 Blumenfeld BW Bd. 2: 59 Böblingen BW Bd. 2: 70, 71 Bocholt NRW 50. Bd. 2: 161 Bochum NRW 45. Bd. 2: 161 Bodendorf RP Bd. 2: 138 Bodenwerder NI 132, 200, 297. Bd. 2: 172, 174 Bogenhausen BY 66. Bd. 2: 87 Böhmen 119, 164, 173, 176, 201, 230, 234, 238, 283, 352. Bd. 2: 6, 93, 94, 98, 108, 184, 211, 218, 221, 223, 224, 227, 232, 261 Bolkenhain SCH 120. Bd. 2: 226 Bonames HE 280. Bd. 2: 181, 192 Bonifatius (Missionar) Bd. 2: 176
340 Topographischer Teil
Bonn NRW 49, 51, 108, 116, 203, 336, 350; Abb. 245. Bd. 2: 131, 132, 151, 153; Abb. 419 Bönnen, Gerold 329 Bönnigheim BW 72, 161, 289. Bd. 2: 67, 68, 70, 71; Abb. 339 Bopfingen BW Bd. 2: 66, 70 Boppard RP 32, 77, 126, 247, 330. Bd. 2: 129, 133, 134, 135, 136 Borgentreich NRW 97, 133, 311. Bd. 2: 162, 164, 165 Borgholz NRW 311, 314. Bd. 2: 165 Borken NRW 23, 49, 50, 66, 68, 78, 124, 135, 297. Bd. 2: 159, 161, 162, 164 Borna SN 201. Bd. 2: 215, 217 Bornheim genannt Schilling (Konservator) Bd. 2: 138 Börsch EL Bd. 2: 50 Bötzow BB Bd. 2: 245 Boxberg BW Bd. 2: 123 Boxthude, Steffen 153, 334; Abb. 101. Bd. 2: 260; Abb. 487 Bozen TI 9, 262. Bd. 2: 20, 21 Brabant (Herzogtum) Bd. 2: 156 Brakel NRW 314. Bd. 2: 165 Bramstedt SH Bd. 2: 237 Brandenburg (Land; s. a. Neumark) 20, 24, 30, 36, 42, 47, 56, 68, 85, 78, 75, 76, 78, 79, 91, 93, 104, 109, 115, 122, 127, 137, 140, 152, 160, 165, 169, 176, 178, 184– 186, 200, 201, 204, 207, 219, 222, 223, 224, 226, 240, 241, 242, 263, 267, 270, 274, 292, 314, 318, 335, 336, 350, 351, 352. Bd. 2: 6, 61, 175, 204, 211, 221, 225, 228, 229, 241, 242, 243, 245, 246, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 271, 274, 275, 277, 278, 281, 283, 286 Brandenburg (Stadt, „Altstadt“ und „Neustadt“) 36, 46, 75, 104, 123, 176, 201, 270, 292, 311, 334, 335; Abb. 268. Bd. 2: 242, 243, 244, 245, 247, 251, 256, 257, 259, 261, 262, 263, 264, 265; Abb. 499 Brandenburg-Ansbach, Markgraf von 319 Braubach RP Bd. 2: 133, 135, 136 Braun, Georg s. Braun/Hogenberg Braunau ÖR Bd. 2: 14, 18 Braunfels HE 17. Bd. 2: 180 Braun/Hogenberg 28, 43, 283, 305, 307; Abb. 246, 252. Bd. 2: 226; Abb. 456 Bräunlingen BW Bd. 2: 58, 59 Braunsberg OP 132, 232, 298; Abb. 34. Bd. 2: 288, 290, 291 Braunschweig NI 46, 59, 104, 226, 243, 264, 304, 322, 347; Abb. 259. Bd. 2: 166, 167, 171, 204, 210, 250; Abb. 493 Braunschweig, Herzog von Bd. 2: 169 Braunschweig-Grubenhagen, Herzog von Bd. 2: 171 Braunschweig-Lüneburg, Herzog von Bd. 2: 168 Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog von 309 Breckerfeld NRW Bd. 2: 162 Bregenz ÖR 80. Bd. 2: 24, 32, 33, 41 Breisach BW 27, 159, 198. Bd. 2: 52, 59, 62 Breisgau 319 Bremen HB 37, 66, 108, 339, 350. Bd. 2: 238, 240, 241; Abb. 484
Bremgarten CH 42, 100, 121, 189, 301; Abb. 35. Bd. 2: 31, 36, 38, 40, 41, 42, 43, 44, 45 Breslau SCH 104, 107, 119, 142, 221, 236, 243, 254, 264, 277, 283, 292, 303, 332; Abb. 36, 178. Bd. 2: 221, 222, 223, 226, 227, 230, 232, 234, 235, 236 Bretten BW 121, 135. Bd. 2: 60, 62, 63 Brieg SCH Bd. 2: 227, 235 Brixen TI 250, 342, 349. Bd. 2: 20, 24 Bruchsal BW 53. Bd. 2: 60, 62, 63 Bruchstein NI Bd. 2: 172 Bruck an der Leitha ÖR 129, 200, 231. Bd. 2: 13, 16 Bruck an der Mur ÖR 106. Bd. 2: 9, 12 Bruck in der Oberpfalz BY Bd. 2: 99 Brugg CH 252, 256, 265, 299. Bd. 2: 31, 33, 39, 45 Brügge 206 Brühl NRW Bd. 2: 154 Bruneck TI 252. Bd. 2: 20, 21, 23, 24; Abb. 294, 295 Bruno von Brixen, Bischof Bd. 2: 21 Brüssow BB Bd. 2: 252 (Bad) Buchau BW Bd. 2: 77 Buchen BW 314. Bd. 2: 60, 63 Buchsweiler EL 272. Bd. 2: 49 Büderich NRW Bd. 2: 155 Büdingen HE 23, 84, 207, 291, 293, 303, 337, 338, 340, 341; Abb. 154, 232. Bd. 2: 180, 182, 188, 193; Abb. 447 Büdingen (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 193 (Neu-)Bulach BW Bd. 2: 59, 60 Bülach CH Bd. 2: 35 Bunzlau SCH 114, 236, 276. Bd. 2: 223, 234 Büraberg/Büraburg HE (karolingische Burg) 34, 35, 69; Abb. 9. Bd. 2: 176 Büren NRW Bd. 2: 161, 162, 163 Büren an der Aare CH Bd. 2: 35, 37 Burgau BY 42, 187. Bd. 2: 81, 86 Burg bei Magdeburg ST 79, 201. Bd. 2: 251, 262; Abb. 489 Burgdorf CH 63, 89, 118, 193, 248; Abb. 189. Bd. 2: 28, 30, 32, 34, 35 Bürgel TH 197. Bd. 2: 202 Bürgeln CH Bd. 2: 35 Burgenland Bd. 2: 12, 18, 19 Burghaun HE Bd. 2: 194 Burghausen an der Salzach BY 61, 290; Abb. 229. Bd. 2: 88, 93 Burgkunstadt BY Bd. 2: 100, 103, 106 Burglengenfeld BY Bd. 2: 99 Burgsinn BY 276. Bd. 2: 118 Burg Stargard MV 218. Bd. 2: 267 Burgsteinfurt NRW Bd. 2: 163 Burgund Bd. 2: 26 Büring, Johann Gottfried 321 Burkhard von Fenis, Bischof Bd. 2: 25 Burkheim BW 319. Bd. 2: 61, 64 Bütow OP Bd. 2: 286 Butzbach HE 54, 84, 137, 237; Abb. 50. Bd. 2: 180, 181, 182, 183, 184, 188 Bützow MV Bd. 2: 267 Buxtehude NI 104, 228, 297. Bd. 2: 241, 242 Cadolzburg BY 50, 63. Bd. 2: 109
Caen (Frankreich) 57 Calau BB Bd. 2: 245, 252 Calw BW Bd. 2: 58, 59 (Bad) Camberg HE Bd. 2: 180, 186 Camburg TH Bd. 2: 201 Cammin HP 36, 68, 145, 201. Bd. 2: 274, 284 Carcassonne 204 Carnot, Lazare 280 Celle NI 46, 52, 297, 305. Bd. 2: 241, 242 Cham BY 34, 98, 132, 208, 234. Bd. 2: 94, 98, 100 Chemnitz SN 47, 235, 330. Bd. 2: 214, 216, 219, 220 Chillon (Burg) CH 118 China 262 Chinesische Mauer 309, 354 Chorin (Kloster) 184 Christenberg (karolingische Burg) HE 34, 35 Christian II., König von Dänemark Bd. 2: 240 Chur CH 72, 216, 270. Bd. 2: 29, 38, 41, 42, 45 Clingen TH 104. Bd. 2: 203 Cloppenburg NI 27, 45. Bd. 2: 242 Coburg BY Bd. 2: 100, 106, 107, 110 Cochem RP 126, 127, 329. Bd. 2: 134, 135, 136 Coesfeld NRW 66, 177. Bd. 2: 159, 161, 163 Colditz SN Bd. 2: 217, 219 Cölln s. Berlin Colmar EL 60, 90. Bd. 2: 48 Como 272 Corvey (Kloster) NRW 309. Bd. 2: 160, 161, 165 Cosel SCH Bd. 2: 227 Cottbus BB 152, 270, 292. Bd. 2: 252, 260, 263, 264 Crac des Chevaliers (Burg, Syrien) 77 Crailsheim BW 93, 302, 315. Bd. 2: 124, 126, 127, 128 Creglingen BW Bd. 2: 124, 126; Abb. 390 Creußen BY 279, 291, 331. Bd. 2: 100, 107, 108, 109, 111 Creuzburg TH 45. Bd. 2: 195, 197, 201 Crossen NM Bd. 2: 252 Cuvilliés, François de 322 Dabernburg BB 311; Abb. 249 Dahme BB Bd. 2: 252, 257 Dalen SN Bd. 2: 215 Dalsheim RP 84, 266, 276; Abb. 206. Bd. 2: 144, 145 Dambach EL 23, 157; Abb. 5. Bd. 2: 49 Dänemark 66 Danewerk SH 66, 309. Bd. 2: 238, 242; Abb. 483 Dannenberg NI Bd. 2: 237 Danzig OP 123, 197, 207, 209, 223, 232, 259. Bd. 2: 223, 286, 288, 289, 290, 291; Abb. 527 Dardesheim ST Bd. 2: 208 Darmstadt HE 84, 208, 237, 238. Bd. 2: 180, 186, 188 Daucher, Adolf Bd. 2: 78 Dausenau an der Lahn RP 107, 192; Abb. 140. Bd. 2: 134, 135, 136 DDR (ehem. Deutsche Demokratische Republik) 68 Decker, Klaus-Peter Bd. 2: 193 Deggendorf BY 89. Bd. 2: 86, 87 Dehio, Georg 21. Bd. 2: 13 Dehn, Heyko Bd. 2: 212 Deidesheim RP 329. Bd. 2: 143, 145 Register
341
Delft 206 Delitzsch SN 66, 78, 201, 284. Bd. 2: 217, 220; Abb. 467 Delmenhorst NI Bd. 2: 237 Demmin MV 36, 168. Bd. 2: 270, 274, 275, 278, 281, 282 Dessau ST Bd. 2: 204, 206 Detmold NRW 314. Bd. 2: 159, 162, 165 Dettelbach BY Bd. 2: Abb. 386. Bd. 2: 120 Deutscher Orden 232, 234, 259, 287, 289, 332. Bd. 2: 72, 111, 120, 123, 285 Deutsch Eylau OP 251. Bd. 2: 288 Deutsch Krone HP 51. Bd. 2: 275 Deutschordensland s. Ordensland Preußen Deutz (Stadtteil von Köln) 33, 116. Bd. 2: 149, 157 Dieburg HE 59, 79. Bd. 2: 178, 182 Diedenhofen LO 118. Bd.2: 147 Dierdorf RP Bd. 2: 135, 136 Diessenhofen CH 65, 89, 145, 188, 231, 331. Bd. 2: 30, 31, 33, 36, 38, 42, 43, 44; Abb. 313 Dietfurt BY 50. Bd. 2: 97, 99 Dietrich, Erzbischof Bd. 2: 118 Diez RP Bd. 2: 136 Dilich, Wilhelm 284. Bd. 2: 211, 214, 216; Abb. 463, 465 Dillenburg HE 53, 226, 266. Bd. 2: 194 Dillingen BY 24, 25, 54, 62, 67, 90, 228, 237. Bd. 2: 80, 81, 83, 84 Dilsberg BW Bd. 2: 61 Dingolfing BY 85, 290. Bd. 2: 90, 93 Dinkelsbühl BY 42, 62, 90, 95, 107, 124, 133, 134, 136, 140, 171, 173, 174, 176, 216, 235, 259, 262, 264, 284, 319, 321, 325, 331; Abb. 80, 81, 83, 118, 200. Bd. 2: 69, 100, 101, 102, 103, 105, 106, 107, 108, 110, 111, 112, 114; Abb. 373 Dinslaken NRW Bd. 2: 157 Dippoldiswalde SN Bd. 2: 216, 219, 220 Dirschau OP Bd. 2: 286; Abb. 525 Döbeln SN 85. Bd. 2: 217 Donauwörth BY 85, 109, 208. Bd. 2: 79, 81, 82, 83, 89; Abb. 351 Dorfen BY Bd. 2: 91 Dornhan BW Bd. 2: 58, 59 Dornstetten BW Bd. 2: 59, 62 Dorsten NRW Bd. 2: 160, 162 Dortmund NRW 73, 311, 327; Abb. 264. Bd. 2: 159, 165 Drachenfels NRW (Burg) 57 Dramburg NM 112, 331. Bd. 2: 276, 277, 278 Dransfeld NI Bd. 2: 174 Drebkau BB 57 Dreieichenhain HE 196. Bd. 2: 179, 187, 188, 192 Dresden SN 235, 255, 322, 341. Bd. 2: 214, 216, 219, 220 Driesen NM Bd. 2: 245 Drosendorf ÖR 79, 204, 236; Abb. 13. Bd. 2: 14, 15, 16; Abb. 286 Drossen NM 50, 267, 270. Bd. 2: 242, 245, 253, 254, 264 Dudeldorf RP 52, 55, 166, 170. Bd. 2: 135 Duderstadt NI 30, 45, 46, 51, 55, 76, 82, 288, 297, 311, 330, 336, 349; Abb. 17, 227. Bd. 2: 168, 170, 171, 173 Duisburg NRW 46, 74, 79, 81, 84, 108, 123, 129, 260, 270, 347, 348. Bd. 2: 151, 157; Abb. 420
342 Topographischer Teil
Dülken NRW Bd. 2: 156 Dülmen NRW 177, 206. Bd. 2: 164 Düren NRW 84, 284, 296; Abb. 6. Bd. 2: 152, 155, 157 Dürer, Albrecht 296, 301. Bd. 2: 112, 113 Dürkheim RP Bd. 2: 143 Durlach BW 26. Bd. 2: 55, 58, 62, 63 Dürnstein ÖR 79. Bd. 2: 15, Düsseldorf NRW 74. Bd. 2: 148 Eberbach am Neckar BW 61, 71, 125, 155, 193; Abb. 104. Bd. 2: 55, 56, 60, 187 Eberhard I.. Graf von Württemberg Bd. 2: 67 Eberhard V., im Bart, Graf/Herzog Bd. 2: 70 Ebern BY Bd. 2: 115 Ebingen BW Bd. 2: 76 Echternach LUX 46, 119, 272. Bd. 2: 147, 148 Eckehard, Bischof von Merseburg Bd. 2: 205 Eckernförde SH Bd. 2: 237 Ediger RP 126. Bd. 2: 135, 136 Edward I., König von England 166, 167, 204 Eferding ÖR Bd. 2: 12 Egeln ST 314 Eggenburg ÖR 236, 288, 290. Bd. 2: 14, 15, 16; Abb. 289 Eggenfelden BY Bd. 2: 91 Egisheim EL 260, 303; Abb. 26. Bd. 2: 47, 52; Abb. 318 Eglisau CH 27, 253. Bd. 2: 32, 33 Ehingen BW 187. Bd. 2: 68, 77 Eibelstadt BY Bd. 2: 120 Eichenbühl BY Bd. 2: 120 Eichstätt BY 215, 237, 290. Bd. 2: 88, 92, 93, 99, 100, 102, 110 Eichstätt, Bischof von 24. Bd. 2: 107 Eickemeyer, Rudolf 320 Eidloth, Volkmar 320 Eifel 336. Bd. 2: 132 Eilenburg SN Bd. 2: 215, 219 Einbeck NI 46, 48, 51, 97, 132, 225, 259, 293, 304, 331, 336, 347, 348. Bd. 2: 167, 168, 170, 172, 175; Abb. 431 Eisenach TH 114, 130, 147, 148, 150, 172, 328, 349; Abb. 172. Bd. 2: 196, 197, 200 Eisenberg RP Bd. 2: 145 Eisenberg TH 34. Bd. 2: 195 Eisenstadt ÖR Bd. 2: 19 Eisfeld TH 111, 122, 331. Bd. 2: 197 Eisleben ST 314. Bd. 2: 206 Elbing OP 51, 86, 91, 123, 207, 232, 304. Bd. 2: 285, 286, 288, 289, 291 Elgg CH Bd. 2: 35 Ellingen BY 182, 189, 208, 266; Abb. 137. Bd. 2: 113 Ellrich TH Bd. 2: 195, 202 Ellwangen BW Bd. 2: 66, 68, 71 Elsass (s. a. Oberelsass, Unterelsass) 17, 45, 60, 88, 90, 118, 125, 161, 189, 200, 211, 216, 217, 223, 231, 237, 254, 260, 266, 272, 295, 303. Bd. 2: 26, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 61, 62 Eltmann BY 281. Bd. 2: 117 Eltville HE 54, 79, 84, 159, 178, 247, 249. Bd. 2: 180, 181, 186, 188, 194 Eltz (Burg) RP 263 Elzach BW Bd. 2: 58, 59
Emden NI 228, 341. Bd. 2: 242 Emmendingen BW 319. Bd. 2: 60, 64 Emmerich NRW 284. Bd. 2: 155, 157 Emmerich, Werner 34. Bd. 2: 100 Endingen BW 189. Bd. 2: 59, 64; Abb. 336 Engelbert I. von Berg, Erzbischof von Köln Bd. 2: 160 Engen BW Bd. 2: 59, 62 Engern (Herzogtum) Bd. 2: 158 Engers RP 123. Bd. 2: 135, 136 England 57, 163, 167, 202, 204, 206, 271, 282, 321. Bd. 2: 153 Enkirch RP Bd. 2: 138 Ennen, Edith 39 Enns ÖR 200. Bd. 2: 13 Ensisheim EL Bd. 2: 52 Eppingen BW 97, 200. Bd. 2: 126 Eppstein HE 242 Eppstein (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 188 Erbach im Odenwald HE 170. Bd. 2: 180, 187 Erckel, Ulrich 297, 333. Bd. 2: 220 Erding BY 184. Bd. 2: 91 Erfurt TH 34, 45, 108, 114, 128, 225, 232, 243, 264, 301, 314, 336, 349. Bd. 2: 194, 195, 197, 200, 201, 202, 203, 222; Abb. 449 Erlach CH 170, 193, 231. Bd. 2: 32, 33, 42 Erlangen BY Bd. 2: 107 Erlau CH Bd. 2: 33 Erpel RP Bd. 2: 131, 138 Eschenbach s. Alt-Eschenbach Eschenbach, Herr von Bd. 2: 32 Eschenbach in der Oberpfalz Bd. 2: 97 Eschwege HE 120, 184. Bd. 2: 181, 182, 183, 187, 193 Essenwein (Architekt) 282 Essing BY Bd. 2: 91 Esslingen BW 62, 63, 90, 105, 108, 125, 149, 150, 161, 181, 182, 255, 295, 349; Abb. 30. Bd. 2: 64, 65, 66, 67, 68, 71; Abb. 337 Ettenheim BW 319. Bd. 2: 58, 64 Ettlingen BW 53, 319. Bd. 2: 55, 60, 63, 64, 192 Etwashausen BY Bd. 2: 119 Euerdorf BY Bd. 2: 120 Euskirchen NRW 45, 99, 116. Bd. 2: 155 Eutin SH Bd. 2: 237 Everstein, Grafen von 342 Falkenberg SCH 78. Bd. 2: 230 Fazuni, Antonio Bd. 2: 113 Feldbach ÖR Bd. 2: 12 Feldkirch ÖR 65, 189, 193, 198, 300, 302. Bd. 2: 24, 31, 33, 39, 40, 43, 44; Abb. 311 Fels LUX Bd. 2: 148 Feuchtwangen BY 128. Bd. 2: 102, 106, 107, 114 Finstingen LO 208. Bd. 2: 147 Fladungen BY 128. Bd. 2: 115 Flensburg SH 190, 315. Bd. 2: 241 Florenz 263 Flörsheim HE 24, 120, 133. Bd. 2: 181, 193, 194 Forchheim BY 64. Bd. 2: 106, 108, 111, 113 Forchtenberg BW 100, 190. Bd. 2: 124, 129 Fouquet, Gerhard 333
Franken (s. a. Mittelfranken, Oberfranken, Unterfranken) 15, 27, 34, 45, 46, 62, 63, 81, 82, 85, 86, 88, 90, 110, 111, 114, 120, 120, 121, 122, 134, 153, 155, 156, 161, 176, 177, 184, 185, 188, 189, 196, 197, 200, 201, 208, 216, 224, 234, 235, 237, 264, 265, 276, 281, 287, 291, 296, 312, 314, 319, 331, 351, 354. Bd. 2: 41, 52, 61, 63, 64, 80, 84, 92, 94, 98, 100, 102, 103, 104, 105, 106, 108, 109, 110, 111, 112, 120, 122, 186, 199, 233, 235, 284 Frankenberg HE Bd. 2: 184 Frankenhausen TH 47, 75, 85, 334. Bd. 2: 195, 197, 203 Frankenstein SCH 336. Bd. 2: 226, 236 Frankewitz, Stefan Bd. 2: 155 Frankfurt am Main HE 84, 107, 141, 142, 184, 186, 205, 237, 264, 276, 284, 296, 307, 312, 314, 331, 333, 334, 350; Abb. 131, 250. Bd. 2: 163, 178, 180, 183, 184, 186, 187, 188, 189, 191, 192; Abb. 439 Frankfurt an der Oder BB 47, 48, 89, 304, 336. Bd. 2: 244, 245, 252, 264 Frankreich 33, 63, 119, 163, 202-204, 206, 271, 272, 323, 350, 352. Bd. 2: 13, 130, 143, 146, 147, 148, 149, 151, 153, 177, 178, 199 Franz Joseph I., österreichischer Kaiser 324 Franz von Sickingen 263 Frauenburg (Dom) OP 207 Frauenfeld CH Abb. 48. Bd. 2: 31, 33, 42 Fraustadt SCH Bd. 2: 232, 235 Fredeburg SH Bd. 2: 242 Freiberg SN 71, 108, 114, 228, 336, 349; Abb. 65. Bd. 2: 212, 213, 214, 215, 217, 219, 220, 222; Abb. 463, 464 Freiburg SCH Bd. 2: 232 Freiburg im Breisgau BW 63, 73, 77, 88, 90, 118, 146, 148, 163, 164, 192, 248, 265, 295, 301, 347, 349, 350; Abb. 38, 40, 96. Bd. 2: 52, 53, 55, 56, 57, 58, 59, 62; Abb. 328 Freiburg im Üechtland CH 89, 121, 212, 219, 231, 240, 278, 285, 294, 347, 350; Abb. 160. Bd. 2: 27, 28, 29, 30, 33, 35, 36, 37, 41, 42, 43, 44, 45; Abb. 312 Freinsheim RP 207, 266, 276, 277. Bd. 2: 143, 145, 146; Abb. 412, 413 Freising BY 264. Bd. 2: 90 Freistadt ÖR 193, 236. Bd. 2: 15, 16; Abb. 290 Freistadt SCH 236 Freudenberg am Main BW 128. Bd. 2: 127 Freudenburg RP Bd. 2: 135 Freyburg an der Unstrut ST 26, 85, 100, 104, 201, 254, 277, 278, 284, 288. Bd. 2: 209, 210; Abb. 461 Freyenstein BB 44. Bd. 2: 243, 244, 252 Freystadt BY Bd. 2: 97, 98 Freystadt SCH Bd. 2: 223, 234 Frickenhausen am Main BY Bd. 2: 120 Fridingen BW Bd. 2: 58, 61 Friedberg BY 109, 276. Bd. 2: 82, 89; Abb. 354 Friedberg HE 81, 139, 312. Bd. 2: 179, 183, 187, 190 Friedberger, Eberhard 141, 334. Bd. 2: 186 Friedeberg NM 127, 145. Bd. 2: 246, 252, 256, 261 Friedland BB Bd. 2: 249 Friedland MV 52, 117, 150, 205, 218. Bd. 2: 265, 268, 269, 272; Abb. 503, 507 Register
343
Friedrich I., römischer Kaiser 23, 55, 73, 256. Bd. 2: 121, 139, 149, 152, 195, 214, 239, 244 Friedrich I., Erzbischof von Köln Bd, 2: 131 Friedrich II., römischer Kaiser 62, 111, 332. Bd. 2: 64, 68, 74, 79, 94, 195 Friedrich III., römischer Kaiser Bd. 2: 110 Friedrich von Öttingen, Bischof Bd. 2: 106 Friedrich von Saarwerden, Erzbischof von Köln Bd. 2: 154, 155, 156 Fries, Lorenz 228, 230, 233 Friesach ÖR 53, 80, 85, 113, 231; Abb. 174. Bd. 2: 7, 9, 12; Abb. 273 Friesack BB 263. Bd. 2: 244 Friesoythe NI Bd. 2: 241 Fritzlar HE 34, 69, 71, 90, 99, 105, 108, 119, 120, 132, 243, 284, 312, 314, 320, 332, 350, 352; Abb. 55, 70. Bd. 2: 176, 177, 181, 182, 183, 186, 189, 190; Abb. 445 Frontenhausen BY Bd. 2: 91 Fulda HE 34, 37, 59, 79, 84, 195, 291, 312, 347. Bd. 2: 175, 176, 180, 181, 183, 189, 190, 191, 193, 195; Abb. 437 Fürstenau CH Bd. 2: 35 Fürstenau bei Osnabrück NI 50. Bd. 2: 241 Fürstenberg BB Bd. 2: 242, 243 Fürstenberg BW Bd. 2: 59, 63 Fürstenfeld ÖR 250. Bd. 2: 10 Fürstenwalde BB Bd. 2: 245, 246, 252, 255 Fürstenwerder BB 204, 222. Bd. 2: 242, 252, 257, 263 Furth im Wald BY Bd. 2: 97 Füssen BY 294. Bd. 2: 79, 84 Gabolshausen BY Bd. 2: 119 Gabrieli, Gabriel de Bd. 2: 114 Gadebusch MV Bd. 2: 267, 268 (Bad) Gandersheim NI 47, 311. Bd. 2: 167, 171 Gangelt NRW Bd. 2: 156 Gardelegen ST 159, 207, 311. Bd. 2: 251, 252, 264, 265 Gärtner, Friedrich von 216 Gartz BB 145, 226, 227, 335. Bd. 2: 251, 252, 253, 255, 256, 259, 260 Gau-Algesheim RP Bd. 2: 145 Gebweiler EL Bd. 2: 50 Geisa TH Bd. 2: 203 Geisingen BW Bd. 2: 59 Geislingen BW Bd. 2: 67, 70 Geithain SN 42. Bd. 2: 214, 219 Geldern NRW 306, 334. Bd. 2: 157 Geldersheim BY Bd. 2: Abb. 385. Bd. 2: 120 Gelnhausen HE 82, 93, 277, 278, 296. Bd. 2: 124, 178, 179, 180, 182, 184, 187, 188, 191, 192 Gelsdorf RP Bd. 2: 138 Gemmrigheim BW Bd. 2: 71 Gemünden BY Bd. 2: 117, 118 Gemünden RP 266. Bd. 2: 138 Gengenbach BW 77, 158, 189. Bd. 2: 58, 60 Gera TH Bd. 2: 197 Gerdauen OP Bd. 2: 286 Gernsbach BW Bd. 2: 59, 62 Gerolstein RP 204, Gerolzhofen BY Bd. 2: 116, 117, 120 Gerresheim NRW Bd. 2: 156
344 Topographischer Teil
Gerthener, Madern 184, 205, 334. Bd. 2: 186, 187, 188 Geseke NRW 73. Bd. 2: 159 Giengen BW 109, 237. Bd. 2: 74, 76, 82, 89 Gifhorn NI 305 Gilgenburg OP 252. Bd. 2: 286 Girard, Nicolet Bd. 2: 36 (Mönchen-)Gladbach NRW 296, 311. Bd. 2: 156, 157 Glanzenberg CH 261. Bd. 2: 30, 32, 33 Glatz SCH 120, 190. Bd. 2: 226, 227, 232, 236 Glauchau SN Bd. 2: 217, 219 Gleiwitz SCH 78. Bd. 2: 230, 235 Glogau SCH 114, 182, 209, 236, 283. Bd. 2: 223, 234, 235; Abb. 472 Glurns TI 162, 198, 236, 243, 265, 290, 293, 302, 341; Abb. 145, 184. Bd. 2: 23, 24; Abb. 297, 298, Gmünd BW s. Schwäbisch Gmünd Gmunden ÖR Bd. 2: 18 Gmünd in Kärnten ÖR 196, 248. Bd. 2: 8, 10, 12, 15; Abb. 275 Goch NRW 84, 311. Bd. 2: 155, 157 Gochsheim BW Bd. 2: 58, 61 Gochsheim BY Bd. 2: 119 Goldberg MV Bd. 2: 267 Goldberg SCH 114, 201; Abb. 148. Bd. 2: 222, 223, 228, 232, 233; Abb. 471 Göllheim RP Bd. 2: 145 Gollnow HP 123, 128. Bd. 2: 276, 278, 281, 285 Gollub OP Bd. 2: 288, 290 Göppingen BW Bd. 2: 67, 70, 71 Görlitz SN 108, 114, 153, 201, 230, 235, 236, 263, 282, 283; Abb. 222. Bd. 2: 211, 214, 215, 217, 218, 219, 220, 235; Abb. 466 Görzke BB 85. Bd. 2: 251 Goslar NI 23, 27, 37, 44, 49, 59, 114, 116, 136, 147, 180, 182, 195, 225, 228, 242, 263, 268, 276, 277, 293, 297, 303, 304, 309, 310, 345, 347; Abb. 13, 171, 233, 244. Bd. 2: 166, 167, 169, 170, 172, 174, 175; Abb. 432, 436 Goßmannsdorf BY Bd. 2: 120 Gotha TH 34, 85. Bd. 2: 195, 196, 197, 199 Göttingen NI 45, 46, 85, 116, 130, 307, 310, 331, 347; Abb. 248. Bd. 2: 167, 169, 170, 171, 173 Götz von Berlichingen Bd. 2: Abb. 391 Grabow MV Bd. 2: 267 Gräfenberg BY Bd. 2: 107 Gräfenhainichen ST Bd. 2: 208, 209 Grafenwöhr BY Bd. 2: 97, 99 Gransee BB 241; Abb. 181. Bd. 2: 244, 246, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 260 Graubünden CH 188 Graudenz OP 232. Bd. 2: 288, 290, 291 Graz ÖR 200. Bd. 2: 7, 11, 12 Grebenstein HE 27, 133, 139, 141, 193, 200, 312; Abb. 89. Bd. 2: 179, 180, 183, 184, 187, 190 Greding BY 140, 217, 218, 265; Abb. 165. Bd. 2: 106, 107, 108, 111 Greifenberg HP 112, 190. Bd. 2: 232, 278, 280, 285 Greifenhagen HP Bd. 2: 274, 275, 276, 277, 281 Greifensee CH 253. Bd. 2: 31, 33 Greifenstein HE Bd. 2: 180
Greifswald MV 112, 117, 322. Bd. 2: 274, 275, 276, 284; Abb. 509 Gremlich, Ritter von 250 Gremp (Bürgerfamilie) 291, 333. Bd. 2: 71 Greußen TH 226, 266, 280 Grevenmacher LUX 119. Bd. 2: 148 Gries TI Bd. 2: 21 Griethausen NRW Bd. 2: 157 Grimm, Jacob 227 Grimm, Wilhelm 227 Grimma SN Bd. 2: 214, 217 Grimmen MV Bd. 2: 283 Groitzsch SN Bd. 2: 214; Abb. 465 Gronau NI Bd. 2: 172 Großeibstadt BY Bd. 2: 119 Großenenglis HE Bd. 2: 190 Großenhain SN 201, 235, 260. Bd. 2: 216, 217, 218, 219, 220 Groß-Enzersdorf ÖR 280. Bd. 2: 16; Abb. 291 Großkomburg (Kloster) 345 Großostheim BY Bd. 2: 117 Groß-Salze ST Bd. 2: 208 Groß-Strehlitz SCH 104. Bd. 2: 227, 233 Groß-Umstadt HE 208. Bd. 2: 180, 191 Großwallstadt BY Bd. 2: 117 Groß-Winternheim RP 84. Bd. 2: 145 Grottkau SCH Bd. 2: 225, 228, 236 Grötzingen BW Bd. 2: 68 Grülich, Martin Bd. 2: 39 Grünberg HE 124, 314. Bd. 2: 184, 190 Grünberg SCH Bd. 2: 232, 236 Grüningen HE Bd. 2: 188, 191 Grünsfeld BW 128. Bd. 2: 124, 125 Grünstadt RP Bd. 2: 145 Gudensberg HE Bd. 2: 181, 182 Guhrau SCH 68, 201. Bd. 2: 231 Gundelfingen BY 90. Bd. 2: 80, 81 Gundelsheim BW 99. Bd. 2: 124, 125, 126 Günzburg BY 101, 187. Bd. 2: 81, 83, 86 Gunzenhausen BY 64, 153, 190, 200, 284. Bd. 2: 106, 107, 108, 110, 112, 113 Güssing ÖR 301. Bd. 2: 19 Güstrow MV Bd. 2: 267, 268 Gutbier, Reinhard 276. Bd. 2: 192 Guttstadt OP 298. Bd. 2: 286, 291 Haarlem 206 Haas, Walter 74 Haase, Carl 17, 27 Habelschwerdt SCH 104, 199, 201. Bd. 2: 227, 232 Habsburger (Fürstengeschlecht) Bd. 2: 29, 32, 36 Hadamar HE Bd. 2: 188, 189 Hadrianswall 354 Hagenau EL 66. Bd. 2: 47, 48, 51 Hagenbach RP 66. Bd. 2: 143 Hahnbach BY Bd. 2: 99 Haigerloch BW Bd. 2: 66 Hainburg an der Donau ÖR 71, 95, 98, 106, 113, 123, 124, 168, 181, 200, 204, 231, 232, 274, 349, 350, 353; Abb. 151, 173. Bd. 2: 13; Abb. 282
Haiterbach BW Bd. 2: 61 Haithabu SH 12, 14, 39, 46, 348; Abb. 11. Bd. 2: 237, 238, 239 Halberstadt ST 37, 46, 47, 61, 71, 108, 114, 115, 336, 347, 349. Bd. 2: 205, 209, 210 Haldensleben ST 314. Bd. 2: 208 Hall BW s. Schwäbisch Hall Hall TI 236. Bd. 2: 20, 22, 24 Halle ST 46, 85, 133, 173, 237, 288; Abb. 228. Bd. 2: 204, 210 Hallein ÖR Bd. 2: 10 Haltern NRW 23, 78, 297. Bd. 2: 164 Hamburg HH 37, 38, 42, 50, 310. Bd. 2: 238, 240, 242 Hameln NI 97, 123, 304, 311. Bd. 2: 168, 171, 172, 173, 175 Hamm NRW 116. Bd. 2: 160 Hammelburg BY 34. Bd. 2: 100, 115, 117 Hanau HE 82. Bd. 2: 180, 185, 193 Hannover NI 26, 46, 61, 133, 248, 310, 331. Bd. 2: 167, 169, 170; Abb. 433 Hannoversch Münden NI 104, 225, 350. Bd. 2: 167, 168, 173, 175 Hans Jacob von Ettlingen 291. Bd. 2: 192 Hans von Sagan Bd. 2: 245 Harderwijk (Niederlande) 206 Hartberg ÖR Bd. 2: 12 Hartmann, Hans 291. Bd. 2: 76 Harz 122, 281. Bd.2: 194, 198, 204, 206, 208, 209, 210 Harzgerode ST Bd. 2: 208 Haslach BW Bd. 2: 59, 63 Haslach ÖR 265, 276. Bd. 2: 18 Haßfurt BY 27, 197. Bd. 2: 115, 118 Hattingen NRW 45, 53, 266. Bd. 2: 162, 163 Hatto, Erzbischof von Mainz Bd. 2: 139 Hauenstein BW Bd. 2: 61 Hausach BW Bd. 2: 61 Hausbergen (Schlacht von) EL 246 Havelberg ST 42. Bd. 2: 243, 244 Hayingen BW Bd. 2: 76 Haynau SCH Bd. 2: 231, 236 Hechingen BW 189. Bd. 2: 69, 72 Heege, Andreas Bd. 2: 168 Hegau 200, 263 Heideck BY Bd. 2: 106 Heidelberg BW 61, 79, 90, 121, 130, 208, 226, 246, 314, 319, 350. Bd. 2: 55, 56, 58, 60, 64, 178; Abb. 330 Heidelsheim BW Bd. 2: 60 Heidenlöcher (Fliehburg) RP 329 Heidingsfeld BY 82, 128. Bd. 2: 116 Heilbronn BW 23, 64, 90, 276. Bd. 2: 64, 120, 121, 124, 127; Abb. 391 Heiligenhafen SH Bd. 2: 237 Heiligenstadt TH 122, 237, 314. Bd. 2: 196, 197, 198, 201, 202 Heiligkreuz BW Bd. 2: 64 Heilsberg OP 207. Bd. 2: 286, 289; Abb. 524, 528 Heimersheim RP Bd. 2: 138 Heinrich, Bischof von Merseburg Bd. 2: 205 Heinrich I., Herzog von Schlesien Bd. 2: 221 Register
345
Heinrich I., ostfränkischer König 329. Bd. 2: 211 Heinrich III., Herzog von Schlesien-Breslau 332. Bd. 2: 223 Heinrich IV., römischer Kaiser 328. Bd. 2: 148 Heinrich VII., römischer König Bd. 2: 55 Heinrich IX., Herzog von Glogau Bd. 2: 232 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen 43, 45, 46, 66, 117. Bd. 2: 166, 167, 205, 238, 239, 244 Heinrich Raspe IV. (Gegenkönig) Bd. 2: 65 Heinrich von Plauen 287 Heinrich von Stahleck, Bischof Bd. 2: 58 Heinsberg NRW Bd. 2: 151 Heldburg TH 108, 133, 189, 266, 279. Bd. 2: 203 Helmstedt NI 50, 76, 104, 158, 173, 181, 248, 304, 310, 350, 354. Bd. 2: 165, 167, 169, 170, 173; Abb. 435 Hemau BY Bd. 2: 97 Hendungen BY Bd. 2: 120 Henneberg TH Bd. 2: 197, 203 Heppenheim HE Bd. 2: 180 Herborn HE Bd. 2: 181, 182, 187 Herbstein HE Bd. 2: 179, 181, 183 Herford NRW 310. Bd. 2: 160, 165 Heringen TH 111, 122. Bd. 2: 198 Hermann von Bremen, Erzbischof Bd. 2: 238 Herrenberg BW 80, 82, 260. Bd. 2: 67, 70 Herrieden BY Bd. 2: 103, 106 Herrlisheim EL Bd. 2: 51 Herrstein RP 276. Bd. 2: 144 Hersbruck BY 50, 122, 190. Bd. 2: 102, 106, 109, 111, 113 (Bad) Hersfeld HE 97. Bd. 2: 176, 181, 182, 183 Herzog, Erich 12, 344 Herzogenaurach BY 64, 184, 200. Bd. 2: 108 Herzogenburg ÖR 280. Bd. 2: 16 Hessen (s. a. Nordhessen, Südhessen) 17, 28, 59, 79, 82, 84, 89, 90, 93, 97, 107, 110, 114, 115, 119, 120, 126, 133-137, 139, 168, 186, 192, 193, 200, 217, 224, 232, 237, 243, 244, 266, 276, 280, 291, 296, 303, 312, 314, 350, 351, 352, 354. Bd. 2: 162, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 199, 201, 284 Hessisch Lichtenau HE 243. Bd. 2: 179, 185, 188 Heßloch RP Bd. 2: 145 Hettstedt ST 104. Bd. 2: 208 Heusden (Niederlande) 206 Hezilo, Bischof von Hildesheim Bd. 2: 166 Hildburghausen TH 111, 122, 224, 331. Bd. 2: 197, 202 Hildesheim NI 33, 37, 45, 51, 74, 180, 195, 243, 245, 264, 304, 311, 345; Abb. 10. Bd. 2: 166, 167, 171, 172, 175 Hildesheim, Bischof von Bd. 2: 172 Hillesheim RP 119. Bd. 2: 132; Abb. 401 Hilpoltstein BY 46. Bd. 2: 100, 101, 102, 106 Hilsbach BW Bd. 2: 59 Himmerod RP (Kloster) 24, 333. Bd. 2: 131 Hinterpommern 66, 212 Hirschau BY Bd. 2: 97, 98 Hirschberg SCH Bd. 2: 234, 236 Hirschberger (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 88
346 Topographischer Teil
Hirschhorn am Neckar HE 174, 177, 281. Bd. 2: 180, 184, 187, 192 Hochrhein 272. Bd. 2: 52 Höchst (am Main) HE 221, 257; Abb. 198. Bd. 2: 181, 184, 187, 188, 192 Hochstadt HE 266, 280. Bd. 2: 190, 191 Höchstädt BY 266. Bd. 2: 84 Höchstadt an der Aisch BY 64, 90, 319. Bd. 2: 80, 107, 108, 111, 113 Hof BY 74. Bd. 2: 100, 102, 110 Hofgeismar HE Bd. 2: 184 Hofheim im Taunus HE 84. Bd. 2: 180, 184 Hofheim in Unterfranken BY Bd. 2: 120 Hogenberg, Frans s. Braun/Hogenberg Hohenburg (Abtei) EL Bd. 2: 47 Hohenegg (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 22 Hohenlohe (Adelsgeschlecht) 107, 145, 163, 200. Bd. 2: 103, 115, 120, 122, 123, 127 Hohensalzburg (Burg) ÖR 246, 294 Hohenstein OP Bd. 2: 286, 288; Abb. 524 Hohenwerfen (Burg) ÖR 294 Hohenzollern (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 100, 107, 265 Holl, Elias 187, 190, 358. Bd. 2: 78, 79, 85, 93; Abb. 350 Hollfeld BY 21. Bd. 2: 100 Holst, Jens Christian 218 Holstein Bd. 2: 240 Holzminden NI Bd. 2: 168 Homberg (Efze) HE 78. Bd. 2: 181, 183, 184, 189 Homberg (Ohm) HE Bd. 2: 181, 182, 183, 191 (Bad) Homburg HE 84. Bd. 2: 180, 183 Homburg am Main BY 128. Bd. 2: 116 Horb am Neckar BW 176, 248, 314. Bd. 2: 59, 60, 62, 63 Hörlebach BW Bd. 2: 127 Horn NRW Bd. 2: 163 Horn ÖR Bd. 2: 15, 16 Hornbach RP Bd. 2: 145 Horneck (Burg) BW Bd. 2: 124 Hörstein BY Bd. 2: 119 Horstmar NRW 250; Abb. 192. Bd. 2: 162 Höxter NRW 309, 311, 336. Bd. 2: 160, 165 Hulst (Niederlande) 206 Hungen HE 307. Bd. 2: 184, 189, 193 Hus, Johannes Bd. 2: 98 Hutzmann, Bischof von Speyer Bd. 2: 140 Hye, Franz-Heinz Bd. 2: 21 Ickelheim BY 196. Bd. 2: 114 Ilanz CH 188. Bd. 2: 45 Île de France 57, 118 Ilshofen BW 190, 279; Abb. 217. Bd. 2: 129 Immenhausen HE Bd. 2: 181, 183, 185 Immenstadt BY 24 Imperium Romanum 33 Imst TI 56. Bd. 2: 22 Ingelfingen BW 97, 107. Bd. 2: 123 Ingelheim RP (s. a. Ober-Ingelheim) 33, 121 Ingolstadt BY 82, 89, 109, 110, 121, 134, 137, 139, 153, 184, 215, 216, 218, 264, 301, 307, 354; Abb. 46, 102, 163, 247. Bd. 2: 76, 79, 82, 83, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 98, 107, 193; Abb. 360
Ingweiler EL Bd. 2: 49, 50, 51 Innsbruck TI 64, 231, 236, 250, 262, 341, 342. Bd. 2: 19, 20, 24 Iphofen BY 64, 95, 216, 217, 218, 224, 281, 304; Abb. 170. Bd. 2: 115, 116, 117; Abb. 383 Irland 139 Iserlohn NRW 50. Bd. 2: 162 Isny BW 90, 237, 327; Abb. 265. Bd. 2: 73, 74, 75, 76, 77 Iso, Bischof von Verden Bd. 2: 241 Italien (s. a. Norditalien) 145, 238, 299, 301, 356. Bd. 2: 7, 20, 43, 72, 93, 113, 143, 193, 220, 232 Itzehohe SH 228, Bd. 2: 237 Janse, Hermann 206 Jauer SCH 71, 80, 123, 177, 283, 303. Bd. 2: 235 Jena TH 77, 112, 122, 140, 158, 171, 179, 181, 186, 237, 284, 287, 288; Abb. 226. Bd. 2: 197, 199, 202, 203; Abb. 451 Jericho 32 Jerusalem 77, 345 Jever NI 45. Bd. 2: 242 Jockgrim RP 84, 207. Bd. 2: 145 Johann, König von Böhmen Bd. 2: 227 Johann I., Bischof von Straßburg Bd. 2: 48 Johannes I., Bischof von Speyer Bd. 2: 140 Judenburg ÖR Bd. 2: 12 Jülich NRW 45, 204, 272. Bd. 2: 153, 154, 155, 157 Jülich, Grafen von Bd. 2: 153, 154 Julius Echter von Mespelbrunn, Bischof von Würzburg 122, 266, 281. Bd. 2: 118; Abb. 385 Justinian I., (ost)römischer Kaiser 77 Jüterbog BB 36, 55, 85, 201, 207, 209, 222, 311. Bd. 2: 242, 244, 251, 258, 261, 263, 264, 265 Kahla TH 291. Bd. 2: 200, 202, 203 Kaiser, Peter Bd. 2: 23 Kaisersesch RP Bd. 2: 135 Kaiserslautern RP 31, 51, 281, 301. Bd. 2: 143, 145, 146 Kaiserstuhl CH 118, 223, 272, Abb. 35. Bd. 2: 34, 42 Kalbe an der Saale ST 85. Bd. 2: 208 Kalkar NRW Bd. 2: 155, 157 Kallies NM 331. Bd. 2: 276 Kallmünz BY Bd. 2: 94; Abb. 365 Kamen NRW 45, 50, 52, 241. Bd. 2: 162 Kamenz SN 235, 297. Bd. 2: 217, 219, 220 Kamieniec Podolski 283 Kampen (Niederlande) 206 Kanth SCH Abb. 36. Bd. 2: 232, 236 Karl I., der Große, römischer Kaiser 309. Bd. 2: 159 Karl I., der Kühne, Herzog von Burgund Bd. 2: 40 Karl IV., römischer Kaiser 51, 55, 156, 208, 209, 257, 334, 344. Bd. 2: 106, 107, 108, 172, 216, 229 Karlsruhe BW Bd. 2: 52 Karlstadt am Main BY 197, 328. Bd. 2: 115, 117, 118 Karl Theodor, Kurfürst Pfalz/Bayern Bd. 2: 64 Kärnten 53. Bd. 2: 7, 8, 9, 10, 11, 12 Kassel HE 34, 137, 296, 312, 317; Abb. 246. Bd. 2: 175, 176, 181, 182, 184, 187, 190, 192 Kaster NRW Bd. 2: 155 Katzenelnbogen, Grafen von 142
Kaub RP 97, 99, 142, 184, 247, 329. Bd. 2: 133, 134, 135, 136, 137 Kaufbeuren BY 27, 61, 71, 79, 107, 142, 210, 350; Abb. 157. Bd. 2: 74, 79, 83; Abb. 352 Kaysersberg EL 272. Bd. 2: 48, 51, 52; Abb. 320 Kelbra ST Bd. 2: 209 Kelheim BY 89, 277, 290. Bd. 2: 86, 87, 93 Kemberg ST 78. Bd. 2: 209 Kemnath BY Bd. 2: 97, 98, 99 Kempen NRW 24, 55, 101, 184, 284, 296, 311, 327. Bd. 2: 154, 156, 157, 158 Kempten BY 113, 208, 248, 250, 294, 326. Bd. 2: 79, 81, 84 Kenzingen BW Bd. 2: 59 Kerpen RP Bd. 2: 138 Keyser, Erich 21 Kiel SH 76, 315; Abb. 252. Bd. 2: 241 Kindberg ÖR 51. Bd. 2: 11, Kindelbrück TH 53, 278, 280, 334. Bd. 2: 203 Kirchberg an der Jagst BW 79. Bd. 2: 124; Abb. 393 Kirchhain HE 314. Bd. 2: 181, 184, 190, 191 Abb. 440 Kirchheimbolanden RP 84, 296, 314. Bd. 2: 143, 145, 146; Abb. 411 Kirchheim unter Teck BW 278, 279, 295, 296, 301. Bd. 2: 66, 67, 68, 70, 71, 72 Kissingen BY Bd. 2: 115, 117 Kitzbühel TI 331. Bd. 2: 20, 21 Kitzingen BY 122, 173. Bd. 2: 115, 116, 117, 118, 119 Klagenfurt ÖR Bd. 2: 12 Klausen TI 95. Bd. 2: 22 Kleinbasel CH 303. Bd. 2: 26, 41 Kleinheubach BY Bd. 2: 120 Kleinwallstadt BY Bd. 2: 120 Kleve NRW 312. Bd. 2: 157 Kleve, Grafen von Bd. 2: 157 Klingenberg am Main BY Bd. 2: 117 Klingental (Kloster) CH Bd. 2: 26 Klingnau CH 334. Bd. 2: 31, 33 Klosterneuburg ÖR 254, 294. Bd. 2: 16 Knittelfeld ÖR Bd. 2: 12 Koblenz RP 33, 84, 115, 119, 204, 232, 247, 317, 329, 330, 331, 332, 333, 335, 353. Bd. 2: 129, 131, 132, 133, 137, 138 Kolberg HP 36, 46, 51, 207, 314. Bd. 2: 274, 275, 278, 284; Abb. 513 Kölderer, Jörg Bd. 2: 23; Abb. 298 Kolín (Tschechien) 230 Kölleda TH 104, 197. Bd. 2: 203 Köln NRW 20, 21, 23, 24, 32, 33, 37, 44, 45, 49, 52, 55, 71, 73, 75, 77, 84, 90, 93, 99, 101, 108, 112, 115, 116, 117, 120, 123, 129, 142, 152, 157, 160, 165, 171, 177, 180, 191, 195, 203, 210, 226, 258, 264, 271, 272, 273, 296, 323, 324, 328, 332, 336, 337, 339, 344, 345, 346, 347, 349, 350, 351, 352, 355, 359; Abb. 39, 41, 66, 99, 107, 143, 149, 199, 260, 267. Bd. 2: 74, 125, 131, 132, 135, 137, 139, 148, 149, 151, 152, 153, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 175; Abb. 417, 418 Köln, Erzbischof von 24, 210, 246, 328, 346. Bd. 2: 158, 165 Register
347
Königsau EL Bd. 2: 47, 48 Königsberg OP Bd. 2: 286 Königsberg in Bayern BY Bd. 2: 115 Königsberg in der Neumark NM 127, 152, 222, 335; Abb. 48, 88, 100, 168. Bd. 2: 251, 253, 254, 256, 259, 263, 264, 265, 282 Königsee TH Bd. 2: 201 Königshofen BY 331. Bd. 2: 115 Königstein im Taunus HE 170 Konitz OP 123. Bd. 2: 286, 288, 289 Konrad III., römischer König Bd. 2: 64 Konrad IV., römischer König 328. Bd. 2: 34, 196 Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln Bd. 2: 160 Konrad von Pfeffenhausen Bd. 2: 102, 103 Konstantinopel 77, 226, 353; Abb. 172 Konstanz BW 31, 38, 44, 64, 71, 74, 76, 79, 163, 350; Abb. 31. Bd. 2: 53, 60, 63, 98; Abb. 329 Konstanz, Bischof von Bd. 2: 32 Köpenick (Stadtteil von Berlin) B 36. Bd. 2: 242 Korbach HE 47, 119, 124, 130, 277, 303, 314. Bd. 2: 178, 179, 181, 184, 190, 191, 192 Korneuburg ÖR 285 Köslin HP 87, 207. Bd. 2: 274, 275, 276, 284 Köthen ST Bd. 2: 208 Kraft, Nicolaus 334. Bd. 2: 262 Krahe, Peter Josef 323; Abb. 259 Kraiburg BY Bd. 2: 91 Kraichgau Bd. 2: 52 Krakau 282; Abb. 221. Bd. 2: 235 Kranenburg NRW Bd. 2: 157 Krantz, Nickel 334. Bd. 2: 203 Krappitz SCH Bd. 2: 231, 236 Krautheim BW 80, 217. Bd. 2: 126, 127 Krefeld NRW 318. Bd. 2: 157, 158 Krempe SH 45. Bd. 2: 241 Krems ÖR 208, 236, 290. Bd. 2: 12, 13, 15, 16; Abb. 288 Kreuzburg SCH 68, 249. Bd. 2: 232, 235 (Bad) Kreuznach RP Bd. 2: 129, 131 Kreuzwertheim BY Bd. 2: 120 Kronach BY 235, 296, 317. Bd. 2: 100, 103, 109, 113, 114 Kronberg im Taunus HE 251. Bd. 2: 185, 187 Kronenburg NRW Bd. 2: 155 Kroppenstedt ST Bd. 2: 208 Krüger, Eduard Bd. 2: 121, 126, 127, 128 Künzelsau BW 45, 53, 266. Bd. 2: 127, 129 Kurpfalz Bd. 2: 120, 129, 143, 146, 175 Kursachsen Bd. 2: 204 Kurtrier Bd. 2: 129 Küssaburg BW Bd. 2: 61 Küstrin NM 26, 42, 51. Bd. 2: 243, 245, 265 Kufstein TI 263. Bd. 2: 20, 22, 23 Kulm OP 86, 114, 130. Bd. 2: 285, 286; Abb. 523 Kulmbach BY 62, 279, 313. Bd. 2: 103, 110 Külsheim BW Bd. 2: 126, 127 Kuppenheim BW Bd. 2: 59, 63 Kusel RP 118. Bd. 2: 143 Kuthan, Jiří 230 Kyburg CH Bd. 2: 35
348 Topographischer Teil
Kyburg (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 31 Kyritz BB 311. Bd. 2: 252, 254, 264 Laa an der Thaya 106. Bd. 2: 9, 13 Laaber BY Bd. 2: 97, 98 Ladenburg BW 38, 84, 118, 134, 150, 161, 181, 329; Abb. 110. Bd. 2: 52, 62; Abb. 327 Lahnstein s. Oberlahnstein Lahr BW 90, 271. Bd. 2: 58, 61, 63 Lambert von Hersfeld (Chronist) 44. Bd. 2: 166 Lamprecht von Brunn, Bischof Bd. 2: 98 Landau BY Bd. 2: 86 Landau RP 61, 108. Bd. 2: 143, 145 Landsberg HE 44, Abb. 16. Bd. 2: 179 Landsberg OP Bd. 2: 286 Landsberg am Lech BY 85, 109, 146, 150, 175, 177, 187, 215, 216, 218, 237, 264, 276; Abb. 121. Bd. 2: 88, 89, 90, 92, 93; Abb. 359 Landsberg an der Warthe NM Bd. 2: 252, 253, 254 Landshut BY 45, 77, 85, 125, 215, 216, 264, 279, 281; Abb. 74. Bd. 2: 86, 89, 90, 92; Abb. 361 Landstuhl RP Bd. 2: 143 Langen HE Bd. 2: 191 Langenau BW Bd. 2: 75 Langenburg in Hohenlohe BW 163, 200, 217, 218, 302. Bd. 2: 127, 128 (Bad) Langensalza TH 86, 133, 134, 140, 186, 201, 213, 237, 280, 314, 336. Bd. 2: 196, 199, 200, 201, 202, 210; Abb. 454 Langenzenn BY 128. Bd. 2: 106, 107 Larochette LUX 119 Lassan MV 128. Bd. 2: 279 Laubach HE 301. Bd. 2: 191 Lauban SCH 120, 331. Bd. 2: 226, 234, 236 Laucha ST 282, 284. Bd. 2: 210; Abb. 462 Lauchheim BW 53, 182, 190; Abb. 129. Bd. 2: 72 Lauda BW 300. Bd. 2: 127 Lauenburg HP 93, 111, 123; Abb. 34. Bd. 2: 288; Abb. 526 Lauenburg SH Bd. 2: 237 Lauenrode, Burg 248 Lauenstein SN Bd. 2: 219 Lauf an der Pegnitz BY 134, 156, 208, 344; Abb. 155. Bd. 2: 106, 107, 108, 110, 111; Abb. 378 Laufen BW 128 Laufen BY Bd. 2: 91 Laufenburg CH 64, 65. Bd. 2: 31, 32, 33, 35, 38, 42, 43, 45; Abb. 316 Lauffen am Neckar BW 319. Bd. 2: 125, 126, 127 Lauingen BY 23, 90, 187. Bd. 2: 79, 80, 82, 84, 86 Laupen CH 115, 223, 302. Bd. 2: 31, 33, 42, 43, 44, 45 (Bad) Lausick SN Bd. 2: 214 Lauterbach HE Bd. 2: 181, 191 Lebnitz ÖR 57 Lechenich NRW 156, 324, 331; Abb. 245. Bd. 2: 154 Ledoux, Claude-Nicolas 318 Leiningen (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 142 Leipheim BY Bd. 2: 81 Leipzig 349. Bd. 2: 212, 213, 220 Leisnig SN 201. Bd. 2: 215, 217, 219
Lemgo NRW 48, 89, 196, 284, 297, 311. Bd. 2: 161, 164, 165 Lenzburg CH 72, 80, 189, 299; Abb. 35. Bd. 2: 35, 38, 44, 45 Lenzen MV 152, 201. Bd. 2: 269 Leoben ÖR 106, 188, 210. Bd. 2: 9, 12 Leobschütz SCH 119, 124. Bd. 2: 224, 236; Abb. 473 Leonberg BW 79. Bd. 2: 67, 70, 71 Leonhard von Layming, Bischof Bd. 2: 90 Leubus (Land) 55, 334. Bd. 2: 249 Leutershausen BY 155, 200, 219; Abb. 166. Bd. 2: 107, 108, 111 Leutesdorf RP Bd. 2: 138 Leutkirch BW Bd. 2: 75, 76 Lich HE 134, 137, 252, 301, 307. Bd. 2: 186, 191, 193 Lichtel BY Bd. 2: 112 Lichtenau BW Bd. 2: 59 Lichtenau HE s. Hessisch Lichtenau Lichtenau NRW Bd. 2: 162 Lichtenberg BY Bd. 2: 113 Lichtenfels BY 45, 64, 200, 265. Bd. 2: 101, 106, 107, 108 Lichtensteig CH 27. Bd. 2: 31, 33 Liebemühl OP Bd. 2: 288 Liebenwalde BB Bd. 2: 243, 245 (Bad) Liebenwerda BB 49. Bd. 2: 243, 244 Liebenzell BW Bd. 2: 61 Liegnitz SCH 68, 114, 174, 176, 177, 199, 201, 236, 303, 334. Bd. 2: 221, 227, 228, 233, 234, 236; Abb. 476 Lienz TI Bd. 2: 21, 23, 24 Lienzingen BW Bd. 2: 71 Liestal CH 80. Bd. 2: 31, 32, 39, 42 Limburg an der Lahn HE 84, 90, 124, 155, 156, 162, 320. Bd. 2: 176, 177, 180, 181, 186, 187 Limes 309, 354 Limpurg (Grafschaft) Bd. 2: 120 Lindau BY 246, 294. Bd. 2: 75, 81, 83, 84 Lindau CH 223 Lindenfels HE 93, 125, 215, 217, 218, 237; Abb. 52. Bd. 2: 180, 182, 187, 188; Abb. 444 Linn NRW Bd. 2: 156 Linnich NRW Bd. 2: 156 Linz ÖR Bd. 2: 12, 16, 18 Linz am Rhein RP 166, 170, 177, 273. Bd. 2: 133, 134, 135; Abb. 403 Lippe (Grafschaft) Bd. 2: 163 Lippehne NM 152. Bd. 2: 249, 252, 253, 259 Lippspringe NRW Bd. 2: 162 Lippstadt NRW Bd. 2: 160, 172 Litauen (Großherzogtum) 289 Litschau ÖR 42. Bd. 2: 15 Löbau SN 235. Bd. 2: 219, 220 Löbejun ST Bd. 2: 208 Loburg ST Bd. 2: 256 Löffingen BW Bd. 2: 58, 59 Lohr BY 200, 279. Bd. 2: 116, 117 Lohrum, Burghard 31 Loitz MV Bd. 2: 274, 275, 276 Lombardei 126 Lorch HE Bd. 2: 193
Lößnitz SN Bd. 2: 211 Lothringen 118, 208, 266, 272. Bd. 2: 46, 129, 130, 139, 146, 147 Louvre (Paris) 118. Bd. 2: 149 Löwenberg SCH 114, 124, 190, 201, 236; Abb. 125. Bd. 2: 222, 223, 228, 232, 233, 234, 236; Abb. 470, 480, 481 Löwenstein BW Bd. 2: 126 Lübben BB 267, 270. Bd. 2: 245, 249, 253, 264 Lübeck SH 8, 21, 65, 66, 71, 108, 109, 112, 117, 129, 147, 172, 178, 202, 206, 207, 209, 222, 223, 226, 246, 263, 264, 317, 321, 323, 349, 350, 352; Abb. 67, 153, 186, 258. Bd. 2: 238, 239, 240, 241, 266, 267, 271, 274, 275; Abb. 486 Lüben SCH 78, 199, 201. Bd. 2: 228, 229; Abb. 478 Luckau BB 241. Bd. 2: 248, 251, 257 Ludwig I., König von Bayern 321 Ludwig II., Landgraf von Thüringen 328. Bd. 2: 196 Ludwig IV., „der Bayer“, römischer Kaiser 26, 53, 86. Bd. 2: 65, 75, 81, 87, 88, 186, 194, 197 Ludwig VII., „der Gebartete“, Herzog von Bayern-Ingolstadt 23, 109. Bd. 2: 17, 82; Abb. 292 Ludwigstadt BY Bd. 2: 109 Lügde NRW Bd. 2: 162 Lüneburg NI 46, 150, 260, 304, 310, 337, 338, 339, 348. Bd. 2: 239, 240, 242 Lünen NRW 341 Luxemburg (Grafschaft, Land) 9. Bd. 2: 132, 139, 146, 147 Luxemburg (Stadt) LUX 113, 119, 150, 203, 209, 272. Bd. 2: 147; Abb. 415, 416 Luzern CH 80, 101, 108, 113, 115, 123, 149, 174, 211, 294, 349; Abb. 27, 71. Bd. 2: 28, 29, 33, 34, 35, 36, 41, 45; Abb. 307 Lychen BB Bd. 2: 242, 251, 252 Maastricht 206 Mägdeberg (Burg) BW 263 Magdeburg ST 108, 114, 115, 237, 349. Bd. 2: 204, 210, 244, 247, 251; Abb. 456 Magdeburg, Erzbischof von Bd. 2: 208 Magdeburger Börde 15, 104, 201 Mahlberg BW Bd. 2: 55 Mähren Bd. 2: 6, 221 Maienfeld CH 126. Bd. 2: 35 Mailand, Herzogtum 110, 272, 297 Mainbernheim BY Abb. 256. Bd. 2: 116, 117 Mainz RP 23, 32, 37, 55, 71, 90, 126, 135, 146, 149, 156, 157, 174, 181, 183, 247, 296, 303, 312, 329; Abb. 97, 130, 266. Bd. 2: 114, 116, 117, 120, 122, 123, 129, 139, 143, 146, 175, 180, 183, 184, 187, 188, 190, 196 Mainz, Erzbischof von Bd. 2: 137 Mainzer, Udo 20, 145, 203, 345, 351. Bd. 2: 131, 149, 154 Maissau ÖR 170 Malchin MV 222. Bd. 2: 267, 271, 272, 273 Malchow MV Bd. 2: 267 Malterdingen BW Bd. 2: 64 Mansfeld (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 193 Manubach RP 309 Marbach BW 79, 125, 128. Bd. 2: 66, 67, 70, 71 Register
349
Marburg an der Lahn HE 46, 119, 120, 125, 155, 195, 204, 350, 352. Bd. 2: 175, 176, 177, 178, 180, 181, 182; Abb. 438 Marchegg ÖR 71, 173, 200. Bd. 2: 14; Abb. 286 Marienberg SN 85, 112, 198, 278, 297, 333; Abb. 207. Bd. 2: 217, 220; Abb. 469 Marienberg (Festung) BY 238, 246, 300. Bd. 2: 114 Marienburg OP 86, 176, 263, 287, 304; Abb. 285. Bd. 2: 285, 289, 290, 291; Abb. 529 Markgröningen BW 189. Bd. 2: 66, 67, 72 Märkisch Friedland HP 51. Bd. 2: 275 Marktbreit BY 170, Abb. 117. Bd. 2: 120 Marktoberdorf BY Bd. 2: 81 Marktredwitz BY 94. Bd. 2: 109 Marquard von Fulda, Abt Bd. 2: 176; Abb. 437 Martin von Schaumberg, Bischof von Eichstätt 218. Bd. 2: 111 Massow HP 331. Bd. 2: 275, 278 Masuren 9 Maurer, Hans-Martin Bd. 2: 64, 72 Maursmünster EL Bd. 2: 46, 48, 51 Mautern ÖR Bd. 2: 12 Maximilian, Kurfürst von Bayern 321 Maximilian I., römischer Kaiser 262, 341. Bd. 2: 18 Mayen RP 57, 84, 128, 166, 170, 177, 184, 196, 204. Bd. 2: 132, 135, 136, 151 Mayer, Carla 26 Mayr, Vincent 160 Mecklenburg (Land) 20, 36, 42, 50, 66, 68, 108, 152, 168, 178, 184, 222, 240, 241, 297, 321, 350, 351. Bd. 2: 248, 249, 254, 263, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274 Mecklenburg, Herzöge von Bd. 2: 273 Mecklenburg-Vorpommern (s. a. Mecklenburg, Pommern, Vorpommern, Hinterpommern) 78, 311. Bd. 2: 266, 274 Meckseper, Cord 118. Bd. 2: 56 Meersburg BW 301. Bd. 2: 75 Meinhard II., Graf von Görz-Tirol Bd. 2: 21 Meiningen TH 136, 237, 311, 323. Bd. 2: 197, 201, 202, 204 Meisenheim RP 118, 183, 213. Bd. 2: 129, 143 Meißen SN 332, 349. Bd. 2: 212, 213, 214, 219 Meißen, Markgraf von 24, 49. Bd. 2: 205, 211 Meister Porphyrius Bd. 2: 164 Meister Terri Bd. 2: 36 Meister Urban 236, 334. Bd. 2: 234 Meixner, Lutz Bd. 2: 202 Meldorf SH 228. Bd. 2: 237 Melk ÖR 254, 265, Bd. 2: 16 Mellingen CH 216. Bd. 2: 31, 39, 40, 42, 43 Mellrichstadt BY 314. Bd. 2: 115, 116, 117, 120 Melsungen HE Bd. 2: 181, 182 Memmingen BY 46, 79, 82, 85, 89, 94, 113, 139, 178, 185, 187, 213, 215, 216, 237, 307. Bd. 2: 74, 79, 80, 81, 83, 84, 85, 86, 93; Abb. 353 Menden NRW 52, 77. Bd. 2: 162, 163 Mengen BW 237, 250. Bd. 2: 74, 76 (Bad) Mergentheim BW 90, 110, 112, 235. Bd. 2: 121, 123, 126, 127
350 Topographischer Teil
Meran TI 210, 315. Bd. 2: 20, 21; Abb. 293 Merian, Matthäus 28, 142, 222, 283, 305, 306, 316; Abb. 196, 245. Bd. 2: 24, 33, 59, 62, 63, 70, 71, 72, 126, 135, 145, 164, 168, 177, 185, 202, 214, 233, 235, 254, 263, 264, 267, 268, 276; Abb. 274, 300, 442 Merkendorf BY 122, 276. Bd. 2: 107, 109, 114 Merseburg ST 24, 61, 114. Bd. 2: 210; Abb. 457 Mesopotamien 226 Mesqui, Jean 117 Meßkirch BW Bd. 2: 74, 76 Metz LO 118, 203. Bd. 2: 146, 147; Abb. 414 Metz, Bernhard Bd. 2: 46, 48 Mewe OP 232. Bd. 2: 291 Meyenburg BB Bd. 2: 264 Michelmann (Bauaufseher) Bd. 2: 115 Michelstadt HE 237. Bd. 2: 185, 188 Miltenberg BY 77, 84, 143, 177, 184, 218, 289. Bd. 2: 115, 116, 117; Abb. 382 Mindelheim BY 67, 90, 107, 173, 175, 178, 182, 216, 237. Bd. 2: 80, 83, 84 Minden NRW 304, 341. Bd. 2: 158, 160, 164, 165 Mittelfranken 24, 121, 122, 193, 216, 314, 358. Bd. 2: 80, 82, 89, 94, 100, 101, 110, 112, 113, 114 Mittelrhein (s. a. Rheinisches Schiefergebirge) 99, 120, 141, 142, 177, 247. Bd. 2: 60, 73, 116, 124, 143, 175, 186 Mittenwalde BB 207, 222. Bd. 2: 257, 263 Mittweida SN Bd. 2: 219 Möckern ST Bd. 2: 257 Möckmühl BW 135, 235; Abb. 82. Bd. 2: 125, 126 Mohrin NM Bd. 2: 252, 257 Möhringen BW Bd. 2: 58, 61, 62, 63 Mohrungen OP Bd. 2: 286, 288 Mölln SH Bd. 2: 241 Molsheim EL Bd. 2: 48, 50, 51 Monheim BY Bd. 2: 83, 84 Monheim NRW 99, 199, 200. Bd. 2: 157 Monreal RP 119. Bd. 2: 132 Montabaur RP 243. Bd. 2: 132, 133, 136 Montagnana (Prov. Padova, Venetien) 110, 123 Montfort, Graf von 26. Bd. 2: 75 Montfort, Heinrich Graf von 24. Bd. 2: 81 Moos, Stanislaus von 299, 307 Morgarten CH Bd. 2: Abb. 308 Moringen NI Bd. 2: 171 Moritzkloster NI Bd. 2: 171 Morungen OP 251 Mosbach BW Bd. 2: 55, 62, 63 Mügeln SN Bd. 2: 216 Muggensturm BW Bd. 2: 61 Mühlacker BW Bd. 2: 71 Mühldorf am Inn BY 61, 148, 155, 215, 349. Bd. 2: 87, 92; Abb. 358 Mühlhausen TH 61, 71, 104, 123, 124, 128, 162, 173, 186, 190, 224, 243, 291, 311, 328, 333, 350. Bd. 2: 196, 197, 199, 200, 201, 202, 203, 204; Abb. 452, 453, 455 Mühlheim an der Donau BW Bd. 2: 58, 59, 62 Mülenen CH Bd. 2: 32, 33 Mülhausen EL 303. Bd. 2: 48, 52 Mülheim NRW Bd. 2: 156
Müller, Christine 18 Müller, Heinz Bd. 2: 212 Müller, Karl Rudolf Bd. 2: 140 Müncheberg BB 55, 328, 334. Bd. 2: 242, 249, 251, 252, 263 München BY 86, 89, 94, 110, 144, 149, 150, 170, 188, 215, 216, 218, 236, 246, 264, 284, 290, 326, 331, 333; Abb. 93, 164, 179, 187, 263. Bd.2: 86, 87, 88, 89, 91, 92, 93; Abb. 363 Münchhausen, Freiherr von 159 Münden s. Hannoversch Münden Münnerstadt BY 64, 153, 193. Bd. 2: 115, 116, 117 Münsingen BW 237. Bd. 2: 76 Münster NRW 27, 37, 45, 116, 228, 245, 297, 304, 307, Abb. 185. Bd. 2: 158, 159, 161, 162, 164, 165, 241, 242 Münster, Sebastian 28 Münsterberg SCH 78, 120. Bd. 2: 225 Münstereifel NRW 97, 108, 112, 130, 177, 203, 204, 212, 272, 350; Abb. 158. Bd. 2: 131, 153; Abb. 423 Münster im Breisgau BW 73. Bd. 2: 58 Münstermaifeld RP 97. Bd. 2: 133, 135, 136, 137 Münzenberg HE 217. Bd. 2: 178, 189, 192 Murau ÖR 196, 200. Bd. 2: 10, 12; Abb. 277 Murer, Rudolf Bd. 2: 39 Murten CH 72, 80, 118, 121, 210, 270, 331; Abb. 209. Bd. 2: 31, 34, 37, 38, 40 Mürzzuschlag ÖR 301 Mutterstadt RP 330 Mutzig EL Bd. 2: 50 Nabburg BY 34, 162, 188, 192, 193, 234. Bd. 2: 94, 95, 97, 98, 99, 100; Abb. 366 Nagold BW Bd. 2: 59, 62 Nahrgang (Heimatforscher) Bd. 2: 179 Namslau SCH 50, 54, 55, 68, 78, 201, 213, 228, 236, 334. Bd, 2: 228, 229, 234 Naredi-Rainer, Paul 344 Nassau an der Lahn RP 77. Bd. 2: 133, 136 Nauen BB Bd. 2: 245, 263 Naugard HP 27, 342. Bd. 2: 274, 276, 277 Naumburg HE Bd. 2: 180, 184 Naumburg ST 24, 47, 49, 101, 140, 182, 186, 199, 201, 228, 237, 260, 282, 284, 323; Abb. 57, 147, 220. Bd. 2: 206, 210, 220; Abb. 458 Naumburg am Queis SCH Bd. 2: 226 Nebra ST Bd. 2: 209 Nebukadnezar II. 202, 226 Neckarbischofsheim BW 84, 124, 279, 301; Abb. 72. Bd. 2: 60, 62 Neckargemünd BW Bd. 2: 62, 64 Neckarland 72, 90, 106, 108, 122, 216, 237, 275, 277. Bd. 2: 64, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 120 Neckarsteinach HE Bd. 2: 180 Neckarsulm BW Bd. 2: 124 Neidenburg OP 232. Bd. 2: 288, 291 Neiße SCH 174, 201, 222, 236. Bd. 2: 225, 228, 234, 235 Neu-Bamberg RP 183. Bd. 2: 143 Neubrandenburg MV 49, 55, 159, 178, 185, 222, 223, 292, 311, 319; Abb. 133, 167, 255. Bd. 2: 252, 254, 255, 263, 265, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273; Abb. 505
Neubrunn BY 177, 181, 276. Bd. 2: 118; Abb. 384 Neuburg an der Donau BY 54, 216, 218, 237, 331. Bd. 2: 88, 92 Neudenau BW 93. Bd. 2: 124 Neudorf HE 84. Bd. 2: 180 Neuenburg BW Bd. 2: 55 Neuenburg OP Bd. 2: 286, 288 Neuenbürg BW Bd. 2: 61 Neuenstadt am Kocher BW 190, 358. Bd. 2: 125, 126, 129 Abb. 395 Neuenstein BW Bd. 2: 125, 126 Neuerburg RP Bd. 2: 135 Neuffen BW Bd. 2: 66, 72 Neuhof an der Zenn BY Bd. 2: 113 Neukirchen HE Bd. 2: 181 Neuleiningen RP 54, 61, 118, 160, 193, 210, 232, 260, 271, 350; Abb. 210. Bd. 2: 142, 143, 145; Abb. 410 Neumann, Balthasar 300 Neumark (Landschaft) 66, 112, 127, 145. Bd. 2: 253, 259, 278, 283 Neumark OP Bd. 2: 288, 289 Neumarkt BY 90, 188. Bd. 2: 91, 94, 96, 97, 99 Neumarkt ÖR 194. Bd. 2: 11, 12 Neumarkt SCH 78, 104, 127; Abb. 36. Bd. 2: 230, 233 Neunburg vorm Wald BY Bd. 2: 97, 98, 99 Neunkirch CH 189. Bd. 2: 32, 39, 42, 43, 45; Abb. 305 Neunkirchen am Brand BY 63, 190. Bd. 2: 106, 109, 113 Neuötting BY 208. Bd. 2: 17, 86, 90 Neuruppin BB 318. Bd. 2: 248, 251, 252, 254, 265 Neuss NRW 71, 74, 84, 108, 116, 177, 192, 195, 203, 229, 232, 296, 336. Bd. 2: 132, 151, 152, 157; Abb. 421 (Titisee-)Neustadt BW Bd. 2: 59 Neustadt HE Bd. 2: 181 Neustadt SCH 123, 177. Bd. 2: 231, 233, 236 Neustadt am Kulm BY 64. Bd. 2: 98 Neustadt an der Aisch BY 122, 188, 284. Bd. 2: 106, 109, 112, 113 Neustadt an der Donau BY 81, 89, 331. Bd. 2: 88 (Bad) Neustadt an der Fränkischen Saale BY 128 Neustadt an der Orla TH 112, 122, 237. Bd. 2: 197, 202 Neustadt an der Saale BY 48, 314. Bd. 2: 115, 116, 117, 118, 120 Neustadt an der Waldnaab BY Bd. 2: 94, 97 Neustadt an der Weinstraße RP Bd. 2: 142, 145 Neustadt in Holstein SH Bd. 2: 241 Neuweiler EL 60, 200. Bd. 2: 46, 48 Nidau CH Bd. 2: 35 Nidda HE 84. Bd. 2: 180 Nideggen NRW 108, 112, 181, 204, 272. Bd. 2: 153, 156 Niederbayern 40, 58, 121. Bd. 2: 82, 86, 94, 98 Niederburg BW Bd. 2: 53 Niederehnheim EL 303; Abb. 183. Bd. 2: 52 Nieder-Ingelheim RP 84. Bd. 2: 145 Niederlahnstein RP 249, 330 Niederlande 206. Bd. 2: 6, 164, 165 Niedernberg BY Bd. 2: 120 Niedernhall BW 128. Bd. 2: 123, 124, 125, 126 Niederösterreich 208, 349. Bd. 2: 7, 12, 14, 16 Register
351
Niederrhein (Region) 45, 57, 115, 126, 128, 135, 200, 222, 266, 296, 311, 336, 349, 351. Bd. 2: 132, 134, 157, 164 Niedersachsen 40, 46, 58, 90, 132, 281, 297, 304, 310, 311. Bd. 2: 6, 165, 168, 170, 171, 172, 174, 175, 179, 185, 189, 236, 237 Niederschlesien 70, 107, 108, 114, 351. Bd. 2: 211, 221, 222, 223, 228 Niederstetten BW 177. Bd. 2: 124 Niederzimmern TH Bd. 2: 201 Nieheim NRW Bd. 2: 161, 163 Nienover NI 46. Bd. 2: 167 Nikolausberg (Stadtteil von Göttingen) NI Abb. 248 Nimptsch SCH Bd. 2: 227, 235 Nittenau BY Bd. 2: 97, 99 Nordhausen TH 47, 122, 207, 225, 237, 243, 284, 291, 332, 337, 339, 340, 342. Bd. 2: 195, 197, 198, 201, 202, 203, 204 Nordheim BY Bd. 2: 119 Nordhessen 248. Bd. 2: 162, 175, 177, 178, 179, 181, 187 Nordhorn NI Bd. 2: 237 Norditalien 65, 298. Bd. 2: 86 Nördlingen BY 66, 79, 80, 89, 113, 124, 153, 187, 189, 216, 218, 232, 264, 268, 284, 296, 302, 325, 331, 345, 354, 358; Abb. 32, 134, 159, 175, 237, 253. Bd. 2: 79, 80, 81, 83, 84, 85; Abb. 356, 357 Northeim NI 297, 304. Bd. 2: 169, 170, 171, 173 Nürnberg BY 23, 47, 62, 63, 74, 77, 86, 90, 110, 114, 122, 130, 134, 134, 141, 147, 149, 150, 158, 172, 183, 184, 212, 216, 217, 218, 224, 234, 236, 240, 241, 243, 248, 264, 274, 279, 296, 298, 305, 313, 324, 325, 341, 344, 354, 356; Abb. 29, 159, 169, 176, 180, 212, 223, 238. Bd. 2: 100, 101, 102, 103, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113; Abb. 372, 375, 376 Nürtingen BW Bd. 2: 68, 70 Oberbayern 40, 58. Bd. 2: 17, 82, 86, 94, 98 Oberdrauburg ÖR Bd. 2: 11 Oberehnheim EL Bd. 2: 51, 52 Oberelsass 15 Oberfranken 21, 291, 331. Bd. 2: 80, 82, 89, 94, 100, 110, 113 Oberglogau SCH Bd. 2: 232, 236 Obergrombach BW Bd. 2: 61 Oberhessen 27, 90, 119, 120, 237 Ober-Ingelheim RP 126, 207, 280. Bd. 2: 145 Oberkirch BW Bd. 2: 61, 63 Oberlahnstein RP 77, 97, 247. Bd. 2: 133, 135, 136 Obermarsberg NRW 34, 314. Bd. 2: 161, 165 Obermoschel RP Bd. 2: 145 Obernburg BY 88. Bd. 2: 116, 117 Oberndorf BW Bd. 2: 59 Oberösterreich 193, 276. Bd. 2: 12, 14, 16, 17 Oberpfalz 34, 42, 86, 88, 90, 114, 120, 121, 208, 234, 242, 265, 287, 351. Bd. 2: 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100 Oberrhein (Region) 57, 60, 65, 66, 84, 90, 108, 113, 114, 115, 118, 130, 135, 163, 177, 189, 207, 272, 291, 295, 303, 319, 349, 350. Bd. 2: 46, 52, 55, 58, 59, 62, 64, 124, 129, 139, 143, 145, 175, 180
352 Topographischer Teil
Oberriexingen BW 226. Bd. 2: 71 Oberschlesien 107, 108, 119, 351. Bd. 2: 221, 223, 224, 227 Oberschwaben 26, 58, 67, 89, 140, 122, 194, 216, 229, 237, 291. Bd. 2: 73, 74, 75, 76, 78, 82, 83, 86 (Idar-)Oberstein RP 84. Bd. 2: 143 Oberursel HE Bd. 2: 181 Oberviechtach BY Bd. 2: 97 Oberwesel RP 72, 77, 80, 96, 97, 99, 115, 126, 129, 137, 142, 143, 166, 170, 192, 252, 271, 330, 349, 355; Abb. 37, 44, 77, 91, 92, 194. Bd. 2: 73, 74, 125, 131, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 149; Abb. 398, 399 Oberwölz ÖR Bd. 2: 11, 12; Abb. 278 Ochsenburg BW Bd. 2: 120 Ochsenfurt BY 232, 314. Bd. 2: 115, 116, 117, 120 Ödenburg (Ungarn) Bd. 2: 18 Odenwald 135, 237, 280. Bd. 2: 60, 180, 185 Oebisfelde ST Bd. 2: 208 Oels SCH Bd. 2: 232, 236 Oelsnitz SN 235. Bd. 2: 216, 219, 220 Oettingen BY 62, 63, 187, 284. Bd. 2: 80, 81, 82, 84, 86 Offenburg BW 26, 73, 77, 113. Bd. 2: 55, 56, 57, 60, 63 Ohlau SCH 71 Ohrdruf TH 53, 276, 280. Bd. 2: 203 Öhringen BW 62, 107, 177. Bd. 2: 121, 124; Abb. 388 Oldenburg NI 252, 297, 304. Bd. 2: 241, 242 (Bad) Oldesloe SH Bd. 2: 237 Olpe NRW Bd. 2: 162 Olten CH Bd. 2: 31 Oppeln SCH 36, 283. Bd. 2: 227, 235 Oppenau BW Bd. 2: 59 Oppenheim RP 146, 163. Bd. 2: 141, 145, 187 Oranienburg BB Bd. 2: 245 (Bad) Orb HE Bd. 2: 184, 188 Ordensland Preußen (s. a. Westpreußen) 36, 50, 51, 58, 66, 68, 79, 86, 91, 93, 99, 100, 109, 111, 114, 115, 123, 124, 132, 134, 159, 178, 184, 197, 207, 217, 223, 232, 234, 251, 252, 254, 289, 297, 298, 351, 352. Bd. 2: 6, 223, 227, 249, 256, 265, 274, 278, 280, 285, 286, 289, 290, 291 Orlamünde TH Bd. 2: 204 Ornbau BY 24, 53, 224, 266, 301, 302, 304, 356; Abb. 242. Bd. 2: 106, 110 Orsoy NRW Bd. 2: 156, 157 Ortenberg in der Wetterau HE 93, 151, 161, 179, 232; Abb. 125. Bd. 2: 179, 182, 187 Ortenstein (Burg) TI Bd. 2: 21 Oschatz SN Bd. 2: 216, 219, 220 Osnabrück NI 36, 37, 52, 116, 130, 213, 337, 340, 341, 342. Bd. 2: 239, 240, 242; Abb. 485 Osnabrück, Bischof von Bd. 2: 241 Osterburg ST 311, 314. Bd. 2: 265 Osterburken BW Bd. 2: 58, 60 Osterode NI 281, 297. Bd. 2: 167, 171, 173 Österreich (s. a. Oberösterreich, Niederösterreich) 16, 33, 42, 59, 79, 85, 106, 112, 122, 129, 140, 164, 173, 186, 189, 193, 200-202, 207, 230, 231, 250, 254, 265, 268, 284, 289, 290, 294, 300, 303, 314. Bd. 2: 7, 12, 13, 14, 23, 184
Österreich-Ungarn 324 Ostheim BY Bd. 2: 117 Ostpreußen s. Ordensland Preußen Otakar I./II. Přemysl s. Ottokar I./II. Otterndorf NI 45. Bd. 2: 242 Ottheinrich, Pfalzgraf Bd. 2: 92 Ottmachau SCH Bd. 2: 229, 236 Otto I., das Kind, Herzog von Braunschweig und Lüneburg Bd. 2: 169 Otto I., der Große, römischer Kaiser Bd. 2: 204 Otto I. von Lobdeburg, Bischof von Würzburg Bd. 2: 115 Otto IV., römischer Kaiser Bd. 2: 166 Ottokar I., König von Böhmen 119. Bd. 2: 224 Ottokar II., König von Böhmen 230, 334. Bd. 2: 9, 10, 14, 95, 214 Otto von Würzburg, Bischof 328 Ottweiler SL 27. Bd. 2: 143 Paderborn NRW 34, 73, 297, 304, 314, 347. Bd. 2: 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165 Pappenheim BY 109, 193. Bd. 2: 82, 89, 101, 107, 110 Parchim MV 117, 184, 241, 311. Bd. 2: 268, 271, 272; Abb. 502 Parchwitz SCH Bd. 2: 232 Paris 118, 103, 318. Bd. 2: 149 Pasewalk MV 145. Bd. 2: 276, 278, 279, 283, 284; Abb. 514 Passau BY 37, 38, 42, 208, 215, 216, 264, 290. Bd. 2: 86, 89, 90, 92, 93 Patschkau SCH 78, 120, 124, 176, 177, 184, 186; Abb. 123. Bd. 2: 225, 232, 234, 236; Abb. 475 Pattensen NI 27. Bd. 2: 168 Peck, Nicolaus Bd. 2: 240 Pegau SN 66, 349. Bd. 2: 212, 213, 217 Peine NI Bd. 2: 168 Peitz BB Bd. 2: 265 Penig SN Bd. 2: 217, 219 Penzlin MV Bd. 2: 267 Perleberg BB Bd. 2: 256 Petterweil HE Bd. 2: 180 Pfaffenhofen BY 89. Bd. 2: 87, 91 Pfaffenhoffen EL 266. Bd. 2: 52; Abb. 326 Pfalz (Region, Territorium) 60, 90, 120, 121, 177, 213, 232, 237, 266, 276, 281, 295, 296. Bd. 2: 46, 60, 129, 139, 142, 143, 145, 175 Pfalzel RP 296. Bd. 2: 137 Pfälzer Wald 135 Pfarrkirchen BY 281, 300. Bd. 2: 91 Pfeddersheim RP 84, 121, 139. Bd. 2: 143 Pfeffenhausen BY Bd. 2: 91 Pforzheim BW 90. Bd. 2: 55, 58, 62 Pfullendorf BW 216, 250, 279. Bd. 2: 74, 75, 76, 77; Abb. 347 Pfullendorf, Graf von Bd. 2: 74 Philippe II. Auguste, König von Frankreich 117, 202, 271, 349. Bd. 2: 13, Philipp von Heinsberg, Erzbischof von Köln Bd. 2: 159 Philipp von Schwaben, römischer König Bd. 2: 46, 96
Pigage, Nicolas de 319. Bd. 2: 64 Pinkafeld ÖR Bd. 2: 19 Piper, Otto 220 Pirna SN 236, 303. Bd. 2: 217, 219, 220 Pitschen SCH 78, 104, 251, 335. Bd. 2: 230; Abb. 479 Plau am See MV Bd. 2: 267 Plaue BB 263 Plauen SN 235. Bd. 2: 217, 219, 220 Pleinfeld BY Bd. 2: 109 Pleystein BY Bd. 2: 97 Pliensauvorstadt (Stadtteil von Esslingen) BW Bd. 2: 65, 66, 68 Plön SH Bd. 2: 237 Pöchlarn ÖR 290. Bd. 2: 12, 16 Polen 68, 78, 289. Bd. 2: 221, 232, 242, 274 Pommern (s. a. Hinterpommern, Vorpommern) 27, 36, 42, 56, 67, 68, 109, 112, 115, 122, 123, 127, 137, 145, 150, 162, 168, 178, 184, 190, 201, 207, 222, 223, 240, 277, 297, 298, 311, 314, 331, 332, 342, 350, 351. Bd. 2: 242, 248, 249, 253, 254, 256, 259, 265, 270, 274, 275, 276, 277, 278, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 286 Pommern, Herzog von (s. a. Wratislaw) 55 Portugal 286 Pößneck TH 112, 122, 237, 277, 284, 291. Bd. 2: 197, 202, 203 Potsdam BB 47, 318, 321; Abb. 254. Bd. 2: 245, 265 Pottenstein BY Bd. 2: 103 Prag 208, 255, 283, 333. Bd. 2: 108, 223 Prenzlau BB 24, 36, 127, 148, 152, 168, 176, 335; Abb. 23, 115. Bd. 2: 242, 247, 248, 249, 251, 252, 254, 255, 256, 259, 260. Abb. 490, 494 Preußen s. Ordensland Preußen Preußisch Friedland OP Bd. 2: 288 Preußisch Holland OP Abb. 132, 232. Bd. 2: 289, 290, 291 Preußisch Stargard OP 123. Bd. 2: 288, 289 Pribislaw, Fürst von Parchim-Richtenberg Bd. 2: 267 Prichsenstadt BY 208. Bd. 2: 116, 120 Priebus SCH Bd. 2: 232 Prinzbach BW 71. Bd. 2: 55 Pritzwalk BB 122. Bd. 2: 249, 250, 254, 263 Prozelten (Burg) BY 238 Przecislaus, Bischof von Breslau Bd. 2: 225, 228, 229 Pulsnitz SN 201. Bd. 2: 216 Putlitz BB Bd. 2: 242 Pyritz HP 36, 127, 145, 207, 298. Bd. 2: 256, 274, 277, 278, 279, 282, 283, 284, 285; Abb. 511, 512, 516 Quakenbrück NI Bd. 2: 241 Quedlinburg ST 24, 98, 115, 132, 314, 336. Bd. 2: 206, 207, 210 Querfurt ST 46, 347. Bd. 2: 206, 209, 210 Raabs ÖR 280. Bd. 2: 16 (Bad) Radkersburg ÖR 250, 252. Bd. 2: 10, 12 Radolfzell BW Bd. 2: 52, 58, 62 Radstadt ÖR 294. Bd. 2: 10, 12; Abb. 276 Rain BY 331. Bd. 2: 81 Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln Bd. 2: 159 Ranis TH Bd. 2: 202 Rapperswil CH 242, 250. Bd. 2: 31, 32, 33, 36, 38, 42 Register
353
Rappoltsweiler EL 118, 231. Bd. 2: 49, 50, 51, 52; Abb. 321 Rastenberg TH 266. Bd. 2: 204 Rastenburg OP 232, 252, 298; Abb. 193. Bd. 2: 288, 291 Rathenow BB Bd. 2: 243, 252, 253, 254, 263 Rathgens, Hugo 21 Ratibor SCH Bd. 2: 227, 236 Ratingen NRW Bd. 2: 155 Rattenberg TI 56. Bd. 2: 20, 22, 23; Abb. 296 Ratzeburg SH 42. Bd. 2: 237 Rauschenberg HE 84. Bd. 2: 180, 181, 187 Ravensburg BW 26, 90, 136, 143, 229, 240, 248, 276, 303; Abb. 85, 190, 214. Bd. 2: 73, 74, 75, 76, 77 Abb. 344 Recklinghausen NRW 77, 272. Bd. 2: Abb. 428 Rees NRW 296, 306, Bd. 2: 73, 155, 157 Reetz NM 152, 204. Bd. 2: 252, 253, 257, 259, 260, 261 Regensberg CH Bd. 2: 31, 33 Regensburg BY 27, 32, 37, 54, 87, 90, 146, 158, 173, 181, 205, 208, 234, 249, 255, 256, 258, 273, 331, 338, 347, 349; Abb. 120, 152, 196. Bd. 2: 94, 95, 96, 97, 98; Abb. 364 Regenstein, Graf von 24. Bd. 2: 207 Reichelsheim HE 280. Bd. 2: 190, 191 Reichenbach SCH 78, 120, 232. Bd. 2: 224, 225, 233; Abb. 474 (Bad) Reichenhall BY 84, 113. Bd. 2: 86, 90 Reichenweier EL 124, 129. Bd. 2: 49, 51, 52; Abb. 322, 324 Reichshofen EL Bd. 2: 51 Reifferscheid NRW Abb. 3. Bd. 2: 155 Reinhard Graf zu Solms 307; Abb. 247. Bd. 2: 93, 193 Reinheim HE 97. Bd. 2: 183 Remagen RP 51, 90. Bd. 2: 133 Remda TH 122. Bd. 2: 198 Renchen BW Bd. 2: 61 Rendsburg SH 45. Bd. 2: 242 Resafa (Syrien) 77 Retti, Leopoldo Bd. 2: 114 Retz ÖR 236. Bd. 2: 15, 16; Abb. 287 Reutlingen BW 90, 150, 156, 157, 162, 237; Abb. 106. Bd. 2: 64, 65, 66, 68, 70, 71; Abb. 342 Rheinau CH Bd. 2: 31 Rheinbach NRW 53, 327; Abb. 22. Bd. 2: 154, 155, 158 Rheinberg NRW 50. Bd. 2: 155 Rheinbrohl RP Bd. 2: 138 Rheindiebach RP 309 Rheinfelden CH 70, 193, 350; Abb. 35. Bd. 2: 28, 29, 37, 42 Rheingau 309 Rheinhessen 15, 133, 135. Bd. 2: 141, 143, 145 Rheinisches Schiefergebirge 17, 82, 90, 97, 98, 107, 115, 120, 123, 126, 135, 154, 166, 200, 217, 232, 237, 238, 243, 273, 296. Bd. 2: 129, 133, 137, 138, 139, 175, 186 Rheinland 17, 33, 75, 77, 90, 93, 108, 114, 116, 117, 119, 126, 133, 137, 139, 156, 160, 165, 170, 200, 203, 205, 206, 215, 243, 251, 271, 277, 351. Bd. 2: 38, 60, 61, 129, 131, 134, 135, 138, 146, 148, 149, 151, 154, 155,
354 Topographischer Teil
156, 157, 158, 167, 170, 175, 177, 178, 183, 188, 189, 199, 225, 239 Rheinsberg BB 66. Bd. 2: 244, 252 Rhens RP 99, 128, 142, 166, 170. Bd. 2: 135, 136, 137 Rhinow BB 57 Ribnitz MV 153. Bd. 2: 268, 272; Abb. 506 Richard I., König von England Bd. 2: 13 Ridinger, Georg 190. Bd. 2: 194 Ried ÖR Bd. 2: 18 Riedenburg BY Bd. 2: 91 Riedlingen BW Bd. 2: 74 Rieneck BY Bd. 2: 115 Riesenburg OP 254. Bd. 2: 288, 289 Riesgaugrafen Bd. 2: 80 Rinteln NI 49. Bd. 2: 168 Röbel MV 311. Bd. 2: 267, 272 Rochlitz SN 292. Bd. 2: 214, 219 Rodach BY 74, 281. Bd. 2: 106, 113 Rodemachern LO 208, 266. Bd. 2: 147 Roding BY Bd. 2: 97, 98 Rom (s. a. Vatikan) 33, 73, 77, 203, 213. Bd. 2: 148 Römhild TH 201. Bd. 2: 200 Rosenfeld BW Bd. 2: 67, 70, 71 Rosenheim BY 170. Bd. 2: 91 Rosenthal NI 44. Bd. 2: 168 Rosheim EL 45. Bd. 2: 47 Rössel OP 100. Bd. 2: 286 Roßwein SN Bd. 2: 217 Rostock MV 36, 50, 68, 77, 80, 117, 148, 150, 153, 168, 176-178, 185, 186, 190, 228, 297, 299; Abb. 124, 239. Bd. 2: 266, 267, 268, 270, 271, 273, 274, 281; Abb. 501, 504 Rotenberg BW Bd. 2: 61 Roth BY Bd. 2: 113 Rothenberg BY 265. Bd. 2: 107 Rothenburg ob der Tauber BY 8, 63, 75, 80, 81, 82, 90, 93, 95, 96, 106, 122, 128, 147, 148, 150, 151, 156, 163– 165, 167, 182, 184, 200, 216, 221, 224, 225, 231, 245, 254, 264, 265, 282, 284, 285, 308, 309, 312, 323, 324, 325, 334, 335, 336, 340, 341, 349; Abb. 39, 45, 47, 51, 53, 60, 76, 98, 112, 113, 146, 175, 195, 219, 224, 262, 270. Bd. 2: 69, 100, 101, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 110, 111, 112; Abb. 371, 374, 380, 381 Rothenfels BY Bd. 2: 120 Rottenburg BW 80, 216. Bd. 2: 67, 68, 70 Rottenmann ÖR 196. Bd. 2: 11, 12, Röttingen BY Bd. 2: 115, 116 Rottweil BW 46, 77, 105, 114, 129, 147, 148, 150, 256, 295, 301, 349, 350; Abb. 78, 95, 197. Bd. 2: 55, 56, 57, 58, 60, 62, 63, 122; Abb. 331 Rötz BY Bd. 2: 99 Rüdesheim HE 84, 142, 288, 355. Bd. 2: 125, 180, 191; Abb. 446 Rudolf I., römischer König/Rudolf IV., Graf von Habsburg Bd. 2: 26, 37, 57, 126 Rudolf von Scherenberg, Fürstbischof von Würzburg Bd. 2: 118 Rudolstadt TH Bd. 2: 202 Rufach EL 60, 82, 90, 303. Bd. 2: 47, 48, 52
Rügenwalde HP Bd. 2: 281, 282 Ruhland BB Bd. 2: 251 Ruhrgebiet 321 Runkel HE Bd. 2: 180 Rüsselsheim HE 305. Bd. 2: 179 Russland Bd. 2: 232 Rust ÖR 51, 301. Bd. 2: 19 Rüthen NRW 116, 162, 272, 331. Bd. 2: 160 Saalburg TH 111, 122. Bd. 2: 197 Saalburg (römisches Kastell) HE 73 Saalfeld OP Bd. 2: 286 Saalfeld TH 122, 162. Bd. 2: 198, 199; Abb. 450 Saaralben LO Bd. 2: 146 Saarbrücken SL (s. a. St. Johann) 301. Bd. 2: 143, 146 Saarburg LO 118, 272; Abb. 69, 211. Bd. 2: 147 Saarburg RP Bd. 2: 132 Saargemünd LO 118. Bd. 2: 147 Saarland Bd. 2: 129, 139, 143 Sachsen 36, 56, 78, 85, 91, 104, 114, 119, 145, 178, 186, 197, 199-201, 207, 217, 234, 235, 245, 266, 278, 283, 284, 296, 297, 298, 303, 321. Bd. 2: 158, 210, 211, 212, 214, 215, 217, 218, 219, 220, 221, 233, 235, 257, 259 Sachsen-Anhalt 15, 58, 66, 78, 85, 90, 104, 115, 122, 133, 140, 176, 197, 199, 200, 237, 284, 311, 314. Bd. 2: 203, 204, 206, 210, 211, 217, 257, 258, 261 Sachsenburg ÖR Bd. 2: 11 Sachsenhausen HE 314. Bd. 2: 187, 190, 192 (Bad) Säckingen BW 295. Bd. 2: 52, 58, 62 Sagan SCH 104, 331. Bd. 2: 227 Salmünster HE Bd. 2: 185 Salza s. Langensalza Salzburg ÖR 27, 115, 246, 279. Bd. 2: 7, 10, 11; Abb. 279 (Bad) Salzhausen HE 266. Bd. 2: 204 Salzkotten NRW 195. Bd. 2: 162 (Bad) Salzuflen NRW Bd. 2: 163 Salzwedel ST 159, 201, 314. Bd. 2: 249, 250, 261, 262, 265; Abb. 492 Sandau ST Bd. 2: 249 Sandtner, Jakob 306, 307; Abb. 247. Bd. 2: 93; Abb. 360 Sangerhausen ST 45. Bd. 2: 209 Sankt … siehe unter St. … Sarbach, Jakob 216 Sarralbe LO 172, 181 Sarstedt NI Bd. 2: 172 Sauerland Bd. 2: 162 (Bad) Saulgau BW Bd. 2: 74, 76 Saverne EL s. Zabern Savoyen 118. Bd. 2: 34 Sayda SN Bd. 2: 215 Scaliger (scaligeri, nordital. Adelsfamilie) 110 Schaffhausen CH 46, 72, 89, 118, 208, 250, 263, 294, 299, 303, 313, 335, 347, 348; Abb. 240. Bd. 2: 24, 27, 35, 37, 38, 41, 43, 44, 45; Abb. 302, 315 Schärding ÖR 23, 54, 208, 236, 276. Bd. 2: 17, 90; Abb. 292 Schartenberg HE Bd. 2: 179 Schaumburg, Graf von Bd. 2: 172 Schedel, Hartmann 28, 51, 236. Bd. 2: 102, 105; Abb. 375, 449
Scheibbs ÖR 265. Bd. 2: 15, 16 Scheinfeld BY Bd. 2: 109 Scheßlitz BY Bd. 2: 106 Schicht, Patrick Bd. 2: 14 Schiefergebirge s. Rheinisches Schiefergebirge Schinderhannes 317 Schivelbein NM 36, 67. Bd. 2: 274, 276, 278, 281, 282 Schladming ÖR 194. Bd. 2: 11, 12 Schlawe HP Bd. 2: 274, 276, 277, 283 Schleiden NRW Bd. 2: 156 Schlesien 36, 47, 56, 66, 68, 78, 80, 91, 100, 104, 107, 108, 114, 119, 120, 122-124, 127, 140, 153, 174, 177, 178, 184, 186, 189, 190, 199, 200, 201, 209, 213, 234, 235, 236, 251, 254, 276, 283, 292, 303, 331, 335, 351, 352. Bd. 2: 6, 41, 184, 214, 217, 218, 219, 221, 222, 224, 227, 228, 229, 232, 233, 234, 235, 236, 251, 257, 264, 265 Schleswig SH 9, 45, 50, 146, 148, 348, 349. Bd. 2: 6, 165, 239, 240 Schleswig-Holstein (s. a. Schleswig, Holstein) 39. Bd. 2: 165, 236, 237, 241, 265 Schlettstadt EL 66, 148, 349. Bd. 2: 48; Abb. 319 Schleusingen TH 279, 297. Bd. 2: 204 Schlitz HE Bd. 2: 176 Schlüsselfeld BY Bd. 2: 113 Schmalkalden TH 135, 228, 303, 331. Bd. 2: 79, 196, 197, 202 Schmidtchen, Volker 262, 337 Schmiedeberg ST 78. Bd. 2: 209 Schmitt, Reinhard 15 Schmölln TH Bd. 2: 201 Schömberg BW Bd. 2: 59 Schönebeck ST Bd. 2: 208 Schöneck OP Bd. 2: 288 (Bad) Schönfließ NM 152. Bd. 2: 252, 253, 254, 255, 256, 259 Schongau BY Bd. 2: 87, 92 Schongau CH 223, 350 Schöningen NI 314. Bd. 2: 171, 172 Schönsee OP Bd. 2: 288 Schopfheim BW Bd. 2: 61 Schorndorf BW 62, 295, 296, 305. Bd. 2: 67, 68, 70, 71, 72 Schrader, Erich 328 Schrattenthal ÖR 288. Bd. 2: 15, 17 Schriesheim BW Bd. 2: 61 Schrobenhausen BY 85, 89, 109, 215, 216. Bd. 2: 87, 89, 90, 92 Schüttorf NI Bd. 2: 241, 242 Schwabach BY Bd. 2: 106, 107, 111 Schwaben 121, 153, 178, 179, 184, 208, 295, 337. Bd. 2: 27, 57, 78, 79, 82, 86 Schwäbisch Gmünd BW 31, 62, 64, 107, 124, 141, 142, 176, 177, 264, 268, 269, 275, 281; Abb. 213. Bd. 2: 64, 65, 66, 67, 68, 69; Abb. 340 Schwäbisch Hall BW 47, 100, 105, 112, 114, 121, 150, 164, 217, 231, 252, 276, 291, 292, 302, 312, 313, 349; Abb. 59, 230, 251. Bd. 2: 64, 112, 120, 121, 122, 123, 124, 126, 127; Abb. 387, 392, 394 Register
355
Schwandorf BY Bd. 2: 95, 97 Schwanebeck ST Bd. 2: 208 Schwarzwald 266. Bd. 2: 52, 55, 56 Schwedt an der Oder BB 207, 318. Bd. 2: 265 Schweidnitz SCH 236, 303. Bd. 2: 227, 234, 235, 236 Schweinfurt BY 281, 331. Bd. 2: 115, 117 Schweiz (s. a. Westschweiz) 27, 31, 58, 61, 69, 70, 72, 80, 86, 89, 113, 121, 140, 188, 189, 193, 231, 240, 242, 245, 250, 253, 265, 268, 270, 290, 303, 313, 335; Abb. 42. Bd. 2: 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 48, 61, 62, 180 Schwerin MV 50. Bd. 2: 267, 269 Schwetz OP 197. Bd. 2: 286, 288, 289 Schwiebus SCH Bd. 2: 251, 264 Schwyz CH 309. Bd. 2: Abb. 308 Seeburg OP Bd. 2: 288 Seehausen ST 311, 314. Bd. 2: 208, 252, 261, 264, 265 Seesen NI Bd. 2: 168 Segeberg SH Bd. 2: 237 Seligenstadt HE 137, 190, 312. Bd. 2: 181, 183, 190, 194 Selz EL Bd. 2: 46 Sempach CH 250, 261. Bd. 2: 30, 31, 33; Abb. 306 Sennhauser, Hans Rudolf 345. Bd. 2: 24 Sennheim EL Bd. 2: 49 Seßlach BY 107, 122, 281, 331. Bd. 2: 103 Sickinger, Gregor Bd. 2: Abb. 328 Siebenbürgen 15 Siegburg NRW 108, 152, 155, 193, 203. Bd. 2: 151, 152 Siegen NRW 116. Bd. 2: 160, 165 Siegfried von Blankenburg, Graf Bd. 2: 169; Abb. 432 Sierck LO Bd. 2: 146 Sigfrid, Erzbischof von Köln 24, 55. Bd. 2: 154 Sigismund, römischer Kaiser 328, 342. Bd. 2: 218 Sigmaringen BW Bd. 2: 77 Simmern RP Bd. 2: 135 Sindelfingen BW Bd. 2: 67, 70 Sindringen BW Bd. 2: 124 Sinsheim BW Bd. 2: 53 Sinzig RP 90. Bd. 2: 133 Skandinavien Bd. 2: 236 (Bad) Sobernheim RP 232. Bd. 2: 137 Soest NRW 37, 76, 116, 130, 169, 177, 179, 180, 182, 195, 225, 242, 272, 277, 306, 311, 345; Abb. 126. Bd. 2: 159, 160, 163, 164, 165, 178; Abb. 427 Sohrau SCH Bd. 2: 232 Soldin NM Bd. 2: 252, 255, 260 Solingen NRW Bd. 2: 156 Solothurn CH (Stadt) 63, 64, 118, 124, 208, 250, 270, 276, 278, 279, 281, 293, 347; Abb. 215, 216, 234, 271. Bd. 2: 34, 38, 43, 44, 45; Abb. 314 Sömmerda TH 280, 335. Bd. 2: 200, 203 Sommerfeld BB Bd. 2: 249, 252, 257 Sommerhausen BY Bd. 2: 120 Sondershausen TH 122. Bd. 2: 198 Sonderhofen BY Bd. 2: 119 Sonnenberg HE 17, 126, 252. Bd. 2: 180, 185, 187; Abb. 443 Sorau SCH Bd. 2: 252, 256, 257, 264 Spalt BY 217. Bd. 2: 103, 106, 107, 110, 111
356 Topographischer Teil
Spandau (Stadtteil von Berlin) B 36, 49, 89; Abb. 20. Bd. 2: 242, 245, 249, 265 Spangenberg HE Bd. 2: 180, 181, 182, 186 Spanien 164 Spessart 115, 135. Bd. 2: 114, 117 Speyer RP 14, 37, 59, 66, 79, 81, 84, 90, 113, 118, 130, 147, 149, 150, 161, 173, 189, 192, 224, 232, 245, 312, 330, 347, 349; Abb. 79. Bd. 2: 139, 140, 141, 145; Abb. 408, 409 Spremberg BB Bd. 2: 243 Springe NI Bd. 2: 172 Sprottau SCH 120. Bd. 2: 226 Stade NI 45, 348. Bd. 2: 238, 240 Stadelhofen (Ortsteil von Konstanz) BW Bd. 2: 55 Staden HE 280 Stadtamhof BY 256 Stadthagen NI 23, 132. Bd. 2: 172 Stadtilm TH 72, 79, 126, 270, 291. Bd. 2: 196, 202, 203 Stadtlauringen BY Bd. 2: 120 Stadtoldendorf NI 200, 281. Bd. 2: 174 Stadtroda TH Bd. 2: 204 Stadtschlaining ÖR 301. Bd. 2: 19 Stadtsteinach BY 296. Bd. 2: 107, 110, 113 Stadtsulza TH Bd. 2: 202 Staffelstein BY Bd. 2: 106, 107, 109, 111 St. Andrä in Kärnten ÖR 194. Bd. 2: 9, 12 Stansstad CH 309 Stargard HP 36, 68, 77, 145, 184, 190, 198, 207, 212, 277, 298, 307, 332. Bd. 2: 274, 275, 276, 277, 278, 280, 282, 283, 284, 285; Abb. 510, 517, 520, 521 Staßfurt ST 115, 140. Bd. 2: 208, 210 Staufen im Breisgau BW Bd. 2: 59, 60 Staufenberg HE 17, 23, 162. Bd. 2: 180, 188 Staufer (Adelsgeschlecht), Stauferzeit 61, 62. Bd. 2: 56, 57, 58, 64, 67, 68, 73, 79, 80, 102, 106 St. Avold LO 118. Bd. 2: 146, 147 Steckborn CH Bd. 2: 31, 40 Steeg RP 309 Steiermark 188, 200, 250, 252, 301, 349. Bd. 2: 7, 10, 11, 12 Steinach TI Bd. 2: 21 Stein am Rhein CH 65, 89, 188, 189, 250. Bd. 2: 30, 31, 33, 34, 37, 41, 42, 43, 44, 45 Stein an der Donau ÖR 85. Bd. 2: 9, 12, 13, 15 Steinau SCH Bd. 2: 232 Steinau an der Straße HE 103, 237, 292. Bd. 2: 180, 186, 188 Steinbach BW Bd. 2: 59, 63 Steingruber, Joann David Bd. 2: 114 Steinheim NRW Bd. 2: 161 Steinheim am Main HE 82, 97, 141, 192, 208, 237, 252. Bd. 2: 180, 183, 184, 187, 188, 189; Abb. 442 St. Emmeram (Abtei) Bd. 2: 94 Stendal ST 104, 148, 153, 160, 264, 292, 311, 334, 347; Abb. 94. Bd. 2: 243, 244, 247, 249, 259, 260, 264, 272; Abb. 487 Sternberg MV Bd. 2: 267 Sterzing TI 145. Bd. 2: 21, 24; Abb. 299 Stetten (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 127
Stettin HP 26, 112, 207, 332, 334. Bd. 2: 262, 274, 276, 277, 278, 284, 285; Abb. 515 Steyr ÖR 189, 300. Bd. 2: 15, 18 Steyregg ÖR Bd. 2: 18 St. Gallen CH 37, 261. Bd. 2: 24, 38, 39, 42, 44, 45 St. Goar RP Bd. 2: 136 St. Goarshausen RP 41, 99, 142. Bd. 2: 133, 136; Abb. 405 St. Johann (Stadtteil von Saarbrücken) 118, 301. Bd. 2: 143, 146 (Bad) St. Leonhard ÖR Bd. 2: 11, 12 Stockach BW Bd. 2: 59 Stockheim BY Bd. 2: 120 Stockstadt BY Bd. 2: 120 Stolberg ST 288. Bd. 2: 210 Stolp HP 36, 50, 55, 150, 298, 307, 331. Bd. 2: 274, 275, 276, 278, 283, 284, 285 Stolpen SN 201 Stoob, Heinz Albert 22, 26, 56 St. Petrus (Heiliger) 136 St. Pilt EL Bd. 2: 50 Straalen, Thomas van 206 Straelen NRW Bd. 2: 156 Stralsund MV 50, 68, 79, 150, 185, 198, 222. Bd. 2: 271, 272, 274, 275, 276, 277, 283 Strasburg OP 123, 217, 251. Bd. 2: 285, 288, 289, 290 Straßburg EL 27, 32, 37, 64, 66, 71, 90, 90, 108, 113, 163, 245, 258, 271, 295, 303, 338, 347, 349; Abb. 64. Bd. 2: 46, 47, 48, 50, 52, 58, 59, 139; Abb. 317 Straßburg ÖR Bd. 2: 11 Straßburg, Bischof von 246. Bd. 2: 59 Straubing BY 66, 215, 216, 237, 277, 331. Bd. 2: 86, 87, 88, 92 Strausberg BB 242, 259. Bd. 2: 245, 246, 248, 251, 252, 257 Strehlen SCH Abb. 36. Bd. 2: 223, 233 Striegau SCH 97, 123, 225, 254, 283, 332. Bd. 2: 221, 234, 235; Abb. 482 Stübben, Josef 323; Abb. 260 Stühlingen BW Bd. 2: 58, 59 Stuttgart BW 208, 276. Bd. 2: 64, 65, 66, 68, 70, 71, 73, 120 St. Veit ÖR 294. Bd. 2: 8, 12; Abb. 274 St. Wendel SL 118. Bd. 2: 143 Südhessen Bd. 2: 180, 181, 187 Sulz EL 60. Bd. 2: 48 Sulz am Neckar BW Bd. 2: 59 Sulzbach BY Bd. 2: 95, 96, 97, 99. Bd. 2: 120 Sulzburg BW 303. Bd. 2: 52, 58, 61, 63 Sulzfeld BY Bd. 2: 120 Sursee CH 190, 303. Bd. 2: 32, 38, 41, 45 Tábor 283, 292. Bd. 2: 98 Tangermünde ST 36, 53, 55, 112, 122, 123, 153, 201, 209, 222, 334, 347; Abb. 86, 156. Bd. 2: 242, 244, 246, 249, 251, 252, 253, 254, 256, 257, 258, 260, 261, 262, 263; Abb. 500 Tannenberg (Burg) HE 263 Tannenberg OP 287, 304. Bd. 2: 291 Tann in der Rhön HE 207. Bd. 2: 193, 194; Abb. 448 Tappe, Wilhelm Bd. 2: Abb. 427
Tauberbischofsheim BW Bd. 2: 124, 127 Taucha SN Bd. 2: 215 Taunus 73. Bd. 2: 185 Tecklenburg NRW Bd. 2: 165 Teisbach BY Bd. 2: 91 Templin BB 117, 222, 273; Abb. 47, 68. Bd. 2: 248, 254, 255, 256, 257, 259, 260, 263; Abb. 491, 495, 496 Tengen BW 17, 200. Bd. 2: 58, 59, 61 Tennstedt TH 108, 190, 334. Bd. 2: 201, 204 Teterow MV 321. Bd. 2: 272, 273; Abb. 508 Tettnang BW 26. Bd. 2: 75 Thann EL Bd. 2: 52 Themar TH 52, 134, 266, 278, 280; Abb. 218. Bd. 2: 203 Theoderich, Erzbischof Bd. 2: 115 Thietmar von Merseburg, Bischof Bd. 2: 227 Thorn OP 114, 123, 130, 176, 197, 209, 223, 232; Abb. 245. Bd. 2: 223, 285, 286, 288, 289, 290, 291 Thun CH 80, 193, 242; Abb. 141. Bd. 2: 28, 31, 32, 35 Thüngersheim BY Bd. 2: 119 Thurant (Burg) RP Bd. 2: 133 Thüringen 27, 34, 40, 71, 75, 79, 104, 108, 110, 111, 112, 114, 119, 120, 122, 123, 128, 133, 140, 162, 162, 173, 186, 190, 197, 201, 207, 213, 224, 232, 237, 243, 266, 280, 284, 289, 291, 296, 297, 299, 303, 311, 314, 331, 337, 351. Bd. 2: 109, 175, 189, 194, 195, 196, 197, 199, 200, 201, 202, 203, 204 Thüringen, Landgraf(en) von Bd. 2: 177, 179 Tiengen BW Bd. 2: 53, 62 Tietelah, Bischof von Worms Bd. 2: 139 Tietlach, Bischof 329 Tilleda (Königspfalz) ST 34, 36, Abb. 9 Tirol 56, 89, 122, 236, 265, 279, 290, 342. Bd. 2: 19, 20, 21, 22, 23, 24, 29 Tirschenreuth BY Bd. 2: 97, 98 Tittmoning BY 61, 232. Bd. 2: 87, 92 Tolkemit OP Bd. 2: 286 Toppler, Heinrich Bd. 2: 104, 105 Torbus, Tomasz 282, 283 Torgau SN 201, 235. Bd. 2: 216, 217, 219 Trachenberg SCH 49, 55. Bd. 2: 221 Traian, römischer Kaiser Bd. 2: 52 Traismauer ÖR 33, 208, 280. Bd. 2: 16; Abb. 280 Trapp (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 23 Trappstadt BY Bd. 2: 119 Trarbach RP 232, 247. Bd. 2: 133, 135, 136, 137; Abb. 402 Traunstein BY 215, 216. Bd. 2: 91, 92 Trechtingshausen RP 280. Bd. 2: 138 Treffurt TH Bd. 2: 200 Treinfeld BY Bd. 2: 119 Trendelburg HE Bd. 2: 183 Treptow MV 36, 50, 311. Bd. 2: 274, 278, 284 Treuenbrietzen BB Bd. 2: 248, 251 Treuchtlingen BY Bd. 2: 109 Treysa HE Bd. 2: 181, 183 Tribsees MV 190. Bd. 2: 281, 285 Triebel BB 134, 150. Bd. 2: 257 Trient Bd. 2: 20, 21 Trier RP 23, 25, 32, 33, 37, 119, 120, 177, 180, 195, 203, 347; Abb. 127. Bd. 2: 129, 130, 137, 146; Abb. 396 Register
357
Trochtelfingen BW 295, 296; Abb. 236. Bd. 2: 76 Trost, Heinrich 20, 145, 178, 191, 222, 268, 351. Bd. 2; 256, 257, 259, 260, 261, 263, 265, 270, 272, 280, 283 Tschechien Bd. 2: 98 Tübingen BW 273. Bd. 2: 64, 66, 70, 71, 72, 73 Tulln ÖR Bd. 2: 12 Türkei 286 Türkheim EL Bd. 2: 49, 50; Abb. 323 Tuttlingen BW Bd. 2: 62 Tütz HP Bd. 2: 275 Tütz SCH 50 Twiel BW Bd. 2: 72 Überlingen BW 64, 144, 173, 188, 250, 279, 294, 295, 299, 358; Abb. 235. Bd. 2: 74, 75, 76, 77, 93; Abb. 345, 346, 348 Uelzen NI 50, 52, 78. Bd. 2: 241 Uerdingen NRW Bd. 2: 155 Uffenheim BY Bd. 2: 103, 110, 111 Ulm BW 44, 66, 89, 134, 150, 181, 187, 237, 256, 276, 277, 284, 349. Bd. 2: 73, 74, 75, 76, 77; Abb. 343 Ulrich (Hl.), Bischof von Augsburg 37. Bd. 2: 78 Ulrich, Herzog von Württemberg Bd. 2: 72 Ulrich, Stefan 118, 271 Ulrich III., Fürstbischof von Passau Bd. 2: 90 Umayyaden 111 Ungarn 204, 283 Unger, G. 296. Bd. 2: 113 Unkel RP Bd. 2: 135, 138 Unna NRW 297. Bd. 2: 164 Unterfranken 15, 27, 122, 193, 266, 276, 281, 313, 314, 319. Bd. 2: 71, 110, 112, 114, 115, 116, 118, 120, 127, 194, 199 Unterseen CH 89, 242, 250, 261. Bd. 2: 30, 32, 33; Abb. 304 Unterwalden CH 309 Urach BW 303. Bd. 2: 67, 71, 72 Urschweiz 16 Usedom MV 36, 150, 198. Bd. 2: 274, 277, 283 Utrecht 206 Uznach CH Bd. 2: 33, 37 Vacha TH Bd. 2: 195 Vaihingen (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 58 Vaihingen an der Enz BW 136, 259, 291, 333; Abb. 84, 188. Bd. 2: 66, 70, 71, 72 Valence 295 Valencia 295 Vatikan 77 Vauban, Sébastien Le Prestre de Bd. 2: 114 Vechta NI 45, 310. Bd. 2: 242 Velburg BY Bd. 2: 99 Velden BY Bd. 2: 109 Vellberg BW 134, 277, 290. Bd. 2: 127 Venetien 110, 126 Verden NI 297. Bd. 2: 241, 242 Vianden LUX 119. Bd. 2: 148 Viersen NRW 312. Bd. 2: 157 Vierwaldstätter See CH 309 Villach ÖR Bd. 2: 9, 12 Villingen BW 31, 54, 63, 64, 73, 99, 133, 136, 163, 165,
358 Topographischer Teil
295, 303, 347, 350; Abb. 56, 114. Bd. 2: 55, 56, 57, 60, 61, 62, 63; Abb. 332, 334, 335 Villmar HE Bd. 2: 185 Vils TI Bd. 2: 22 Vilsbiburg BY 188. Bd. 2: 93 Vilseck BY Bd. 2: 94, 98, 99; Abb. 369 Vilshofen BY 187, 332. Bd. 2: 88, 93 Virneburg RP 27, 272 Visby (Gotland) 123 Viscardi, Bartholomäus Bd. 2: 93 Vöcklabruck ÖR 175; Abb. 122. Bd. 2: 18 Vogesen 309 Vogts, Hans 21 Vohburg BY 184, 215, 216. Bd. 2: 91, 92 Voitsberg ÖR Bd. 2: 12 Volkach BY Bd. 2: 116, 117 Völkermarkt ÖR 294. Bd. 2: 12 Volkmarsen HE 291. Bd. 2: 192 Vorarlberg ÖR 193. Bd. 2: 24, 31, 32, 33, 39, 40 Vorpommern (s. a. Pommern) 66, 68. Bd. 2: 274, 280 Voss, Kaija Bd. 2: 243 Wachenheim RP 84. Bd. 2: 143 Wachtendonk NRW 49. Bd. 2: 156 Wächtersbach HE Bd. 2: 184 Wagener, Olaf 239 Waiblingen BW 22, 72, 105. Bd. 2: 67, 70, 71 Waibstadt BW Bd. 2: 55 Waidhofen an der Thaya ÖR 300. Bd. 2: 14, 15, 16 Waidhofen an der Ybbs ÖR Bd. 2: 14, 15 Waldeck HE 248. Bd. 2: 180, 187, 189 Waldemar I., König von Dänemark Bd. 2: 238 Waldenburg BW 96, 105, 114, 146, 200, 224, 284. Bd. 2: 121, 122, 128; Abb. 389 Waldenburg CH Bd. 2: 32 Waldfeucht NRW 45. Bd. 2: 156 Waldkirch BW 73. Bd. 2: 59, 62 Waldkirchen BY 107, 208, 279. Bd. 2: 90; Abb. 362 (Bad) Waldsee BW 237. Bd. 2: 75, 76 Waldshut BW Bd. 2: 57, 63 Waldviertel (Niederösterreich) 42 Walenstadt CH 193; Abb. 142. Bd. 2: 32 Wales 139, 166, 204 Walkenried NI 332. Bd. 2: 195 Walldürn BW Bd. 2: 59 Wallerstein BY 45. Bd. 2: 83 Walsdorf HE Bd. 2: 181, 183, 186 Waltershausen TH 299. Bd. 2: 200, 203 Wangen EL Bd. 2: 49, 50 Wangen an der Aare CH 61, 223, 250, 261. Bd. 2: 32, 33, 42 Wangen im Allgäu BW 187, 189. Bd. 2: 74, 75, 76, 77, 86 Warburg NRW 184, 200, 237, 314. Bd. 2: 161, 163, 164; Abb. 429. Bd. 2: 165 Warendorf NRW 45, 66. Bd. 2: 159, 162, 163 Warschau 283 Wartburg (Eisenach) TH Bd. 2: 195 Wartenberg OP 51 Wartenburg in Ostpreußen OP Bd. 2: 286
Wassenberg NRW 277. Bd. 2: 156 Wasserburg am Inn BY 59, 89, 188, 350. Bd. 2: 86, 87, 92 Wassertrüdingen BY 155, 193. Bd. 2: 107, 108, 111 Wasungen TH Bd. 2: 202 Wegeleben ST Bd. 2: 208 Wehlau OP Bd. 2: 289 Weida TH Bd. 2: 201 Weiden BY 90, 320. Bd. 2: 97, 99 Weikersheim BW Bd. 2: 124, 126, 127 Weilburg an der Lahn HE 34, 224. Bd. 2: 176, 181, 189, 191 Weil der Stadt BW 226, 227, 276. Bd. 2: 66, 69, 70, 202; Abb. 341 Weilheim BY 61. Bd. 2: 88 Weilheim an der Teck BW 252. Bd. 2: 70 Weimar TH 42, 237. Bd. 2: 202, 203 Weingarten BW Bd. 2: 77 Weinheim BW Bd. 2: 59, 60, 62 Weinsberg BW 62, 90, 248. Bd. 2: 121 Weismain BY 62, 200, 296, 319. Bd. 2: 103, 113, 114 Weißenburg BY 46, 124, 155, 176, 182, 216, 217, 218, 231, 232, 264, 278, 331, 332, 342, 348; Abb. 43, 162. Bd. 2: 100, 106, 108, 109, 110, 111, 113; Abb. 377 Weißenburg EL 60, 63, 113, 211, 254, 295. Bd. 2: 48, 50, 51 Weißenfels ST 284. Bd. 2: 208, 210 Weißenhorn BY 45, 90, 110, 159, 178, 186, 208, 216, 218, 266, 276. Bd. 2: 80, 84; Abb. 355 Weißensee TH Bd. 2: 196, 197 Weißenstadt BY Bd. 2: 107 Weitra ÖR 236. Bd. 2: 14, 15, 16 Wellmich RP 243, 247. Bd. 2: 133, 135, 136 Wels ÖR 189. Bd. 2: 12, 13, 18 Welschbillig RP 119, 272. Bd. 2: 132 Wemding BY 109, 200, 237, 301. Bd. 2: 82, 83, 84, 89 Wenzel I., Herzog von Liegnitz Bd. 2: 229 Wenzel I., Herzog von Luxemburg Bd. 2: Abb. 416 Wenzel I., König von Böhmen 333 Werben an der Elbe ST 122, 153, 159, 201, 223, 292, 334; Abb. 101. Bd. 2: 249, 259, 260, 263 Werdau SN Bd. 2: 211, 219 Werdenberg CH 89, 170, 193, 261; Abb. 203. Bd. 2: 32, 33 Werl NRW 47. Bd. 2: 162 Werne NRW 66, 341. Bd. 2: 163 Wernigerode ST 122, 311, 314 Wertheim BW 79, 82, 93, 143, 193, 208, 235, 313. Bd. 2: 121, 125, 126, 127, 128 Wesel NRW 311, 335. Bd. 2: 155, 157 Westerburg RP 305, Westerholt NRW Bd. 2: 165 Westerwald Bd. 2: 194 Westfalen 17, 27, 45, 66, 68, 78, 90, 115, 116, 117, 120, 132, 206, 237, 243, 272, 278, 297, 304, 310, 311, 314, 341, 354. Bd. 2: 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 172, 179, 189 Westhofen EL 231, 266. Bd. 2: 51 Westhofen RP Bd. 2: 145
Westpreußen 254, 263. Bd. 2: 274 Westschweiz 17 Wetter HE Bd. 2: 180, 181, 182, 183, 191 Wetterau (Landschaft) 161. Bd. 2: 139, 175, 178, 180, 187 Wetzlar HE 84. Bd. 2: 177, 180, 181, 184, 187, 188 Widerold, Bischof von Straßburg Bd. 2: 46 Wiedenbrück NRW 278, 297. Bd. 2: 164 Wiedlisbach CH 80, 89, 193, 250; Abb. 191. Bd. 2: 32, 33, 39 Wiehe TH 122. Bd. 2: 198 Wien ÖR 51, 65, 106, 200, 231, 239, 256, 263, 294, 298, 305, 323, 324, 341, 349, 359; Abb. 18, 261. Bd. 2: 7, 8, 12, 16; Abb. 281 Wiener Neustadt ÖR 59, 65, 106, 112, 231, 232, 249, 260, 285, 349, 353; Abb. 24, 202. Bd. 2: 9, 13, 16; Abb. 283, 284 Wiesbaden HE Bd. 2: 178 Wieseck HE Bd. 2: 192 Wiesloch BW Bd. 2: 60, 63 Wil CH 89. Bd. 2: 30, 31, 39 Wildberg an der Nagold BW 80. Bd. 2: 58, 59 Wildeshausen NI 45. Bd. 2: 242 (Bad) Wildungen HE 24, 224, 291. Bd. 2: 181, 183, 189, 192 Wilhelm III., der Tapfere, Herzog von Sachsen 334. Bd. 2: 201 Wilhelmsburg ÖR 280. Bd. 2: 16 Wilhelm von Reichenau, Bischof Bd. 2: 99, 111 Will, Robert 118 Willisau CH 89. Bd. 2: 30, 32, 33, 43 Wilster SH 228. Bd. 2: 237 (Bad) Wimpfen (am Berg/im Tal) BW 78, 125, 128, 213, 295. Bd. 2: 123, 126, 127 Windsbach BY Bd. 2: 107, 114 (Bad) Windsheim BY 313, 314. Bd. 2: 102, 106, 112 Winnenden BW 189. Bd. 2: 70, 72 Winningen RP Bd. 2: 138 Winsen an der Luhe NI 45. Bd. 2: 242 Winterthur CH 46, 315. Bd. 2: 27, 31, 32, 33, 35 Winzig SCH Bd. 2: 232 Wiprecht von Groitzsch, Markgraf Bd. 2: 204 Wiser, Wolfgang Bd. 2: 92 Wismar MV 80, 311. Bd. 2: 266, 271, 272, 273 Wittelsbacher (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 86, 94 Wittenberg ST Bd. 2: 204, 206 Wittenberge BB Bd. 2: 256 Wittenburg MV 108. Bd. 2: 269 Wittlich RP 217, 232. Bd. 2: 132, 135, 137 Wittstock an der Dosse BB 122, 207, 270, 311, 314, 335; Abb. 249. Bd. 2: 248, 251, 252, 254, 261, 263, 264, 265 Witzenhausen HE 23; Abb. 54. Bd. 2: 182, 186 Woensam, Anton 191 Wohlau SCH Bd. 2: 232, 236 Wohnbach HE Bd. 2: 179 Woldegk MV Bd. 2: 267 Woldenberg NM Bd. 2: 252 Woldron, Ronald Bd. 2: 13, 16 Wolfach BW Bd. 2: 63 Register
359
Wölfelin von Hagenau Bd. 2: 48 Wölfersheim HE Bd. 2: 191 Wolfhagen HE 136, 312. Bd. 2: 181, 184, 190 Wolframs-Eschenbach BY 64, 155, 156, 216, 217, 235, 284; Abb. 161. Bd. 2: 103, 106, 108, 109, 110, 111, 112; Abb. 379 Wolfsberg ÖR 281. Bd. 2: 11, 12 Wolgast MV 36, 123. Bd. 2: 274, 277, 278 Wollin HP Bd. 2: 275 Worbis TH Bd. 2: 197 Worms RP 14, 61, 64, 65, 66, 71, 79, 79, 84, 90, 108, 112, 113, 130, 134, 143, 149, 150, 161, 169, 172, 208, 264, 329, 347, 349; Abb. 4, 37, 116. Bd. 2: 52, 139, 140, 143; Abb. 407 Worringen (Schlacht bei) NRW 52, 246. Bd. 2: 162 Wörth BY Bd. 2: 115 Wratislaw, Herzog von Pommern 55, 328, 334. Bd. 2: 249 Wredenhagen MV 218 Wübbecke-Pflüger, Brigitte 337 (Bad) Wünnenberg NRW Bd. 2: 159, 163 Wünschelburg SCH Bd. 2: 232 Wunsiedel BY Bd. 2: 103, 106, 109 Wunstorf NI Bd. 2: 172 Wurm, Nikolaus 346 Württemberg 79, 80, 260, 291, 295. Bd. 2: 52, 57, 64, 65, 67, 68, 71, 78, 86, 120, 202 Württembergisch Franken 90, 93, 97, 100, 121, 128, 150, 190, 217, 224, 284, 314. Bd. 2: 64, 120, 122, 124, 126, 127, 129 Würzburg BY 34, 46,84, 234, 246, 255, 264, 300, 308, 313, 324, 338, 340, 348, 350. Bd. 2: 100, 114, 116, 117, 118, 120, 127, 194 Wusterhausen BB Bd. 2: 251, 252 Xanten NRW 45, 53, 116, 166, 183, 200, 206, 222. Bd. 2: 154, 156, 157; Abb. 425 Ybbs ÖR 236. Bd. 2: 16 Zabern EL 32. Bd. 2: 46, 51 Zähringer (Fürstengeschlecht) Bd. 2: 27, 28, 29 Zavelstein BW Bd. 2: 60, 61, 63; Abb. 333 Zehdenick BB Bd. 2: 245
360 Topographischer Teil
Zeidler, Andreas Abb. 253 Zeil BY 122, 128. Bd. 2: 117, 118 Zeiller, Martin Abb. 196 Zeitz ST Bd. 2: 209 Zell am Harmersbach BW 90, 266. Bd. 2: 58, 61, 64 Zell an der Mosel RP 24, 333. Bd. 2: 131, 135 Zellenberg EL 118. Bd. 2: 50 Zeller, Adolf 323 Zellingen BY Bd. 2: 118 Zerbst ST 55, 66, 78, 85, 104, 148, 266. Bd. 2: 204, 206, 210, 258; Abb. 459 Ziegenhain HE 168. Bd. 2: 191 Ziegenhals SCH Bd. 2: 225, 229, 236 Zielenzig NM 104. Bd. 2: 265 Zierenberg HE 119, 314. Bd. 2: 181, 182, 189, 190 Zierikzee 206 Zimmer, John Bd. 2: 148 Zittau SN 236, 334. Bd. 2: 214, 217, 219, 220 Zofingen CH 64, 231, 236, 335; Abb. 35, 42. Bd. 2: 31, 32, 37, 41 Zollern (Adelsgeschlecht) Bd. 2: 58 Zons NRW 23, 60, 84, 126, 128, 136, 142, 177, 181, 206, 222, 304; Abb. 25. Bd. 2: 156, 157; Abb. 424 Zörbig ST 288. Bd. 2: 210 Zschopau SN Bd. 2: 217, 219 Zug CH 71, 89, 193, 265, 290, 293; Abb. 205. Bd. 2: 31, 33, 38, 39, 40; Abb. 309 Züllichau NM Bd. 2: 265 Zülpich NRW 24, 54, 77, 162, 164, 177, 183, 206, 217, 222, 272, 296. Bd. 2: 154, 156, 157 Zülz SCH 132, 164. Bd. 2: 228; Abb. 477 Zumthor, Peter 327; Abb. 265 Zürich CH 46, 50, 73, 98, 108, 113, 132, 236, 249, 294, 303, 347, 348, 349. Bd. 2: 24, 27, 28, 33, 34, 37, 41, 43, 45 Züschen HE 139, 141. Bd. 2: 180, 181, 182, 183 Zwettl ÖR 300; Abb. 241. Bd. 2: 14, 15 Zwickau SN 236. Bd. 2: 214, 217, 219, 220 Zwingenberg HE 84, 120, 278. Bd. 2: 180, 193 Zwirner, Ernst Friedrich 324. Bd. 2: 154 Zwolle 206