Die Landarztquote: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und rechtliche Ausgestaltung [1 ed.] 9783428550500, 9783428150502

So sehr das Idol des Landarztes nicht nur die Literatur von Balzac bis Kafka, sondern auch Vorabendserien im Fernsehen p

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German Pages 225 Year 2017

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Die Landarztquote: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und rechtliche Ausgestaltung [1 ed.]
 9783428550500, 9783428150502

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 46

Die Landarztquote Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und rechtliche Ausgestaltung Von Mario Martini Jan Ziekow

Duncker & Humblot · Berlin

MARIO MARTINI / JAN ZIEKOW

Die Landarztquote

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 46 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR) Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.

Die Landarztquote Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und rechtliche Ausgestaltung

Von Mario Martini Jan Ziekow

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: CPI buch.bücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-15050-2 (Print) ISBN 978-3-428-55050-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85050-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die ärztliche Versorgung Deutschlands genießt – auch im internationalen Vergleich – einen sehr guten Ruf. In jüngerer Zeit droht sie sich jedoch zu einem Sorgenkind zu entwickeln – nicht wegen einer generell nachlassenden Leistungsqualität, sondern mit Blick auf die flächendeckende Absicherung des Qualitätsniveaus in ländlichen Regionen. Um die besten Lösungskonzepte ist eine intensive Diskussion entbrannt. Zu dem Arsenal der Ideen gehört auch eine sog. Landarztquote. Sie soll solchen Studienplatzbewerbern, die sich zu einer ärztlichen Tätigkeit als Allgemeinmediziner auf dem Land verpflichten, einen privilegierten Zugang zu dem zulassungsbeschränkten Studienfach gewähren. Der Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode zieht diese Maßnahme als politische Gestaltungsoption in Betracht. Ob eine Landarztquote rechtlich zulässig ist, entzweite bislang die Geister. Um die Frage zu klären, hatte das Bundesministerium für Gesundheit im Sommer 2015 ein Rechtsgutachten öffentlich ausgeschrieben. Die Autoren haben in diesem Verfahren den Zuschlag erhalten. Die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens wollen sie der Öffentlichkeit – in aktualisierter Form – zugänglich machen. Sie möchten damit dazu beitragen, den inhaltlichen Diskurs zu befruchten, und ihre Kernthese zur Diskussion stellen: Die Landarztquote ist weniger eine Frage des rechtlichen Könnens als des politischen Wollens. Die Gutachter haben das Werk gemeinsam verfasst, sind im Hinblick auf die Vielzahl der Fragen aber entlang der Trennlinie „verfassungsrechtliche Zulässigkeit“ („Ob“) und „rechtliche Ausgestaltung“ („Wie“) arbeitsteilig vorgegangen. Der Fragen des „Ob“ hat sich der Autor Martini angenommen (A.–D., S. 15 – 139), der Fragen des „Wie“ der Autor Ziekow (E., S. 140 – 200). Die Autoren danken Frau Dr. Antje Beppel und Herrn Ralf Suhr vom Bundesministerium für Gesundheit für die angenehme Zusammenarbeit sowie ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern, allen voran Dr. Florian Ammerich, Michael Kolain, Jan Mysegades, Michael Wenzel und Quirin Weinzierl, für die Unterstützung. Speyer, im August 2016

Prof. Dr. Mario Martini Prof. Dr. Dr. h. c. (NUM) Jan Ziekow

Inhaltsverzeichnis A. Flächendeckende ärztliche Versorgung auf dem Land als Herausforderung und Gestaltungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Empirischer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Ursachenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Urbanisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Demographischer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Nachfrage nach ärztlichen Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Veränderungen in der Ärzteschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Politische Pläne zur Sicherung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung auf dem Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Überlegungen im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode . . . . . . . . . . 23 2. Inhalt des Konzepts einer Landarztquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Reaktionen der politischen Stakeholder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 IV. Rechtlicher Status quo des Auswahlverfahrens zum Medizinstudium . . . . . . . . . 27 1. Normativer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Struktur des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Vorabquote (§ 32 Abs. 2 HRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Abiturnote und Wartezeit (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 und 2 HRG) . . . . . . . . . . . . . . 29 c) Auswahlverfahren der Hochschulen (§ 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG) . . . . . . . . . . . 29 3. Normative Anknüpfungspunkte einer Privilegierung von Bewerbern, die eine Verpflichtungserklärung abgeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Berücksichtigung im Auswahlverfahren (§ 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG) . . . . . . . 30 b) Vorabquote (§ 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V. Überblick über den Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Zugang zum Medizinstudium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Auswirkungen auf die Berufsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Einfachgesetzliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

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Inhaltsverzeichnis

B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren . . . 34 I. Föderale Regelungskompetenz für die Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung als Landarzt im Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Überblick über die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern 34 2. Regelungskompetenz für die Hochschulzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Grundsatz: Konkurrierende Kompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Normrationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Abweichungsbefugnis der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Abweichungskompetenz nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG . . . . . . . . . 37 bb) (Keine) Bestandskompetenz des Bundes nach Art. 125b Abs. 1 S. 1 u. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 cc) Selbstbindung der Länder durch den Staatsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (1) Verfassungsrechtliche Verankerung in der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (2) Bindungsreichweite des Staatsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Die Verpflichtungserklärung zwischen Ausübung der Heilberufe und Hochschulzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Kompetenz der Länder für das Ausübungsrecht der Heilberufe . . . . . . . . . 42 b) Zuordnung der Regelungskompetenz für die Verpflichtungserklärung . . . . 42 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Vereinbarkeit einer Landarztquote mit dem Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Herleitung und Inhalt des verfassungsrechtlichen Teilhaberechts . . . . . . . . . . 44 a) Teilhaberechtliches Kapazitätsausschöpfungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Gebot objektiv sachgerechter und individuell zumutbarer Auswahlkriterien 46 2. Sachgerechtigkeit und Zumutbarkeit des Auswahlkriteriums „Verpflichtungserklärung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Leistungsgesichtspunkte und soziale Kompetenzen als Gegenstand der Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Verfassungsrechtliche Grenzen bedarfslenkender Zuteilungsziele . . . . . . . . 49 c) Verhältnismäßigkeit einer Auswahl nach dem Bedarfslenkungsziel „flächendeckende Ärzteversorgung auf dem Land“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 aa) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (1) Vergütungsanreize und Stipendien für (angehende) Landärzte . . . 53 (a) Bestehende gesetzliche Regelungen im SGB V, die finanzielle Anreize setzen, sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (aa) Stipendien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (bb) Vergütungsanreize und vergleichbare Maßnahmen . . . . . 56

Inhaltsverzeichnis

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(b) Bewertung des Wirkungspotenzials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (aa) Finanzielle Anreize zur Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . 57 (a) Empirischer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (bb) Stipendienprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (2) Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für Ärzte in unterversorgten Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (a) Starthilfen bei der Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (b) Stärkung ärztlicher Kooperationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . 65 (aa) Medizinische Versorgungszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (bb) Gemeinschaftspraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (cc) Zweigpraxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (dd) Praxis- und Arztnetze und sonstige regionale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (c) Bewertung des Wirksamkeitspotenzials . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (3) Anwerbung ausländischer Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (a) Sprachliche Barrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (b) Fachliches Anforderungsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (c) Räumliche Niederlassungsbeschränkung durch Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (4) Erhöhung der Gesamtstudierendenanzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (5) (Stärkere) Limitierung der Zulassung in Ballungsräumen . . . . . . . 76 (a) Milderes Mittel; Einordnung in die Stufenlehre . . . . . . . . . . . 77 (b) Gleiche Eignung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (6) Zuweisung von Vertragsarztsitzen in unterversorgte Gebiete . . . . 79 (7) Pflichtjahr im ländlichen Raum für Jungmediziner; Patenschaftsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (8) Einbeziehung weiterer Akteure in die gesundheitliche, insbesondere ärztliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (a) Ärztliches Personal in Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (b) Nichtärztliches Gesundheitspersonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (c) Ausbaumöglichkeiten de lege ferenda, Wirkungspotenzial . . . 84 (9) Telemedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (a) Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (b) Gesetzgeberische Initiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (c) Wirkungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (10) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (1) Wirksamer Sanktionsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

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Inhaltsverzeichnis (2) Mindestanforderungen an die fachliche Qualität der Bewerber . . 91 (3) Quantitative Begrenzung der Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Verfassungsgerechte Auswahlkriterien für die Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung im Falle eines Bewerberüberhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Formale Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (2) Wertungsorientierte Auswahl-, insbesondere Leistungskriterien 95 III. Verfassungsrechtlicher Schutz der Hochschulautonomie (Art. 5 Abs. 3 GG) . . . . 97 1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Vereinbarkeit einer Landarztquote mit Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 21 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Diskriminierung im Anwendungsbereich der Verträge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Charakteristika mittelbarer Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Diskriminierungscharakter nachgelagerter Ansässigkeitserfordernisse? . . . 102 2. Rechtfertigung einer potenziellen Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Grund des Allgemeininteresses; Nachweis einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Geeignetheit zur Beseitung der Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Erforderlichkeit zur Beseitigung der Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Angemessenheit zur Beseitigung der Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung der Wahl des späteren Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Anforderungen an einen grundrechtlichen Eingriff – die Verpflichtungserklärung: ein Anwendungsfall des „volenti non fit iniuria“? . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Eingriffsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Dispositionsbefugnis und rechtliche Bindungen des Staates . . . . . . . . . 112 cc) Besonderheiten einer coactus volui-Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Berufsregelnde Tendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, insbesondere Gesetzgebungskompetenz 118

Inhaltsverzeichnis

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b) Materielle Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Legitimer Zweck und Einordnung der Landarztquote in die Eingriffsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (1) Konnex zur Auswahlregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (2) Belastungswirkungen der Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . 121 (a) Anknüpfung an die Herkunft des Bewerbers als milderes Mittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (b) Einordnung in die Stufenlehre; Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (aa) Verpflichtungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (bb) Determinierung des Tätigkeitsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 dd) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (1) Schwere des Eingriffs und seine strukturellen Entscheidungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (2) Gewichtigkeit des Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (3) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Art. 11 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Schutzbereich und Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Auswirkungen der Arbeitsplatz- auf die Wohnortwahl . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Thematische Abgrenzung der Schutzbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 III. Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 IV. Art. 49 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 D. Einfachgesetzliche Zulässigkeit der Modelle de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Modell „Vorabquote“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Modell „Auswahl durch die zuständige Hochschule“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda . . . . 140 I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Grundrechte der eine Verpflichtungserklärung abgebenden Bewerber . . . . . . . 141

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Inhaltsverzeichnis 2. Bestimmung des Regelungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Referenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Übernahme von Ausbildungs- bzw. Studienkosten durch private Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Allgemeine Grundmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Von Krankenhausträgern aufgelegte Stipendienprogramme . . . . . 145 bb) Rechtliche Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) In einer Vielzahl von Fällen verwendete Regelungen . . . . . . . . . . 147 (2) Einzelvertragliche Abreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Übernahme von Ausbildungs- bzw. Studienkosten durch öffentliche Stellen 154 aa) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (1) Medizinstudium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (2) Andere Ausbildungen oder Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Rechtliche Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Vorabquoten für eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst 158 aa) Ausgestaltung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (1) Verwendung einer Vorabquote in den Ländern und Ausgestaltung 158 (a) Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (b) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (c) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (d) Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (e) Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (f) Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (2) Zulassungszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Rechtliche Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 d) Vorabquote für eine spätere Tätigkeit im Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Rechtliche Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 e) Durch öffentliche Stellen vergebene Stipendien für das Medizinstudium mit Verpflichtung des Geförderten, später in einer unterversorgten Region tätig zu werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen denkbarer Inhalte einer Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Zusammenfassung der leitenden rechtlichen Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Zentrale Eckpunkte und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Zulässige Dauer der Verpflichtung zur Tätigkeit in ärztlich unterversorgten Gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Inhaltsverzeichnis

13

bb) Bestimmung von Gebieten mit ärztlicher Unterversorgung . . . . . . . . . . 176 (1) Feststellung der Unterversorgung nach § 100 Abs. 1 SGB V als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (2) Einbeziehbarkeit individueller Präferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung des Verpflichtungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 dd) Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (1) Ausgleichszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (a) Denkbarer Maximalbetrag als Ausgangswert . . . . . . . . . . . . . . 190 (b) Überprüfung am Maßstab des Gebots der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (3) Versagung eines Vertragsarztsitzes in Ballungsgebieten . . . . . . . . 193 (4) Verweigerung bzw. Entzug der Approbation . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (5) Zusammenfassung und Muster einer Verpflichtungserklärung . . . 195 II. Zuständige Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Stiftung für Hochschulzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Andere Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Empirischer Befund und politische Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Vereinbarkeit mit den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Grundrechte konkurrierender, verdrängter Bewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Autonomie der Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Grundrechte der sich zur Landarzttätigkeit verpflichtenden Bewerber . . . . . . 205 IV. Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 V. Einfachgesetzliche Ausgestaltung der Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 VI. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Gewichtung der konkurrierenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Determinierung des Ortes der Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Bindungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

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Inhaltsverzeichnis 5. Sicherungsinstrumente, insbesondere Höhe der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . 209 6. Wesentliche Elemente einer Verpflichtungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 VII. Zuständige Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

A. Flächendeckende ärztliche Versorgung auf dem Land als Herausforderung und Gestaltungsauftrag Mit der Gesundheit verhält es sich bekanntlich wie mit dem Salz: Man bemerkt es erst, wenn es fehlt. Ähnliches gilt für die flächendeckende ärztliche Versorgung der Bevölkerung – mit einem Unterschied: Wird ihr Fehlen diagnostiziert, sind die Folgen regelmäßig nur schwer korrigierbar. Eine flächendeckende medizinische Versorgung ist einer der Stützpfeiler der Leistungs- und Innovationsfähigkeit eines Gemeinwesens. Allen Bürgern ein wohnortnahes Angebot medizinischer Leistungen zu gewährleisten, gehört daher zu den vordringlichsten Aufgaben eines modernen Staates. Das Grundgesetz verleiht zwar keinen absoluten Anspruch auf Gesundheit. Der Zugang zu einer menschenwürdigen Gesundheitsversorgung ist aber integraler Bestandteil der staatlichen Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit der Bürger (Art. 1 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) sowie ein Kernelement des Sozialstaates. Das Sozialstaatsprinzip bürdet dem Staat namentlich die Verpflichtung auf, dem Einzelnen „Schutz der sozialen Existenz vor den Wechselfällen des Lebens“1 zu gewährleisten und die tatsächlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Einzelne von seinen Freiheitsrechten Gebrauch machen kann. Dazu gehört auch, eine annähernd gleiche, quantitativ und qualitativ hinreichende medizinische Versorgung für Krankheitsfälle sicherzustellen; Chancengerechtigkeit impliziert insbesondere auch Mindestanforderungen an den Zugang zu medizinischen Leistungen in der Fläche. Auch in prosperierenden Volkswirtschaften ist eine qualitativ hochwertige ärztliche Versorgung in ländlich geprägten Regionen keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Sie wächst sich zu einer immer größeren Herausforderung aus. In Deutschland wird sie – glaubt man den Prognosen – allen Entscheidungsträgern einen gesundheitspolitischen Kraftakt abverlangen.

1

BVerfGE 28, S. 324 (348).

16

A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

I. Empirischer Befund In absoluten Zahlen gemessen gibt es in der Bundesrepublik gegenwärtig keinen allgemeinen Ärztemangel.2 Der mittlere hausärztliche Versorgungsgrad beträgt in Deutschland 108,6 %;3 die Zahl der praktizierenden Ärzte ist so hoch wie nie zuvor. Waren im Jahr 1990 noch ca. 240.000 Ärzte tätig, sind es heute rund 371.000.4 Die medizinische Versorgung der Deutschen ist aber zunehmend von einer regional heterogenen Verteilung der praktizierenden Ärzte gekennzeichnet. Es gibt bereits heute über- und unterversorgte Gebiete.5 Am dichtesten ist die Versorgung in den Stadtstaaten: In Hamburg kamen Ende 2015 auf einen Arzt rechnerisch 141 Einwohner, in Bremen 169 und in Berlin 161. In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt versorgt ein Arzt demgegenüber 249 Einwohner; in Brandenburg sind es 259.6 Je ländlicher die Gebiete geprägt sind, umso eher verschlechtert sich die Versorgungssituation strukturell.7 Zwar lässt sich auch innerhalb von Ballungsräumen eine inhomogene Ärzteverteilung beobachten; auch dort sind Versorgungsengpässe zu befürchten.8 Allerdings gibt die ungleiche Niederlassungsdichte der Ärzte zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen weitaus größeren Anlass zur Sorge – gerade mit Blick auf das Bedürfnis, eine ausreichende medizinische Versorgung auch in der Zukunft sicherzustellen.9 Von den 63 Planungsbereichen, für die im Jahr 2013 eine haus- oder fachärztliche Unterversorgung bzw. drohende Unterversorgung festgestellt worden

2 Siehe auch Bauer-Schade, Die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung, 2013, S. 236; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Gutachten 2014, 2014, S. 362, Rn. 452. Zu steigenden Arztzahlen, auf Basis von Daten der BÄK, siehe auch Adler/von dem Knesebeck, Bundesgesundheitsblatt 2011, S. 228 (229 f.). 3 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 358, Rn. 448. 4 Bundesärztekammer, Ärztestatistik 2015: Medizinischer Versorgungsbedarf steigt schneller als die Zahl der Ärzte, Tabelle 1. 5 Dazu etwa Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 349 ff., Rn. 441 ff. und S. 369, Rn. 461; Kühl, Sicherstellung ambulanter medizinischer Versorgung in ländlichen Regionen, 2012, S. 21 f.; zum gesetzlichen System der Feststellung von Über- und Unterversorgungen dies., a. a. O., S. 72 ff.; Heun, VSSR 33 (2015), S. 215 (215). Die Situation stellt sich in anderen OECD-Staaten ähnlich dar, vgl. dazu Simoens, Australian Journal for Rural Health 2004, S. 104 m. w. N. in den Endnoten 2 – 5, 10 f. 6 Bundesärztekammer (Fn. 4), Abbildung 2. 7 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 345, Rn. 437. 8 Blickle/Polke-Majewski/Stahnke et al., Geld zieht Ärzte an, Zeit Online vom 23. 7. 2015. 9 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 345, Rn. 437 mit Fn. 344.

I. Empirischer Befund

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ist, lagen 54 in ländlichen, insbesondere strukturschwachen Regionen – das sind über 85 %.10 Ohne ein politisches Gegensteuern wird sich die Schere zwischen der gesundheitsinfrastrukturellen Entwicklung ländlicher und städtischer Regionen in den nächsten Jahren immer weiter öffnen. Mittel- bis langfristig beschwört das die Gefahr einer chronischen medizinischen Unterversorgung ganzer Landstriche herauf.11 Erste Vorboten einer solchen Entwicklung zeichnen sich schon heute auch in der (ihrer Natur nach subjektiv gefärbten) Wahrnehmung der Bevölkerung ab: 20 % der Deutschen beklagen in Befragungen, es gebe in Wohnortnähe nicht genügend Ärzte.12 In den neuen Bundesländern liegt diese Zahl noch deutlich höher: 39 % diagnostizieren dort einen Mangel an Hausärzten in ihrem räumlichen Umfeld. Der sich abzeichnende Ärztemangel auf dem Land betrifft vor allem die Gruppe der Hausärzte. Ihnen kommt im deutschen Gesundheitssystem eine zentrale Koordinierungs- und Lotsenfunktion zu. Im Verhältnis zum gesellschaftlichen Bedarf entscheiden sich gegenwärtig zu wenige Mediziner für eine Ausbildung und Niederlassung als Facharzt für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin.13 Um die Lücke zu schließen, müsste ungefähr ein Drittel der jährlich rund 10.000 Absolventen des Medizinstudiums im hausärztlichen Versorgungsbereich tätig werden. In den Jahren 2008 bis 2012 haben sich tatsächlich aber lediglich ca. 900 Fachärzte für Allgemeinmedizin, also 9 % eines Jahrgangs, niedergelassen (hinzu kommen 630 hausärztlich tätige Internisten). Schon heute sind insgesamt 1.000 bis 2.600 der einschlägigen Stellen unbesetzt.14 10

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 561, Rn. 651. 11 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 345, Rn. 437 mit Fn. 344. Der Sachverständigenrat empfiehlt eine „ständige Überprüfung“ der Versorgungssituation (ders., a.a.O., S. 363, Rn. 452). 12 Gar 40 % der Bevölkerung sehen diesen Befund im Hinblick auf Fachärzte verwirklicht, Müller, Doktor Google und Mister Freizeit, FAZ vom 26. 8. 2015, S. 4 unter Berufung auf eine Erhebung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unter 6.000 Versicherten. Diese subjektive Wahrnehmung kontrastiert allerdings mit der objektiven Versorgungsdichte: Der Versorgungsgrad für die allgemeine fachärztliche Versorgung liegt im Durchschnitt bei 145 % – bei freilich je nach Facharztgruppe und Region sehr unterschiedlicher Ausprägung, Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 361 f., Rn. 451. 13 Siehe Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 383, Rn. 473. Vgl. auch Anonymous, Ländliche Regionen ärztlich unterversorgt, FAZ online vom 26. 6. 2015. Eine Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ermittelte zudem, dass 51,2 % der Medizinstudenten eine Niederlassung als Hausarzt ablehnen, Jacob/ Kopp/Schultz, Berufsmonitoring Medizinstudenten 2014, 2015, S. 45. 14 Die Zahlen variieren: So gehen die gesetzlichen Krankenkassen lediglich von 1.000 unbesetzten Stellen aus, während die Kassenärztliche Bundesvereinigung prognostiziert, dass 2.600 Stellen unbesetzt sein werden, vgl. Bohsem, Die Kehrseite des Spezialistentums, SZ.de vom 27. 2. 2014.

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A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

Nur durchschnittlich jeder zweite Hausarzt, der derzeit seine Tätigkeit aus Altersgründen beendet, findet für seine Praxis einen Nachfolger.15 Fällt eine Praxis in einer Gegend mit einer ohnehin angespannten Versorgungssituation weg, wächst der Druck auf die umliegenden Hausärzte, den frei gewordenen Patientenstamm mitzuversorgen.16 Das Arbeitsaufkommen der verbliebenen Ärzte steigt dann noch weiter an.17 Sowohl bei Berufsanfängern als auch bei bereits Niedergelassenen nimmt dadurch gleichzeitig die Motivation ab, sich in dieser Region als Hausarzt niederzulassen – eine Abwärtsspirale der Attraktivität für andere Mediziner kommt in Gang. Die für das Jahr 2030 prognostizierte Versorgungssituation veranschaulicht das Ausmaß des heraufziehenden Szenarios: Deutschlandweit werden zu diesem Zeitpunkt wohl insgesamt 106.000 Ärzte fehlen.18 In Baden-Württemberg bspw. soll sich die Zahl der Arztsitze durch das altersbedingte Ausscheiden und die zu erwartenden Nachbesetzungsschwierigkeiten im Jahr 2030 – verglichen mit dem Jahr 2014 – facharztübergreifend um ca. 6,7 % verringern.19 Den meisten Regionen dieses Bundeslandes droht eine Unterversorgung.20 Die Prognosen für Baden-Württemberg gehören dabei bundesweit noch zu den günstigsten, zählt das „Ländle“ doch derzeit noch zu den bevorzugten Niederlassungsregionen heutiger Medizinstudierender. Während sich 60 % eine spätere Tätigkeit in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg vorstellen können, ist nur ein Drittel dazu bereit, ihren Beruf später in den neuen Bundesländern oder im Saarland auszuüben21 – in diesen Regionen zeichnet sich nach allen Prognosen eine hausärztliche Unterversorgung ab.22

15 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 387, Rn. 475. 16 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 561, Rn. 651. 17 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 388, Rn. 475. 18 So die Prognose der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers in der Studie PWC, 112 – und niemand hilft – Fachkräftemangel: Warum dem Gesundheitssystem ab 2030 die Luft ausgeht, 2012. 19 Dies hat das IGES Institut im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung des Landes Baden-Württemberg ermittelt, IGES Institut, Weiterentwicklung des Gesundheitsatlas Baden-Württemberg zur vertragsärztlichen Versorgung, 2014, S. 67. Vgl. für weitere Zahlen zum demographischen Wandel der Ärzteschaft unten unter A. II. 3. b), S. 21 f. 20 IGES Institut (Fn. 19), S. 98. 21 Jacob/Kopp/Schultz (Fn. 13), S. 51 f. 22 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 358, Rn. 448.

II. Ursachenanalyse

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II. Ursachenanalyse Der sich ankündigenden strukturellen Unterversorgung mit medizinischen Leistungen im ländlichen Raum liegt ein ganzes Bündel an Ursachen zugrunde. Zu ihnen gehören insbesondere die wachsende Urbanisierung (1.), der demographische Wandel (2.) und die steigende Nachfrage nach ärztlichen Leistungen in einer prosperierenden Volkswirtschaft (3.).

1. Urbanisierung Ebenso wie andere Länder ist Deutschland durch eine heterogene Siedlungsentwicklung gekennzeichnet: Während die Bevölkerung der Städte tendenziell wächst, ist die Bevölkerungszahl in ländlichen Gebieten stark rückläufig. So gewinnen bzw. verlieren einige Regionen, insbesondere die neuen Bundesländer, bis in das Jahr 2030 – verglichen mit dem Jahr 2012 – voraussichtlich bis zu ein Viertel ihrer Einwohner.23 Auch junge Ärzte folgen diesem gesamtgesellschaftlichen Trend, die ländlichen Regionen zu verlassen und stattdessen in Ballungsgebiete zu ziehen.24 Dabei spielen die Attraktivität des urbanen Lebensraums, die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten für den jeweiligen Lebenspartner und die Versorgung mit Kita-Plätzen ebenso eine zentrale Rolle wie der in städtischen Gebieten signifikant höhere Anteil an Privatpatienten, deren Behandlung für niedergelassene Ärzte finanziell attraktiv ist.25

2. Demographischer Wandel In der deutschen Bevölkerung verschiebt sich das Verhältnis zwischen Jungen und Alten.26 Im Jahr 2030 werden schätzungsweise weniger als 80 Mio. Menschen in Deutschland leben; über 6,3 Mio. davon werden das Alter von 80 Jahren überschritten haben. Dieser demographische Wandel wird die Nachfrage nach ärztlichen

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Bertelsmann Stiftung, Demographischer Wandel verstärkt Unterschiede zwischen Stadt und Land, Pressemitteilung vom 8. 7. 2015. 24 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 349, Rn. 441. Vgl. auch die Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von Medizinstudierenden durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung: Die Interviewten bekundeten eine klare Präferenz für urbane Regionen, Jacob/Kopp/Schultz (Fn. 13), S. 49 ff. 25 Siehe insbesondere Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 349, Rn. 441. Näheres zu den damit verbundenen finanziellen Auswirkungen für Landärzte s. unten unter B. II. 2. c) aa) (1) (b) (aa) (a), S. 58 f. und Fn. 194. 26 Ausführlich und detailliert zur Bevölkerungsentwicklung Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2060, 2015, insbesondere S. 17 ff.

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A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

Leistungen27 ebenso erhöhen wie die verbesserten technischen Heilungs- und Lebenserhaltungsmöglichkeiten. In ländlich strukturierten Regionen werden die Folgen besonders schmerzlich spürbar sein: Eine immer älter werdende Gesellschaft ist auf eine steigende Zahl an Ärzten angewiesen, nimmt doch mit zunehmendem Alter tendenziell auch der Bedarf an medizinischen (und pflegerischen) Leistungen zu.28 Patienten im Seniorenalter sind kraft ihrer komplexen Gesundheitsprobleme in besonderer Weise auf multiprofessionell angelegte Versorgungskonzepte angewiesen – diese sind jedoch aufwändig und koordinierungsintensiv.29 Ältere Menschen sind typischerweise auch weniger mobil30 und bedürfen daher in besonderer Weise ortsnaher medizinischer Versorgung. Schätzungen zufolge wird sich die erforderliche ärztliche Arbeitskapazität um 20 % erhöhen: Das entspricht einem Mehrbedarf von 15.000 Hausärzten.31 Der demographische Wandel berührt nicht nur die Nachfrage nach medizinischen Leistungen, sondern auch deren Angebot: Während im Jahr 1993 noch 26,6 % der Ärzte jünger als 35 Jahre waren, sind es im Jahr 2015 nur noch 18,5 %.32 Mehr als ein Viertel aller Hausärzte ist heute 60 Jahre oder älter;33 jedes Jahr scheiden doppelt so viele von ihnen aus dem Berufsleben aus, wie sich neue niederlassen.34 In den nächsten sechs Jahren werden weitere 50.000 niedergelassene Mediziner, also ein Drittel der heute praktizierenden Hausärzte, aus dem Erwerbsleben ausscheiden35 – 27

Vgl. bspw. die Hochrechnung bei Siewert/Fendrich/Doblhammer-Reiter et al., Deutsches Ärzteblatt international 107 (2010), S. 328 (331, Tabelle 2) zu Mecklenburg-Vorpommern. Sie gehen unter Einbeziehung demographischer Entwicklungen von einem Anstieg zwischen 18,7 % und 19,5 % bei Osteoporose, zwischen 19,7 % und 21,4 % bei Diabetes Mellitus, zwischen 25,8 % und 28,3 % bei Myokardinfarkten, zwischen 28,6 % und 31,0 % bei kolorektalen Karzinomen sowie zwischen 80,2 % und 91,1 % bei Demenzerkrankungen bis zum Jahr 2020 aus (verglichen zum Jahr 2005); hierauf verweisen auch Gieseler/Fleßa, G+S 70 (2016), S. 37 (37, Fn. 4); Bestandszahlen für Vorpommern im Jahr 2012 finden sich bei van den Berg/Radicke/Stentzel et al., Versorgungsatlas Vorpommern, 2015, S. 11 ff. 28 Siehe dazu und den insoweit vertretenen kontroversen Thesen Adler/von dem Knesebeck (Fn. 2), S. 233 f. 29 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 561, Rn. 651. 30 Vgl. auch Gieseler/Fleßa (Fn. 27), S. 38; van den Berg/Radicke/Stentzel et al. (Fn. 27), 17 ff. sowie die Tabellen auf S. 32, 48. 31 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 388, Rn. 475. 32 Bundesärztekammer (Fn. 4), Abbildung 6. 33 Bundesärztekammer (Fn. 4), Tabelle 5; Bundesministerium für Gesundheit, Eckpunkte zum Versorgungsgesetz, 2011, S. 2; Kühl (Fn. 5), S. 20 m. w. N.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 385, Rn. 474. 34 Kempt, Medizinstudenten als Landärzte: Wo geht’s denn hier ins Dorf?, Spiegel Online vom 11. 12. 2014. Ausführlicher hierzu auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 385 f., Rn. 474 f. 35 Müller (Fn. 12) unter Berufung auf eine Erhebung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unter 6.000 Versicherten. Wie dramatisch die Entwicklung voranschreitet, zeigt sich auch am Beispiel Hessens: Dort werden bis 2025 sogar mehr als die Hälfte aller Hausärzte aus

II. Ursachenanalyse

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eine Entwicklung, von der die neuen Bundesländer besonders stark betroffen sein werden.36

3. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen Auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen verändern die Bedarfsstruktur. Das betrifft – ebenso wie der demographische Wandel – sowohl die Nachfrage- (a)) als auch die Angebotsstruktur ärztlicher Leistungen (b)). a) Nachfrage nach ärztlichen Leistungen Zwischen dem wirtschaftlichen Wohlstand einer Bevölkerungsgruppe und dem Maß der Inanspruchnahme ärztlicher Versorgung besteht ein Zusammenhang.37 Einkommensschwächere Personen sind zwar häufiger von Krankheiten betroffen, konsultieren aber trotzdem seltener einen Arzt. Vergleicht man die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen von Männern, die den eigenen Gesundheitszustand als negativ einschätzen, so zeigt sich in empirischen Studien: Nur 78,9 % der einkommensschwachen Männer konsultieren einen Arzt – im Gegensatz zu 91,5 % der ökonomisch gut situierten.38 Mit der Zunahme des gesamtgesellschaftlichen Wohlstandes erhöht sich also auch tendenziell die Zahl der Arztbesuche. Entsprechend ist das deutsche Gesundheitssystem schon heute durch eine vergleichsweise hohe Zahl an Arzt-Patienten-Kontakten pro Jahr gekennzeichnet.39 b) Veränderungen in der Ärzteschaft Umgekehrt nimmt in einer von allgemeinem Wohlstand geprägten Gesellschaft die Bereitschaft vieler Ärzte ab, einen Arbeitstag von zehn oder mehr Stunden in Kauf zu nehmen.40 Die Ärzteschaft möchte selbst an den materiellen Segnungen eines ökonomisch prosperierenden Gemeinwesens mit seinen vielfältigen Freizeitund Kulturangeboten teilhaben. Einer ausgewogenen Work-Life-Balance und geAltersgründen ihre Tätigkeit aufgeben, vgl. Karb, Ländliche Regionen ärztlich unterversorgt, FAZ online vom 26. 6. 2015. 36 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 347, Abbildung 52. 37 Vgl. Lampert/Kroll, Einfluss der Einkommensposition auf die Gesundheit und Lebenserwartung, 2005, S. 15. 38 Vgl. Lampert/Kroll (Fn. 37), S. 15 f. 39 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 391, Rn. 480. 40 Vgl. auch Müller (Fn. 12). Allgemein und ausführlich zu ärztlichen Arbeitszeiten Adler/ von dem Knesebeck (Fn. 2), S. 231 f.

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A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

regelten Arbeitszeiten wächst in der Wahrnehmung angehender Mediziner (dem allgemeinen Trend unter Arbeitstätigen folgend) immer größere Bedeutung zu. Sinkt die Arbeitszeit der Ärzteschaft, braucht es schon deshalb eine größere Zahl an Ärzten, um den gleichen Versorgungsstand sicherstellen zu können. Schätzungen zufolge müssen für zwei ausscheidende Hausärzte ungefähr drei junge nachrücken, um das wegbrechende Arbeitspensum (mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 57,6 Stunden) auszugleichen.41 Seit geraumer Zeit steigt der Anteil der Frauen in der Ärzteschaft. Im Jahr 2015 lag er bei 45,8 %; im Jahr 1991 waren es noch 33,6 %.42 In den hausärztlichen Praxen werden Ärztinnen schon in absehbarer Zeit in der Überzahl sein: 70 % der angehenden Fachärzte für Allgemeinmedizin sind weiblich.43 Dass Frauen in der gesellschaftlichen Realität bisher in stärkerem Umfang familiäre Aufgaben übernehmen, bringt es gleichzeitig mit sich, dass Medizinerinnen dem Arbeitsmarkt nicht in gleichem Maße wie ihre männlichen Kollegen zur Verfügung stehen, sondern häufiger Teilzeitstellen wahrnehmen. Um den Kapazitätsbedarf abzudecken, müsste schon deshalb die Zahl der Hausärztinnen und Hausärzte wachsen, statt zu stagnieren.

III. Politische Pläne zur Sicherung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung auf dem Land Schon jetzt fordert die sich abzeichnende ärztliche Unterversorgung ländlicher Regionen die Innovationskraft der Akteure des deutschen Gesundheitswesens heraus und animiert sie zu kreativen Lösungen.44 So hat bspw. die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz das Internetportal „Ort sucht Arzt“ ins Leben gerufen. Es soll Gemeinden in strukturschwachen Regionen bei der Suche nach niederlassungswilligen Ärzten unterstützen.45 41 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 387, Rn. 475. 42 Bundesärztekammer (Fn. 4), Tabelle 6. 43 Vgl. Müller (Fn. 12). 44 Einen guten, wenn auch dem eigenen Anspruch nach weder repräsentativen noch abschließenden Überblick gibt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 562 ff., Rn. 652 ff.; für andere OECD-Staaten siehe Simoens (Fn. 5), S. 106. 45 Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz, Ort sucht Arzt, https://www.kv-rlp.de/ institution/engagement/ort-sucht-arzt/ (24. 8. 2016). Die Kassenärztliche Vereinigung hat mit dem Portal eine Plattform geschaffen, auf der sich die jeweiligen Ortschaften darstellen und so gezielt Ärzte von einer Niederlassung überzeugen können. Die aufgegebenen Anzeigen weisen auch hier vor allem einen Bedarf an Allgemeinmedizinern aus.

III. Politische Pläne

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1. Überlegungen im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode Die Bundesregierung ist bemüht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene und flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten – auch und gerade für die Zukunft. CDU, CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode auf die weitere Verbesserung von „Anreizen zur Niederlassung in unterversorgten Gebieten […] zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung“46 verständigt. Daran knüpft die in der Konferenz der Gesundheits- und Wissenschaftsminister von Bund und Ländern vereinbarte Erarbeitung eines „Masterplans Medizinstudium 2020“ an, der sich „einer zielgerichteteren Auswahl der Studienplatzbewerber, zur Förderung der Praxisnähe und zur Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium“47 verschreibt. Als eine der denkbaren Maßnahmen, um eine hinreichende ärztliche Versorgung sicherzustellen, ist insbesondere eine Quote bei der Zulassung zum Medizinstudium im Gespräch. Sehr prononciert hat der Bundesparteitag der FDP im Jahr 2010 die Forderung nach einer sog. Landarztquote erhoben und in die öffentliche politische Diskussion getragen: „Über eine Landarztquote gegebenenfalls in Kombination mit entsprechend ausgestalteten Stipendien haben die Länder die Möglichkeit, das Niederlassen in strukturschwachen Regionen für den medizinischen Nachwuchs attraktiv zu machen.“48

Auch die Eckpunkte zum Versorgungsgesetz49 sowie ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit aus dem Jahr 201150 haben diesen Gedanken aufgegriffen. Die Eckpunkte mahnen eine „landesrechtlich festzulegende Quote für künftige Landärzte“51 an. Der Referentenentwurf erwähnt – obiter dictum – die „Festlegung einer Vorabquote für künftige Landärztinnen und Landärzte bei der Zulassung zum Medizinstudium“ als die bundesrechtlichen Maßnahmen sachgerecht flankierenden Schritt der Länder, um eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.52 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen steht der Idee ebenfalls offen gegenüber, die bestehenden Zulassungskriterien 46

CDU/CSU/SPD, Deutschlands Zukunft gestalten – Koalitionsvertrag für die achtzehnte Legislaturperiode, 2013, S. 75. 47 CDU/CSU/SPD (Fn. 46), S. 81 f. 48 FDP, 61. Ordentlicher Bundesparteitag, Ärztliche Versorgung auch in Zukunft sichern, 2010, S. 2. 49 Bundesministerium für Gesundheit (Fn. 33), S. 18 f., Rn. 501 ff. 50 Bundesministerium für Gesundheit, Referentenentwurf, Erste Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte, 2011. 51 Bundesministerium für Gesundheit (Fn. 33), S. 19, Rn. 512 f. 52 Bundesministerium für Gesundheit (Fn. 50), S. 8.

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A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

und Auswahlverfahren für Studienplatzbewerber mit dem Ziel zu überprüfen, mehr Studierende zu rekrutieren, „die nach Abschluss des Studiums eher bereit sind, eine Tätigkeit im hausärztlichen Bereich bzw. in strukturschwachen Regionen aufzunehmen“53.

2. Inhalt des Konzepts einer Landarztquote Eine Quote für angehende Landärzte ermöglicht es, bei der Auswahlentscheidung im zulassungsbeschränkten Studiengang Medizin die Bereitschaft des Studienplatzbewerbers zu berücksichtigen, nach Abschluss des Studiums für eine bestimmte Dauer in einem medizinisch unterversorgten Gebiet hausärztlich tätig zu sein. Ihr Kerngehalt besteht darin, solche Bewerber privilegiert zum Medizinstudium zuzulassen, die sich dazu verpflichten, eine Weiterbildung und spätere Tätigkeit im hausärztlichen Bereich in strukturschwachen ländlichen Regionen aufzunehmen. Eine Verpflichtungserklärung sichert diese Bereitschaft ab. Die Idee einer Landarztquote ist sachlich verwandt mit dem (bspw. in Australien, Kanada, Japan, Norwegen, Schweden und den USA praktizierten)54 Modell eines bevorzugten Hochschulzugangs für Bewerber aus ländlichen Regionen. Beide Instrumente setzen an der gleichen Stellschraube an, um die ärztliche Versorgung in dünn besiedelten Gebieten zu verbessern: der Zulassung zum Studium. Sie unterscheiden sich aber strukturell: Das eine knüpft an die (individuell nicht beeinflussbare) Herkunft der Bewerber an, das andere an die Abgabe einer Verpflichtungserklärung. Dem Gedanken, diejenigen Studierenden bei der Studienzulassung zu privilegieren, die ihren bisherigen Wohnsitz in einer ländlichen Region hatten, liegt eine plausible Überlegung zugrunde: Wer auf dem Land groß geworden ist, wird sich aufgrund seiner Vertrautheit mit diesem Lebensraum im Zweifel mit höherer Wahrscheinlichkeit nach seiner Ausbildung dort niederlassen als diejenigen Studienbewerber, die ihre Kindheit in einer Großstadt zugebracht haben. Zwingend ist dieser Wirkungszusammenhang zwar nicht, empirische Studien weisen jedoch auf eine statistische Korrelation dieser Faktoren hin.55 Da die Zulassung zum Studium dann aber im Ergebnis an den Wohnsitz bzw. die Heimat anknüpft, ist dieses Modell 53

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 403, Rn. 491. 54 Vgl. die Nachweise bei Kühl (Fn. 5), S. 145 sowie Simoens (Fn. 5), S. 106. In diese Richtung geht auch ein Vorschlag der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig, den sie Ende 2009 in ihrer Funktion als Ministerin für Soziales und Gesundheit der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern unterbreitete. Zusätzlich zur Privilegierung von Landeskindern wollte sie die Zulassung zum Studium auch von einer Verpflichtung zur späteren Tätigkeit als Landarzt abhängig machen; Anonymous, Bewerber aus Mecklenburg-Vorpommern bevorzugen, Hamburger Abendblatt online vom 30. 12. 2009. 55 Vgl. die Nachweise bei Kühl (Fn. 5), S. 146 mit Fn. 655.

III. Politische Pläne

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im Hinblick auf Art. 33 Abs. 1 GG56 sowie Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG in hohem Maße verfassungsrechtlich problematisch57 und auch unionsrechtlich58 nicht über Zweifel erhaben.

3. Reaktionen der politischen Stakeholder Die Idee einer Quote für später in unterversorgten Regionen tätige Ärzte hat eine kontroverse Diskussion ausgelöst und ein unterschiedliches Echo erfahren. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V. (bvmd) hat sie scharf kritisiert. Sie mahnte stattdessen insbesondere eine Verbesserung der landärztlichen Arbeitsbedingungen an.59 Diese Position trug die bvmd auch in die Diskussion zum Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode hinein und lehnte die Einführung einer Landarztquote kategorisch ab: Sie befürchtete eine negative Konnotation und ideelle Herabsetzung der hausärztlichen Tätigkeit auf dem Lande.60 In gleicher Weise sprach sich die 124. Hauptversammlung des Marburger Bundes gegen die Einführung einer Quote für später in unterversorgten Regionen tätige Ärzte aus.61 Kritisch steht der Berufsverband insbesondere dem frühen Zeitpunkt der Bindung bei Studienbeginn gegenüber.62 Ganz ähnlich argumentieren die im Hartmannbund zusammengeschlossenen Medizinstudierenden.63 Auch der Deutsche Ärztetag bewegt sich auf dieser Argumentationslinie. Wiederholt hat er sich gegen die Einführung einer Landarztquote ausgesprochen.64 In seiner Entschließung regte der 117. Deutsche Ärztetag stattdessen an, die Lebens-

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Rn. 4. 57

Dazu etwa Hense, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 29. Ed., 2016, Art. 33,

Dazu näher Kühl (Fn. 5), S. 147 ff.; siehe auch BVerfGE 33, S. 303 (353 f.). Siehe zu einer belgischen Regelung EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469, Rn. 73), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française sowie unten S. 102 ff. 59 Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V., Positionspapier, 2010, S. 2. 60 Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V., Pressemitteilung – bvmd und Medizinstudierende im MB fordern klare Distanzierung von „Landarztquote“, 13. 11. 2013. 61 Marburger Bund, 124. Hauptversammlung – 25./26. 10. 2013 in Berlin – Beschlüsse, 2013, S. 17. 62 Marburger Bund, Stellungnahme des Marburger Bund-Bundesverbandes, 2015, S. 4. 63 Siehe Medizinstudierende im Hartmannbund, Masterplan Medizinstudium 2020 – Stellungnahme des Hartmannbundes – Maßnahmenvorschläge, 2015, S. 7. 64 Bundesärztekammer, 113. Deutscher Ärztetag, Beschlussprotokoll, 2010, S. 84; dies., 117. Deutscher Ärztetag, Beschlussprotokoll, 2014, S. 256 f. 58

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A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

und Arbeitsbedingungen in unterversorgten ländlichen Regionen zu verbessern, um den dort um sich greifenden Ärztemangel zu meistern.65 Ähnlich kritisch hat sich der Deutsche Hochschulmedizin e. V. (der Dachverband der medizinischen Fakultäten und Universitätsklinika) in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften und der bvmd zur Einführung einer Landarztquote geäußert. Auch er mahnte statt einer Quote eine Attraktivitätssteigerung der ärztlichen Tätigkeit als solcher an.66 Die Kassenärztliche Bundesvereinigung äußerte sich etwas vorsichtiger: Sie ließ verlauten, dass eine Quote alleine nicht ausreichen könne, um dem (Haus-)Ärztemangel im ländlichen Raum zu begegnen. Sie könne lediglich ein Bestandteil eines Maßnahmenbündels sein.67 Während die Ärzteverbände der Idee einer Quote bei der Studienbewerberauswahl skeptisch gegenüberstehen, haben die Kommunen vor allem die damit verbundenen Chancen für die Bewältigung ihrer sich abzeichnenden Problemlagen im Blick. So steht etwa der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund dem Vorschlag offen gegenüber und bezeichnet ihn als „interessant“.68 Unterstützung für die Einführung einer Quote kommt auch von den Krankenkassen sowie der Gesundheitsministerkonferenz69. Nachdem nicht nur politisch unterschiedliche Einschätzungen, sondern auch kontroverse Stimmen zur rechtlichen Zulässigkeit einer Landarztquote laut wurden, sah sich der Bundesminister für Gesundheit Hermann Gröhe veranlasst, eine Untersuchung zu dieser Frage in Auftrag zu geben. Aus ihr ist dieses Werk hervorgegangen.

65 Bundesärztekammer (Fn. 64), 117. Deutscher Ärztetag, Beschlussprotokoll, 2014, S. 256 f. 66 Medizinischer Fakultätentag e.V. (MFT), Verband der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd), Gemeinsames Positionspapier zum Masterplan Medizinstudium 2020, 2016, S. 2. 67 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Müller: „Arztberuf muss attraktiver werden“, Pressemitteilung vom 6. 4. 2010. 68 Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund, Ärztemangel auf dem Land, Pressemitteilung 5/2010. 69 Gesundheitsministerkonferenz, 89. Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder am 29./30. Juni 2016 in Rostock-Warnemünde: Ergebnisniederschrift, 2016, S. 38 f.

IV. Rechtlicher Status quo des Auswahlverfahrens zum Medizinstudium

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IV. Rechtlicher Status quo des Auswahlverfahrens zum Medizinstudium Das Studienfach Medizin erfreut sich einer äußerst regen Nachfrage: Je Studienplatz gehen bundesweit gegenwärtig durchschnittlich fünf Bewerbungen ein.70 Die Medizin gehört damit zu den Studienfächern mit der intensivsten Auswahlbeschränkung. Diejenigen, die einen der begehrten Studienplätze ergattert haben, dürfen sich über hervorragende Berufsaussichten freuen; die Abbrecherquote71 ist ebenso wie die Arbeitslosenquote deutlich unterdurchschnittlich.72 So ist es auch kein Zufall, dass die Wartezeit für einen Studienplatz im Fach Medizin seit Jahren ansteigt. Zum Start des Wintersemesters 2015/2016 kletterte sie auf einen historischen Höchststand: 14 Semester73 – und liegt damit höher als die Regelstudienzeit für das Medizinstudium selbst (sc. 12 Semester und 3 Monate).74

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Sievers, Was dem Medizinstudium fehlt, FAZ vom 30. 7. 2015, S. 6. Wagner, CHE Hochschulranking 2015/2016: Humanmedizin studieren. 72 Anonymous, Jung-Akademiker im Glück: Ich studiere, also bin ich erfolgreich, Spiegel Online vom 24. 7. 2013. 73 Stiftung für Hochschulzulassung, Auswahlgrenzen Wartezeitquote Wintersemester 2015/16, 2015. Die Entwicklung zu längeren Wartezeiten hält dabei an: Zum Wintersemester 2016/2017 lag die Wartezeit immer noch bei 14 Semestern und die Durchschnittsnote zur Auswahl bei gleicher Wartezeit stieg von 3,3 auf 2,9; Stiftung für Hochschulzulassung, Auswahlgrenzen Wartezeitquote Wintersemester 2016/17, 2016. 74 Diese Länge der Wartezeit verletzt nach Einschätzung des VG Gelsenkirchen (Beschl. vom 18. 3. 2014 – 6z K 4229/13 –, juris) das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium. Das Gericht hat die Frage nach der Vereinbarkeit des gegenwärtigen Zuteilungsregimes mit dem Verfassungsrecht daher dem BVerfG vorgelegt (vgl. hierzu auch unten Fn. 268). Der Beschluss kritisiert vor allem die der Abiturnote im Zulassungsverfahren zugemessene hohe Bedeutung und die daraus resultierende (aus seiner Sicht bedenkliche) Dominanz des Auswahlkriteriums für die Zulassungsentscheidung. Sie führe dazu, dass zahlreiche Bewerber prinzipiell vom Studium ausgegrenzt würden (VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 18. 3. 2014 – 6z K 4229/13 –, juris Rn. 424). Siehe bereits VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 26. 4. 2012 – 6 K 3656/11 –, juris Rn. 185: „Insgesamt ist die Kammer der Auffassung, dass die Wartezeitquote ihre Funktion als Korrektiv, das einer größeren Zahl von Abiturienten eine zumutbare Zulassungschance verschafft, inzwischen nicht mehr erfüllt und deshalb das Auswahlsystem insgesamt das aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip abgeleitete derivative Teilhaberecht der Bewerber verletzt.“ Zustimmend auch Müller, NVwZ 2013, S. 35 (37). Das BVerfG hatte die Vorlage aus dem Jahr 2012 jedoch für unzulässig erklärt; BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), NVwZ 2013, S. 61 ff. Dazu auch Brehm/Zimmerling, NVwZ-Extra 2014, S. 1 (2) sowie zur Frage der zumutbaren Wartezeitlänge Bode, WissR 46 (2013), S. 348 (368) m. w. N. 71

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A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

1. Normativer Rahmen Das normative System der Zuteilung der knappen Medizinstudienplätze ist mehrstufig angelegt – sowohl sub specie seiner Regelungsebenen als auch seiner inhaltlichen Ausgestaltung. Den grundsätzlichen Rahmen skizziert § 32 HRG. Seine Vorgaben mussten die Länder zu einem übereinstimmenden Zeitpunkt in ihr Landesrecht übernehmen (§ 72 Abs. 2 S. 1 HRG). Dieser Verpflichtung sind sie durch den Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für die Hochschulzulassung („Hochschulzulassungs-Einrichtungs-Errichtungsstaatsvertrag [HZulEinrErrStV]“) nachgekommen: Er ermächtigt die Länder, durch Rechtsverordnungen die Einzelheiten des Verfahrens und der dabei anzuwendenden inhaltlichen Kriterien zu bestimmen (Art. 12 Abs. 1 HZulEinrErrStV). Soweit dies für eine zentrale Vergabe der Studienplätze notwendig ist, müssen die Regelungen der Länder aber übereinstimmen (Art. 12 Abs. 2 HZulEinrErrStV). Eine Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung, welche den Regelungsspielraum ausfüllt, haben unterdessen alle Länder erlassen.

2. Struktur des Vergabeverfahrens Das Kontingent der zu vergebenden Medizinstudienplätze teilt sich de lege lata in drei Schichten auf: eine Vorabquote (a)), Studienplätze, die nach Abiturnote oder Wartezeit zu vergeben sind, (b)) sowie Studienplätze, welche die Hochschulen in einem eigenen Auswahlverfahren vergeben (c)).75 a) Vorabquote (§ 32 Abs. 2 HRG) Bis zu drei Zehntel der verfügbaren Studienplätze dürfen die Länder im Rahmen einer Vorabquote vergeben (§ 32 Abs. 2 HRG).76 Die dabei maßgeblichen Privilegierungskriterien sind heterogen.77 Sie reichen von Fällen einer außergewöhnlichen sozialen Härte sowie öffentlichen Bedarfs78 über ausländische und staatenlose Bewerber bis hin zu Bewerbern, die bereits ein Studium in einem anderen Studiengang abgeschlossen haben. 75

VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 18. 3. 2014 – 6z K 4229/13 –, juris Rn. 71. Vgl. aber auch Art. 9 HZulEinrErrStV. 77 Reich, Hochschulrahmengesetz mit Wissenschaftszeitvertragsgesetz, 11. Aufl., 2012, § 32, Rn. 3 spricht von „für Sonderfälle reservierten Studienplätze[n]“. Vgl. dazu auch Bahro/ Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl., 2003, II. Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 24. Juni 1999, Art. 12, Rn. 8 ff. 78 Siehe auch Art. 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HZulEinrErrStV; §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. a der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. 2008, S. 386; i. F. „VergabeVO NRW“): „2,2 vom Hundert“. 76

IV. Rechtlicher Status quo des Auswahlverfahrens zum Medizinstudium

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b) Abiturnote und Wartezeit (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 und 2 HRG) Von den Studienplätzen, die nach Abzug der Vorabquote verbleiben, werden jeweils ein Fünftel nach der Abiturnote (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 HRG) sowie der Wartezeit (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 HRG) vergeben.79 c) Auswahlverfahren der Hochschulen (§ 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG) Die restlichen (d. h. drei Fünftel der nach der Vorabquote verbleibenden) Studienplätze verteilt die Hochschule in einem eigenen Auswahlverfahren (§ 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG).80 Das Gesetz gibt den Hochschulen als Auswahlkriterien den Grad der Qualifikation nach § 27 HRG, die gewichteten Einzelnoten der Qualifikation nach § 27 HRG, das Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests, die Art einer Berufsausbildung oder Berufstätigkeit, das Auswahlgespräch sowie die Verbindung der genannten Kriterien mit auf den Weg. Wenngleich diese Kriterien nicht abschließend sind („insbesondere“), setzen sie der auswählenden Hochschule doch einen typbildend wirkenden äußeren normativen Rahmen.81 Innerhalb seiner Grenzen können die Hochschulen maßgeblichen Einfluss auf die Zulassungsentscheidung nehmen, indem sie die Auswahlkriterien unterschiedlich akzentuieren.82 Die kombinierte Anwendung der verschiedenen Auswahlkriterien bürgt nach der Vorstellung des Gesetzgebers hinreichend für eine faire Bewerberauswahl, da sich auf diese Weise die jeweiligen negativen, eine grundrechtskonforme Zuteilungsentscheidung u. U. gefährdenden Effekte der Einzelkriterien ein Stück weit wechselseitig ausgleichen.83

79

NRW. 80

Siehe auch Art. 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 HZulEinrErrStV; § 6 Abs. 3 VergabeVO

Siehe auch Art. 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HZulEinrErrStV; § 6 Abs. 4 VergabeVO NRW. Reich (Fn. 77), § 32, Rn. 25. Vgl. auch BT-Drucks. 13/8796, S. 24: „Jede Hochschule legt innerhalb der rahmenrechtlichen Vorgaben die Auswahlkriterien selbst fest und vergibt danach die Studienplätze“. 82 Vgl. Brehm/Zimmerling, NVwZ 2008, S. 1303 (1304). Der den Hochschulen zukommende Freiraum wird auch deutlich in VGH München, NVwZ-RR 2006, S. 695 (695 f.). 83 Vgl. BVerfGE 33, S. 303 (350). Ob das gegenwärtige Vergabeverfahren dies noch in zulässiger Art und Weise erreicht oder ob leistungsbezogenen Kriterien eine zu dominante Stellung zukommt, zieht das VG Gelsenkirchen in Zweifel. Es hat die Frage dem BVerfG vorgelegt, vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 18. 3. 2014 – 6z K 4229/13 –, juris insbesondere Rn. 422 ff. Vgl. hierzu bereits oben Fn. 74 f. 81

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A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

3. Normative Anknüpfungspunkte einer Privilegierung von Bewerbern, die eine Verpflichtungserklärung abgeben a) Berücksichtigung im Auswahlverfahren (§ 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG) So sehr auf der Grundlage des gesetzlichen Zuteilungsregimes das Prinzip der Leistungsauslese derzeit das Studienplatzvergabeverfahren dominiert, so sehr insbesondere die Abiturnote eine Aussage über die intellektuelle Leistungsfähigkeit einer Person trifft, so wenig gestattet sie eine valide Aussage über die Fähigkeit, mit anderen Menschen zu kommunizieren, Empathie an den Tag zu legen oder Begeisterung für den Beruf unter Beweis zu stellen. Die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und ihre Bedürfnisse als Patienten sachgerecht wahrzunehmen, kann konstruktiv als entscheidungsleitendes Kriterium Eingang in ein persönlichkeitsbezogenes Auswahlverfahren finden. Der Tatbestand des § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG bildet insoweit auch grundsätzlich einen denkbaren Anknüpfungspunkt, um im Ausleseverfahren der Hochschule Studierende auszuwählen, die sich in besonderer Weise für eine spätere Tätigkeit als Arzt auf dem Lande interessieren und entsprechend dieser ohnehin bestehenden Neigung bereit sind, sich zu einer solchen Tätigkeit zu verpflichten.84 Zusätzlich zur Durchschnittsnote fließt dann die Bereitschaft zu einer solchen Tätigkeit in die Auswahlentscheidung der Hochschule ein. Da in diesem Verfahren der Hochschulauswahl gegenwärtig ca. 60 % der Studienplätze vergeben werden, kann dieses Auswahlkriterium eine große Breitenwirkung entfalten.85 b) Vorabquote (§ 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG) Neben einer Berücksichtigung im hochschuleigenen Auswahlverfahren lässt sich eine privilegierte Studienzulassung in unterversorgten Regionen tätig werdender Ärzte prinzipiell auch im Rahmen der Vorabquote des § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG verwirklichen.86 Studienbewerber, die eine Verpflichtungserklärung abgeben, können den erwünschten Medizinstudienplatz dann durch den Zugriff auf ein Kontingent erhalten, das alleine dieser Personengruppe vorbehalten ist. Das HRG lässt solche Vorabquoten für Bewerber zu, die sich „aufgrund entsprechender Vorschriften verpflichtet haben, ihren Beruf in Bereichen öffentlichen Bedarfs auszuüben“ (§ 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2).

84

Art. 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HZulEinrErrStV; § 10 VergabeVO NRW. Siehe zu den engen rechtlichen Grenzen für eine Privilegierung angehender Landärzte im Rahmen des Auswahlverfahrens auch im Einzelnen D. II., S. 138 f. 86 So auch Bode, in: Dallinger/Bode/Dellian (Hrsg.), HRG, 1978, § 32, Rn. 10; Reich (Fn. 77), § 32, Rn. 5. 85

IV. Rechtlicher Status quo des Auswahlverfahrens zum Medizinstudium

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Traditionelle Anwendungsfälle des § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG sind der Sanitätsdienst der Bundeswehr sowie der öffentliche Gesundheitsdienst.87 Gegenwärtig machen die zuständigen Ministerien der Bundesländer von ihrer Ermächtigung nach Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Nr. 2 HZulEinrErrStV – wenn überhaupt – nur hinsichtlich des Sanitätsoffiziersdienstes der Bundeswehr Gebrauch.88 Die Quote zielt darauf ab, eine ausreichende Versorgung des Sanitätsdiensts mit Hochschulabsolventen sicherzustellen. Sieben Landesverordnungen sehen insoweit gegenwärtig eine Vorabquote von 2,2 vom Hundert im Studiengang Medizin vor,89 die Verordnungen der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein demgegenüber nicht.

87 Dazu auch Bode, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, 43. Erg.-Lfg., Okt. 2015, § 32 HRG, Rn. 110 ff. Die Bundesländer haben die Regelung des § 32 Abs. 2 HRG im Rahmen der Vereinbarung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung in dessen Art. 9 Abs. 1 nahezu wortlautidentisch übernommen: Studienplätze können im Rahmen einer Vorabquote für bestimmte Sonderfälle vorzubehalten sein. Den Ländern obliegt es, die vorgegebenen Tatbestände im Rahmen ihrer Rechtsverordnungen auszufüllen, insbesondere hinsichtlich der anzuwendenden inhaltlichen Kriterien, vor allem der Auswahlkriterien (Art. 12 Abs. 1 Nr. 1 HZulEinrErrStV) und Quoten (Art. 12 Abs. 1 Nr. 2 HZulEinrErrStV) des Art. 9 HZulEinrErrStV. Zu den Auswahlkriterien und Quoten nach Art. 12 Abs. 1 Nrn. 1 u. 2 HZulEinrErrStV auch Bahro/Berlin (Fn. 77), II. Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 24. Juni 1999, Art. 12, Rn. 4 ff. Vgl. auch §§ 5, 6 VergabeVO NRW; Bode (Fn. 86), § 32, Rn. 10; Reich (Fn. 77), § 32, Rn. 5. Vgl. auch § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung (i. F. „VergabeVO Stiftung“). 88 Vgl. § 5, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern vom 18. 6. 2007, GVBl. 2007, S. 401 (Hochschulzulassungsverordnung Bayern); § 5, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung vom 25. 5. 2010, HmbGVBl. 2010, S. 390 (VergabeVO Stiftung FHH); § 5, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in zulassungsbeschränkten Studiengängen durch die Hochschulen des Landes Hessen vom 30. 4. 2014, GVBl. 2014, S. 115 (VergabeVO Stiftung Hessen); § 5, § 6 Abs. 1 Nr. 2 VergabeVO NRW; § 5, § 6 Abs. 1 Nr. 2 lit. a der Studienplatzvergabeverordnung Rheinland-Pfalz vom 18. 12. 2010, GVBl. 2011, S. 3 (StudienplatzvergabeVO Rheinland-Pfalz); § 5, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst über die Vergabe von Studienplätzen vom 29. 6. 2010, SächsGVBl. 2010, S. 204 (StudienplatzvergabeVO Sachsen); § 5, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen an den staatlichen Hochschulen vom 18. 6. 2009, GVBl. 2009, S. 485 (VergabeVO Thüringen). Brandenburg sieht eine Zulassung aufgrund besonderen öffentlichen Bedarfs nur an der Technischen Fachhochschule Wildau im Studiengang „Verwaltung und Recht“ vor (§ 6 Abs. 3 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung vom 18. 5. 2010, GVBl. II 2010, Nr. 29 (HochschulvergabeVO Brandenburg)). 89 Vgl. Fn. 88.

32

A. Flächendeckende ärztliche Versorgung als Herausforderung

§ 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG ist offen für weitere Fallgruppen.90 Einfachgesetzlich setzt dies voraus, dass die Unterversorgung ländlicher Räume einen „Bereich besonderen öffentlichen Bedarfs“ im Sinne der Norm markiert. Dass die ärztliche Tätigkeit in unterversorgten Regionen einen Anwendungsfall der Norm darstellen kann, hat bereits die Gesetzesbegründung zum Hochschulrahmengesetz angesprochen.91 Diese Intention deckt sich mit der Bedeutung, die einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung (auch verfassungsrechtlich)92 zukommt. Notwendig ist jedoch zusätzlich, dass der Normgeber die in § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG angesprochenen „entsprechenden Vorschriften“ schafft, die es den Studieninteressierten ermöglichen, einen Studienplatz zu erhalten, wenn sie sich verpflichten, für einen bestimmten Zeitraum nach Abschluss des Studiums als Landarzt tätig zu werden.93 Überdies muss die medizinische Unterversorgung und somit der besondere Bedarf zunächst positiv festgestellt werden.94 Nur dann trägt § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG als Grundlage für die Vergabe von Studienplätzen an Studierende, die sich zu einer späteren Tätigkeit in unterversorgten Regionen verpflichten.

V. Überblick über den Gang der Darstellung Die rechtliche Zulässigkeit einer Quote für angehende Landärzte berührt nicht nur einfachgesetzliche Zulässigkeitsaspekte; sie ist vor allem grundrechtlich sensibel. Mit der Brille des Verfassungsrechts betrachtet, sind zwei verschiedene Blickwinkel zu unterscheiden: die Ausstrahlungen auf das Recht auf Zugang zum Medizinstudium einerseits (1.) und die Berufsausübungsfreiheit derjenigen, die aufgrund einer Verpflichtungserklärung für einen bestimmten Zeitraum beruflich in unterversorgten ländlichen Regionen gebunden sind, andererseits (2.).

1. Zugang zum Medizinstudium Eine Quote für Studierende, die sich einer Verpflichtungserklärung unterwerfen, führt ein (zusätzliches) Kriterium für die Entscheidung über die Zulassung zum Medizinstudium ein. Kraft ihrer Zugangsprivilegierung einer bestimmten Perso90

Hauck, in: Denninger (Hrsg.), HRG, 1984, § 32, Rn. 22. Vgl. auch Bahro/Berlin (Fn. 77), II. Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 24. Juni 1999, Art. 12, Rn. 8. 91 Vgl. BT-Drucks. 7/1328, S. 58. 92 Siehe S. 15. 93 Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verpflichtungsmöglichkeit als solcher siehe unten unter C., S. 110 ff. 94 Den Gesetzgeber trifft die Pflicht, Maßstäbe für die Feststellung einer medizinischen Unterversorgung zu treffen. Hierbei handelt es sich, in Anbetracht der Ausbildungsdauer von angehenden Ärzten, zugleich um eine prognostische Entscheidung des Gesetzgebers.

V. Überblick über den Gang der Darstellung

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nengruppe schließt sie – jedenfalls mittelbar – solche Bewerber von dem Zugang zu dem zulassungsbeschränkten Medizinstudium aus, die nicht bereit sind, eine Verpflichtungserklärung abzugeben. Dies berührt die Berufsfreiheit dieser Studienplatzbewerber unter dem Aspekt der freien Wahl der Ausbildungsstätte in Gestalt des in Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Teilhaberechts. Privilegierten Zugang zum Medizinstudium dürfen der Bund bzw. die Länder daher nur eröffnen, soweit die Verpflichtung zur Tätigkeit als Landarzt ein verfassungsrechtlich zulässiges Auswahlkriterium im Rahmen des Zulassungsverfahrens darstellt (B.).

2. Auswirkungen auf die Berufsausübung Diejenigen, die von dem Angebot einer Verpflichtungserklärung Gebrauch machen wollen, erlangen zwar einen bevorrechtigten Zugang zum Medizinstudium, unterwerfen sich aber grundrechtlichen Einschränkungen, die sich als nachgelagerte Eingriffe in die Berufsausübung sowie die allgemeine Lebensführung auswirken und daher rechtfertigungsbedürftig sind (C.).

3. Einfachgesetzliche Ausgestaltung Erweisen sich die mit einer Landarztquote verbundenen Beschränkungen als grundsätzlich verfassungsrechtlich rechtfertigbar („Ob“), knüpft sich daran die Frage, wie sie im Einzelnen ausgestaltet sein müssen, um den Anforderungen zu genügen („Wie“ – D. und E.). Das gilt insbesondere mit Blick auf die Länge eingegangener Bindungen, die Auswahl bzw. Zuweisung entsprechender Vertragsarztsitze sowie das Sanktionsinstrumentarium. Ob die privilegierte Zulassung von Studienbewerbern, die sich zu einer späteren Tätigkeit in unterversorgten Regionen verpflichten, politisch sinnvoll ist, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Dies zu bewerten, liegt ausschließlich in der Hand der aufgrund ihrer demokratischen Legitimation dazu berufenen politischen Entscheidungsträger.

B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren I. Föderale Regelungskompetenz für die Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung als Landarzt im Zulassungsverfahren Eine Landarztquote, die Studienbewerbern einen Zugang zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung eröffnet, kann regelungstechnisch prinzipiell an sehr unterschiedliche normative „Haustüren“ anklopfen: Zu denken ist insbesondere an eine Änderung des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung, eine Änderung der landesrechtlichen Vergabeverordnung, die auf der Grundlage des Staatsvertrages ergeht, oder eine bundesgesetzliche Rahmenregelung. Welcher Weg der richtige ist, bestimmt sich nach der verfassungsrechtlichen Verteilung der föderalen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Die Zuteilung von Studienplätzen bewegt sich in einem vielschichtigen Regelungssystem abgeschichteter Zuständigkeiten, die ggf. auch zu Teilkompetenzen des Bundes bzw. der Länder für einzelne Fragen des Gesamtkomplexes führen.

1. Überblick über die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern Das Grundgesetz behält die Kompetenz zur Gesetzgebung grundsätzlich den Ländern vor (Art. 30, 70 Abs. 1 GG). Von dieser Grundentscheidung weicht es für das Recht der Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse ab: Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Hochschulzulassung zu (2.); auch für die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) sowie zur Regelung der Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) gesteht die Verfassung ihm die Kompetenz zu. Der Bund verfügt damit nur über eine eingeschränkte Kompetenz, um den rechtlichen Status angehender und approbierter Ärzte gesetzlich zu regeln. Diese ist darüber hinaus noch durch das Abweichungsrecht der Länder überlagert. Die Verpflichtungserklärung, die Studienbewerber vor Beginn ihres Studiums mit dem Ziel einer privilegierten Zulassung abgeben, berührt zudem unmittelbar die spätere Berufsausübung der Ärzte – für die insoweit betroffene Regelung des ärztlichen Be-

I. Föderale Regelungskompetenz

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rufsrechts fehlt dem Bund aber die Regelungskompetenz (3.). Insoweit überlappen sich verschiedene Regelungskompetenzen, die voneinander abzugrenzen sind, um den für die Regelung privilegierten Hochschulzugangs auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung legitimierten Kompetenzträger ausfindig machen zu können.

2. Regelungskompetenz für die Hochschulzulassung Das Recht der Hochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse grundsätzlich der Regelungskompetenz des Bundes zuzuschlagen, entspricht einer gefestigten Tradition des Grundgesetzes – beginnend mit Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG a. F. bis hin zum heutigen Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG. a) Grundsatz: Konkurrierende Kompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG a. F.95 verlieh dem Bund noch eine Rahmengesetzgebungskompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens.96 Im Anschluss an die Föderalismusreform stuft Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG diese nunmehr auf eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse herab.97 Diese unterliegt aber nicht mehr dem Erforderlichkeitsvorbehalt des Art. 72 Abs. 2 GG. Bund und Länder gehen vielmehr „übereinstimmend von der Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelungen“ in diesem Regelungsfeld aus.98

95 Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG a. F. setzte den Ländern einen äußeren Rahmen, beließ ihnen aber einen „eigenen Bereich politischer Gestaltung von substanziellem Gewicht“ (BVerfGE 111, S. 226 [248]). Für das Recht der Hochschulzulassung hat das BVerfG dem Kompetenztitel eine im Vergleich zu anderen Materien eingeschränkte Regelungsmacht des Bundes entnommen: „Der Bund ist im Hochschulbereich zu einer außerordentlich zurückhaltenden Gesetzgebung verpflichtet. Den Ländern muss im Bereich des Hochschulwesens noch mehr an Raum für eigene Regelungen verbleiben als in sonstigen Materien der Rahmengesetzgebung. Dies schließt es freilich nicht aus, dass der Bundesgesetzgeber auch hier ausnahmsweise nähere bis in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen trifft“, BVerfGE 112, S. 226 (243). Zur alten Rechtslage nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG a. F. siehe bspw. Hailbronner, WissR 35 (2002), S. 209 (220 ff.). 96 Zur historischen Entwicklung des Rechts der Hochschulzulassung instruktiv Bode (Fn. 74), S. 349 ff. 97 Zur Änderung der Rechtslage durch die Föderalismusreform von 2006 vgl. Hansalek, NVwZ 2006, S. 668 ff.; Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, 6. Aufl., 2010, Art. 74, Rn. 194. 98 BT-Drucks. 16/813, S. 9.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

aa) Normrationalität Die Regelungsbefugnis des Bundes für die Hochschulzulassung überrascht. Denn der Bund darf mit ihrer Hilfe über die Verteilung von Ressourcen befinden, die er nicht selbst finanziert: Die Studienplätze stellen die Länder grundsätzlich aus ihren eigenen Haushalten bereit. Das Grundgesetz durchbricht damit bewusst die Konnexität von Finanzierung und Aufgabenverantwortung. Es räumt dem Grundgedanken der Gewährleistung einheitlicher Zulassungsbedingungen für die in ihren Grundrechten betroffenen Bewerber99 den Primat ein. Erfolgt nämlich keine zentrale Steuerung des Zulassungsverfahrens, erschwert das die Koordination bei Mehrfachbewerbungen ebenso nachhaltig wie den Rechtsschutz Betroffener beim Zugang zu dieser für die Verwirklichung von Lebenschancen zentralen grundrechtlichen Ressource.100 Vor diesem Hintergrund versteht das Grundgesetz es als eine gesamtstaatliche Aufgabe, die Einheitlichkeit eines transparenten und fairen Vergabeverfahrens – entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen – zu gewährleisten, und legt die Regelungskompetenz daher vorrangig in die Hände des Bundes.101 bb) Rechtsfolgen Mit Blick auf seine gesamtstaatliche Zielsetzung ist die Zulassungskompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG grundsätzlich weit angelegt: Sie gewährt dem Bund die Möglichkeit, insbesondere bei bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen einheitliche Vorgaben für die Ermittlung und vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten der Hochschulen sowie für die Vergabe der Studienplätze und die Gestaltung der Auswahlverfahren zu entwickeln.102 Unter die Hochschulzulassung fallen nicht die Hochschulzugangsberechtigung, das Recht bzw. die Pflicht, weitere Studienplatzkapazitäten zu schaffen, oder die Befugnis zur Erhebung von Studienbeiträgen – sehr wohl aber Regelungen, welche die Zulassungsverfahren der Hochschulen gestalten und aufeinander abstimmen.103 „Hochschulen“ i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG sind allen voran die staatlichen Universitäten,104 für deren Studienplatzvergabeverfahren die Vorabquote vorgesehen werden soll. Der Bund kann also grundsätzlich auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG die Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung als Auswahlkrite99

Dazu etwa BVerfGE 33, S. 303 (356 ff.). BVerfGE 33, S. 303 (356 f.). 101 BT-Drucks. 16/813, S. 14. 102 Siehe dazu auch die Begründung des Entwurfs, BT-Drucks. 16/813, S. 14. 103 BT-Drucks. 16/813, S. 14; dazu auch Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2014, Art. 74, Rn. 129; Hansalek (Fn. 97), S. 669; Nolte, DVBl 2010, S. 84 (89); Oeter (Fn. 97), Art. 74, Rn. 196. 104 Vgl. Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl., 2012, Art. 74, Rn. 124; Oeter (Fn. 97), Art. 74, Rn. 195. 100

I. Föderale Regelungskompetenz

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rium im Rahmen des Vergabeverfahrens von Studienplätzen für das Medizinstudium vorsehen.105 b) Abweichungsbefugnis der Länder aa) Abweichungskompetenz nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG Macht der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch, das Hochschulzulassungsrecht gesetzlich zu regeln, sind die Länder gleichwohl nicht gehindert, durch formelles Gesetz106 eine hiervon abweichende Regelung zu treffen; diese Abweichungsbefugnis gesteht das Grundgesetz ihnen in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG ausdrücklich zu.107 Nutzt ein Land diese Möglichkeit, geht sein Gesetz demjenigen des Bundes entsprechend der Lex-posterior-Regel vor (Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG).108 Anders als die Nrn. 1, 2 und 5 kennt Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG keinen sog. „abweichungsfesten Kern“109 :110 Eröffnet der Bund den Zugang zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung, steht es den Ländern daher frei, eine solche Privilegierung (ausdrücklich) abzubedingen. Die Abweichungsbefugnis des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG kann damit die bundesweite Einheitlichkeit der Regelung gefährden. Sieht der Bund darin ein Risiko für seine Regelungsziele, kann er abweichende Regeln (außer durch ein neues Gesetz, das als lex posterior dem früheren Landesgesetz [bis auf Weiteres] vorgeht – Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG) allenfalls dann ausschließen, wenn sich die Berücksichtigung der Verpflichtungserklärung – neben Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG – zugleich auf einen anderen Kompetenztitel stützen lässt, der den Ländern keine Abweichungsmöglichkeit eröffnet. Insoweit kommen die Kompetenztitel der Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 und Nr. 19 GG in Betracht. Sie verleihen dem Bund die föderale Berechtigung, die vertragsärztliche Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung als essenziellen Baustein der Sozialversicherung und die Zulassung zu ärztlichen Heilberufen zu regeln.

105 Zum Zusammenspiel der Kompetenz des Bundes für die Hochschulzulassung und der Kompetenz der Länder für die Gestaltung des ärztlichen Berufsrechts siehe B. I. 2. a), S. 35 ff. 106 Kunig (Fn. 104), Art. 74, Rn. 29; Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2016, Art. 72, Rn. 29; Uhle, in: Kluth (Hrsg.), Föderalismusreformgesetz, 2007, Art. 72, Rn. 51. 107 Dies hält Kluth, in: ders. (Hrsg.), Föderalismusreformgesetz, 2007, Art. 74, Rn. 29 für „wenig sinnvoll“. 108 Vgl. auch Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 29. Ed., 2016, Art. 72, Rn. 27. 109 BT-Drucks. 16/813, S. 11. 110 Ausführlich zu den abweichungsfesten Kernen des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 2 und 5 GG Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 13. Aufl., 2014, Art. 72, Rn. 109 ff.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Eine generelle Regelungskompetenz für das Gesundheitswesen gestehen die Kompetenztitel dem Bund allerdings nicht zu.111 Schon die explizite Bezugnahme auf die „Hochschulzulassung“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG lässt konstruktiv nur wenig Raum dafür, dass ein anderer Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 GG einen Anknüpfungspunkt für die Befugnis zur Regelung des Hochschulzulassungsrechts bilden kann. Regelt der Bund die Hochschulzulassung gestützt auf einen anderen Kompetenztitel als Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG, obwohl dieser explizit die „Hochschulzulassung“ nennt, untergräbt er die verfassungsrechtlich verbürgte Regelungsbzw. Abweichungsautonomie der Länder.112 Den Ländern bleibt danach das verfassungsrechtlich verbürgte Recht unbenommen, von den Regelungen abzuweichen, die der Bund für die Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung trifft. bb) (Keine) Bestandskompetenz des Bundes nach Art. 125b Abs. 1 S. 1 u. 2 GG Eine Verpflichtungserklärung für angehende Landärzte im Rahmen des Auswahlverfahrens zu berücksichtigen, stützt sich de lege lata auf die gesetzliche Regelung des § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG.113 Die Vorschrift hatte der Bund in dieser Fassung am 1. 1. 2006 bereits erlassen. Ihr Tatbestand unterfällt daher grundsätzlich der Bestandsschutzkompetenzregelung des Art. 125b Abs. 1 S. 1 GG. Die hochschulrechtliche Norm hat somit an dem kompetenziellen Rang der Rahmengesetzgebungskompetenz und deren Eigenheiten teil (Art. 125b Abs. 1 S. 2 GG). Soweit eine landesrechtliche Abweichung den bundesrechtlich gesetzten Rahmen verlässt, ist sie folglich grundsätzlich unzulässig.114 Die Konservierung des alten Rechtszustandes – und damit die Einschränkung der Abweichungsbefugnis der Länder auf der Grundlage des Art. 125b Abs. 1 S. 1 u. 2 GG – hat das Grundgesetz aber zeitlich limitiert: Selbst wenn der Bund seit dem 1. 9. 111 112

(979).

Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 29. Ed., 2016, Art. 74, Rn. 69. Siehe auch Kunig (Fn. 104), Art. 74, Rn. 78. Vgl. auch BVerwG, NVwZ 1987, S. 978

113 Siehe im Einzelnen A. IV. 3. b), S. 30 ff. u. D. I., S. 137 f. Zu der (im Ergebnis zu verneinenden) Frage, ob eine Verpflichtungserklärung auch im Rahmen des Auswahlverfahrens der Hochschulen nach § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG Berücksichtigung finden darf, siehe A. IV. 3. a), S. 30 u. D. II., S. 138 f. 114 Die Abweichungskompetenz der Länder ist insoweit eingeschränkt: Sie dürfen von der Regelung nur abweichen, wenn der Bund nach dem 1. September 2006 von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Insoweit kommt es nur auf die konkret betroffene Regelung, nicht aber darauf an, ob der Bund von der Kompetenz für das Recht der Hochschulzulassung insgesamt Gebrauch gemacht hat. Das ergibt sich aus dem einschränkenden „soweit“ in Art. 125b Abs. 1 S. 3 GG. Da der Bund die Regelung des § 32 HRG nach dem Jahr 2006 nicht angetastet hat, stand den Ländern – anders als grundsätzlich nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 6 GG – insoweit unmittelbar nach Inkrafttreten der Föderalismusreform grundsätzlich also keine Abweichungskompetenz zu.

I. Föderale Regelungskompetenz

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2006 nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat, steht den Ländern seit dem 1. 8. 2008 eine uneingeschränkte Abweichungsbefugnis zu (Art. 125b Abs. 1 S. 3 a. E. GG). Den Ländern ist es also nunmehr kompetenziell unbenommen, auch von fortgeltendem Altrecht abzuweichen.115 cc) Selbstbindung der Länder durch den Staatsvertrag Als Binnenrecht schränkt der Staatsvertrag, den die Länder zur Ausfüllung des Rahmens des HRG erlassen haben, den Abweichungsspielraum der Länder ein: Soweit dies für eine zentrale Vergabe der Studienplätze notwendig ist, müssen die Rechtsverordnungen116, welche die Länder erlassen, übereinstimmen. So bestimmt es Art. 12 Abs. 2 HZulEinrErrStV. Die Regelung ist Ausdruck des in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung betonten Bedürfnisses, im Interesse effektiven Teilhaberechtsschutzes der betroffenen Grundrechtsträger Zulassungsverfahren zu koordinieren, also gemeinsam ein angemessenes Verfahren für die Zulassung zum Studium in den Studiengängen mit Numerus clausus zu entwickeln.117 Der Staatsvertrag soll den Kapazitätsauslastungsanspruch der Bewerber einlösen und die zur Verfügung stehenden Studienplätze nach in allen Ländern grundsätzlich gleichen Prinzipien auf die Bewerber verteilen.118 Denn die zentrale Vergabe der Studienplätze erfordert – so der Grundgedanke – gleiche materielle Grundsätze in allen Ländern. Unterschiedliche landesgesetzliche Tatbestände über Vorabquoten im zentralen Vergabeverfahren beeinträchtigen die Transparenz des Zulassungsverfahrens und drohen, die Teilhaberechte der übrigen Bewerber aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG zu verletzen.119 (1) Verfassungsrechtliche Verankerung in der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten? Die Pflicht, bundeseinheitliche Kriterien sowie ein entsprechendes Verfahren für die Vergabe von Studienplätzen zu schaffen, ist verfassungsrechtlich überwölbt von der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, das den Ländern eine kooperative 115

Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 29. Ed., 2016, Art. 125b, Rn. 3. Ob die Ausgestaltung des Staatsvertrages auch durch (formell-)gesetzliche Landesregelungen anstelle von Rechtsverordnungen ausgefüllt werden kann, hat bspw. das OVG Münster zuletzt offen gelassen (OVG Münster, NVwZ-RR 2013, S. 261 [262]). 117 Siehe dazu oben S. 36 mit Fn. 100 sowie BVerfGE 43, S. 103 (114 f.). Zum historischen Hintergrund bspw. Winter, WissR 46 (2013), S. 241 (249 ff.). Kritisch zu der Frage, ob sich die Grundprämissen der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung nicht inzwischen überholt haben, Hailbronner (Fn. 95), S. 228 ff.; Steinberg/Müller, NVwZ 2006, S. 1113 (1117). 118 BVerfGE 43, S. 103 (114). 119 OVG Münster, NVwZ 2013, S. 261 (263); VG Gelsenkirchen, Gerichtsbescheid vom 7. 3. 2013 – 6z K 4193/12. 116

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Verwirklichung des Grundrechtsschutzes und eine Rücksichtnahme auf die wechselseitigen Interessen auferlegt.120 Das Gebot entfaltet seine Wirkung vor allem, wenn die Folgen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den räumlichen Bereich eines einzigen Landes begrenzt bleiben.121 Die föderalen Auswirkungen müssen das Verhältnis zwischen den Ländern in dem betroffenen Bereich aber erschüttern, um einen verfassungsrechtlich zwingenden Handlungsbefehl auszulösen: Die individuelle Maßnahme muss wie ein offener Missbrauch der Freiheit des Landesgesetzgebers wirken.122 Derartige Auswirkungen sind von der Einführung einer Quote für später in unterversorgten Regionen ärztlich Tätige nicht zu besorgen. Wenn einzelne Länder eine Vorabquote für angehende Landärzte einführen, andere hingegen nicht, entstehen zwar unterschiedliche Zugangsbedingungen für den Zugang zum Medizinstudium.123 Den Ländern ist aber eine Berücksichtigung ihrer regionalen Bedürfnisse nicht verwehrt: Es steht ihnen offen, eine flächendeckende ärztliche Versorgung durch das Instrument einer Verpflichtungserklärung anzustreben. Sie dürfen und müssen dabei die konkurrierenden Ziele gegeneinander im Wege praktischer Konkordanz so abwägen, dass nach Möglichkeit alle Ziele zur optimalen Entfaltung gelangen.124 Unterschiedliche Zugangsregelungen sind insbesondere eine unmittelbare Konsequenz des normativ gewollten föderalistischen Systems: Es ist von einer intendierten Konkurrenz der Länder geprägt.125 Die Verfassung weist den Ländern seit dem Inkrafttreten der Föderalismusreform zudem bewusst die Abweichungsbefugnis für den Bereich der Hochschulzulassung zu. Diese verfassungsrechtliche Wertentscheidung darf das Gebot der Bundestreue nicht konterkarieren. (2) Bindungsreichweite des Staatsvertrages Folgt die Pflicht zur Einheitlichkeit des Vorgehens der Länder somit nicht aus der Verfassung, bleibt die staatsvertraglich vereinbarte Pflicht der Länder zu wechselseitiger Rücksichtnahme davon aber unberührt. Auf die konkrete Höhe der Vorabquote, die den Zugang zum Studium der Medizin auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung gewährt, erstreckt sich diese Verpflichtung zur Einheitlichkeit 120

Vgl. BVerfGE 12, S. 205 (254 f.); 33, S. 303 (357); 42, S. 103 (114 f.). Vgl. BVerfGE 4, S. 115 (140). 122 Vgl. mutatis mutandis BVerfGE 4, S. 115 (140 f.). 123 Diese können insbesondere mittelbar diskriminierend wirken: Auch wenn die Zulassung nicht unmittelbar an die Herkunft und Heimat der Studienbewerber anknüpft, sind Studienplätze in ländlichen Regionen eines Landes typischerweise für diejenigen Personen attraktiver, die ursprünglich aus diesen Gebieten stammen, als für Dritte. Daraus kann sich mittelbar eine Bevorzugung von „Landeskindern“ ergeben. Vgl. BVerfGE 33, S. 303 (353 f.). Dazu auch Bode (Fn. 74), S. 362 sowie B. IV. 1. b), S. 102 f. 124 Vgl. etwa BVerfGE 83, S. 130 (143). 125 Vgl. auch BVerfGE 33, S. 303 (352 f.). 121

I. Föderale Regelungskompetenz

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freilich nicht. Der Bedarf nach einer Vorabquote insgesamt und ihre Höhe im Einzelnen kann insbesondere aus sachlichen Gründen von Land zu Land sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Eine einheitliche Höhe der Quote ist für die zentrale Vergabe der Studienplätze zwar durchaus vorteilhaft, für die Zielerreichung aber sachlich nicht zwingend notwendig. Entsprechend belässt der Staatsvertrag den Ländern grundsätzlich erheblichen Gestaltungsspielraum: Er gibt Höchstquoten vor, die für eine Auswahl der Bewerber im Wege einer Vorabquote zur Verfügung stehen („bis zu zwei Zehntel“, Art. 9 Abs. 1 S. 1 HZulEinrErrStV) und determiniert die Zwecke, die für eine Vorabquote infrage kommen. Gleichzeitig lässt er den Ländern bei ihrer Ausfüllung bewusst weitgehend freie Hand. Von dieser Freiheit haben die Länder etwa im Hinblick auf die Vorabquote für den Sanitätsoffiziersdienst Gebrauch gemacht:126 Sie haben diese unterschiedlich ausgestaltet – und dürfen dies auch tun. Eine einheitliche Regelung ist nicht „erforderlich“ i. S. d. Art. 12 Abs. 2 HZulEinrErrStV. Anderenfalls hätte der Staatsvertrag für alle Länder einheitliche Vorabquoten festsetzen können und müssen. Entsprechend steht es einzelnen Ländern offen, im Rahmen des Vorabquote-Kontingents des Art. 9 HZulEinrErrStV voranzuschreiten und eine Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung einzuführen, ohne dadurch gegen den Staatsvertrag oder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu verstoßen. Selbst wenn man dies anders sieht, hindert das die Länder nicht ohne Weiteres daran, vom Staatsvertrag abweichendes Landesrecht zu erlassen: Tun sie dies (entgegen einer [eng interpretierten] Verpflichtung, die sie mit Art. 12 Abs. 2 HZulEinrErrStV gegenüber den anderen Ländern eingegangen sind) dennoch, verletzen sie damit zwar ihre vertraglichen Treuepflichten. Wirksam ist das erlassene Landesrecht (außer in Hessen)127 gleichwohl. Denn das Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag steht im Rang eines einfachen Landesgesetzes auf derselben normenhierarchischen Stufe wie andere formelle Landesgesetze.128 Entsprechend dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ setzt sich dann das später erlassene Landesrecht gegen das vorangegangene Zustimmungsgesetz durch: Staatsvertragswidrige Landesgesetzgebung verdrängt vorangegangenes Staatsvertragsrecht.129 Die Länder können also wirksam von bestehenden bundesrechtlichen Vorgaben des § 32 HRG und des HZulEinrErrStV abweichen.

126

Siehe dazu Fn. 87 f. Dort ist nach Art. 67 S. 2 der Landesverfassung kein Gesetz gültig, welches mit einem Staatsvertrag im Widerspruch steht. 128 In diesem Sinne etwa Vesting, in: Hahn/Vesting (Hrsg.), RundfunkR, 3. Aufl., 2012, § 1 RStV, Rn. 38. 129 Dazu Hofmann, Die Bundesrepublik Deutschland – ein gouvernementaler Bundesstaat?, 1980, S. 27. 127

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

3. Die Verpflichtungserklärung zwischen Ausübung der Heilberufe und Hochschulzulassung Eine Verpflichtungserklärung, sich nach der Ausbildung als Landarzt niederzulassen, ist nicht nur Teil eines hochschulzulassungsrechtlichen Verfahrens. Sie wirkt auch und vor allem unmittelbar in die Modalitäten hinein, nach denen angehende Mediziner ihre spätere berufliche Tätigkeit versehen. Insoweit bewegt sich die Kompetenz für die inhaltliche Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung an der Nahtstelle zwischen Berufszulassungs- und Berufsausübungsrecht. a) Kompetenz der Länder für das Ausübungsrecht der Heilberufe Die Kompetenz zur Regelung der ärztlichen Berufsausübung fällt grundsätzlich nicht dem Bund, sondern den Ländern zu. Das Grundgesetz gesteht dem Bund zwar die Regelungsbefugnis für die Zulassung zu ärztlichen Berufen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) zu. Sie schließt aber nicht auch das Recht der ärztlichen Berufsausübung ein. Beide sind strikt voneinander zu unterscheiden. Das ergibt sich nicht zuletzt aus einem Umkehrschluss zum Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für Rechtsanwälte.130 Diese Norm überträgt dem Bund die Regelungskompetenz allgemein für „die Rechtsanwaltschaft“ – und damit sowohl für die Berufszulassung als auch für die Berufsausübung. Wenn Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Var. 2 GG für die Ärzteschaft demgegenüber ausschließlich die „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen“ als Kompetenz des Bundes erwähnt, ist das Ausdruck einer bewussten und gewollten systematischen Einschränkung des Verfassungsgebers, die einen Gegenschluss indiziert: Nur die mit dem Erwerb sowie dem Verlust des Qualifikationsgrades verbundenen Fragen, nicht aber die Ausübung des ärztlichen Berufes selbst, rechtfertigen nach der Wertung der Verfassung das Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung. b) Zuordnung der Regelungskompetenz für die Verpflichtungserklärung Bewegt sich eine Regelung im sich überkreuzenden Kompetenzbereich des Bundes und der Länder, ist eine Zuordnung nach dem Schwerpunkt der Regelung geboten, soweit nur ein Kompetenzträger sie einheitlich treffen kann. Ein Kompetenzträger, der seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht sachgerecht ausüben kann, ohne in andere Regelungsbereiche überzugreifen, darf solche Regelungen ohne Verstoß gegen die Kompetenzordnung erlassen. Kann der Bund seine Kompetenz zur Hochschulzulassung nicht sinnvoll wahrnehmen, ohne Regelungen zu erlassen, 130 BVerfGE 4, S. 74 (83); ferner etwa Martini, Die Pflegekammer – verwaltungspolitische Sinnhaftigkeit und rechtliche Grenzen, 2014, S. 106 m. w. N.

I. Föderale Regelungskompetenz

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welche auch die Berufsausübung berühren, steht die Kompetenzordnung des Grundgesetzes dem also nicht im Wege. Die Regelung einer privilegierten Zulassung zur Hochschule auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung kann der Bund als insoweit zuständiger Kompetenzträger nicht sinnvoll treffen, wenn er nicht auch die inhaltliche Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung zumindest in ihrer grundsätzlichen Zielrichtung bestimmen kann. Zwar macht der Bund dabei von seiner Kompetenz mit der Zielsetzung Gebrauch, die (der Kompetenz der Länder vorbehaltene) ärztliche Berufsausübung im Interesse flächendeckender Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu verbürgen, ist zugleich aber auch originärer Teil des Regelungsauftrags der Sozialversicherung, für die dem Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Kompetenz zufällt. Entsprechend regelt der Bund das Recht der vertragsärztlichen Zulassung131 sowie Versorgung und ihren Sicherstellungsauftrag im SGB V. Die Verpflichtungserklärung knüpft schwerpunktmäßig an die Zulassung zur späteren vertragsärztlichen Tätigkeit, weniger an die Modalitäten späterer Berufsausübung an. Dann ist dem Bund die Kompetenz für ihre Ausgestaltung – jedenfalls als notwendiger Annex – zuzuschlagen: Ihm kommt die konkurrierende Kompetenz für die Hochschulzulassung und damit die Entscheidung zu, welcher der zahlreichen Studienbewerber einen der begehrten Studienplätze erhält; er darf grundsätzlich die wesentliche Zielrichtung der Verpflichtungserklärung kraft eigener Befugnis selbst regeln. Das schließt a maiore ad minus die Möglichkeit ein, Regelungen für die bundeseinheitliche Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung zu treffen, ohne (über die allgemeinen Regelungen zur Vorabquote des § 32 Abs. 1 Nr. 2 HRG hinaus) explizit eine bestimmte Höhe einer Vorabquote für Landärzte vorzugeben.

4. Zwischenergebnis Kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Hochschulzulassung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG) kann der Bund Regelungen erlassen, die solchen Bewerbern eine privilegierte Zulassung zum Medizinstudium verschaffen, welche sich zu einer späteren Tätigkeit als Landarzt verpflichten. Trifft der Bund eine entsprechende Regelung, bleibt den Ländern aber aufgrund Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG die Befugnis unbenommen, von diesen Regelungen abzuweichen.132 Der Kompetenz des Bundes kommt kein abweichungsfester Kern zu – auch nicht nach Art. 125b S. 1 und 2 GG.

131

Diese fällt nicht unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, sondern unter das Recht der Sozialversicherung (Nr. 12). Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 23. Erg.-Lfg, Okt. 1984, Art. 74, Rn. 175 u. 218. 132 Dazu oben B. I. 2. b) aa), S. 37 f.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Auch der Staatsvertrag zur Errichtung einer Hochschulzulassungs-Einrichtung hindert die Länder nicht daran, eigene (einfachgesetzliche) Regelungen zu erlassen. Selbst wenn sie damit gegen das dem Staatsvertrag inhärente Treuegebot verstoßen sollten, ist die gesetzliche Regelung trotzdem (außer in Hessen) wirksam, da sie das früher erlassene Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag nach dem Lex-posteriorGrundsatz verdrängt.

II. Vereinbarkeit einer Landarztquote mit dem Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG Die Zulassung zum Medizinstudium entscheidet über die Verwirklichung von Lebensentwürfen: Sie macht die Chance junger Menschen, die Tätigkeit als Arzt dauerhaft zu ihrer Lebensgrundlage zu erheben – und insoweit die Verwirklichung der Freiheit zur Ausübung eines durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufes133 – von einer hoheitlichen Auswahlentscheidung abhängig.

1. Herleitung und Inhalt des verfassungsrechtlichen Teilhaberechts Art. 12 Abs. 1 GG verbürgt nicht nur einen abwehrrechtlichen Schutzgehalt. Er ist zugleich auch Teilhaberecht. Besondere Bedeutung kommt dieser Ausprägung als Teil des Rechts zu, die Ausbildungsstätte frei zu wählen. 133 Zum Begriff des Berufs siehe bspw. BVerfGE 54, S. 301 (313); 97, S. 228 (252 f.); 102, S. 197 (212). Die Berufsfreiheit i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG ist nur Deutschen verbürgt (zum Hintergrund der Beschränkung des Art. 12 GG siehe Rüfner, § 196 – Grundrechtsträger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2011, Rn. 38). Wer Deutscher ist und sich mithin auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann, bestimmt Art. 116 GG. Siehe nur Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 13. Aufl., 2014, Art. 12, Rn. 6; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2016, Art. 12, Rn. 12. Trotz des engen Wortlauts des Art. 12 Abs. 1 GG kommt sein Schutz mittelbar auch EU-Ausländern zugute. Denn Deutschland hat sich auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 1 GG verpflichtet, Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der EU nicht zu diskriminieren (Art. 18 Abs. 1 AEUV). Dieser Verpflichtung lässt sich grundrechtsdogmatisch zum einen dadurch genügen, auch Staatsangehörigen der anderen EU-Staaten die Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG zuzugestehen (Jarass, a. a. O., Rn. 12 m. w. N.). Zum anderen besteht konstruktiv die Möglichkeit, EU-Ausländer auf Art. 2 Abs. 1 GG zu verweisen, dieser Bestimmung dann aber denselben Gewährleistungsgehalt wie Art. 12 Abs. 1 GG beizumessen (vgl. etwa Epping, Grundrechte, 6. Aufl., 2015, Rn. 377 i. V. m. Rn. 587 ff.). Eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Quote für später in unterversorgten Regionen ärztlich Tätige als Auswahlkriterium im Rahmen des Zulassungsverfahrens kann insoweit jeder Deutsche sowie jeder Unionsbürger rügen.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

45

Ausbildungskapazitäten öffentlicher Einrichtungen sind ein knappes Gut: Der Staat stellt sie an seinen Universitäten im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Verfügung. Für den Zugang zur Ausübung des Arztberufs hat er faktisch nahezu ein Monopol inne.134 Angebot und Nachfrage klaffen dabei insbesondere im Falle des Medizinstudiums auseinander.135 Aus der faktischen Monopolstellung des Staates beim Zugang zum Medizinstudium (sowie aus der Funktion der Grundrechte als objektiven Wertentscheidungen) folgt ein Anspruch auf Zurverfügungstellung insgesamt ausreichender Ausbildungskapazitäten – mehr aber auch nicht:136 Wenn die bereitgestellten notwendigen Kapazitäten nicht ausreichen, ist der Staat insbesondere nicht verfassungsrechtlich verpflichtet, jedem Interessenten einen Studienplatz anzubieten. Vielmehr steht der Anspruch des Einzelnen auf Zugang unter dem Vorbehalt des Möglichen – also dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft verlangen kann.137 Haben Bewerber auch grundsätzlich keinen Anspruch auf Bereitstellung neuer Kapazitäten,138 so stehen sie dem zuteilenden Staat doch nicht wehrlos gegenüber. Ihnen kommt ein Anspruch auf sachgerechte Zuteilung der vorhandenen Kapazitäten zu.139 Dieser Anspruch weist zwei Schutzrichtungen auf: ein teilhaberechtliches Kapazitätsausschöpfungsgebot (a)) sowie ein Gebot objektiv sachgerechter und individuell zumutbarer Auswahlkriterien (b)).

134

BVerfGE 33, S. 303 (331 f.); auch wenn seit diesem Urteil aus dem Jahre 1972 mittlerweile zwei private Studiengänge hinzugekommen sind (Universität Witten/Herdecke und Medizinische Hochschule Brandenburg), lässt sich bei einem Angebot von 9.150 Studienplätzen an öffentlichen Hochschulen (Stiftung für Hochschulzulassung, Studienangebot Medizin Wintersemester 2016/17, 2016) und 90 Studienplätzen an den privaten Hochschulen im Wintersemester 2016/17 bzw. Sommersemester 2017 an der Medizinischen Hochschule Brandenburg; (vgl. Universität Witten/Herdecke, Bewerbungsfolder Humanmedizin, S. 1 und Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neue Ärzte braucht das Land, http:// www.mhb-fontane.de/medizin_studieren.html (25. 8. 2016)) auch heute noch mit Fug und Recht von einem faktischen Monopol sprechen. 135 Dazu im Einzelnen S. 27. 136 Offengelassen in BVerfGE 33, S. 303 (323 ff.). 137 BVerfGE 33, S. 303 (331 f.). Dazu auch Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2013, Rn. 39. 138 In diesem Sinne etwa auch Breuer, § 170 – Freiheit des Berufs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2010, Rn. 107; Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 29. Ed., 2016, Art. 12, Rn. 25 m. w. N.; Schneider, § 113 – Berufsfreiheit, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, 2013, Rn. 125; dazu auch Zimmerling/Brehm (Fn. 137), Rn. 39 ff. 139 Siehe nur VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 18. 3. 2014 – 6z K 4229/13 –, juris Rn. 360 f. m. w. N.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

a) Teilhaberechtliches Kapazitätsausschöpfungsgebot Verfügbare, knappe Kapazitäten darf der Staat nicht ungenutzt lassen. Teilt er nicht alle verfügbaren Studienplätze zu, verletzt er das teilhaberechtliche Gebot, bestehende Kapazitäten auszuschöpfen.140 Eine Klage eines Studienbewerbers auf Zulassung zum Studium verspricht in diesen Fällen bereits deshalb Erfolg. Ein privilegierter Hochschulzugang für Studienplatzbewerber, die sich zur Niederlassung auf dem Land verpflichten, berührt dieses Recht auf Ausschöpfung des zur Verfügung stehenden Angebots an Studienplätzen freilich nicht, sondern den Modus ihrer Verteilung. b) Gebot objektiv sachgerechter und individuell zumutbarer Auswahlkriterien Stehen einander gleichgerichtete und grundsätzlich gleichberechtigte Freiheitsansprüche von Grundrechtsträgern gegenüber, die der Staat nicht in vollem Umfang bedienen kann, ist er nicht frei darin, wie er den Mangel verwaltet. Er muss sich solcher Zuteilungskriterien bedienen, die in sachangemessenem Zusammenhang mit demjenigen Grundrecht stehen, zu dessen Ausübung sie den Zugang vermitteln:141 Der Realisierungsgrad der Zugangschance muss sich nach objektiv sachgerechten – also dem Wesen der Berufsfreiheit als wettbewerblichem, der Absicherung einer wirtschaftlichen Erwerbsgrundlage verschriebenem Grundrecht Rechnung tragenden – Maßstäben und individuell zumutbaren Kriterien bemessen.142 Den prinzipiellen Ausschluss ganzer Gruppen geeigneter Bewerber durch starre Grenzziehungen muss der Gesetzgeber ebenso vermeiden wie für angemessene Ausweichmöglichkeiten Sorge tragen.143 Einen abschließenden Katalog solcher Kriterien, die eine verfassungskonforme Auswahlentscheidung ermöglichen, kennt das Grundgesetz nicht. Es hält sich vielmehr mit Aussagen zur Zulässigkeit bestimmter Auswahlkriterien (außer ins140 Vgl. dazu etwa BVerfGE 33, S. 303 (331 f.); 43, S. 291 (314 ff.); Lindner, Kapitel XI: Rechtsfragen des Studiums, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 2. Aufl., 2011, S. 551 f. (Rn. 105 u. 110); Martini, Der Markt als Instrument hoheitlicher Verteilungslenkung, 2008, S. 212 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 47. Erg.-Lfg., Juni 2006, Art. 12, Rn. 456; Zimmerling/Brehm (Fn. 137), Rn. 7. 141 Martini (Fn. 140), S. 87. 142 BVerfGE 33, S. 303 (330 ff., insbesondere S. 338): Ein absoluter Numerus clausus ist nur dann verfassungsrechtlich zulässig „wenn er 1. in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet wird […] und wenn 2. Auswahl und Verteilung nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber und unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsortes erfolgen“. Siehe auch bspw. Malinka, Leistung und Verfassung, 2000, S. 81 ff. u. 93 ff.; Scholz (Fn. 140), Art. 12, Rn. 71. 143 BVerfGE 43, S. 291 (316 f.).

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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besondere in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG) zurück und gesteht dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zu. Dies entspricht dem Auftrag des Art. 3 Abs. 1 GG, Zuteilungsentscheidungen nach gleichen Maßstäben entsprechend den politischen Gestaltungsvorstellungen des Gesetzgebers und nach Maßgabe der Grundidee des durch die Zuteilung berührten Freiheitsrechts gerecht vorzunehmen.144 Die Verfassung verlangt dem Normgeber lediglich ein Höchstmaß an Chancengleichheit und ebenso freiheits- wie mit den Bedürfnissen des Gemeinwesens verträglicher Zugangsmöglichkeit ab.145 Da die Festlegung von Auswahlkriterien für die Grundrechtsverwirklichung des einzelnen Studienbewerbers wesentlich ist, hat das Parlament diese überdies selbst zu bestimmen (sog. Wesentlichkeitslehre).146 Angesichts der fundamentalen Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit als Basis für die Sicherung einer wirtschaftlichen Existenzgrundlage und einer ideellen Lebensaufgabe ist allen prinzipiell Zugangsberechtigten eine faire Chance zur Grundrechtswahrnehmung zu belassen. Je existenzieller ein Grundrecht für die persönliche Lebensführung ist, umso höhere Anforderungen sind namentlich an die Zumutbarkeit der Auswahlkriterien zu stellen.147 Im Grundsatz sind Auswahlkriterien umso eher zumutbar, je stärker sie an Eigenschaften anknüpfen, die der individuelle Bewerber beeinflussen kann. Darauf stützt der Rekurs auf die individuelle Leistungsbereitschaft, insbesondere die Fähigkeit, ein Medizinstudium erfolgreich abzuschließen, seine verfassungsrechtliche Legitimation.148 Zumutbar sind aber gleichzeitig nur solche Kriterien, die dem einzelnen Bewerber noch eine Chance belassen, im Anschluss an das Abitur binnen vertretbaren Zeitraums den Zugang zu einem Studienplatz zu erhalten. Sonst bleibt die Freiheit, sich den beruflichen Lebenstraum zu erfüllen, eine theoretische Kategorie ohne echte Realisierungschance. Auf diese Prämisse gründet insbesondere das in das gegenwärtige Zuteilungsregime eingebundene Kriterium der Wartezeit seine Rechtfertigung.149

144

Martini (Fn. 140), S. 53 ff. Scholz (Fn. 140), Art. 12, Rn. 457. 146 BVerfGE 33, S. 303 (345 f.). 147 BVerfGE 33, S. 303 (338); 43, S. 291 (313 f.). Sehr prägnant VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 18. 3. 2014 – 6z K 4229/13 –, juris 1. Ls.: „Jeder hochschulreife Bewerber um einen Studienplatz an einer staatlichen Hochschule hat das verfassungskräftige Recht auf eine Auswahlentscheidung nach sachgerechten Kriterien, die ihm eine faire Chance auf Verwirklichung seines Studienwunsches belässt.“ Vgl. auch Martini (Fn. 140), S. 87. 148 BVerfGE 33, S. 303 (348 ff.). Das BVerfG macht zugleich aber auch darauf aufmerksam, dass eine ausnahmslose Anwendung des Leistungsprinzips verfassungsrechtlich unzulässig wäre, BVerfGE 33, S. 303 (350). 149 Dazu auch A. IV. 2. b), S. 29. 145

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

2. Sachgerechtigkeit und Zumutbarkeit des Auswahlkriteriums „Verpflichtungserklärung“ Eine Vorabquote für künftige Landärzte implementiert ein zusätzliches Auswahlkriterium in die Zulassungsentscheidung: Sie privilegiert solche Studienbewerber, die eine Verpflichtungserklärung für eine spätere ärztliche Tätigkeit in einer unterversorgten Region abgeben. Dieser Zulassungsweg eröffnet solchen Bewerbern eine Chance, die nach anderen Auswahlkriterien keine Berücksichtigung fänden.150 Für diejenigen hingegen, die von einer solchen Verpflichtungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen, schließen sich Türen zum Medizinstudium, die ihnen sonst auf der Grundlage anderer Auswahlkriterien (und eines dadurch erschlossenen größeren Kontingents an Studienplätzen) womöglich offen gestanden hätten. Die Begünstigung des einen geht unter Knappheitsbedingungen insofern notwendig mit der Benachteiligung des anderen einher. Das Auswahlkriterium der Verpflichtungserklärung unterliegt daher besonderen Rechtfertigungsanforderungen. a) Leistungsgesichtspunkte und soziale Kompetenzen als Gegenstand der Auswahlentscheidung Dass die Zulassung zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung das in dem Auswahlverfahren der Hochschulen bisher dominierende Leistungsprinzip ein Stück weit zurückdrängt, disqualifiziert jenes Auswahlkriterium noch nicht per se verfassungsrechtlich. Das Grundgesetz verlangt dem Gesetzgeber nämlich keine allein auf Leistungsgesichtspunkte gestützte Studierendenauswahl ab.151 Ist aber von vornherein erkennbar, dass ein Bewerber aus intellektuellen oder persönlichen Gründen das Studium nicht zu bewältigen und einen Beruf als Mediziner nicht verantwortungsvoll auszuüben in der Lage ist, genießt sein teilhaberechtlicher Anspruch aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht den gleichen Rang wie derjenige anderer Studienbewerber. Aus der Knappheit der verfügbaren Ressourcen lässt sich namentlich das Gebot möglichst verschwendungsfreien, zielgerechten Mitteleinsatzes ableiten.152 Es erheischt als Teil einer „rational choice“, Studienplätze solchen Personen vorzubehalten, die kraft eines Mindestmaßes an fachlicher Eignung (aus einer Ex-ante-Perspektive) den Einsatz dieser knappen Ressource rechtfertigen.

150 Es handelt sich um eine Chance, die allerdings zugleich einen Preis hat: Wer von der Möglichkeit einer Verpflichtungserklärung Gebrauch macht, gibt damit nämlich ein großes Maß an – insbesondere beruflicher – Freiheit für eine bestimmte Dauer nach dem Studium auf. Dazu ausführlich C. I., S. 110 ff. 151 Malinka (Fn. 142), S. 98. 152 Martini (Fn. 140), S. 143 ff.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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Die Entscheidung über die Auswahl der Studienbewerber in einem besonderen sachlichen Zusammenhang mit der Aufgabe zu treffen, die der Studienbewerber im Anschluss an sein Studium wahrnehmen wird, lässt Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich zu: Die Angehörigen der medizinischen Berufe tragen eine hohe Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Beziehung zwischen Patient und Arzt lebt in besonderer Weise von dem Vertrauen in dessen kraft qualifizierter Ausbildung erworbene fachliche sowie persönliche Kompetenz. Denn zwischen ihnen besteht eine strukturelle Informationsasymmetrie: Der durchschnittliche Patient kann die Fachgerechtigkeit ärztlichen Rates und ärztlicher Behandlung regelmäßig nur eingeschränkt sachlich beurteilen. Umso mehr ist er darauf angewiesen, dass die ärztliche Tätigkeit denjenigen vorbehalten bleibt, die dieses Vertrauen tatsächlich verdienen. Die besondere öffentliche Verantwortung des Arztberufes schlägt dann auch auf die Sachgerechtigkeit der Auswahlmaßstäbe für die Vergabe von Studienplätzen durch: Die bevorzugte Berücksichtigung solcher Studienbewerber, die nach ihrer persönlichen und fachlichen Eignung in besonderer Weise die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gewährleisten, ist als Auswahlkriterium grundrechtlich angezeigt. Das schließt (ein Mindestmaß fachlichen Könnens vorausgesetzt) grundsätzlich auch kommunikative und soziale Kompetenzen ein, etwa die Fähigkeit, mit Patienten in einer Weise in Interaktion zu treten, die ihren Bedürfnissen und Erwartungen in besonderer Weise Rechnung trägt. Der Verantwortung medizinischer Berufe für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung darf der Staat bei der Auswahl der Studienbewerber also Rechnung tragen. b) Verfassungsrechtliche Grenzen bedarfslenkender Zuteilungsziele So sehr der Staat seine Auswahlentscheidung an Eignungskriterien der späteren Berufsausübung ausrichten darf, so wenig darf er jene als Instrument der Bedarfslenkung zweckentfremden. Er darf insbesondere den Zugang zu öffentlichen Ausbildungseinrichtungen nicht allein davon abhängig machen, in welchen Sparten voraussichtlich viele oder wenige Absolventen benötigt werden.153 Anderenfalls würde er den freiheitlichen Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG konterkarieren. Dieser definiert sich nicht vorrangig von seiner Funktion für die Gesellschaft, sondern von der autonomen Entscheidung des Einzelnen her.

153

Grundlegend BVerfGE 33, S. 303 (330) m. w. N.; Papier, Zulassungsbeschränkungen für Ärzte aus verfassungsrechtlicher Sicht, 1985, S. 25; Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, 1983, S. 178 f., 278 f., 404 f. Für § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG weist Bode (Fn. 86), § 32, Rn. 10 mit Fn. 18 in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Vorschrift keine Bedarfslenkung vornehme, sondern vielmehr umgekehrt dazu führe, dass ein Teil der Studienplätze nach bestehendem Bedarf vergeben werde. Das überzeugt allerdings nur auf den ersten Blick. Denn der Staat lenkt mit der Quote die Nachfrage in eine Richtung, die der Berufsmarkt bislang nicht aus sich selbst heraus hinreichend deckt, betreibt also Berufslenkung.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Darf der Staat die Berufsfreiheit auch nicht zu einem Lenkungsinstrument umfunktionieren, verwehrt die Verfassung es ihm umgekehrt indes nicht vollständig und vorbehaltlos, – zusätzlich zur Eignung samt sozialer Kompetenzen154 – den öffentlichen Bedarf als Auswahlkriterium zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere dann, wenn anderenfalls schwere und nachweisbare Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut drohen, die sich nicht anders abwenden lassen. Sofern es nicht gelingt, individuelle Nachfrage und gesamtgesellschaftlichen Bedarf in Deckung zu bringen, kann es dem Staat namentlich gestattet sein, sich auch am vordringlichen Kräftebedarf für die verschiedenen Berufe zu orientieren und begrenzt verfügbare öffentliche Mittel nicht unter Vernachlässigung, sondern unter Befriedigung der Zielsetzung anderer wichtiger Gemeinschaftsgüter einzusetzen.155 Die flächendeckende Ärzteversorgung, gerade in unterversorgten ländlichen Gebieten, markiert einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang.156 Sie ist ein Baustein der allgemeinen staatlichen Infrastrukturaufgabe, insbesondere der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG für das Leben und die Gesundheit seiner Bevölkerung.157 Das Sozialrecht konkretisiert diesen auf eine bedarfsgerechte, ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche ärztliche Behandlung ausgerichteten Sicherstellungsauftrag insbesondere in § 70, § 72 Abs. 2, § 73 Abs. 2 und § 75 SGB V.158 Der Staat ist daher aufgerufen, seine Ressourcen auch dafür einzusetzen, in weniger dicht besiedelten Gebieten eine hinreichende ärztliche Versorgung zu gewährleisten. Stellt sich dieses Versorgungsniveau nicht bereits durch die Lenkungswirkung anderer Steuerungsinstrumente, etwa Finanzierungsanreize für Ärzte in unterversorgten Regionen, ein,159 versperrt die Verfassung dem Staat nicht von vornherein den Weg, die Bereitschaft zur Niederlassung als Landarzt bereits bei der Entscheidung über die Zulassung zum Medizinstudium als Auswahlkriterium zu berücksichtigen. Art. 12 Abs. 1 GG gibt dem Staat insbesondere nicht auf, Zuteilungsentscheidungen am Bedarf vorbei auszurichten. Nicht zuletzt sind Studienplätze aus öffentlichen Mitteln finanziert und damit ein Stück weit mittelbar öffentlichen Zwecken verpflichtet. An das Privileg, auf diese knappe Ressource zugreifen zu dürfen, darf der Staat dann als Teil seiner politischen Gestaltungsfreiheit grundsätzlich auch 154

Dazu S. 49. Vgl. BVerfGE 33, S. 303 (335). Zustimmend Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (37) m. w. N.; Papier (Fn. 153), S. 15 u. 25; Pitschas (Fn. 153), S. 405 m. w. N. 156 Ausführlich hierzu Bauer-Schade (Fn. 2), S. 136 ff.; Kaltenborn, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, 4. Aufl., 2014, § 100, Rn. 7. 157 Vgl. dazu insbesondere Bauer-Schade (Fn. 2), S. 73 ff., 85 ff.; Kühl (Fn. 5), S. 26 ff.; allgemein Zwermann-Milstein, Grund und Grenzen einer verfassungsrechtlich gebotenen gesundheitlichen Mindestversorgung, 2015, S. 65 ff. 158 Dazu etwa Kühl (Fn. 5), S. 59 ff. 159 Siehe dazu im Einzelnen B. II. 2. c) aa) (1), S. 53 ff. 155

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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eine Nutzenerwartung der Allgemeinheit knüpfen. Es kann verfassungsrechtlich zulässig sein, sich bei der Zuteilung der knappen Ressourcen an dem öffentlichen Bedarf im Gesundheitswesen zu orientieren. Trotz des teilhaberechtlich verbürgten Anspruchs aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ist es also verfassungsrechtlich rechtfertigbar, den Zugang zur knappen Ressource „Hochschulstudium der Medizin“ vorrangig denjenigen zukommen zu lassen, die einen Studienerfolg versprechen, welcher den Bedarf an Gesundheitsleistungen in ländlichen Regionen und die damit verbundene Verantwortung für das Gemeinwesen tatsächlich zu befriedigen vermag. Da der Staat das Grundrecht der Berufsfreiheit gleichzeitig aber nicht auf die Funktion der Erfüllung öffentlichen Bedarfs reduzieren darf,160 bestimmt sich in diesem Rechtsgüterkonflikt nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, in welchem Maße er den öffentlichen Bedarf zulässigerweise als Auswahlmaßstab beim Zugang zum Medizinstudium im Einzelnen heranziehen darf. c) Verhältnismäßigkeit einer Auswahl nach dem Bedarfslenkungsziel „flächendeckende Ärzteversorgung auf dem Land“ Als Kollisionsprinzip für die Auflösung von Rechtsgüterkonflikten gebietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip, staatliche Lenkungsziele nur unter der Voraussetzung möglichst großer Schonung der durch grundrechtliche Eingriffe betroffenen grundrechtlichen Verbürgungen vorzunehmen. Zwischen den Bedürfnissen der Allgemeinheit nach einer flächendeckenden, qualitativ hochwertigen ärztlichen Versorgung und dem Freiheits- und Teilhaberecht des Einzelnen muss der Staat mit anderen Worten einen angemessenen Ausgleich herstellen. Bei der Abwägung widerstreitender Ziele und Gewährleistungen kommt dem Staat grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu, solange er ihre Wertigkeit nicht vollständig fehlgewichtet. Es ist Teil seiner originären Aufgabe, einen gerechten Ausgleich zwischen divergierenden Interessen herzustellen, also Rechtsgüter in Beziehung zu setzen und diejenigen Differenzierungskriterien zu bestimmen, an die er bei der Anordnung von Rechtsfolgen anknüpft. Die Gründe, mit denen der Staat solche Lenkungsziele, die dem Art. 12 Abs. 1 GG nicht immanent sind, verfolgt, müssen aber von solcher Art und solchem Gewicht sein,161 dass sie andere, dem teilhaberechtlichen Freiheitsgehalt des Grundrechts sachlich nähere Zuteilungsziele und -kriterien zu verdrängen vermögen. Greift der Staat von außen steuernd in den Kanon derjenigen Zuteilungskriterien ein, die dem freiheitsrechtlichen Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG gerecht werden, darf er das also nur in einem erforderlichen (aa)) und angemessenen (bb)) Umfang tun. Kann er umgekehrt seine Zuteilungsziele auch erreichen, ohne der Zuteilungsentscheidung lenkende Auswahlkriterien zugrunde zu legen, ist er dazu verfassungsrechtlich verpflichtet. 160

Vgl. auch BVerfGE 33, S. 303 (334 f.). Sog. neue Formel, siehe BVerfGE 55, S. 72 (88); seither st. Rspr.: BVerfGE 60, S. 123 (133 f.); 74, S. 9 (24); 81, S. 1 (8); 81, S. 108 (118); 81, S. 228 (236). 161

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

aa) Erforderlichkeit Dem Staat steht eine Vielfalt alternativer Handlungsoptionen zur Verfügung, die den Bedarf an Hausärzten in unterversorgten Gebieten womöglich zu decken geeignet sind, ohne eine Lenkungswirkung bei der Zulassung zum Studium zu entfalten. In Betracht kommen insbesondere Vergütungsanreize für Ärzte in unterversorgten Regionen (1.), die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Ärzte (2.), die Anwerbung ausländischer Mediziner (3.), die Erhöhung der Studierendenanzahl insgesamt (4.), die stärkere Limitierung der Berufszulassung in Ballungsräumen (5.), die Zuweisung von Vertragsarztsitzen in unterversorgten Gebieten (6.), die Einführung eines Pflichtjahrs im ländlichen Raum für Jungmediziner (7.), die Einbeziehung weiterer Akteure in die ärztliche Versorgung (8.) sowie die verstärkte Nutzung telemedizinischer Behandlungsmöglichkeiten (9.). Dass eine Landarztquote für den Staat kostenneutral umsetzbar und damit im Vergleich zu den anderen Maßnahmen mit sehr viel geringeren Belastungen verbunden ist (womöglich eine starke Triebfeder für die politische Priorisierung des Mittels), macht sie noch nicht zu einer milderen Maßnahme. Denn das „mildere Mittel“ ist nicht am Maßstab der Belastungen des Staates, sondern desjenigen zu messen, den die Grundrechtsbelastungen treffen, also des Bürgers. Die Zielwirksamkeit weniger eingriffsintensiver Alternativmaßnahmen muss dabei allerdings hinreichend sichergestellt sein. Dem Gesetzgeber kommt insoweit ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu. Dieser ist erst dann überschritten, wenn die legislatorischen Erwägungen an einer Fehleinschätzung solchen Ausmaßes leiden, dass die ergriffenen Maßnahmen vernünftigerweise keine Grundlage bilden können, um zur Erreichung des gesetzten Ziels in hinreichender Weise beitragen zu können.162 Da der demographische Wandel und die Urbanisierung sich in naher Zukunft einerseits im Wesentlichen unaufhaltsam und berechenbar fortschreiben, andererseits nachhaltige Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen, der Umfeldentwicklung und des daraus resultierenden Ärztebedarfs163 bestehen,164 ist der staatlichen Regulierung insbesondere nur ein begrenztes experimentelles Wirksamkeitsrisiko zumutbar. Der Staat braucht – auch wenn weder Kausalzusammenhänge zwischen seinem Handeln und dem erwünschten Erfolg noch das Ausmaß künftiger Bedarfslagen in jeder Hinsicht klar sind – nicht abzuwarten, bis sich Schäden nicht mehr hinreichend sicher abwehren lassen.

162 163 164

BVerfGE 30, S. 292 (317); 110, S. 141 (157 f.); 117, S. 163 (189). Dazu etwa Adler/von dem Knesebeck (Fn. 2), S. 234 f. Hinzu kommen lange Latenzzeiten; siehe dazu B. II. 2. c) aa) (10), S. 88 mit Fn. 328.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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(1) Vergütungsanreize und Stipendien für (angehende) Landärzte Die Entscheidung eines Absolventen, sich an einem Vertragsarztsitz niederzulassen, steht unter steuerndem Einfluss der wirtschaftlichen Vorteile, die das System der gesetzlichen Krankenversicherung dem Standort einer Arztpraxis verheißt. Die finanziellen Anreize für Ärzte zu erhöhen, die sich in ländlichen Regionen niederlassen, entspricht daher einem plausiblen Regelungsansatz. Die Möglichkeiten, mit denen der Gesetzgeber die Tätigkeit als Arzt in unterversorgten Gebieten durch zusätzliche Ressourcen attraktiver machen kann, reichen von Investitionskostenzuschüssen über höhere Wegegebühren für Hausbesuche und sonstige Zuschläge bis hin zu Stipendien für angehende Landärzte. Regional differenzierende Vergütungsanreize greifen im Vergleich zu einer Landarztquote weniger intensiv in die Grundrechte ein.165 Denn sie bewegen sich auf der Stufe einer Berufsausübungsregelung, ohne den Zugang zur Ausübung des Berufs zu tangieren. Sie sind damit grundsätzlich verfassungsrechtlich vorzugswürdig. (a) Bestehende gesetzliche Regelungen im SGB V, die finanzielle Anreize setzen, sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen Der Ansatz, die Attraktivität ärztlicher Tätigkeit in einer unterversorgten Region durch Vergütungsanreize zu steigern, ist nicht neu. Der Gesetzgeber verfolgt ihn bereits seit geraumer Zeit166 – ähnlich wie andere Staaten, die sich mit einer äquivalent strukturierten Problemlage konfrontiert sehen.167 An verschiedenen Stellen hat der Bundesgesetzgeber in das SGB V Strukturelemente implementiert, die eine Versorgung ländlicher Regionen mit Ärzten verbürgen sollen. So sind die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 105 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 SGB V dazu verpflichtet, die geeigneten finanziellen Maßnahmen zu ergreifen, um die flächendeckende vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Sie dürfen zur Finanzierung von Maßnahmen in unterversorgten Gebieten auch einen Strukturfonds bilden (§ 105 Abs. 1a S. 1 SGB V).168 Macht eine Vereinigung hiervon Gebrauch, 165 Finanzielle Förderungsmaßnahmen weisen die geringste Eingriffsintensität auf, vgl. auch Kühl (Fn. 5), S. 163. 166 So auch mit Nachweisen aus der in- und ausländischen Praxis Kühl (Fn. 5), S. 164; vgl. auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 201 f. 167 Die Maßnahmen reichen dort von erhöhten Regelsätzen der Krankenkassen im ländlichen Raum über Wege- und Reisekostenerstattung und Umzugsunterstützung bis zu garantiertem Mindesteinkommen; vgl. Simoens (Fn. 5), S. 109 f. m. w. N. 168 Die Regelung des § 105 Abs. 1a SGB V geht auf das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung v. 22. 12. 2011 (BGBl. I 2011, S. 2983) zurück. Der Strukturfonds dient der Kassenärztlichen Vereinigung laut BT-Drucks. 17/ 6906, S. 78 dazu, „flexibel insbesondere finanzielle Anreize für die Niederlassung in ambulant nicht ausreichend versorgten Gebieten […] setzen zu können“.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

müssen sich die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen an der Finanzierung beteiligen (§ 105 Abs. 1a S. 2 SGB V). Die Bandbreite der auf dieser rechtlichen Grundlage denkbaren finanziellen Förderungsmaßnahmen ist beträchtlich. Sie kann auch Umsatzgarantien169 sowie vergünstigte Darlehenskonditionen170 einschließen – ebenso Sicherstellungszuschläge, also Zuschläge zum Honorar, welche die vermehrte Inanspruchnahme in unterversorgten Regionen niedergelassener Ärzte ausgleichen sollen (§ 105 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 SGB V).171 Ohne Anspruch auf abschließenden Charakter172 nennt § 105 Abs. 1a S. 3 SGB V als für den Strukturfonds in Betracht kommende Maßnahmen „Zuschüsse zu den Investitionskosten bei der Neuniederlassung oder der Gründung von Zweigpraxen, […] Zuschläge zur Vergütung und zur Ausbildung sowie […] die Vergabe von Stipendien“.173 Vier Bezirke Kassenärztlicher Vereinigungen zahlten im Jahr 2013 in insgesamt 36 Planungsbereichen Sicherstellungszuschläge.174 Vier Vereinigungen gewährten in diesem Zeitraum Umsatzgarantien bzw. Mindestumsätze für Hausärzte.175 An der Finanzierung von Lehrstühlen bzw. Stiftungsprofessuren zur speziellen Förderung der Allgemeinmedizin beteiligten sich fünf Vereinigungen.176 Seit geraumer Zeit eröffnet der Gesetzgeber in § 105 Abs. 3 S. 1 SGB V auch die Möglichkeit, den freiwilligen Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt zu fördern, um gegen regionale Überversorgung vorzugehen. Einige Kassenärztliche Vereinigungen, namentlich Westfalen-Lippe, Sachsen-Anhalt und Bremen bieten dies ihren Vertragsärzten an. Bis zum Jahr 2013 hat das aber noch nicht zum Abbau eines Arztsitzes geführt.177

169

Dazu im Einzelnen Bauer-Schade (Fn. 2), S. 120 ff. Siehe etwa die Auflistungen bei Berner, in: Eichenhofer/Wenner (Hrsg.), SGB V, 2. Aufl., 2016, § 105, Rn. 4; Neumann, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm et al. (Hrsg.), BeckOK SozialR, 41. Ed., 2016, § 100 SGB V, Rn. 1. Vgl. auch BT-Drucks. 17/6906, S. 78. 171 Dazu Bauer-Schade (Fn. 2), S. 120; Kühl (Fn. 5), S. 165 ff. (zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Differenzierung siehe insbesondere S. 175 ff.). 172 Ebenso Bauer-Schade (Fn. 2), S. 119. 173 Ausführlich zu diesen und weiteren möglichen Maßnahmen vgl. Bauer-Schade (Fn. 2), S. 119 ff. 174 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 367, Rn. 456. 175 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 367, Rn. 456. 176 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 367, Rn. 456. 177 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 368, Rn. 460. 170

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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(aa) Stipendien Zu den als Teil der gesundheitspolitischen Strukturförderung in praxi bereits etablierten und aussichtsreichen Instrumenten zählt insbesondere die Vergabe von Stipendien an Studierende, die sich verpflichten, sich nach Abschluss des Studiums für eine gewisse Dauer in einem bisher unterversorgten Gebiet niederzulassen.178 Auch andere OECD-Staaten machen von dieser Möglichkeit Gebrauch.179 In seiner funktionellen Struktur ist dieses Instrument dem Modell einer Vorabquote zur Sicherstellung der primärärztlichen Versorgung ähnlich, besticht jedoch durch seine geringere Eingriffsintensität und ist daher grundsätzlich vorzugswürdig. Es setzt nämlich nicht auf der Ebene der Zulassung zum Studium an und schließt damit ggf. besser qualifizierte Bewerber nicht mittelbar vom Studium aus. Erst nach erfolgter Zulassung stellt ein Stipendiensystem finanzielle Anreize in Aussicht, die an eine Verpflichtungserklärung anknüpfen. Aufgrund ihres eingriffsneutralen, stimulierenden Charakters erfreut sich die Stipendienvergabe zur Gewinnung künftiger Ärzte in unterversorgten Regionen wachsender Beliebtheit – sei es als Förderung des Studiums, sei es als Förderung der Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin.180 Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen sowie das Land Thüringen haben bspw. im Jahr 2009 eine „Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung in Thüringen“ gegründet. Sie lobt ein sog. Thüringen-Stipendium für solche Ärzte aus, die ihre Weiterbildung in Innerer Medizin und Allgemeinmedizin oder in der Augenheilkunde im Freistaat Thüringen absolvieren. In Vollzeit beschäftigte Ärzte in Weiterbildung erhalten für einen Zeitraum von höchstens 60 Monaten eine monatliche Zuwendung i. H. v. max. 250 E. Eine rechtliche Verpflichtung zu einer späteren Tätigkeit in Thüringen knüpft sich an die Gewährung des Stipendiums nicht.181 Das sächsische Stipendiensystem handhabt das anders: Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, das Sächsische Staatsministerium für Soziales und die gesetzlichen Krankenversicherungen Sachsens binden die Gewährung ihrer „Studienbeihilfe“ an konkret festgelegte Gegenleistungen. Die geförderten Studierenden müssen nach Abschluss ihres Studiums eine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin (bzw. eine äquivalente Qualifikation) durchführen, danach mindestens vier Jahre als Hausarzt mit mindestens 75 % an der vertragsärztlichen Versorgung in einem unterdurchschnittlich versorgten Planungsbereich teilnehmen 178 Vgl. zu praktischen Beispielen für Stipendienprogramme in verwandten Bereichen ausführlich auch E. I. 3., S. 143 ff. 179 Vgl. bspw. Simoens (Fn. 5), S. 106. 180 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 367 f., Rn. 456, 459. Siehe auch unten E. I. 3. a) aa) (2), S. 145 ff. sowie b) aa) (1), S. 154 und mit Beispielen von Stipendienprogrammen E. I. 3. e), S. 171 ff. Vgl. auch die Nachweise bei Bauer-Schade (Fn. 2), S. 265 f.; Kühl (Fn. 5), S. 123 f. 181 Siehe dazu Stiftung zur Förderung ambulanter Versorgung in Thüringen, ThüringenStipendium, http://www.savth.de/index.php/thueringen-stipendium.html (24. 8. 2016). Vgl. auch Bode (Fn. 87), § 32 HRG, Rn. 113 mit Fn. 296.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

sowie sich in ein Patenschaftsprogramm mit einem Hausarzt integrieren. Das Programm „Studienbeihilfe“ fördert jährlich 50 Studierende; die Stipendiaten erhalten zwischen 300 und 600 E monatlich.182 Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen geht noch weiter: Im Rahmen des Modellprojekts „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ finanziert sie bis zu 20 Studierenden ein Auslandsstudium an der Universität Pécs in Ungarn. Die Stipendiaten müssen sich verpflichten, für mindestens fünf Jahre als Hausarzt in Sachsen außerhalb der größten Oberzentren tätig zu sein.183 Ähnlich ist das Stipendienprogramm der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt konzipiert: Sie finanziert pro Jahr vier Studienplätze an der privaten Universität Witten/Herdecke. Die Stipendiaten verpflichten sich im Gegenzug, sich zum Facharzt für Allgemeinmedizin weiterzubilden und danach für mindestens fünf Jahre hausärztlich in Regionen Sachsen-Anhalts mit Versorgungsbedarf tätig zu werden.184 (bb) Vergütungsanreize und vergleichbare Maßnahmen Vergütungsanreize für praktizierende Ärzte setzt der Gesetzgeber auch in § 87a Abs. 2 S. 3 SGB V. Die Bestimmung gestattet in unterversorgten Gebieten „Zuschläge auf den Orientierungswert nach § 87 Abs. 2e für besonders förderungswürdige Leistungen sowie für Leistungen von besonders zu fördernden Leistungserbringern“. Gerade auch in dünn besiedelten Gebieten soll dies dazu beitragen, die medizinische Versorgung zu sichern.185 Solche Differenzierungen etablieren zwar Ungleichbehandlungen, sind aber im Hinblick auf den verfassungsrechtlich radi-

182 Siehe Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Programm zur Durchführung der Studienbeihilfe, 2009. 183 Auch hier erfolgt die Finanzierung aus den Mitteln des Strukturfonds i. S. d. § 105 Abs. 1a S. 1 SGB V. Siehe dazu auch Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Ausschreibung des Modellprojekts „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen zur Förderung von Medizinstudenten ab dem Studienjahr 2016/17, 2016. Zur medialen Berichterstattung vgl. Lochbühler, Medizinerausbildung: Nach Ungarn, bis der Arzt kommt, Spiegel Online vom 11. 9. 2014. Der Wirkmechanismus eines Stipendiums dieses Zuschnitts ist mit demjenigen einer Landarztquote in der Sache identisch: In beiden Fällen bleiben die staatlich finanzierten Studienplätze künftigen Landärzten vorbehalten; die Maßnahmen setzen also auf der grundrechtssensiblen Ebene der Studierendenauswahl an – mit dem einzigen Unterschied, dass das staatliche Ausbildungssystem im Falle des Studienplatzstipendiums nicht auf eigene, sondern auf fremde Ressourcen, namentlich Studienplätze privater Hochschulen zugreift, dafür aber (Regel-)Studiengebühren von 49.800 E in Witten/Herdecke bzw. 37.440 E in Pécs entrichten muss. Zur Erhöhung der Gesamtstudierendenzahl als Alternativmaßnahme siehe B. II. 2. c) aa) (4), S. 74 ff. 184 Vgl. die aktuelle Ausschreibung: Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, Ausschreibung von Studienplätzen für Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke für das Sommersemester 2017. Siehe auch Anonymous, Ärztemangel: Kassenärzte zahlen Studienplätze, Spiegel Online vom 20. 3. 2015; Bode (Fn. 87), § 32 HRG, Rn. 113; Universität Witten/ Herdecke, Neue Ärzte braucht das Land, Pressemitteilung vom 20. 3. 2015. 185 Vgl. Scholz, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, 4. Aufl., 2014, § 87a, Rn. 2.

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zierten Auftrag, eine flächendeckende medizinische Versorgung sicherzustellen, auch vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigbar.186 In unterversorgten Gebieten finden nach dem Willen des Gesetzgebers auch Maßnahmen der Fallzahlbegrenzung oder -minderung keine Anwendung (§ 87b Abs. 3 SGB V). Die Neugestaltung der Norm geht ebenfalls auf das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung zurück. Sie soll die Bereitschaft von Vertragsärzten, sich in ländlichen Räumen niederzulassen, durch Vergütungsanreize fördern und das bestehende Instrumentarium zur Steuerung des Niederlassungsverhaltens auf regionaler Ebene flexibler gestalten.187 Auch direkte Prämienzahlungen, die Ärzte zu einer Niederlassung in bestimmten Gebieten bewegen sollen, sind in der gesundheitspolitischen Praxis nicht länger eine Seltenheit. So zahlt etwa die Stadt Wolfsburg – wiewohl dort noch keine medizinische Unterversorgung zu verzeichnen ist – an niederlassungswillige Ärzte eine Prämie in Höhe von 50.000 E. Aufgrund des sich verschärfenden – auch finanziellen – Wettbewerbs der Kommunen um Ärzte sah sich die Stadt sogar gezwungen, die ursprüngliche Prämie um 30.000 E zu erhöhen.188 (b) Bewertung des Wirkungspotenzials (aa) Finanzielle Anreize zur Niederlassung An finanziellen Anreizen für Ärzte in unterversorgten Regionen mangelt es im bestehenden System nicht.189 Die gegenwärtige Förderung erfolgt auch nicht eindimensional. Vielmehr verteilt sie ihre Anreize auf verschiedene Kanäle. Gleichwohl hat dies die Zielgruppe bis dato nicht in hinreichendem Umfang dazu bewegen können, sich im ländlichen Raum niederzulassen. Nicht immer schöpfen die betroffenen Kassenärztlichen Vereinigungen allerdings die Möglichkeiten des bestehenden gesetzgeberischen Instrumentariums bereits vollumfänglich aus.190

186

Dazu auch Kühl (Fn. 5), S. 143. Siehe BT-Drucks. 17/6906, S. 65. 188 Anonymous, Wolfsburg erhöht Startgeld für Mediziner, Die Welt online vom 10. 2. 2015. Auch in Brandenburg soll eine Prämie in Höhe von 50.000 E Ärzte zur Niederlassung bewegen, vgl. Hix, Akuter Mediziner-Mangel: Brandenburg zahlt Kopfgeld für Ärzte, Berliner Kurier online vom 26. 4. 2015. Zu der verfassungsrechtlichen Frage der damit verbundenen Ungleichbehandlung siehe bspw. Bauer-Schade (Fn. 2), S. 267 f. 189 Im Schnitt sind die Einnahmen einer Hausarztpraxis in den letzten Jahren demzufolge auch bereits deutlich angestiegen, vgl. bspw. Müller (Fn. 12). 190 Dies mahnt auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 371, Rn. 464, an. 187

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

(a) Empirischer Befund Eine substanzielle finanzielle Förderung einer in einem unterversorgten ländlichen Raum ausgeübten ärztlichen Tätigkeit kann zur Steigerung der Arztzahlen in diesen Gebieten beitragen.191 Jüngere Zahlen der „Existenzgründeranalyse Ärzte 2014“ lassen zumindest Hoffnung auf eine stimulierende Wirkung aufkeimen: Der Anteil der ärztlichen Existenzgründungen, der auf Großstädte (ab 100.000 Einwohnern) entfällt, ist in den letzten drei Jahren leicht gesunken. Waren es im Jahr 2012 noch 49,1 %, sank der Prozentsatz im Jahr 2014 leicht auf 46,2 % ab.192 Auf Existenzgründungen auf dem Land entfallen weiterhin aber nur 4,5 %. Von einer statistisch signifikanten Trendwende lässt sich bei diesen Zahlen nicht sprechen. Sie belegen nicht hinreichend sicher eine Kausalität, sondern deuten vielmehr eine mögliche Korrelation der Wirkungsfaktoren an. Um eine Niederlassung auf dem Land hinreichend attraktiv zu machen, sind steuernde Einwirkungen womöglich auch erforderlich, um überhaupt erst Chancengerechtigkeit zwischen den Ärzten herzustellen: Im ländlichen Raum leben weniger Privatpatienten; für Ärzte ist diese Patientengruppe aber besonders attraktiv. So geht statistisch mit einem um einen Prozentpunkt höheren Anteil an Privatversicherten die Zunahme von mehr als drei Vertragsärzten je 100.000 Einwohnern einher.193 Analysen gelangen daher zu der Einschätzung: „Eine Landpraxis muss weit über 100.000 E im Jahr mehr erwirtschaften als eine Stadtpraxis, um für einen jungen Arzt überhaupt attraktiv zu werden“.194 Finanzielle Anreize lassen sich folglich im Zweifel nur dann zweckfördernd einsetzen, wenn die Höhe der aufzuwendenden finanziellen Mittel sehr große Ausmaße erreicht.195 Bei der Wahl des ärztlichen Niederlassungsstandorts markieren monetäre Aspekte zwar einen steuerungswirksamen Faktor. Eine Prognose des Betrags, der erforderlich ist, um die gewünschte Lenkungswirkung zu erzielen, ist jedoch mit zahlreichen Unsicherheitsfaktoren behaftet.196 Vor allem sind ökonomische Steuerungsvariablen oftmals nicht der alleinige bzw. ausschlaggebende Beweggrund 191 So auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 373, Rn. 465; auch Zahlen aus anderen OECD-Staaten deuten darauf hin, dass Maßnahmen, welche die finanzielle Situation von Landärzten verbessern, teilweise Erfolg versprechen, vgl. die Nachweise bei Simoens (Fn. 5), S. 109 f. mit Endnote 20 f. 192 Deutsche Apotheker- und Ärztebank, Existenzgründungsanalyse Ärzte 2014: Einzelpraxis ist kein Auslaufmodell, Pressemitteilung vom 28. 5. 2015. 193 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 349, Rn. 441 m. w. N. 194 Siehe Blickle/Polke-Majewski/Stahnke et al. (Fn. 8). 195 Siehe Bauer-Schade (Fn. 2), S. 168 und den dortigen Nachweis in Fn. 488. 196 Vgl. auch Günther/Kürstein/Riedel-Heller et al., Analyse von Anreizen für die Niederlassung von Ärzten, in: Fuchs/Kurth/Scriba (Hrsg.), Report Versorgungsforschung, 2009, S. 434 f. Anders aber die Darstellung bei IGES Institut, Zur Frage der Sachgerechtigkeit einer Basisanpassung der regionalen Gesamtvergütungen (Konvergenz der Vergütungen), 2014, S. 63.

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dafür, sich an einem bestimmten Ort niederzulassen.197 Selbst wenn der Staat bereit ist, hohe Summen zur Förderung landärztlicher Tätigkeit aufzuwenden, sind manche der Wirkungsfaktoren, welche die Niederlassung steuern, seiner Einwirkung weithin entzogen: Viele Ärzte sehen vor allem in den allgemeinen Lebensbedingungen ländlicher Regionen ein der Niederlassung entgegenstehendes Hindernis. So erschweren mangelnde Betreuungs- und Schulangebote für Ärzte mit Kindern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die infrastrukturellen Defizite setzen sich im Freizeitbereich fort: In vielen ländlichen Gebieten fehlt es entweder an einem reichhaltigen ansprechenden Freizeit- und Kulturangebot oder entsprechende Einrichtungen sind nur unter unzumutbarem Zeitaufwand zu erreichen. Die Wahl des Ortes der Niederlassung ist also häufig sehr stark geprägt von der Infrastrukturversorgung, von persönlichen Vorlieben für einen urbanen Lebensstil sowie der Nähe zu (insbesondere im Studium gewonnenen) Freunden und Bekannten.198 (b) Zwischenergebnis Wer aus einer inneren Überzeugung heraus nicht aufs Land ziehen möchte, den bewegen auch finanzielle Anreize nicht ohne Weiteres dazu, dies zu tun; demgegenüber verpufft der Förderungseffekt bei denjenigen, die von vornherein dazu entschlossen waren, ihren Beruf auf dem Land und nicht in einem urbanen Ballungsraum zu praktizieren.199 Vor diesem Hintergrund stellt auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen den bislang ergriffenen Maßnahmen ein gemischtes Zeugnis aus. Er bilanziert allgemein (und nicht nur bezogen auf finanzielle Anreize), dass die angewendeten Fördermaßnahmen die Versorgungssituation im ländlichen Raum nicht entspannt hätten.200 Die finanziellen Anreize konnten dem 197 Vgl. auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 231; Klose/Uhlemann, GGW 2006, S. 7 (16); Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 398, Rn. 484. Siehe auch Günther/Kürstein/Riedel-Heller et al. (Fn. 196), S. 435; IGES Institut (Fn. 196), S. 62 ff. Der Verband der Ersatzkassen e. V. folgert aus der Faktenlage: „Geld allein wird die Probleme […] nicht lösen.“, vgl. Verband der Ersatzkassen, Die Ersatzkasse 2014, S. 12 (13). 198 Siehe insbesondere auch Günther/Kürstein/Riedel-Heller et al. (Fn. 196), S. 435: „Eine wesentliche Verbesserung der Infrastruktur hinsichtlich des Schul- und Betreuungsangebots“ entfaltet „einen wesentlichen Einfluss auf eine Niederlassungsentscheidung“. 199 Siehe auch Beneker, Lockruf des Geldes verhallt, Ärzte-Zeitung online vom 18. 2. 2015; skeptisch auch zum durchschlagenden Erfolg finanzieller Anreize und Förderprogramme Heun (Fn. 5), S. 215 m. w. N. 200 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 348, Rn. 440: „Die bislang getroffenen Maßnahmen waren leider nicht in der Lage, eine kontinuierliche Verschärfung der vereinzelt bereits sich abzeichnenden und in einigen ländlichen Regionen drohenden Unterversorgung zu verhindern.“ Vgl. auch die allgemeine und nicht nur auf finanzielle Anreize beschränkte Aussage auf S. 563: „Dennoch lässt sich insgesamt feststellen, dass die beschriebenen bisherigen Lösungsansätze vermutlich nicht ausreichen und künftig weitere Schritte gefordert sein werden, die nicht nur darauf zielen, bestehende Defizite auf vertrauten Pfaden zu kompensieren, sondern gänzlich neue, innovative

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Ärztemangel in ländlichen Gebieten – jedenfalls in der aktuell praktizierten Form – trotz nachhaltiger Bemühungen nicht wirksam entgegenwirken.201 Das bedeutet zugleich nicht, finanziellen Anreizen jede Eignung zur Förderung des Ziels einer hochwertigen und flächendeckenden Versorgung mit ärztlichen Leistungen abzusprechen. Im Gegenteil: Wenn sie oftmals auch nicht den entscheidenden Antrieb für eine Niederlassung im ländlichen Raum darstellen, erhöhen sie doch zumindest abstrakt die Attraktivität einer ärztlichen Tätigkeit in unterversorgten Regionen.202 Jedenfalls die Neigung, sich in ländlichen Regionen niederzulassen, statt dort ohne unternehmerisches Risiko, etwa in einem kommunalen Krankenhaus, in einem Anstellungsverhältnis tätig zu werden, erfährt durch diese Anreizstrukturen Unterstützung. Entsprechend schlägt auch das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Jahre 2014 die Einführung eines „Landarztzuschlags“ von 50 % vor.203 Können Vergütungsanreize eine Facette eines Maßnahmenbündels sein,204 so reichen sie alleine allerdings nicht aus.205 Es ist nicht sichergestellt, dass die Maßnahmen den erhofften Erfolg einer angemessenen ärztlichen Versorgung ländlicher Regionen mit qualifizierten Ärzten mit einer hinreichenden Erfolgsgarantie und Zielgenauigkeit herstellen. (bb) Stipendienprogramm Die höchste Erfolgswirksamkeit im Vergleich zur Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung im Rahmen der Zulassungsentscheidung zum Studium kommt

Wege der Organisation und Gestaltung der Versorgung zu beschreiten, um den besonderen in ländlichen Regionen bestehenden Bedarfskonstellationen gerecht zu werden.“ 201 Gleichwohl empfiehlt er, von finanziellen Anreizen Gebrauch zu machen, vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 373 f., Rn. 465 f. 202 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 376, Rn. 467. 203 Ausführlich hierzu Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 373 f., Rn. 466. 204 So auch der gesundheitspolitische Sprecher der LINKEN im Brandenburger Landtag René Wilke im Interview mit Mallwitz, Bis zu 50.000 Euro Lockprämie für Landärzte in Brandenburg, Berliner Morgenpost online vom 14. 1. 2015. Ähnlich auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 561, Rn. 651: „Dabei scheinen finanzielle Anreize allein nicht ausreichend, um u. a. die Nachteile von Vereinzelung, reduzierten Infrastrukturangeboten und hohem Arbeitsaufkommen auszugleichen.“ In diese Richtung geht auch die Aussage von Bundesminister Herman Gröhe: „Finanzielle Anreize sind dabei ein Baustein, wichtig ist aber auch die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass sich wieder mehr Ärzte für den Landarztberuf entscheiden“, vgl. Bundesministerium für Gesundheit, Gesundheitsversorgung zukunftsfest machen, 2015. 205 Zu diesem Ergebnis gelangt auch ein Gutachten des IGES Institut (Fn. 196), S. 16. So auch Borchardt, Ärztemigration von und nach Deutschland, 2006, S. 180.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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einem Stipendienprogramm zu:206 Knüpft die Gewährung des Stipendiums an eine sanktionsbewehrte Verpflichtungserklärung an, sorgt dies mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Stipendiaten sich nach ihrem Studium als Ärzte in unterversorgten Regionen niederlassen. Ein Stipendienprogramm wirkt auch grundsätzlich nicht in grundrechtlich sensibler Weise auf die Studierendenauswahl ein. Das Risiko, im Wege einer Landarztquote weniger begabte Mediziner der zweiten Garde zum Studium zuzulassen und ein Zweiklassenregime unter den Studierenden zu etablieren, besteht dann nicht, jedenfalls in deutlich geringerem Maße. Je fortgeschrittener die Studierenden zum Zeitpunkt der Stipendienbewilligung bereits sind, umso eher begleiten sie realistische Vorstellungen von ihren späteren beruflichen Verwirklichungswünschen – umso eher ist dann auch gewährleistet, dass das Stipendium seine Zielsetzung landärztlicher Niederlassung erreicht. Das hat bspw. den Hartmannbund im Jahr 2010 zu dem (plausiblen) Vorschlag veranlasst, Stipendien an Medizinstudierende zu vergeben, die sich bereits im Praktischen Jahr befinden.207 Je später die Studierenden das Stipendium im Verlaufe ihrer Ausbildung erhalten, umso höher muss zugleich die monatliche Förderung sein, wenn sie an eine Verpflichtungserklärung gekoppelt sein soll. Die Zeit der Förderung und damit der von der Förderung ausgehende finanzielle Anreiz verringern sich nämlich tendenziell mit jeder weiteren abgeschlossenen Ausbildungsphase. Da das Stipendium sich in seiner Höhe typischerweise auf die Finanzierung eines auskömmlichen Lebensunterhalts und ggf. ein Büchergeld beschränkt (insbesondere nicht – wie in zahlreichen anderen OECD-Staaten – auch die Übernahme von Studiengebühren als wichtigen Attraktivitätsfaktor impliziert)208, ist der als Gegenleistung für die Förderung „zu zahlende Preis“, eine Verpflichtungserklärung abzugeben, hoch. Das gilt jedenfalls dann, wenn Interessenten sich die finanziellen Alternativen einer Niederlassung als Radiologe o. ä. in einer Großstadt vor Augen halten. Viele werden eine solche Stipendienförderung nicht als attraktiv empfinden und auf eine Stipendienbewerbung verzichten. Zugleich ist die Sanktionswirkung einer an einen Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung anknüpfenden Rückzahlungsverpflichtung regelmäßig vergleichsweise schwach. Bei einer (großzügig bemessenen) Stipendienhöhe von 1.300 E monatlich (also mehr als dem Doppelten der gegenwärtig gewährten Förderleistungen)209 für einen Studienzeitraum von maximal fünf Jahren fällt als Erstattungsbetrag eine Summe von 78.000 E an. Im Vergleich zu den Verdienstmöglichkeiten eines Arztes im urbanen Raum und der nachhaltigen Einschränkung, die 206

Ähnlich Bode (Fn. 87), § 32 HRG, Rn. 113. Siehe zu diesem Vorschlag Lucius, Förderung der Landärzte, FAZ vom 1. 7. 2010, S. 4. 208 Da die Studiengebühren in einigen Ländern teilweise sehr hoch sind, sind Stipendien oder ein (teilweiser) Schuldenerlass dort ein sehr beliebtes Instrument der Landarztförderung, vgl. Simoens (Fn. 5), S. 106. 209 Die Förderhöhe des Thüringen-Stipendiums (250 E) und der sächsischen Studienbeihilfe (zwischen 300 E und 600 E) liegen deutlich darunter; siehe S. 55 f. 207

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

von einer Niederlassung als Arzt in einer unterversorgten Region für den Lebensplan eines jungen Menschen ausgeht, ist dieser Betrag niedrig. In den Augen junger Studierender, die sich für Stipendien interessieren (und möglicherweise aus einem sozioökonomisch schwachen Umfeld stammen) mag die Fördersumme subjektiv sehr hoch erscheinen und eine substanzielle Steuerungs- und Sanktionswirkung entfalten. Mit abgeschlossener Ausbildung verschieben sich bei nüchternem Kalkül der Opportunitätskosten im Zweifel die Wahrnehmung und das Präferenzraster. Viele Absolventen werden vor einer Rückzahlung (als Folge einer Missachtung des eingegangenen Niederlassungsversprechens) nicht zurückschrecken oder bei ohnehin feststehendem Wunsch, als Landarzt tätig zu werden, Mitnahmeeffekte nutzen. Die erhoffte Steuerungswirkung eines Stipendienprogramms droht dann zu verpuffen.210 Landarztquoten-Bewerber, die für den Fall eine Vertragsstrafe versprechen, dass sie sich trotz privilegierter Zulassung zum Studium nicht auf dem Land niederlassen, stellen zwar strukturell ähnliche Erwägungen an. Die Nachhaltigkeit der Sanktionswirkung, die von einem Verstoß gegen eine Verpflichtungserklärung bei der Zulassung zum Studium ausgeht, darf aber weiter reichen als die Rückzahlungsverpflichtung für ein Stipendium. Denn der materielle und der immaterielle Vorteil, die sich mit der bevorrechtigten Zulassung zum Studium der Medizin verbinden, sind typischerweise deutlich höher als der sich mit einem Stipendium verknüpfende (ausschließlich) monetäre Vorteil. Jener lässt sich als (zumindest primär) immaterieller Vorteil zwar nur schwer exakt auf monetäre Größen herunterbrechen.211 Bildet man ihn gleichwohl annäherungsweise in Geldeinheiten ab, bewegt er sich jedoch jedenfalls deutlich jenseits einer Größenordnung von 78.000 E. Das gilt sowohl, wenn man als Referenzmaßstab den ökonomischen Wert der medizinischen Ausbildung als solchen veranschlagt, als auch, wenn man das Privileg zugrunde legt, das sich mit der – im Vergleich zur Wartezeit – schnelleren Zulassung zum Studium verbindet. Denn bei einer Wartezeit von gegenwärtig ca. sieben Jahren für einen Studienplatz212 übersteigen die Vorteile, die sich mit einer schnelleren Zulassung zum Studium verknüpfen, die Opportunitätskosten späterer Zulassung in einer ökonomisch annäherungsweise abbildbaren Weise fühlbar. Das wirtschaftliche Wertschöpfungspotenzial, das ein Studierender durch die frühere Aufnahme eines Studiums, insbesondere die deutlich erhöhten Verdienstmöglichkeiten, erlangt, ist beträchtlich.213 Eine Wartezeit von sieben Jahren 210

Zwei Ziele der Maßnahme, die Weiterbildung zum Facharzt der Allgemeinmedizin und der Anreiz, das Landarzt-Dasein zumindest zu testen, sind dann aber immerhin womöglich bereits erreicht. Schließt sich daran keine Tätigkeit als Landarzt an, bleibt die Maßnahme aber nicht nachhaltig. 211 Vgl. zur Begründung, warum eine Vertragsstrafe „fühlbar“ sein muss, auch unten E. I. 4. b) dd) (2) (b), S. 191. 212 Vgl. Stiftung für Hochschulzulassung (Fn. 73). 213 Das jährliche Brutto-Einstiegsgehalt von Medizinabsolventen liegt im Schnitt bei 51.100 E (Fabian/Hillmann/Trennt et al., Hochschulabschlüsse nach Bologna, 2016, Tabelle

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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kommt in der Lebenswirklichkeit vieler Interessierter überdies einer faktischen Preisgabe des Plans gleich, ein Medizinstudium aufzunehmen. Dem Privileg früherer Studienaufnahme messen daher viele Betroffene einen durch andere Maßnahmen nur schwer substituierbaren Wert zu. Bei einer Verschiebung der Angebots-Nachfrage-Kurve für Medizinstudienplätze kann sich die Kalkulationsgrundlage durchaus wiederum verschieben. Sinkt die Wartezeit, schmilzt der Vorteil, der sich mit einer früheren Zulassung auf der Grundlage der Landarztquote verbindet, womöglich in sich zusammen. Entsprechend sinkt zugleich auch die Nachfrage nach entsprechenden Studienplätzen. Unter den gegenwärtigen Ausgangsbedingungen dürfte die Landarztquote ihre Nachfragewirkung aber nicht verfehlen. Der wirtschaftliche Wert einer privilegierten Zulassung zum Studium (ohne Wartezeit) dürfte sich heute – und damit zu dem Zeitpunkt, zu dem der Einzelne grundsätzlich einmalig zentrale Weichenstellungen für seinen beruflichen Lebensweg trifft – bei Berücksichtigung aller Vorteile jenseits eines Betrages von 100.000 E bewegen.214 (cc) Zwischenergebnis Finanzielle Anreize sind ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Mittel, um die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen zu sichern. Fördermaßnahmen sind ein sinnvoller Baustein eines Komponentenmixes, stehen der Erforderlichkeit einer privilegierten Zulassung auf der Grundlage einer Landarztquote aber nicht im Wege. Letztere verspricht das intendierte Ziel mit einer höheren Zielgenauigkeit und Sicherheit zu erreichen. Nachdem auch Niederlassungsprämien in fünfstelliger Höhe bislang die intendierte Wirkung nicht erzielt haben, wird im Zweifel auch die Gewährung eines Stipendiums alleine nicht ausreichen, um eine angemessene ärztliche Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Die zwischen dem voraussichtlich sinkenden Angebot und der voraussichtlich steigenden Nachfrage nach ärztlichen Dienstleistungen auf dem Land klaffende Lücke wird auf der Grundlage des heutigen Erkenntnisstandes Maßnahmen erforderlich machen, die über die Gewährung eines sich in Geldleis3.4a1, S. 139). Im Vergleich dazu beträgt das Durchschnittsjahreseinkommen eines Pflegenden – und damit eines Berufs, den viele Studienbewerber als Überbrückung während ihrer Wartezeit ergreifen – jährlich 27.804 E brutto im Osten und 37.128 E brutto im Westen Deutschlands. Das Einstiegsgehalt für einen im öffentlichen Dienst beschäftigten Krankenpfleger bewegt sich zwischen 16.800 und 30.680 E brutto. Siehe Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Was man in den Pflegeberufen in Deutschland verdient, 2015, S. 11. 214 Wenn sich im Laufe der Zeit die tatsächlichen Rahmenbedingungen strukturell nachhaltig verändern, kann der Gesetzgeber freilich verpflichtet sein, nachträglich steuernd in sein unter anderen Prämissen gesponnenes Regelungsgeflecht einzugreifen. Das schließt grundsätzlich allerdings nicht Anpassungen der Höhe bereits vereinbarter Vertragsstrafen ein. Denn der Wert des wirtschaftlichen Vorteils bleibt für den Einzelnen – und die für ihn zu dem jeweiligen Zeitpunkt relevante Entscheidung, eine Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen – aufgrund der Irreversibilität von Lebenszeitpunkten grundsätzlich unangetastet.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

tungen erschöpfenden Stipendiums hinausgehen. Der Staat darf sich angesichts der bestehenden Prognoseunsicherheit und der greifbaren Gefahr einer Unterversorgung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise für eine Berücksichtigung der Verpflichtungserklärung bei der Studierendenauswahl als erforderliche Maßnahme entscheiden. (2) Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für Ärzte in unterversorgten Regionen Sind es nicht alleine die finanziellen Rahmenbedingungen, welche die Entscheidung über eine Niederlassung als Landarzt determinieren, ist es sachgerecht, (auch) an den weiteren entscheidungsrelevanten Stellschrauben anzusetzen. Die Attraktivität der Arbeits- und Lebensbedingungen am Tätigkeitsort beeinflusst den Entschluss von Medizinabsolventen, sich an einem bestimmten Ort niederzulassen, in hohem Maße.215 Deren Verbesserung kann die Versorgungsdichte ländlich strukturierter Regionen daher steigern. Geeignete Ansatzpunkte sind insbesondere Starthilfen bei der Niederlassung (a) sowie Vereinfachungen ärztlicher Kooperationsmöglichkeiten (b). (a) Starthilfen bei der Niederlassung Weitgehend unabhängig vom konkreten Standort schrecken bereits der beträchtliche bürokratische Aufwand, das wirtschaftliche Risiko und regelmäßig fehlende Teilzeitmöglichkeiten viele Ärzte vor einer Niederlassung ab.216 Manche sprechen sich das notwendige unternehmerische Know-how nicht zu.217 In ländlichen Regionen haben Ärzte überdies typischerweise eine generell höhere Arbeitsbelastung zu gewärtigen als in urbanen Gebieten. Denn sie versorgen statistisch gesehen mehr Patienten und müssen bei Hausbesuchen oftmals sehr weite Wege zurücklegen.218 Damit korrespondiert die Bürde einer Vielzahl von Bereitschaftsdiensten. Auch sie sind ungleich verteilt: In städtischen Regionen lasten sie auf einer größeren Zahl von Schultern als in ländlichen, so dass sie den einzelnen Landarzt stärker

215

Allgemein zum Einfluss von Arbeits- und Lebensbedingungen auf die Niederlassungsentscheidung vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 349, Rn. 441 sowie die dortigen Nachweise; IGES Institut (Fn. 196), S. 63. Zur Relevanz von Schul- und Betreuungsangeboten für die Niederlassungsentscheidung im Speziellen siehe auch Günther/Kürstein/Riedel-Heller et al. (Fn. 196), S. 435. 216 Vgl. Jacob/Kopp/Schultz (Fn. 13), S. 79; siehe auch die Erklärungen bei Müller (Fn. 12). 217 Vgl. Jacob/Kopp/Schultz (Fn. 13), S. 81. 218 Vgl. Blickle/Polke-Majewski/Stahnke et al. (Fn. 8); Müller (Fn. 12). Vgl. auch die Schilderung von Lauerer, Landarztmangel: Zu wenige weiße Kittel in der Provinz, Spiegel Online vom 7. 3. 2013.

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drückt und seinen Anreiz zur Niederlassung spürbar mindern kann.219 Auch im Verhältnis zu Fachärzten gelten Allgemeinmediziner als strukturell benachteiligt. Ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit ist nach Selbstauskunft Betroffener mit 57,6 Stunden höher als diejenige spezialisierter Fachärzte (55,3 Stunden), während ihr Einkommen im Vergleich durchschnittlich 30 % niedriger liegt.220 Erste Lösungsansätze, um den Herausforderungen wirtschaftlicher Selbständigkeit in ländlichen Arztpraxen zu begegnen, bestehen bereits.221 So hat etwa die Stadt Büsum eine Gemeindepraxis initiiert, die es Ärzten ermöglicht, als Angestellte der Stadt mit geregelten Arbeitszeiten zu praktizieren.222 § 105 Abs. 5 SGB V ebnet dafür – „in begründeten Ausnahmefällen“ – ausdrücklich den normativen Weg. Zum Teil halten die Kassenärztlichen Vereinigungen auch Eigeneinrichtungen auf der Grundlage des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB V vor. Bislang beschränken diese sich jedoch meist (außer in Brandenburg und Sachsen-Anhalt) auf Bereitschaftsdienstpraxen.223 Niedergelassene Ärzte aus der Umgebung, Ärzte im Ruhestand und von der Kassenärztlichen Vereinigung angestellte Ärzte führen dort die Sprechstunden in Einrichtungen durch, welche das sog. Vernetzte Versorgungszentrum der Vereinigung organisiert.224 Denkbar sind darüber hinaus auch Dual-Career-Modelle für berufstätige Paare, um die Attraktivität des ländlichen Lebens- und Arbeitsraumes zu steigern. (b) Stärkung ärztlicher Kooperationsmöglichkeiten Auch der Ausbau ärztlicher Kooperationsmöglichkeiten kann Hemmschwellen für die Niederlassung senken, insbesondere Teilzeitbeschäftigungen (z. B. für Ärzte in der Familienphase) sowie flexible Arbeitszeiten ermöglichen – und dadurch Effizienzpotenziale bei der Versorgung der ländlichen Bevölkerung heben. Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von mobilen Arztpraxen,225 erleichterten Gründungen Medizinischer Versorgungszentren (aa) und Gemeinschaftspraxen (bb) 219 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 443, Rn. 549. 220 Siehe dazu Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 398, Rn. 484. 221 Der Gesetzgeber hat u. a. bereits Versuche unternommen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, vgl. BT-Drucks. 16/2474, S. 21. Ausführlich hierzu Bauer-Schade (Fn. 2), S. 150 f. 222 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Ein ganz besonderes Verhältnis, Pressemitteilung vom 3. 7. 2015. 223 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 368, Rn. 458. 224 Siehe hierzu Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 565 f., Rn. 653. 225 Siehe für Beispiele hierzu Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 576 ff., Rn. 655 ff.; dazu skeptisch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 263 f.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

über eine Erhöhung der zulässigen Zahl von Zweigpraxen (cc) bis hin zu Praxis- und Arztnetzen sowie sonstigen regionalen Zusammenschlüssen (dd). Denkbar ist auch eine Ausweitung bereits in einigen Regionen praktizierter Fahrdienstmodelle, insbesondere Anruftaxis, Bürgerbusse und Shuttle-Services für den Transport von Versicherten.226 Diese Modelle gehen von einem pragmatischen und einleuchtenden Leitgedanken aus: Wenn der Arzt nicht zum Patienten kommt, dann muss der Patient zum Arzt kommen. (aa) Medizinische Versorgungszentren Den Zusammenschluss von Ärzten als Angestellte oder Vertragsärzte vereinfacht das geltende Recht bereits in dem Verbund Medizinischer Versorgungszentren (§ 95 Abs. 1 S. 2 SGB V). Diese nach dem Modell der Polikliniken in der DDR gegründeten Einrichtungen sollen Patienten eine Versorgung „aus einer Hand“ vermitteln.227 Die Zentren erleichtern den Austausch zwischen Ärzten, vermeiden doppelte Wege und machen Kooperationsvorteile nutzbar. Umgekehrt erlauben sie den beteiligten Ärzten, Effizienzpotenziale einer gemeinsamen Infrastruktur zu heben und das wirtschaftliche Risiko einer Niederlassung abzufedern. So können Ärzte eine berufliche Tätigkeit in ländlichen Regionen ohne hohes Amortisationsrisiko und ohne dauerhafte Bindung aufnehmen. Die Medizinischen Versorgungszentren bieten ihren Beschäftigten feste Arbeitszeiten und ein gesichertes Einkommen. Insbesondere eine Teilzeitbeschäftigung lässt sich mit dem Modell sehr gut – insbesondere besser als mit einer Niederlassung in einer eigenen Praxis – vereinbaren und erweitert damit den Kreis der potenziell interessierten Ärzte.228 Das traditionelle normative Leitbild des wirtschaftlich selbständigen Arztes gerät in diesem Modell zugleich ein Stück weit ins Wanken.229 Die Vorteile, die Medizinische Versorgungszentren bieten, können die Attraktivität einer Beschäftigung grundsätzlich sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten steigern; ihr Ansatz ist daher nicht daher notwendig siedlungsstrukturpolitischer Natur. Die Zulassung von Versorgungszentren unterliegt jedoch den gleichen Regeln der Bedarfsplanung für die Zulassung von Vertragsärzten. Dadurch können sie mittelbar auch zu einer Steuerung der ärztlichen Versorgung im Interesse einer gleichmäßigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung beitragen. Im Gefolge der Bündelung ärztlicher Kompetenz an einem Ort können Versorgungszentren aber zugleich das Risiko erhöhen, die Versorgungslage in der Peripherie des Planbereichs zu verschlechtern.230 Diese Gefahr ist umso realer, je größer ein Planungsbereich 226

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Sondergutachten 2009: Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens, BT-Drucks. 16/13770, S. 503, Rn. 1171. 227 BT-Drucks. 15/1625, S. 108. 228 Kühl (Fn. 5), S. 205. 229 Vgl. auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 228. 230 Bauer-Schade (Fn. 2), S. 179.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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zugeschnitten ist.231 Planungsbereiche sollten daher möglichst feingliedrig strukturiert sein. (bb) Gemeinschaftspraxen Dem Bedürfnis, das wirtschaftliche Risiko einer Niederlassung auf dem Land zu senken sowie vorhandene Ressourcen effizient einzusetzen, kommt auch der Betrieb von Gemeinschaftspraxen entgegen.232 Sie sind sowohl als Organisationsgemeinschaft denkbar, die Ärzten die gemeinsame Nutzung der Praxisräume und Einrichtungsgegenstände erlaubt,233 als auch als (stärker verselbständigte) Berufsausübungsgemeinschaft.234 Die Effizienzpotenziale von Gemeinschaftspraxen gezielt in unterversorgten Regionen zu fördern, kann die Niederlassungsbereitschaft junger Ärzte beflügeln. Der Bundesärztetag als Hauptversammlung der Bundesärztekammer empfiehlt seinen Mitgliedskammern in § 18 Abs. 1 seiner Musterberufsordnung für Ärzte, diese Formen des Zusammenschlusses zuzulassen.235 (cc) Zweigpraxen § 24 Abs. 2 Ärzte-ZV sowie die (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärzte sind von dem Leitbild persönlicher ärztlicher Leistungserbringung am Vertragsarztsitz beseelt. Die Vorschriften verwehren es ihnen zugleich nicht prinzipiell, außer an ihrem Praxissitz an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu werden – sofern dies die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt236 (§ 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Ärzte-ZV) und die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert (§ 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Ärzte-ZV).237 Anders als noch nach § 24 Abs. 2 Ärzte-ZV a. F. legt das geltende Recht Vertragsärzten auch keine Residenzpflicht mehr auf. Für Versicherte in ländlichen Regionen verbindet sich damit die Chance, dass in Städten ansässige Ärzte mithilfe ihrer Zweigpraxen auch die umliegende ländliche 231

Zur Verlegung eines Arztsitzes innerhalb eines Planungsbereichs BSG, Urt. vom 3. 8. 2016 – 6 KA 31/15 R –, juris; Dorra/Stellpflug, MedR 2015, S. 239 ff. 232 Zu den Effizienzvorteilen und rechtspolitischen Forderungen Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 226), S. 493 ff., Rn. 1149 ff.; BauerSchade (Fn. 2), S. 253. 233 Bauer-Schade (Fn. 2), S. 180 f. 234 Dazu Bauer-Schade (Fn. 2), S. 181. 235 Die Ärztekammern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Westfalen-Lippe sind dieser Empfehlung in § 18 Abs. 1 ihrer jeweiligen Berufsordnungen gefolgt. Die Ärztekammer Sachsen hat in § 22 i. V. m. Kap. D. II. Nr. 7 ff. eigene Regeln getroffen, die eine Zulassung im Grundsatz ermöglichen. 236 Zu diesem Tatbestandsmerkmal siehe m. w. N. Bauer-Schade (Fn. 2), S. 183 ff. 237 Zur Teilnahme an Notdiensten und zur Höhe der Kämmerbeiträge im Falle von Zweigpraxen Bauer-Schade (Fn. 2), S. 251.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen versorgen und regionale Versorgungslücken schließen.238 Das darin angelegte Bedarfsdeckungsarsenal lässt sich gezielt zur Versorgungssteuerung nutzen und ausbauen, etwa durch eine Erweiterung der Möglichkeiten zum Betrieb von Zweigpraxen in unterversorgten Regionen und finanzielle Anreize zur Wahrnehmung von Versorgungsaufgaben in der Peripherie von Städten.239 (dd) Praxis- und Arztnetze und sonstige regionale Zusammenschlüsse Auch eine stärker sektorübergreifende Planung und Verzahnung ambulanter und stationärer Angebote mit abgestuften Versorgungsstrukturen kann zur Verbesserung der medizinischen Angebotsqualität auf dem Land beitragen. Die wohnortnahe hausärztliche Primärversorgung und das Leistungsangebot spezialisierter Fachärzte greifen dann Hand in Hand.240 Denkbar sind insbesondere Arztnetze, wie etwa das Ärztenetz Südbrandenburg241 – eine Kombination aus regional orientierten und sektorenübergreifenden Zusammenschlüssen zwischen vernetzten Praxen einerseits und akutstationären Einrichtungen andererseits sowie Verbünden zur Versorgung spezieller Patientengruppen bzw. Krankheitsbilder. Indem sie gezielt Vernetzungsmöglichkeiten schaffen und Effizienzpotenziale in der übergreifenden Versorgung von Patienten heben, erleichtern diese Modelle dem einzelnen Arzt die Aufgabenwahrnehmung und erhöhen dadurch die Attraktivität seiner Tätigkeit. Die primäre Zielrichtung der Konzepte liegt jedoch darin, die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung in einer Region sicherzustellen242 – die Erhöhung der Zahl von Landärzten wäre allenfalls eine erfreuliche Nebenfolge als Baustein eines breit gefächerten Instrumentenmix. (c) Bewertung des Wirksamkeitspotenzials Durch zahlreiche Maßnahmen hat der Gesetzgeber mit dem Ziel einer Verbesserung der Versorgung ländlicher Regionen in der jüngeren Zeit zur Liberalisierung des ärztlichen Berufsrechts beigetragen. Die Maßnahmen reichen von der Zulassung von Zweigpraxen bis zur Aufhebung der Altersgrenze der Vertragsärzte (§ 95 Abs. 7 S. 3 SGB V a. F.).

238

BT-Drucks. 16/2427, S. 15. Dazu bereits B. II. 2. c) aa) (1), S. 53 ff. 240 Dazu näher Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 448 ff., Rn. 553 ff., insbesondere mit dem Vorschlag, Krankenhäuser zu einem sog. Lokalen Gesundheitszentrum auszubauen, das die ambulante und stationäre Versorgung unter einem Dach zusammenführt und damit eine gemeinsame Versorgungsverantwortung aller beteiligten Professionen etabliert, die vorhandene Ressourcen effizient nutzt. 241 Dazu Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 567, Rn. 654 f. 242 Vgl. hierzu insges. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 567 ff., Rn. 654 ff. 239

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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Reizt der Gesetzgeber alle Möglichkeiten aus, die ihm zu Gebote stehen, wird er zwar die sichtbarsten Auswüchse einer ungleichen Versorgung womöglich lindern. Die Problematik eines akuten Ärztemangels auf dem Land wird er damit alleine aber im Zweifel nicht hinreichend zufriedenstellend bewältigen können – so wie auch die bereits ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichten, um den sich abzeichnenden Trend zu stoppen oder gar umzukehren. Insbesondere erhöhen Maßnahmen des Berufsrechts grundsätzlich nicht den Umfang der insgesamt zur Verfügung stehenden Kapazität ärztlicher Leistungsstunden. Vielmehr eröffnen sie (wie z. B. Medizinische Versorgungszentren oder Zweigpraxen) neue Ausübungsformen, die teilweise das enge Band der persönlichen Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient ein Stück weit lockern. Ein hinreichendes Maß an Vor-Ort-Versorgung der ländlichen Bevölkerung durch ortsnah ansässige, hinreichend zeitnah erreichbare Ärzte machen sie – insbesondere in abgelegenen Landstrichen, die viele Kilometer von der nächsten Stadt entfernt liegen243 – keineswegs überflüssig. Politische Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im ländlichen Raum abzielen, teilen allesamt eine Eigenschaft: Sie können den Erfolgseintritt – die Niederlassung von Ärzten im ländlichen Raum – fördern, nicht aber mit hinreichender Zuverlässigkeit steuern oder gar garantieren. Sie weisen eine hohe Streuwirkung auf, ohne punktgenaue Treffsicherheit verbürgen zu können.244 Die Grenzen der Steuerungswirkung von Infrastrukturmaßnahmen drücken sich auf zweierlei Weise aus: Die Maßnahmen setzen einerseits zwar Anreize, welche die Attraktivität von Landarztstellen insgesamt erhöhen sollen. Sie können aber nicht garantieren, dass sich die Zahl der Ärzte, die sich in ländlichen Gebieten ansiedeln, in hinreichendem Umfang erhöht. Selbst wenn die auf die Verbesserung der Arbeitsund Lebensbedingungen von Landärzten abzielenden Maßnahmen anschlagen, ist nicht sichergestellt, dass sich die Ärzte auch passgenau auf die jeweils unterversorgten Gebiete verteilen: Einzelne dünn besiedelte Gebiete werden auch weiterhin attraktivere Niederlassungsstandorte bleiben als andere. Die Bereitschaft, sich im ländlichen Raum in akut unterversorgten Regionen niederzulassen, wird sich durch verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen sowie eine Verbesserung der berufsrechtlichen Rahmenbedingungen daher voraussichtlich nicht bzw. nicht mit hin243

32.

Vgl. als Beispiel Vorpommern: van den Berg/Radicke/Stentzel et al. (Fn. 27), S. 17 f.,

244 Viele derjenigen Gründe, die junge Absolventen eines Medizinstudiums von einer Niederlassung in ländlichen Regionen abhalten, sind den Eigenheiten ländlicher Räume immanent und entziehen sich daher einer strukturellen Veränderbarkeit. Regelmäßig übersteigt es insbesondere die Leistungskraft ländlicher Regionen, durch Infrastrukturmaßnahmen ein ausgewogenes Freizeitangebot in Gestalt von Kinos, Theatern, Schwimmbädern etc. zur Verfügung zu stellen, das mit Ballungsräumen konkurrieren kann; sie können insoweit allenfalls Akzente setzen. Dazu auch bereits S. 59 sowie Bauer-Schade (Fn. 2), S. 229; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 226), S. 510, Rn. 1201.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

reichender Sicherheit in eine bundesweit homogene Besetzung offener Landarztstellen kanalisieren lassen. Auch wenn sich die Arbeits- und Lebensbedingungen von Ärzten in unterversorgten Regionen durch entsprechende Regelungen verbessern lassen, schließen diese eine Quote für später in unterversorgten Regionen tätige Ärzte – gerade unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums und des Umstandes, dass die alternativen Maßnahmen die Problemlage lindern, nicht aber hinreichend wirksam beseitigen können – mithin nicht aus. Die Möglichkeit, Krankentransporte einzurichten, die den Versicherten zum Arzt bringen sollen, ändert an diesem Befund nichts. In nicht wenigen Fällen – gerade bei chronischen Krankheitszuständen – sind (insbesondere vergleichsweise weite) Fahrten der Versicherten zu ihrem Arzt aufgrund der körperlichen Verfassung des Patienten ausgeschlossen und Hausbesuche dadurch unvermeidlich. Fahrdienste können die Problematik unzureichender Niederlassung von Ärzten in ländlichen Regionen daher ebenfalls nur teilweise lindern, die strukturelle Problematik aber nicht in einer Weise lösen, die eine Verdichtung ärztlicher Niederlassung entbehrlich macht. (3) Anwerbung ausländischer Ärzte Deutschland macht (wiewohl bisher nicht systematisch)245 verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch, im Ausland lebende Ärzte anzuwerben, um Versorgungslücken zu schließen.246 Von den rund 371.000 in Deutschland tätigen Ärzten sind gegenwärtig rund 11,3 % (ca. 42.000) Nicht-Deutsche.247 Alleine im Jahr 2015 sind rund 3.100 ausländische Ärzte nach Deutschland zugewandert; der Migrationssaldo ist positiv.248 Inwiefern die Zuwanderung ein taugliches, sinnvolles und hinreichendes Mittel ist, um dem Ärztemangel im ländlichen Raum wirksam abzuhelfen, stößt auf un-

245

Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 368, Rn. 459; speziell zur stationären Versorgung siehe S. 441, Rn. 543. 246 Vgl. etwa für Mecklenburg-Vorpommern Anonymous, Ausländische Ärzte helfen Lücken in MV zu schließen, Focus Online vom 19. 7. 2015. Für Brandenburg und Sachsen siehe Bauer-Schade (Fn. 2), S. 246 f. Schmidt/Gresser, VersMed 2014, S. 25 (28), weisen darauf hin, dass bereits knapp 90 % der bayerischen Krankenhäuser ausländische Ärzte beschäftigen. Schmidt, Entwicklung der ärztlichen Versorgung in Bayern unter Berücksichtigung des steigenden Anteils an ausländischen Ärztinnen und Ärzten mit Darstellung der aktuellen Personalsituation anhand einer Befragung bayerischer Krankenhäuser, 2014, S. 23, spricht davon, dass ausländische Ärzte eine „unverzichtbare Kapazität“ darstellen. Der Anteil ausländischer Ärzte in Deutschland hat sich zwischen 2002 und 2012 nahezu verdoppelt, vgl. BT-Drucks. 18/ 1162, S. 19. 247 Bundesärztekammer (Fn. 4), Tabelle 10, Blatt 2. 248 Bundesärztekammer (Fn. 4), Tabelle 10, Blatt 2.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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terschiedliche Einschätzungen.249 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf sprachliche Barrieren (a), das fachliche Anforderungsniveau (b) sowie die Steuerungswirkung der Maßnahme (c). (a) Sprachliche Barrieren Angeworbene Ärzte, die nicht in Deutschland studiert haben, verfügen oftmals über mangelhafte Deutschkenntnisse.250 Ist ein verbaler Austausch zwischen Arzt und Patient nicht oder nur unzureichend möglich, belastet dies das Arzt-PatientVerhältnis. Bereits die Anamnese setzt ein gutes Verständnis der deutschen Sprache voraus. Denn nur unter Einbeziehung der mündlichen Auskünfte des Patienten über sein Befinden kann sich der Arzt ein umfassendes Bild – auch über Vorerkrankungen – machen. Sprachschwierigkeiten können Missverständnisse evozieren und darauf beruhende Fehldiagnosen nach sich ziehen. Neben dem eigenen (passiven) Verstehen der Sprache ist auch ein hinreichendes (aktives) sprachliches Ausdrucksvermögen des Arztes unverzichtbar. Er muss eventuelle Rückfragen des Patienten nicht nur verstehen, sondern vor allem (in verständlicher Form) beantworten können. Auch bei der ärztlichen Therapie ist ein gegenseitiges Verstehen notwendig: Nur wenn der Arzt den Patienten in angemessenem Umfang über erhobene Befunde, in Betracht kommende Behandlungsmöglichkeiten sowie ihre Alternativen und die damit verbundenen Risiken verständlich informieren kann, ist eine wirksame Einwilligung des Patienten denkbar und der Heilungserfolg nicht gefährdet.251 Auch die Zusammenarbeit zwischen ausländischem Arzt und anderen Ärzten verkompliziert sich durch Sprachbarrieren.252 Anders als in einem Krankenhaus, in dem typischerweise eine Vielzahl von Ärzten in die 249

Siehe nur die unterschiedlichen Auffassungen im Rahmen der Expertengespräche bei Oberlander, Sicherung der ärztlichen Versorgung in Deutschland, 2010, S. 165 f. 250 Vgl. auch zum Folgenden Anonymous, Viele ausländische Ärzte in NRW fallen durch die Sprachprüfung, Kölnische Rundschau online vom 27. 4. 2015; Borstel, Wenn der Arzt nur schlecht Deutsch spricht, Die Welt online vom 28. 4. 2015. Zur Sprachkompetenz ausländischer Ärzte vgl. auch Schmidt/Gresser (Fn. 246), S. 29. 251 Zu sprachlichen Notwendigkeiten im Hinblick auf die Einwilligung siehe BauerSchade (Fn. 2), S. 247; vgl. auch Gesundheitsministerkonferenz, Beschlüsse der 86. GMK (2013) – TOP: 7.3 Sprachkenntnisse ausländischer Ärztinnen und Ärzte, 2013: „Die Gesundheitsministerkonferenz stellt fest, dass für die Ausübung eines verkammerten akademischen Heilberufes in Deutschland aus Gründen des Patientenschutzes ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache unerlässlich sind. Nur eine gute Kommunikation zwischen den Heilberufen und den Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen bietet Schutz vor Missverständnissen und Unklarheiten, die einer richtigen Diagnose und Therapie sowie einer Therapietreue entgegenstehen können. Ausreichende Deutschkenntnisse in Wort und Schrift sind darüber hinaus auch im Interesse der Sicherstellung der Zusammenarbeit der Heilberufe unter- und miteinander und damit im Interesse der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit unerlässlich.“ 252 Zu den Anforderungen siehe auch Gesundheitsministerkonferenz, TOP 7.3 – Eckpunkte zur Überprüfung der für die Berufsausübung erforderlichen Deutschkenntnisse in den akademischen Heilberufen, 2014.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Behandlung eingebunden ist, die als Team gerade in Problemfällen interagieren, kann in einer Praxis für Allgemeinmedizin typischerweise kein ärztlicher Kollege bei Verständigungsproblemen helfen; das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist noch bedeutender als in einem Krankenhaus. Im schlimmsten Fall wirkt sich das negativ auf den Therapieerfolg aus. Um eine sachgerechte medizinische Betreuung zu gewährleisten, die derjenigen eines bereits vor dem Studium als Landarzt verpflichteten Mediziners gleichkommt, bedarf es daher geeigneter Mechanismen, die sicherstellen, dass die angeworbenen Ärzte über die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.253 (b) Fachliches Anforderungsniveau Die Anwerbung ausländischer Ärzte darf nicht mit einer Absenkung bestehender Qualitätsstandards einhergehen, welche die intendierte qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen sollen. Innerhalb der Europäischen Union haben sich die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Berufsanerkennungsrichtlinie bindend auf eine weitreichende wechselseitige Anerkennung ihrer berufsqualifizierenden Abschlüsse verständigt.254 Für die Medizinabschlüsse aus Nicht-EU-Ländern ist die Gleichwertigkeit der medizinischen Ausbildung demgegenüber nicht ohne Weiteres sichergestellt. Das fachliche Anforderungsniveau – im Verbund mit den Anforderungen an die Kenntnisse der deutschen Sprache – schränkt die Anzahl an Personen nachhaltig ein, die als Ziel der Anwerbung in Frage kommen.255 (c) Räumliche Niederlassungsbeschränkung durch Verpflichtungserklärung Akquiriert das deutsche Gesundheitssystem sprachlich und fachlich hinreichend qualifizierte ausländische Ärzte, um mit ihrer Hilfe Versorgungslücken im ländlichen Raum zu schließen, muss es auch sicherstellen, dass diese tatsächlich die vakanten Landarztstellen besetzen. Dieses Ziel lässt sich dann nicht erreichen, wenn die Angeworbenen bereits nach kurzer Zeit den ländlichen Raum zugunsten einer Tä253 Zur Prüfpraxis in den einzelnen Bundesländern siehe Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 441, Rn. 545. 254 Siehe dazu auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie 2013/15/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) für bundesrechtlich geregelte Heilberufe und andere Berufe, BT-Drucks. 18/6616; siehe auch Haage, MedR 2015, S. 655 ff.; Igl/Ludwig, MedR 2014, S. 214 ff. 255 Eine Übersicht über das Verfahren und die einzureichenden Dokumente findet sich unter: Anerkennung in Deutschland – Das Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Arzt/Ärztin https://www.anerkennung-indeutschland.de/html/de/arzt_aerztin.php (25. 8. 2016).

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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tigkeit in Ballungsräumen bzw. ausreichend versorgten Gebieten verlassen.256 Soll die ärztliche Unterversorgung bestimmter Regionen ähnlich zuverlässig wie durch eine Landarztquote bekämpft werden, bedarf auch die Anwerbung ausländischer Ärzte daher eines Sicherungsinstrumentes, das deren Tätigkeit im ländlichen Raum für einen gewissen Zeitraum gewährleistet.257 Eine solche Verpflichtungserklärung beeinträchtigt die Grundrechte und Grundfreiheiten der ausländischen Ärzte258 ebenso intensiv wie diejenige, welche Studienbewerber im Rahmen der Vorabquote für angehende Landärzte abgeben, soll ihr die gewünschte Wirkung zukommen. Milder ist diese Alternativmaßnahme nur, aber immerhin insoweit, als sie nicht in die Studienplatzauslese hineinwirkt: Sie beeinträchtigt nicht die Teilhaberechte konkurrierender Studienplatzbewerber, die keine Verpflichtungserklärung abgeben wollen oder können, und unterwirft die ausländischen Interessenten nicht der gleichen Unsicherheit über lange Ausbildungsphasen hinweg, die Lebensentwürfe während der Ausbildungsphase nachhaltig verändern können. Gleiches gilt auch im Hinblick auf die örtliche Planungssicherheit: Da die Anwerbung unmittelbar vor der Niederlassung, nicht vor Aufnahme einer Ausbildung erfolgt, kann sich die Verpflichtungserklärung – anders als im Falle der Landarztquote259 – gezielt und flexibel auf bestimmte Orte beschränken, in denen aktuell eine akute Unterversorgung besteht. Sollen ausländische Ärzte eine Verpflichtungserklärung abgeben, bedarf das aber ebenso entsprechender Anreize, etwa besonderer Zuschüsse. Da EU-Ausländer in der Union Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit genießen und grundsätzlich gegenüber Inländern nicht diskriminiert werden dürfen, müssen die Anreize, die zu einer Verpflichtungserklärung animieren, den grundrechtlichen Anforderungen genügen und mithin besonders hoch, jedenfalls fühlbar höher als die von der Erklärung ausgehende Beeinträchtigung sein.260 Die Zahl derjenigen Ärzte aus Nicht-EU-Ländern, die für eine Versorgung auf qualitativ – fachlich, aber auch sprachlich261 – äquivalentem Niveau zur Verfügung stehen und eine Verpflichtungserklärung abzugeben bereit sind, dürfte überschaubar 256 Schon jetzt praktizieren diejenigen ausländischen Ärzte, die nach ihrer Ausbildung nach Deutschland gekommen sind, vorwiegend in Krankenhäusern (71,8 %), vgl. Bundesärztekammer (Fn. 4), Tabelle 10, Blatt 2. 257 Australien und die Vereinigten Staaten erleichtern ausländischen Ärzten ein Arbeitsvisum und eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, sofern diese sich verpflichten, als Ärzte in unterversorgten Regionen zu arbeiten, Simoens (Fn. 5), S. 109. 258 Die angeworbenen Ärzte, die aus dem EU-Ausland stammen, können sich wegen Art. 18 Abs. 1 AEUV auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, vgl. oben Fn. 133. Nicht aus dem EUAusland stammenden Ärzten steht immerhin Art. 2 Abs. 1 GG zur Seite. 259 Vgl. zur Latenzzeit B. II. 2. c) aa) (10), S. 88 mit Fn. 328 und zur Determinierung des Tätigkeitsorts C. I. 3. b) cc) (2) (b) (bb), S. 123 f. 260 Siehe dazu auch C. IV., S. 133 ff. 261 Vgl. zu den sprachlichen Schwierigkeiten ausländischer Ärzte auch Schmidt/Gresser (Fn. 246), S. 26.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

sein. Die bisher bestehenden Anwerbungserfolge rechtfertigen nicht den zwingenden Schluss, dass örtliche Versorgungsengpässe sich in hinreichendem Umfang und einer den Bedürfnissen der Patienten gerecht werdenden Weise durch Gewinnung ausländischer Ärzte ausreichend zuverlässig bewältigen lassen. Gelangt der Gesetzgeber zu der Gesamtbewertung, dass sich alleine durch die Anwerbung ausländischer Ärzte der Ärztemangel im ländlichen Raum nicht mit hinreichender Sicherheit, insbesondere qualitativ und quantitativ intendierter gleichwertiger Versorgungsqualität, wie bei Zulassung eigens für die Tätigkeit auf dem Land ausgewählter Studierender, beheben lässt, ist dies mit Blick auf seinen Prognose- und Einschätzungsspielraum von Rechts wegen nicht zu beanstanden.262 (d) Zwischenergebnis Die Anwerbung ausländischer Ärzte ist ein Baustein eines Sets von Maßnahmen, der dazu beitragen kann, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern; sie bildet ein ergänzendes Instrument, um eine angemessene Versorgung sicherzustellen.263 Überflüssig macht sie eine Landarztquote bei der Zulassung zum Medizinstudium hingegen auch aus der grundrechtlichen Perspektive der Erforderlichkeit nicht. (4) Erhöhung der Gesamtstudierendenanzahl Ein Weg, die medizinische Versorgung auf dem Land zu verbessern, kann darin bestehen, die Anzahl der Medizinstudienplätze insgesamt zu erhöhen.264 Dann könnten die Universitäten bestehende Aufnahmekapazitäten aufstocken und so dazu beitragen, dass sich – wenn auch nicht prozentual, so doch absolut betrachtet – mehr Absolventen für eine Niederlassung als Landarzt entscheiden.265 262 Vgl. auch Schmidt/Gresser (Fn. 246), S. 29, die darauf hinweisen, dass gerade mit Blick auf die Zahl an Ärzten, die aus Deutschland abwandern, auch eine große Zahl an zuwandernden ausländischen Ärzten „kein Garant für eine ausreichende Versorgung“ ist. Sie kommen zu dem Schluss: „Langfristig kann die Funktionsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems jedoch nicht nur durch Zuwanderung gelöst werden.“ (ibid.). 263 Siehe dazu auch etwas verhaltener Borchardt (Fn. 205), S. 180: „Mit der besseren Verteilung der Ärzte über die Bundesländer und bedingt durch den Abbau von Kapazitäten im Zuge der DRG-Umsetzung, werden genügend deutsche Ärzte zur Verfügung stehen, um die Versorgungslage weitgehend ohne eine Abhängigkeit von der Einwanderung weiterer Ärzte gestalten zu können“. 264 Siehe auch Bundesministerium für Gesundheit (Fn. 33), S. 17, Rn. 454 ff.; Krauß, Die Ersatzkasse 2009, S. 362 (363); Oberlander (Fn. 249), S. 162. Vgl. auch die Nachweise bei Bauer-Schade (Fn. 2), S. 236 mit Fn. 9. 265 Dies ist etwa in Nordrhein-Westfalen geschehen. Dort wurden in den Jahren 2011 bis 2015 für das Medizinstudium 935 zusätzliche Studienplätze geschaffen, vgl. Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Land und Hochschulen schaffen bis 2015 insgesamt 935 zusätzliche Medizinstudienplätze in NRW, Pressemitteilung vom 5. 5. 2011.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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Eine Erhöhung der Anzahl der universitären Studienplätze ist jedoch zum einen nicht in beliebigem Maße und nur mit nennenswertem zeitlichem Vorlauf möglich.266 Sie ist zum anderen nicht gleichermaßen zielgenau wie die privilegierte Zulassung solcher Bewerber, die sich zu einer Tätigkeit als Arzt in unterversorgten Regionen verpflichten. Der Eintritt des Erfolgs – die Niederlassung der zusätzlich ausgebildeten Ärzte im ländlichen Raum nach abgeschlossener Facharztausbildung – lässt sich nämlich durch eine pauschale Steigerung der Kapazitäten nicht (hinreichend treffsicher) steuern. Eine Garantie dafür, dass sich die Absolventen in Gebieten niederlassen, in denen eine medizinische Unterversorgung zu verzeichnen ist, vermittelt die Maßnahme ihrem Wesen nach nicht. Mögen sich auch einzelne zusätzlich ausgebildete Ärzte im ländlichen Raum niederlassen, um etwa dem mit steigender Zahl der Absolventen wachsenden Konkurrenzkampf in Ballungsräumen aus dem Weg zu gehen, stellt dies den erwünschten Verteilungseffekt – eine flächendeckende medizinische Versorgung in allen bisher unterversorgten Gebieten – nicht hinreichend zuverlässig sicher. Vielmehr ist bereits mit den heutigen Studienplatzzahlen ein zunehmender Konkurrenzkampf in Ballungsräumen zu verzeichnen, der in der Gesamtschau bislang keineswegs die gewünschte Verteilung auch auf ländliche Regionen nach sich zieht. Eine Erhöhung der Gesamtstudierendenanzahl als solche kann insofern zwar einen Beitrag leisten, die ärztliche Versorgung auf dem Lande sicherzustellen. Angesichts der hohen Streuwirkung und der niedrigen Ergebnissicherheit steht es dem Gesetzgeber aber frei, auf sie nicht als einzige Maßnahme zu vertrauen. Im Rahmen seines Einschätzungsspielraumes, insbesondere im Hinblick auf die unsichere tatsächliche Entwicklung der Versorgungssituation, darf er im Alternativenvergleich das Instrument einer Verpflichtungserklärung bei der Zulassung zum Medizinstudium für erforderlich halten. In zuverlässiger Weise wirksam wird eine Erhöhung der Gesamtstudierendenzahl dann, wenn der Staat die neu geschaffenen Studienplätze solchen Bewerbern vorbehält, die eine Verpflichtungserklärung für eine spätere landärztliche Tätigkeit abgeben. Von dieser Koppelung der Studienplatzzuweisung geht dann aber genau diejenige grundrechtliche Beeinträchtigungswirkung auf die Teilhaberechte Betroffener aus, welche die Landarztquote als grundrechtlicher Malus in sich trägt: Die Quote verändert die Zugangschancen, welche Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG etabliert, zum Nachteil derjenigen Bewerber, die entgegen der intendierten Lenkungswirkung keine Verpflichtungserklärung abzugeben bereit sind. Eine Erhöhung der Gesamtstudierendenzahl um die Studienplätze der Landarztquote erhöht immerhin die Verteilungsmasse und lässt insoweit die Zuteilungschancen der bisherigen Bewerber im Verhältnis zum Status quo im Ergebnis 266 Siehe auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 236 mit Verweis auf die Begrenzung universitärer Infrastrukturen und bestehende Budgetrestriktionen. Zum Kostenaspekt siehe auch Hampe/ Hissbach/Thews et al., Forschung & Lehre 2012, S. 480 (480). Die Pflicht zur erschöpfenden Nutzung der Kapazitäten kann in eine Spannungslage mit der in Art. 5 Abs. 3 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der Lehrenden treten, vgl. OVG Bautzen, Beschl. vom 25. 7. 2013 – NC 2 B 399/12 –, juris Rn. 7.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

unberührt; denn die bisher verfügbaren Studienplätze werden weiterhin nach dem vertrauten Modus verteilt. Insofern handelt es sich um ein freiheitserweiterndes und politisch sinnvolles Mittel. Das ändert aber nichts daran, dass dem Einzelnen gegenüber dem Staat grundsätzlich kein Kapazitätserweiterungsanspruch zur Seite steht,267 soweit insgesamt (wenn auch nicht notwendig im Hinblick auf die regionale Verteilung der Absolventen) ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen.268 Wenn diese Prämisse greift, ist der Gesetzgeber grundrechtlich auch nicht zwingend gehindert, eine Landarztquote einzuführen, ohne gleichzeitig die Gesamtzahl der Studienplätze zu erhöhen. (5) (Stärkere) Limitierung der Zulassung in Ballungsräumen Beschränkt der Gesetzgeber die Zulassung als Vertragsarzt in überversorgten Gebieten in stärkerem Umfang als bisher,269 erhöht das als Verengung der Handlungsoptionen die Wahrscheinlichkeit, dass Absolventen in stärkerem Umfang bereit sind, sich in ländlichen Räumen niederzulassen. Ein Instrument, das in diese Richtung zielt, kennt § 100 Abs. 2 SGB V (i. V. m. § 16 Ärzte-ZV) bereits:270 Die Vorschrift lässt – in den Grenzen des Erforderlichen – ausdrücklich Zulassungsbeschränkungen zu, um der Unterversorgung bestimmter Regionen entgegenzuwirken. Die praktische Wirkung des Instruments ist bislang aber sehr begrenzt geblieben.271

267

Vgl. dazu S. 45. Ob diese Voraussetzungen noch gegeben sind, ist gegenwärtig Gegenstand einer kontroversen Diskussion. Nachdem die Wartezeit für einen Studienplatz unterdessen auf 14 Semester angestiegen ist, sieht das VG Gelsenkirchen eine verfassungsrechtlich kritische Grenze überschritten. Es hat dem BVerfG daher im März 2014 die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des bestehenden Zugangsregimes im Wege einer konkreten Normenkontrolle vorgelegt (VG Gelsenkirchen, Beschl. vom 18. 3. 2014 – 6z K 4324/13 –, vgl. hierzu bereits Fn. 74). Im konkreten Fall hatte sich ein 25-jähriger Physiotherapeut über fünf Jahre erfolglos auf einen Studienplatz im Fach Medizin beworben. Eine der zentralen Fragen, die das BVerfG zu beantworten hat, wird sein, ob das gegenwärtige Zugangsregime von sachgerechten Auswahlkriterien getragen ist und ob für diesen Fall ausnahmsweise aus einem derivativen Zugangsanspruch ein originärer Verschaffungsanspruch erwachsen kann, wenn die Knappheit ein Maß erreicht hat, das mit den grundrechtlichen Gewährleistungen nicht mehr vereinbar ist. 269 Zu den sich damit verbindenden rechtlichen Herausforderungen, insbesondere dem faktischen Veräußerungsverbot, das sich aus einer Verminderung der Zahl der Vertragsarztsitze in einem überversorgten Planbezirk verbindet, z. B. Bauer-Schade (Fn. 2), S. 240 ff. 270 Dazu insbesondere Bauer-Schade (Fn. 2), S. 219 f.; Kühl (Fn. 5), S. 117 ff.; zum Normzweck des § 100 Abs. 2 SGB V vgl. Hess, in: Körner/Leitherer/Mutschler (Hrsg.), SozVersR, 88. Erg.-Lfg., Dez. 2015, § 100 SGB V, Rn. 2; Neumann (Fn. 170), § 100 SGB V, Rn. 1. 271 Rehborn/Ossege, in: Berchtold/Huster/Rehborn (Hrsg.), Gesundheitsrecht, 2015, § 100 SGB V, Rn. 6; Sproll, in: Krauskopf (Hrsg.), SGB V, 86. Erg.-Lfg., Okt. 2014, § 100 SGB V, Rn. 2. Zum wohl bisher einzigen Anwendungsfall der Vorschrift siehe Hess (Fn. 270), § 100 SGB V, Rn. 6. 268

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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(a) Milderes Mittel; Einordnung in die Stufenlehre Dass die Limitierung der Zulassung als Vertragsarzt in überversorgten Gebieten im Verhältnis zur Studienbewerberauswahl auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung ein milderes Mittel darstellt, versteht sich nicht von selbst. Denn sie wirkt intensiv in die Freiheit der Berufsausübung hinein. Auf welcher Eingriffsstufe eine Zulassungsbeschränkung für Mediziner in Ballungsräumen im Rahmen der Drei-Stufen-Lehre anzusiedeln ist, lässt sich unterschiedlich werten. In Betracht kommen eine Einordnung als objektive Berufszulassungsschranke272, als subjektive Berufszulassungsvoraussetzung273 (sofern der Zugang von persönlichen Qualifikationen, etwa Examensnoten, abhängt) sowie als Berufsausübungsregelung274. Berufsausübungsregelungen bewegen sich grundsätzlich auf der Stufe der geringsten Eingriffsintensität.275 Entsprechend sind die Anforderungen an ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung niedriger als bei Eingriffen in Gestalt subjektiver oder objektiver Berufszulassungsschranken.276 Objektive Berufszulassungsvoraussetzungen unterliegen demgegenüber sehr hohen Rechtfertigungsanforderungen: Sie sind nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zulässig.277 Wer keine Vertragsarztzulassung für eine bestimmte Region erhält, dem verschließt sich die Ausübung des Arztberufs nicht gänzlich.278 Vielmehr schränkt sich die Wahl seines Praxisstandorts bzw. seiner Möglichkeit ein, gesetzlich Versicherte in einer bestimmten Gegend zu behandeln.279 Da Ärzte zur Sicherung ihrer Erwerbsgrundlage typischerweise auf Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung

272 So etwa Krölls, GewArch 1993, S. 217 (225); Papier (Fn. 153), S. 15 u. 41. So wohl auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 134 ff., S. 243 f. 273 So wohl Heun (Fn. 5), S. 223 m. w. N. 274 So etwa Kühl (Fn. 5), S. 121 zur Qualifikation der Regelung des § 100 Abs. 2 SGB V. Vgl. auch BSGE 82, S. 41 (43). In diese Richtung wohl auch BVerfGE 11, S. 30 (41 f.). Das BVerfG (DVBl 2002, S. 400 [401]) führt unter Bezugnahme auf BSGE 82, S. 41 (43 ff.) aus: „Eine Bewertung als Berufswahlregelung erscheint eher fernliegend, wenn die angegriffenen Zulassungsbeschränkungen dahin verstanden werden, dass den approbierten Ärzten typischerweise hierdurch nur eine Zulassungschance in irgendeinem Planungsbezirk vorgegeben wird, in dem sie sich für eine Niederlassung als Vertragsarzt, nicht etwa als Arzt schlechthin, entscheiden müssen“. 275 Vgl. Jarass (Fn. 133), Art. 12, Rn. 34. 276 Bei Berufsausübungsregelungen bedarf es lediglich „vernünftige[r] Erwägungen des Gemeinwohls“, um den Eingriff in Art. 12 GG zu rechtfertigen; BVerfGE 7, S. 377 (405). 277 BVerfGE 7, S. 377 (408). 278 Das ergibt sich bereits daraus, dass der Beruf des Arztes als solcher (und nicht die Vertragsarzttätigkeit) als „Beruf“ zu begreifen ist, vgl. BVerfGE 11, S. 30 (41 f.). 279 Kühl (Fn. 5), S. 121.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

angewiesen sind, wirkt die Einschränkung aber besonders nachhaltig.280 Sie kann in ihrer tatsächlichen Wirkung deshalb im Einzelfall einer Berufszulassungsvoraussetzung gleichkommen.281 Gleichwohl ist der Zulassung zum Studium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung regelmäßig eine höhere Beeinträchtigungsintensität eigen als der Beschränkung der Zahl von Niederlassungsmöglichkeiten als Vertragsarzt.282 Denn erstere setzt an der Zulassung zum Studium der Medizin, nicht aber an der Zulassung zum Beruf des Vertragsarztes an. Eine mit der Zulassung verbundene Verpflichtungserklärung greift durch ihre langfristige Bindungswirkung auch sehr intensiv in Lebensentwürfe ein. Das macht sie zu einem in der grundrechtlichen Gesamtbilanz intensiveren Eingriffsinstrument. (b) Gleiche Eignung? Ob die Limitierung der Berufszulassung in überversorgten Gebieten genauso geeignet ist wie eine privilegierte Zulassung angehender Landärzte zum Studium, um dem Ärztemangel im ländlichen Raum abzuhelfen, ist nicht gesichert. Anders als die Steuerung über die Zulassung zum Studium adressiert sie den Bedarf an Ärzten der unterversorgten Gebiete nämlich nicht direkt.283 Der erhoffte Effekt – ein Ausweichen der Ärzte auf unterversorgte Gebiete – ist eine wahrscheinliche, keineswegs aber notwendige Konsequenz einer Beschränkung der Ärztezulassung in überversorgten Gebieten.284 Die Ärzte können sich stattdessen auch in einem Gebiet ansiedeln, das zwar nicht überversorgt ist, jedoch über eine ausreichende (aber nicht überschüssige) Arztdeckung verfügt.285 Ebenso ist es möglich, dass sie auch gänzlich ohne Vertragsarztzulassung praktizieren (etwa als Angestellter in einem Krankenhaus) oder in andere medizinische Berufszweige, etwa in die Pharmabranche, die Forschung oder in die Gesundheitswirtschaft ausweichen.286 In diesen Fällen verpufft der erhoffte Steuerungseffekt. 280

Schätzungen aus dem Jahr 2012 gehen davon aus, dass lediglich etwa 11.000 Ärzte als Privatärzte niedergelassen sind, vgl. Anonymous, Statistik zeigt Trend zur Privatmedizin, ÄrzteZeitung online vom 31. 1. 2012. Insgesamt waren (im Jahr 2015) rund 120.000 Ärzte niedergelassen, vgl. Bundesärztekammer (Fn. 4), Tabelle 8. 281 BVerfGE 11, S. 30 (42 ff.); siehe auch BVerfGE 103, S. 172 (184). 282 So auch Wissenschaftliche Dienste BT, Erleichterter Zugang zum Medizinstudium für künftige Hausärzte in ländlichen Gebieten? Ergänzung zur Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 051/ 14, 2014, S. 7; zur Rechtfertigung von Zulassungsbeschränkungen für Vertragsarztsitze siehe z. B. Heun (Fn. 5), S. 223. 283 Kühl (Fn. 5), S. 122: „mittelbares Steuerungsinstrument“. Vgl. zu § 100 Abs. 2 SGB V auch Kaltenborn (Fn. 156), § 100, Rn. 1. 284 Krölls (Fn. 272), S. 225, ist sich sicher, dass regionale Zulassungsbeschränkungen dazu führen, dass Ärzte in unterversorgte Gebiete ausweichen. Skeptischer Bauer-Schade (Fn. 2), S. 203 f. 285 Siehe auch Kühl (Fn. 5), S. 122 m. w. N. 286 Zu dem Wettbewerb, in dem der ambulante Sektor der gesetzlichen Krankenversicherung mit anderen ärztlichen Tätigkeitsfeldern steht, auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 245.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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Die Limitierung einer Berufszulassung in überversorgten Gebieten erreicht das gesetzlich erwünschte Ziel, die ärztliche Versorgung in bisher unterversorgten ländlichen Gebieten sicherzustellen, folglich nicht mit gleicher Wirksamkeit und Sicherheit wie eine Steuerung über eine Verpflichtungserklärung bei der Zulassung zum Medizinstudium.287 Die Möglichkeit, die Vertragsarztzulassung einzuschränken, hindert den Gesetzgeber mithin nicht daran, eine Landarztquote einzuführen. (6) Zuweisung von Vertragsarztsitzen in unterversorgte Gebiete In eine ähnliche Richtung wie die Limitierung der Berufszulassung in Ballungsräumen zielt das Modell, die Niederlassung von Ärzten in ländlichen Räumen gezielt durch die Zuweisung von Vertragsarztsitzen in ein unterversorgtes Gebiet zu steuern. Der Arzt kann sich dann nur noch auf einen bestimmten Zulassungsbezirk bewerben; der genaue Niederlassungsstandort wird ihm anschließend zugewiesen.288 Geeignet, zur Zielerreichung beizutragen, ist diese Maßnahme.289 Sie ist im Vergleich zur Limitierung der Vertragsarztzulassung in Ballungsräumen zielgenauer, aber nicht unbedingt ein milderes Mittel als die privilegierte Zulassung zum Medizinstudium. Denn sie greift nachhaltig in die Berufsfreiheit der Ärzte ein.290 Sie beschränkt namentlich den Ort, an dem sich ein ausgebildeter Arzt niederlassen kann – und zwar ohne Rücksicht auf dessen Willen und Bereitschaft, seine ärztliche Tätigkeit in ländlichen Regionen aufzunehmen. Die Beschränkung trifft (zumindest potenziell) alle angehenden Ärzte und ist damit von erheblicher Breitenwirkung.291 Die Maßnahme senkt die Attraktivität des Berufsbildes „niedergelassener Arzt“ im Verhältnis zu anderen medizinischen Berufen signifikant. Absolventen des Medizinstudiums werden im Zweifel verstärkt in andere medizinische Tätigkeitsfelder ausweichen. Die Gesamtzahl der niedergelassenen Ärzte geht in der Folge im schlimmsten Fall insgesamt zurück. Die Hürden für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Zuweisung von Vertragsarztsitzen sind kaum in verhältnismäßiger und damit grundrechtskonformer Weise überwindbar.292 Die Maßnahme entpuppt sich im Verhältnis zu einer bevor-

287 Kritisch im Hinblick auf die Eignung von Maßnahmen, welche die ärztliche Niederlassungsfreiheit beschränken, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu sichern, auch Preis, MedR 2010, S. 139 (146). 288 Vgl. hierzu auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 242 ff.; Kühl (Fn. 5), S. 136 f. 289 Zu der auf S. 48 bereits in anderem Kontext beschriebenen Fluktuationsproblematik siehe Bauer-Schade (Fn. 2), S. 246. 290 Vgl. auch Kühl (Fn. 5), S. 138: „Dies wäre ein stärkerer Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG, als ihn das bisherige System mit sich bringt“; Bauer-Schade (Fn. 2), S. 243. Kühl (Fn. 5), S. 137, weist aber auch darauf hin, dass eine entsprechende Regelung bei zunehmender Unterversorgung mit der Berufsfreiheit vereinbar sei. 291 Gleiches gilt für ein soziales Pflichtjahr; dazu B. II. 2. c) aa) (7), S. 80 ff. 292 Vgl. zu den Hürden auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 243 f.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

zugten Zulassung von Studierwilligen, die eine Verpflichtungserklärung abzugeben bereit sind, im Ergebnis nicht als milderes Mittel. (7) Pflichtjahr im ländlichen Raum für Jungmediziner; Patenschaftsprogramme Ein Pflichtjahr für Jungmediziner in unterversorgten Gebieten kann dazu beitragen, zu erwartende Versorgungsmängel zu lindern und die damit verbundene infrastrukturelle Verantwortungslast auf alle Schultern gleichmäßig zu verteilen. Es ließe sich zusätzlich zum bereits bestehenden Praktischen Jahr in die Medizinerausbildung integrieren. Mit dem Vorschlag verbindet sich die Hoffnung, dass Erfahrungen ärztlicher Tätigkeit in ländlichen Regionen die Bereitschaft steigern, sich dort auf Dauer niederzulassen. Neu ist die Forderung nach einem Landarztjahr nicht. Allerdings stieß die Idee schon bei ihrer ersten öffentlichen Erörterung in Deutschland auf allgemeine Ablehnung.293 Andere Länder praktizieren ein entsprechendes Modell dagegen bereits.294 Mit einem gesetzlich verankerten Pflichtjahr geht ein nicht unerheblicher Eingriff in die grundrechtliche Entfaltungsfreiheit angehender Ärzte einher. Seine „sozialisierende Wirkung“ ist sein Vor- und Nachteil zugleich: Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich der eine oder andere für eine Tätigkeit als Landarzt entscheidet, der sich das vorher mangels praktischer Begegnung nicht recht hat vorstellen können. Es verlangt aber einem jeden Jungmediziner, der z. T. völlig andere berufliche Ziele hegt, nach der Rasenmähermethode das Opfer einer Indienstnahme für ein Gemeinwohlziel ab. Ihrer inneren Struktur nach handelt es sich zwar um eine Berufsausübungsregelung295 – und damit um eine Eingriffsstufe von grundsätzlich niederer Beeinträchtigungsintensität. Angesichts der direkten Fremdnützigkeit, Streubreite und Nachhaltigkeit kommt der Maßnahme jedoch ein erhöhter Eingriffsgrad zu.296 Er lässt sich nur schwer mit der Beeinträchtigungsintensität und Wirksamkeit einer Quote für später in unterversorgten Regionen ärztlich Tätige vergleichen.297 293 Siehe nur Schlandt, Ärzte wehren sich gegen Pflichtjahr auf dem Land, BZ online vom 7. 10. 2005; Woratschka, AOK fordert Pflichtjahr für Ärzte im Osten, Der Tagesspiegel online vom 7. 10. 2005. 294 Etwa die skandinavischen Länder, vgl. Borchardt (Fn. 205), S. 180, oder auch Griechenland (2 Jahre) und Australien, vgl. Simoens (Fn. 5), S. 106 sowie m. w. N. Kühl (Fn. 5), S. 159. 295 So auch Kühl (Fn. 5), S. 160 m. w. N. 296 Vgl. zur ähnlichen, eine Korrektur der Stufenlehre erfordernden Konstellation im Falle einer Beschränkung der Vertragsarztzulassung bereits S. 77 f. 297 Eine höhere Eingriffsintensität demgegenüber bejahend Kühl (Fn. 5), S. 161 sowie S. 163.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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In der Sache befriedigt ein Pflichtjahr als solches die Zielsetzung angemessener ärztlicher Versorgung auf dem Land nicht in gleich wirksamer Weise. Mit ihm verbindet sich eine hohe Fluktuation der ärztlichen Betreuung: Die Jungärzte stehen nur für einen sehr begrenzten Zeitraum im ländlichen Gebiet zur Verfügung. Das wirkt sich gerade bei Hausärzten negativ auf das Vertrauensverhältnis zwischen behandelndem Arzt und Patient aus. So sehr sich mit einem Pflichtjahr die Hoffnung verbindet, dass die jungen Mediziner Gefallen an einer Tätigkeit als Landarzt finden, so wenig ist gesichert, dass diese Wirkung tatsächlich eintritt – oder nicht vielmehr in dem einen oder anderen Fall sogar das Gegenteil bewirkt. Diejenigen Mediziner, die keinerlei Interesse an Allgemeinmedizin oder einer Niederlassung auf dem Land haben, empfänden ein allgemeines Pflichtjahr typischerweise als verlorene Lebenszeit.298 Wenn ein junger begabter Abiturient, der später als forschender Immunologe in einer Klinik tätig sein möchte, zuvor ein Jahr als Allgemeinmediziner auf dem Land arbeiten muss, strahlt das negativ auf die Motivation, insbesondere die Studienwahl, aus und kann dadurch mittelbar Qualitätsprobleme in anderen medizinischen Berufsfeldern nach sich ziehen. Ein Pflichtjahr in unterversorgten Gebieten erreicht die intendierte qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung insofern nicht mit der gleichen Sicherheit und nicht notwendig auf dem gleichen medizinischen Niveau wie eine Verpflichtungserklärung angehender Ärzte. Dem Gesetzgeber ist diese Maßnahme daher nicht als zwingende, im Verhältnis zu einer Vorabquote bei der Zulassung zum Medizinstudium grundrechtlich vorrangige und diese exkludierende Verpflichtung aufgegeben. Unabhängig davon ist eine Integration von Landarzt-Förderprogrammen in die Ausbildung sinnvoll. Die Besonderheiten einer Tätigkeit in unterversorgten Gebieten lassen sich auf diese Weise vermitteln und ihre Attraktivität am praktischen Beispiel illustrieren.299 Als Teil eines solchen Maßnahmenpakets kommen nicht nur die Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium, sondern insbesondere auch Patenschaftsprogramme zwischen medizinischen Fakultäten und Hausärzten oder die Absolvierung eines Abschnitts des Praktischen Jahres im hausärztlichen Bereich in 298

Im Jahr 2015 waren unter 371.300 berufstätigen Ärzten lediglich rund 94.000 Fachärzte für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin, vgl. Bundesärztekammer (Fn. 4), Abbildung 3 u. Tabelle 3. 299 In diesem Sinne auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 403, Rn. 490 f. Er schlägt insbesondere die „Einführung eines Pflichtquartals in akademischen Lehrpraxen für die Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr, außerdem eine finanzielle Förderung der Allgemeinmedizin-Pflichtabschnitte durch Übernahme einer Vergütung für Studierende im PJ und eine Aufwandsentschädigung für beteiligte akademischen Lehrpraxen“ vor – ferner „die Ableistung eines dem Studium vorausgehenden Praktikums zur Berufsfelderkundung in Einrichtungen des Gesundheitswesens als zusätzliche Voraussetzung, um das Studium der Humanmedizin anzutreten“. Ebenso auch Deutsche Hochschulmedizin e.V., Stellungnahme an das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Bildung und Forschung zum „Masterplan Medizinstudium 2020“, 2015, S. 5 und 7 f.; Bundesministerium für Gesundheit (Fn. 33), S. 19, Rn. 520 ff.; Kühl (Fn. 5), S. 64. In einigen kanadischen Provinzen werden landärztliche Ausbildungsinhalte und sogar eine spezielle Facharztausbildung angeboten, Simoens (Fn. 5), S. 106.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Betracht300 – idealerweise verknüpft mit einem Stipendienprogramm.301 So hat etwa die Universität Halle seit dem Jahr 2011 ein Mentorenprogramm für angehende, in unterversorgten Regionen ärztlich Tätige entwickelt. Unter dem Motto „Klasse Allgemeinmedizin – Mentoren für angehende Landärzte“ stellt sie den Studierenden einen praktizierenden Hausarzt als Mentor zur Seite, der sie auf den Beruf des Landarztes vorbereiten soll. Die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und die Deutsche Bank haben die Universität dafür in der Kategorie „Bildung“ als Bundessieger ausgezeichnet.302 (8) Einbeziehung weiterer Akteure in die gesundheitliche, insbesondere ärztliche Versorgung Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geht bisher von dem Behandlungsprimat niedergelassener Ärzte aus. § 116 S. 2 SGB V bringt dies zum Ausdruck: Erst wenn eine ausreichende Versorgung der Versicherten durch niedergelassene Ärzte nicht sichergestellt ist, ist eine Ermächtigung zur Einbeziehung Dritter in die Versorgung zulässig. Dem liegt der nachvollziehbare gesetzgeberische Leitgedanke zugrunde, die ärztliche Versorgung grundsätzlich Personen vorzubehalten, die für diese Aufgabe sowohl vollumfänglich und grundsätzlich zu jeder Zeit zur Verfügung stehen als auch kraft der Kontinuität ihrer Behandlung ein Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten aufbauen können.303 (a) Ärztliches Personal in Krankenhäusern Das Vorrangprinzip des § 116 S. 2 SGB V zugunsten niedergelassener Ärzte gilt nicht vorbehaltlos: Im Falle von Versorgungslücken lässt das Gesetz ausnahmsweise persönliche Ermächtigungen einzelner Krankenhausärzte mit abgeschlossener Weiterbildung (§ 116 SGB V i. V. m. § 31a Ärzte-ZV) sowie ganzer Krankenhäuser zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (sog. Institutsermächtigungen; § 116a SGB V; § 31 Abs. 1 lit. a Ärzte-ZV i. V. m. § 92 Abs. 2 Nr. 11 SGB V) zu.304

300

Dazu auch Gesundheitsministerkonferenz, Beschlüsse der 83. GMK (2010) – TOP: 5.3.2 Gewährleistung einer flächendeckenden medizinischen Grundversorgung, 2010; zustimmend Bauer-Schade (Fn. 2), S. 264; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 394, Rn. 482. 301 Dazu B. II. 2. c) aa) (1) (b) (bb), S. 60 ff. 302 Deutschland – Land der Ideen, Klasse Allgemeinmedizin – Mentoren für angehende Landärzte, https://www.land-der-ideen.de/ausgezeichnete-orte/preistraeger/klasse-allgemeinmedizin-mentoren-f-r-angehende-land-rzte (24. 8. 2016). 303 Dazu insbesondere BVerfG, NJW 1963, S. 1667 (1669). 304 Dazu auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 203; Kühl (Fn. 5), S. 185 ff.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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(b) Nichtärztliches Gesundheitspersonal Neben ergänzenden Ermächtigungen ausgebildeter Ärzte kann die Einbeziehung nichtärztlicher Gesundheitsberufe in die medizinische Versorgung der ländlichen Bevölkerung pro futuro einen Lücken schließenden Baustein einer kooperativen Versorgungsarchitektur bilden.305 Andere Staaten haben damit bereits reichhaltige Erfahrungen gesammelt.306 In Betracht kommt etwa die verstärkte Delegation von Aufgaben an nichtärztliche Praxisassistenten bei der Wahrnehmung von Hausbesuchen oder die substitutive Übernahme bestimmter Aufgaben durch nichtärztliches Gesundheitspersonal, etwa Arztassistenten.307 Diese Maßnahmen entlasten Ärzte als knappe Ressourcen des Gesundheitswesens von denjenigen Aufgaben, für deren Wahrnehmung ihre Fachkompetenz nicht zwingend erforderlich ist. Sie tragen zugleich dem durch die Akademisierung gestiegenen Qualifikationsniveau der nichtärztlichen Berufe Rechnung. Je besser ausgebildet diese Berufsträger sind, umso eher rechtfertigt das ihre Betrauung mit verantwortungsvollen Aufgaben medizinischer Betreuung und die damit verbundene sektorale Aufweichung des Arztvorbehalts. Eine stärkere Verzahnung der Kernkompetenzen des ärztlichen und nichtärztlichen Gesundheitspersonals hebt dadurch bisher brachliegende Effizienzressourcen des Versorgungssystems. Zu seiner Optimierung besteht erheblicher Spielraum. § 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V i. V. m. § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV gestattet „aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung“ bereits die Einbeziehung von Sicherstellungs- bzw. Entlastungsassistenten in die Versorgung. Diese Entlastungsmaßnahme befreit Ärzte vom Gebot persönlicher Leistungserbringung. Sie zielt de lege lata allerdings nicht auf den Fall struktureller Unterversorgung, sondern auf denjenigen praxisbezogener Verhinderung des Arztes, etwa wegen Krankheit oder Fortbildung.308 § 63 Abs. 3b und 3c SGB V gehen darüber hinaus. Sie geben Modellvorhaben Raum, welche es ermöglichen, die Vorbehaltsrolle der Ärzte bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ein Stück weit aufzubrechen.309 Dies kann (in engen Grenzen) auch die selbstständige Ausübung von Heilkunde beinhalten (§ 63 Abs. 3c S. 1 SGB V). Der Gesetzgeber weicht damit den grundsätzlichen Arztvorbehalt des § 15 Abs. 1 SGB V gleichsam „auf Probe“ auf.

305 Siehe auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 566 f., Rn. 653; Adler/von dem Knesebeck (Fn. 2), S. 235. 306 Dazu etwa Kühl (Fn. 5), S. 197. 307 Dazu Bauer-Schade (Fn. 2), S. 191 ff.; Schiele, Erfahren, kompetent und doch kein Arzt, FAZ vom 13./14. 8. 2016, C1; Simoens (Fn. 5), S. 109. 308 Kühl (Fn. 5), S. 195 f. 309 Dazu mit Beispielen aus Hessen und den neuen Bundesländern Bauer-Schade (Fn. 2), S. 193 f.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

(c) Ausbaumöglichkeiten de lege ferenda, Wirkungspotenzial Die im bisherigen gesetzlichen Rahmen bereits angelegten Tatbestände, die darauf abzielen, die medizinische Versorgung durch stärkere Einbeziehung Dritter auch in unterversorgten Regionen sicherzustellen, lassen sich grundsätzlich noch weiter instrumentell ausbauen. Die Maßnahmen können dann nachhaltig dazu beitragen, die angespannte Versorgungssituation zu entlasten. Das gilt insbesondere für eine stärkere Verzahnung der Notfallversorgung. Die gegenwärtige Drei-SäulenStruktur – vertragsärztlicher Bereitschaftsdienst, Rettungsdienste und die Notaufnahmen der Krankenhäuser – hält Doppelkapazitäten vor, die sich gerade unter den Bedingungen knapper Personalressourcen in einer den örtlichen Versorgungsbedürfnissen gerecht werdenden Weise effizienter einsetzen lassen. Zugangswege lassen sich bündeln und zeitaufwendige Hausbesuche zu einem Teil einsparen.310 Die Maßnahmen können das Qualitätsniveau umfassender Gesundheitsversorgung, welches allein die ärztliche Ausbildung ermöglicht, jedoch nur bis zu einem gewissen Grad erreichen. So sehr nichtmedizinische Gesundheitsberufe sich auch der Fürsorge der zu betreuenden Bevölkerung mit Leidenschaft annehmen und zahlreiche erfahrene Gesundheits- und Krankenpfleger ein beträchtliches Wissensund Erfahrungsspektrum aufweisen: Ihr medizinischer Ausbildungsgrad bleibt doch notwendig hinter demjenigen approbierter Ärzte zurück. Hinter unscheinbaren Krankheitssymptomen können sich schwerwiegende Krankheiten verbergen, deren frühzeitige Erkennung ein Gebot wirksamen Gesundheitsschutzes ist, nichtärztlichen Gesundheitsberufsträgern – von Praxisassistenten bis hin zu Alten- und Krankenpflegern – aber vielfach nicht hinreichend zuverlässig gelingt. Der Entlastungseffekt von Delegations- und Substitutionsmaßnahmen bleibt daher notwendig beschränkt; Fachkreise schätzen ihn auf 10 – 20 % der Arbeitsbelastung eines Hausarztes.311 Nicht zuletzt klagen auch nichtmedizinische Gesundheitsberufe über einen (flächendeckenden) Fachkräftemangel. Entlastungs- und Arbeitsteilungsmaßnahmen alleine reichen daher auf Dauer nicht aus, um eine angemessene Versorgungssituation auf dem Land sicherzustellen.312 Gerade bei der älteren ländlichen Bevölkerung ist das Zutrauen in die ärztliche Behandlung vielfach besonders stark ausgeprägt; Patienten pochen häufig auf ihre Behandlung durch eine approbierte Fachkraft.

310 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 446 ff., Rn. 552. 311 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 389, Rn. 476 m. w. N. 312 Optimistischer aber Adler/von dem Knesebeck (Fn. 2), S. 235. Auch die Erfahrungen anderer OECD-Staaten scheinen darauf hinzudeuten, dass sich dadurch der Druck auf den angespannten Arbeitsmarkt der Pflegekräfte noch erhöht und sich die Verteilungsprobleme lediglich auf diese verlagert, Simoens (Fn. 5), S. 109.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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Das ärztliche Personal lokaler Krankenhäuser genießt dieses Vertrauen und die erforderliche Kompetenz zwar ebenso. Ihr Aufgabenspektrum lässt sich aber nicht unbegrenzt erweitern; die Aufgaben von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten unterscheiden sich. Ihre Arbeitsteilung folgt einem überzeugenden Grundgedanken, der von Effizienz und zielgerechter Aufgabenerfüllung getragen ist. Die jeweiligen funktionsspezifischen Tätigkeitsfelder gegeneinander einzutauschen, hieße, die jeweiligen Spezialisierungsvorteile aufzugeben. Die langjährige persönliche Vertrauensbeziehung, die auch die Kenntnis von Leidensschicksalen sowie Hintergründen der Krankheitsentwicklung einschließt, sind Krankenhausärzte nach ihrem Aufgabenspektrum insbesondere nur bedingt herzustellen in der Lage. Wie bei der Gewinnung ärztlichen und pflegerischen Personals stehen Krankenhäuser und Arztpraxen in ländlichen Regionen überdies vor grundsätzlich den gleichen Schwierigkeiten infrastruktureller Attraktivität.313 Eine Behandlungsermächtigung von Krankenhausärzten kann im Einzelfall akute, momentane Versorgungsengpässe lindern. Zu ihrer strukturellen Behebung kann sie aber nur in engen Grenzen beitragen. Eine quantitative Aufstockung der Zahl niedergelassener Allgemeinmediziner, die in ländlichen Regionen ihre Leistungen zu erbringen bereit sind, machen diese Maßnahmen mithin nicht überflüssig. (9) Telemedizin (a) Potenzial Neue technische Möglichkeiten der Telemedizin überbrücken die Distanz zwischen Arzt und Patient mit Hilfe elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien.314 Im Extremfall tritt dann an die Stelle des herkömmlichen Arztbesuchs eine medizinische Beratung via Internetverbindung. Denkbar ist etwa eine Ausgestaltung als Telekonsil, also in Form einer Hinzuziehung eines weiteren Arztes, insbesondere eines Spezialisten aus Universitätskliniken, durch elektronische Hilfsmittel, sowie als Telemonitoring, d. h. Beobachtung von Vitaldaten, wie z. B. Blutdruck oder Herzfrequenz, durch Online-Verbindung, oder als Teletherapie.315 Obgleich die Telemedizin nicht neu ist und andere Länder von ihr regen Gebrauch machen, fristet sie in Deutschland bisher eher ein Schattendasein.316 Hierzulande 313

Dazu im Einzelnen Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 437 f., Rn. 533 ff. 314 IGES Institut, Gute Praxis in der ambulanten Versorgung, 2014, S. 27. 315 Vgl. Beckers, Die Ersatzkasse 2013, S. 27 (27); Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 579 ff., Rn. 662 ff. 316 IGES Institut (Fn. 314), S. 27. Ausführlicher zur Geschichte und Entwicklung der Telemedizin Beckers (Fn. 315), S. 27; andere Staaten, wie Kanada, Japan, Neuseeland und die Vereinigten Staaten, kennen seit über 10 Jahren experimentelle Programme, Simoens (Fn. 5), S. 109.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

entspricht fast ausschließlich der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt – sei es in der Form eines Praxisbesuchs des Patienten, sei es eines Hausbesuchs des Arztes – der gelebten Praxis.317 Gerade ländliche Regionen, denen es – trotz der beschriebenen und bereits praktizierten Maßnahmen – schwerfällt, medizinisches Personal zu akquirieren, profitieren freilich von den Möglichkeiten der Telemedizin, kommen doch die dort lebenden Personen auf diese Weise auch ohne einen vor Ort ansässigen Arzt in den Genuss einer medizinischen Betreuung. (b) Gesetzgeberische Initiativen Die Potenziale der Telemedizin sind dem deutschen Gesetzgeber nicht verborgen geblieben. So zielt etwa das GKV-Versorgungsstrukturgesetz darauf ab, die Telemedizin auszubauen und im Versorgungskonzept für ländliche Gebiete zu verankern.318 Im Zuge dessen hat der Gesetzgeber unter anderem § 87 SGB V geändert. Er verpflichtet in seinem Abs. 2a S. 7 Hs. 1 den Bewertungsausschuss, zu prüfen, „in welchem Umfang ambulante telemedizinische Leistungen erbracht werden können“. Auf dieser Grundlage muss der Ausschuss ermitteln, „inwieweit der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen anzupassen ist“ (§ 87 Abs. 2a S. 7 Hs. 2 SGB V). Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz319 beschreitet damit den Weg weiter, den das GKV-Versorgungsstrukturgesetz eingeschlagen hat, indem es die „eingeleiteten Maßnahmen für ein stabiles, zukunftsfähiges soziales Krankenversicherungssystem konsequent weiterentwickelt und mit neuen Instrumenten ergänzt“.320 Weitere Regelungen zur Stärkung der Telemedizin sieht auch das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen vor, das am 28. 12. 2015 in Kraft getreten ist.321 Es zielt insbesondere darauf ab, telemedizinische Leistungen als Baustein einer ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten zu fördern. So macht es etwa den Weg dafür frei, konsiliarische Befundbeurteilungen von Röntgenaufnahmen telemedizinisch zu erbringen und entsprechend zu vergüten (§ 87 Abs. 2a S. 4 SGB V). Telemedizinisch erbrachte Leistungen finden Aufnahme in den Tatbestand besonders förderungswürdiger Leistungen i. S. d. § 87a Abs. 2 SGB V (§ 87 Abs. 2 S. 5 SGB V). 317 Entsprechend dürfen Ärzte eine individuelle Behandlung nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen (§ 7 Abs. 4 S. 1 MBO). Telemedizinische Verfahren sind deshalb aber nicht generell unzulässig. Bei ihnen ist zu gewährleisten, „dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt“ (§ 7 Abs. 4 S. 2 MBO). 318 Siehe BT-Drucks. 17/6906, S. 44. 319 Überblicksartig zu den Regelungen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes Bundesministerium für Gesundheit (Fn. 204). 320 BT-Drucks. 18/4095, S. 1. Das Gesetz ist am 23. 7. 2015 in Kraft getreten. 321 BGBl. I 2015, S. 2408 ff., vgl. auch BT-Drucks. 18/5293, S. 2. Dazu auch Kingreen, NJW 2015, S. 3413 (3420).

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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Den Boden für eine verstärkte Nutzung der Telemedizin hat der Gesetzgeber damit bereitet. Ihr wird in den kommenden Jahren eine steigende Bedeutung zuwachsen. Das BMBF hatte bspw. bereits im Jahr 2011 insgesamt 286 Telemedizinprojekte in Deutschland gezählt.322 Auch die Ärzteschaft geht davon aus, dass die Saat räumlich entgrenzter medizinischer Beratung früher oder später aufgehen wird.323 (c) Wirkungsgrenzen Im Verbund mit der Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches medizinisches Personal324 birgt die Telemedizin das Potenzial, die nachteiligen Auswirkungen des Ärztemangels in ländlichen Gebieten abzufedern; mit Hilfe ihrer örtlichen Entkopplung medizinischen Know-hows trägt sie insgesamt zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in unterversorgten Gegenden bei. Bei all ihren Vorzügen kann die Telemedizin nach dem gegenwärtigen Stand absehbarer technischer Entwicklungen den Arzt vor Ort aber regelmäßig nicht vollständig ersetzen – weder bei der Diagnose noch der späteren Therapie. Sobald der Arzt darauf angewiesen ist, den Körper des Patienten detailgenau in Augenschein zu nehmen, stößt die Telemedizin gegenwärtig noch an ihre technischen Grenzen: Die Begutachtung des Patienten über den Bildschirm ist im Hinblick auf die Diagnose und in bestimmten Therapiesituationen325 fehleranfällig. Die elektronische Transfereinheit „Kamera – Monitor“ mit ihrer eingeschränkten optischen und fehlenden haptischen Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit vermag den unmittelbaren Eindruck vor Ort (jedenfalls mit der derzeitig verfügbaren Technik) nicht exakt abzubilden. Bereits eine ungenaue Farbaufnahme oder -wiedergabe oder eine mangelnde Auflösung des Bildes können Diagnosefehler nach sich ziehen. Aber auch die für viele Diagnosen unverzichtbare Möglichkeit, zu tasten und abzuhören, kann eine erfolgreiche Ferndiagnose erschweren oder gar unmöglich machen. Der Arzt kann das Gesamtverhalten und Auftreten des Patienten mittels Telemedizin gegenwärtig nur unzureichend erfassen.326 Beides kann für die Diagnostik aber von entscheidender Bedeutung sein. Auch der persönliche Kontakt zum Patienten sowie das Vertrauen zum Arzt ist gerade bei älteren Patienten, denen nur noch der Bildschirm als Kommunikationskanal zu ihrem Arzt verbleibt, in vielen Fällen ebenso 322 Vgl. hierzu insges. auch Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 580 ff., Rn. 663 ff. 323 Dies bilanzieren empirische Erhebungen unter Berufsträgern, vgl. Institut für Demoskopie Allensbach, Der Einsatz von Telematik und Telemedizin im Gesundheitswesen aus Sicht der Ärzteschaft, 2010, S. 1. 324 Hierzu oben B. II. 2. c) aa) (8) (b), S. 83. 325 In vielen Fällen, v. a. wenn es keiner unmittelbaren körperlichen Untersuchungen bedarf, kann die Therapie per Telemedizin in bestimmten Behandlungskonstellationen eine äquivalente Alternative zur Therapie vor Ort darstellen. Die Technik ist insoweit bereits sehr ausgereift. 326 Bauer-Schade (Fn. 2), S. 257; Dierks, DuD 1996, S. 142 (146).

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

gefährdet wie das Vertrauen in die Datensicherheit sowie in den hinreichenden Schutz personenbezogener Daten. Erschwerend kommt die bei älteren Menschen vielfach wenig ausgeprägte Befähigung oder Bereitschaft hinzu, telemedizinische Geräte, bspw. Tablets, zu bedienen. Die Möglichkeiten der Telemedizin erweisen sich im Ergebnis nicht in jeder Hinsicht als gleich effektives Mittel: Ihr Ausbau und das mit ihr verbundene erweiterte Nutzungsspektrum machen die Einführung einer Quote für später in unterversorgten Regionen ärztlich Tätige aus verfassungsrechtlicher Sicht nach heutigem Stand der Erkenntnis nicht entbehrlich. (10) Zwischenfazit Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit ärztlichen Leistungen ist, glaubt man den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Prognoseszenarien, in Zukunft nicht vollständig gewährleistet. Der Gesetzgeber ist dann im Rahmen seines Einschätzungs- und Prognosespielraums berechtigt und kraft seiner Schutzpflicht als Teil des Untermaßverbotes dazu aufgerufen, regulierend einzuschreiten. Er darf dabei diejenigen Mittel wählen, die nach seiner – auf plausiblen Annahmen beruhenden – Einschätzung das Ziel hinreichender medizinischer Versorgung am besten zu erreichen geeignet sind – jedenfalls sofern nicht klar erkennbar ist, dass andere, weniger grundrechtsbeeinträchtigende Schutzinstrumente, sei es alleine, sei es im Verbund mit anderen Maßnahmen, das Steuerungsziel ebenfalls hinreichend sicher zu erreichen vermögen.327 Seine Steuerungsentscheidungen trifft der Gesetzgeber unter Unsicherheitsbedingungen. Die Wirkungsmechanismen ventilierter Maßnahmen sind – insbesondere soweit sie, wie etwa Honoraranreize, auf das Marktverhalten der Akteure einwirken – mit erheblichen Prognoserisiken behaftet. Hinzu kommen lange Latenzzeiten ihrer Wirkung. Entschließt sich der Gesetzgeber heute zur Einführung einer Vorabquote für angehende Landärzte, wird er die Früchte seiner normativen Saat erst in ca. 13 – 20 Jahren ernten. Bis dahin braucht es eine Vorbereitungs- und Umstellungszeit (ca. 1 – 2 Jahre) und vergeht die Studienzeit (ca. 6,5 Jahre) sowie die Zeit der fachärztlichen Weiterbildung (gegenwärtig theoretisch 5 Jahre, faktisch jedoch ca. 8 Jahre) als Vorlauf.328 Dem Gesetzgeber stehen zwar zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um jenseits einer Verpflichtungserklärung als Teil des Studienauswahlverfahrens die Niederlassung von Ärzten auf dem Land zu stimulieren. Sie stellen dieses Ergebnis 327

Zum Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers bei der Erfüllung von Schutzpflichten siehe bspw. BVerfGE 88, S. 203 (254); aus unionsrechtlicher Sicht: EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469 f., Rn. 70 ff.), Nicolas Bressol u. a./ Gouvernement de la Communauté française. 328 Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (Fn. 2), S. 393, Rn. 481.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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aber nicht mit einer solchen Wirksamkeit sicher, dass sie das Instrument einer Landarztquote (einzeln oder gemeinsam) mit hinreichender Sicherheit überflüssig machen. Die meisten Instrumente, wie z. B. die Erhöhung der Gesamtstudierendenzahl329 oder die Einführung eines Pflichtjahrs im ländlichen Raum330, erreichen aufgrund der Streuwirkung ihrer Effekte oder voraussehbarer Ausweichreaktionen der Adressaten nicht die gleiche Zielgenauigkeit. Andere Ansatzpunkte, wie z. B. der Ausbau telemedizinischer Angebote331 oder die stärkere Einbindung nichtmedizinischen Personals in die Leistungserbringung332, verbürgen das gewünschte Ergebnis nicht in gleicher Versorgungsqualität. Ein Stipendienprogramm333 ist dem Instrument der Landarztquote strukturell vergleichbar. Auch es sichert seinen intendierten Erfolg durch eine Verpflichtungserklärung der Stipendiaten ab, wenn es seine Zielsetzung besserer ärztlicher Versorgung ländlicher Regionen erreichen will. Es lastet dem Gemeinwesen im Zweifel zwar höhere Kosten als jenes auf, entpuppt sich aber als insgesamt grundrechtsschonender. Denn es strahlt nicht in die grundrechtlich sensible Auswahlentscheidung der Zuteilung von Studienplätzen aus. Seine Steuerungswirkung erzielt ein Stipendienprogramm aber nur dann in einer der Landarztquote vergleichbaren Weise, wenn das Stipendium selbst und damit auch die – an einen Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung anknüpfende – Rückzahlungsverpflichtung sehr hohe Zahlungshöhen erreicht, die dem ökonomischen und immateriellen Vorteil privilegierter Zulassung zum Studium im Wesentlichen gleichkommen. Anders als im Falle der Landarztquote erschöpft sich die (gegenwärtig bereits praktizierte) Stipendienbewilligung typischerweise in einer monetären Leistung, die im Regelfall nicht an den mit einer privilegierten Studienzulassung verbundenen Vorteil heranreicht. Dass Stipendienprogramme ausreichen, um die Nachfrage nach landärztlichen Leistungen zu decken, ist daher nicht gesichert. Angesichts der großen Bedarfslücke, mit welcher der Gesetzgeber auf der Grundlage gegenwärtiger Prognosen rechnen muss, ist die Hypothese nachvollzieh- und rechtfertigbar, dass auch die Kumulierung alternativer Maßnahmen nicht ausreichen wird, um die Zielmarke zu erreichen, die der Gesetzgeber sich – im Rahmen seines Einschätzungsspielraumes – setzt bzw. setzen darf.334 Eine Verpflichtungserklärung allein bürgt zugleich noch nicht in hinreichendem Maße für eine spätere Niederlassung eines Studienbewerbers in einer unterversorgten Region. Dass Absolventen, welche die Vorabquote als „Eintrittskarte“ für das Studium genutzt haben, ihre Verpflichtungen im strukturell vergleichbaren Fall des

329

Dazu B. II. 2. c) aa) (4), S. 74 ff. Dazu B. II. 2. c) aa) (7), S. 80 ff. 331 Dazu B. II. 2. c) aa) (9), S. 85 ff. 332 Dazu B. II. 2. c) aa) (8) (b), S. 83. 333 Dazu B. II. 2. c) aa) (1) (a) (aa), S. 55 f., und B. II. 2. c) aa) (1) (b) (bb), S. 60 ff. 334 Vgl. auch die in Fn. 200 wiedergegebene Realbefundanalyse des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. 330

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

öffentlichen Gesundheitsdienstes häufig nicht eingelöst haben,335 stellt die Wirksamkeit des Instruments als solche indes nicht infrage. Aus dem Befund ergeben sich vielmehr Anforderungen an eine effektive Umsetzung des Instruments, insbesondere einen adäquaten Sanktionsmechanismus. Dieser darf sich nicht in der Funktion eines Papiertigers erschöpfen, sondern muss vielmehr auf konsequente Anwendung angelegt sein.336 Die an den Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung geknüpften Sanktionsmechanismen müssen ferner in ihrer Höhe in hinreichend zielsicherer Weise erwarten lassen, dass eine spätere Niederlassung als Landarzt für einige Jahre auch tatsächlich erfolgt (ohne zugleich unangemessen zu sein)337. Wenn sich der Gesetzgeber seiner aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Schutzpflicht mit der legitimen Zielsetzung verschreibt, eine flächendeckende ärztliche Versorgung auf dem Land mit hinreichender Sicherheit zu garantieren, hält das Instrument einer Landarztquote insgesamt aus verfassungsrechtlicher Sicht als Teil eines Instrumentenmix338 einer Erforderlichkeitsprüfung stand. bb) Angemessenheit Darf der Gesetzgeber eine Vorabquote für angehende Landärzte als zur Zielerreichung erforderlich ansehen, stellt dies die Verfassungsmäßigkeit des Instruments freilich noch nicht alleine sicher. Die mit ihm verbundene Einwirkung auf das Teilhaberecht des Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG anderer Bewerber muss vielmehr auch in Relation zur Bedeutung der verfolgten Ziele sachlich angemessen sein. Nur wenn die im Interesse hinreichender Gesundheitsversorgung der ländlichen Bevölkerung getroffenen Maßnahmen in einem vertretbaren Verhältnis zu der dadurch ausgelösten Veränderung der Auswahlmaßstäbe bei der Zulassung zum Studium stehen, ist diese verfassungsrechtlich rechtfertigbar. Dem Gesetzgeber ist es nicht prinzipiell verwehrt, bei der Auswahl von Zuteilungskriterien auf Maßstäbe zurückzugreifen, die anderen Zwecken als der Ausgestaltung des freiheitlichen Entfaltungsraums dienen, dem Art. 12 Abs. 1 GG verschrieben ist.339 Er darf seine Lenkungsziele aber nicht über Gebühr zulasten des Maßstabs sachgerechter Auswahl durchsetzen. Er muss diese vielmehr auf Sachgründe hinreichenden Gewichts stützen können. 335 Vgl. Anonymous, In den Zentren knubbeln sie sich, Der Spiegel vom 13. 9. 1982, S. 40 (44); Kühl (Fn. 5), S. 153 f. Zu jener Zeit wurden Verstöße gegen Verpflichtungserklärungen freilich nicht konsequent sanktioniert. 336 So etwa auch Bauer-Schade (Fn. 2), S. 239. Bei der Länge der Zeiträume, die von der Abgabe der Erklärung bis zu ihrer Einlösung verstreichen, wird es umgekehrt der Natur der Sache nach nicht wenige Fälle geben, in denen es unzumutbar ist, die Absolventen an ihrer Erklärung festzuhalten. Dazu C. I. 3. b) dd), S. 124 ff. 337 Dazu insbesondere C. I. 3. b) dd), S. 124 ff. 338 Auch andere OECD-Staaten greifen das Problem typischerweise nicht mit einzelnen Maßnahmen, sondern ganzen Maßnahmenbündeln auf, vgl. Simoens (Fn. 5), S. 106. 339 Dazu bereits B. II. 2. b), S. 49 ff.

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Solche bestehen für das Ziel der Sicherstellung ärztlicher Niederlassung auf dem Land grundsätzlich: Mit der Bevorzugung künftiger Landärzte bei der Studierendenauswahl trägt der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für eine angemessene flächendeckende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung Rechnung. Ein im ganzen Land verfügbarer hinreichender Zugang zu qualitätsvollen Gesundheitsangeboten ist ein verfassungsrechtlich geschützter Gemeinschaftswert von besonders hohem Rang. Diese Zielsetzung kann es nach dem Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips rechtfertigen, andere Auswahlkriterien zu verdrängen, die dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheitsbereich an sich näherkämen. Der Gesetzgeber muss dann aber zugleich sicherstellen, dass die Bevorzugung von Studierwilligen, die sich zu einer ärztlichen Tätigkeit in einer unterversorgten Region verpflichten, ihre Niederlassungsziele tatsächlich erreicht (1), von einer hinreichenden fachlichen Qualität der Bewerber getragen ist (2) und anderen Studienbewerbern durch die Bevorzugung künftiger Landärzte keine nachhaltige Beeinträchtigung entsteht, die ihnen ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung eine Chance auf einen Studienplatz nimmt (3). (1) Wirksamer Sanktionsmechanismus Die Privilegierung angehender Landärzte gegenüber anderen Studienbewerbern ist nur dann angemessen, wenn sie sich nicht nur in der Abgabe einer Verpflichtungserklärung erschöpft. Der Staat muss sie auch mit wirksamen Sanktionsmechanismen durchsetzen. Er muss insbesondere verhindern, dass Bewerber die über die Quote zugewiesenen Studienplätze ausschließlich dazu nutzen, ihr Medizinstudium zu betreiben, sich im Anschluss aber nicht in unterversorgten Gebieten niederlassen340 oder nicht einmal eine Weiterbildung in Allgemeinmedizin oder Innerer Medizin absolvieren. Ohne Sanktionsbewehrung der Verpflichtungserklärung trägt die Zulassung zum Studium über eine Vorabquote nicht hinreichend sicher dazu bei, das Ziel flächendeckender Gesundheitsversorgung zu erreichen, welches alleine die privilegierte Zulassung legitimiert.341 (2) Mindestanforderungen an die fachliche Qualität der Bewerber Soll eine privilegierte Zulassung angehender Landärzte zielgerecht sein, setzt dies neben der Abgabe und Sanktionsbewehrung einer Verpflichtungserklärung voraus, dass die Verpflichteten nach ihren Fähigkeiten tatsächlich die Prognose rechtfertigen, dass sie bei ihrer späteren Tätigkeit den Anforderungen an eine qualitätsvolle medizinische Versorgung genügen. Um eine Zulassung zum Medizinstudium auf der 340

Ebenso etwa Kühl (Fn. 5), S. 157. Vgl. dazu sowie zu den Zumutbarkeitsgrenzen im Einzelnen C. I. 3. b) cc) (2), S. 121 ff.; C. I. 3. b) dd), S. 124 ff. und E. I., S. 140 ff. 341

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Grundlage einer Verpflichtungserklärung zu rechtfertigen, ist also ein Mindestmaß an fachlicher Eignung erforderlich. Dies sicherzustellen, ist auch Teil der Schutzpflicht des Staates für eine angemessene Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Eine Quote, welche die Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen kraft mangelnder Qualität (aber hoher örtlicher Flexibilität) der Bewerber im Ergebnis insgesamt auf eine „Versorgung zweiter Klasse“ reduziert, namentlich kein hinreichendes qualitatives Niveau der Gesundheitsversorgung verbürgt, wäre verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Das Verfahren der Zulassung von Studienbewerbern auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung muss daher hinreichende Sicherungen dafür vorsehen, dass die Studienbewerber eine Gewähr für einen erfolgreichen Studienabschluss und eine hinreichend qualitätsvolle Tätigkeit als Landarzt bieten.342 Zwar ist eine Absenkung des Anforderungsniveaus gegenüber anderen Bewerbern grundsätzlich rechtfertigbar. Anderenfalls sähen diese auch keine Veranlassung, eine Verpflichtungserklärung abzugeben, sondern erhielten eine Zulassung auf der Grundlage anderer Zuteilungskriterien. Die Verpflichtungserklärung darf umgekehrt aber kein Tauschgeschäft für unzureichende fachliche Eignung sein. (3) Quantitative Begrenzung der Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung Das Verfahren der Zuteilung von Medizinstudienplätzen muss in hinreichendem Maße anderen, insbesondere leistungsbezogenen, Auswahlkriterien Raum lassen, die auch solchen Studienbewerbern eine realistische Zugangschance eröffnen, welche keine Verpflichtungserklärung abgeben wollen oder können. Eine Landarztquote darf entsprechend im Verhältnis zu anderen Auswahlzugängen nicht zu großzügig bemessen sein.343 Das BVerfG hat die Obergrenze für die Vorabquote von 30 % (die § 32 HRG als Gesamtquote für ein vielschichtiges Bündel von Sonderzulassungstatbeständen verankert)344 insbesondere im Hinblick auf den Spielraum, den sie „je nach Bewerbernachfrage und je nach den Verhältnissen in den verschiedenen zulassungsbeschränkten Studiengängen“345 eröffnet, ausdrücklich als verfassungsrechtlich zulässig erachtet.346

342

Zum Auswahlverfahren bei Bewerberüberhang siehe B. II. 2. c) cc), S. 93 ff. Bode (Fn. 86), § 32, Rn. 10, und Hauck (Fn. 90), § 32, Rn. 23, betonen, dass keine Einwände gegen § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG bestehen, solange nur ein „geringer Teil“ der Plätze über eine derartige Vorabquote vergeben werden. Bahro/Berlin (Fn. 77), II. Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 24. Juni 1999, Art. 12, Rn. 9 hegen hingegen gegen jede Bevorzugung aufgrund der Quote verfassungsrechtliche Bedenken. 344 Dazu A. IV. 2. a), S. 28. 345 BVerfGE 62, S. 117 (157). Vgl. in diesem Zusammenhang auch VGH München, NVwZ-RR 2009, S. 110 (112). 343

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Jedenfalls solange der Zugang zum Beruf nicht ganz überwiegend durch den öffentlichen Bedarf gelenkt ist, ist dies keinen zwingenden verfassungsrechtlichen Einwänden ausgesetzt.347 Eine kritische Grenze ist erst dann überschritten, wenn die jenseits des öffentlichen Bedarfs bestehenden Auswahlquoten nicht mehr ausreichen, um Bewerbern in hinreichendem Maße eine realistische Chance zur Ausübung des Berufes zu eröffnen oder wenn die Lenkung der Auswahl durch ihre dominante Ausrichtung auf den öffentlichen Bedarf die Berufsfreiheit in unangemessener oder nicht mehr erforderlicher Weise dominiert. Gegen die Auswahl von Studienbewerbern anhand der Bereitschaft zur Selbstverpflichtung späterer Niederlassung als Landarzt bestehen – hinsichtlich des „Ob“ – jedoch keine grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken. cc) Verfassungsgerechte Auswahlkriterien für die Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung im Falle eines Bewerberüberhangs Wie stark die Nachfrage nach Studienplätzen sein wird, die künftigen Landärzten kraft Vorabquote vorbehalten sind, lässt sich ex ante nur schwer abschätzen. Entpuppt sich die Nachfrage als größer als das verfügbare Angebot, entsteht das Bedürfnis, in das Zuteilungsverfahren gesetzliche Auswahlkriterien zu implementieren. In Betracht kommen insoweit – abstrakt betrachtet – formale [z. B. ein Losverfahren, (1)] und materielle Auswahlkriterien [z. B. ein ergänzender Auswahltest, (2)].348 Der Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für die Hochschulzulassung engt den Spielraum der Länder insoweit nicht ein. Er äußert sich zwar an vielen Stellen zu den Auswahlkriterien, die bei den im Verfahren der Vorabquote zu verteilenden Studienplätzen im Falle des Bewerberüberhangs349 Anwendung finden müssen (Art. 9 Abs. 4 – 6 HZulEinrErrStV), nicht aber für den Fall besonderen öffentlichen Bedarfs. Das Schweigen des Normgebers rechtfertigt auch nicht den Umkehrschluss, dass die Kriterien des Art. 9 Abs. 4 – 6 HZulEinrErrStV präkludiert sind. Vielmehr impliziert es eine gestalterische Freiheit der Länder. Diese findet ihre Grenze lediglich in dem grundrechtlichen Teilhaberecht der Bewerber und 346 Offen gelassen hat es dabei jedoch, ob es verfassungsrechtlich vertretbar ist, den Zulassungsverordnungen die Ausfüllung der Quoten zu überlassen, statt dies in die Hände des Gesetzgebers zu legen, BVerfGE 62, S. 117 (157). 347 In diesem Sinne auch Scholz (Fn. 140), Art. 12, Rn. 464. Konkret für die Landarztquote auch Kühl (Fn. 5), S. 155 („verfassungsrechtlich unbedenklich“). Anders – wenngleich wohl weniger mit verfassungsdogmatischem als politischem Impetus – Bauer-Schade (Fn. 2), S. 239 „[…] ist von einer ,Vorabquote‘ Abstand zu nehmen“. Kritisch auch Bahro/Berlin (Fn. 77), II. Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 24. Juni 1999, Art. 12, Rn. 8 f.; Bode (Fn. 87), § 32 HRG, Rn. 113. 348 Eine bewertende Übersicht über verbreitete Auswahlkriterien der bestehenden Auswahlsysteme findet sich bei Bode (Fn. 74), S. 360 ff. 349 Zum Fall der Nichtausfüllung der Quote siehe Art. 9 Abs. 2 S. 4 HZulEinrErrStV.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

in dem Ziel des Auswahlverfahrens, Tätigkeiten in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs sicherzustellen. (1) Formale Auswahlkriterien Ein Losverfahren besticht aufgrund seines aleatorischen Charakters durch formale, von Diskriminierungen freie Gleichbehandlung. Das macht es zum Inbegriff des – unter Diskriminierungsgesichtspunkten – „gerechten“ Verfahrens. In der Geschichte der Verteilungslenkung hat seine unbestechliche „Blindheit“ es immer wieder als Auswahlkriterium in Non-liquet-Situationen prädestiniert (vgl. bspw. auch stellvertretend § 19 HochschulvergabeVO Bremen350).351 Das Losverfahren nimmt umgekehrt auf Besonderheiten des Einzelfalls keine Rücksicht und lässt für solche Wertungsentscheidungen keinen Raum, die sicherstellen sollen, dass das knappe Gut an den Ort seiner besten Verwendung gelangen kann, namentlich diejenigen erreicht, die aufgrund ihrer Fähigkeiten als ebenso engagierte wie talentierte Ärzte für eine sachgerechte Gesundheitsversorgung der ländlichen Bevölkerung bürgen. Das Losverfahren entpuppt sich insofern als zur Zielerreichung weniger geeignet als wertungsorientierte Auswahlkriterien. Verfassungswidrig ist das Losverfahren deshalb aber noch nicht zwingend. Denn dem Gesetzgeber kommt bei der Wahl der Zuteilungskriterien ein substanzieller Spielraum eigener Wertung zu. Dessen Grenze ist erst dort überschritten, wo andere Auswahlkriterien dem grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsbereich der Berufsfreiheit ersichtlich besser gerecht werden. Der Gesetzgeber muss sich namentlich an dem selbst gesetzten Auswahlziel messen lassen: der Gewährleistung einer angemessenen Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen medizinischen Leistungen. Daraus ergeben sich unmittelbar Folgen für verfassungsgerechte Auswahlmaßstäbe: Nur wenn die auf der Grundlage einer Vorabquote zugelassenen Bewerber ein Mindestmaß fachlicher Eignung aufweisen, ist ihr privilegierter Zugang zum Medizinstudium verfassungsrechtlich legitimierbar. Zielt der Gesetzgeber auf eine angemessene qualitätsvolle Gesundheitsversorgung der ländlichen Bevölkerung, muss er dementsprechend auch bei der Festlegung entsprechender Auswahlmaßstäbe im Falle des Bewerberüberhangs die Eignung der Bewerber berücksichtigen.352 Unter Teilhabegesichtspunkten ist es nicht rechtfertigbar, solche Bewerber zum Studium zuzulassen, die ein Medizinstudium mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfolgreich absolvieren werden und damit knappe Ressourcen ohne Erfolgsaussicht binden. Das Losverfahren ist daher nur als Reservekriterium, wenn eine Auswahl nach wertenden Kriterien im konkreten Fall keine klare Präferenzentscheidung hervorbringt, sachgerecht. 350 Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen vom 22. 6. 2012 (Brem. GBl. 2012, S. 285). 351 Dazu Martini (Fn. 140), S. 96 ff. 352 Dazu auch oben B. II. 2. c) bb) (2), S. 91 f.

II. Landarztquote und Schutzgehalt des derivativen Teilhaberechts

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(2) Wertungsorientierte Auswahl-, insbesondere Leistungskriterien Einer guten Relation zwischen der Zielsetzung einer angemessenen Gesundheitsversorgung der ländlichen Bevölkerung und der knappen verfügbaren Verteilungsmasse entspricht es am ehesten, im Wege einer Vorabquote zuzuteilende Studienplätze denjenigen vorzubehalten, die am ehesten die Prognose rechtfertigen, dass sie sich einerseits tatsächlich in besonderer Weise für eine Tätigkeit als Landarzt interessieren sowie die damit verbundenen Belastungen in Kauf zu nehmen bereit sind; andererseits müssen sie die Voraussetzungen dafür mitbringen, das Studium erfolgreich zu absolvieren sowie die spätere Tätigkeit mit guter medizinischer Leistungsqualität auszufüllen. Zu treffen ist dabei eine – auf der Grundlage unvollständiger Kenntnis über zukünftige persönliche und fachliche Entwicklungen erfolgende – Prognoseentscheidung. Die Auswahlentscheidung davon abhängig zu machen, in welchem Umfang Bewerber Einschränkungen ihrer späteren Freiheit zur Niederlassung hinzunehmen bereit sind (z. B. im Hinblick auf die Bindung an bestimmte Orte, nicht nur Regionen oder die Höhe der Vertragsstrafe), wäre zwar konstruktiv womöglich dem Ziel einer zielgenauen ärztlichen Versorgung der ländlichen Bevölkerung zuträglich. Sie würde aber wie ein Brandbeschleuniger für das die grundrechtliche Entfaltungsfreiheit ohnehin bedrohende Feuer wirken, das eine Verpflichtungserklärung entfacht. Im Extremfall käme es zu einem „Ausverkauf“ des verfassungsrechtlich verankerten Zugangsanspruchs der Bewerber (gegen Höchst- bzw. Niedrigstgebot). Das ist verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Die Verpflichtungserklärung, die den Zugang zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Vorabquote ermöglicht, ist vielmehr grundsätzlich nach standardisierten Maßgaben auszurichten, die den Bewerbern äquivalente Belastungen abverlangen. Sachlich gerechtfertigt kann es aber (etwa im Rahmen von mündlichen Auswahlverfahren) sein, denjenigen Bewerbern den Vorzug einzuräumen, die auf der Grundlage ihrer Einlassung ex ante die Gewähr dafür bieten, dass sie sich mit der aus der Verpflichtungserklärung erwachsenden Belastung, insbesondere der Determinierung ihrer Lebensperspektiven und der Unberechenbarkeit künftiger Entwicklungen, intensiv auseinandergesetzt haben und die Tätigkeit als Landarzt aus innerer Berufung wahrnehmen wollen. Dies entspricht der bei Auswahlverfahren im Rahmen der Vorabquote für den Sanitätsoffiziersdienst (zumindest teilweise) gelebten Praxis.353 Angesichts der frühen Lebensphase, in der die Bewerber eine Verpflichtungserklärung typischerweise abgeben, sowie der Intensität der mit ihr verbundenen grundrechtlichen Einschränkung ist es angezeigt, sie bei der Entscheidung über die Abgabe der Erklärung in besonderer Weise beratend zu begleiten.354 Viele Bewerber werden sich – die „Karotte“ des ersehnten Studienplatzes vor Augen – nicht ohne 353

Siehe dazu unten E. I. 3. d) aa), S. 164 f.; zur Auswahl von Bewerbern im Rahmen der Quote für den öffentlichen Gesundheitsdienst in Hessen siehe insbesondere E. I. 3. c) aa) (1) (c), S. 160 f. 354 Siehe dazu auch unten C. I. 3. b) dd) (3), S. 126 ff.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Weiteres bewusst machen, wie nachhaltig355 die Verpflichtungserklärung ihren Lebensentwurf beeinflussen wird. Als grundrechtsgebundener Rechtsträger darf der Staat die Unerfahrenheit und strukturelle Vertragsasymmetrie in solchen hoheitlichen Auswahlkontexten insbesondere nicht zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen, um seine Zielsetzung auf Kosten der Grundrechtsentfaltung betroffener Grundrechtsträger durchzusetzen.356 Um den Bewerbern einen Eindruck von der Tätigkeit zu vermitteln, zu der sie sich verpflichten, kann es auch sinnvoll sein, ihnen ein voruniversitäres Pflichtpraktikum zur Berufsfelderkundung abzuverlangen. Ergänzend zur psychologischen Eignung des Studienbewerbers für eine landärztliche Tätigkeit ist die Anknüpfung an Leistungskriterien, insbesondere die Abiturnote sowie das Ergebnis eines Eignungstests, sachgerecht.357 Diese Auswahlkriterien empfehlen sich insbesondere vor dem Hintergrund des Umstands, dass die Vorabquote nicht nur überhaupt eine ärztliche Versorgung, sondern eine qualitätsvolle ärztliche Versorgung in ländlichen Regionen sicherstellen soll. Dass diejenigen, die in Eignungstests sowie im Abitur am besten abschneiden, ohnehin über die meisten Auswahloptionen verfügen, steht dem nicht entgegen. Aufgrund ihrer größeren Bandbreite an Auswahlmöglichkeiten werden die besonders qualifizierten im Zweifel zwar eher als schwächere Bewerber geneigt sein, sich den Lasten einer Verpflichtungserklärung angesichts ihnen eröffneter attraktiver Alternativen zu entziehen und sich ggf. „freizukaufen“ bzw. „freikaufen“ zu lassen. Das ursprüngliche Ziel einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung auf dem Land ist dann gefährdet. Gegensteuern lässt sich dem jedoch durch die Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung, namentlich die an sie im Falle der Nichterfüllung geknüpften Sanktionen. Die Auswahlmaßstäbe der Besteneignung kommen als Mittel der Vorrangwahl ohnedies nur subsidiär zur Anwendung, wenn also die Zahl der Studienplätze kleiner ist als die Zahl grundsätzlich geeigneter Bewerber, die sich eine Tätigkeit als Landarzt überhaupt vorstellen können. Erfolgt die Auswahl im Falle eines Bewerbungsüberhangs auf die Quoten-Studienplätze nach den Kriterien, die auch die sonstige Auswahlentscheidung für die Zulassung leiten, senkt das am ehesten das Risiko, dass die Vorabquote zu einem Durchschlupf degeneriert, über dessen Hintertreppe sich Bewerber den Zugang zum Medizinstudium verschaffen, denen dieser aus Gründen mangelnder Eignung eigentlich verwehrt ist. Die Berücksichtigung von Leistungskriterien beugt damit der Gefahr einer erhöhten Abbruchquote und des Nichtbestehens von Prüfungen durch ungeeignete Studienbewerber vor – und trägt dadurch dazu bei, eine Fehlallokation von Ressourcen zu vermeiden. 355

Vgl. hierzu B. II. 2. c) aa) (10), S. 88 mit Fn. 328. Vgl. zur Situation bei mittelbarer Grundrechtsbindung der Handlungsträger BVerfGE 89, S. 214 ff. 357 Zur Kritik und unterschiedlichen Auslegung des Begriffs „Leistung“ Bode (Fn. 74), S. 348 (363 ff.) m. w. N. 356

III. Verfassungsrechtlicher Schutz der Hochschulautonomie

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Ergänzend zu einer rein leistungsbezogenen Auswahl ist eine Orientierung an dem Auswahlverfahren denkbar, das zahlreiche Hochschulen auf der Grundlage des § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG bzw. Art. 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HZulEinrErrStV bereits erfolgreich praktizieren.358 Diese treffen eine Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer Gewichtung verschiedener für einen Studienerfolg sprechender Faktoren. Als Auswahlkriterien sind insbesondere berufspraktische Erfahrungen oder vorangegangene Ausbildung(en) auf medizinischem Gebiet, gute Schul- und Studienleistungen in MINT-Fächern, mündliche Auswahlverfahren mit Fokus auf die Studienmotivation, Belastbarkeit, soziales und gesellschaftliches Engagement sowie Kommunikationsfähigkeit denkbar.359 Mündliche Auswahlverfahren bergen zwar das Risiko, eher die Darstellungsfähigkeit von Interessenten als ihre tatsächliche Motivation zu messen. Sie eignen sich aber als Indikator für solche Fähigkeiten und Eigenschaften, die ein Landarzt stärker als bspw. ein Klinikarzt oder forschender Arzt benötigt. Eine Auswahl der Bewerber nach „harten“ und/oder „weichen“ Eignungskriterien ist insofern auch systematisch kohärent und durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich vorgezeichnet. Sie trägt dem durch die Zuteilung berührten grundrechtlichen Freiheitsbereich am besten Rechnung.

III. Verfassungsrechtlicher Schutz der Hochschulautonomie (Art. 5 Abs. 3 GG) Bisher dürfen die Hochschulen ihre Auswahlentscheidung nach § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG weitgehend frei treffen. Der Gesetzgeber benennt zwar einige Kriterien. Diese sind aber nicht abschließend. Den Hochschulen verbleibt ein substanzieller Spielraum für eigene Impulse. Schränkt der Gesetzgeber die Freiheit der Hochschulen ein, indem er ihnen als einen denkbaren Konstruktionsweg einer Landarztquote360 die Verpflichtung auferlegt, eine Verpflichtungserklärung im Auswahlverfahren der Hochschulen i. S. d.

358

Vgl. prototypisch die Satzung für das hochschuleigene Auswahlverfahren in den Studiengängen Humanmedizin und Zahnmedizin sowie Pharmazie der Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald vom 18. 4. 2006; vgl. ferner die Übersicht über die hochschulinternen Auswahlverfahren zum WS 2013/2014: Stiftung für Hochschulzulassung, Erläuterungen zu den Auswahlkriterien im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) zum WS 2013/14, 2013. 359 Als der Gesetzgeber Auswahlverfahren zuließ, zielte er insbesondere darauf, „ein breites Beurteilungsspektrum [zu ermöglichen], mit dem der Individualität der Einzelfälle bestmöglich Rechnung getragen werden kann“ (BT-Drucks. 13/8796, S. 24). 360 Siehe oben A. IV. 3. a), S. 30; dazu, dass dieser Weg mit dem geltenden Recht nicht vereinbar ist, unten D. II., S. 138 f.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

§ 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG zu berücksichtigen, greift er damit womöglich in die verfassungsrechtlich geschützte Autonomie der Hochschulen361 ein.

1. Verfassungsrechtliche Ausgangslage Die Hochschulautonomie umfasst wissenschaftsrelevante Fragen, also solche, die unmittelbar-kausal Fragen der Forschung und Lehre betreffen.362 Die Zulassung zum Studium markiert zwar den Beginn der universitären medizinischen Ausbildung und berührt damit auch die Wahrnehmung der Lehre durch die Hochschulen. Die personelle Zusammensetzung der Studierendenschaft beeinflusst in dem auf Interaktivität angelegten Prozess der Lehre insbesondere das Niveau und die Gestaltung akademischer Lehre. Sie wirkt sich inhaltlich aber nicht unmittelbar auf die gestalterische Freiheit zur Wahrnehmung der Lehraufgabe aus, auf die sich die verfassungsrechtlich verbürgte Hochschulautonomie erstreckt. Sie ist vielmehr primär Teil der Voraussetzungen, damit und unter denen das Wirken der Hochschulen stattfinden kann. Die Vergabe von Studienplätzen ist eine originäre staatliche Aufgabe.363 Die Autonomie der Hochschulen bzw. deren Wissenschaftsfreiheit ist insoweit lediglich mittelbar betroffen; einen verfassungsfesten Schutzanspruch genießen sie nicht.364 Entsprechend ihrem Kerngedanken erstreckt sich die Freiheit der Lehre namentlich auf die Freiheit vor staatlichem Zwang bei der inhaltlichen Ausfüllung der Lehrinhalte, umschließt aber nicht ein selbstständiges Recht auf ein bestimmtes Niveau der Lehradressaten. Im Vordergrund steht bei der Auswahlentscheidung vielmehr die Ausbildungsfreiheit der Studienplatzbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG.365 Die verfassungsrechtliche Ausgangslage spiegelte sich bis zum Jahr 1998 auch in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung wider. Noch bis zur Änderung des § 32 HRG 361 Zu ihr z. B. Herberger, Staat und Hochschulen, in: Haug (Hrsg.), Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., 2009, Rn. 117 ff. 362 Vgl. z. B. Herberger (Fn. 361), Rn. 129 ff. 363 BayVerfGH, BayVBl. 1971, S. 102 (104) m. w. N.; Geis, § 100 – Autonomie der Universitäten, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, 2011, Rn. 33; Schmitt Glaeser, WissR 7 (1974), S. 107 (122 f.); vgl. zur Abgrenzung zwischen öffentlichen und staatlichen Belangen im Hochschulbereich Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Nov. 1958, Art. 5 Abs. 3, Rn. 133; zur historischen Entwicklung Bode (Fn. 74), S. 348 (351, 356 ff.). 364 Krausnick, Kap. I/IV – Grundlagen und Reichweite der akademischen Selbstverwaltung, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht im Freistaat Bayern, 2009, Rn. 168. 365 Vgl. auch BayVGH, BayVBl. 1970, S. 66 (68); Geis (Fn. 363), Rn. 33; Krausnick (Fn. 364), Rn. 168; ähnlich auch Scholz (Fn. 363), Art. 5 Abs. 3, Rn. 136, 163, der Art. 5 Abs. 3 GG insoweit als von Art. 12 GG überlagert und in der Immatrikulation eine Kooperationsaufgabe von Staat und Hochschulen sieht; vgl. für die Grenzen der Hochschulautonomie bei der Immatrikulation auch BVerwGE 7, S. 287 (292 f.).

III. Verfassungsrechtlicher Schutz der Hochschulautonomie

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durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes366 kam den Hochschulen bei der Auswahl der Medizinstudierenden kein Mitspracherecht zu. Die Gesetzesneufassung verfolgte die politische Zielsetzung, die Hochschulen stärker an der Auswahl der Studierenden zu beteiligen. Ausfluss einer verfassungsrechtlichen Verbürgung ist dieses Mitspracherecht aber nicht.367 Sonst hätte der Gesetzgeber den Hochschulen nicht nur bei einem Bruchteil der Studienplätze (vgl. § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG), sondern im Grundsatz bei allen Studienplätzen ein Auswahlrecht zugestehen müssen. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, einen Teil der Studienplätze im Wege der Vorabquote ohne Beteiligung der Hochschulen zuzuteilen. Diesem verfassungsrechtlichen Verständnis folgen auch die Landeshochschulgesetze: Sie ordnen die Vergabe von Studienplätzen einfachrechtlich als staatliche Aufgabe ein, die nicht Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Hochschulautonomie ist.368

2. Schlussfolgerungen Die Auswahl der Medizinstudierenden ist kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht der jeweiligen Hochschule. Eine gesetzliche Implementierung einer privilegierten Zulassung für angehende Landärzte als Auswahlkriterium im Auswahlverfahren der Hochschulen verletzt daher nicht die verfassungsrechtliche Verbürgung des Art. 5 Abs. 3 GG. Die Aufgabe, die Bewerber festzulegen, die eine Zulassung zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung erhalten, darf der Staat aus verfassungsrechtlicher Sicht in die Hände einer staatlichen Stelle legen.369 Dafür bedürfte es allerdings einer Änderung des einfachgesetzlichen Rechts sowie des Staatsvertrags. Denn § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG sowie Art. 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HZulEinrErrStV erklären die Hochschulen ausschließlich für die Auswahl derjeni-

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Gesetz vom 20. 8. 1998, BGBl. I 1998, S. 2190. Die Gesetzesbegründung geht insbesondere nicht von einer Verfassungswidrigkeit der bisherigen Rechtslage und einer hiermit korrespondierenden Verpflichtung zur Neugestaltung der Rechtslage aus, BT-Drucks. 13/8796, S. 23 f. Für eine umfassend verstandene Hochschulautonomie aber wohl Hansalek (Fn. 97), S. 669; ähnlich in der Tendenz, die Frage im Ergebnis weitgehend offen lassend Steinberg/Müller (Fn. 117), S. 1118 f. 368 Vgl. etwa Art. 12 Abs. 3 Nr. 5 BayHSchG; § 10 Abs. 2 Nr. 2 BremHG; § 12 Abs. 2 Nr. 5 LHG M-V; § 47 S. 2 Nr. 3 NdsHG; § 78 Abs. 2 Nr. 1 SaarlUG; § 56 Nr. 5 HSG LSA; hierauf deutet auch die Aufgabenverteilung der §§ 30, 31 HRG hin: Die Hochschulen melden ihre Vorstellung von Zulassungszahlen an die Länder; diese setzen die Zahlen fest. Bis zum Jahr 1998 unterlag dieser Bereich noch (wie andere staatliche Aufgaben) ausdrücklich der Fachaufsicht nach § 59 Abs. 2 S. 2 HRG a. F.; vgl. Becker, in: Denninger (Hrsg.), HRG, 1984, §§ 29, 30, Rn. 38; Dallinger, in: Dallinger/Bode/Dellian (Hrsg.), HRG, 1978, § 59, Rn. 5. 369 A. A. Bode (Fn. 74), S. 348 (373 f.), der den Hochschulen zumindest ein „Beteiligungsrecht“ zugestehen möchte und damit aktuelle Entwicklungen zum Grundsatz hochschulfreundlichen Verhaltens fortgeführt sieht. 367

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

gen Studienbewerber für zuständig, die nicht nach den anderen Tatbeständen (einschließlich der Vorabquotentatbestände) einen Studienplatz erhalten haben.370

IV. Vereinbarkeit einer Landarztquote mit Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 21 Abs. 1 AEUV Eine Vorabquote für Landärzte hat nicht nur eine verfassungsrechtliche, sondern auch eine unionsrechtliche Dimension: Sie kann auf die Grundfreiheiten einwirken, welche die Union den Marktbürgern verbürgt. Regelungen für den Zugang zu Universitäten misst der EuGH an dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV.371 Dieser schützt als Gleichheitsrecht Unionsbürger vor einer unterschiedlichen Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, Art. 21 AEUV als Abwehrrecht vor Beschränkungen der Freizügigkeit eines jeden Unionsbürgers im gesamten Unionsgebiet.372 370 Zu den rechtlichen Grenzen, die der Wesentlichkeitsvorbehalt für eine hochschulautonome Auswahl zieht, vgl. etwa BVerfGE 33, S. 303 (346 f.). Die grundlegende Entscheidung muss der Gesetzgeber selbst treffen und daher zumindest die Art des anzuwendenden Auswahlkriteriums und dessen Rangverhältnis zu den anderen Kriterien festlegen. Eine blankettartige Ermächtigung hinsichtlich einer Auswahlregelung ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Dazu im Kontext des § 32 HRG Hauck (Fn. 90), § 32, Rn. 23. 371 Seit EuGH, Urt. vom 13. 2. 1985 – 293/83 –, NJW 1985 S. 2085 (2087, Rn. 25), Françoise Gravier/City of Liège st. Rspr; vgl. insbesondere EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (467, Rn. 34, 39), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. Soweit der Studienbewerber sich in Deutschland auf der Grundlage des Art. 6 oder Art. 7 Freizügigkeits-Richtlinie 2004/38/EG aufhält, kann als lex specialis ein Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 24 Abs. 1 S. 1 Freizügigkeits-Richtlinie hinzutreten. Mit Blick auf die Zulässigkeit einer Diskriminierung reicht das aus Art. 24 Abs. 1 S. 1 Freizügigkeits-Richtlinie folgende Recht im Allgemeinen nicht weiter als das aus Art. 18 Abs. 1 AEUV und gilt ebenfalls nur im Anwendungsbereich der Verträge. Gleichzeitig überspielt in Konfliktfällen die primärrechtliche Regelung des Art. 18 Abs. 1 AEUV die einfachrechtliche des Art. 24 Abs. 1 S. 1 Freizügigkeits-Richtlinie. Insbesondere auch außerhalb der Aufenthaltsrechte nach Art. 6, 7 Freizügigkeits-Richtlinie können daher Diskriminierungen auf Grund der Staatsangehörigkeit verboten sein bzw. muss jede Diskriminierung, die nach Art. 18 Abs. 1 AEUV verboten ist, auch – in deren Anwendungsbereich – unter der FreizügigkeitsRichtlinie verboten sein, um Widersprüche bei der Anwendung von Unionsrecht zu vermeiden. Entsprechend verweist auch der EuGH in der Rechtssache Bressol darauf, dass es eine Frage des Einzelfalls ist, ob Art. 24 Abs. 1 S. 1 Freizügigkeits-Richtlinie anwendbar ist und prüft deshalb die belgische Beschränkung des Hochschulzugangs alleine anhand von Art. 18 (und 21) AEUV, vgl. EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (467, Rn. 34 ff.), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 372 In einer Zusammenschau des allgemeinen Diskriminierungsverbots und des allgemeinen Freizügigkeitsrechts hat der EuGH das Diskriminierungsverbot damit weit ausgedehnt und im Grunde für stets anwendbar erklärt, wenn ein Unionsbürger die Grenze zu einem anderen Mitgliedstaat überschreitet (bzw. zu überschreiten gedenkt) und sich dort rechtmäßig aufhält; Art. 18 Abs. 1 AEUV ist dadurch im Ergebnis auch der abrundenden akzessorischen Freiheitssicherung verschrieben, vgl. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das

IV. Vereinbarkeit einer Landarztquote mit Art. 18 Abs. 1 AEUV

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1. Diskriminierung im Anwendungsbereich der Verträge? Will ein Studienbewerber in einem anderen Mitgliedstaat ein Studium aufnehmen und so von seinem (allgemeinen) Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV Gebrauch machen,373 ist es den Mitgliedstaaten grundsätzlich verboten, solche Studienbewerber aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit – sei es unmittelbar oder mittelbar – unterschiedlich zu behandeln.374 Den Studienbewerbern steht ein gleiches „Recht auf Zugang zum Hochschulunterricht [zu], das zum Kernbereich des Grundsatzes der Freizügigkeit der Studierenden gehört“375. Eine Landarztquote differenziert nicht nach der Staatsangehörigkeit des Bewerbers. Sie eröffnet vielmehr grundsätzlich allen Unionsbürgern unterschiedslos Zugang zu einem im Voraus festgelegten Kontingent an Studienplätzen. Anders als andere Modelle der Niederlassungsförderung von Landärzten376 knüpft sie insbesondere nicht an den bisherigen Wohnsitz des Bewerbers in einem Mitgliedstaat an. Möglicherweise löst sie aber eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Diskriminierung aus. Sie macht die Gewährung des Studienplatzes nämlich immerhin davon abhängig, dass der Bewerber bereit ist, sich nach der Ausbildung in einer bestimmten ländlichen Region der Bundesrepublik als Vertragsarzt niederzulassen. Diese Koppelung beeinträchtigt ausländische Studienbewerber womöglich stärker als inländische. a) Charakteristika mittelbarer Diskriminierung Wenn sich eine Zulassungsbeschränkung „ihrem Wesen nach eher auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten als auf Inländer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie die Erstgenannten besonders benachteiligt“377, tritt eine mittelbare Recht der Europäischen Union, 58. Erg.-Lfg., Jan. 2016, Art. 18 AEUV, Rn. 35 f.; zur Voraussetzung der Rechtmäßigkeit vgl. EuGH (Große Kammer), Urt. vom 11. 11. 2014 – C-333/ 13 –, NJW 2015, S. 145 (146 f., Rn. 59, 67 ff.), Dano/Jobcenter Leipzig. Die Grenzen der Freizügigkeit bestimmen damit aber auch grundsätzlich die Grenzen des Diskriminierungsverbotes. Wo diese jedoch genau verlaufen, ist nach wie vor umstritten. Insbesondere ist die genaue Abgrenzung nicht bruchfrei; siehe dazu Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 18 AEUV, Rn. 18 u. 22. 373 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (466 f., Rn. 31 ff. m. w. N.), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 374 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (466 f., Rn. 31 ff.), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 375 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (470, Rn. 79), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française, mit Verweis auf EuGH, Urt. vom 7. 7. 2005 – C-147/03 –, EuZW 2005, S. 465 (467, Rn. 70), Kommission/ Österreich. 376 Dazu S. 24 sowie C. I. 3. b) cc) (2) (a), S. 122. 377 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (467, Rn. 40), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Diskriminierung ein. Das gilt insbesondere für Wohnsitz-378, Ansässigkeits-379 und Aufenthaltserfordernisse, die der Studienbewerber vor und zum Zeitpunkt der Zulassung oder während des Studiums erfüllen muss. Ihnen allen ist gemein, dass sie „praktisch ausschließlich oder weit überwiegend“ EU-Ausländer ausschließen, die eigenen Staatsangehörigen hingegen die Voraussetzungen erfüllen.380 So ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Belgier vor seinem Studium drei Jahre in Belgien ansässig war wesentlich höher, als dies für einen Franzosen der Fall ist.381 Entsprechend diskriminiert eine nationale Bestimmung mittelbar, wenn sie als tatsächliche Folge einen Ausschluss von EU-Ausländern bewirkt, welcher der Exklusionswirkung des Kriteriums „Staatsangehörigkeit“ weitgehend gleichkommt,382 bzw. wenn diese in der „großen Mehrzahl“383 betroffen sind. Legt man (entsprechend der parallelen Zielrichtung der Grundfreiheiten) die Maßstäbe der ständigen Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitnehmerfreizügigkeit auch an die Freizügigkeit des Art. 21 AEUVan, genügt bereits die Eignung zur Ausschlussäquivalenz.384 Nicht entscheidend sind demgegenüber die Motive des Mitgliedstaates, so dass auch Diskriminierungen in den Anwendungsbereich fallen, die nicht intendiert sind.385 b) Diskriminierungscharakter nachgelagerter Ansässigkeitserfordernisse? Von Ansässigkeitserfordernissen, welche der EuGH als mittelbare Diskriminierung eingestuft hat,386 unterscheidet sich das Konzept der Landarztquote in einem 378 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 15. 3. 2005 – C-209/03 –, EuZW 2005, S. 276 (278, Rn. 15), The Queen, auf Antrag von Dany Bidar/London Borough of Ealing, Secretary of State for Education and Skills. 379 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (467, Rn. 40 m. w. N.), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 380 Streinz (Fn. 372), Art. 18 AEUV, Rn. 53 sowie zur insoweit vergleichbaren Arbeitnehmerfreizügigkeit Franzen, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 45 AEUV, Rn. 83. 381 So die dem Fall Bressol zugrunde liegende Regelung, EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, BeckRS 2010, 90437, Rn. 9 (insoweit nicht in EuZW 2010, S. 465 ff. abgedruckt), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 382 Bogdandy (Fn. 372), Art. 18 AEUV, Rn. 15. 383 EuGH, Urt. vom 10. 2. 1994 – C-398/92 –, NJW 1994, S. 1271 (1271, Rn. 16), Mund&Fester/Hatrex Internationaal Transport. 384 EuGH, Urt. vom 23. 5. 1996 – C-237/94 –, BeckRS 2004, 75327, Rn. 21, John O’Flynn/ Adjudication Officer; Urt. vom 12. 9. 1996 – C-278/94 –, BeckRS 2004, 75927, Rn. 20, Kommission/Belgien, jeweils zu Art. 48 EGV; so auch Bogdandy (Fn. 372), Art. 18 AEUV, Rn. 15. 385 Bogdandy (Fn. 372), Art. 18 AEUV, Rn. 14. 386 Vgl. u. a. EuGH (Große Kammer), Urt. vom 15. 3. 2005 – C-209/03 –, EuZW 2005, S. 276 (278, Rn. 15), The Queen, auf Antrag von Dany Bidar/London Borough of Ealing, Secretary of State for Education and Skills; Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (467, Rn. 40), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française.

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wichtigen Aspekt: Seine Ortsbindung ist nicht vor-, sondern nachgelagert, greift also erst nach dem erfolgreichen Studienabschluss. Der Einzelne hat die Möglichkeit, auf den Eintritt der Voraussetzung Einfluss zu nehmen: Ein vorgelagertes Ansässigkeitserfordernis erlegt ihm typischerweise unzumutbare Beschwernisse auf, seinen Wohnsitz bereits Jahre im Voraus an seinen geplanten Studienort anzupassen (z. B. weil er noch bei den Eltern wohnt oder der Studienwunsch nicht derart lange im Voraus bestand). Über seinen Aufenthaltsort nach Abschluss des Studiums kann er demgegenüber grundsätzlich frei disponieren. Für einen EU-Ausländer ist es – abstrakt betrachtet – weder schwerer noch leichter, sich auf eine Landarzttätigkeit in der Bundesrepublik einzulassen. Insofern verläuft insbesondere keine der Staatsangehörigkeit „gleich klare Abgrenzung“387(-slinie) zwischen In- und EU-Ausländern. Vielmehr sind die Grenzen buchstäblich fließend. Entscheidend ist (bei Beherrschung der Landessprache) weniger die Zugehörigkeit zu einem Staat als die geographische Nähe zu einer Region. Die Neigung, sich in Ost-Brandenburg als Arzt niederzulassen, kann für einen aus West-Polen stammenden Studienbewerber insofern womöglich sogar höher sein als für einen Friesen oder Niederbayern. Entsprechend geht der EuGH selbst davon aus, dass die Annahme, Studierende aus dem EU-Ausland zögen größtenteils nach dem Studium wieder in ihr Heimatland zurück, nicht von sich aus valide ist, sondern im Einzelfall der (wissenschaftlichen) Untermauerung bedarf.388 Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Studieninteressenten aus anderen Mitgliedstaaten von einer Bewerbung auf Studienplätze aus der Landarztquote stärker abschrecken lassen als inländische. Denn für sie verknüpft sich mit der Zulassung nicht nur der auf die Zeit des Studiums beschränkte Wegzug aus ihrem Heimatland, sondern auch eine Niederlassungsbindung in einem fremden Mitgliedstaat, der sie aus ihrem angestammten Umfeld (über die Zeit der Ausbildung hinaus) herausreißt. Abschreckende Wirkung kann davon nicht zuletzt deshalb ausgehen, weil die Verpflichtung in eine Lebensphase fällt, die wichtige Weichen für die weitere persönliche Entwicklung stellt. Damit korrespondiert das Risiko, dass sich die Regelung „ihrem Wesen nach eher auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten als auf Inländer“389 auswirkt und jene besonders benachteiligt. Es ist daher gut vorstellbar, dass der EuGH auch nachgelagerte Ansässigkeitserfordernisse wie die Landarztquote – bei weiter Auslegung des Art. 18 AEUV – als mittelbare Diskriminierung einstuft.390 387

Streinz (Fn. 372), Art. 18 AEUV, Rn. 53. EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469, Rn. 73), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 389 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (467, Rn. 41), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française; vgl. auch EuGH, Urt. vom 30. 11. 2000 – C-195/98 –, EuZW 2001, S. 413 (415 f., Rn. 39 f.), Österreichischer Gewerkschaftsbund/Österreich. 390 Bislang hatte der EuGH – soweit ersichtlich – in keinem Fall eine nachgelagerte Ansässigkeitspflicht zu prüfen. So betraf z. B. auch der Fall Dany Bidar das Erfordernis, dass 388

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2. Rechtfertigung einer potenziellen Diskriminierung Eine von einer Niederlassungsverpflichtung ausgehende mittelbare Diskriminierung ist nicht vorbehaltlos unzulässig. Sie hat aber nur dann vor dem Unionsrecht Bestand, wenn die Maßnahme zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht, zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist, und im Verhältnis zu ihrem Ziel angemessen ist.391 a) Grund des Allgemeininteresses; Nachweis einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit Die öffentliche Gesundheit gehört zu den Gründen des Allgemeininteresses, die eine dem Schutzgehalt des Art. 18 AEUV unterfallende Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Das Unionsrecht erkennt die besondere Bedeutung des Gesundheitsschutzes an und betrachtet die Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus als eines der Querschnittsziele der Union (Art. 35 GrCh; Art. 165 Abs. 1 AEUV; vgl. auch Art. 36 S. 1, Art. 52 Abs. 1 AEUV). Die Union verankert auch den Gedanken der Förderung ländlicher Gebiete originär in ihren Verträgen (vgl. Art. 107 Abs. 3 lit. a AEUV). Eine regionale Unterversorgung mit medizinischem Personal brächte nach Einschätzung des EuGH „schwerwiegende Probleme für den Schutz der öffentlichen Gesundheit mit sich“392 : „Wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung der Gefahren für die öffentliche Gesundheit bleibt“, darf der Mitgliedstaat „Schutzmaßnahmen treffen […], ohne warten zu müssen, bis es an medizinischem Personal fehlt“393. Die Gefahr der Unterversorgung bedarf jedoch des „Nachweises“ mittels einer „objektiven, eingehenden und auf Zahlenangaben ge-

der Einzelne „auf Dauer ansässig“ ist und dort in den drei Jahren vor Beginn seines Studiums seinen Wohnsitz hatte, vgl. EuGH (Große Kammer), Urt. vom 15. 3. 2005 – C-209/03 –, EuZW 2005, S. 276 (278, Rn. 15), The Queen, auf Antrag von Dany Bidar/London Borough of Ealing, Secretary of State for Education and Skills. 391 Grundsätzlich zu den Grundfreiheiten EuGH, Urt. vom 31. 3. 1993 – C-19/92 –, NVwZ 1993, S. 661 (662, Rn. 32), Dieter Kraus/Land Baden-Württemberg; Urt. vom 30. 11. 1995 – C55/94 –, NJW 1996, S. 579 (581, Rn. 37), Reinhard Gebhard/Consiglio dell’ ordine degli avvocati et procuratori di Milano; Urt. vom 21. 4. 2005 – C-140/03 –, BeckRS 2005, 70302, Rn. 34, Kommission/Griechenland; so in der Sache – ohne Erwähnung des Terminus „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ – auch EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469, Rn. 66 ff.), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 392 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469, Rn. 68), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 393 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469, Rn. 70), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française.

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stützten Untersuchung“, die sich auf zuverlässige, übereinstimmende und beweiskräftige Daten stützt.394 Der sich insbesondere als Folge der Urbanisierung und der demographischen Entwicklung abzeichnende Landarztmangel395 kündigt eine in greifbaren Zahlen belegbare Bedrohung einer qualitativ und quantitativ hinreichenden ärztlichen Versorgung in ländlich strukturierten Regionen der Bundesrepublik Deutschland an.396 Die Voraussagen gehen nicht alleine von allgemeinen Vermutungen zum Niederlassungsverhalten angehender Ärzte aus. Vielmehr belegen die bislang bekannten Zahlen differenziert über einen längeren Zeitraum anhaltende Entwicklungen sich anbahnender struktureller Unterversorgung. Obgleich der exakte künftige Bedarf an Landärzten sich nicht frei von Unwägbarkeiten berechnen lässt, zeichnet sich doch ab, dass er – wenn der Gesetzgeber keine Gegenmaßnahmen ergreift – deutlich größer sein wird als die Zahl der Absolventen medizinischer Studiengänge, die sich aus eigenem Antrieb in unterversorgten Regionen niederzulassen bereit ist. b) Geeignetheit zur Beseitung der Gefährdung Eine Landarztquote trägt dazu bei, die Zahl der Absolventen zu erhöhen, die für die Gewährleistung der Gesundheitsversorgung in unterversorgten Regionen zur Verfügung stehen.397 Der Gesetzgeber verlässt sich, wenn er diese Maßnahme ergreift, – damit anders als in den vom EuGH entschiedenen Fällen398 – nicht alleine auf die Hoffnung, dass finanzielle Anreize ihr Ziel nicht verfehlen oder dass vor dem Studium auf dem Land ansässige Studierende auch nach ihrem Abschluss dorthin zurückkehren. Vielmehr sichert die Landarztquote ihre Zielerreichung rechtsförmlich durch eine Verpflichtungserklärung ab.399

394 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469, Rn. 71), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 395 Dazu im Einzelnen oben A. II., S. 19 ff. 396 Dazu im Einzelnen oben A. I., S. 16 ff. 397 Dazu insbesondere B. II. 2. c), S. 51 ff. sowie E. I., S. 140 f. 398 Im Fall Bressol kritisiert der EuGH insbesondere die Extrapolationen der Hypothesengrundlagen, die Belgien seiner Regelung unterlegt hatte. Das Land ließ sich von der Annahme leiten, dass einheimische Studierende nach ihrem Hochschulabschluss auch zukünftig dem nationalen Markt zur Verfügung stünden, ausländische Studierende hingegen nach Ende ihres Studiums ausnahmslos wieder in ihren Heimatstaat abwandern, vgl. EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (469, Rn. 73), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 399 Dazu B. II. 2. c) bb) (1), S. 91 sowie C., S. 110 ff.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

c) Erforderlichkeit zur Beseitigung der Gefährdung Die Landarztquote und die damit einhergehende mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern gehen grundsätzlich nicht über das hinaus, was zur Erreichung des angeführten Ziels erforderlich ist.400 Ein nachgelagertes Anreizsystem, das nicht die Studierendenauswahl, sondern allein die Berufsausübungswünsche zugelassener Studierender lenkt, insbesondere ein Stipendienprogramm, ist zwar weniger eingriffsintensiv als eine Landarztquote, da sie erst nach Zulassung zum Studium ansetzt.401 Im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative ist dem Gesetzgeber aber die Prognose nicht verwehrt, dass solche alternativen Maßnahmen – sei es einzeln, sei es gemeinsam – nicht ausreichen, um das beträchtliche Maß des sich abzeichnenden (grundsätzlich nur langfristig umkehrbaren) Landarztmangels bewältigen zu können. d) Angemessenheit zur Beseitigung der Gefährdung Die mittelbare Diskriminierung, die von einer Landarztquote ausgehen kann, muss in einem angemessenen Verhältnis zu „dem den Studierenden aus anderen Mitgliedstaaten zustehenden Recht auf [diskriminierungsfreien] Zugang zum Hochschulunterricht“402 stehen. Sowohl der beschränkende Inhalt der Verpflichtungserklärung403 als auch die Zahl der Plätze, die im Rahmen der Landarztquote vergeben werden,404 dürfen auf die Zugangschancen anderer Studienbewerber nicht unangemessen einwirken, diese insbesondere nicht von einer Aufnahme des Studiums abschrecken. Den Studierenden aus dem EU-Ausland muss ein „ausreichend weite[r] [diskriminierungsfreier] Zugang zum Hochschulunterricht“405 verbleiben. Im Rahmen des gesetzlichen Regimes des HRG kann die Landarztquote lediglich einen einstelligen Prozentsatz an Studienplätzen für sich reklamieren. Die ganz überwiegende Zahl des Studienplatzkontingents steht ohne eine Verpflichtungserklärung grundsätzlich allen Bewerbern offen.406 Die mögliche mittelbare Diskriminierungswirkung einer Landarztquote bleibt schwach. Allen Studienbewerbern 400 Dazu ausführlich B. II. 2. c) aa), S. 52 ff.; vgl. zu dem Erfordernis auch EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (470, Rn. 77 f.), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 401 Dazu ausführlich oben B. II. 2. c) aa) (1), S. 53 ff. 402 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (470, Rn. 79), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 403 Dazu bereits B. II. 2. c) bb) (1) und (2), S. 91 f. 404 Dazu bereits B. II. 2. c) bb) (3), S. 92 f. 405 EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, EuZW 2010, S. 465 (470, Rn. 79), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française. 406 Anders im Falle der 30 %-Quote in der belgischen Regelung in der Rechtssache Bressol; EuGH (Große Kammer), Urt. vom 13. 4. 2010 – C-73/08 –, BeckRS 2010, 90437, Rn. 13 (insoweit nicht in EuZW 2010, S. 465 ff. abgedruckt), Nicolas Bressol u. a./Gouvernement de la Communauté française.

V. Zwischenergebnis

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steht grundsätzlich die Möglichkeit offen, sich selbst für eine (deutsche) Landarzttätigkeit zu entscheiden und damit auch in den Genuss der Privilegierung zu kommen. Ob Bewerber von der Option Gebrauch machen, haben sie – anders als in Fällen, in denen Ansässigkeitserfordernisse an die Vergangenheit anknüpfen – grundsätzlich selbst in der Hand. Eine in moderater Höhe festgesetzte Landarztquote schießt nicht unangemessen über das unionsrechtlich anerkannte Regelungsziel öffentlichen Gesundheitsschutzes hinaus. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten und der Bedeutung des Ziels öffentlichen Gesundheitsschutzes ist eine Vorabquote – ebenso wie im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG407 – daher unionsrechtlich sub specie des Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 21 Abs. 1 AEUV rechtfertigungsfähig.

V. Zwischenergebnis Mit Blick auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG trifft den Staat eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht, eine flächendeckende ärztliche Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Sie legitimiert ihn, d. h. unter der Kompetenzordnung des Grundgesetzes den Bund,408 die Auswahl von Studienbewerbern für das Studienfach Medizin in den Grenzen des Verhältnismäßigen auf dieses Bedürfnis auszurichten. Bei dem Auswahlkriterium „Abgabe einer Verpflichtungserklärung für die Niederlassung als Landarzt“ handelt es sich nicht um ein Auswahlkriterium, das dem Freiheitsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG strukturell immanent ist und daher schon als solches den Anforderungen an objektive Sachgerechtigkeit und individuelle Zumutbarkeit genügt. Zulässig ist seine Implementierung in das Auswahlverfahren nur, wenn Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine Privilegierung angehender Landärzte bei der Zulassung zum Medizinstudium rechtfertigen (sog. neue Formel). Die Privilegierung muss zur Erreichung der Zielsetzung erforderlich und angemessen sein.409 Anstelle einer privilegierten Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung sind zahlreiche andere (weniger grundrechtsintensive) Maßnahmen denkbar, die zu einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung auf dem Land beitragen können.410 Sie stellen aber vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Bedarfslücke und der bestehenden Prognoseunsicherheit nicht mit hinreichender Gewähr sicher, dass sie – sei es individuell, sei es in ihrer Kumulierung – das intendierte gesetzgeberische Ziel einer angemessenen Gesundheitsversorgung auf dem Land erreichen. 407 Siehe zu den sachlich eng verwandten Rechtfertigungsgründen ausführlich im Einzelnen B. II., S. 44 ff. 408 Dazu B. I., S. 34 ff. 409 Siehe B. II. 2. c) aa) und bb), S. 52 ff. 410 Siehe im Einzelnen B. II. 2. c) aa) (1)–(9), S. 53 ff.

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B. Die Verpflichtungserklärung als Auswahlkriterium im Zulassungsverfahren

Das gilt auch für ein Stipendienprogramm als Prototyp einer typnahen wirksamen, milderen Alternativmaßnahme. Es kann die Förderungsleistung zwar – wie die Berücksichtigung im Auswahlverfahren – an die Abgabe einer sanktionsbewehrten Verpflichtungserklärung knüpfen (und sollte dies auch tun, um die erwünschte Steuerungswirkung zu erzielen). Ihre Sanktionsreichweite beschränkt sich konstruktiv aber auf die monetäre Gesamthöhe des Stipendiums als maximal zu erstattenden Betrag. Sie ist daher im Verhältnis zu einer Sanktion, die als (maximalen) Abschöpfungsgegenstand an die privilegierte, durch das Lenkungsziel sachlich rechtfertigbare Bereitstellung eines Medizinstudienplatzes auf der Grundlage einer Landarztquote anknüpft, in ihrem Zielerreichungsgrad limitiert. Wenn der Gesetzgeber die Steuerungswirkung und Wirkkraft einer Stipendiengewährung im Vergleich zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung bei der Studienzulassung als geringer einstuft, ist das keinen verfassungsrechtlich zwingenden Einwänden ausgesetzt. Lässt der Staat Studienbewerber auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung bevorrechtigt zum Medizinstudium zu, muss er im Interesse angemessenen Grundrechtsschutzes flankierende Sicherungsmaßnahmen treffen, welche die Zweckerreichung hinreichend zuverlässig verbürgen.411 Er muss zum einen im Auswahlverfahren gewährleisten, dass die fachliche Qualität der Bewerber eine Zulassung zum Studium rechtfertigt. Anderenfalls legitimiert das selbst gesteckte Ziel qualitätsvoller flächendeckender ärztlicher Versorgung die Bevorzugung der Bewerber bei der Auswahl nicht. Gleiches gölte dann, wenn der Staat die Nichtbefolgung der abgegebenen Verpflichtung nicht wirksam sanktionierte und die Folgenlosigkeit eines Pflichtverstoßes den Zugelassenen damit einen Vorteil beließe, der seine innere Legitimation wegen Zweckverfehlung verloren hat. Umgekehrt muss sich die freiheitsbeschränkende Wirkung der Verpflichtungserklärung in einem das Verhältnis zur Bedeutung des Ziels flächendeckender ärztlicher Versorgung wahrenden Rahmen bewegen.412 Die Privilegierung darf jedenfalls nur bedarfsdeckend sein, also nicht die Zahl von Studienplätzen überschreiten, die erforderlich ist, um eine schutzpflichtenrechtlich geforderte flächendeckende ärztliche Versorgung sicherzustellen. Sie darf auch den anderen Studienbewerbern den Zugang zum Medizinstudium nicht unangemessen erschweren, muss ihnen insbesondere eine realistische Chance auf einen Studienplatz nach Maßgabe eigener fachlicher Qualifikationen belassen. Unter diesen Prämissen hat eine Landarztquote auch vor dem Unionsrecht Bestand.413 Die von ihr möglicherweise ausgehende, durch Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 21 AEUV grundsätzlich verbotene mittelbare Diskriminierung von EU-Ausländern ist dann zum Zwecke des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt. 411 412 413

Dazu im Einzelnen B. II. 2. c) bb), S. 90 ff. Dazu im Einzelnen C. I. 3. b), S. 118 ff. Dazu B. IV., S. 100 ff.

V. Zwischenergebnis

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Die Hochschulen auf eine Berücksichtigung der Verpflichtungserklärung in ihrem Auswahlverfahren nach § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG zu verpflichten, verletzt auch nicht deren Hochschulautonomie aus Art. 5 Abs. 3 GG.414

414 Zur Unvereinbarkeit einer Landarztquote im hochschulinternen Auswahlverfahren mit geltendem Recht aber unten D. II., S. 138 f.

C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung der Wahl des späteren Arbeitsplatzes Die Bevorzugung von Studienbewerbern im Wege einer Vorabquote für künftige Landärzte wirkt sich nicht nur auf die Teilhaberechte der konkurrierenden Studienbewerber aus. Sie beeinträchtigt auch die Freiheitsrechte derjenigen, die eine Verpflichtungserklärung abgeben.

I. Art. 12 Abs. 1 GG 1. Schutzbereich Art. 12 Abs. 1 GG verbürgt Deutschen415 in seiner abwehrrechtlichen Dimension das Recht, nach ihrem selbstbestimmten Willen eine Tätigkeit zur materiellen Grundlage ihrer individuellen Lebensführung zu erheben und auszuüben:416 Geschützt ist der freie Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen, beizubehalten und aufzugeben.417 Zwar differenziert Art. 12 Abs. 1 GG sprachlich zwischen der Wahl des Berufs, Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte sowie der Berufsausübung. Das ändert aber nichts daran, dass die grundrechtliche Gewährleistung sowohl über einen einheitlichen Schutzbereich als auch über eine einheitliche Schrankenregelung verfügt.418 Denn die verschiedenen Aspekte lassen sich nicht bruchfrei trennen: Die Ausbildung ist in der Regel die Vorstufe zur Berufsaufnahme; beide sind „integrierende Bestandteile eines zusammengehörenden Lebensvorgangs“419. Die Tätigkeit als Vertragsarzt stellt zwar keinen eigenständigen „Beruf“, sondern nur einen Ausschnitt aus dem umfassenderen, durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Beruf des Arztes dar.420 Eine Verpflichtungserklärung, 415 Zur Frage, inwieweit sich EU-Ausländer auf den Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG berufen können, siehe Fn. 133. 416 BVerfGE 63, S. 266 (286); 81, S. 242 (254); 101, S. 331 (346 f.). 417 BVerfGE 84, S. 133 (146). 418 Vgl. statt aller Epping (Fn. 133), Rn. 381 f.; Schneider (Fn. 138), Rn. 82. 419 BVerfGE 33, S. 303 (329 f.); vgl. Manssen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, 6. Aufl., 2010, Art. 12, Rn. 1 ff.; Papier (Fn. 153), S. 25. 420 Vgl. BVerfGE 11, S. 30 (41); 16, S. 286 (298); Boecken/Bristle, § 17 – Zulassung und Rechtsstellung des Vertrags(zahn)arztes, in: Sodan (Hrsg.), Handbuch des Krankenversiche-

I. Art. 12 Abs. 1 GG

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sich nach der Ausbildung als Landarzt niederzulassen, betrifft also grundsätzlich nicht die Berufswahl, sondern die Berufsausübung. Sie berührt aber zwei zentrale Aspekte der Berufsausübungsfreiheit: Sie entscheidet zum einen – für einen bestimmten Zeitraum – über die Art der konkret auszuübenden beruflichen Tätigkeit. Denn mit der Verpflichtungserklärung legt sich der Studienbewerber fest, (für die Zeit der Bindungsdauer) als Landarzt zu praktizieren. Andere ärztliche Tätigkeitsbereiche bleiben ihm in diesem Zeitraum versperrt. Insofern betrifft die Verpflichtungserklärung die (spätere) Möglichkeit des Studienbewerbers, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen. Zum anderen determiniert die Verpflichtungserklärung – bereits vor der Aufnahme des Arztberufs – den Ort der späteren Berufsausübung. Nicht mehr der Studienbewerber selbst bestimmt seine Niederlassung aus gänzlich freien Stücken; er gibt das Selbstbestimmungsrecht insoweit aus der Hand, indem er seinen ärztlichen Tätigkeitsradius auf den ländlichen Raum eingrenzt. In seiner räumlichen Dimension umschließt der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG auch die freie Wahl des Ortes des Arbeitsplatzes, für Selbstständige also des Ortes der Niederlassung.421 Entsprechend berühren vertragliche Erklärungen, die eine Verpflichtung zur Tätigkeit an einem bestimmten oder noch zu bestimmenden Ort nach Abschluss der Ausbildung begründen, den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG.422

2. Eingriff Die Verpflichtungserklärung wirkt in die berufliche Entfaltungsfreiheit ihrer Unterzeichner nachhaltig hinein. Dass sie in ihre Berufsfreiheit eingreift, versteht sich freilich nicht von selbst. Die Erklärung als solche ist vorrangig eine kraft autonomer Entscheidung abgegebene Willensbekundung des Studienbewerbers, sich als Landarzt niederzulassen, wenn er einen Medizinstudienplatz erhält – kein einseitiger staatlicher Akt. a) Anforderungen an einen grundrechtlichen Eingriff – die Verpflichtungserklärung: ein Anwendungsfall des „volenti non fit iniuria“? Stellt der Staat Bewerbern in zugangsbeschränkten Studiengängen einen Studienplatz in Aussicht, erweitert dies vordergründig deren Freiheitsbereich: Die Verrungsrechts, 2. Aufl., 2014, Rn. 87 ff.; Ruhberg, Aktuelle Probleme der vertragsärztlichen Bedarfsplanung vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, 2014, S. 199; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 155 ff. 421 BVerfGE 84, S. 133 (146); BVerfG, NJW 2003, S. 125 (126); Schneider (Fn. 138), Rn. 70. 422 Vgl. nur BVerwG, Urt. vom 25. 10. 1979 – II C 37.74 –, juris Rn. 25.

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

pflichtung, nach Abschluss des Studiums als Landarzt tätig zu sein, vermittelt (neben anderweitigen Auswahlkriterien) eine (weitere) Chance auf Zugang zum Medizinstudium. Die Verpflichtungserklärung gibt der Bewerber auch nicht auf der Grundlage einer vorgelagerten rechtlichen Verpflichtung ab. Sieht er von ihr kraft seines Entschlusses ab, ist er dadurch nicht von der Zulassung zum Medizinstudium ausgeschlossen. Er ist dann vielmehr darauf verwiesen, einen anderen Zulassungstatbestand zu erfüllen, der ihm zu einem Studienplatz verhilft. aa) Eingriffsbegriff Grundrechtseingriffe sind nicht allein auf solche staatliche Maßnahmen beschränkt, die final, unmittelbar, rechtsförmlich und imperativ423 erfolgen.424 Insbesondere eine Reduzierung auf imperative Maßnahmen würde der Vielfalt und dem Wandel425 grundrechtlicher Gefährdungslagen in einem modernen Staatswesen nicht gerecht.426 „Grundrechtseingriff“ kann vielmehr jedes staatliche Handeln sein, das Grundrechtsträgern ein grundrechtlich geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht427 – sofern diese Beeinträchtigung dem Staat zurechenbar ist.428 bb) Dispositionsbefugnis und rechtliche Bindungen des Staates Auch bei einem weiten Eingriffsbegriff schließt ein wirksamer Grundrechtsverzicht den Eingriffscharakter der Maßnahme grundsätzlich429 aus.430 Aus diesem 423 Darunter ist ein staatliches, im Notfall auch zwangsweise durchsetzbares Gebot oder Verbot zu verstehen, vgl. BVerfGE 105, S. 279 (300). Die Imperativität gilt manchen als Kernelement des klassischen Eingriffsbegriffs, dazu Peine, § 57 – Der Grundrechtseingriff, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, 2009, Rn. 23 ff. 424 BVerfGE 105, S. 279 (300). 425 Ein prominentes Beispiel hierfür bilden staatliche Warnungen, etwa vor gefährlichen Produkten. Warnt der Staat, so handelt er nicht rechtsförmlich, sondern vielmehr durch Realakt. In der Folge kann sich der Betroffene in diesen Fällen der staatlichen Maßnahmen nicht effektiv erwehren. Siehe hierzu etwa BVerfGE 105, S. 252 ff.; Martini/Kühl, JURA 2014, S. 1221 (1222 ff.). 426 Hillgruber, § 200 – Grundrechtlicher Schutzbereich, Grundrechtsausgestaltung und Grundrechtseingriff, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2011, Rn. 90. Vgl. auch Kloepfer, Verfassungsrecht II, 2010, § 51, Rn. 26 f.; Peine (Fn. 423), Rn. 31. 427 Pieroth/Schlink/Kingreen et al., Grundrechte, 31. Aufl., 2015, Rn. 253; vgl. auch Kloepfer (Fn. 426), Rn. 31; Michael/Morlok, Grundrechte, 5. Aufl., 2015, Rn. 494 ff. 428 Vgl. Michael/Morlok (Fn. 427), Rn. 493. 429 Nicht jedes Grundrecht ist einem Verzicht zugänglich – sehr wohl aber grundsätzlich dann, wenn ein Grundrecht die persönliche Entfaltungsfreiheit zu sichern bestimmt ist. Die in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Berufsfreiheit ist „in erster Linie persönlichkeitsbezogen“ und „konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung“, so dass sich Freiheitsausübung grundsätzlich in einem Verzicht und in der Übernahme von Pflichten äußern kann; BVerfGE 30, S. 292 (334).

I. Art. 12 Abs. 1 GG

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Grund hat das Bundesverwaltungsgericht den verwaltungsrechtlichen Vertrag von dem Vorbehalt des Gesetzes freigestellt: Angesichts der einverständlichen Mitwirkung der Vertragsbeteiligten komme es nicht zu Eingriffen, wie sie der Vorbehalt des Gesetzes voraussetze.431 Ähnlich sah bereits Otto Mayer unter Berufung auf die Rechtsfigur der „Gewährung auf Unterwerfung“ in der Beamtenernennung oder der belastenden Nebenbestimmung zu einem begünstigenden Verwaltungsakt keinen Eingriff, der einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe.432 Diese Voraussetzungen scheinen prima facie auch auf die Zustimmung zu Niederlassungsbeschränkungen zuzutreffen, übt der Staat doch auf Studienplatzbewerber keinen direkten rechtlichen Zwang aus, von der privilegierten Zugangseröffnung auf der Grundlage einer Vorabquote Gebrauch zu machen und sich durch die Verpflichtungserklärung zugunsten einer Tätigkeit als Landarzt selbst zu binden.433 Nutzen Studienplatzbewerber die Verpflichtungsmöglichkeit nicht, knüpft das Gesetz hieran insbesondere keine Sanktionen; es steht ihnen frei, ob sie von der Wahlmöglichkeit Gebrauch machen oder darauf verzichten. Die Entgegennahme einer aus freien Stücken abgegebenen Erklärung eines Grundrechtsberechtigten entbindet die öffentliche Gewalt aber nicht ohne Weiteres von ihrer Grundrechtsverpflichtung: Privatautonomie ist dem Staat und seinen Untergliederungen nicht eingeräumt, sondern als Schutzverpflichtung aufgegeben. Auch bei konsensualem Handeln mit Grundrechtsberechtigten muss der Staat daher seine inhaltlichen öffentlich-rechtlichen Bindungen beachten.434 Er darf sich nicht ohne Weiteres etwas versprechen lassen, was er dem Bürger nicht durch einseitighoheitliches Handeln auferlegen dürfte. Dies gilt insbesondere für die durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogenen Grenzen. Insoweit ist das für den öffentlich-rechtlichen Vertrag geltende Angemessenheitsgebot des § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG Ausdruck eines allgemeinen Verfassungsgebots.435

Für die Verzichtsoffenheit des Art. 12 Abs. 1 GG auch Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2016, Vorb. vor Art. 1, Rn. 35. Vgl. auch Stern, § 86 – Der Grundrechtsverzicht, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1994, S. 911. 430 Pieroth/Schlink/Kingreen et al. (Fn. 427), Rn. 156. 431 BVerwGE 42, S. 331 (335 f.). 432 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1924, S. 98. 433 Zur Freiwilligkeit als Voraussetzung für den Grundrechtsverzicht BVerwGE 119, S. 123 (127) m. w. N.; Bethge, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Grundrechtsverzichts, 2014, S. 142 ff.; Merten, § 73 – Grundrechtsverzicht, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, 2009, Rn. 142 ff.; Sachs, Verfassungsrecht II, 2. Aufl., 2003, A 8, Rn. 41. 434 Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000, S. 82 f.; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000, S. 82 f.; Ziekow, Institutionen unter Konkurrenzdruck: Das Beispiel des öffentlich-rechtlichen Vertrages, in: Benz (Hrsg.), Institutionenwandel in Regierung und Verwaltung, 2004, S. 303 (311 ff.). 435 Vgl. BVerwG NJW 1985, S. 989 (990); VGH Mannheim NVwZ 2001, S. 694 (696).

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

cc) Besonderheiten einer coactus volui-Situation Studienbewerber geben ihre Verpflichtungserklärung zwar frei von äußerem Zwang ab – jedoch unter dem inneren Eindruck der verengten Möglichkeiten, die der Zugang zu dem zulassungsbeschränkten Studienfach „Medizin“ mit sich bringt. Die Verpflichtungserklärung ist insofern nicht lediglich eine autonome Willenserklärung, sondern zugleich integraler Bestandteil einer hoheitlichen Auswahlentscheidung – und damit Voraussetzung für die privilegierte Zulassung zum Medizinstudium. Die Bedingungen der Verpflichtungserklärung gibt der Staat einseitig vor; Verhandlungsspielraum eröffnet er dem Studienplatzbewerber nicht. Für Studienbewerber mit einer schwächeren Abiturnote ist eine Verpflichtungserklärung – gerade auch mit Blick auf die wachsende Länge der Wartezeiten – in vielen Fällen die einzig Erfolg versprechende Option, zum Medizinstudium zugelassen zu werden. Dies gilt aus der Sicht des Einzelnen auch und gerade dann, wenn die Gesamtzahl der Bewerber im verhältnis zu den verfügbaren Studienplätzen sehr hoch ist.436 Er befindet sich in einer „coactus volui-Situation“: Zwar kann er autonom zwischen zwei Handlungsoptionen wählen (Abgabe der Verpflichtungserklärung einerseits und Verzicht auf die Möglichkeit privilegierter Zulassung andererseits); beide entsprechen jedoch nicht dem an sich erwünschten Erfolg.437 Die Übernahme der Verpflichtung ist damit Ausdruck einer eingeschränkten Auswahl von Handlungsalternativen: Entscheidet sich der Studienplatzbewerber gegen die Abgabe einer Verpflichtungserklärung, wird er (in absehbarer Zeit) nicht zum Medizinstudium zugelassen, sofern er – wie regelmäßig (weil die Zulassung kraft Verpflichtungserklärung gerade für solche Personen konzipiert ist) – den Studienplatz nicht bereits nach anderen Vergabekriterien erhalten würde. Erst im Angesicht dieser verkürzten Wahlmöglichkeiten verpflichtet er sich zu einer späteren ärztlichen Tätigkeit in unterversorgten Regionen und nimmt die mit der Unterwerfung unter die Verpflichtungserklärung verbundene Beeinträchtigung der eigenen Rechte in Kauf, um in den Genuss des begehrten Studienplatzes zu kommen. Aufgrund der Kopplung der Verpflichtungserklärung mit der Vergabe eines Studienplatzes entfaltet die Entscheidung des Bewerbers nachhaltige Auswirkungen auf seine Berufsfreiheit: Der zuteilende Staat verkürzt – durch die Verknüpfung von 436 Der faktische Druck auf alle Studienplatzbewerber, von der Vorabquote Gebrauch zu machen, nimmt dabei umso mehr zu, je größer sie bemessen ist, da in diesem Fall immer weniger Studienplätze nach anderen Auswahlkriterien vergeben werden. Zur zulässigen Höhe einer Vorabquote oben B. II. 2. c) bb) (3), S. 92 f. 437 Martini (Fn. 140), S. 459 m. w. N. sowie Bethge (Fn. 433), S. 165 ff., die derartige Konstellationen als „Zwang durch das Fehlen realer Handlungsalternativen“ (S. 165) charakterisiert. Eine solche reale Handlungsalternative eröffnen die anderen Zulassungskriterien Betroffenen in der Regel nicht. Denn sie verhelfen nicht allen Studienplatzbewerbern, insbesondere denjenigen, welche die Landarztquote adressiert, zum angestrebten Studienplatz und münden somit oftmals darin, dass Interessierte den gewünschten Beruf nicht ergreifen. Vgl. auch Koch, DÖV 1998, S. 141 (144) zur Frage der Nichtigkeit von Ausbildungsförderungsverträgen für den öffentlichen Gesundheitsdienst.

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Bedarfslenkungszielen und Mittelzuteilung – den grundrechtlich gewährleisteten Teilhabeanspruch der Grundrechtsträger (auch wenn die Verpflichtung dem Bewerber im Einzelfall den Zugang zu einem Studienplatz eröffnet, der ihm sonst verschlossen geblieben wäre).438 Für den Studienplatzbewerber kann daraus ein faktischer Zwang entstehen, von der Verpflichtungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Stellt der Verzicht für den Studienplatzbewerber „keine realistische Alternative“ dar, rückt dies die staatliche Maßnahme in die Nähe eines klassischen Eingriffs.439 Umso mehr gilt dies vor dem Hintergrund der einschneidenden Wirkungen der Verpflichtungsentscheidung für das Individuum. Viele – gerade auch minderjährige – Studienplatzbewerber sind, die Chancen einer privilegierten Zulassung zum Medizinstudium fest vor Augen, darin geblendet, die Tragweite und Konsequenzen der Verpflichtungserklärung im Zeitpunkt ihrer Abgabe zu erkennen.440 Das grundrechtliche Risikopotenzial resultiert vornehmlich aus zwei miteinander korrelierenden Komponenten: Die Verpflichtungserklärung erzeugt einerseits für Studienplatzbewerber eine rechtliche Bindung für einen relativ langen Zeitraum und grenzt die Verwirklichung ihrer persönlichen sowie beruflichen Lebenspläne in intensiver Art und Weise ein. Mit der Zusage, nach Abschluss des Studiums in einer unterversorgten Region zu praktizieren, disponiert der Studienplatzbewerber über den eigenen Lebensentwurf für die Dauer von insgesamt – d. h. einschließlich der Ausbildungs- und Tätigkeitszeit – mindestens 15 bis 20 Jahren.441 Die Entscheidung zur Selbstbindung trifft der Studienplatzbewerber andererseits zu einem Zeitpunkt, in dem der Beginn der Landarzttätigkeit noch viele Jahre entfernt liegt, seine Lebensund Berufspläne noch nicht gefestigt sind, er kaum Erfahrung beim Eingehen langfristiger Bindungen hat und ihre Auswirkungen im Einzelnen nur sehr eingeschränkt überblicken kann.442 Die Verengung der Handlungsalternativen, unter welcher der Bewerber die Verpflichtungserklärung abgibt, macht die Begründung der eingegangenen Bindungen grundrechtlich rechtfertigungsbedürftig. Anderenfalls hätte der Staat es in der Hand, durch vertragliche Bedingungen, deren Inhalt er kraft seiner überlegenen Machtposition durchzusetzen in der Lage ist, die grundrechtliche Entfaltungsfreiheit der Bürger auszuhöhlen.

438 Vgl. dazu sowie zu anderen Verteilungsverfahren Martini (Fn. 140), S. 435 m. w. N.; vgl. auch Schilling, VerwArch 85 (1994), S. 226 (235 ff.) m. w. N. 439 Gurlit (Fn. 434), S. 116. 440 Dies ist aber relevant für einen freiwilligen Grundrechtsverzicht, vgl. Merten (Fn. 433), Rn. 21. Ähnlich auch Gurlit (Fn. 434), S. 391. 441 Vgl. zur Ausbildungszeit oben B. II. 2. c) aa) (10), S. 88 mit Fn. 328 zzgl. einer Tätigkeitszeit als Landarzt von mindestens 5 Jahren. 442 Bode (Fn. 87), § 32 HRG, Rn. 113 mit Fn. 299; siehe hierzu auch unten C. I. 3. b) dd) (1), S. 124 ff.

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

Wenn der Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Zulassung zum Medizinstudium strengen Bindungen unterworfen ist, die besondere Anforderungen an den damit verbundenen Grundrechtseingriff auslösen, dann muss das in der Folge auch für die Anforderungen gelten, denen die Ausgestaltung der Zulassungsentscheidung (hier die Verpflichtungserklärung) unterworfen ist. Der Grundrechtseingriff besteht in diesem Fall nämlich darin, dass der Staat einseitig einschränkende Voraussetzungen festlegt, unter denen Bewerber den Zugang zu Medizinstudienplätzen (im Wege einer Vorabquote) erhalten. Er wirkt damit auf das teilhaberechtlich abgesicherte Zugangsrecht zum Hochschulstudium ein. Er verkürzt namentlich den Freiheitsraum, der als Verteilungsmasse zur Verfügung steht – dies nicht dadurch, dass er weniger Studienplätze als verfügbar zuteilt, sondern indem er verfügbare Studienplätze einschränkenden Bedingungen unterwirft, die staatliche Bedarfsziele erfüllen sollen. Beide Maßnahmen sind grundrechtsdogmatisch im Wesentlichen gleichzubehandeln,443 kommen sie einander in ihren Wirkungen doch nahezu gleich: Der Grundrechtsträger erhält den Zugang zu knappen Ressourcen nicht nach Maßgabe des Verfügbaren, sondern der Staat greift in die Verteilungsmasse quantitativ (durch Nichtzuteilung) bzw. qualitativ (durch Formulierung einschränkender Zugangsbedingungen) ein. In dem Umfang, in dem der Staat die verfügbare Verteilungsmasse verkürzt, ist sein Handeln als Grundrechtseingriff rechtfertigungsbedürftig – ebenso wie der zuteilende Staat, der knappe staatlich verwaltete Ressourcen (etwa Taxikonzessionen, Emissionszertifikate, Mobilfunkfrequenzen oder Start- und Landerechte) gegen Meistgebot versteigert, bei der Verknüpfung der Zuteilung mit einer Zahlungspflicht einer grundrechtlichen Rechtfertigungslast unterliegt.444 Der Verwaltung steht es daher nicht frei, durch einseitige Festschreibung von Zuteilungsvoraussetzungen grundrechtlich verbürgte Freiheitsräume der Teilhabe nach Gutdünken ohne wirksame verfassungsrechtliche Schranken zu entleeren. Eröffnet der Staat Studienbewerbern den Zugang zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung, liegt darin vielmehr ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff,445 der einer gesetzlichen Grundlage bedarf.

443

Exemplarisch zeigt sich dies auch am Parallelfall der Vergabe von Subventionen: Hier knüpft der Staat die Leistung oftmals ebenfalls durch die Beifügung belastender Nebenbestimmungen an die Bedingung, dass der Bürger der Beschränkung eines eigenen Grundrechts zustimmt. An der Freiwilligkeit der Zustimmung des Bürgers mangelt es in dieser Konstellation, wenn die Nichtgewährung der Subvention in die Grundrechte des Bürgers eingreifen würde. So auch Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 1981, S. 86. 444 Dazu Martini (Fn. 140), S. 459 ff. u. 504 ff. 445 A. A. die wohl ü. M., die mit Blick auf die (vermeintliche) Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten, welche die Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung mit sich bringt, einen Eingriff ablehnt; ausdrücklich etwa Wissenschaftliche Dienste BT, Erleichterter Zugang zum Medizinstudium für künftige Hausärzte in ländlichen Gebieten, 2014, S. 7. Dabei kommt aber der entscheidende verfassungsrechtliche Aspekt zu kurz: die Verkürzung des Zugangs zum Medizinstudium nach Maßgabe berufslenkender Auswahlkriterien, die den Bewerbern zusätzliche Verpflichtungen auferlegen.

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b) Berufsregelnde Tendenz Art. 12 Abs. 1 GG schützt „nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Tätigkeit bezogen sind“446, also eine berufsregelnde Tendenz aufweisen. Anderenfalls drohte der Schutzbereich des Grundrechts uferlos zu werden. Denn nahezu jede gesetzgeberische Maßnahme wirkt mittelbar auf das wirtschaftliche und berufliche Leben in irgendeiner Form zurück.447 Einen unmittelbaren Berufsbezug der Maßnahme setzt ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG jedoch nicht voraus. Stattdessen reicht es aus, wenn Normen „nach Entstehungsgeschichte und Inhalt im Schwerpunkt Tätigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausgeübt werden“448. Eröffnet der Gesetzgeber Bewerbern die Möglichkeit, sich für einen gewissen Zeitraum nach Abschluss des Medizinstudiums zu einer ärztlichen Tätigkeit in einer unterversorgten Region zu verpflichten, um im Gegenzug die Zulassung zum Medizinstudium zu erhalten, ist dieser Maßnahme ein unmittelbarer Berufsbezug eigen. Zum einen regelt der Gesetzgeber damit das Verfahren der Hochschulzulassung und wirkt insoweit auf die Berufswahlmöglichkeiten der Studienplatzbewerber ein. Zum anderen beschränkt er mit der Verpflichtungsmöglichkeit die Berufsausübungsfreiheit. Eine gesetzlich vorgesehene Landarztquote weist mithin eine berufsregelnde Tendenz auf.

3. Rechtfertigung Die Berufsfreiheit verbürgt das Grundgesetz nicht schrankenlos. Es stellt sie unter den Vorbehalt einer Einschränkung „durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes“ (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG). Diese Schrankenregelung gilt einheitlich für das gesamte Grundrecht und damit für alle geschützten Verhaltensweisen – von der Berufswahl bis zur Berufsausübung.449 Das die Berufsfreiheit einschränkende Gesetz muss aber seinerseits formell (a)) und materiell (b)) verfassungsgemäß sein.450

446

BVerfGE 95, S. 267 (302). BVerfGE 97, S. 228 (254), st. Rspr. Manche thematisieren diesen Aspekt aber auch bereits auf Tatbestandsseite, vgl. nur Pieroth/Schlink/Kingreen et al. (Fn. 427), Rn. 892. Kritisch zum Erfordernis einer berufsregelnden Tendenz Nolte, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl., 2016, Art. 12, Rn. 81. Für eine ausführlichere Darstellung zum Merkmal der berufsregelnden Tendenz siehe Kämmerer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl., 2012, Art. 12, Rn. 46. 448 BVerfGE 97, S. 228 (254). 449 Siehe hierzu bereits oben S. 110. 450 Hillgruber, § 201 – Grundrechtsschranken, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2011, Rn. 35. 447

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

a) Formelle Verfassungsmäßigkeit, insbesondere Gesetzgebungskompetenz Für das Recht der Hochschulzulassung kommt dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 GG).451 Die Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung strahlt neben der Zulassung zum Medizinstudium zwar zugleich unmittelbar auf das – der Regelungsbefugnis der Länder überantwortete – Berufsrecht der Ärzte aus. Sie betrifft namentlich die Art der Tätigkeit, die Absolventen des Medizinstudiums nach ihrem Abschluss aufnehmen, sowie den Ort, an dem sie ihre ärztliche Tätigkeit versehen. Der Inhalt der Verpflichtungserklärung ist als Rechtsgebot, eine Vertragsarztzulassung für unterversorgte Bezirke zu beantragen, jedoch zugleich Teil des Rechts der Sozialversicherung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und steht in einem notwendigen Konnex mit der Befugnis zur Hochschulzulassung. Ohne den Inhalt der Erklärung in ihrer grundlegenden Zielrichtung festlegen zu können, kann der jeweilige Kompetenzträger seine Kompetenz zur Regelung der Hochschulzulassung nicht vollständig sachgerecht wahrnehmen. Die Befugnis zur Regelung des Inhalts der Verpflichtungserklärung ist daher auch Teil der Kompetenz zur Regelung der Hochschulzulassung.452 b) Materielle Verfassungsmäßigkeit Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit sind verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn sie einem legitimen Zweck (aa), nämlich hinreichenden Belangen des Allgemeinwohls, dienen sowie zu seiner Erreichung geeignet (bb), erforderlich (cc) und angemessen (dd) sind. Der Gesetzgeber muss die Beeinträchtigungen der Berufswahlfreiheit, die er vornimmt – unter Berücksichtigung ihrer Wertigkeit für die Verwirklichung von Lebensentwürfen – gegen die Interessen des Gemeinwesens an einer hinreichenden flächendeckenden ärztlichen Versorgung abwägen. Zulässig sind derartige Beschränkungen nur, soweit der Schutz von Gütern in Frage steht, denen Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des Einzelnen gebührt und deren verfassungsrechtlichem Bedeutungsgehalt sich nicht durch andere mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel Rechnung tragen lässt. aa) Legitimer Zweck und Einordnung der Landarztquote in die Eingriffsstufen Die Beschränkungen, welche die Verpflichtungserklärung dem Berufsträger auferlegt, sollen eine flächendeckende qualitätsvolle ärztliche Versorgung in länd451 Von den Regelungen, die er auf dieser Grundlage getroffen hat, können die Länder abweichen. Das gilt auch für solches Hochschulzulassungsrecht, das bereits zur Zeit des Inkrafttretens der Föderalismusreform bestand (Art. 125b Abs. 1 S. 3 GG). Siehe dazu im Einzelnen oben B. I. 2. b), S. 37 ff. 452 Dazu im Einzelnen oben B. I. 3., S. 42 ff.

I. Art. 12 Abs. 1 GG

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lichen Regionen sicherstellen. Diese Zielsetzung findet in der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ihre innere Rechtfertigung.453 bb) Geeignetheit Indem die Belastungen der Verpflichtungserklärung den Berufsträger dazu anhalten, sich auf dem Land niederzulassen, und Verletzungen dieses Versprechens sanktionieren, fördern sie die Zielsetzung der Maßnahme und sind damit für ihre Erreichung geeignet. Die Landarztquote bringt bei entsprechender Ausgestaltung namentlich ein belastbares Reservoir an gut ausgebildeten Medizinern hervor, die zum Einsatz in bisher unterversorgten Gebieten zur Verfügung stehen (sofern sie die Verpflichtungen, die sie eingegangen sind, erfüllen)454. Durch ihre Tätigkeit tragen die so gewonnenen Landärzte dazu bei, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern und ein angemessenes Versorgungsniveau sicherzustellen. cc) Erforderlichkeit So legitim die Ziele eines Eingriffs in die Berufsfreiheit auch sind, so wenig dürfen sie weiter gehen, als die sie legitimierenden öffentlichen Interessen es erfordern.455 Stehen weniger eingriffsintensive, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung, muss der Staat ebendiese wählen. Die Berufsfreiheit einschränkende Maßnahmen sind grundsätzlich auf der Eingriffsstufe mit der geringsten Belastungsintensität zu verwirklichen.456 Berufsausübungsregelungen, also die Regelung der Modalitäten, in denen sich die berufliche Tätigkeit vollzieht, weisen die geringste Eingriffsintensität auf, objektive Berufszulassungsvoraussetzungen demgegenüber die größte: Sie machen den Zugang zum Beruf von Voraussetzungen abhängig, die der Einzelne nicht beeinflussen kann.457 Bevor der Gesetzgeber eine objektive Berufszulassungsregelung trifft, ist er daher aufgerufen, seine Ziele mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen oder subjektiven Berufszulassungsvoraussetzungen zu erreichen.458 Er „darf die nächste ,Stufe‘ erst dann betreten, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, daß die 453

S. 90 ff.

Dazu bereits m. w. N. oben S. 15, ferner B. II. 2. b), S. 49 ff. sowie B. II. 2. c) bb),

454 Eine Verletzung der Verpflichtungserklärung lässt sich nicht ausschließen, sondern nur durch die Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung hinreichend wirksam begrenzen, siehe dazu im Einzelnen unten E. I. 4. b) dd) (1), S. 187 ff. (Ausgleichszahlung) und (2), S. 189 ff. (Vertragsstrafe). 455 Statt aller BVerfGE 19, S. 330 (337). 456 BVerfGE 7, S. 397 (408). 457 BVerfGE 7, S. 377 (406 f.); 11, S. 168 (183). 458 Vgl. Epping (Fn. 133), Rn. 421.

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

befürchteten Gefahren mit (verfassungsmäßigen) Mitteln der vorausgehenden ,Stufe‘ nicht wirksam bekämpft werden können“459. Im Falle einer auf der Grundlage einer Vorabquote abgegebenen Verpflichtungserklärung liegen die verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen nicht deshalb niedriger, weil die Tätigkeit als Vertragsarzt einen gebundenen Beruf im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG darstellt. Der Vertragsarzt erfüllt zwar eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Er nimmt aber keine diesen Berufstyp kennzeichnende, Sonderregelungen460 rechtfertigende Aufgabe wahr, die „wesentlich die Erfüllung originärer Staatsaufgaben umfasst und […] deshalb eine „ausgeprägte Nachbarschaft zum öffentlichen Dienst“461 aufweist. Entsprechend hat auch das BVerfG selbst schon in seinem sog. Kassenarzt-Urteil aus dem Jahre 1960 festgestellt, dass „die Einbeziehung des Kassenarztes in ein subtil organisiertes öffentlich-rechtliches System“ nichts daran ändert, dass „die Tätigkeit des Kassenarztes auch im Rahmen dieses Systems freiberuflich bleibt“;462 die der Tätigkeit des Kassenarztes auferlegten Beschränkungen reichen nicht aus, um sie zu einem staatlich gebundenen Beruf zu machen.463 Auch die seit Erlass dieses Urteil eingetretenen rechtlichen Änderungen rechtfertigen keine andere Bewertung.464 (1) Konnex zur Auswahlregelung Der sog. absolute Numerus clausus im Studienfach Medizin ist in seiner Eingriffsschwere als objektive Berufswahlregelung einzustufen.465 Das gilt jedoch nur für die universitäre Zulassungsbeschränkung als solche, also die Begrenzung des Angebots verfügbarer Studienplätze auf eine absolute Zahl. Die Charakterisierung der einzelnen Auswahlkriterien für die Zulassung ist davon grundrechtsdogmatisch zu unterscheiden:466 Sie nehmen als solche keine grundrechtlichen Beschränkungen vor. Vielmehr suchen sie deren Konsequenzen zu bewältigen, sollen namentlich den 459

BVerfGE 7, S. 377 (408). Die Nähe des gebundenen Berufs zum öffentlichen Dienst rechtfertigt in der Lesart des BVerfG „Sonderregelungen […], die sich an die nach Art. 33 Abs. 5 GG geltenden Grundsätze anlehnen und die Wirkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit zurückdrängen“. BVerfGE 80, S. 257 (265). 461 BVerfGE 73, S. 280 (292). 462 BVerfGE 11, S. 30 (39). 463 BVerfGE 11, S. 30 (39). 464 Sodan, § 13 – Leistungserbringung durch Dritte als Folge des Sachleistungsprinzips, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Aufl., 2014, Rn. 22; Stockhausen, Ärztliche Berufsfreiheit und Kostendämpfung, 1992, S. 51 ff. 465 BVerfGE 33, S. 303 (338). Als das zu ihrer Rechtfertigung notwendige „überragend wichtige Gemeinschaftsgut“ identifiziert das Gericht die „Funktionsfähigkeit der Universität als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Studienbetriebes“. BVerfGE 33, S. 303 (339). 466 In diese Richtung wohl auch Scholz (Fn. 140), Art. 12, Rn. 465; a. A. demgegenüber wohl Bode (Fn. 87), § 32 HRG, Rn. 111. 460

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Modus des Zugangs unter bestehenden Knappheitsbedingungen regeln. Sie folgen daher anderen Kategorisierungen als dem Stufensystem der Drei-Stufen-Lehre, lassen sich in deren Schemenraster mithin nicht pressen. Auch für Auswahlkriterien gilt aber: Die Intensität einer Zugangsbeschränkung („Ob“) wirkt auf der Auswahlebene („Wie“) als die Auswahl steuerndes Prinzip fort. Nur solche Auswahlkriterien werden daher dem verfassungsrechtlichen Gebot der Berufsfreiheit gerecht, welche die Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien vornehmen und jedem hochschulreifen Bewerber eine Zulassungschance eröffnen, die dessen individuelle Wahl des Ausbildungsortes möglichst berücksichtigt.467 Subjektive Auswahlkriterien, also solche, die der Einzelne durch sein Verhalten beeinflussen kann, sind dabei gegenüber solchen vorzugswürdig, deren Steuerbarkeit sich dem Einzelnen entzieht, wie z. B. die Herkunft. Die Zulassung auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung knüpft an ein subjektives Auswahlkriterium an, das der Einzelne beeinflussen kann: Unabhängig von ihrer Ausgestaltung als Vorabquote nach § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG oder ihrer Berücksichtigung im Rahmen des universitären Auswahlverfahrens nach § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG468 stellt sie auf die persönliche Bereitschaft eines jeden Studienplatzbewerbers ab, sich nach Abschluss des Studiums für einen bestimmten Zeitraum zu einer allgemeinärztlichen Tätigkeit in einer unterversorgten Region zu verpflichten. Jedem, der willens ist, die Kautelen der Verpflichtungserklärung einzuhalten, eröffnet das Verfahren prinzipiell eine Chance, eine privilegierte Zulassung zum Medizinstudium zu erhalten. An der Intensität der damit einhergehenden Beschränkungen der Lebensführung ändert das zwar nichts. Die bevorzugte Zulassung von Studienbewerbern auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung darf der Staat – insbesondere vor dem Hintergrund seines weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums469 – im Verhältnis zu alternativ in Betracht kommenden steuernden Maßnahmen – aber als grundrechtlich erforderlich erachten.470 (2) Belastungswirkungen der Verpflichtungserklärung Nicht nur das Auswahlkriterium, sondern auch die Verpflichtungserklärung als Instrument der Auswahl selbst muss dem Maßstab der Erforderlichkeit genügen.

467

Dazu im Einzelnen B. II. 2., S. 48 ff. Hierzu oben A. IV. 2., S. 28 f., sowie zur einfachgesetzlichen Bewertung unten D. II., S. 138 f. 469 BVerfGE 117, S. 163 (189). 470 Vgl. dazu im Einzelnen oben B. II. 2. c) aa), S. 52 ff. 468

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

(a) Anknüpfung an die Herkunft des Bewerbers als milderes Mittel? Als entbehrlich erweist sich eine Verpflichtungserklärung möglicherweise dann, wenn die privilegierende Auswahlentscheidung in gleichermaßen zielgerechter Weise an einen Wohnsitz von einiger Dauer in einer unterversorgten Region anknüpfen kann.471 Diese rechtliche Konstruktion ist weniger eingriffsintensiv und insoweit grundsätzlich vorzugswürdig:472 Auch wenn sie – anders als bei Anknüpfung an eine Verpflichtungserklärung – die Auswahlentscheidung von Faktoren abhängig macht, die der Einzelne nicht beeinflussen kann, geht sie von der nachvollziehbaren Grundannahme aus, dass die langjährige Bindung an eine bestimmte Region für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit späterer (freiwilliger) Niederlassung in dieser Region bürgt. Allerdings ist die rechtliche Konstruktion einer herkunftsorientierten Zulassung zum Studium im Hinblick auf Art. 33 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zum einen verfassungsrechtlich und zum anderen unionsrechtlich problematisch.473 Vor allem bürgt sie nicht mit der gleichen Sicherheit dafür, das Ziel einer qualitativ hochwertigen ärztlichen Versorgung auf dem Land zu erreichen. Die Streueffekte der Maßnahme sind hoch – das gilt auch für ihre Ausstrahlungen auf das grundrechtliche Teilhaberecht anderer Bewerber. Das Konzept vertraut auf empirische Wirkungszusammenhänge, überlässt seine Zielerreichung damit aber auch der Wahlentscheidung der Akteure und dem Wandel ihrer Präferenzen und persönlichen Entwicklungen. Nicht zuletzt sind keineswegs alle ländlichen Regionen pauschal unterversorgt (z. B. der Landkreis Starnberg) und ist nicht gesichert, dass genau dort, wo heute ein Mangel an Landärzten besteht, zwingend auch 15 Jahre später sich ein solcher erhöhter Bedarf fortschreibt. Eine Landarztquote kann diesem Anpassungsbedarf Rechnung tragen: Sie impliziert nicht notwendig ein Versprechen für einen bestimmten Vertragsarztsitz in einer bestimmten Region.474 Der Bevorzugung von Studienbewerbern ländlicher Regionen bei der Zulassung ist diese Flexibilität (soweit sie rechtlich überhaupt zulässig wäre) nicht eigen. Setzt sich der Gesetzgeber (entsprechend seiner politischen Einschätzungsprärogative zulässigerweise) zum Ziel, eine kritische Menge von Landärzten in einer bestimmten Region mit hinreichender Sicherheit anzusiedeln, ist die Privilegierung solcher Bewerber, die aus der unterversorgten Region stammen, nicht in gleichem Maße wirksam wie eine Anknüpfung an eine Verpflichtungserklärung. Die Verpflichtungserklärung ist demnach zur Rechtfertigung einer privilegierten Zulassung angehender Landärzte zum Medizinstudium erforderlich. 471 Dazu auch A. III. 2., S. 24 f.; zur Umsetzung dieses Ansatzes in verschiedenen anderen OECD-Staaten Simoens (Fn. 5), S. 106 f. m. w. N. 472 A. A. Kühl (Fn. 5), S. 241. 473 Siehe dazu auch oben S. 25 mit Fn. 55, B. IV. 1. b), S. 102 f. 474 Dazu auch unten C. I. 3. b) cc) (2) (b) (bb), S. 123 f.

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(b) Einordnung in die Stufenlehre; Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung Als (den Ort der Erwerbstätigkeit determinierende) Berufsausübungsregelung bewegt sich die Verpflichtungserklärung grundsätzlich auf der niedrigsten Stufe der Eingriffsintensität. Auch als solche muss sie sich aber auf das zur Erreichung des Auswahlzwecks Erforderliche beschränken. Die mit ihr verbundenen Belastungen, insbesondere die Sanktionen, die sie vorsieht, dürfen nicht weiter gehen, als es unentbehrlich ist, um approbierte Ärzte zu der intendierten und versprochenen Niederlassung in unterversorgten Regionen zu bewegen. Von besonderer Bedeutung sind insoweit die Verpflichtungsdauer (aa) sowie die Möglichkeit des Studienplatzbewerbers, auf den Tätigkeitsstandort Einfluss zu nehmen (bb). (aa) Verpflichtungsdauer Die Eingriffsintensität der Verpflichtungserklärung später in unterversorgten Regionen tätiger Ärzte korreliert mit der Länge des Zeitraums, für den sie sich zur Niederlassung verpflichten. Je großzügiger die Verpflichtungsdauer bemessen ist, desto tiefer greift die Verpflichtungserklärung in die Berufsfreiheit ein. Die Vereinbarung darf dem Bewerber nur eine solche Bindungsfrist auferlegen, die erforderlich ist, um das Regelungsziel einer qualitativ hochwertigen ärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen zu erreichen. Die Verpflichtungsdauer darf umgekehrt nicht so kurz bemessen sein, dass sie die mit der Vorabquote verfolgten Zwecke überhaupt nicht oder nicht hinreichend erreichen kann.475 (bb) Determinierung des Tätigkeitsortes Die Begrenzung des örtlichen Wirkungskreises, der sich die Studienbewerber in der Verpflichtungserklärung unterwerfen, darf angehenden Medizinstudierenden nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich keine Bindungen auferlegen, die über das unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. Sieht der Verpflichtete sich einer Zuteilungsentscheidung ausgesetzt, die ihm keinerlei Mitspracherecht hinsichtlich des Ortes der eigenen Niederlassung gewährt und die Ortswahl vollends in das Belieben der zuständigen Instanz stellt, belastet ihn dies in besonders intensiver Weise. Wird er hingegen in den Entscheidungsprozess mit einbezogen, darf er beispielsweise das Bundesland oder eine Region auswählen, wo er praktizieren möchte, schont dies seine grundrechtlichen Rechte. Das Vertragserfüllungsverfahren muss daher sicherstellen, dass die Präferenzen des Studienbewerbers im Rahmen des Möglichen Berücksichtigung finden. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Studienbewerber die Verpflichtungserklärung abgibt, ist ihm einerseits weder in jeder Hinsicht klar, wie seine weiteren örtlichen Präferenzen aussehen (ob er bspw. einen Lebenspartner kennenlernt, der bereit ist, in einer ländlichen Region zu leben; ob die zwischenzeitlich eingetretene Pflegebedürftigkeit der Eltern ihn dazu motiviert, nach der Approbation wieder in den 475 Zur zulässigen E. I. 4. b) aa), S. 175 f.

Bindungsdauer

einer

Verpflichtungserklärung

näher

unten

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

Heimatort zurückzukehren; ob der Elternteil, dessen Praxis er übernehmen wollte, diese in der Zwischenzeit aus wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat etc.). Andererseits kann der zuteilende Staat zum Zeitpunkt der Zulassung zum Medizinstudium nicht mit hinreichender Sicherheit absehen, an welchen Orten genau das Maß einer Unterversorgung besteht, das eine Bedarfslückenschließung erforderlich macht.476 Wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamiken können nachhaltige Veränderungen von Versorgungsengpässen auslösen, die eine zum Zeitpunkt der Verpflichtungserklärung bestehende Unterversorgung in Wohlgefallen auflöst – und umgekehrt. Die Planungsunsicherheit legitimiert den Staat gleichwohl nicht, dem Bewerber unbegrenzte Mobilität abzuverlangen. Das Gebot der Erforderlichkeit gibt ihm auf, dem Bewerber ein großes Maß an Eigeninitiative und Wahlfreiheit sub specie des späteren Tätigkeitsortes zu belassen, statt ihm einen bestimmten Ort seiner beruflichen Tätigkeit einseitig zuzuweisen, sowie den Verpflichtungsradius klein und das Auswahlspektrum groß zu halten. Dem muss die Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung in Respekt vor dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung tragen.477 dd) Angemessenheit Auch wenn eine Verpflichtungserklärung erforderlich ist, um den sie legitimierenden Zweck flächendeckender ärztlicher Versorgung zu erreichen, darf die mit ihr einhergehende Belastung nicht ein solches Ausmaß erreichen, das nicht mehr in einer angemessenen Relation zu ihrer Zielsetzung steht. (1) Schwere des Eingriffs und seine strukturellen Entscheidungsbedingungen Die Verpflichtungserklärung regelt die Modalitäten, in denen sich die Ausübung einer künftigen landärztlichen Tätigkeit vollzieht. Für solche Berufsausübungsregelungen genügen zu ihrer Rechtfertigung – anders als bei Berufszulassungsvoraussetzungen – regelmäßig „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“478. Die grundrechtlichen Beschränkungen, die von einer Verpflichtungserklärung für den Lebensentwurf eines Studienbewerbers ausgehen, sind zugleich aber nachhaltig und intensiv. Sie sind in ihrer Schwere mit subjektiven und objektiven Berufszulassungsvoraussetzungen vergleichbar. Diese sind nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes479 bzw. zur Abwehr nachweisbarer oder höchst-

476 Zum Feststellungsverfahren des § 100 Abs. 1 SGB V als Anknüpfungspunkt unten E. I. 4. b) bb) (1), S. 176 ff. 477 Dazu im Einzelnen unten E. I. 4. b) bb) (2), S. 182 ff. 478 BVerfGE 7, S. 377 (405). 479 BVerfGE 7, S. 377 (405).

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wahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut480 gerechtfertigt. Die Verpflichtungserklärung ist zwar grundsätzlich Ausdruck einer privatautonomen Entscheidung des Studienbewerbers, namentlich das Ergebnis seines Opportunitätskostenkalküls: Er stuft die gewählte Handlungsalternative – mitsamt ihrer während der Zeit der beruflichen Tätigkeit entstehenden Belastungen – im Vergleich zu anderen Optionen, insbesondere zum Verzicht auf das Medizinstudium, als weniger einschneidend ein. Das lässt eine Angemessenheitskontrolle prima vista weniger angezeigt erscheinen, macht sie aber nicht entbehrlich. Die Zustimmung des Erklärenden bietet nämlich noch nicht als solche in hinreichendem Maße Gewähr für ihre Angemessenheit und einen sachgerechten Interessenausgleich: Die Bewerber geben die Verpflichtungserklärung einerseits regelmäßig in einer Lebensphase ab, in der vielen von ihnen die Erfahrung fehlt, langfristige Folgen ihrer Handlungen in ihren Ausmaßen in jeder Hinsicht überblicken zu können. In einem Alter von 18 oder 19 Jahren treffen Menschen Entscheidungen typischerweise spontaner und intuitiver als zu den Zeitpunkten, zu denen sie die Wirkung ihrer langfristig eingegangenen Verpflichtung ereilt. Psychologisch wirkt dabei in den Prozess der Entscheidungsfindung auch die Neigung der Menschen hinein, spätere nachhaltige Belastungen niedriger zu gewichten als kurz bevorstehende maßvolle Einschnitte. Staat und Studienbewerber treffen ihre Vereinbarung zudem unter den Bedingungen einer strukturellen Macht- und Erfahrenheitsasymmetrie. Aus ihr erwachsen dem Staat als grundrechtsgebundenem Handlungsträger besondere Treuepflichten. Anderenfalls wird aus privatautonomer Selbstbestimmung schnell staatliche Fremdbestimmung. Unterliegen Bürgschaftsverträge Minderjähriger besonderen grundrechtlichen Anforderungen,481 gilt das für Verträge des Staates mit jungen Erwachsenen, deren Auswirkungen auf den Lebensplan im Einzelfall noch einschneidender sein können, nicht minder. In der Zustimmung zum Vertrag wirkt die Einschränkung der Alternativenwahl fort, welcher der Studienbewerber kraft staatlicher Entscheidung ausgesetzt ist. Der Verpflichtete muss eine Entscheidung zwischen zwei Übeln unterschiedlichen Ausmaßes treffen: der Auferlegung nachhaltig einschränkender Handlungspflichten für die Zeit nach dem Studium auf der einen Seite und dem (vorläufigen) Verzicht auf ein Medizinstudium auf der anderen.482 Die mit der privilegierten Zulassung zum Studium (im Verhältnis zu konkurrierenden Bewerbern) verbundene Erweiterung des Handlungsradius geht mit der faktischen Möglichkeit des Staates einher, die Mo480

BVerfGE 7, S. 377 (408). BVerfGE 89, S. 214 (241 ff.). 482 Im Regelfall werden sich nur diejenigen einer Verpflichtungserklärung unterwerfen, die nicht bereits nach anderen Tatbeständen eine Zulassung zum Medizinstudium erzielen. Vgl. zur Entscheidungsstruktur solcher Situationen oben C. I. 2. a) cc), S. 114 ff. und bspw. Martini (Fn. 140), S. 458 ff. 481

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dalitäten der Verpflichtungserklärung weitgehend zu diktieren. Das löst ein besonderes verfassungsrechtliches Kontrollbedürfnis aus. (2) Gewichtigkeit des Zwecks Die angemessene Gesundheitsversorgung ländlicher Regionen entspricht einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht, die dem Staat aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erwächst.483 Das Bündel von Maßnahmen, um dieses Ziel dauerhaft zu erreichen, ist zwar nicht klein.484 Ihre Wirksamkeit ist jedoch nicht immer gesichert; auch ihre kumulierte Anwendung bürgt nicht mit hinreichender Sicherheit dafür, dass in Zukunft auf dem Land eine angemessene ärztliche Versorgung sichergestellt ist.485 Da sich künftige Entwicklungen nationaler und erst recht regionaler ärztlicher Versorgungsniveaus einer Berechenbarkeit weitgehend verschließen, kommt dem Gesetzgeber bei der Taxierung des Ausmaßes der entstehenden Gefahren und der Schutzwürdigkeit der betroffenen Güter sowie der Art und Weise, in der er seiner Schutzpflicht nachkommt, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu. Dieser ist erst überschritten, wenn seine Anschauungen offensichtlich fehlerhaft oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind.486 Insbesondere entspricht es nicht der Aufgabe und Befugnis der Gerichte, ihre eigene politische Einschätzung zur Gewichtigkeit politischer Zielsetzungen an die Stelle der dafür berufenen demokratisch legitimierten Entscheidungsträger zu setzen. (3) Abwägung Dass sich sowohl Arbeitnehmer als auch Beschäftigte des öffentlichen Dienstes durch eine sanktionsbewehrte Verpflichtungserklärung langfristig in zulässiger Weise binden können, ist in der Rechtsprechung anerkannt.487 Wiewohl auch eine langfristige Bindung grundsätzlich möglich ist („Ob“), ist diese aber im Hinblick auf die Zumutbarkeit der mit ihr einhergehenden Verpflichtungen („Wie“) einer strengen Kontrolle unterworfen. Nur dann ist sichergestellt, dass das Maß der auferlegten Verpflichtungen in einem angemessenen Verhältnis zu den die Bindung rechtfertigenden Gründen steht. Sowohl im Hinblick auf die örtliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit als auch auf das Ausmaß, die Vorhersehbarkeit und die Länge der Bindungen deter483 Dazu bereits m. w. N. oben S. 15, B. II. 2. b), S. 49 ff., B. II. 2. c) bb), S. 90 ff. sowie C. I. 3. b) aa), S. 118 f. 484 Dazu oben B. II. 2. c) aa), S. 52 ff. 485 Dazu insbesondere B. II. 2. c) aa) (10), S. 88 ff. 486 Vgl. BVerfGE 13, S. 97 (107); 30, S. 292 (317); 110, S. 141 (157 f.); 117, S. 163 (189) sowie bereits B. II. 2. c) aa), S. 52 ff. 487 Vgl. bspw. BAG, Urt. vom 24. 1. 1963 – 5 AZR 100/62 –, juris Ls. 1 – 3 m. w. N.; VGH München, BayVBl 1983, S. 730. Siehe dazu im Einzelnen E. I. 3., S. 143 ff.

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minieren die grundrechtlichen Wertentscheidungen des Art. 12 Abs. 1 GG sowie das Rechtsstaatsprinzip die Grenzen verfassungskonformer Ausgestaltung. Aus ihnen ergibt sich insbesondere das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit:488 Für den Einzelnen muss innerhalb zumutbarer Zeiträume erkennbar bleiben, welche Belastungen auf ihn zukommen.489 Denn Rechtssicherheit und Vertrauensschutz sind das unentbehrliche Fundament für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf sowie seinen Vollzug. Die Prognoseunsicherheit – sowohl sub specie der tatsächlichen Entwicklungen des Ärztebedarfs als auch der persönlichen Lebensplanung – darf der Gesetzgeber nicht einseitig den Studienbewerbern aufbürden.490 Das impliziert insbesondere, ihnen einen Weg zu eröffnen, sich von der Verpflichtungserklärung in Härtefällen unter zumutbaren Bedingungen lösen zu können, disponieren sie doch mit der Abgabe der Verpflichtungserklärung bereits vor dem Studienbeginn über den eigenen Lebensplan für einen Zeitraum, den sie in seinen Einzelheiten nicht überblicken können. Über die Jahre hinweg kann sich der eigene Lebensentwurf aufgrund vielfältiger Umstände grundlegend ändern. Daraus kann das zwingende Bedürfnis des Studienplatzbewerbers erwachsen, sich von der eingegangenen Verpflichtung loszusagen, um die Landarzttätigkeit zu beenden bzw. nicht aufzunehmen.491 Dem Rechnung zu tragen, entspricht dem Gebot der Zumutbarkeit. Ausstiegsmöglichkeiten dürfen umgekehrt die Zielsetzung der hinreichenden flächendeckenden ärztlichen Versorgung nicht torpedieren. Wenn Studienbewerber sich entgegen ihrem abgegebenen Versprechen nicht in einer unterversorgten Region niederlassen, erlangen sie einen privilegierten Zugang zum Medizinstudium, den sie auf der Grundlage der dem Art. 12 Abs. 1 GG freiheitsrechtlich immanenten Auswahlkriterien nicht oder erst wesentlich später erhalten hätten und der anderen, geeigneteren Bewerbern nunmehr vorerst verschlossen bleibt, obwohl die innere Legitimation für die Privilegierung weggefallen ist. Auch mit Blick auf das grundrechtliche Teilhaberecht konkurrierender Bewerber (Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG)492 bedarf das einer besonderen Rechtfertigung. Von zu niedrigen Sanktionen geht insbesondere ein Anreiz aus, die Verpflichtungserklärung lediglich als Eintrittskarte für das Medizinstudium zu benutzen, um sich später von den damit verbundenen Belastungen „freizukaufen“.493 Die Sanktion, die sich an eine Verletzung der eingegangenen Verpflichtung knüpft, ist daher grundsätzlich nicht mehr

488 BVerfGE, 108, S. 1 (20); 133, S. 143 ff; dazu ausführlich im Hinblick auf das Abgabenrecht etwa Martini, NVwZ-Extra 23/2014, S. 1 ff. 489 Dazu, dass das eine Beratung interessierter Studierender zwingend notwendig macht, siehe bereits oben B. II. 2. c) cc) (2), S. 95. 490 Vgl. BVerfGE 13, S. 261 (271); 63, S. 215 (223); 133, S. 143 (158). 491 Zur Möglichkeit, sich bei Vorliegen unzumutbarer Härten von einer Verpflichtungserklärung lösen zu können, im Einzelnen unten E. I. 4. b) cc), S. 185 f. 492 Dazu im Einzelnen oben B. II. 1., S. 44 ff. 493 Zu dieser Sorge auch Bode (Fn. 87), § 32 HRG, Rn. 113 m. w. N.

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

hinreichend zweckadäquat, wenn sie niedriger als der Vorteil ist, der sich mit der privilegierten Zulassung zum Studium verknüpft.494 Die Sanktionen dürfen zugleich nicht so einschneidend sein, dass sie sowohl die berufliche Perspektive als auch den Lebensplan eines Absolventen auf Dauer einschneidend determinieren bzw. im Extremfall zerstören.495 Der Verlust der ärztlichen Approbation als denkbare Sanktion überschreitet daher jedenfalls die Schwelle der Zumutbarkeit.496 Sachgerecht ist in der Regel ein finanzieller Ausgleich für die erlangten Vorteile. Dabei sind nicht nur die Kosten des Studiums zu berücksichtigen, sondern auch die Opportunitätskosten anderweitigen Einsatzes der Arbeitskraft, insbesondere der Mehrwert der ärztlichen Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt sowie die Tatsache, dass der Studienbewerber seine ärztliche Tätigkeit früher als nach einer Wartezeit von bis zu 14 Semestern aufnehmen konnte.497 Anderenfalls verpufft die Sanktionswirkung, ohne die intendierte Steuerungswirkung ärztlicher Versorgung auf dem Land zu entfalten. Die Neigung, eine einmal in einer unterversorgten Region gegründete Arztpraxis nach kurzer Zeit zugunsten einer neuen Beschäftigung aufzugeben, wird angesichts der mit einer Niederlassung verbundenen Investitionskosten regelmäßig nur schwach ausgeprägt sein. Typischerweise verbleiben Ärzte an dem Ort, an dem sie sich zu Beginn ihrer Berufskarriere niedergelassen haben. Es entstehen persönliche und familiäre Bindungen, welche die Person, die sich einmal als Arzt niedergelassen hat und sich nun einen Ruf und Patientenstamm aufbaut, im Zweifel von einem schnellen Ortswechsel abhalten. Hat der Verpflichtete eine Hausarztpraxis auf dem Land begründet, wird er daher im Regelfall seine landärztliche Tätigkeit entsprechend der 494 Zur Verfassungsmäßigkeit der Erstattungspflicht von Ausbildungskosten bei vorzeitig ausscheidenden Berufssoldaten siehe BVerfGE 39, S. 128 (141 f.). Das Gericht betont, dass Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG denjenigen, „der seinen Beruf wechselt, nicht von der Erfüllung der Pflichten frei[stellt], die durch die Beendigung des bisherigen beruflichen Rechtsverhältnisses aufgrund eines verfassungsmäßigen Gesetzes entstehen und seiner geordneten Abwicklung dienen.“ (BVerfGE 39, S. 128 [141]). Gegenstand des Ausgleichs ist im Falle des § 49 Abs. 4 S. 1 SoldatenG der Ersatz der Ausbildungskosten. Das BVerfG befindet: „Die Anforderung, daß eine Dienstzeit von dreifacher Dauer der Ausbildungszeit abgeleistet werden muß, ist jedenfalls nicht unverhältnismäßig.“ BVerfGE 39, S. 128 (142). Siehe zum soldaten- und verfassungsrechtlichen Rahmen beim Zugang zum Sanitätsoffiziersdienst auch unten E. I. 3. d), S. 164 ff. 495 Das BVerwG hat in Bezug auf die Rückforderung von Studienförderungsmitteln im Rahmen eines Fernmeldeaspirantenvertrags folgende Formel aufgestellt: „eine Rückzahlungsklausel, die die vom Arbeitgeber verauslagten Ausbildungskosten betrifft, [ist] trotz der darin liegenden (freiwilligen) Beschränkung des Arbeitnehmers in der freien Wahl des Arbeitsplatzes nur dann […] unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG, wenn diese Beschränkung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Treu und Glauben dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten ist und vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers nicht entspricht.“ (BVerwGE 30, S. 65 [69 f.]); vgl. auch VG Kassel, Urt. vom 9. 9. 1980 – V E 204/79; VG Gelsenkirchen, Urt. vom 8. 6. 1982 – 12 K 2384/81; VG Düsseldorf, Urt. vom 3. 6. 1983 – 13 K 1389/83. 496 Dazu im Einzelnen unten E. I. 4. b) dd) (4), S. 194 f. 497 Dazu auch B. II. 2. c) aa) (1) (b) (bb), S. 60 ff, insbesondere S. 62 mit Fn. 213.

II. Art. 11 Abs. 1 GG

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Zielbestimmung – und unabhängig von einer bei der Zulassung zum Medizinstudium vertraglich begründeten Verpflichtungsdauer – fortsetzen. Jedenfalls eine Bindungsdauer von 20 Jahren ab Absolvierung der Facharztausbildung überschreitet die Grenze des Zumutbaren. Denn sie bindet den Verpflichteten faktisch über die gesamte Dauer seiner beruflichen Tätigkeit. Diese Fristlänge ist angesichts der typischerweise verbreiteten Neigung zum Ortsverbleib auch nicht erforderlich. Für den Parallelfall des öffentlichen Gesundheitsdienstes hat das Bundesverwaltungsgericht eine Bindungsfrist von acht Jahren als noch zumutbar eingestuft.498 Da sich in diesen Fällen mit der Tätigkeit, zu der sich der Bewerber verpflichtet hat, keine ärztliche Niederlassung verknüpft, sähe das Gericht im Falle der Landarztquote im Zweifel eine kürzere Frist indiziert. (4) Zwischenergebnis Ob sich eine privilegierte Zulassung von Bewerbern auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt, ist weniger eine Frage des „Ob“ als des „Wie“. Gerade angesichts der Unerfahrenheit, unter der Studienbewerber regelmäßig im Abiturientenalter eine Verpflichtung zu späterer Niederlassung auf dem Land – im Gegenzug für die Zuteilung eines Studienplatzes – eingehen, sowie der nachhaltigen Auswirkungen auf ihren weiteren Lebensplan muss die Sanktionswirkung der Verpflichtungserklärung moderat ausfallen und Ausstiegsoptionen für Härtefälle eröffnen. Umgekehrt darf der Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung nicht folgenlos bleiben oder Anreize für ein „Freikaufen“ von den Bindungen setzen. Sonst entwickelt sich die Vorabquote zu einem Schlupfloch im Zuteilungsregime. Durch dieses könnten (im schlimmsten Falle weniger geeignete) Bewerber – auf Kosten der sonstigen Zuteilungskontingente und der ihnen zugrunde liegenden teilhaberechtlichen Ansprüche anderer – einen Einstieg in den zulassungsbeschränkten Studiengang erlangen, ohne das die Zuteilung rechtfertigende Ziel einer ärztlichen Niederlassung in unterversorgten Regionen tatsächlich jemals zu erreichen.

II. Art. 11 Abs. 1 GG 1. Schutzbereich und Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG Die Implementierung einer Quote für Studienbewerber, die sich zur Niederlassung in einer ländlichen Region verpflichten, wirkt auf das in Art. 11 Abs. 1 GG verbürgte Recht des Studienbewerbers auf Freizügigkeit ein. Denn Art. 11 Abs. 1

498

BVerwG, NJW 1986, S. 2589 (2590).

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

GG verbürgt das Recht des Einzelnen, im gesamten Bundesgebiet Aufenthalt499 und Wohnsitz frei zu wählen.500 a) Auswirkungen der Arbeitsplatz- auf die Wohnortwahl Eine Selbstverpflichtung verwehrt dem Studienbewerber ihrem inneren Anspruch nach zwar nur die freie Wahl seines Arbeitsortes. Diese schützt Art. 11 Abs. 1 GG nicht ausdrücklich. Die Zuweisung eines Arztsitzes in einer medizinisch unterversorgten Region strahlt allerdings zusätzlich auf seine Möglichkeit aus, selbst zu bestimmen, an welchem Ort er wohnen möchte. Zwar sind Ärzte seit dem (am 1. 1. 2012 in Kraft getretenen) GKV-Versorgungsstrukturgesetz nicht mehr länger einer Residenzpflicht unterworfen. Der in einem unterversorgten Gebiet Tätige kann seinen Wohnsitz aber faktisch nur an einem solchen Ort begründen, der es ihm erlaubt, die eigene Arztpraxis innerhalb zumutbarer Zeiträume zu erreichen. Gerade in ländlichen Regionen, die über eine schlecht ausgebaute Verkehrsinfrastruktur verfügen, schränkt dies die Wohnortwahl des Arztes nachhaltig ein. Diese beiden Aspekte knüpfen an die negative Dimension des Freizügigkeitsschutzes aus Art. 11 GG an, nicht einen bestimmten Ort aufsuchen bzw. einen bestimmten Wohnort wählen zu müssen.501 b) Thematische Abgrenzung der Schutzbereiche Die Freiheit der Niederlassung zu beruflichen Zwecken – namentlich das Recht, den Arbeitsort frei zu wählen – fällt zwar grundsätzlich auch in die durch Art. 11 GG thematisch geschützte Freiheitssphäre. Allerdings erweist sich die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit502 – insbesondere aufgrund des historischen Kontextes503 – insoweit als die speziellere Regelung.504 499

Wann von einem Aufenthalt i. S. d. Art. 11 Abs. 1 GG gesprochen werden kann, ob insbesondere eine bestimmte Dauer des Verweilens erforderlich ist, ist – gerade im Hinblick auf die Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG – umstritten. Sachgerecht ist es, darauf abzustellen, ob die Fortbewegung um des Aufenthalts willen erfolgt (dann Art. 11 Abs. 1 GG) oder aber umgekehrt, der Aufenthalt um der Fortbewegung willen (dann Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG). So etwa Pieroth/Schlink/Kingreen et al. (Fn. 427), Rn. 859; Schoch, JURA 2005, S. 34 (35). 500 BVerfGE 2, S. 266 (273), st. Rspr. 501 Siehe hierzu m. w. N. etwa Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, 6. Aufl., 2012, Art. 11, Rn. 18. 502 Vgl. oben C. I., S. 110 ff. 503 Vgl. hierzu Sachs, § 106 – Die Freiheit der Bewegung, in: Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2006, S. 1140 sowie S. 1130 ff. 504 Scholz (Fn. 140), Art. 12, Rn. 200 m. w. N. Vgl. auch Gusy, in: von Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), GG, 6. Aufl., 2010, Art. 11, Rn. 31; Hailbronner, § 152 – Freizügigkeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2009, Rn. 60; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, 14. Aufl., 2016, Art. 11, Rn. 4;

II. Art. 11 Abs. 1 GG

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Ob Art. 11 GG – wenn schon nicht tatbestandlich die unmittelbaren, so doch wenigstens – zumindest die mittelbaren und faktischen Folgen für die freie Verfügung über den eigenen Wohnsitz erfasst, die sich aus der beruflichen Einschränkung der Wahl des Arbeitsortes ergeben, ist weniger klar. Die faktische Einschränkung der Wohnsitzwahl durch eine Verpflichtungserklärung nicht an Art. 11 GG zu messen, entspricht jedoch der thematischen Schutzdimension dieses Grundrechts: Die Gewährleistung des Art. 11 GG knüpft an Freiheitseinschränkungen an, die nicht unmittelbar den Freiheitsbereich einer anderen grundrechtlichen Gewährleistung berühren. Ist die Einschränkung der Wohnsitznahme eine Folge der Berufswahl, sind die Maßnahmen daher ausschließlich an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen;505 Art. 11 GG ist insoweit verdrängt.

Kunig (Fn. 501), Art. 11, Rn. 18. Siehe in diesem Zusammenhang auch BVerwGE 2, S. 151 (152). Vgl. auch BVerwGE 12, S. 140 (162). 505 In diese Richtung wohl Bachof, JZ 1966, S. 167 (171); Hofmann (Fn. 133), Art. 12, Rn. 106; Randelzhofer, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK GG, 43. Erg.-Lfg., Okt. 1981, Art. 11, Rn. 24 sowie Rn. 171. Siehe auch LSG Schleswig-Holstein, Urt. vom 9. 9. 1998 – L 4 Ka 9/98 –, juris Rn. 22: „Aus Art. [11] GG (Freizügigkeit) ergibt sich nach keiner ernstlich vertretenen Auslegung dieser Norm ein Anspruch darauf, seinen Beruf am Ort seiner Wahl innerhalb des Bundesgebiets ausüben zu können. Inhalt dieses Grundrechts ist das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Eingriffe in diesen Schutzbereich sind jedoch nur dann gegeben, wenn staatliches Handeln die Freizügigkeit unmittelbar beeinträchtigt, also auf eine Einschränkung zielt. Berufsrechtliche Regeln können sich mittelbar auf die Freizügigkeit auswirken. Solange derartige Maßnahmen sich auf die Art oder den Ort der Berufsausübung beziehen, wird Art. 11 GG nicht tangiert. Maßnahmen, die sich mittelbar auf die Freizügigkeit in der Weise auswirken, daß sie faktisch einen Ortswechsel erschweren oder ausschließen, sind an Art. 12 GG, nicht an Art. 11 GG, zu messen […].“ Das im weiteren Verfahrensverlauf befasste BVerfG ging auf Art. 11 GG nur sehr kursorisch ein und stellte fest, dass das Grundrecht nicht tangiert sei, solange sich der Beschwerdeführer an jedwedem Ort im Bundesgebiet als Arzt niederlassen könne, BVerfG, DVBl 2002, S. 400 (401). Selbst gesetzlich vorgesehene Residenzpflichten sollen nach verbreiteter Ansicht nicht an Art. 11 GG, sondern an der Berufsfreiheit zu messen sein. So etwa Manssen (Fn. 419), Art. 12, Rn. 287. Vgl. auch m. w. N. Blanke, in: Stern/Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl., 2016, Art. 11, Rn. 27; Hailbronner (Fn. 504), Rn. 61. Anders aber Durner, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 66. Erg.-Lfg., Aug. 2012, Art. 11, Rn. 124; Grete, Die Verfassungsmäßigkeit berufsrechtlicher Residenzpflichten der deutschen Rechtsordnung, 1999, S. 133 f. (siehe aber S. 135: Dort spricht Grete demjenigen, der aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an dem Ort seiner Wahl nicht den gewünschten Beruf ausüben kann oder dem Bedingungen zur Ausübung des Berufes an einem bestimmten Ort aufgestellt werden, das Recht ab, sich auf Art. 11 Abs. 1 GG zu berufen).

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

2. Eingriff Auch wenn man – wie manche Autoren506 – den Schutzbereich des Art. 11 GG im Falle mittelbarer berufsbedingter Einschränkungen der Wohnsitzwahl thematisch und in der Grundrechtskonkurrenz dogmatisch berührt sieht, versteht sich ein – am qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG zu messender – Eingriff in das Grundrecht im Falle einer Verpflichtungserklärung nicht von selbst. Denn sie wirkt – anders als bei gesetzlich vorgesehenen Residenzpflichten507 – lediglich mittelbar und faktisch auf die Möglichkeit zur Wahl des Wohnsitzes ein; eine rechtliche Verpflichtung, den Wohnsitz an einem bestimmten Praxisstandort zu begründen,508 löst sie gerade nicht aus.509 Das BVerfG hält einen Eingriff in Art. 11 Abs. 1 GG auch dann für gegeben, wenn staatliche Maßnahmen auf die Freizügigkeitsgewährleistung zwar nur mittelbar oder faktisch einwirken, diese aber „in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff gleichkommen“510.511 Legt man diesen Maßstab eines funktionalen Eingriff-Äquivalents auf die Eingrenzung des Ortes der Niederlassung an, greift die Verpflichtung, eine Vertragsarztzulassung für eine bestimmte unterversorgte Region zu stellen, nicht in Art. 11 Abs. 1 GG ein: Sie wirkt zwar nachhaltig auf die Wohnsitzwahl ein – dies jedoch nicht mit einer dem direkten Eingriff vergleichbaren Zielsetzung. Zweck der Entsendung ist es nämlich nicht, die Wohnsitzwahl des Arztes zu beschneiden, sondern die Versorgung einer Gegend mit ärztlichen Leistungen zu sichern. Den Verpflichteten bleibt regelmäßig eine ganze Region, in der sie ihren Wohnsitz nehmen können. Sie sind weder auf ein bestimmtes Stadt- noch Landkreisgebiet beschränkt. Dies gilt ungleich mehr, wenn die Verpflichtungserklärung dem Bewerber – wie verfassungsrechtlich geboten512 – eine Mitsprache- oder Auswahlmöglichkeit hinsichtlich der Region einräumt, für die er seine Niederlassung beantragt. Eine funktionale Äquivalenz der Intensität und Zielrichtung zu einem klassischen Eingriff besteht nicht. Weder die Einschränkung der Wahl des Arbeitsortes noch die sich hieraus mittelbar und faktisch ergebenden

506 Baldus, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 29. Ed., 2016, Art. 11, Rn. 34. So wohl auch Sachs (Fn. 503), S. 1140. Vgl. auch Gnatzy, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 13. Aufl., 2014, Art. 11, Rn. 34. 507 Ausführlich zu Residenzpflichten als Eingriff in Art. 11 GG Grete (Fn. 505), S. 117 ff. 508 Dazu, dass eine staatliche Zuweisung nur eines einzigen Praxissitzes ohne jegliche Wahlfreiheit und Eigeninitiative des approbierten Arztes verfassungsrechtlich nicht zulässig wäre, bereits oben C. I. 3. b) cc) (2) (b), S. 123 f. sowie auch unten E. I. 4. b) bb) (2), S. 182 ff. 509 Mit Blick auf die Weite des Schutzbereichs und seine hohen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungshürden lehnen viele daher auf Basis eines restriktiven Eingriffsbegriffs in diesen Fällen einen Eingriff ab. Vgl. hierzu Kunig (Fn. 501), Art. 11, Rn. 19; Durner (Fn. 505), Art. 11, Rn. 111 ff. 510 BVerfGE 110, S. 177 (191); BVerfG, NVwZ 2008, S. 780 (786 f.). 511 Vgl. Baldus (Fn. 506), Art. 11, Rn. 14; Jarass (Fn. 504), Art. 11, Rn. 8. 512 Siehe oben C. I. 3. b) cc) (2) (b), S. 123 f.

IV. Art. 49 Abs. 1 AEUV

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Folgen für die Möglichkeit der Wohnsitznahme sind folglich an Art. 11 GG zu messen.

3. Ergebnis Die Selbstverpflichtung von Studienbewerbern, sich nach dem Studium in einer unterversorgten Region niederzulassen, verstößt – jedenfalls, wenn sie ihnen eine substanzielle Auswahlmöglichkeit im Hinblick auf eine Vielzahl unterschiedlicher Wohnorte belässt – nicht gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit.

III. Art. 2 Abs. 1 GG Die Verpflichtung, Aufgaben medizinischer Versorgung auf dem Land wahrzunehmen, beeinträchtigt neben der Berufsfreiheit auch die allgemeine Handlungsfreiheit. Die mit einer Verpflichtungserklärung einhergehende Einschränkung der Niederlassungsfreiheit wirkt nachhaltig und zeitlich langfristig auf die Lebensgestaltung betroffener Bewerber ein.513 Die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch als Auffanggrundrecht im Verhältnis zu den spezielleren Freiheitsgrundrechten der Berufsfreiheit und der Freizügigkeit subsidiär.514

IV. Art. 49 Abs. 1 AEUV Eine Verpflichtungserklärung, nach Abschluss des Studiums die ärztliche Tätigkeit in einer unterversorgten Region der Bundesrepublik Deutschland auszuüben, kann mit der unionsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 Abs. 1 AEUV) in Konflikt geraten.515 Denn die Erklärenden begeben sich dadurch ihres Rechts, ihre Niederlassung an einem Vertragsarztsitz frei innerhalb der Union zu wählen.

513 Die Verpflichtungserklärung geben die Studienbewerber darüber hinaus unter den Bedingungen erheblicher Unsicherheit ab: Zwischen der Verpflichtungserklärung und der Aufnahme der Berufstätigkeit verstreichen Zeiträume von regelmäßig mehr als zehn Jahren. Während dieser Phase bleibt unklar, in welcher unterversorgten Region sie später ihre Berufstätigkeit ausüben werden. 514 Ausführlicher hierzu Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, 39. Erg.-Lfg., Juni 2001, Art. 2 Abs. 1, Rn. 21 ff. 515 Zur Frage, inwieweit sich EU-Ausländer auf den Gewährleistungsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG berufen können, siehe Fn. 133.

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

1. Gewährleistungsgehalt Die Niederlassungsfreiheit schützt das Recht eines Unionsbürgers, sich in jedem anderen Mitgliedstaat niederzulassen. Sie umhegt einerseits das Recht angehender EU-ausländischer Ärzte, nach ihrem Studium in Deutschland das Land zugunsten einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat wieder zu verlassen, als auch das Recht angehender deutscher Ärzte, sich nach ihrem Studium in einem anderen Mitgliedstaat der Union niederzulassen (Wegzugsfreiheit).516

2. Beschränkung Jede Regelung, die „geeignet ist, die Ausübung der [Niederlassungsfreiheit] zu behindern oder weniger attraktiv zu machen“,517 beschränkt bzw. „behindert“518 diese Grundfreiheit. Dafür genügen auch „geringfügige oder unbedeutende“519 Beschränkungen. Die (sanktionsbewehrte) Verpflichtungserklärung, die ein Landarztquoten-Studierender abgibt, hindert ihr unterworfene Ärzte daran, ihre Niederlassung frei (ggf. nach vorhergehender Anerkennung der Ausbildung520) innerhalb der Union zu wählen. Sie macht die Gründung einer Praxis in einem anderen Mitgliedstaat damit – abhängig von der konkreten Sanktion für die Dauer der Bindung – unattraktiv bis unmöglich. Die damit verbundene Belastung übersteigt – jedenfalls soweit eine Kompensation oder Vertragsstrafe fällig wird – typischerweise auch die Grenze der Geringfügigkeit deutlich. Dies gilt für EU-ausländische wie für deutsche Studierende gleichermaßen. Die Landarztquoten-Studierenden geben ihre Erklärung zwar ab, ohne dazu rechtlich gezwungen zu sein. Das schließt einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit aber nicht aus.521 Denn die vertragliche Selbstbindung ist Ausdruck einer verengten Handlungswahlfreiheit: Gibt der Bewerber die Erklärung nicht ab, gelangt er nicht in den Genuss einer privilegierten Zulassung zum begehrten Medizinstu516 Vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 58. Erg.-Lfg., Jan. 2016, Art. 49 AEUV, Rn. 116; Siehe nur EuGH, Urt. vom 11. 3. 2004 – C-9/02 –, EuZW 2004, S. 273 (275, Rn. 42), Hughes de Lasteyrie du Saillant/Ministère de l’Économie, des Finances et de l’Industrie. 517 EuGH, Urt. vom 31. 3. 1993 – C-19/92 –, NVwZ 1993, S. 661 (662, Rn. 32), Dieter Kraus/Baden-Württemberg. 518 EuGH, Urt. vom 11. 3. 2004 – C-9/02 –, EuZW 2004, S. 273 (275, Rn. 42), Hughes de Lasteyrie du Saillant/Ministère de l’Économie, des Finances et de l’Industrie. 519 EuGH, Urt. vom 11. 3. 2004 – C-9/02 –, EuZW 2004, S. 273 (275, Rn. 43), Hughes de Lasteyrie du Saillant/Ministère de l’Économie, des Finances et de l’Industrie. 520 Vgl. hierzu insbesondere Art. 21 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. 9. 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtlinie), ABl. 2005 L 255/22. 521 Vgl. für die Perspektive des nationalen Rechts bereits C. I. 2., S. 111 ff.

IV. Art. 49 Abs. 1 AEUV

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dium. Die Landarztquote belastet die Studierfreiheit mit der Hypothek einer Niederlassungsbeschränkung. Bewerber, die sich für das Studium der Medizin interessieren, befinden sich insofern in einer Coactus-volui-Situation.522 Sie verkürzt ihr grundsätzlich bestehendes Zugangsrecht zum Hochschulstudium um eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende Komponente. Der Mitgliedstaat übt faktischen Zwang auf Bewerber (insbesondere solcher mit schlechter Abiturnote) dahin aus, dass sie nur um den Preis der Aufgabe ihrer Niederlassungsfreiheit den gewünschten Studienplatz erhalten können. Er beschränkt damit die Niederlassungsfreiheit. Selbst wenn man in der Abgabe der Verpflichtungserklärung aus der Perspektive Betroffener vor allem den privatautonomen Ausdruck einer autonomen Willenserklärung sehen will,523 schließt das eine Rechtfertigungsbedürftigkeit entsprechender mitgliedstaatlicher Maßnahmen nicht notwendig aus: Die Grundfreiheiten sind – als an die Mitgliedstaaten gerichtete Vertragspflichten zur Herstellung eines Binnenmarktes (vgl. Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 EUV) – nicht nur subjektive Rechte, sondern auch objektives Recht.524 Jedenfalls im vertikalen Verhältnis, also der Beziehung Staat – Bürger, stehen sie damit nicht (vollständig) zur Disposition des Einzelnen.525 Vielmehr muss sich eine Beschränkung der Grundfreiheiten, die auf eine Einwilligung gestützt ist, aus den Verträgen heraus legitimieren lassen.

3. Rechtfertigung Die Niederlassungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern lässt sowohl geschriebene (vgl. Art. 52 Abs. 1 AEUV) als auch ungeschriebene (d. h. immanente) Rechtfertigungsgründe, sog. „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“, zu. Insbesondere die öffentliche Gesundheit nennt Art. 52 Abs. 1 AEUV ausdrücklich als einen solchen zwingenden Grund.526 Die Verpflichtung, sich für einen bestimmten Zeitraum als Landarzt niederzulassen, stützt sich auf die Schutzpflicht des Staates, eine flächendeckende ange522

Vgl. C. I. 2. a) cc), S. 114 ff. Vgl. für das nationale Recht oben Fn. 431. 524 Siehe Wollenschläger, § 1 – Unionsrechtliche Grundlagen des Öffentlichen Wirtschaftsrechts, in: Schmidt/Wollenschläger (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl., 2015, Rn. 11; vgl. zum nationalen Recht: Bethge, § 203 – Grundrechtswahrnehmung, Grundrechtsverzicht, Grundrechtsverwirkung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., 2011, Rn. 112 ff. 525 Vgl. zur entsprechenden Wertung mancher Grundrechte des GG: Bethge (Fn. 524), Rn. 114 ff.; Schmidt, in: Müller-Glöge/Peis/Schmidt (Hrsg.), ErfK, 16. Aufl., 2016, GG – Einleitung, Rn. 61. 526 EuGH, Urt. vom 1. 2. 2001 – C-108/96 –, EuZW 2001, S. 282 (284, Rn. 28), Dennis MacQuen u. a.; Urt. vom 10. 3. 2009 – C-169/07 –, EuZW 2009, S. 298 (301, Rn. 46), Hartlauer Handelsgesellschaft mbH/Wiener Landesregierung u. a. Dabei differenziert der EuGH nicht streng nach Art. 52 Abs. 1 AEUV als geschriebenem und dem Gesundheitsschutz als ungeschriebenem Rechtfertigungsgrund. 523

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C. Die Verpflichtungserklärung als (Selbst-)Beschränkung

messene Gesundheitsversorgung sicherzustellen.527 Um dieses legitime Ziel zu erreichen, ist sie geeignet und erforderlich.528 Denn nur dann, wenn diejenigen, welche den privilegierten Zugang zum Medizinstudium auf der Grundlage ihrer Bereitschaft zu einer Landarzttätigkeit erhalten, sich auch tatsächlich in einer unterversorgten Region niederlassen, lässt sich ihre Privilegierung bei der Bewerberauswahl legitimieren und ist das Ziel öffentlichen Gesundheitsschutzes erreichbar. Absolventen des Medizinstudiums öffnen sich vielfältige Möglichkeiten ärztlicher Tätigkeit, die zum Teil ihrer Art nach, zum Teil in ihrem örtlichen Tätigkeitsumfeld attraktiver sind als eine landärztliche Tätigkeit. Die Verpflichtungserklärung soll sicherstellen, dass die Studienplätze der Quote tatsächlich dem Verwendungszweck zufließen, dem sie als legitime mitgliedstaatliche Zielsetzung verschrieben sind. Die Beschränkung trägt auch der besonderen Bedeutung der Niederlassungsfreiheit für den Binnenmarkt und die Union noch angemessen Rechnung. Trotz des hohen Wertes der Niederlassungsfreiheit für die Freiheitsentfaltung und den Binnenmarkt als Teil der „fundamentalen Grundsätze“ des Staatenverbundes529 erkennt die Union das Ziel des Gesundheitsschutzes als zentrales Element ihrer Tätigkeit an (sog. Querschnittsziel nach Art. 35 GrCh; Art. 165 Abs. 1 AEUV). Ist eine ernsthafte Unterversorgung ländlicher Regionen zu besorgen, ohne sich in anderer Weise hinreichend wirksam und sicher als durch eine sanktionsbewehrte Verpflichtungserklärung von Studienbewerbern bekämpfen zu lassen,530 darf der Mitgliedstaat die Niederlassungsfreiheit hinter dem flächendeckenden Gesundheitsschutz zurücktreten lassen.531

527

Siehe B. IV. 2. a), S. 104 f. Dazu B. II. 2. c), S. 51 ff. sowie B. IV. 2. c), S. 106. Zu den Rechtfertigungsgründen: Müller-Graff, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., 2012, Art. 52 AEUV, Rn. 16 ff. u. 97; im Besonderen zur Wegzugsfreiheit: EuGH, Urt. vom 11. 3. 2004 – C-9/02 –, EuZW 2004, S. 273 (275, Rn. 49), Hughes de Lasteyrie du Saillant/Ministère de l’ Économie, des Finances et de l’Industrie, wo der EuGH jedoch nicht explizit auch die Angemessenheit erwähnt. 529 Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 58. Erg.-Lfg., Jan. 2016, Art. 45 AEUV, Rn. 2 f. 530 Dazu im Einzelnen B. II. 2. c), S. 51 ff. sowie C. I. 3. b), S. 118 ff. 531 Dabei ist zugleich zu berücksichtigen, dass die Beschränkung der Freizügigkeit angehender Ärzte zu einem gewissen Teil auf deren eigener, ihrer Entschlussfreiheit entsprechenden Entscheidung beruht und mit der Gewährung eines Vorteils einhergeht, der ihnen andernfalls nicht zugekommen wäre. 528

D. Einfachgesetzliche Zulässigkeit der Modelle de lege lata Legt die Verfassung der Zuteilung eines Kontingents von Studienplätzen für solche Personen, die bereit sind, sich in unterversorgten Regionen niederzulassen, keine unüberwindbaren Steine in den Weg, liegt die Herausforderung einer Landarztquote um so mehr in der einfachgesetzlichen Konkretisierung der Modellausgestaltung. Denn der Staat wird bei der Zuteilung von Studienplätzen in einem grundrechtswesentlichen Bereich tätig, in dem das Parlament als Gravitationszentrum der politischen Willensbildung die zentralen Steuerungsentscheidungen selbst zu treffen hat. Zur Umsetzung des Konzepts einer Landarztquote kommen de lege lata grundsätzlich zwei Modelle in Betracht: die Vergabe von Studienplätzen im Rahmen einer Vorabquote (I.) oder die Berücksichtigung der Bereitschaft zur Niederlassung in ländlichen Regionen im Rahmen der Auswahl der Studienbewerber durch die einzelne Hochschule (II.).

I. Modell „Vorabquote“ Bereits jetzt ebnen das HRG, die Hochschulgesetze der Länder und der Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung (HZulEinrErrStV) einer Berücksichtigung von Verpflichtungserklärungen als Bestandteil einer privilegierten Zulassung zum Studium den Weg. Den normativen Anknüpfungspunkt bildet die Vorschrift des § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG. Der HZulEinrErrStV greift die bundesrechtliche Regelung zur Vorabquote in seinem Art. 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 in der Sache inhaltsgleich auf. Von der Möglichkeit einer Vorabquote nach § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG machen die Länder gegenwärtig nur für den Bereich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Gebrauch. Auch die flächendeckende ärztliche Versorgung der Bevölkerung in ländlichen Regionen kann aber einen „Bereich besonderen öffentlichen Bedarfs“ markieren. Die Idee einer solchen Vorabquote ist auch insoweit nicht ganz neu. Bereits die Gesetzesbegründung zum Hochschulrahmengesetz hat sie thematisiert.532 532 Vgl. BT-Drucks. 7/1328, S. 58. Bahro/Berlin (Fn. 77), II. Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 24. Juni 1999, Art. 12, Rn. 8 gingen im Jahr 2003 noch davon aus, dass der Gesetzgeber diese bislang aufgrund „der fehlenden Möglichkeit, solche beruflichen Verwendungen zu gewährleisten“, nicht vorgesehen hat.

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D. Einfachgesetzliche Zulässigkeit der Modelle de lege lata

Das normative Gerüst des HRG sowie des HZulEinrErrStV konkretisieren die Länder in ihren Zulassungsverordnungen (vgl. die Ermächtigung des Art. 12 Abs. 1 Nr. 2 HZulEinrErrStV). Zahlreiche landesrechtliche Verordnungen behalten die Vorabquote de lege lata ausdrücklich ausschließlich den Bewerbern für den Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr vor.533 Um neben künftigen Sanitätsoffizieren in Zukunft auch angehenden Landärzten eine Zulassung zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung zu eröffnen, bedürfte es einer Änderung dieser Rechtsverordnungen.

II. Modell „Auswahl durch die zuständige Hochschule“ Ob neben einer Vorabquote auf der Grundlage des § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG auch die Möglichkeit besteht, eine Verpflichtungserklärung des Bewerbers im Rahmen des hochschuleigenen Auswahlverfahrens zu berücksichtigen,534 steht auf einem anderen Blatt.535 Die Frage ist im Ergebnis zu verneinen. Denn die Abgabe einer Verpflichtungserklärung zu landärztlicher Tätigkeit übersteigt den Auswahlrahmen des § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG. Die Auswahlkriterien, welche die Hochschulen anzuwenden haben, legt § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG nicht abschließend fest. Er eröffnet den Ländern Spielräume („nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts insbesondere […]“), deren Ausfüllung dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt.536 Den Maßstab bilden dabei „das gewählte Studium“ und „der angestrebte Beruf“ (vgl. § 32 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 lit. e HRG), nicht aber ein ganz bestimmtes Berufsbild. Insofern geben Bund und Länder in ihren Gesetzen zu erkennen, dass im Rahmen des hochschuleigenen Auswahlverfahrens die fachliche Prognose für den Studienerfolg und die daran anknüpfende spätere berufliche Tätigkeit entscheidend für die Auswahl der Studierenden sein soll. Eine Bevorzugung eines bestimmten Berufsbildes, etwa des Landarztes, gegenüber anderen medizinischen Tätigkeitsfeldern ist in § 32 Abs. 3 HRG nicht angelegt.537 Sie 533

Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 88. Manche Länder kennen darüber hinaus auch Quoten für Studienbewerber, die im öffentlichen Interesse an den Studienort gebunden sind, so etwa § 7 Abs. 1 Nr. 6 BerlHZG i. V. m. 6 Abs. 1 Nr. 5 BerlHZVO: „Bewerberinnen und Bewerber, die einem im öffentlichen Interesse förderungswürdigen Personenkreis angehören und aufgrund besonderer Umstände an den Studienort gebunden sind, insbesondere Bewerberinnen und Bewerber, die einem auf Bundesebene gebildeten A-, B-, C- oder D/C-Kader eines Bundesfachverbandes des Deutschen Olympischen Sportbundes für eine von den Olympiastützpunkten in den Ländern Berlin oder Brandenburg betreuten Sportarten angehören“. 534 Zur Diskussion dieses Vorschlags in der rechtspolitischen Diskussion auch Kühl (Fn. 5), S. 153 m. w. N. 535 Vgl. hierzu bereits die Ausführungen oben A. IV. 3. a), S. 30. 536 Dazu VGH Mannheim, NVwZ-RR 2011, S. 764; Brehm/Zimmerling (Fn. 74), S. 6; Lindner (Fn. 140), S. 551, Rn. 104. 537 Die Bereitschaft, sich im Anschluss an die medizinische Ausbildung als Arzt in einer unterversorgten Region niederzulassen, darf dem Bewerber nicht zum Nachteil im Rahmen

II. Modell „Auswahl durch die zuständige Hochschule“

139

würde in das Hochschulauswahlverfahren eine Bedarfslenkungsfunktion implementieren, die ausschließlich anderen Auswahlelementen des § 32 HRG vorbehalten ist. Das feingliedrige System, das die Norm durch die Abschichtung verschiedener Zuteilungsquoten angelegt hat, würde konterkariert, dürfte der öffentliche Bedarf und eine Bevorzugung bestimmter Bewerber auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung neben § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG auch in den Tatbeständen des § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG Berücksichtigung finden.

eines Hochschulauswahlverfahrens gereichen. Sie darf ihm umgekehrt aber auch nicht einen Zugang zum Medizinstudium verschaffen, den er sonst nicht erhalten hätte. Mag die klare Vision eines Studienbewerbers, sich nach dem Studium als Landarzt niederzulassen, seine ernsthafte Studienmotivation belegen und einen aussagekräftigen Indikator für einen guten Studienerfolg bilden, so knüpft sich daran zugleich aber noch nicht die (zur Erreichung des Regelungsziels erforderliche) hinreichende Gewissheit, dass sich der Bewerber später auch in unterversorgten Regionen tatsächlich niederlässt und es sich nicht lediglich um eine glaubwürdig vorgetragene, aber nicht ernst gemeinte Behauptung handelt. Will der Staat die Bereitschaft zur Niederlassung in ländlichen Regionen hinreichend fundiert absichern, bedarf dies einer Fixierung in einer rechtlich bindenden Verpflichtungserklärung. Eine solche Erklärung im Rahmen des hochschuleigenen Auswahlverfahrens abzuverlangen und zu berücksichtigen, verstieße aber gegen das in § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG angelegte subjektive öffentliche Recht auf Zulassung zum Medizinstudium nach Maßgabe der fachlichen Eignung. Sie würde dieses Recht um eine Komponente verkürzen, die mit der fachlichen Eignung als solcher nichts gemeinsam hat und in § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG nicht angelegt ist.

E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda Erweist sich eine Vorabquote für künftige Landärzte auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung bei der Studienzulassung als grundsätzlich zulässig, knüpft sich daran die Frage nach den Modalitäten ihrer rechtlichen Ausgestaltung. Das betrifft insbesondere den zulässigen Inhalt der Verpflichtungserklärung (I.) und die als Verpflichtungsempfänger zuständige Stelle (II.).

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument Will der Staat zur Sicherung flächendeckender Versorgung eine Landarztquote einführen, muss er hinreichende flankierende Maßnahmen ergreifen, um das mit der Zulassung auf der Grundlage der Quote verbundene Ziel effektiv zu erreichen.538 Diejenigen Studienbewerber, die wegen der Ausnutzung der Quote durch andere Bewerber einen Medizinstudienplatz erst mit zeitlicher Verzögerung oder überhaupt nicht mehr erhalten, müssen die damit verbundene Beeinträchtigung ihrer Grundrechte539 nur hinnehmen, wenn die durch die Quote bevorzugten Bewerber nach ihrer Approbation auch tatsächlich zur Sicherung der ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten beitragen.540 Selbst wenn man unterstellt, dass die aufgrund der Quote zugelassenen Bewerber bei Aufnahme ihres Studiums eine spätere ärztliche Tätigkeit in ländlichen Räumen fest geplant hatten, ist nicht davon auszugehen, dass sich alle diese Personen nach Absolvierung ihres Studiums dort auch wirklich niederlassen. In Anbetracht der Länge der medizinischen Ausbildung können und werden zu Beginn des Studiums bestehende Absichten und Lebensentwürfe sich bis zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Niederlassung in einem Gebiet mit ärztlicher Unterversorgung möglich wäre, nicht selten ändern. Dies betrifft sowohl eine Neudefinition beruflicher Präferenzen als auch private Lebensplanungen – sei es aufgrund eigener Entscheidung, sei es durch äußere Umstände. 538 Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erforderlichkeit einer Verpflichtungserklärung bereits oben C. I. 3. b) cc) (2), S. 121 ff. 539 Siehe hierzu oben B. II. 2., S. 48 ff. 540 Bauer-Schade (Fn. 2), S. 239; Kühl (Fn. 5), S. 157.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

141

Um zu verhindern, dass solche Änderungen individueller Präferenzen zu einer Verfehlung des mit der Quote verfolgten Ziels führen und um nicht auszuschließenden Missbräuchen entgegenzuwirken, bedarf es verfassungsgerechter sichernder Instrumente.541 Dabei bedarf es eines sorgfältigen Ausgleichs zwischen den Anforderungen dieser Instrumente und möglicherweise betroffenen Rechtspositionen der aufgrund der Quote zugelassenen Bewerber. Als Sicherungsinstrument bietet sich insbesondere eine sog. Verpflichtungserklärung an. Ihre Grundstruktur besteht darin, dass Bewerber, die aufgrund der Landarztquote zum Medizinstudium zugelassen werden, sich dazu verpflichten, nach Studienabschluss in einem nach bestimmten Kriterien bezeichneten Gebiet mit ärztlicher Unterversorgung tätig zu werden, sowie darin, dass die Erklärung selbst bestimmte Regelungen zur Sicherung der Erfüllung dieser Verpflichtung in der Erklärung selbst vorsieht.

1. Grundrechte der eine Verpflichtungserklärung abgebenden Bewerber Den Rahmen für die verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung einer Verpflichtungserklärung ziehen grundrechtliche Positionen der Bewerber, welche die Verpflichtungserklärung abgeben müssen, um einen Studienplatz zu erhalten.542

2. Bestimmung des Regelungsregimes Eine Verpflichtungserklärung ist sowohl als einseitige Erklärung des Bewerbers gegenüber der über die Vergabe der Studienplätze im Rahmen der Vorabquote entscheidenden Stelle (Verpflichtungserklärung im engeren Sinne) als auch in der Form des Abschlusses eines Vertrages (Verpflichtungserklärung im weiteren Sinne) denkbar. Die Zuordnung eines solchen Vertrags zum öffentlichen Recht oder zum Zivilrecht erfolgt anhand seines Gegenstands:543 Ein Vertrag ist dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn er sich auf Sachverhalte bezieht, welche die gesetzliche Ordnung öffentlich-rechtlich regelt.544 Ausschlaggebend ist, ob die den Vertrag 541

Bauer-Schade (Fn. 2), S. 239. Zu den grundrechtlichen Maßstäben siehe eingehend bereits oben B. III., S. 97 ff. und C., S. 110 ff. 543 GSOGB BVerwGE 74, S. 368 (370); BVerwGE 92, S. 56 (58); BGH NVwZ 2003, S. 371 (372); BauR 2005, S. 993 (994); NVwZ-RR 2010, S. 682; OVG Münster BauR 2004, S. 1759 (1760); VGH München BayVBl. 2000, S. 595 (596). 544 BVerwGE 92, S. 56 (59); 96, S. 326 (329 f.); 111, S. 162 (164); BVerwG NJW 1980, S. 2538; NJW 1985, S. 989; NVwZ-RR 2003, S. 874; BGH BauR 2005, S. 993 (994). 542

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

prägenden Rechte und Pflichten der Vertragspartner, die durch ihn begründet, geändert, aufgehoben oder bindend festgestellt werden, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegen.545 Im Zweifelsfall ist eine Bewertung des Gesamtcharakters des Vertrags anzustellen, die sich auch an dem Vertragszweck sowie dem Sachzusammenhang orientiert.546 Allein die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe vermag eine Einstufung als öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht zu rechtfertigen.547 Eine Verpflichtungserklärung (im weiteren Sinne), sich nach der Ausbildung in einer unterversorgten Region niederzulassen, wäre mithin nicht bereits deshalb dem öffentlichen Recht zuzuordnen, weil sie mit der Sicherung der ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten einer öffentlichen Aufgabe dient. Allerdings ist dieser Zweck innerhalb der anzustellenden Gesamtbetrachtung insofern von Bedeutung, als die Rechtsprechung bei der Vergabe oder Förderung von Ausbildungs- bzw. Studienplätzen für die Zuordnung der zugrunde liegenden vertraglichen Abreden zentral darauf abstellt, ob das Beschäftigungsverhältnis, zu dessen Aufnahme der Bewerber sich für die Zeit nach Abschluss der Ausbildung bzw. des Studiums verpflichtet, dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen ist.548 Unerheblich ist demgegenüber, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien bestand und ob ein solches dem öffentlichen oder dem privaten Recht unterliegt.549 Bei einer Verpflichtungserklärung im weiteren Sinne zielt der mit dem Studienbewerber abzuschließende Vertrag zwar nicht auf ein nach Abschluss des Medizinstudiums einzugehendes Beschäftigungsverhältnis ab, sondern auf die Tätigkeit als Vertragsarzt in einem unterversorgten Gebiet. Jedoch determiniert er das spätere vertragsärztliche Verhältnis insoweit, wie Bewerbern durch die Auswahl die Perspektive einer späteren Tätigkeit als Vertragsarzt unter Umständen überhaupt erst eröffnet wird und der Vertragsarztsitz zumindest in Gestalt eines grundsätzlichen räumlichen Rahmens vorgezeichnet ist. Da die Zulassung als Vertragsarzt dem öffentlichen Recht unterliegt,550 bezieht sich das mit der Verpflichtungserklärung begründete Vertragsverhältnis im Kern auf einen öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt.

545

BVerwG NVwZ 2002, S. 486 (487); BGH BauR 2005, S. 993 (994); OVG Münster BauR 2004, S. 1759 (1760). 546 BVerwGE 30, S. 65 (67): Vertragszweck; BVerwGE 111, S. 162 (164): enger Zusammenhang; VGH München BayVBl. 2000, S. 595 (596). 547 BVerwGE 92, S. 56 (58 f.); BGH NVwZ 2003, S. 371 (372); OVG Münster BauR 2004, S. 1759 (1760); VGH München NVwZ-RR 2000, S. 121. 548 BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris Rn. 36; BAG, Urt. vom 29. 5. 1991 – 5 AZR 361/90 –, juris Rn. 24 f. 549 BAG, Urt. vom 29. 5. 1991 – 5 AZR 361/90 –, juris Rn. 29. 550 BSG, Urt. vom 10. 5. 2000 – B 6 KA 67/98 R –, juris Rn. 20; Urt. vom 11. 2. 2015 – B 6 KA 11/14 R –, juris Rn. 34.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

143

Es wird deshalb allgemein davon ausgegangen, dass eine Verpflichtungserklärung (im weiteren Sinne), die sich auf eine spätere Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet nach Abschluss eines Medizinstudiums, für das der Betreffende im Rahmen einer Vorabquote ausgewählt wurde, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt.551

3. Referenzsysteme Um die Untersuchung der Möglichkeiten und Grenzen der Aufnahme sichernder Instrumente in Verpflichtungserklärungen vorzustrukturieren, erscheint es sinnvoll, bereits vorhandene Referenzsysteme auf ihre Ausgestaltung und rechtlichen Bewertungen zu untersuchen. Als solche empfehlen sich für einen Vergleich insbesondere: – Übernahme von Ausbildungs- bzw. Studienkosten (oder Fortbildungskosten) durch private Unternehmen unter Bindung des Geförderten an das Unternehmen (a)); – Übernahme von Ausbildungs- bzw. Studienkosten durch öffentliche Stellen mit Verpflichtung des Geförderten, später bei dieser oder einer anderen öffentlichen Stelle tätig zu sein (b)); – Vorabquote für eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst (c)); – Vorabquote für eine spätere Tätigkeit im Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr (d)); – durch öffentliche Stellen vergebene Stipendien für das Medizinstudium mit Verpflichtung des Geförderten, später in einer unterversorgten Region tätig zu werden (e)). Dabei richtet sich der Blick zunächst auf die Ausgestaltung des betreffenden Referenzsystems anhand von Beispielen (soweit ermittelbar), bevor eine Darstellung rechtlicher Bewertungen (soweit vorhanden) folgt. a) Übernahme von Ausbildungs- bzw. Studienkosten durch private Unternehmen aa) Ausgestaltung Der Abschluss von Verträgen, in denen Unternehmen Ausbildungs-, Studien- oder Fortbildungskosten übernehmen und sich die Bewerber im Gegenzug verpflichten, nach Abschluss der Ausbildung, des Studiums oder der Fortbildung in dem betreffenden Unternehmen tätig zu sein, ist in der Praxis weit verbreitet. Zu den damit 551

Kühl (Fn. 5), S. 155; Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 445), S. 5.

144

E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

verbundenen Fragen liegt eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen vor, aus denen sich Varianten vertraglicher Gestaltungen exzerpieren lassen (1). Eine besonders geeignete Referenzrolle nehmen Stipendienprogramme privater Krankenhausträger ein (2). (1) Allgemeine Grundmuster Aus zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen lassen sich Beispiele für die Ausgestaltung der Übernahme von Ausbildungs- bzw. Studienkosten durch private Unternehmen mit korrespondierender späterer Unternehmensbindung des Begünstigten gewinnen. Die Darstellung beschränkt sich dabei auf die für die vorliegende Untersuchung wesentlichen Vertragsbestandteile: – Beispiel 1: Verpflichtung der Studierenden, die Praxisphasen eines dualen Studiums in dem Unternehmen zu absolvieren & Zahlung einer monatlichen Vergütung durch das Unternehmen für die Dauer des gesamten Studiums & zusätzliche darlehensweise Gewährung eines Stipendiums zur Deckung der Studiengebühren der Hochschule & jederzeitige Möglichkeit beider Vertragsparteien zur Kündigung des Vertrages innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfristen & Pflicht zur Rückzahlung des erhaltenen Darlehens bei Nichtaufnahme einer Tätigkeit in dem betreffenden Unternehmen nach Studienabschluss oder bei Beendigung des Vertrages vor Absolvierung des Studiums, in letzterem Fall in monatlichen Raten innerhalb von fünf Jahren & keine Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens bei mindestens zweijähriger Tätigkeit im Unternehmen nach Abschluss des Studiums & Pflicht zur anteiligen Rückzahlung bei Ausscheiden aus dem Unternehmen vor Ablauf der zwei Jahre.552 – Ergebnis: Unzulässigkeit der Rückzahlungsverpflichtung für die Konstellation, dass die Nichtbeschäftigung des Geförderten der Risikosphäre des Unternehmens entstammt. – Beispiel 2: Verpflichtung der Studierenden, die Praxisphasen eines dualen Studiums in dem Unternehmen zu absolvieren & darlehensweise Übernahme der Studiengebühren durch das Unternehmen & keine Rückzahlungsverpflichtung bei mindestens zweijähriger Tätigkeit im Unternehmen nach Abschluss des Studiums & anteilige Rückzahlung des erhaltenen und noch nicht durch Arbeitsleistung getilgten Darlehensbetrags bei vorzeitigem Ausscheiden aus Studium oder späterem Arbeitsverhältnis & Rückzahlungsfrist 14 Tage (bei Rückforderungsanspruch von 15.840 DM).553 – Ergebnis: Rückzahlungsverpflichtung wirksam. – Beispiel 3: Verpflichtung der Studierenden, die Praxisphasen eines dualen Studiums in dem Unternehmen zu absolvieren & Übernahme der Studiums- und Unterbringungskosten durch das Unternehmen & keine Rückzahlungsverpflichtung bei mindestens dreijähriger Tätigkeit im Unternehmen nach Abschluss des 552 553

BAG, Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 192/07 –, juris. BAG, Urt. vom 25. 4. 2001 – 5 AZR 509/99 –, juris.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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Studiums & gestaffelte Rückzahlungsverpflichtung bei vorzeitigem Ausscheiden des Geförderten auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden & Erstattung aller Kosten bei Ausscheiden innerhalb des ersten Jahres nach Studienabschluss & Erstattung von 80 % bei Ausscheiden innerhalb des zweiten Jahres und Erstattung von 50 % bei Ausscheiden innerhalb des dritten Jahres.554 – Ergebnis: Rückzahlungsverpflichtung wirksam. – Beispiel 4: Vertrag über sechsmonatige Ausbildung von Ingenieuren zu KfzPrüfingenieuren unter Kostenübernahme durch ausbildendes Unternehmen & Verpflichtung zur Rückzahlung der vom ausbildenden Unternehmen zu beziffernden Ausbildungskosten bei Abbruch der Ausbildung aus von dem Auszubildenden zu vertretenden Gründen.555 – Ergebnis: Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel. – Beispiel 5: Vertrag über dreijährige Ausbildung zum Erwerb einer Musterberechtigung für einen bestimmten Flugzeugtyp durch Piloten & keine Rückzahlungsverpflichtung bei mindestens dreijähriger Tätigkeit in dem die Ausbildung finanzierenden Unternehmen nach Abschluss der Ausbildung, wobei für jeden an den drei Jahren fehlenden Monat jeweils 1/36 von 66.666 DM rückzuerstatten sind.556 – Ergebnis: nur Bindungsdauer von einem Jahr zulässig. – Beispiel 6: Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem ausbildenden Unternehmen auf Zeitpunkt nach Beendigung der Ausbildung & Vereinbarung einer sofort fälligen Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts für den Fall des Nichtantritts des Arbeitsverhältnisses.557 – Ergebnis: Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe. (2) Von Krankenhausträgern aufgelegte Stipendienprogramme Die folgenden Beispiele betreffen Stipendienprogramme zur Förderung des Medizinstudiums, die Krankenhausträger für die Sicherung des eigenen Bedarfs an ärztlichem Personal aufgelegt haben. Da eine vollständige Erfassung aller vorhandenen Programme einen für diese Untersuchung unverhältnismäßig großen Aufwand bedeuten würde, dürfen sie nicht als abschließend, wohl aber als paradigmatisch für ähnliche Förderprogramme verstanden werden. Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob die Stipendien ab Beginn des Medizinstudiums oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, in der Regel nach dem Physikum, zur Verfügung stehen: Zu Beginn des Medizinstudiums vergeben Stipendien, beispielsweise 554 555 556 557

BAG, Urt. vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 537/00 –, juris. BAG, Urt. vom 21. 8. 2012 – 3 AZR 698/10 –, juris. BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris. BAG, Urt. vom 23. 6. 1982 – 5 AZR 168/80 –, juris.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

– die Kliniken Nordoberpfalz. Im Gegenzug verpflichten sich die Geförderten, nach Abschluss des Studiums für mindestens drei Jahre als Assistenzarzt für die Kliniken zu arbeiten.558 – das St. Franziskus-Hospital in Winterberg. Die Bedingungen entsprechen denen der Kliniken Nordoberpfalz.559 – die Kreiskrankenhäuser Zwiesel-Viechtach. Gefördert werden nur Studierende, die aus der Region stammen, in der die Krankenhäuser liegen. Die Studienförderung besteht zu jeweils rund der Hälfte aus einem Darlehen und aus einer Studienförderleistung. Die Geförderten verpflichten sich zu einer mindestens dreijährigen Tätigkeit als Assistenzarzt an einer der Kliniken. Während dieser Zeit ist der Darlehensanteil in monatlichen Raten zurückzuzahlen. Erfüllt der Geförderte die Arbeitsverpflichtung vollständig, so muss er die Studienförderleistung nicht erstatten. Verlässt er die Kliniken jedoch während der Vertragsbindung, so wird eine Teilrückzahlung je nach Vertragsdauer fällig.560 Stipendien ab einem späteren Zeitpunkt im Studium zur Verfügung stellen etwa – das St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn. Die Bewerber verpflichten sich, nach erfolgreichem Studienabschluss mindestens zwei Jahre als Assistenzarzt in dem Krankenhaus tätig zu sein, sofern dieses ihnen eine Stelle anbietet. Kommen die Betreffenden dieser Verpflichtung nicht nach, so haben sie das Stipendium zurückzuzahlen.561 – das Klinikum Ingolstadt. Die Stipendienbedingungen entsprechen denen des St. Vincenz-Krankenhauses Paderborn, wobei die Dauer der Verpflichtung drei Jahre beträgt.562 – die Krankenhäuser Angermünde, Barnim und Prenzlau563 sowie Chemnitzer Land564 und Erlabrunn565, deren Stipendienbedingungen im Wesentlichen denen in Ingolstadt entsprechen. 558

Kliniken Nordoberpfalz, Förderprogramm Klinikstudent, https://www.klinikennordoberpfalz.de/karriere/foerderprogramm-klinikstudent/ (31. 8. 2016). 559 St. Franziskus-Hospital Winterberg, Medizinstipendium, http://www.gesundheitszentrum-winterberg.de/karriere-bildung/medizinstipendium/ (31. 8. 2016). 560 Arberland-Kliniken, Förderprogramm Arberland-Klinikstudent, http://www.kkhzwiesel.de/ (31. 8. 2016). 561 St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn, Stipendium für Medizinstudenten, http://www. vincenz.de/allg-informationen/bewerberinformationen/aerztliche-aus-und-weiterbildung/aerztli che-aus-und-weiterbildung.html (31. 8. 2016). 562 Klinikum Ingolstadt, Stipendien für Medizinstudenten, https://www.klinikum-ingol stadt.de/beruf-und-karriere/berufseinsteiger/studium/stipendium/ (31. 8. 2016). 563 Gesellschaft für Leben und Gesundheit, GLG Stipendium, http://www.glg-mbh.de/ index.php?id=657#c1339 (31. 8. 2016). 564 Diakoniekrankenhaus Chemnitzer Land, Möglichkeiten für Medizinstudenten, http:// www.krankenhaus-chemnitz-umland.de/ueber-das-krankenhaus/studium (31. 8. 2016).

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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– das Klinikum Bielefeld. Die Stipendienbedingungen sind ebenso ausgestaltet wie beim St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn. Zusätzlich vorgesehen ist eine Abstufung der Rückzahlungsverpflichtung in der Weise, dass für jeden abgeleisteten Monat Dienstzeit 1/24 der Rückzahlungssumme erlassen wird.566 – die HELIOS Kliniken Plauen567, Aue568, Hagen-Ambrock569, Hattingen-Holthausen570, Lengerich571, Oberhausen572 und Schwelm573. Das gewährte Stipendium ist jeweils zurückzuzahlen, wenn nach Studienabschluss keine Tätigkeit an der jeweiligen Klinik aufgenommen wird. Dabei ist beispielsweise in Schwelm die gesamte Fördersumme innerhalb eines Monats zurückzuzahlen, wenn der Stipendiat keine Beschäftigung in dem fördernden Krankenhaus antritt.

bb) Rechtliche Bewertungen (1) In einer Vielzahl von Fällen verwendete Regelungen Das Bundesarbeitsgericht misst von privaten Unternehmen geschlossene Ausbildungs- bzw. Studienkostenverträge – sofern die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB im Einzelfall erfüllt sind – in erster Linie am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere am Verbot von Bestimmungen, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benach565 Kliniken Erlabrunn, Stipendium für Medizinstudenten, http://www.erlabrunn.de/de/ Karriere/Stipendium_Medizinstudenten_1297.html (31. 8. 2016). 566 Klinikum Bielefeld, Stipendien für Medizinstudenten, http://www.klinikumbielefeld.de/ index.php/stipendien-fuer-medizinstudenten.html (31. 8. 2016). 567 HELIOS Vogtland Klinikum Plauen, Plauener Leistungsstipendium – Zur Förderung ärztlicher Nachwuchskräfte, http://www.helios-kliniken.de/klinik/plauen/karriere/medizinstudierende/plauener-leistungsstipendium.html (31. 8. 2016). 568 HELIOS Klinikum Aue, Auer Leistungsstipendium zur Förderung ärztlicher Nachwuchskräfte, http://www.helios-kliniken.de/fileadmin/user_upload/Helios-Klinken.de/Student_ bei_HELIOS/Bilder/Auer%20Leistungsstipendium.pdf (31. 8. 2016). 569 HELIOS Klinikum Hagen-Ambrock, Die Pneumologie braucht Nachwuchs – Das Stipendium-Programm der HELIOS Klinik Hagen-Ambrock, http://www.helios-kliniken.de/ klinik/hagen-ambrock/karriere/stipendium-programm.html (31. 8. 2016). 570 HELIOS Klinik Hattingen, Stipendium-Programm für Medizinstudenten, http://www. helios-kliniken.de/klinik/hattingen/karriere/medizinstudierende/stipendium-programm.html (31. 8. 2016). 571 HELIOS Klinikum Lengerich, Stipendiatenprogramm, http://www.helios-kliniken.de/fi leadmin/user_upload/Helios-Klinken.de/Student_bei_HELIOS/Flyer_8er_Stipendiaten_20122_ 01.pdf (31. 8. 2016). 572 HELIOS St. Elisabeth Klinik Oberhausen, Stipendiatenprogramm, http://www.helioskliniken.de/fileadmin/user_upload/Helios-Klinken.de/Oberhausen/Flyer/Stipendiatenpro gramm_Oberhausen_2013.pdf (31. 8. 2016). 573 HELIOS Klinikum Schwelm, Mit dem Studium schon Geld verdienen, http://www.heli os-kliniken.de/fileadmin/user_upload/Helios-Klinken.de/Schwelm/Flyer/Stipendiatenpro gramm_Schwelm.pdf (31. 8. 2016).

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

teiligen (§ 307 Abs. 1 BGB). Unangemessenheit in diesem Sinne liegt vor, wenn der Verwender in einer generellen und typisierenden Betrachtung nicht auch die Interessen seines Vertragspartners berücksichtigt und mit seinen eigenen zu einem angemessenen Ausgleich bringt, sondern versucht, seine eigenen Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen. In dieser Bewertung sind auch grundrechtlich geschützte Positionen zu berücksichtigen.574 Für die sich daraus ergebenden rechtlichen Maßstäbe für Rückforderungsklauseln unterscheidet das Bundesarbeitsgericht zwischen einerseits solchen Aus- und Fortbildungskosten, welche die Arbeitsmarktchancen des Arbeitnehmers deutlich erhöhen, und andererseits solchen, die einen Teil der im Interesse des Unternehmens liegenden Personalplanung und -entwicklung darstellen und später die von dem Arbeitnehmer erworbenen Kenntnisse für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens nutzbar machen sollen. Während im erstgenannten Fall die Kosten ohne Weiteres auf den Arbeitnehmer überwälzt werden dürfen, soweit dies in „wirtschaftlich angemessener Weise“ erfolgt,575 muss dieser der Rückzahlungspflicht im zweitgenannten Fall durch Betriebstreue entgehen können.576 Darüber hinaus ist in der zweiten Konstellation die Statuierung einer Rückzahlungspflicht des Auszubildenden oder Studierenden nicht interessengerecht, wenn keine Pflicht des Arbeitgebers zur späteren Beschäftigung des Auszubildenden vorgesehen ist577 oder das spätere Arbeitsverhältnis aus in der Risikosphäre des Arbeitgebers liegenden Gründen nicht zustande kommt oder vorzeitig endet. Hierzu zählen betriebsbedingte Kündigungen, durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers ausgelöste Kündigungen des Arbeitnehmers sowie die fehlende Bereitschaft oder Möglichkeit des Unternehmens, den Geförderten nach Abschluss der Ausbildung bzw. des Studiums ausbildungsadäquat im Unternehmen zu beschäftigen.578 Für die Dauer der Bindung an das Unternehmen zur Vermeidung der Rückzahlungsverpflichtung und der zulässigen Höhe der Rückzahlung greift die Recht-

574 BAG, Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 344/03 –, juris Rn. 68; Urt. vom 18. 3. 2008 – 9 AZR 186/07 –, juris Rn. 19; Urt. vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 717/07 –, juris Rn. 36; Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 192/07 –, juris Rn. 31; Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 312/07 –, juris Rn. 30; BGH, Urt. vom 17. 9. 2009 – III ZR 207/08 –, juris Rn. 18. 575 BAG, Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 192/07 –, juris Rn. 34; Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 312/07 –, juris Rn. 33. 576 BAG, Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 192/07 –, juris Rn. 35; Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 312/07 –, juris Rn. 33 f. 577 BAG, Urt. vom 18. 3. 2008 – 9 AZR 186/07 –, juris Rn. 25; LAG Schleswig-Holstein, Urt. vom 23. 5. 2007 – 3 Sa 28/07 –, juris Rn. 52; ArbG Hamburg, Urt. vom 3. 4. 2009 – 14 Ca 150/08 –, juris Rn. 36. 578 BAG, Urt. vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 537/00 –, juris Rn. 33; Urt. vom 11. 4. 2006 – 9 AZR 610/05 –, juris Rn. 27; Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 192/07 –, juris Rn. 35 f.; Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 312/07 –, juris Rn. 34 f.; Urt. vom 18. 3. 2014 – 9 AZR 545/12 –, juris Rn. 17 f.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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sprechung im Wesentlichen auf die für einzelvertragliche Regelungen entwickelten Grundsätze zurück.579 Bei der Rechtsmäßigkeitsprüfung von Rückzahlungsklauseln ist auch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB von besonderer Bedeutung: Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen Rückzahlungsklauseln deshalb die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen angeben. Zwar muss das die Rückzahlungsklausel verwendende Unternehmen die Ausbildungskosten nicht bereits bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung exakt der Höhe nach beziffern. Jedoch müssen die Angaben in der Vereinbarung selbst so beschaffen sein, dass der Auszubildende sein Rückzahlungsrisiko der Höhe nach abschätzen kann. Hierfür erforderlich ist zumindest die Angabe von Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten.580 Darüber hinaus müssen die Modalitäten der späteren Beschäftigung in dem Unternehmen, durch die der Geförderte seine Rückzahlungsverpflichtung abbauen kann, zumindest rahmenmäßig bestimmt sein.581 In Anbetracht dessen, dass das Bundesarbeitsgericht den Inhalt von Verträgen über die Ausbildungsförderung künftiger Arbeitskräfte eines Unternehmens den Grundsätzen unterstellt, die für bereits geschlossene Arbeitsverträge gelten,582 wird man auch für darin enthaltene Vertragsstrafeversprechen auf die Rechtsprechung zu Vertragsstrafeklauseln in Arbeitsverträgen rekurrieren können. Für die im Rahmen einer Landarztquote abgegebene Verpflichtungserklärung relevant sind dabei Regelungen, die den Arbeitnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichten, wenn er das Arbeitsverhältnis nicht antritt oder dieses ohne Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen löst oder durch schuldhaftes Verhalten den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung veranlasst. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht § 309 Nr. 6 BGB (der Grenzen für Vertragsstrafeversprechen in formularmäßig verwendeten Verträgen für den Fall formuliert, dass sich der Vertragspartner des Verwenders vom Vertrag löst) Vertragsstrafenklauseln in Arbeitsverträgen auch dann nicht generell entgegen, wenn es sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB sind bei der Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Eine solche Besonderheit bringt § 888 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck: Eine Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung der Pflicht von Diensten aus einem Dienstvertrag erfolgt nicht. Wegen des Fehlens der Möglichkeit, den vertraglichen Primäranspruch auf Erbringung der 579 Vgl. nur BGH, Urt. vom 17. 9. 2009 – III ZR 207/08 –, juris Rn. 19. Dazu auch unten E. I. 3. a) bb) (2), S. 151 ff. 580 BAG, Urt. vom 21. 8. 2012 – 3 AZR 698/10 –, juris Rn. 19. 581 BAG, Urt. vom 18. 3. 2008 – 9 AZR 186/07 –, juris Rn. 28. 582 BAG, Urt. vom 18. 11. 2008 – 3 AZR 312/07 –, juris Rn. 35.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Arbeitsleistung durchzusetzen, steht dem Arbeitgeber häufig allein die Vertragsstrafe zur Durchsetzung seines vertraglichen Anspruchs auf Arbeitsleistung zu Gebote.583 Allerdings gilt das Verbot von Bestimmungen, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, nach § 307 Abs. 1 BGB auch für Klauseln über Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen.584 Dabei liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nicht bereits in dem Vertragsstrafeversprechen als solchem, sichert es doch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an einer bruchlosen Erbringung seiner eigenen Leistungen gegenüber seinen Kunden sowie seine Personalplanung. Demgegenüber fehlt es in Abwesenheit besonderer Gründe an einem schützenswerten Interesse des Arbeitnehmers, die von ihm vertraglich übernommene Pflicht zur Arbeitsleistung nicht zu erfüllen.585 Jedoch kann sich die Unangemessenheit einer Vertragsstrafe aus einem Verstoß gegen das sog. Transparenzgebot586 ergeben, nach dem nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnet sein muss, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann,587 ebenso aus dem Umfang der erfassten Pflichtverletzungen oder der angesetzten Höhe der Vertragsstrafe: – Als wegen einer damit erfolgenden „Übersicherung“ problematisch angesehen wird die Absicherung aller vertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers durch die Vertragsstrafe. Maßgebend für einen Rechtsverstoß ist, ob dem Arbeitgeber auch andere Mittel zur Sanktionierung des vertragswidrigen Verhaltens zur Verfügung stehen. Nicht der Fall ist dies beispielsweise bei vorsätzlichen Vertragsbrüchen des Arbeitnehmers – hier besteht ein berechtigtes Interesse an der Verwendung des Instruments der Vertragsstrafe. Anderes gilt aber für ein schuldhaftes Verhalten, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages berechtigt. Hier „wird der Interessenausgleich in erster Linie durch die Möglichkeit der fristlosen Kündigung des Arbeitgebers herbeigeführt“, so dass „eine darüber hinausgehende Bestrafung des Arbeitnehmers durch die Vertragsstrafe (…) nur

583

BAG, Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 196/03 –, juris Rn. 49; Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 344/03 –, juris Rn. 61 ff.; Urt. vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 717/07 –, juris Rn. 42. 584 BAG, Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 196/03 –, juris Rn. 55; Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 344/03 –, juris Rn. 67; Urt. vom 21. 4. 2005 – 8 AZR 425/04 –, juris Rn. 25; Urt. vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 717/07 –, juris Rn. 44. 585 BAG, Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 196/03 –, juris Rn. 57 f.; Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 344/03 –, juris Rn. 69; Urt. vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 717/07 –, juris Rn. 45; Urt. vom 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08 –, juris Rn. 50. 586 Kritisch zur Reichweite der Rechtsprechung des BAG zum Transparenzgebot Natzel, SAE 2008, S. 277 (279). 587 BAG, Urt. vom 18. 8. 2005 – 8 AZR 65/05 –, juris Rn. 20; Maier/Mosig, NZA 2008, S. 1168 (1169 f.).

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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durch Verletzung weiterer schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein“ kann.588 – Für die Beurteilung der Angemessenheit der Höhe einer Vertragsstrafe am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB ist in typisierender Betrachtungsweise auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und einen beliebigen Arbeitnehmer, der als Adressat der Vertragsstrafe in Betracht kommt, abzustellen.589 Weiterhin kommt es darauf an, in welcher Höhe ein Schaden zu erwarten ist, wenn der Arbeitnehmer den durch die Vertragsstrafe gesicherten Pflichten zuwiderhandelt.590 Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei die Länge der ordentlichen Kündigungsfrist, bezeichnet sie doch den Zeitraum, innerhalb dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung erwarten kann.591 Für den Regelfall sieht die Rechtsprechung demnach eine Vertragsstrafe bis zur Höhe des Brutto-Monatsgehalts bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist als angemessen an,592 ohne dass eine generelle Höchstgrenze für Vertragsstrafen existieren würde.593 Ein über die ordentliche Kündigungsfrist hinausgehender Rahmen für die Berechnung der Vertragsstrafe am Maßstab des Brutto-Monatsgehalts kommt nur dann in Betracht, wenn das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung aufgrund besonderer Umstände typischerweise und generell übersteigt.594 Als weiterer Parameter ist schließlich die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in die Interessenabwägung einzustellen: Vertragsstrafen, die ein Monatseinkommen übersteigen, belasten Arbeitnehmer mit höheren Einkommen in ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ggf. auch nicht unzumutbar.595 (2) Einzelvertragliche Abreden Handelt es sich bei den betreffenden Vertragsbestimmungen nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern um einzelvertragliche Abreden, so zieht die Rechtsprechung als Maßstab den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB heran.596 Danach

588

BAG, Urt. vom 21. 4. 2005 – 8 AZR 425/04 –, juris Rn. 33. BAG, Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 196/03 –, juris Rn. 60; Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 344/03 –, juris Rn. 71; Urt. vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 717/07 –, juris Rn. 59. 590 BAG, Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 196/03 –, juris Rn. 60. 591 BAG, Urt. vom 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08 –, juris Rn. 53. 592 BAG, Urt. vom 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08 –, juris Rn. 54. 593 BAG, Urt. vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 717/07 –, juris Rn. 59. 594 BAG, Urt. vom 4. 3. 2004 – 8 AZR 196/03 –, juris Rn. 62; Urt. vom 18. 12. 2008 – 8 AZR 81/08 –, juris Rn. 54. 595 BAG, Urt. vom 25. 9. 2008 – 8 AZR 717/07 –, juris Rn. 59. 596 BAG Urt. vom 25. 4. 2001 – 5 AZR 509/99 –, juris Rn. 49. 589

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

„sind Verträge über die Rückzahlung der Aus- oder Fortbildungskosten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer grundsätzlich zulässig. Ausnahmsweise können derartige Zahlungsverpflichtungen wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt einer – auch an der Grundrechtsposition des Arbeitgebers gemessen – übermäßigen Beeinträchtigung des Grundrechts des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG), unwirksam sein. Eine Rückzahlungsverpflichtung muß bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Der Arbeitnehmer muß mit der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß dem Arbeitnehmer die Erstattungspflicht zuzumuten sein. Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln.“597.

Eine angemessene Gegenleistung, die eine Rückzahlungsverpflichtung dem Grunde nach rechtfertigt, liegt insbesondere in der Erlangung eines geldwerten Vorteils in Gestalt einer Ausbildung, die dem Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich seines bisherigen Arbeitgebers berufliche Möglichkeiten eröffnet, die ihm zuvor verschlossen waren, vor allem eines anerkannten Hochschulabschlusses.598 In diesem Fall ist das Interesse des fördernden Unternehmens, die von dem Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für das Unternehmen nutzen zu können, berechtigt und rechtfertigt eine Rückforderung der gewährten Förderung, wenn der Geförderte diesem erkennbaren Interesse zuwiderhandelt.599 Die zulässige Bindungsdauer nach Ende der Ausbildung bemisst sich nach der Höhe der von dem Unternehmen für die Ausbildung getätigten Aufwendungen und dem Ausmaß, in dem sich die beruflichen Chancen des Geförderten infolge der Ausbildung erhöht haben.600 Ein Indikator hierfür ist nach der Rechtsprechung die Dauer der Ausbildung. Das Bundesarbeitsgericht hat hieraus für den Regelfall geltende Relationen zwischen Ausbildungs- und Bindungsdauer entwickelt:601

597

BAG, Urt. vom 25. 4. 2001 – 5 AZR 509/99 –, juris Rn. 49. Ebenso BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris Rn. 46; Urt. vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 537/00 –, juris Rn. 28; BGH, Urt. vom 5. 6. 1984 – VI ZR 279/82 –, juris Rn. 8 f. Zur Heranziehung von Art. 12 Abs. 1 GG als Maßstab eingehend Staudinger, Einzelvertragliche Rückzahlungsklauseln bei Ausbildungskosten, 1999, S. 191 ff., sowie – auch zur Notwendigkeit des Ausgleichs mit dem Grundrecht des Arbeitgebers aus Art. 14 Abs. 1 GG – Hergenröder, Das Spannungsverhältnis von Art 12 GG und Art. 14 GG im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in: Häuser/ Hammen/Hennrichs et al. (Hrsg.), Festschrift für Walther Hadding zum 70. Geburtstag, 2004, S. 81 ff. 598 BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris Rn. 62; Urt. vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 537/00 –, juris Rn. 30. 599 BAG, Urt. vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 537/00 –, juris Rn. 32. 600 BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris Rn. 64; BGH, Urt. vom 5. 6. 1984 – VI ZR 279/82 –, juris Rn. 15. 601 BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris Rn. 64.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument Ausbildungsdauer

Maximale Bindungsdauer

bis zu 2 Monate

1 Jahr

6 Monate bis 1 Jahr

3 Jahre

mehr als 2 Jahre

5 Jahre

153

An diesen Maßstäben gemessen hat das Bundesarbeitsgericht die Übernahme der Verpflichtung zu einer mindestens zweijährigen602 oder dreijährigen603 Tätigkeit in dem die Ausbildung bzw. das Studium fördernden Unternehmen nach einem dreijährigen Studium als verhältnismäßig angesehen. Allerdings können im Einzelfall auch kürzere Bindungsdauern geboten bzw. längere Bindungsdauern zulässig sein.604 Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die beruflichen Chancen des Ausgebildeten infolge der Ausbildung nur begrenzt605 bzw. in besonderem Maße erhöht haben606. Der Höhe nach ist die Rückzahlungsverpflichtung in zweierlei Richtung begrenzt: zum einen durch die vom Unternehmen tatsächlich aufgewendeten Kosten und zum anderen durch den vereinbarten Rückzahlungsbetrag, selbst wenn dieser unter den tatsächlich angefallenen Ausbildungskosten liegen sollte. Darüber hinaus besteht eine Abhängigkeit der zulässigen Höhe des Rückzahlungsbetrags von der Bindungsdauer, so dass ggf. eine Staffelung vorzusehen ist.607 Dem Geförderten im Einzelfall unzumutbar ist ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seiner Rückzahlungspflicht grundsätzlich nur aus den von der Rechtsprechung zu den Fällen fehlender Interessengerechtigkeit einer Rückzahlungspflicht des Auszubildenden oder Studierenden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelten Gründen.608 Als für den Auszubildenden am Maßstab des § 242 BGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht mehr tragbare Belastung hat die Rechtsprechung es angesehen, dass in der vertraglichen Verpflichtung das Unternehmen, in dem der Auszubildende später zur Vermeidung der Rückzahlungsverpflichtung tätig werden muss, nicht definiert ist, sondern der Auszubildende auch eine zumutbare Tätigkeit in einem anderen Unternehmen akzeptieren muss, ohne dass für ihn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar ist, um welches Unternehmen es sich handelt, an

602

BAG, Urt. vom 25. 4. 2001 – 5 AZR 509/99 –, juris Rn. 52. BAG, Urt. vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 537/00 –, juris Rn. 31. 604 Straube, NZA-RR 2012, S. 505 (505). 605 Vgl. die BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris Rn. 81 ff. zugrunde liegende Konstellation. 606 BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris Rn. 65. 607 BAG, Urt. vom 16. 3. 1994 – 5 AZR 339/92 –, juris Rn. 66; Urt. vom 26. 10. 1994 – 5 AZR 390/92 –, juris Rn. 45. Zusammenfassend Dorth, RdA 2013, S. 287 (296). 608 Vgl. BAG, Urt. vom 5. 12. 2002 – 6 AZR 537/00 –, juris Rn. 33. 603

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

welchem Ort der Geförderte später tätig werden und unter welchen konkreten Umständen die Beschäftigung ausgeübt werden soll.609 Einzelvertragliche Abreden für eine Vertragsstrafe in Arbeitsverträgen hat das Bundesarbeitsgericht für gemäß § 339 BGB grundsätzlich zulässig erachtet.610 b) Übernahme von Ausbildungs- bzw. Studienkosten durch öffentliche Stellen aa) Ausgestaltung (1) Medizinstudium Als Anwendungsszenario für die Gewährung eines Stipendiums durch öffentliche Stellen an Medizinstudierende, das an die Erwartung geknüpft ist, der Geförderte werde nach Abschluss des Studiums eine bestimmte Tätigkeit aufnehmen611, lässt sich folgendes Beispiel für den öffentlichen Gesundheitsdienst nennen: – Gewährung eines staatlichen Ausbildungsdarlehens für ein Medizinstudium & Abschluss eines Vertrages mit dem Geförderten, in dem er sich zu mindestens achtjähriger Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst nach der Approbation verpflichtet & Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens zzgl. einer Vertragsstrafe in Höhe von 50 % des zurückzuzahlenden Darlehens bei endgültigem Nichtbestehen von Prüfungen oder Nichterfüllung der vollen Verpflichtungszeit im öffentlichen Gesundheitsdienst aus anderen Gründen & Wegfall der Pflicht zur Rückzahlung bei Verzicht des Landes auf Verwendung im öffentlichen Gesundheitsdienst & Pflicht zur Darlehensrückzahlung, aber nicht zur Entrichtung der Vertragsstrafe bei endgültigem Nichtbestehen notwendiger Prüfungen.612 – Ergebnis: zulässig. (2) Andere Ausbildungen oder Studien Einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen lassen sich paradigmatisch folgende Beispiele für Rückzahlungsverpflichtungen von öffentlichen Stellen getragener Ausbildungs- bzw. Studienkosten außerhalb des medizinischen Bereichs entnehmen: – Beispiel 1: Pflicht zur Abgabe einer Erklärung zur Rückzahlbarkeit der Kosten einer dreijährigen Ausbildung im Vorbereitungsdienst bei nicht mindestens dreijährigem Verbleib im öffentlichen Dienst nach Beendigung der Ausbildung & 609

LAG Niedersachsen, Urt. vom 15. 6. 2001 – 16 Sa 2085/00 –, juris Rn. 47. Ähnlich LAG Schleswig-Holstein, Urt. vom 23. 5. 2007 – 3 Sa 28/07 –, juris Rn. 53. 610 Vgl. etwa BAG, Urt. vom 23. 6. 1982 – 5 AZR 168/80 –, juris Rn. 12 ff. 611 Zum Sonderfall der Stipendiengewährung zur Förderung einer späteren Tätigkeit in einer unterversorgten Region ausführlich unten E. I. 3. e), S. 171 ff. 612 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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gestaffelte Höhe der Rückzahlungsverpflichtung in Abhängigkeit von der Dauer der Dienstzeit & Wegfall der Erstattungspflicht bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses.613 – Ergebnis: Unzulässig, da mit Zweck des Vorbereitungsdienstes unvereinbar. – Beispiel 2: Annahme eines Auszubildenden als „Fernmeldeaspirant“ für die Zeit des Besuchs einer Ingenieurschule mit geplanter anschließender Übernahme in das Beamtenverhältnis & Übernahme der Studienkosten und Zahlung einer Vergütung durch die Behörde & Rückzahlungsverpflichtung bei freiwilligem oder vorsätzlich veranlasstem Ausscheiden innerhalb von fünf Jahren nach Anstellung als planmäßiger Beamter.614 – Ergebnis: zulässig. – Beispiel 3: Vertrag über Gewährung einer Beihilfe für die Durchführung eines Studiums & Verpflichtung zur Leistung von mindestens acht Jahren Dienst in der Bundeswehr nach Abschluss des Studiums & Pflicht zur Rückzahlung der Studienbeihilfe bei Ausscheiden vor Ablauf von acht Jahren.615 – Ergebnis: zulässig.

bb) Rechtliche Bewertungen Die Rechtsprechung hat ein grundsätzliches Bedürfnis öffentlich-rechtlicher Dienstherrn anerkannt, gewährte Ausbildungs- oder Studienförderungsmittel zurückzufordern.616 Während die Ausbildung als solche allein Vorteile für den Auszubildenden zeitigt – insbesondere dann, wenn die erlangte Ausbildung auch eine Tätigkeit in der Privatwirtschaft ermöglicht – erweist sie sich für die öffentliche Stelle erst dann als nutzbringend, wenn der Geförderte seine Arbeitskraft nach Beendigung der Ausbildung zumindest noch eine gewisse Zeit der öffentlichen Stelle zur Verfügung stellt.617 Das Bundesverwaltungsgericht hat Verträge, nach denen die Auszubildenden entscheiden können, ob sie nach Ende der Ausbildung für die vertraglich vorgesehene Zeit bei der fördernden öffentlichen Stelle tätig werden oder ob sie den Arbeitgeber wechseln und in diesem Fall die Ausbildungskosten und empfangene Unterstützungsleistungen zurückzahlen müssen, nicht als Ausdruck einer zwingenden „Betriebstreue“ des Betreffenden interpretiert, sondern die ihm damit eingeräumte Wahlfreiheit betont.618 613

BVerwG, Urt. vom 23. 3. 1977 – VI C 8.74 –, juris. BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris. 615 OVG Bremen, Urt. vom 13. 3. 1979 – I BA 75/76 –, juris. 616 BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris Rn. 42; Urt. vom 25. 10. 1979 – II C 37.74 –, juris Rn. 24; VGH Mannheim VBlBW 1984, S. 377 (378). 617 BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris Rn 44; Urt. vom 25. 10. 1979 – II C 37.74 –, juris Rn. 24; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 21; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 20; VGH Mannheim VBlBW 1984, S. 377 (378). 618 BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris Rn. 38; Urt. vom 25. 10. 1979 – II C 37.74 –, juris Rn. 24. 614

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In Anbetracht dessen wird es als im Regelfall (auch unter Berücksichtigung des Grundrechts des Auszubildenden aus Art. 12 Abs. 1 GG) berechtigt angesehen, dass die öffentliche Stelle den zur Förderung gewährten Betrag zurückfordert, wenn der Geförderte nach Abschluss der Ausbildung keine verwertbare Gegenleistung erbringt.619 Einer Prüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG bedarf es erst dann, „wenn die zurückzuerstattenden Zuwendungen eine solche Höhe erreicht haben, daß der Betroffene hierdurch von der Möglichkeit der Rückerstattung aus faktischen Gründen auf die Alternativleistung der ,Betriebstreue‘ abgedrängt wurde“620 oder die Erstattung dem Betroffenen aus anderen Gründen unzumutbar ist und keinem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entspricht621. Die Länge der Bindungsdauer darf jedenfalls dem Zeitraum der geförderten Ausbildung entsprechen,622 ohne dass sich daraus eine allgemeingültige Obergrenze ergeben würde.623 Ebenso wenig ist eine Bindungsdauer von fünf Jahren als pauschale Obergrenze anzusehen.624 So hat die Rechtsprechung etwa eine achtjährige Bindungsdauer nach sechsjähriger Studienförderung unbeanstandet gelassen625 und eine Bindung, deren Dauer das Eineinhalbfache der Förderungsdauer erreicht, für zulässig erachtet626. Grundsätzlich ist die empfangene Studienförderung in voller Höhe zurückzuzahlen, wenn ein Rückforderungstatbestand eintritt. Es besteht keine Pflicht, den zurückzuzahlenden Betrag danach abzustufen, wie lange der Geförderte die in dem Vertrag nach Abschluss der Ausbildung bzw. Studiums vorgesehene Tätigkeit schon ausgeübt hat.627 Denn eine solche Abstufung würde die mittelfristige Bedarfs- und Personalplanung der fördernden öffentlichen Stelle, die sie mit der an das Studium anschließenden Verpflichtung gerade sicherstellen will, von Entscheidungen der Geförderten darüber abhängig machen, wann ihnen die Erfüllung der abgestuften Rückzahlungsverpflichtung leistbar und opportun erscheint. Um gleichwohl den zu sichernden Bedarf decken zu können, wäre die fördernde Stelle dann gezwungen, zusätzliche Bewerber zu finanzieren – mit dem Risiko der Förderung über den Bedarf hinaus.628 619 BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris Rn. 44; Urt. vom 7. 5. 1981 – 2 C 31/ 79 –, juris Rn. 48 f.; OVG Münster, Urt. vom 24. 5. 1984 – 12 A 2151/82 –, UA S. 7. 620 BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris Rn. 43; OVG Bremen, Urt. vom 13. 3. 1979 – I BA 75/76 –, juris Rn. 27. 621 BVerwG, Urt. vom 25. 10. 1979 – II C 37.74 –, juris Rn. 25; OVG Koblenz, Beschl. vom 4. 4. 2002 – 10 A 11725/01 –, juris Rn. 7. 622 BVerwG, Urt. vom 27. 6. 1968 – II C 70.67 –, juris Rn. 45. 623 BVerwG, Urt. vom 25. 10. 1979 – II C 37.74 –, juris Rn. 32. 624 BVerwG, Urt. vom 25. 10. 1979 – II C 37.74 –, juris Rn. 31. 625 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 29; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 26. 626 OVG Bremen, Urt. vom 13. 3. 1979 – I BA 75/76 –, juris Rn. 33. 627 OVG Koblenz, Beschl. vom 4. 4. 2002 – 10 A 11725/01 –, juris Rn. 9. 628 OVG Koblenz, Beschl. vom 4. 4. 2002 – 10 A 11725/01 –, juris Rn. 13.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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Zulässig ist auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zusätzlich zur Rückzahlung eines gewährten Ausbildungs- oder Studiendarlehens für den Fall, dass der Geförderte nicht wie vertraglich vereinbart nach Abschluss der Ausbildung bzw. des Studiums für eine vorgesehene Mindestzeit eine bestimmte Tätigkeit ausübt.629 Dies gilt auch für Vertragsstrafen in öffentlich-rechtlichen Verträgen.630 Insbesondere beim Abschluss von Studienförderungsverträgen zur Sicherung des ärztlichen Nachwuchses in einem bestimmten Bereich kann eine Vertragsstrafe einen angemessenen Interessenausgleich zwischen förderndem Land und Studienbewerber herbeiführen.631 Jedenfalls in öffentlich-rechtlichen Verträgen vereinbarte Vertragsstrafen unterliegen in ihrer zulässigen Höhe den Anforderungen des Gebots der Verhältnismäßigkeit.632 Unbeachtlich ist insoweit die Gesamthöhe der Summe aus Darlehensrückzahlung und verwirkter Vertragsstrafe.633 Soweit die Höhe der Vertragsstrafe zur Sicherung des Vertragszwecks erforderlich und angemessen ist, genügt sie grundsätzlich dem Verhältnismäßigkeitsgebot.634 Sie muss für den geförderten Vertragspartner fühlbar sein, um ihn zu dem vereinbarten Verhalten anzuhalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Förderung in einem Studiengang erfolgt, der wie das Medizinstudium eine auch außerhalb des öffentlichen Dienstes besonders gut verwertbare Ausbildung ermöglicht und strengen Zulassungsbeschränkungen unterliegt.635 Unzulässig sind vertragliche Abreden, die eine Verwirkung der Vertragsstrafe auch für den Fall vorsehen, dass der Geförderte die im Vertrag vorgesehene Tätigkeit aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen nicht leisten kann, insbesondere weil die öffentliche Stelle einen entsprechenden Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stellen kann.636

629

BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 23; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 21; OVG Münster, Urt. vom 24. 5. 1984 – 12 A 2151/82 –, UA S. 4. Ablehnend Deumeland, PharmaR 1985, S. 141 (142). 630 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 25; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 23; Koch (Fn. 437), S. 142; Pabst, NWVBl 2005, S. 369 (370). 631 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 26; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 24. 632 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 32, 35; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/85 –, juris Rn. 29; VGH Mannheim VBlBW 1984, S. 377 (379). 633 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 32; Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 29. 634 BVerwG, Urt. von 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 32; Urt. von 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 29. 635 BVerwG, Urt. von 6. 3. 1986 – 2 C 19/84 –, juris Rn. 32; Urt. von 6. 3. 1986 – 2 C 41/ 85 –, juris Rn. 29. 636 OVG Münster, Urt. von 20. 11. 1989 – 12 A 555/87 –, juris Rn. 10.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

c) Vorabquoten für eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst aa) Ausgestaltung und Ergebnisse In verschiedenen Ländern sind Bewerber über eine Vorabquote für eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst zugelassen worden. In welchen Ländern auf welcher Grundlage Zulassungen zum Medizinstudium über eine solche Quote erfolgt sind und wie in diesen Ländern das Auswahlverfahren ausgestaltet war bzw. ist, ist Gegenstand der folgenden Darstellung. Sie fußt auf einer Recherche über Datenbanken, der Auswertung einschlägiger Gerichtsentscheidungen sowie einer Erhebung bei den für den öffentlichen Gesundheitsdienst zuständigen Referaten in den betreffenden Landesministerien. Es hat sich als nicht möglich erwiesen, herauszufinden, wie viele Studierende aufgrund der Quote für den öffentlichen Gesundheitsdienst zum Medizinstudium zugelassen wurden und wie viele davon später im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig geworden sind. Statistische Daten zur Ermittlung einer solchen Erfolgsquote existieren – mit im folgenden Text wiedergegebenen seltenen und partiellen Ausnahmen – nicht. Eine eigene quantitative Erhebung mittels standardisierter Fragebögen scheiterte am mittlerweile sehr großen zeitlichen Abstand zu den Zulassungen aufgrund von Vorabquoten für den öffentlichen Gesundheitsdienst und der Unmöglichkeit der Rekonstruktion aufgrund nicht mehr vorhandener Unterlagen. Entsprechendes gilt für die Ermittlung der Kriterien, die der Auswahl der schließlich zum Medizinstudium zugelassenen Bewerber zugrunde gelegt worden sind. Sie ließen sich in ihren Grundzügen lediglich noch für das Land Hessen ermitteln. (1) Verwendung einer Vorabquote in den Ländern und Ausgestaltung Soweit ersichtlich findet in keinem Land mehr eine Vorabquote bei der Zulassung zum Medizinstudium für eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst Verwendung. In den Hochschulzulassungsverordnungen der Länder ist als besonderer öffentlicher Bedarf nur der Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr637 benannt (vgl. nur § 5 VergabeVO NRW), für den Vorabquoten festgesetzt werden (vgl. nur § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VergabeVO NRW). Art. 11 Abs. 6 Nr. 2 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 20. 12. 1972 hatte vorgesehen, dass die Länder eine bestimmte Vorabquote der Medizinstudienplätze Bewerbern, die sich nach den maßgeblichen Landesvorschriften für den öffentlichen Gesundheitsdienst verpflichten, vorbehalten konnten.

637

Dazu E. I. 3. d), S. 164 ff.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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In folgenden Bundesländern sind Vorabquoten für den öffentlichen Gesundheitsdienst verwendet worden:638 (a) Baden-Württemberg Die Auswahl von Bewerbern zur Vergabe von Medizinstudienplätzen im Rahmen einer Vorabquote für den öffentlichen Gesundheitsdienst erfolgte in Baden-Württemberg auf der Grundlage einer Bekanntmachung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung über die Bewerbung für den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Vergabe von Studienplätzen vom 30. 4. 1976. Land und Bewerber haben einen Vertrag geschlossen, in dem sich das Land verpflichtete, den Betreffenden der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen für die Zuweisung eines Medizinstudienplatzes zu benennen. Der Bewerber ging dafür die Verpflichtung ein, nach Abschluss des Studiums mindestens 10 Jahre als vollbeschäftigter Arzt im öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Baden-Württemberg an einem vom Dienstherrn zu bestimmenden Ort tätig zu sein. Für den Fall der Verletzung dieser Verpflichtung war eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 DM stipuliert, die sich für jedes im öffentlichen Gesundheitsdienst abgeleistete Jahr anteilsmäßig verringerte.639 (b) Bayern In Bayern konnten sich Bewerber für das Medizinstudium gegenüber dem Freistaat vertraglich verpflichten, sich nach Abschluss des Studiums zum Amtsarzt ausbilden zu lassen und nach Abschluss der Ausbildung mindestens 10 Jahre als vollbeschäftigter Arzt in Einrichtungen und an Orten tätig zu sein, die die zuständige Behörde bestimmt. Eine Beschränkung auf bestimmte Dienststellen sahen die Verträge nicht vor. Das zuständige bayerische Staatsministerium verpflichtete sich im Gegenzug zur Benennung des Betreffenden zur Zuteilung eines der öffentlichen Gesundheitsverwaltung vorbehaltenen Studienplatzes im Studiengang Medizin. Für den Fall des Ausscheidens aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst vor Ablauf der

638 Ausweislich der Auskunft der zuständigen Ministerien gab und gibt es keine Vorabquoten für eine spätere Verwendung im öffentlichen Gesundheitsdienst in Brandenburg, Bremen, der Freien und Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. In Sachsen sieht allerdings der Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Freistaat Sachsen (CDU Landesverband Sachsen/SPD Landesverband Sachsen, Sachsens Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag 2014 bis 2019 zwischen der CDU Sachsen und der SPD Sachsen, S. 59) die Prüfung der Möglichkeiten der Reservierung eines bestimmten Anteils an Studienplätzen für den öffentlichen Gesundheitsdienst vor. Das Land Berlin hat keine Informationen zur Verfügung gestellt. 639 Vgl. den in VGH Mannheim, DÖD 1986, S. 65, mitgeteilten Sachverhalt.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

10 Jahre wurde beispielsweise in Ende der 1970er Jahre geschlossenen Verträgen eine Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 DM vereinbart.640 (c) Hessen Hessen behielt seit Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts bis zu 2 % der Medizinstudienplätze im Wege einer Vorabquote Bewerbern vor, die sich verpflichteten, nach Abschluss des Studiums in den öffentlichen Gesundheitsdienst einzutreten. Rechtsgrundlage war die Landesverordnung zur Durchführung des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen vom 27. 5. 1980641 (bzw. die jeweilige Vorgängernorm): Sie sah den Vorwegabzug von 2 % der festgesetzten Zulassungszahlen je Studienort vor.642 Die Einzelheiten der Vergabe der im Rahmen der Vorabquote vorbehaltenen Studienplätze waren in Anlage 7 zu der genannten Verordnung „Vergabe von Studienplätzen für das öffentliche Gesundheitswesen“ sowie in den Richtlinien des Sozialministeriums zur Ausführung dieser Anlage geregelt. Die Auswahl der Bewerber erfolgte durch den Leiter des Landesprüfungsamts für Heilberufe nach persönlicher Vorstellung des Antragstellenden vor einer Auswahlkommission. Diese bestand aus drei vom zuständigen Ministerium berufenen Mitgliedern des höheren Dienstes, von denen ein Mitglied Arzt des öffentlichen Gesundheitsdienstes sein musste. Fakultativ vorgesehen war die Beratung der Kommission durch einen Psychologen (Nr. 3.1 und 3.2 der Anlage 7). In der Praxis wurde regelmäßig eine psychodiagnostische Untersuchung durch einen Fachpsychologen durchgeführt, die der Erfassung der Persönlichkeitsstruktur des Bewerbers diente und sich auf Leistungsmotivation, Durchsetzungsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Motivation zur Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst erstreckte.643 Das Ergebnis dieser psychodiagnostischen Untersuchung bildete zusammen mit dem Abiturzeugnis die Grundlage für die Auswahl der Bewerber. Bewerber „mit Wohnort außerhalb Hessens, mit negativ beurteilten psychologischen Tests und schlechter Abiturnote wurden vom Auswahlverfahren zurückgestellt“644. Die verbliebenen Bewerber wurden der Auswahlkommission vorgestellt. Aufgabe der Kommission war die Begutachtung der Eignung und Bereitschaft des Bewerbers für die Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitswesen (Nr. 3.3 der Anlage 7) und die endgültige Auswahl „nach persönlichem Eindruck“645. Die Meldung einer positiv begutachteten Person gegenüber der Zentralstelle für die Vergabe von 640 Vgl. die in VGH München, Beschl. vom 3. 8. 1988 – 3 B 87.01931 –, UA S. 2 ff., und BFH, Urt. vom 22. 6. 2006 – VI R 5/03 –, juris Rn. 2 f., sowie FG München, Urt. vom 29. 11. 2002 – 13 K 5356/99 –, juris Rn. 4, mitgeteilten Sachverhalte. 641 GVBl. I 1980, S. 163. 642 Hess.LT-Drucks. 9/6868. 643 Hess.LT-Drucks. 9/6868, S. 2. 644 Hess.LT-Drucks. 9/6868, S. 2. 645 Hess.LT-Drucks. 9/6868, S. 2.

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Studienplätzen setzte den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Bewerber und dem Land Hessen vor Aufnahme des Studiums voraus, in dem sich der Betreffende u. a. zu einer mindestens achtjährigen Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Hessen verpflichten musste (Nr. 5.1 und 5.2 der Anlage 7). Der vor Aufnahme des Studiums zu schließende Vertrag enthielt auch eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 DM für den Fall, dass der Betreffende die Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst nicht antrat oder sie vor Ablauf der acht Jahre beendete. Für jedes im öffentlichen Gesundheitsdienst abgeleistete Jahr verminderte sich die Vertragsstrafe um 3.000 DM.646 (d) Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen verwendete in den 1970er Jahren Verträge, in denen sich das Land verpflichtete, dem Bewerber einen Medizinstudienplatz aus dem Kontingent für Bewerber für den öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus gewährte das Land dem Betreffenden für die Dauer des Studiums ein Ausbildungsdarlehen. Im Gegenzug verpflichte sich der Bewerber, nach Abschluss des Studiums mindestens acht Jahre im öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes zu arbeiten. Für den Fall des Verstoßes gegen diese Pflicht sah der Vertrag vor, dass das Ausbildungsdarlehen mit einem Zuschlag von 50 % (für die ungerechtfertigte Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und Ausbildungskapazitäten) innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden zurückzuzahlen war. Der volle Betrag war in jedem Fall bei Ausscheiden innerhalb der ersten fünf Jahre zu erstatten. Bei einem späteren Ausscheiden konnte das Land auf Antrag einen nach Dauer der Tätigkeit im öffentlichen Dienst gestaffelten Teil des Erstattungsbetrags erlassen (bei Ausscheiden im sechsten Jahr 20 %, im siebten Jahr 50 %, im achten Jahr 80 %).647 (e) Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz wurden in den 1970er Jahren – nach Auskunft des zuständigen Ministeriums zwischen ca. 1973 und 1982 – Verträge geschlossen, durch die sich das Land Rheinland-Pfalz verpflichtete, dem Bewerber einen Medizinstudienplatz zur Verfügung zu stellen. Hiervon erfasst waren 2 % der Studienplätze. Zusätzlich erhielt der Betreffende als Regierungsmedizinalpraktikant eine Ausbildungsbeihilfe. Korrespondierend verpflichtete sich der Betreffende zu einer mindestens achtjährigen Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst nach Abschluss der Ausbildung. Trat er die Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst nicht an, so musste er die erhaltene

646

Vgl. den in VG Frankfurt, Urt. vom 26. 4. 2001 – 1 E 570/99 –, juris Rn. 1, mitgeteilten Sachverhalt. 647 Vgl. den in OVG Münster, Urt. vom 24. 5. 1984 – 12 A 2151/82 –, UA S. 1 f., mitgeteilten Sachverhalt.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Ausbildungsbeihilfe mit einem Zuschlag von 80 % innerhalb von drei Monaten zurückzahlen.648 (f) Saarland Nach Auskunft des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Saarlandes bestand auch im Saarland eine den vorgenannten Ländern ähnliche Regelung. (2) Zulassungszahlen Hessen vergab ab 1974 jährlich zwischen 24 und 26 Studienplätze der Humanmedizin unter Nutzung der Vorabquote an Bewerber, die sich verpflichteten, später im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig zu werden. Bis zum Jahre 1983 besetzte das Land auf diesem Wege insgesamt 170 Medizinstudienplätze sowie 48 Studienplätze in der Zahnmedizin. Von diesen insgesamt 218 Studierenden lösten 7 den geschlossenen Vertrag während des Studiums auf oder bestanden Prüfungen endgültig nicht.649 In Rheinland-Pfalz verpflichteten sich zwischen 1973 und 1982 insgesamt 135 Bewerber zu einer späteren Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst. Zwar traten nicht alle ihren Dienst an;650 jedoch ist der genaue Anteil nicht mehr ermittelbar. bb) Rechtliche Bewertungen Die Rechtsprechung bewertet die mit im Rahmen der Vorabquote zum Medizinstudium zugelassenen Bewerbern geschlossenen Verträge als dem öffentlichen Recht unterstehend, da sie sich auf die Sicherung des Beamtennachwuchses für den öffentlichen Gesundheitsdienst beziehen.651 Eine Verpflichtung zu mehrjähriger Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst wird als mit dem Grundrecht der Bewerber auf freie Wahl des Arbeitsplatzes aus Art. 12 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Verhältnismäßigkeit vereinbar angesehen.652 Als Orientierungspunkt für die zulässige Bindungsdauer dient die doppelte Zeit der ermöglichten Ausbildung,653 so dass für den öffentlichen 648

Vgl. den in OVG Koblenz ZBR 1986, S. 369, mitgeteilten Sachverhalt. Hess.LT-Drucks. 9/6868, S. 2. 650 Auskunft des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie vom 2. 10. 2015. 651 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/85 –, juris Rn. 20. 652 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/85 –, juris Rn. 26; VGH Mannheim DÖD 1986, S. 65 (66); VG Frankfurt, Urt. vom 26. 4. 2001 – 1 E 570/99 –, juris Rn. 19. 653 VGH Mannheim DÖD 1986, S. 65 (66); VGH München, Beschl. vom 3. 8. 1988 – 3 B 87.01931 –, UA S. 8. 649

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Gesundheitsdienst achtjährige und zehnjährige Verpflichtungszeiten als nicht zu beanstanden bezeichnet wurden.654 Die Rechtsprechung hat das Land, das den Betreffenden für den Medizinstudienplatz benannt hat, bei Fehlen einer anderweitigen vertraglichen Regelung (wie es sie z. B. in Bayern gab) nicht für verpflichtet angesehen, ihm nach Studienabschluss eine Stelle zu benennen, auf der er tätig werden soll. Vielmehr nahm sie einen Verstoß gegen die vertragliche Verpflichtung zur Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst schon dann an, wenn der Betreffende sich nicht selbst um eine Stelle im öffentlichen Gesundheitsdienst des jeweiligen Landes bemüht hatte.655 Das Verdikt der Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 BGB kann über derartige Verträge nicht unter dem Gesichtspunkt gesprochen werden, dass eine Zwangslage des Bewerbers ausgenutzt worden sein könnte. Der Betreffende wird zu keiner von ihm nicht geschuldeten Leistung gezwungen, sondern es wird ihm lediglich ein Weg aufgezeigt, auf dem er früher als im regulären Zulassungsverfahren einen Studienplatz erhalten kann.656 Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zur Durchsetzung der Verpflichtung aus dem geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag stuft die Rechtsprechung als zulässig ein.657 Dass die Vertragsstrafe hier nicht dem Ausgleich der Parteien nach einer fehlgeschlagenen Vertragsbeziehung dient, sondern der Strafzweck im Vordergrund steht, ändert daran nichts.658 Die Höhe der Vertragsstrafe findet ihre Grenze am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.659 Da die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtung des Bewerbers nicht anders durchgesetzt werden kann, sieht die Rechtsprechung den zu sichernden Zweck als nur durch die Vereinbarung einer fühlbaren Vertragsstrafe erreichbar an. Dies gilt umso mehr, als es sich um eine außerhalb des öffentlichen Dienstes besonders gut verwertbare Ausbildung handelt und der Bewerber aufgrund des besonderen Vergabeverfahrens der Vorabquote früher mit dem Medizinstudium beginnen konnte.660 An diesem Maßstab gemessen ist eine Ver654 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/85 –, juris Rn. 26; OVG Koblenz ZBR 1986, S. 369 (371); OVG Münster, Urt. vom 19. 1. 1995 – 6 A 3837/93 –, UA S. 13; VG Frankfurt, Urt. vom 26. 4. 2001 – 1 E 570/99 –, juris Rn. 19: acht Jahre. VGH Mannheim DÖD 1986, S. 65 (66); VGH München, Beschl. vom 3. 8. 1988 – 3 B 87.01931 –, UA S. 8: zehn Jahre. 655 OVG Münster, Urt. vom 19. 1. 1995 – 6 A 3837/93 –, UA S. 15; VG Frankfurt, Urt. vom 26. 4. 2001 – 1 E 570/99 –, juris Rn. 21. 656 VGH München, Beschl. vom 3. 8. 1988 – 3 B 87.01931 –, UA S. 9; im Ergebnis ebenso VGH Mannheim DÖD 1986, S. 65 (66). 657 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/85 –, juris Rn. 23 f.; OVG Koblenz ZBR 1986, S. 369 (370); OVG Münster, Urt. vom 19. 1. 1995 – 6 A 3837/93 –, UA S. 11 f.; VGH Kassel ESVGH 35, S. 105 (107 f.); VGH Mannheim DÖD 1986, S. 65 (67); VGH München BayVBl. 1983, S. 730 (731); Beschl. vom 3. 8. 1988 – 3 B 87.01931 –, UA S. 8. 658 OVG Koblenz ZBR 1986, S. 369 (370). 659 Dazu auch oben C. I. 3. b) cc) (2), S. 121 ff. 660 BVerwG, Urt. vom 6. 3. 1986 – 2 C 41/85 –, juris Rn. 29; OVG Koblenz ZBR 1986, S. 369 (371); VGH Mannheim DÖD 1986, S. 65 (67 f.).

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tragsstrafe in Höhe von 150.000 DM für nicht außer Verhältnis stehend zum Wert des Studienplatzes und den Verdienstmöglichkeiten für Ärzte und deshalb als zulässig erachtet worden.661 Als unverhältnismäßig hat die Rechtsprechung die Verwirkung einer Vertragsstrafe in Fällen angesehen, in denen der Studierende das Studium aus gesundheitlichen oder anderen unabweisbaren Gründen oder wegen fehlender fachlicher Eignung nicht beenden kann. Hierfür reicht es allerdings nicht aus, dass der Betreffende während des Medizinstudiums feststellt, dass er eine andere fachlich-ärztliche Ausrichtung als die im öffentlichen Gesundheitsdienst mögliche bevorzugen würde. Denn bei einer anderen Bewertung könnte der mit der Vorabquote verfolgte Zweck, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes sicherzustellen, nicht erreicht werden.662 d) Vorabquote für eine spätere Tätigkeit im Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr aa) Ausgestaltung Ausweislich der Verordnungen der Länder über die Vergabe von Studienplätzen gilt für die Zulassung im Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr zum Medizinstudium derzeit eine Vorabquote von 2,2 % der festgesetzten Zulassungszahlen (vgl. z. B. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a VergabeVO NRW). Die Benennung der ausgewählten Bewerber für die insoweit vorbehaltenen Studienplätze erfolgt durch das Bundesministerium der Verteidigung gegenüber der Stiftung für Hochschulzulassung für jedes Semester unter Angabe einer Reihenfolge (vgl. z. B. § 5 S. 1 VergabeVO NRW). Die Auswahl und die Eignungsfeststellung der Bewerber nimmt die Offizierbewerberprüfzentrale in Köln in Form eines zweitägigen Assessment-Centers in Kleingruppen unter Einbeziehung der charakterlichen, geistigen und körperlichen Merkmale der Bewerber vor. Grundlage sind persönliche Gespräche, computerunterstützte Tests, eine medizinische Untersuchung, ein Sporttest sowie eine Ermittlung der Wahrscheinlichkeit, das Medizinstudium erfolgreich abzuschließen.663 Elemente des Assessment-Centers sind Eignungsfeststellungen für das Medizinstudium einerseits sowie für die Offizierslaufbahn andererseits. Die Studieneignungsfeststellung erfolgt anhand der Abiturnote und den Schulnoten bestimmter Unterrichtsfächer, einem partiellen Intelligenztest und einem naturwissenschaftli661 VGH München, Beschl. vom 3. 8. 1988 – 3 B 87.01931 –, UA S. 11. Ebenso für eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 DM VG Frankfurt, Urt. vom 26. 4. 2001 – 1 E 570/99 –, juris Rn. 20. 662 VGH Kassel ESVGH 35, S. 105 (109). 663 Vgl. Bundeswehr, Entschieden gut. Gut entschieden: Offizier des Sanitätsdienstes, S. 7.

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chen Fähigkeitstest. Zusätzlich bewertet ein Arzt nach Durchführung eines Gesprächs mit den Bewerbern studienfachspezifisches Interesse und Motivation. Die Bewertung der Eignung als Offizier erfolgt anhand von elf Merkmalen, die (in beschränktem Umfang) auch eine Prognose ermöglichen, inwieweit das Interesse an einer späteren Tätigkeit in der Bundeswehr von Einfluss auf die Bewerbung im Rahmen der Vorabquote für den Sanitätsoffiziersdienst ist.664 Den Berichten des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages lässt sich entnehmen, dass ein beträchtlicher Anteil von stabil über 10 % der ausgebildeten Sanitätsoffiziere den Kriegsdienst verweigert und damit den Dienst als Sanitätsoffizier nicht antritt oder aus ihm ausscheidet.665 Der Wehrbeauftragte empfiehlt deshalb, diesen Gesichtspunkt stärker bei der Eignungsprüfung im Rahmen des Auswahlverfahrens zu akzentuieren.666 bb) Rechtliche Bewertungen Die Fragen der Entlassung eines Soldaten, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium verbunden war, aus dem Dienstverhältnis und die sich daran knüpfenden Konsequenzen regelt das Soldatengesetz eingehend. Sanitätsoffiziere, die Berufssoldaten sind, sind u. a. zu entlassen, wenn sie ihren Wohnsitz ohne Genehmigung außerhalb des Geltungsbereichs des Soldatengesetzes verlagern (§ 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 SoldatenG). Darüber hinaus kann der Berufssoldat zwar jederzeit seine Entlassung verlangen. War jedoch seine militärische Ausbildung mit einem Studium verbunden, so kann er die Entlassung frühestens nach einer an das Studium anschließenden Dienstzeit, die der dreifachen Dauer des Studiums entspricht, längstens nach zehn Jahren, verlangen (§ 46 Abs. 3 S. 1 und 2 SoldatenG). Eine vorzeitige Entlassung ist ausweislich des § 46 Abs. 6 SoldatenG nur möglich, wenn das Verbleiben im Dienst für den Soldaten wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Wird der Berufssoldat vor Ablauf der Mindestzeit nach § 46 Abs. 3 S. 1 und 2 SoldatenG auf seinen Antrag entlassen oder gilt er als auf eigenen Antrag entlassen, so muss er die entstandenen Kosten des Studiums und ein früherer Sanitätsoffizier das ihm gemäß SanOAAusbGV als Sanitätsoffizieranwärter gewährte Ausbildungsgeld erstatten, es sei denn, die Erstattung würde für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten (§ 49 Abs. 4 SoldatenG). Im letzteren Fall kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden. 664 Interview mit dem Sachgebietsleiter Studienberatung im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr, Assessment-Center für Führungskräfte, am 14. 9. 2015. 665 Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2013 (55. Bericht), BTDrucks. 18/300, S. 43; ders., Jahresbericht 2014 (56. Bericht), BT-Drucks. 18/3750, S. 56. 666 Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2014 (56. Bericht), BTDrucks. 18/3750, S. 56.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Mit Ausnahme des Rechts auf jederzeitige Entlassung nach Ableistung der Mindestzeit entsprechen die im vorliegenden Zusammenhang relevanten Regelungen für Soldaten auf Zeit denjenigen für Berufssoldaten (§ 55 Abs. 1 und 3, § 56 Abs. 4 SoldatenG). Hinter diesen Regelungen steht der Gedanke, „dass Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, denen eine lange und kostspielige Ausbildung von der Bundeswehr ermöglicht und finanziert worden ist, die in der Bundeswehr erworbenen Fachkenntnisse nicht im zivilen Bereich ggf. lohnender verwerten, sondern entsprechend ihrer Dienstverpflichtung der Bundeswehr für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung stellen sollen, um die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr zu sichern“667.

Dieser Zweck rechtfertigt die Einschränkung des Grundrechts der betroffenen Soldaten aus Art. 12 Abs. 1 GG.668 Die Festsetzung der Länge der zur Vermeidung der Rückzahlungspflicht abzuleistenden Mindestzeit kann der Gesetzgeber in den Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach seinem Ermessen festlegen, wobei die dem Dienstherrn durch das Studium entstehenden Kosten zu berücksichtigen sind.669 Zwar ist sowohl eine vorzeitige Entlassung des Soldaten als auch ein Verzicht auf Erstattung der Ausbildungskosten gleichermaßen nur in Fällen „besonderer Härte“ möglich. Jedoch hat dieses Tatbestandsmerkmal in den Vorschriften über die vorzeitige Entlassung einerseits und den Regelungen über die Erstattung von Ausbildungskosten andererseits keinen vollständig identischen Inhalt. Läge in allen Fällen, in denen eine „besondere Härte“ eine vorzeitige Entlassung aus dem Dienstverhältnis rechtfertigt, immer auch eine „besondere Härte“ als Voraussetzung für den Verzicht auf die Erstattung von Ausbildungskosten vor, so liefe die letztgenannte Regelung weitgehend leer.670 Allerdings gibt es Gründe, insbesondere solche persönlicher oder familiärer Art, die für das Vorliegen einer besonderen Härte in beiden Normen relevant sein können.671 Eine (eine vorzeitige Entlassung des Soldaten rechtfertigende) besondere Härte im Sinne von § 46 Abs. 6, § 55 Abs. 3 SoldatenG setzt voraus, dass unvorhergesehene und außergewöhnliche Änderungen in den persönlichen Verhältnissen ein längeres Verbleiben im Dienst ausnahmsweise unzumutbar machen.672 Gründe, die der Soldat selbst verursacht oder herbeigeführt hat, vermögen dies nicht herbeizu-

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OVG Hamburg, Beschl. vom 27. 8. 2013 – 1 Bf 256/12.Z –, juris Rn. 10. BVerwG, Urt. vom 16. 4. 1970 – VIII C 183/67 –, juris Rn. 12; Urt. vom 21. 4. 1982 – 6 C 3/81 –, juris Rn. 20 f.; OVG Hamburg, Beschl. vom 27. 8. 2013 – 1 Bf 256/12.Z –, juris Rn. 13. 669 BVerfG, Beschl. vom 22. 1. 1975 – 2 BvL 51/71 –, juris Rn. 47. 670 OVG Münster, Urt. vom 30. 9. 1999 – 12 A 1828/98 –, juris Rn. 54 ff.; VG Ansbach, Urt. vom 14. 3. 2007 – AN 15 K 06.02051 –, juris Rn. 21. 671 VG Bremen, Urt. vom 19. 2. 2013 – 6 K 3894/08 –, juris Rn. 32. 672 VG Ansbach, Urt. vom 14. 3. 2007 – AN 15 K 06.02051 –, juris Rn. 21. 668

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führen.673 Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Betreffende sein durch die Bundeswehr finanziertes Medizinstudium dazu nutzt, sich Karrieremöglichkeiten außerhalb der Bundeswehr zu erschließen.674 Ebenso wenig liegt eine besondere Härte im Sinne der genannten Vorschriften vor, weil sich die fachspezifischen Ausrichtungen und Neigungen des Betreffenden während der Dauer des Medizinstudiums verändert haben und sich seine neuen Schwerpunktsetzungen nicht im Sanitätsoffiziers-Dienst der Bundeswehr verwirklichen lassen. Denn den Betreffenden „trifft damit, wie jeden Soldaten auf Zeit, das allgemeine Risiko, dass sich berufliche Vorstellungen und Vorlieben im Laufe der Zeit ändern und dass sich insbesondere während eines von der Bundeswehr ermöglichten und finanzierten Hochschulstudiums berufliche Felder und Perspektiven eröffnen, die einem im Zeitpunkt der Verpflichtungserklärung noch nicht vor Augen standen. Würde die bloße Änderung beruflicher Interessen und Vorlieben ausreichen, um als besondere Härte im Rahmen von § 55 Abs. 3 SG einen Anspruch auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit zu begründen, könnte der Zweck der gesetzlichen Regelung, die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte zumindest auf Zeit zu verhindern, nicht mehr verwirklicht werden.“675

Auch die Regelung zur Erstattung der Kosten des Studiums nach § 49 Abs. 4, § 56 Abs. 4 SoldatenG ist mit den Grundrechten der auf eigenen Antrag entlassenen Soldaten vereinbar, stellt sie doch einen Ausgleich des dem Soldaten auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Vorteils in Gestalt von Kenntnissen und Fähigkeiten, die im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil begründen können, dar.676 Darüber hinaus soll die Erstattungspflicht dem vorzeitigen Ausscheiden besonders ausgebildeter und deswegen in ihrer Funktion nicht ohne Weiteres zu ersetzender Berufssoldaten aus der Bundeswehr wirksam entgegenwirken, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu sichern.677 Damit Ausbildungskosten der Erstattungspflicht unterliegen, müssen sie tatsächlich angefallen sein und in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Studium stehen. Hierunter fallen nicht allein unmittelbare Ausbildungskosten (z. B. Ausbildungsgebühren, Aufwendungen für Ausbildungsmittel oder Reisekosten), sondern bei einer Ausbildung in Einrichtungen der Bundeswehr auch die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten, anteilig

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OVG Hamburg, Beschl. vom 27. 8. 2013 – 1 Bf 256/12.Z –, juris Rn. 19. OVG Hamburg, Beschl. vom 27. 8. 2013 – 1 Bf 256/12.Z –, juris Rn. 19. 675 OVG Hamburg, Beschl. vom 27. 8. 2013 – 1 Bf 256/12.Z –, juris Rn. 21. Vgl. auch VGH München, Urt. vom 31. 3. 1993 – 3 B 92.2123 –, juris Rn. 14 ff. 676 BVerfG, Beschl. vom 22. 1. 1975 – 2 BvL 51/71 –, juris Rn. 46; BVerwG, Urt. vom 30. 3. 2006 – 2 C 18/05 –, juris Rn. 14; OVG Hamburg, Urt. vom 18. 7. 1997 – Bf I 23/95 –, juris Rn. 32. 677 BVerwG, Beschl. vom 14. 5. 2014 – 2 B 96/13 –, juris Rn. 7. 674

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entfallenden Kosten der erforderlichen Ausbildungseinrichtung als sog. Rahmenkosten.678 Anwärter für den Sanitätsoffiziersdienst führen ihr Medizinstudium nicht an einer eigenen Einrichtung der Bundeswehr durch, sondern an einer Universität außerhalb des Bundeswehrbereichs. Sofern hierfür Studiengebühren anfallen, welche die Bundeswehr übernimmt, handelt es sich um unmittelbare Ausbildungskosten. Allerdings erheben derzeit – abgesehen von Fällen des Langzeitstudiums – in keinem Bundesland staatlichen Universitäten Studienbeiträge. Da es sich bei den Universitäten der Länder nicht um Einrichtungen der Bundeswehr handelt, können Rahmenkosten nicht in Ansatz gebracht werden. Es ist mithin nicht möglich, die Kosten, die für Staat und Universitäten durch einen Medizinstudienplatz entstehen, nach § 49 Abs. 4, § 56 Abs. 4 SoldatenG von dem ehemaligen Soldaten zu verlangen.679 Grund der Erstattungsregelung ist zwar die Schaffung eines Ausgleichs des von dem Soldaten auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Vorteils in Gestalt von Kenntnissen und Fähigkeiten, die im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil begründen können. Jedoch ist die Höhe der zu erstattenden Kosten im Regelfall nicht auf den dem ehemaligen Soldaten aus seinem Studium erwachsenen finanziellen Vorteil beschränkt.680 Er erstreckt sich grundsätzlich auch auf die seitens der Bundeswehr aufgewandten Ausbildungskosten. Eine Ausnahme gilt nur im Falle anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Wegen der diesen Soldaten aus ihrer Gewissensentscheidung entstandenen Zwangslage fordert Art. 4 Abs. 3 GG eine Reduzierung der Erstattung auf den Betrag, den der Betreffende dadurch erspart hat, dass ihm der Staat die für ihn auch im zivilen Leben nutzbringende Ausbildung finanziert hat und er die Ausbildung nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen. Irrelevant ist hingegen die Aussicht auf künftige finanzielle Vorteile im Sinne einer Abschöpfung künftiger Gewinne.681 Die Härtefallregelungen für die Erstattung von Studien- und Ausbildungskosten in § 49 Abs. 4 S. 3, § 56 Abs. 4 S. 3 SoldatenG sind Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit.682 Eine besondere Härte setzt schwerwiegende Umstände im Sinne einer Ausnahmesituation voraus, denen sich der Soldat

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BVerwG, Urt. vom 11. 2. 1977 – VI C 135/74 –, juris Rn. 41; OVG Hamburg, Urt. vom 18. 7. 1997 – Bf I 23/95 –, juris Rn. 31; VGH München, Beschl. vom 19. 5. 2015 – 6 ZB 14.1841 –, juris Rn. 8. 679 Unklar Sanne/Weniger, Soldatengesetz, 2. Aufl., 2014, § 49, Rn. 12. 680 VG Gießen, Urt. vom 5. 11. 2012 – 5 K 785/11.GI –, juris Rn. 39; VG Münster, Urt. vom 21. 8. 2014 – 5 K 2265/12 –, juris Rn. 85 ff. 681 BVerwG, Urt. vom 30. 3. 2006 – 2 C 18/05 –, juris Rn. 17 ff.; VGH München, Beschl. vom 19. 5. 2015 – 6 ZB 14.1841 –, juris Rn. 5; VG Hannover, Urt. vom 13. 9. 2013 – 2 A 3056/ 12 –, juris Rn. 43. 682 BVerwG, Urt. vom 11. 2. 1977 – VI C 135/74 –, juris Rn. 44; OVG Hamburg, Urt. vom 18. 7. 1997 – Bf I 23/95 –, juris Rn. 33; OVG Lüneburg, Urt. vom 20. 4. 2015 – 1 A 1242/12 –, juris Rn. 36.

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nicht entziehen kann,683 ohne dass sie auch zwingend zur Unzumutbarkeit des Dienstes bis zum Ende der Verpflichtungszeit führen müssten.684 Sie kann sich insoweit u. a. unter folgenden Gesichtspunkten ergeben: – Die für die Ausbildung bzw. das Studium für die Verwendung in der Bundeswehr entstandenen Kosten übersteigen bei weitem die Kosten, die außerhalb der Bundeswehr für zivil verwertbare Kenntnisse hätten aufgewendet werden müssen. In diesem Fall kann die Rückforderung des die letztgenannten fiktiven Kosten übersteigenden Teils der Ausbildungskosten eine besondere Härte darstellen.685 – Die Erstattung der gesamten angefallenen Ausbildungskosten in einem Betrag würde der sozialen Lage und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betreffenden nicht gerecht,686 sondern ihn in eine existenzgefährdende wirtschaftliche Notlage stürzen.687 Zudem kann es ausnahmsweise eine unzumutbare Härte bedeuten, wenn der Betreffende zur Zahlung des vollen Betrags der Ausbildungskosten herangezogen wird, ohne die sog. Abdienzeit in Abzug zu bringen.688 Das ist der Fall, wenn der ehemalige Soldat im Anschluss an sein Studium die dort erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten der Bundeswehr uneingeschränkt, d. h. diese Zeit zur Erlangung weiterer fachärztlicher Kenntnisse und Fähigkeiten in seinem eigenen Interesse genutzt zu haben,689 zur Verfügung gestellt hat. Eine besondere Härte der Kostenerstattung kommt allerdings nur bei langdauernden, kostspieligen Ausbildungen in Betracht, bei denen die Ableistung der dreifachen Dauer der Ausbildungszeit einen beruflichen Neuanfang außerhalb der Bundeswehr unverhältnismäßig erschweren würde.690 Für den Regelfall geht das Gesetz hingegen davon aus, dass die Härtefallklausel nicht dazu zwingt, eine im Anschluss an ein Studium abgeleistete Dienstzeit in Form einer verhältnismäßigen Minderung des Erstattungsbetrags zu berücksichtigen.691

683 BVerwG, Urt. vom 30. 3. 2006 – 2 C 18/05 –, juris Rn. 16; OVG Münster, Urt. vom 20. 4. 2015 – 1 A 1242/12 –, juris Rn. 36. 684 VG Ansbach, Urt. vom 14. 3. 2007 – AN 15 K 06.02051 –, juris Rn. 21. 685 BVerwG, Urt. vom 11. 2. 1977 – VI C 135/74 –, juris Rn. 49 f.; OVG Hamburg, Urt. vom 18. 7. 1997 – Bf I 23/95 –, juris Rn. 34. 686 BVerwG, Urt. vom 11. 2. 1977 – VI C 135/74 –, juris Rn. 54 f.; OVG Hamburg, Urt. vom 18. 7. 1997 – Bf I 23/95 –, juris Rn. 35. 687 OVG Lüneburg, Urt. vom 20. 4. 2015 – 1 A 1242/12 –, juris Rn. 107; OVG Münster, Urt. vom 1. 6. 2015 – 1 A 930/14 –, juris Rn. 31 ff. 688 Vgl. dazu OVG Münster, Urt. vom 1. 6. 2015 – 1 A 930/14 –, juris Rn. 27 ff. 689 BVerwG, Urt. vom 25. 3. 1987 – 6 C 87/84 –, juris Rn. 29; Beschl. vom 14. 5. 2014 – 2 B 96/13 –, juris Rn. 8. 690 Vgl. BVerwG, Urt. vom 11. 2. 1977 – VI C 135/74 –, juris Rn. 48 691 OVG Münster, Urt. vom 30. 9. 1999 – 12 A 1828/98 –, juris Rn. 50 ff.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Allerdings besteht eine Verwaltungsübung der Bundeswehr, abgeleistete Dienstzeiten erstattungsmindernd in Anschlag zu bringen.692 Liegt tatbestandlich eine besondere Härte im Sinne der genannten Rückerstattungsvorschriften vor, findet in der Ermessensentscheidung, welche der Dienstherr dann zu treffen hat, eine Abwägung statt zwischen den öffentlichen Interessen und den Interessen des entlassenen Soldaten. Dabei fallen auf der einen Seite insbesondere die durch den Dienstherrn teils vergeblich aufgewendeten Ausbildungskosten sowie die Sicherung der Verteidigungsbereitschaft durch einen für längere Zeit überschaubaren Bestand an besonders ausgebildeten Soldaten, auf der anderen Seite zwingende Gründe im persönlichen und familiären Bereich sowie seine wirtschaftliche und soziale Lage. Bei deren Bewertung ist aber auch zu berücksichtigen, dass dieser eine für sein weiteres Leben qualifizierende Berufsausbildung erhalten hat.693 Die herzustellende Verhältnismäßigkeit lässt sich beispielsweise durch die Stundung in Form von Teilzahlungen gewährleisten.694 Allerdings darf der Rückzahlungsverpflichtete dadurch nicht für sein gesamtes restliches Berufsleben gebunden sein, sondern die Verpflichtung muss zeitlich begrenzt werden.695 Die Rechtsprechung hält eine Begrenzung auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter für angezeigt.696 Damit hierdurch nicht ggf. nur ein Teil der geschuldeten Summe zurückgezahlt wird, kann der Dienstherr bei einer späteren Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des ehemaligen Soldaten die zu zahlende Rate erhöhen:697 „Eine sachgerechte Anwendung der Härteklausel ermöglicht es insbesondere, die Erstattungspflicht der sozialen Lage und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des auf eigenen Antrag entlassenen Berufssoldaten anzupassen, wenn und solange ihn die Forderung des vollen Erstattungsbetrages in existenzielle Bedrängnis bringen würde“.698

692 Vgl. nur OVG Münster, Urt. vom 30. 9. 1999 – 12 A 1828/98 –, juris Rn. 48; Urt. vom 1. 6. 2015 – 1 A 930/14 –, juris Rn. 28; VG Düsseldorf, Urt. vom 30. 12. 2013 – 10 K 5420/13 –, juris Rn. 39. 693 OVG Hamburg, Urt. vom 18. 7. 1997 – Bf I 23/95 –, juris Rn. 36. 694 OVG Hamburg, Urt. vom 18. 7. 1997 – Bf I 23/95 –, juris Rn. 37; VG Schleswig, Urt. vom 6. 3. 2014 – 12 A 153/13 –, juris Rn. 40. 695 BVerwG, Urt. vom 30. 3. 2006 – 2 C 18/05 –, juris Rn. 24; OVG Münster, Urt. vom 1. 6. 2015 – 1 A 930/14 –, juris Rn. 35; VG Gelsenkirchen, Urt. vom 8. 9. 2014 – 1 K 623/13 –, juris Rn. 38. A. M. VG Gießen, Urt. vom 5. 11. 2012 – 5 K 785/11.Gl –, juris Rn. 38; VG Schleswig, Urt. vom 6. 3. 2014 – 12 A 153/13 –, juris Rn. 41. 696 VG Gelsenkirchen, Urt. vom 8. 9. 2014 – 1 K 623/13 –, juris Rn. 40; Urt. vom 17. 12. 2014 – 1 K 6101/12 –, juris Rn. 49. 697 BVerwG, Urt. vom 11. 2. 1977 – VI C 135/74 –, juris Rn. 57; OVG Lüneburg, Urt. vom 20. 4. 2015 – 1 A 1242/12 –, juris Rn. 120; OVG Münster, Urt. vom 1. 6. 2015 – 1 A 930/14 –, juris Rn. 46. Neben diesen Programmen gibt es, so steht zu vermuten, noch weitere Programme, die allerdings von den recherchierten nicht wesentlich abweichen dürften. 698 BVerfG, Beschl. vom 22. 1. 1975 – 2 BvL 51/71 –, juris Rn. 49 (Hervorhebung nicht im Original).

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e) Durch öffentliche Stellen vergebene Stipendien für das Medizinstudium mit Verpflichtung des Geförderten, später in einer unterversorgten Region tätig zu werden Verschiedene öffentliche Stellen (Länder, Kreise, Kassenärztliche Vereinigungen) haben Stipendienprogramme zur Deckung des Bedarfs an ärztlicher Versorgung in Gebieten aufgelegt, für die eine Unterversorgung prognostiziert wird.699 – Nach der Richtlinie über die Vergabe von Stipendien zur Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit700 können Medizinstudierende ab Bestehen des ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung durch ein Stipendium gefördert werden. Sie müssen sich dann verpflichten, die fachärztliche Weiterbildung im Fördergebiet zu absolvieren sowie innerhalb von sechs Monaten nach deren Abschluss eine fachärztliche Tätigkeit im Fördergebiet aufzunehmen und mindestens fünf Jahre aufrechtzuerhalten. Als „Fördergebiet“ versteht die Richtlinie den ländlichen Raum, wie ihn die Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern festlegt. Handelt der Geförderte den Verpflichtungen zuwider, so muss er das gewährte Stipendium zurückzahlen. Der zu erstattende Betrag reduziert sich linear entlang der Zeit, die der Pflichtige bereits im Fördergebiet absolviert hat. Von einer Rückforderung kann die zuständige Behörde absehen, wenn der Zuwendungsempfänger die vorzeitige Beendigung nicht zu vertreten hat oder ein besonderer Härtefall vorliegt. – Das Sächsische Staatsministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz hat das Programm „Ausbildungsbeihilfe“ aufgelegt. Bewerben können sich an einer deutschen Hochschule immatrikulierte Medizinstudierende, die sich in einem mit der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen geschlossenen Vertrag verpflichten, sich nach Abschluss ihres Studiums und einer Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin im Freistaat Sachsen in Gebieten mit besonderem ärztlichen Versorgungsbedarf außerhalb der Städte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Radebeul, vor allem jedoch im ländlichen Raum, als Hausarzt zu betätigen. Die Auswahl der zu Fördernden erfolgt allein aufgrund der eingereichten Unterlagen, aus denen auch die Motivation des Bewerbers zur hausärztlichen Tätigkeit im ländlichen Raum Sachsens sowie sein Lebensmittelpunkt in Sachsen hervorgehen müssen. Bevorzugte Berücksichtigung finden Studierende der sächsischen Universitäten. Die Geförderten müssen sich u. a. verpflichten, innerhalb von sechs Monaten nach Bestehen der Facharztprüfung für die Dauer von sechs Jahren, mindestens jedoch einem Jahr pro angefangenem Finanzierungsjahr, als Hausarzt in Gebieten mit besonderem ärztlichen Versorgungsbedarf im Freistaat Sachsen, vor allem im ländlichen Raum, tätig zu werden. Eine Zuweisung zu einem bestimmten Gebiet erfolgt indes nicht. Verletzt der Stipendiat die Verpflichtung, so 699 700

Vgl. hierzu bereits mit einigen Beispielen oben B. II. 2. c) aa) (1) (a) (aa), S. 55 f. AllMBl. 2013, S. 419.

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muss er die Ausbildungsbeihilfe zurückzahlen. Bei nicht vollständiger Ausschöpfung der Bindefrist aufgrund eines dem Arzt zurechenbaren Verhaltens reduziert sich die Rückzahlungssumme entsprechend der Dauer der bereits ausgeübten Tätigkeit. Auf Antrag kommt eine ratenweise Rückzahlung in Betracht.701 – Für eine Förderung eines Studiums der Humanmedizin an der ungarischen Universität Pécs im Modellprojekt „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen können sich vornehmlich Abiturienten mit Lebensmittelpunkt in Sachsen bewerben. Die Auswahl erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren, in dem nach einer Vorauswahl aufgrund der erzielten Schulnoten ein schriftlicher Test zu absolvieren ist. Er überprüft kognitive Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften und die Motivation, insbesondere der Beweggründe für den Wunsch, eine hausärztliche Tätigkeit aufzunehmen. Bei den auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Testes und der schulischen Leistungen zu einem Auswahlgespräch eingeladenen Bewerber erfolgt eine Bewertung hinsichtlich Persönlichkeitseigenschaften und Motivation. Die Universität Pécs wählt schließlich aus dem Kreis der bis zu 30 Personen, die eine Förderzusage erhalten, nach ihren eigenen Auswahlkriterien bis zu 20 künftige Studierende aus. Sie müssen sich vertraglich verpflichten, unmittelbar nach erfolgreich absolviertem Studium eine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin zu absolvieren, um im Anschluss für mindestens fünf Jahre als Hausarzt in Sachsen außerhalb der Städte Chemnitz, Dresden einschließlich Radebeul sowie Leipzig tätig zu sein. Erfüllt ein Geförderter diese Verpflichtung nicht, muss er die Fördermittel (Finanzierung der Studiengebühren) zuzüglich Verzinsung zurückzahlen.702 – Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt vergibt Stipendien zur Abdeckung des hausärztlichen Bedarfs an Studierende der Humanmedizin an den Universitäten in Halle und Magdeburg mit einem Studienschwerpunkt in der Allgemeinmedizin. Die Geförderten müssen sich vertraglich verpflichten, nach der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin sechs Jahre und drei Monate hausärztlich-allgemeinmedizinisch in Sachsen-Anhalt tätig zu werden. Die Auswahl der Region erfolgt in Abstimmung zwischen Stipendiaten und Kassenärztlicher Vereinigung. Bei Nichterfüllung der Verpflichtung wird das Stipendium, ggf. anteilig, zurückgefordert. In Härtefällen, insbesondere aus gesundheitlichen oder familiären Gründen, kann die zuständige Behörde auf eine Rückforderung verzichten.703 – Der Landkreis Nienburg-Weser (Niedersachsen) vergibt aufgrund einer Richtlinie ab dem ersten Semester Stipendien für ein Studium der Humanmedizin an vor701

Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Förderbedingungen Programm „Ausbildungsbeihilfe“, 2013. 702 Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (Fn. 183). 703 Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, Vertrag über die Vergabe eines Stipendiums für Medizinstudierende in der Allgemeinmedizin, 2016.

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zugsweise aus dem Landkreis stammende Personen. Die Motivation zur Ausübung der zukünftigen ärztlichen Tätigkeit in Nienburg-Weser ist schriftlich darzulegen. Die Geförderten müssen sich zu einer späteren ärztlichen Tätigkeit in einem unterversorgten Bereich des Landkreises verpflichten. Die Dauer der Verpflichtung entspricht dem Zeitraum der Förderung und beträgt maximal vier Jahre bei einer Förderung von mehr als drei Jahren. Spätestens 18 Monate nach Abschluss der ebenfalls im Landkreis zu absolvierenden Facharztausbildung muss der Betreffende entweder als Vertragsarzt oder als angestellter Arzt in einem Krankenhaus oder im öffentlichen Gesundheitsdienst in einem unterdurchschnittlich versorgten Bereich des Landkreises arbeiten. Bei Verstoß gegen diese Verpflichtungen wird das Stipendium, ggf. anteilig, zurückgefordert, wobei in Härtefällen von der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches ganz oder teilweise abgesehen werden kann.704 – Der Landkreis Emsland (Niedersachsen) fördert – vorzugsweise aus seinem Gebiet stammende – Studierende der Humanmedizin ab Beginn des Studiums, wobei er bei der Auswahl die „Motivation zur Ausübung des hausärztlichen Berufes im Landkreis Emsland“ berücksichtigt. Im Gegenzug müssen die Geförderten nach der fachärztlichen Weiterbildung mindestens fünf Jahre vertragsärztlich als Arzt in diesem Kreis tätig sein. Wird dieser Verpflichtung ganz oder teilweise nicht genügt, so muss die empfangene Studienbeihilfe, ggf. anteilig, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % ab Zeitpunkt der jeweiligen Auszahlung zurückgezahlt werden.705 – Ähnliche Regelungen enthält die Vergabe-Richtlinie von Stipendien des Landkreises Leer (Niedersachsen) für Studierende der Humanmedizin,706 wobei sich die Verpflichtung – abhängig von der Dauer des gewährten Stipendiums – nur auf zwei oder drei Jahre erstreckt, die Tätigkeit aber in einem unterdurchschnittlich versorgten Bereich des Landkreises erfolgen muss. – Das Stipendienprogramm des Landkreises Grafschaft Bentheim (Niedersachsen) sieht die Verpflichtung zu einer späteren ärztlichen Tätigkeit in einem seiner unterdurchschnittlich versorgten Bereiche in gleicher Dauer vor, wie das Stipendium gewährt wurde.707 – Der Landkreis Elbe-Elster (Brandenburg) bietet Studierenden nach Bestehen des ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung nach der Approbationsordnung für Ärzte eine Beihilfe von 500 E/Monat, wenn sich die Geförderten verpflichten, nach 704 Die Richtlinien sind abrufbar unter Landkreis Nienburg/Weser, Stipendienprogramm des Landkreises Nienburg/Weser für Studierende der Humanmedizin. 705 Gesundheitsregion Emsland, Richtlinie zur Förderung der Niederlassung von Hausärzten, 2014. 706 Landkreis Leer, Vergabe-Richtlinie von Stipendien des Landkreises Leer für Studierende der Humanmedizin, 2016. 707 Grafschaft Bentheim, Stipendienprogramm des Landkreises Grafschaft Bentheim für Studierende der Humanmedizin, 2015.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

bestandener Facharztweiterbildung für die Dauer von 4 Jahren im Landkreis zu arbeiten.708 Ein ähnliches Angebot gibt es im Hochsauerlandkreis (NordrheinWestfalen).709 – Die Richtlinie des Märkischen Kreises (Nordrhein-Westfalen) über die Gewährung eines Stipendiums für Studierende der Humanmedizin710 sieht die Möglichkeit vor, nach Bestehen des ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung ein Stipendium an Studierende der Humanmedizin zu gewähren, die sich verpflichten, entweder ihre ärztliche Weiterbildung vollständig im Märkischen Kreis zu absolvieren oder mindestens fünf Jahre dort ärztlich tätig zu sein. Eine entsprechende Regelung enthält die Richtlinie des Landkreis Freudenstadt (BadenWürttemberg) über die Gewährung einer Studienbeihilfe711 – mit der Abweichung, dass die Dauer der Verpflichtung nur vier Jahre beträgt. Im Märkischen Kreis ist bei der Auswahl unter den Bewerbern auch die „Eintrittswahrscheinlichkeit der tatsächlichen Erfüllung der Verpflichtungen“ zu berücksichtigen. Bei Verstoß gegen die übernommenen Pflichten ist das Stipendium jeweils ganz oder anteilig zurückzuerstatten.712

4. Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen denkbarer Inhalte einer Verpflichtungserklärung Ausgehend von der Analyse der verfassungsrechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung in verschiedenen Referenzgebieten konzentriert sich die Untersuchung im Folgenden darauf, wie sich eine den rechtlichen Anforderungen genügende Verpflichtungserklärung als Teil eines Landarztquotenkonzepts inhaltlich ausgestalten lässt. Sie geht davon aus, dass sich die in einer Verpflichtungserklärung übernommene Pflicht zur ärztlichen Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet ausschließlich auf eine Tätigkeit als Vertragsarzt bezieht.

708 Landkreis Elbe-Elster, Studienbeihilfe für Medizinstudenten, https://www.lkee.de/ Service-Verwaltung/Ausschreibungen-/Stellenausschreibungen-Ausbildungspl%C3%A4tze/Stu dienbeihilfe-f%C3%BCr-Medizinstudenten (31. 8. 2016). 709 Hochsauerlandkreis, Richtlinie des Hochsauerlandkreises über die Gewährung einer Studienbeihilfe für Medizinstudenten vom 14. 10. 2011, 2011. 710 Märkischer Kreis, Richtlinie des Märkischen Kreises über die Gewährung eines Stipendiums für Studierende der Humanmedizin nach Kreistagsbeschluss vom 18. 12. 2014, 2014. 711 Landkreis Freudenstadt, Richtlinie über die Gewährung einer Studienbeihilfe für Medizinstudentinnen und -studenten, 2013. 712 Vgl. für den Landkreis Freudenstadt auch das Vertragsformular unter Landkreis Freudenstadt, Stipendiumsvertrag, 2014.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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a) Zusammenfassung der leitenden rechtlichen Maßstäbe Die zentralen rechtlichen Maßstäbe, an denen sich die Inhalte einer Verpflichtungserklärung orientieren müssen, ergeben sich aus den Grundrechten der Bewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG auf Zuteilung eines Studienplatzes aus der Vorabquote.713 Die Elemente der Verpflichtungserklärung sind insbesondere an dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu messen. Die den Bewerbern auferlegten Verpflichtungen dürfen nicht außer Verhältnis zu dem mit ihnen verfolgten Ziel stehen. Das eine Landarztquote legitimierende Interesse – die Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung – hat ein verfassungsrechtlich hohes Gewicht. Demgegenüber ist die Position der Bewerber dadurch gekennzeichnet, dass sie aus der Vorabquote einen Medizinstudienplatz erhalten, den sie ohne diese Zuweisung entweder überhaupt nicht oder zumindest mit zeitlicher Verzögerung hätten antreten können. Darüber hinaus wird ihnen eine besondere Ausbildung zuteil, die sie auch nach Ablauf der festgelegten Dauer der Verpflichtung wirtschaftlich nutzen können. b) Zentrale Eckpunkte und Instrumente aa) Zulässige Dauer der Verpflichtung zur Tätigkeit in ärztlich unterversorgten Gebieten Von wesentlicher Bedeutung für die Intensität, mit der eine Vorabquote die Grundrechte der Bewerber um einen Medizinstudienplatz berührt, ist die Dauer der Verpflichtung zur Tätigkeit als Arzt in unterversorgten Gebieten. Denn während der Dauer dieser Verpflichtung sehen sich die Betreffenden der Gefahr einer Sanktionierung im Falle der Aufnahme einer Tätigkeit außerhalb der genannten Gebiete gegenüber. Maßstab für die Bemessung der zulässigen Höchstdauer der Verpflichtungszeit ist auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.714 Die Rechtsprechung715 zieht als Kriterium neben dem Gewicht des zu sichernden Interesses in erster Linie das Ausmaß heran, in dem sich die beruflichen Chancen der Ausgebildeten infolge der Ausbildung erhöht haben. Indikator hierfür ist primär die Dauer der Ausbildung. Diese beträgt für Ärzte bis zur Approbation rund 6,5 Jahre.716 In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sind u. a. eine achtjährige Bindungsdauer nach sechsjährigem Studium und eine Bindung, deren Dauer das Eineinhalbfache der Ausbildungsdauer erreicht (dies entspräche vorliegend einer Ver713 714

S. 123.

Dazu auch bereits oben B., S. 34 ff. und C., S. 110 ff. Hierzu als Ausdruck der Angemessenheit bereits oben C. I. 3. b) cc) (2) (b) (aa),

715 Oben E. I. 3. a) bb) (2), S. 151 ff. und E. I. 3. b) bb), S. 155 f. sowie E. I. 3 c) bb), S. 162 ff. 716 Dazu die Nachweise in Fn. 328.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

pflichtung auf neun bis zehn Jahre), für zulässig erachtet worden.717 Für eine Verpflichtung zur Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst ist sogar die doppelte Zeit der Ausbildungsdauer (dies entspräche vorliegend einer Verpflichtung auf zwölf Jahre) sowie achtjährige und zehnjährige Verpflichtungszeiten als nicht zu beanstanden angesehen worden.718 Aus § 46 Abs. 3 SoldatenG ergibt sich für Sanitätsoffiziere eine verpflichtende Dienstzeit von zehn Jahren. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts719 lässt sich nichts grundlegend Abweichendes entnehmen. Zwar hat das Gericht für die Förderung einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren durch einen privaten Arbeitgeber für den Regelfall eine maximale Bindungsdauer von fünf Jahren als angemessen angesehen, dabei jedoch explizit darauf hingewiesen, dass längere Bindungsdauern vor allem dann zulässig sein können, wenn sich die beruflichen Chancen des Ausgebildeten infolge der Ausbildung in besonderem Maße erhöht haben. Für das Medizinstudium, das nach wie vor im Vergleich mit anderen akademischen Ausbildungen weit überdurchschnittliche Einkommensperspektiven eröffnet, gilt das ohne Weiteres. Im Ergebnis unterliegt eine Verpflichtungsdauer von acht Jahren nach Beendigung des Studiums bzw. der fachärztlichen Weiterbildung grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken. In Anbetracht der Regelungen für Sanitätsoffiziere720 und der Rechtsprechung zur zulässigen Dauer der Verpflichtung für den öffentlichen Gesundheitsdienst721 ließen die Gerichte allerdings womöglich auch eine zehnjährige Verpflichtungsdauer unbeanstandet. bb) Bestimmung von Gebieten mit ärztlicher Unterversorgung Zentraler Anknüpfungspunkt für die Zuerkennung eines Medizinstudienplatzes aus der Vorabquote ist die Verpflichtungserklärung des Bewerbers, sich nach der Ausbildung in einer ärztlich unterversorgten Region niederzulassen. Dieser räumliche Bezugsrahmen muss allerdings bestimmbar sein, damit die Verpflichtung überhaupt geeignet sein kann, den mit ihr verfolgten Zweck zu erfüllen. (1) Feststellung der Unterversorgung nach § 100 Abs. 1 SGB V als Anknüpfungspunkt Als Anknüpfungspunkt für eine Konkretisierung des räumlichen Bezugs der Verpflichtungserklärung bietet sich das Verfahren nach § 100 Abs. 1 SGB V an.

717 718 719 720 721

Oben E. I. 3. b) bb), S. 155 ff. Oben E. I. 3. c) bb), S. 162 ff. Oben E. I. 3. a) bb) (2), S. 151 ff. Oben E. I. 3. d), S. 164 ff. Oben E. I. 3. d) bb), S. 165 ff.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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Die Feststellung, dass in bestimmten Gebieten eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder in absehbarer Zeit droht, treffen gem. § 100 Abs. 1 SGB V die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen. Wie sich aus § 100 Abs. 2 SGB V ergibt, ist Zweck dieser Feststellung, den Kassenärztlichen Vereinigungen eine Grundlage und einen Handlungsimpuls zu geben, um versorgungsverbessernde Maßnahmen zu ergreifen. Die Feststellung nach § 100 Abs. 1 SGB V ist mithin darauf gerichtet, konkrete Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen auszulösen.722 Soweit diese Maßnahmen die Grundrechte von Ärzten berühren, lassen sich Eingriffe bei Wahrung der Grenzen der Verhältnismäßigkeit durch das besonders wichtige Gemeinschaftsgut der Sicherstellung der vertragsärztlichen Mindestversorgung723 rechtfertigen. § 100 Abs. 1 SGV V enthält keine Definition des Begriffs der „ärztlichen Unterversorgung“. Die Vorschrift verdeutlicht aber, dass die Feststellung, welche Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen auslösen, nicht nur ein reaktives Instrument mit Blick auf eine in bestimmten Gebieten eines Zulassungsbezirks bereits eingetretene Unterversorgung ist, sondern auch prospektiv Konstellationen in absehbarer Zeit drohender Unterversorgung betrifft. Nähere Regelungen zur Feststellung der Unterversorgung finden sich in der die Ermächtigung des § 98 SGB V ausfüllenden Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV). Auch die Ärzte-ZV konkretisiert den Begriff der ärztlichen Unterversorgung nicht, sondern verweist in ihrem § 16 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 auf die zur Beurteilung einer Unterversorgung gebildeten einheitlichen und vergleichbaren Grundlagen, Maßstäbe und Verfahren der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfspl-RL). § 28 Bedarfspl-RL definiert den Begriff der ärztlichen Unterversorgung dahin gehend, dass in bestimmten Planungsbereichen im Bedarfsplan für eine bedarfsgerechte Versorgung vorgesehene Vertragsarztsitze nicht nur vorübergehend nicht besetzt werden können und dadurch eine unzumutbare Erschwernis in der Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen eintritt und eine Behebung dieser Erschwernis auch durch Ermächtigung von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen nicht möglich ist. Ob eine Unterversorgung in einem Planungsbereich besteht oder droht, prüft der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen von Amts wegen (§ 16 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV). Die Prüfung ist allerdings nur gefordert, wenn Anhaltspunkte für eine bestehende oder drohende Unterversorgung vorliegen (§ 30 S. 1 Bedarfspl-RL). Die Schwellenwerte, deren Unterschreitung im Verhältnis zu dem in den Planungsblättern ausgewiesenen Bedarf die Feststellung des Vorliegens einer Unterversor722 723

Vgl. Berner, in: Eichenhofer/Wenner (Hrsg.), SGB V, 2. Aufl., 2016, § 100, Rn. 1. Vgl. Kaltenborn (Fn. 156), § 100, Rn. 7.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

gung oder des Eintritts einer Unterversorgung bei Berücksichtigung der Altersstruktur der Ärzte auslöst, finden sich in § 29 Bedarfspl-RL. Die bei der Prüfung zu berücksichtigenden Kriterien nennt § 31 Bedarfspl-RL. Hinsichtlich der Anwendung der in diesem Verfahren erfolgenden Feststellung der bestehenden oder drohenden Unterversorgung als Anknüpfungspunkt für die Verpflichtungserklärung bei der Zulassung zum Medizinstudium ergeben sich verschiedene diskussionsbedürftige Fragen: So muss von vornherein klar sein, dass es nicht möglich ist, in der Verpflichtungserklärung ein bestimmtes ärztlich unterversorgtes Gebiet zu benennen, in dem die spätere Tätigkeit erfolgen soll. Denn die Feststellung nach § 100 Abs. 1 SGB V bezieht sich stets auf eine eingetretene oder in absehbarer Zeit drohende Unterversorgung. Ein Zeitraum, der sich über die Dauer eines Medizinstudiums mit anschließender Weiterbildung erstreckt, ist hiervon nicht mehr umfasst. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung steht noch nicht fest, welche Gebiete unterversorgt sein werden, wenn der Betreffende die Zulassung als Vertragsarzt beantragen wird. Eine Konkretisierung der Gebiete, in denen der in der Verpflichtungserklärung eingegangenen Verpflichtung genügt werden kann, ist mithin erst zu dem Zeitpunkt möglich, in dem der Verpflichtete die Zulassung als Vertragsarzt beantragt. In der Verpflichtungserklärung wäre daher lediglich die Verpflichtung zur ärztlichen Tätigkeit in einem Gebiet möglich, für das bei der Zulassung als Vertragsarzt eine Feststellung nach § 100 Abs. 1 SGB V getroffen sein werden wird. Verfassungsrechtlich ist dies unbedenklich, soweit die potenziellen Gebiete, in denen eine spätere Tätigkeit zu erfolgen hat, insoweit anhand abstrakter Kriterien objektiv und daher auch für den Bewerber erkennbar sind. Dass eine Feststellung der Unterversorgung nicht durch eine Institution mit bundesweiter Zuständigkeit nach einheitlichen Maßstäben erfolgt, sondern durch die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen, löst rechtliche Fragen aus. Die Verfahrensregeln der Bedarfspl-RL zur Ermittlung einer Unterversorgung enthalten im Interesse einer flexiblen Handhabbarkeit in unterschiedlichen Situationen beträchtliche Anwendungsspielräume.724 Ein Beispiel ist die Einbeziehung der tatsächlichen Verhältnisse in dem Planungsbereich in die Prüfung, die der jeweilige Landesausschuss aufgrund seiner eigenen Wertung, ob die ihm vorliegenden Unterlagen ausreichen oder nicht, vornimmt (§ 33 Abs. 2 S. 2 Bedarfspl-RL). Ein weiteres Beispiel ist die Prognose einer drohenden Unterversorgung: § 29 S. 2 Bedarfspl-RL bestimmt, dass die Prognose insbesondere anhand der Altersstruktur der Ärzte vorzunehmen ist. Dies weist zwar der Altersstruktur die Funktion eines besonders gewichtigen Kriteriums zu, ermöglicht aber die Hinzuziehung weiterer Kriterien nach Präferenzierung der verschiedenen Landesausschüsse, soweit es sich um sachgerechte Kriterien handelt. Dies hat in der Praxis zu durchaus unterschiedlichen Handhabungen geführt.725 724 725

Ausführlich Kühl (Fn. 5), S. 84 ff. Kühl (Fn. 5), S. 88.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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Daran knüpft sich die verfassungsrechtliche Frage, ob diese geringe normative und in erster Linie durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erfolgende Vorstrukturierung der Feststellungsentscheidung der Landesausschüsse mit dem Grundrecht der sich um einen Medizinstudienplatz Bewerbenden aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Maßstäbe und Verfahren der Feststellung einer Unterversorgung in bestimmten Gebieten werden nicht durch § 100 Abs. 1 SGB V und nur in beschränktem Umfang durch § 16 Abs. 1 Ärzte-ZV festgelegt. Steuernden Regelungen für die Feststellung der Landesausschüsse enthalten vielmehr im Wesentlichen die §§ 27 ff. Bedarfspl-RL. Die Frage, ob dem Gemeinsamen Bundesausschuss eine Rechtsetzungskompetenz zusteht, war vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig, hat dieses aber in der Sache nicht entschieden.726 In der wissenschaftlichen Literatur kam verschiedentlich die Kritik auf, der Gemeinsame Bundesausschuss verfüge über eine nicht ausreichende demokratischen Legitimation zur autonomen Setzung von außenwirksamem Recht.727 Dem ist zuletzt Winfried Kluth mit eingehender Begründung entgegengetreten.728 Aber selbst, wenn die in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel berechtigt sein sollten, bedürfte es einer anderweitigen Normierung der Maßstäbe und Verfahren zur Feststellung einer Unterversorgung – dann möglicherweise auf Ebene eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung. Auch wenn das derzeitige Regelungssystem den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen sollte, stellt sich gleichwohl die Frage, ob eine außerhalb der eigentlichen Regelungsgegenstände der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses liegende hochschulzulassungsrechtliche Regelung inhaltlich an die Maßstäbe und Verfahren nach dieser Richtlinie anknüpfen kann. Zwar hält die Literatur es für rechtmäßig, die Regelungswirkung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Ärzteschaft und andere Trägerorganisationen hinaus zu erstrecken – dies allerdings nur hinsichtlich der Wirkungen gegenüber den Versicherten729 und gegenüber von eventuellen Zulassungsbeschränkungen betroffenen, noch nicht zugelassenen Ärzten.730 Gleichwohl dürften verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass die in einer Verpflichtungserklärung in Bezug genommene Feststellung einer ärztlichen Unterversorgung (derzeit) nach den in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgesehenen Maßstäben und Verfahren erfolgt, nicht obwalten. Denn Bezugspunkt der Verpflichtungserklärung wären insoweit nicht die genannten Richtlinien, sondern die gesetzlichen Regelungen des § 100 Abs. 1 SGB V. Die 726

BVerfG, NJW 2016, S. 1505 (1507). Vgl. etwa Kingreen, VVDStRL 70 (2011), S. 152 (177 ff.); Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, 4. Aufl., 2014, § 92, Rn. 7 ff. 728 Kluth, Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach § 91 SGB V aus der Perspektive des Verfassungsrechts, 2015, S. 85 ff. 729 Kluth (Fn. 728), S. 100 f. 730 Kühl (Fn. 5), S. 128 f. 727

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

grundlegenden Weichenstellungen über die Zuständigkeit zur Feststellung einer Unterversorgung sind bereits dort getroffen. Die Feststellungsentscheidung der Landesausschüsse ist normativ nur schwach vorstrukturiert. Strukturell sind die den Landesausschüssen offenstehenden Entscheidungsspielräume Konsequenz ihres gemäß § 90 SGB V konstituierten Verhandlungssystems verschiedener Interessen.731 Die Legitimation dieses Verhandlungssystems und seiner Entscheidungsfindung beschränkt sich zunächst auf die in den Landesausschüssen vertretenen Interessenträger. Die Interessen der Bewerber auf einen Medizinstudienplatz sind dort nicht repräsentiert. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass insbesondere die Prognose einer drohenden Unterversorgung zwingend eine Wertung enthält. Die normative Öffnung von Entscheidungsspielräumen begegnet keinen Bedenken, soweit sie für die vorzunehmende Wertung erforderlich sind. Ob diese Wertung in einem Verhandlungssystem verschiedener Interessenträger oder in einem anderen Verfahren erfolgt, ist letztlich irrelevant. Die Entscheidung über das Bestehen oder Drohen einer Unterversorgung in einem Verhandlungssystem kann vielmehr gerade dazu beitragen, eine möglichst breite Abbildung von entscheidungsrelevanten Parametern sicherzustellen. Die Interessen der Bewerber im Rahmen der Landarztquote müssen bei dieser Bewertung nicht zwingend vertreten sein. Für den Grundrechtsschutz der Medizinstudenten, die sich durch eine Verpflichtungserklärung zu einer späteren Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet binden, ist wesentlich, dass sie die Möglichkeit haben, die Feststellung der Unterversorgung einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. Insoweit lässt sich ein Zugang zum Rechtsweg als absichernder Legitimationsmodus begreifen.732 Zwar sind die Maßnahmen der Landesausschüsse als solche nicht selbstständig vor Gericht angreifbar.733 Jedoch kann die Feststellung einer Unterversorgung nach § 100 Abs. 1 SGB V inzident überprüft werden.734 Eine solche Inzidentprüfung könnte von denjenigen, die sich vor Zulassung zum Medizinstudium zur Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet verpflichtet haben, beispielsweise in der Weise herbeigeführt werden, dass die Zuweisung eines Vertragsarztsitzes nach Abschluss des Medizinstudiums in einem Gebiet, für das nach § 100 Abs. 1 SGB V die Feststellung einer Unterversorgung erfolgt ist, mit der Begründung als rechtswidrig und daher das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzend angegriffen wird, dass diese Feststellung fehlerbehaftet ist. Es bleibt das Problem, dass die Bezugnahme in der Verpflichtungserklärung auf die Feststellung einer Unterversorgung im Verfahren nach § 100 Abs. 1 SGB Veinen 731

Kühl (Fn. 5), S. 84, 92. Kritisch zur Konstituierung eines Verfahrens zur Aushandlung inhomogener Verteilungsinteressen Kingreen, DV 42 (2009), S. 339 (364). 732 Vgl. Kluth (Fn. 728), S. 106. 733 Ziermann, § 23 – Gemeinsamer Bundesausschuss und Landesausschüsse, in: Sodan (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Aufl., 2014, Rn. 50. 734 Berner (Fn. 722), § 100, Rn. 16.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt nach Abschluss des Medizinstudiums betrifft. Bei Abgabe der Erklärung kann der Bewerber nicht absehen, in welchem Gebiet er als Vertragsarzt später tätig sein wird. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat es als am Maßstab des § 242 BGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht mehr tragbare Belastung angesehen, dass in der vertraglichen Verpflichtung das Unternehmen, in dem der Auszubildende später zur Vermeidung der Rückzahlungsverpflichtung tätig werden muss, nicht näher definiert ist, sondern der Auszubildende vielmehr auch eine zumutbare Tätigkeit in einem anderen Unternehmen als dem seine Ausbildung fördernden akzeptieren muss, ohne dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für den Betreffenden erkennbar ist, um welches Unternehmen es sich handelt und an welchem Ort der Geförderte später konkret tätig wird.735 Allerdings lässt sich aus dieser Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nicht die Unzulässigkeit einer vor der Aufnahme des Medizinstudiums in der Verpflichtungserklärung geregelten Anknüpfung an eine nach dessen Abschluss erfolgende Feststellung nach § 100 Abs. 1 SGB V ableiten. Anders als im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Auszubildendem geht es hier nicht um einen der Billigkeit entsprechenden Ausgleich der wechselseitigen privaten Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Mag es in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis darauf ankommen, dass ein billigenswertes Interesse des Arbeitgebers in Beziehung zur Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer zu setzen ist,736 so erfolgt die Verpflichtung der Bewerber zur späteren Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet im Allgemeininteresse. Nur sie verschafft dem Verpflichteten auch den privilegierten Zugang zum Medizinstudienplatz. In die Abwägung einzustellen ist daher nicht das Interesse eines privaten Arbeitgebers, nach unternehmerischen und von dem Auszubildenden nicht erkennbaren Präferenzen eine Verteilung von Personal auf verschiedene Unternehmen vornehmen zu können, sondern vielmehr das Gemeinwohlinteresse an der Sicherstellung einer hinreichenden ärztlichen Versorgung, das räumlich eine Konkretisierung durch die Bestimmungen des § 100 Abs. 1 SGB V, § 16 Abs. 1 ÄrzteZV und §§ 27 ff. Bedarfspl-RL in Maßstäben und Verfahren erfährt. In Anbetracht dessen, dass Kernbezugsgröße für die Feststellung einer Unterversorgung der in der Bedarfsplanung ausgewiesene Bedarf ist (§§ 27 ff. Bedarfspl-RL), der Bedarfsplan kontinuierlich fortgeschrieben wird (§ 4 Abs. 1 S. 4 Bedarfspl-RL) und die den bedarfsgerechten Versorgungsgrad ausdrückenden Allgemeinen Verhältniszahlen (§ 8 Bedarfspl-RL) durch einen jährlich bestimmten Demographiefaktor modifiziert werden (§ 9 Bedarfspl-RL), ist für die Bewerber um einen Medizinstudienplatz zwar nicht das Gebiet ihrer späteren Tätigkeit konkretisiert, jedoch erkennbar, dass die in Betracht kommenden Gebiete in einem festgelegten Verfahren prognostiziert werden können.

735 LAG Niedersachsen, Urt. vom 15. 6. 2001 – 16 Sa 2085/00 –, juris Rn. 47. Ähnlich LAG Schleswig-Holstein, Urt. vom 23. 5. 2007 – 3 Sa 28/07 –, juris Rn. 53. 736 Dazu oben E. I. 3. a) bb), S. 147 ff.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Auch andere Personen, die ein Studium der Medizin aufnehmen, können zu diesem Zeitpunkt nicht definitiv festlegen oder erahnen, wo genau sie später als Vertragsarzt tätig sein werden. Ein Anspruch auf Zulassung als Vertragsarzt an einem bestimmten Ort besteht nur nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Antragstellung ggf. bestehenden Zulassungsbeschränkungen für diesen Vertragsarztsitz.737 Von dieser Situation sonstiger Studierender unterscheidet sich diejenige der aufgrund einer Vorabquote zum Medizinstudium Zugelassenen nur insoweit, als die Gebiete, in denen sie ohne Verletzung ihrer Verpflichtungen aus den geschlossenen Vereinbarungen als Vertragsarzt zugelassen werden können, durch die Feststellung der Unterversorgung positiv festgelegt werden, wohingegen die Zulassungsbeschränkungen in anderen Gebieten negative Zulassungsvoraussetzungen darstellen.738 In der Gesamtbewertung führt die Bezugnahme in der (vor Studienbeginn abgegebenen) Verpflichtungserklärung auf die Feststellung einer Unterversorgung im Verfahren nach § 100 Abs. 1 SGB V zu einem Zeitpunkt nach Abschluss des Medizinstudiums (mit der Folge, dass für den Bewerber zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung nicht konkret absehbar ist, in welchem Gebiet er später als Vertragsarzt tätig sein wird) nicht zu ihrer Unzulässigkeit. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Regelungsregime den Geförderten die Möglichkeit eröffnet, auswählen zu können, in welchem von mehreren als unterversorgt festgestellten Gebieten sie sich niederlassen wollen (dazu im Folgenden). (2) Einbeziehbarkeit individueller Präferenzen Bei den früheren Regelungen zur Zulassung von Studienbewerbern, die sich im Wege einer Vorabquote739 für eine spätere Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst verpflichtet haben, war – soweit ersichtlich – lediglich in Bayern vorgesehen, dass die zuständige Behörde Einrichtung und Ort der Tätigkeit bestimmte, ohne dass zuvor bereits eine Festlegung in den geschlossenen Verträgen erfolgt war. In anderen Ländern – beispielsweise in Hessen und Nordrhein-Westfalen740 – mussten sich die Absolventen nach Abschluss des Medizinstudiums hingegen eigeninitiativ im öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes oder der kommunalen Gebietskörperschaften bewerben und konnten dadurch auf den Ort ihrer Tätigkeit Einfluss nehmen. Eine solche, die Grundrechte der Bewerber weitestmöglich schonende Regelung könnte und sollte auch eine Verpflichtungserklärung bezüglich der späteren Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet vorsehen. Die einzugehende Verpflichtung bestünde mithin darin, nach Abschluss des Medizinstudiums die Zulassung als Vertragsarzt in einem Gebiet, für das nach § 100 Abs. 1 SGB Veine Unterversorgung 737

Boecken/Bristle (Fn. 420), Rn. 37. Boecken/Bristle (Fn. 420), Rn. 37. 739 Dazu oben E. I. 3. c) aa) (1), S. 158 ff. 740 Zur limitierten Konstruierbarkeit der Regelungen in den einzelnen Bundesländern siehe oben E. I. 3. c) aa), S. 158 ff. 738

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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festgestellt ist, binnen bestimmter Frist zu beantragen sowie die Antragstellung und ggf. erteilte Zulassung der zuständigen Stelle nachzuweisen. Eine Beschränkung auf eine Antragstellung im Sitzland der Hochschule, in der das Medizinstudium absolviert worden ist, ist dabei zulässig. Umgekehrt ist eine solche Beschränkung auf das Land des Studienabschlusses rechtspolitisch nicht geboten. Zwar kann es durchaus zu der Situation kommen, dass die Hochschule eines Landes einem Bewerber einen Studienplatz aus der Vorabquote zur Verfügung stellt und die betreffende Person nach Abschluss des Studiums die Zulassung als Vertragsarzt für ein in einem anderen Land liegendes Gebiet beantragt, für das nach § 100 Abs. 1 SGB V eine Unterversorgung festgestellt ist. Jedoch tut auch dies dem Ziel des Verfahrens der Vorabquote mit Verpflichtungserklärung, zur Beseitigung der Unterversorgung mit ärztlichen Leistungen in den festgestellten Gebieten beizutragen, Genüge. Drohenden Ungleichgewichten in der Verteilung von Absolventen, die sich zur Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet verpflichtet haben, auf die verschiedenen Länder lässt sich durch eine Pflicht der Absolventen zur vorrangigen Antragstellung in einem bestimmten Land und finanzielle Ausgleichsmechanismen zwischen den Ländern begegnen. Bei einer Anknüpfung der Verpflichtungserklärung an die Feststellung nach § 100 Abs. 1 SGB V kann die Landarzttätigkeit in allen Bundesländern erfüllt werden, solange mit der Erfüllung keine Durchbrechung des Systems der ärztlichen Zulassung in Form eines Zulassungsvorrangs oder einer pflichtigen Zuweisung verbunden ist. Schwierigkeiten begegnet eine solche Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung allenfalls dann, wenn der Verpflichtete Anträge auf Zulassung in unterversorgten Gebieten stellt und diese auch nachweist, jedoch innerhalb eines in der Verpflichtungserklärung zu bestimmenden angemessenen Zeitraums keinen Vertragsarztsitz in einem solchen Gebiet erhält. In Anbetracht dessen, dass es einem Absolventen auch möglich ist, mehrere parallele Zulassungsanträge zu stellen, und es als nahezu ausgeschlossen erscheint, dass eine Unterversorgung eines Gebiets durch eine Vielzahl von gleichzeitigen Zulassungsanträgen in eine Überversorgung mit der Folge der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen nach § 103 SGB V umschlägt, dürfte diese Gefahr allerdings theoretischer Natur sein. Unzulässig wäre auch die Folgerung, dass es sich bei einer Vielzahl von Zulassungsanträgen in einem bestimmten unterversorgten Gebiet nicht mehr um ein solches handelt. Denn für den Status als unterversorgtes Gebiet kommt es entsprechend § 19 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV auf den Zeitpunkt der Antragstellung an. Eine Regelung in der Verpflichtungserklärung, die sich darauf beschränkt, dass der Verpflichtete der zuständigen Stelle nachweist, dass er innerhalb des festgelegten Zeitraums alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, eine Zulassung als Vertragsarzt in einem unterversorgten Gebiet zu erhalten, wäre mithin unproblematisch möglich. Erlangt er aus Gründen, die er nicht zu vertretenden hat, innerhalb des Zeitraums

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

keine Zulassung, so liegt unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein Härtefall vor.741 Mit Blick auf die Kosten, die im Sitzland der Hochschule entstanden sind, an der das Medizinstudium absolviert wurde, könnte den Absolventen in der Verpflichtungserklärung aufgegeben werden, die vertragsärztliche Zulassung vorrangig in einem unterversorgten Gebiet in diesem Land zu beantragen. Ggf. wäre dies zu flankieren mit einer (entsprechend den kompetenziellen Möglichkeiten742 getroffene) Regelung, die einen finanziellen Ausgleichsmechanismus zugunsten derjenigen Länder vorsieht, die über die Deckung des eigenen Bedarfs zur Verhinderung von Unterversorgungen hinaus Medizinstudenten ausbilden.743 Eine weitergehende Klausel, die der zuständigen Stelle nach Ablauf des dem Betreffenden zur Erlangung der Zulassung in einem unterversorgten Gebiet zur Verfügung stehenden Zeitraums die Befugnis einräumt, eine vertragsärztliche Tätigkeit in einem von ihr zu bestimmenden Gebiet anzuweisen, ist mit dem geltenden ärztlichen Zulassungsrecht nicht vereinbar. Die den Kassenärztlichen Vereinigungen zu Gebote stehenden Maßnahmen im Sinne von § 100 Abs. 1 S. 2 SGB V744 umfassen eine solche Zuweisung ebenso wenig wie das Instrument der Verhängung von Zulassungsbeschränkungen nach § 100 Abs. 2 SGB V. In Anbetracht dessen, dass einer solchen Klausel nahezu ausschließlich theoretische Bedeutung zukommen würde, erscheint es – insbesondere in Hinblick auf die freiheitsbeschränkende Wirkung der Maßnahme für alle künftigen Landärzte – wenig sinnvoll, mit Blick auf extreme Ausnahmefälle das System des ärztlichen Zulassungsrechts zu durchbrechen. Darüber hinaus würfe die Zuweisung eines Vertragsarztsitzes in einem unterversorgten Gebiet durch eine zuständige Stelle das Problem der Reichweite einer solchen Zuweisungsbefugnis auf. Davon ausgehend, dass für eine solche Zuweisung jedenfalls keine Zuständigkeit einer bundesweit zuständigen Stelle bestünde,745 könnte eine nach Landesrecht eingerichtete Stelle Vertragsarztsitze über die Grenzen des eigenen Landes hinaus nur dann zuweisen, wenn der Bund dafür eine gesetzliche Grundlage schüfe, welche die Zulassungsbestimmungen des § 95 SGB V insoweit modifiziert.

741 742 743 744 745

Dazu im Einzelnen unten E. I. 4. b) cc), S. 185 f. Dazu oben B. II., S. 44 ff. Vgl. Kühl (Fn. 5), S. 155. Vgl. Kaltenborn (Fn. 156), § 100, Rn. 5. Vgl. unten E. II. 1., S. 196 f.

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cc) Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung des Verpflichtungsverhältnisses Schließt sich an den Abschluss der Verpflichtungserklärung zunächst das Medizinstudium und dann eine Bindungsdauer in den dargestellten Zulässigkeitsgrenzen an, so können zwischen Verpflichtungserklärung und Ablauf der Verpflichtungszeit rund zwei bis drei Jahrzehnte liegen. In einem derart langen Zeitraum können und werden sich Lebensumstände und Präferenzen der Betreffenden häufig ändern. Hätte jede derartige Änderung – insbesondere dann, wenn die Betreffenden sie bewusst herbeiführen – zur Folge, dass sie ihrer eingegangenen Verpflichtung ledig werden, so liefe die Verpflichtungserklärung faktisch ins Leere. Auf der anderen Seite können unbeeinflussbare, persönliche Umstände von einem solchen Gewicht eintreten, dass den Betreffenden die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtung schlechterdings unmöglich ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie ihn die Rechtsprechung ausgeformt hat, gebietet einen Ausgleich zwischen den beiden Polen und eine vorzeitige Beendigung der Verpflichtung in Härtefällen.746 Für das Vorliegen eines relevanten Härtefalls fordert die Rechtsprechung,747 dass ein bei Abschluss der Verpflichtungserklärung nicht vorhersehbarer Umstand eintritt, dem sich der Betreffende nicht entziehen kann und der dem Betreffenden die Tätigkeit oder weitere Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet unzumutbar macht. Der Betreffende darf diesen Umstand nicht verursacht oder herbeigeführt haben. Für die Abgrenzung relevanter Härtefälle lassen sich einige nicht abschließende Leitplanken aufstellen: – Ein relevanter Härtefall liegt vor, wenn eigene gesundheitliche Umstände dem Betreffenden eine ärztliche Tätigkeit gänzlich unmöglich machen oder eine Behandlung erfordern, die nur in Ballungsgebieten vorhanden ist. Das gilt in gleicher Weise für Erkrankungen oder Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger. – Ebenso ist ein Härtefall anzunehmen, wenn der Betreffende für den Abschluss des Medizinstudiums erforderliche Prüfungen endgültig nicht besteht. – Steht nach der Approbation kein Praxissitz für die Niederlassung als Vertragsarzt in einem ärztlich unterversorgten Gebiet zur Verfügung, so liegt ebenfalls ein Härtefall vor. Allerdings wird man den Betreffenden als verpflichtet ansehen müssen, eine angemessene Wartezeit in Kauf zu nehmen.

746 Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 445), S. 5. Siehe auch oben C. I. 3. b) dd) (3), S. 126 ff. 747 Oben E. I. 3. c) bb), S. 162 ff. und E. I. 3. d) bb), S. 165 ff.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

– Kein Härtefall liegt hingegen vor, wenn der Betreffende nachweist, dass er einen Medizinstudienplatz zum gleichen Zeitpunkt auch ohne Zuerkennung eines Studienplatzes aus der Vorabquote erhalten hätte.748 – Im Ergebnis das Gleiche gilt, wenn der Verpflichtete die vereinbarte Vertragsstrafe nicht zahlen kann. Dem ist durch entsprechende Gestaltung der Modalitäten der Zahlung der Vertragsstrafe Rechnung zu tragen.749 – Ebenso wenig ist ein Härtefall gegeben, wenn der Betreffende nach Niederlassung in einem ärztlich unterversorgten Gebiet feststellt, dass sein Einkommen deutlich hinter seinen Erwartungen zurückbleibt und er deshalb eingegangene finanzielle Verpflichtungen nicht bedienen kann. – Vom Vorliegen eines Härtefalls kann des Weiteren nicht ausgegangen werden, wenn der Partner des Verpflichteten in einer Region mit ausreichender ärztlicher Versorgung lebt und arbeitet.750 Hierbei handelt es sich um ein allgemeines Lebensrisiko, das alle Paare für die Dauer ihrer Berufstätigkeit tragen und das seine Ursache allein in der Risikosphäre des Verpflichteten hat. – Schließlich fehlt es an einem Härtefall, wenn sich die fachlichen Präferenzen des Betreffenden im Verlaufe seines Medizinstudiums ändern und er eine Fachrichtung einschlagen möchte, die mit der eingegangenen Verpflichtung nicht kompatibel ist. Den Betreffenden auch in diesem Fall an seiner Verpflichtung festzuhalten, ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.751 Denn er ist zur Erkundung seiner fachlich-medizinischen Interessen grundsätzlich nur deshalb in der Lage, weil die Vorabquote ihm einen Studienplatz ermöglicht, den er, ohne die Verpflichtung einzugehen, gerade nicht erhalten hätte. Die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung in solchen für unzumutbar zu halten, würde, wie die Rechtsprechung zu Recht betont hat, die gebotene Verpflichtung der Bewerber vollständig entfunktionalisieren. Eine ordentliche Kündigung der Verpflichtung während der laufenden Verpflichtungszeit zuzulassen, ist nicht geboten. Wäre eine ordentliche Kündigung möglich, ohne dass daran Konsequenzen für den kündigenden Verpflichteten geknüpft wären, so wäre die Verpflichtungserklärung sinnentleert. Würde hingegen eine ordentliche Kündigung Konsequenzen wie die Verwirkung einer Vertragsstrafe oder anderes zeitigen, so bedürfte es ihrer nicht, weil sie keine über die schlichte Nichterfüllung der eingegangenen Verpflichtung hinausgehenden Konsequenzen hätte.

748

OVG Münster, Urt. vom 19. 1. 1995 – 6 A 3837/93 –, UA S. 13. Dazu unten E. I. 4. b) dd) (2), S. 189 ff. 750 OVG Münster, Urt. vom 19. 1. 1995 – 6 A 3837/93 –, UA S. 16. Für Unzumutbarkeit hingegen Bauer-Schade (Fn. 2), S. 238. 751 Im Ergebnis auch Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 282), S. 8 f. A. M. Bauer-Schade (Fn. 2), S. 238. 749

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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dd) Instrumente Für die Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung sind die Instrumente von zentraler Bedeutung, welche die Pflicht zur (späteren) Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet absichern. Von ihrer Wirksamkeit hängt die Effektivität der Verpflichtungserklärung ab. Unterscheiden lassen sich insoweit finanziell wirkende Instrumente wie die Pflicht zu einer Ausgleichszahlung oder Vertragsstrafe von an den Status anknüpfenden Instrumenten wie dem Verbot der Niederlassung außerhalb unterversorgter Gebiete oder dem Entzug der Approbation. (1) Ausgleichszahlung Die rechtswissenschaftliche Literatur geht davon aus, dass die vertragliche Auferlegung eines finanziellen Ausgleichs für die erhaltene Ausbildung bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen im Wege einer Landarztquote zulässig ist.752 Als Vorbilder weist sie auf die Regelungen für Sanitätsoffiziere im SoldatenG753 sowie in Verträgen über die Förderung eines Studiums mit anschließender Verpflichtung zu bestimmten Tätigkeiten754 hin.755 Zutreffend erkennt sie dabei, dass die Studierenden, die über eine Landarztquote zugelassen werden, nur den Studienplatz als solchen und nicht – anders als in den genannten Beispielen – (auch) eine finanzielle Unterstützung während des Studiums erhalten, so dass eine Rückzahlung im engeren Sinne nicht möglich ist.756 Allerdings erachtet die Literatur eine „Ausgleichszahlung“ für zulässig. Diese soll den zeitlichen Vorteil, welche die Bewerber gegenüber Mitbewerbern um einen Medizinstudienplatz erlangt haben, ausgleichen und sich in der Höhe an der Wartezeit orientieren, die ohne die Berücksichtigung im Rahmen der Vorabquote angefallen wäre.757 Von der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Fall der Kriegsdienstverweigerung durch Sanitätsoffiziere entwickelten verfassungskonformen Beschränkung der gemäß SoldatenG zurückzuzahlenden Ausbildungskosten auf einen bloßen Vorteilsausgleich unterschiede sich eine solche „Ausgleichszahlung“ deutlich. Im Rahmen des Vorteilsausgleichs hat der ehemalige Sanitätsoffizier namentlich die Aufwendungen zu erstatten, die er dadurch erspart hat, dass er die Fachausbildung nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen.758 Da mit der 752

Kühl (Fn. 5), S. 157; Bauer-Schade (Fn. 2), S. 239. Dazu oben E. I. 3. d), S. 164 ff. 754 Dazu oben E. I. 3. b), S. 154 ff. 755 Kühl (Fn. 5), S. 157. 756 Kühl (Fn. 5), S. 157 f. 757 Kühl (Fn. 5), S. 158. 758 BVerwG, Urt. vom 30. 3. 2006 – 2 C 18/05 –, juris Rn. 20; Urt. vom 28. 10. 2015 – 2 C 40/13 –, juris Rn. 17. Hierzu bereits oben S. 168. 753

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Zuerkennung eines Studienplatzes aus einer Landarztquote keine Übernahme von Kosten für die Dauer des Medizinstudiums verbunden ist, sind die diesbezüglich in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht analogiefähig. Wie der durch die Zulassung im Rahmen der Vorabquote erlangte zeitliche Vorteil in Geld berechnet werden soll, ist unklar. Dies gilt zunächst für Fälle, in denen der Betreffende eine Zulassung zum Medizinstudium ohne eine Vorabquote voraussichtlich überhaupt nicht erlangt hätte. Allerdings ließe sich insoweit mit einer zeitlichen Kappungsgrenze arbeiten. Der zeitliche Vorteil lässt sich insbesondere nicht in Gestalt ersparter allgemeiner Lebenshaltungskosten abbilden. Denn diese fallen unabhängig davon an, ob der Betreffende noch auf einen Medizinstudienplatz wartet oder ihn schon innehat. Finanziell schlägt sich die Verkürzung einer sonst zu absolvierenden Wartezeit allein darin nieder, dass der Betreffende früher Zugang zum Arbeitsmarkt für Ärzte erhalten und verglichen mit den Verdienstmöglichkeiten in der Wartezeit typischerweise höhere Einkünfte erzielen wird. Abgeschöpft würde also diese (hypothetische) Einkommensdifferenz für die Dauer der (fiktiven) Wartezeit. Darauf, dass die Berechnung eines solchen Deltas nicht rechtssicher möglich ist, hat das Bundesverwaltungsgericht explizit hingewiesen: „Welchen finanziellen Gewinn der ausgeschiedene … (Verpflichtete) in seinem weiteren Berufsleben aus den erworbenen Fachkenntnissen ziehen wird, lässt sich nicht einmal annähernd prognostizieren. Derartige Möglichkeiten sind nicht ausschließlich auf den unmittelbar erworbenen Vorteil zurückzuführen und lassen sich auch nicht nachprüfbar messen.“759

Es ist deshalb eher wahrscheinlich, dass die Rechtsprechung die Einführung einer im wissenschaftlichen Schrifttum vorgeschlagenen „Ausgleichszahlung“ für unzulässig erklärt. Überzeugend wäre das nicht unbedingt. Denn auch wenn sich ein empfangener Vorteil nicht ohne Weiteres individuell bemessen lässt, so hat er doch einen ausgleichsfähigen Wert, der sich als typisierter allgemeiner Vorteil ansetzen lässt, welcher den wirtschaftlichen Vorteil privilegierter Zulassung zum Studium abstrakt misst. Folgt man dem nicht, wäre in Anlehnung an § 56 Abs. 4 S. 1 SoldatenG jedoch eine Pflicht zum Ausgleich der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten, anteilig entfallenden Kosten der betreffenden Universität für den in Anspruch genommenen Medizinstudienplatz denkbar. Dabei handelt es sich nicht um den Ausgleich einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung im Sinne der Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.760 Denn der Rechtsgrund – die Zuweisung des Studienplatzes aus der Vorabquote – bliebe bestehen. Sofern ein 759

BVerwG, Urt. vom 30. 3. 2006 – 2 C 18/05 –, juris Rn. 20. Dazu BVerwGE 112, S. 351 (353 f.); BVerwG NJW 2006, S. 3225 (3226); Baldus/ Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 2013, Kap 2 B II, Rn. 501; Ossenbühl/ Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., 2013, S. 530 ff. 760

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Rechtsgrund für die Rückforderung der Kosten, die der Universität für den in Anspruch genommenen Medizinstudienplatz entstanden sind, in Gestalt einer vertraglichen Regelung auf der Grundlage der zu schaffenden gesetzlichen Regelung761 statuiert würde, wäre ein solcher Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich möglich. In Anbetracht der generellen Beitragsfreiheit des Studiums an deutschen staatlichen Universitäten würde es sich bei der Pflicht zur Zahlung der Kosten für einen aufgrund gültiger Zulassung erlangten Medizinstudienplatz allerdings um ein Instrument handeln, um den Betreffenden zu dem gewünschten Verhalten zu veranlassen. Anders als im Falle der an Hochschulen der Bundeswehr Studierenden, denen der Arbeitgeber die real aufgewendeten Kosten für die Zurverfügungstellung eines Studienplatzes an einer arbeitgebereigenen Universität erstattet,762 stünde der Erzwingungscharakter eindeutig im Vordergrund. Typologisch würde es sich mithin um eine Vertragsstrafe handeln (dazu sogleich). (2) Vertragsstrafe Die Sicherung der Verpflichtung, nach Abschluss des Medizinstudiums in einem ärztlich unterversorgten Gebiet tätig zu werden, durch ein Vertragsstrafeversprechen ist – insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung – eindeutig zulässig.763 Die Statuierung einer Vertragsstrafe ist ein wirksames Mittel, die im Wege der Vorabquote zum Medizinstudium Zugelassenen zur Erfüllung dieser Verpflichtung wirksam anzuhalten. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe verstößt nicht als solche gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist namentlich – bei entsprechender Höhe – geeignet, das mit ihr verfolgte Ziel der Sicherung der Verpflichtung zur Tätigkeit in einer unterversorgten Region zu erreichen. Ein milderes Mittel, mit dem sich dieses Ziel gleich wirksam erreichen lässt, besteht nicht. In keiner der dargestellten Entscheidungen zur Vertragsstrafe im öffentlich-rechtlichen Bereich764 die Rechtsprechung die Erforderlichkeit einer Vertragsstrafe überhaupt auch nur diskutiert. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass die Gewährung finanzieller Vorteile, z. B. in Gestalt von finanziellen Zuschüssen bei der Praxisgründung bzw. -übernahme oder in Form von Honorarzuschlägen bei der Niederlassung als Arzt in einem unterversorgten Gebiet, ein gleich wirksames milderes Mittel darstellt. Diese Frage stellt sich allein für die verfassungsrechtliche Bewertung, ob finanzielle Vergünstigungen ein milderes Mittel im Verhältnis zur Verfolgung von Lenkungszielen bei der Zulassung zum Studium in Gestalt der Vorabquote darstellen.765

761 762 763 764 765

Dazu oben D. I., S. 137 f. Zur Berechnung der sog. Rahmenkosten vgl. die Nachweise in Fn. 678. Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 445), S. 5. Dazu oben E. I. 3. b)–d), S. 154 ff. Dazu oben B. II. 2. c) aa) (1) und (2), S. 53 ff.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit eines solchen Instruments766 wäre die Versagung eines Vertragsarztsitzes außerhalb der untersorgten Gebiete für Ärzte, die ihren Studienplatz aufgrund einer Vorabquote erhalten haben, jedenfalls kein milderes Mittel als die Stipulierung einer Vertragsstrafe.767 Die Rechtsprechung hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur Zahlung einer Geldleistung bei Verstoß gegen die Pflicht zu einer bestimmten Tätigkeit nach Ausbildungsabschluss die grundsätzliche Wahlfreiheit lässt, ob der Betreffende dieser Verpflichtung nachkommen oder den statuierten Betrag entrichten will.768 Diese Wahlfreiheit würde der bzw. dem Betreffenden durch die Versagung eines Vertragsarztsitzes außerhalb unterversorgter Gebiete nicht zuteil. Lässt sich die Pflicht zur Tätigkeit als Arzt in einem unterversorgten Gebiet im Anschluss an das Medizinstudium (bei entsprechender Länge und der Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung in Härtefällen) mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang bringen, so obwalten auch keine prinzipiellen Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Dass ihre angemessene Höhe nicht einfach zu berechnen sein mag, zieht nicht ihre Unverhältnismäßigkeit nach sich.769 Die Notwendigkeit, verfassungsrechtliche Vorgaben für die Bewertung einer vertraglichen Regelung im Einzelfall heranzuziehen, kann nicht als solche den Verstoß der Regelung gegen diese Vorgaben begründen. Vielmehr hängt die Verhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe von ihrer Höhe und den Modalitäten ihrer Zahlung ab.770 Etwas anderes gälte lediglich dann, wenn die Berechnung einer noch angemessenen Vertragsstrafe gänzlich unmöglich wäre. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr lässt sie sich auf der Grundlage von Annäherungswerten eingrenzen und bestimmen. (a) Denkbarer Maximalbetrag als Ausgangswert In der Rechtsprechung ist für eine 1977 geschlossene Verpflichtungserklärung im weiteren Sinne, welche die spätere Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst sichern sollte, eine Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 DM (= 76.694 E) für zulässig erachtet worden.771 Geht man davon aus, dass der Reinertrag je Praxis im Jahre 1971 115.586 DM (= 59.098 E) betrug,772 so lag der durchschnittliche Reinertrag im Jahre 766

Dazu unten E. I. 4. b) dd) (3), S. 193 f. Im Ergebnis auch Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 282), S. 7. Zu einer Limitierung von Vertragsarztsitzen in Ballungsgebieten und zur Zuweisung von Vertragsarztsitzen in unterversorgten Gebieten als Alternativmaßnahmen zu einer Landarztquote an sich oben B. II. 2. c) aa) (5), S.76 ff., und (6), S.79 f. 768 Oben E. I. 3. b) bb), S. 155 ff. 769 So aber Bauer-Schade (Fn. 2), S. 239. 770 Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 282), S. 7. 771 Vgl. oben Fn. 640 und 661. 772 Gesellschaft für sozialen Fortschritt, Der Wandel der Stellung des Arztes im Einkommensgefüge, Arzteinkommen, Honorierungssystem und ärztliche Tätigkeit, 1974, S. 32. 767

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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2011 mit 235.000 E773 rund viermal so hoch. Selbst wenn man für 2011 den Reinertrag nur je Hausarztpraxis in Höhe von 181.100 E heranzieht,774 liegt dieser Betrag rund dreimal so hoch wie der Vergleichswert 1971. Flankierend kann die Entwicklung der Verbraucherpreise herangezogen werden. Der Preisindex für die Lebenshaltung über alle privaten Haushalte der alten Bundesländer lag im Jahre 1977 bei 58,9. Der abweichend berechnete Verbraucherpreisindex lag 2014 bei 106,6, wobei zu berücksichtigen ist, dass der neue Verbraucherpreisindex um etwa 20 Punkte niedriger liegen dürfte als der frühere Preisindex.775 Hieraus ergibt sich ein genäherter Preisindex für die Lebenshaltung von etwa 126 im Jahre 2014 im Vergleich zu 58,9 im Jahre 1977, also mehr als eine Verdoppelung der Verbraucherpreise. Unter Berücksichtigung dieser Daten wäre es zulässig, für die Berechnung der zulässigen Höhe einer Vertragsstrafe mit mindestens dem doppelten Wert des Betrags, den die Rechtsprechung für einen 1977 geschlossenen Vertrag für zulässig gehalten hat, als Ausgangswert zu operieren. Dieser läge demnach bei mindestens 150.000 E. (b) Überprüfung am Maßstab des Gebots der Verhältnismäßigkeit Der in dieser Weise errechnete Ausgangswert von 150.000 E ist einer Überprüfung am Maßstab des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Die Vertragsstrafe ist, wie die Rechtsprechung zu Recht betont – vorbehaltlich noch tiefer in die Grundrechte des Betreffenden eingreifender Instrumente776 – das einzige Mittel, den im Wege der Vorabquote zum Medizinstudium Zugelassenen zur Erfüllung seiner Verpflichtung anzuhalten. Da der Bewerber den Studienplatz aufgrund des besonderen Vergabeverfahrens der Vorabquote erhält und nur deshalb bzw. zumindest früher mit seiner ärztlichen Ausbildung beginnen kann, es sich darüber hinaus beim Medizinstudium um eine auch außerhalb des öffentlichen Dienstes bzw. der Tätigkeit als Vertragsarzt besonders gut verwertbare Ausbildung handelt, muss die Höhe der Vertragsstrafe „fühlbar“ sein. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die Grundrechte derjenigen Bewerber für das Medizinstudium, die wegen der Ausnutzung der Quote durch andere Bewerber einen Medizinstudienplatz erst mit zeitlicher Verzögerung oder überhaupt nicht mehr erhalten.777 Dieser Maßstab dürfte nicht dazu führen, dass eine Vertragsstrafe in Höhe des Ausgangswertes als unangemessen bezeichnet werden kann. Hieran ändert sich nichts, wenn man die durchschnittliche Leistungsfähigkeit eines Arztes berücksichtigt, der sich zur Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten 773

Statistisches Bundesamt, Einnahmen und Reinerträge von Kassenpraxen: Privateinnahmen machen den Unterschied, Pressemitteilung Nr. 408 vom 4. 12. 2013. 774 https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2013/12/PD13_4 08_525.html (30. 11. 2015). 775 Statistisches Bundesamt, Preise, 2015, S. 3. 776 Dazu unten E. I. 4. b) dd) (3), S. 193 f., und (4), S. 194 f. 777 Dazu auch oben C. I. 3. b) cc) (2) (b), S. 123 f.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Gebiet verpflichtet hat. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass die Höhe der Vertragsstrafe nicht außer Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betreffenden stehen darf. Zur Bestimmung der Grenze der Leistungsfähigkeit nicht geeignet ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Angemessenheit der Höhe einer Vertragsstrafe am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB in Ausbildungsverträgen mit Betriebsbindungsklausel.778 Die dort für den Regelfall vorgenommene Begrenzung der Vertragsstrafenhöhe auf ein Brutto-Monatsgehalt bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beruht darauf, dass der Arbeitgeber die Betriebszugehörigkeit über diese Frist hinaus grundsätzlich nicht erzwingen kann und deshalb kein diesbezügliches berechtigtes Sicherungsinteresse hat. Eine Möglichkeit, sich vorzeitig aus der Verpflichtung zur Tätigkeit als Arzt in unterversorgten Gebieten zu lösen, besteht hingegen – abgesehen von Härtefällen779 – gerade nicht. Ein geeigneterer Anknüpfungspunkt, um die Leistungsfähigkeitsgrenze zu ermitteln, lässt sich der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Begrenzung der Erstattung von Studienkosten durch (vorgesehene) Offiziere des Sanitätsoffiziersdienstes entnehmen. Danach darf die Zahlungspflicht den Verpflichteten nicht für sein gesamtes restliches Berufsleben binden. Vielmehr ist die Verpflichtung zeitlich zu begrenzen. Einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Soldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter hat die Rechtsprechung als angemessen angesehen.780 Im Jahre 2011 betrug das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen über alle Ärztegruppen 5.442 E, bei Ärzten für Allgemeinmedizin 5.018 E.781 Im gleichen Jahr waren von einem Monatseinkommen bis zu 3.154,15 E beim Nichtbestehen von Unterhaltspflichten 1.484,78 E und beim Bestehen von Unterhaltspflichten gegenüber zwei Personen 607,26 E pfändbar. Vollständig pfändbar war der 3.154,15 E übersteigende Mehrbetrag.782 Bei Ärzten für Allgemeinmedizin pfändbar war also ein monatlicher Betrag in Höhe von 3.348 E (ohne Unterhaltsverpflichtungen) bzw. 2.470 E (mit zwei Unterhaltsverpflichtungen). Die Jahresbeträge betrugen mithin 40.175 E bzw. 29.640 E. Bei einer Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 E dürfte daher von einer überlangen Bindung der wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten des Betreffenden kaum gesprochen werden. Allerdings bedürfte es für eine sichere Aussage einer Überprüfung dieses Ergebnisses anhand einer differenzierten Untersuchung der Durchschnittsverdienste niedergelassener Ärzte in ärztlich unterversorgten Regionen.

778

Oben E. I. 3. a) bb) (1), S. 147 ff. Siehe oben E. I. 4. b) cc), S. 185 f. 780 Siehe oben E. I. 3. d) bb), S. 165 ff. mit den Nachweisen in Fn. 696. 781 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Honorarbericht für das erste Halbjahr 2011, 2012, S. 75 und 79. 782 Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2011 vom 9. 5. 2011, BGBl. I 2011, S. 825. 779

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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Vorbehaltlich einer detaillierten Überprüfung der Einkommensstruktur von Landärzten übersteigt eine Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 E im Ergebnis nicht die durch das Verhältnismäßigkeitsgebot gezogenen Grenzen. Eine Abstufung der zu zahlenden Vertragsstrafe nach der Dauer der Tätigkeit in einer ärztlich unterversorgten Region ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Eine solche Abstufung würde die Dauer der Tätigkeit in unterversorgten Gebieten zur Disposition der aufgrund der Vorabquote zugelassenen Landärzte nach individuellen finanziellen Opportunitätserwägungen stellen und damit die Stabilität und Planbarkeit der ärztlichen Versorgung auf dem Land konterkarieren. Im Einzelfall bestehenden Härten trägt bereits die Möglichkeit hinreichend Rechnung, sich vorzeitig aus der eingegangenen Verpflichtung zu lösen:783 Durch sie endet die Verpflichtung selbst, so dass eine Vertragsstrafe auch nicht mehr verwirkt werden kann. Diesbezüglich verhält es sich mithin anders als bei der Rückforderung von Ausbildungskosten: Sie ist vom Fortbestand der eingegangenen Verpflichtung grundsätzlich unabhängig und kann deshalb abgestuft werden.784 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es auch, Regelungen für im Einzelfall eintretende Situationen individueller Überforderung bei der Zahlung der Vertragsstrafe vorzusehen, insbesondere in Gestalt der Möglichkeit der Ratenzahlung und – äußerstenfalls – der Begrenzung der Zahlungspflicht. (3) Versagung eines Vertragsarztsitzes in Ballungsgebieten Als Instrument zur Sicherung der durch die Bewerber eingegangenen Verpflichtung ist prinzipiell die Versagung eines Vertragsarztsitzes in Gebieten mit gesicherter ärztlicher Versorgung, insbesondere in Ballungsräumen, zumindest denkbar. Die damit verbundene Beeinträchtigung des Grundrechts des Betreffenden aus Art. 12 Abs. 1 GG ist am Maßstab der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht von vornherein unverhältnismäßig. Für allgemeine Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung geht die Rechtsprechung davon aus, dass die „Umleitung“ zulassungswilliger Ärzte von überversorgten in relativ schlechter versorgte Gebiete mit dem Ziel einer gleichmäßigen vertragsärztlichen Versorgung den durch die genannten Grundrechte formulierten Maßstäben genügt.785 Allerdings lässt sich hieraus nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass es zulässig ist, solchen Ärzten einen Vertragsarztsitz in Gebieten mit gesicherter ärztlicher Versorgung zu versagen, die sich vertraglich zu einer mehrjährigen Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet verpflichtet haben. Die Erforderlichkeit einer solchen

783

Dazu oben E. I. 4. b) cc), S. 185 f. Siehe oben E. I. 3. b) bb), S. 155 ff. 785 BVerfG MedR 2001, S. 639; BSG, Urt. vom 2. 10. 1996 – 6 RKa 52/95 –, juris Rn. 19; BSGE 81, S. 207 (212); 82, S. 41 (47). Zur Limitierung der Zulassung in Ballungsgebieten als Alternativmaßnahme zur Landarztquote als solcher siehe oben B. II. 2. c) aa) (5), S. 76 ff. 784

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Regelung bedarf sehr sorgfältiger Prüfung.786 Für die Pflicht zur Rückzahlung von Ausbildungskosten bei Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Tätigkeitsverpflichtung hat das Bundesverwaltungsgericht betont, dass eine solche Regelung hinsichtlich der Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes für den Verpflichteten keinen Zwang zur Betriebstreue erzeugt. Vielmehr belässt sie dem Verpflichteten die Wahlfreiheit, ob er seine Verpflichtung wie vorgesehen erfüllen will und dadurch keine Zahlungspflichten tragen muss oder ob er an einem anderen Ort tätig sein möchte und hierfür die Auferlegung einer Zahlungspflicht in Kauf nimmt.787 Die den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegende Konstellation ist mit der hier behandelten strukturell vergleichbar. Denn die Verpflichtung zur Tätigkeit an einem bestimmten oder noch zu bestimmenden Ort wird auch im Falle der Verpflichtung zur Vertragsarztsitznahme in einem unterversorgten Gebiet vertraglich übernommen und kann daher mit finanziellen Sicherungsinstrumente verknüpft werden. Demgegenüber besteht ein Unterschied zu den Konstellationen in den Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit zu Zulassungsbeschränkungen in Ballungsgebieten.788 Denn dort bestand die instrumentelle Alternative einer Zahlungspflicht bei Verstoß gegen die Primärverpflichtung nicht. An diesen Maßstäben gemessen belässt die Stipulierung einer Vertragsstrafe (für den Fall, dass die Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich der Verpflichtete ausnahmsweise von seinem Versprechen lossagen darf)789 dem Verpflichteten die Wahlmöglichkeit zwischen der Erfüllung der Verpflichtung und der Niederlassung als Arzt in einer Region seiner Wahl – auch in Ballungsgebieten – unter Tragung der dann verwirkten Vertragsstrafe. Da diese ihrer Höhe nach den Betreffenden nicht finanziell überfordern darf, bleibt die individuelle Präferenzierung dem Verpflichteten überlassen. Diese Wahlfreiheit entginge dem Betreffenden durch die generelle Versagung eines Vertragsarztsitzes in nicht unterversorgten Gebieten. Daher ist die Statuierung einer Vertragsstrafe im Verhältnis zur Versagung eines Vertragsarztsitzes in unterversorgten Gebieten als milderes Mittel anzusehen.790 Die Versagung eines Vertragsarztsitzes in unterversorgten Gebieten ist daher im Ergebnis nicht mit den Grundrechten der Betreffenden aus Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren.791 (4) Verweigerung bzw. Entzug der Approbation Die Verweigerung oder der Entzug der Approbation bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet käme faktisch 786 787 788 789 790 791

Bauer-Schade (Fn. 2), S. 244. Hierzu oben E. I. 3. b) bb), S. 155 ff. und die Nachweise in Fn. 618. Siehe Fn. 785. Dazu E. I. 4. b) cc), S. 185 f. Vgl. auch Kühl (Fn. 5), S. 161. Offengelassen von Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 445), S. 7.

I. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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einem Verbot der Ausübung des Berufs des Arztes gleich. Da die Maßnahme tief in die Berufswahlfreiheit eingreift und die Stipulierung einer Vertragsstrafe in jedem Fall ein milderes Mittel ist, ist eine Versagung bzw. der Entzug der Approbation nicht mit den Grundrechten der Verpflichteten vereinbar.792 (5) Zusammenfassung und Muster einer Verpflichtungserklärung Die wesentlichen Elemente zur Ausgestaltung einer Verpflichtungserklärung im weiteren Sinne (in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages) für diejenigen, die einen Studienplatz der Humanmedizin aus der Vorabquote erhalten, sind also: 1. Festlegung des Zwecks der Verpflichtungserklärung: Sicherung und Gewährleistung der künftigen ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten durch eine Vorabquote. 2. Verpflichtung der Begünstigten zur zügigen Absolvierung des Studiums und Mitteilung eventueller Verzögerungen. 3. Verpflichtung der ausgewählten Personen zur ärztlichen Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin im Anschluss an das Studium. Eine Einbeziehung dieses Abschnitts in die Verpflichtung zur Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet ist dabei denkbar. 4. Verpflichtung zu einer ärztlichen Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet für einen Zeitraum von insgesamt bis zu zehn Jahren. Für die Bestimmung der bundesweit zur Erfüllung der Verpflichtung zur Verfügung stehenden Gebiete ist auf die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Vertragsarztzulassung bestehende Feststellungen nach § 100 Abs. 1 SGB V Bezug zu nehmen. 5. Der Antrag auf Vertragsarztzulassung ist binnen festzulegender Frist (bspw. sechs Monate) vorrangig in dem Land zu stellen, in dem das Medizinstudium absolviert wurde, soweit dort unterversorgte Gebiete festgestellt sind. Sollte eine Zulassung in einem unterversorgten Gebiet dieses Landes nicht erlangt werden können, muss der Verpflichtete der zuständigen Stelle nachweisen, dass er innerhalb eines bestimmten Zeitraums (von beispielsweise zwei Jahren) bundesweit alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, eine Zulassung als Vertragsarzt in einem unterversorgten Gebiet zu erhalten. Für den Fall, dass er solche Zulassung innerhalb des Zeitraums nicht erlangt, ist vorzusehen, dass die eingegangene Verpflichtung erlischt. 6. Regelung einer vorzeitigen Beendigung der Verpflichtung in Härtefällen. 7. Festlegung einer Vertragsstrafe in einer Höhe von bis zu 150.000 E für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung in einem ärztlich unterversorgten Gebiet – verknüpft mit der auf Antrag und nach Ermessen einzuräumenden Möglichkeit der Ratenzahlung bzw. – in Ausnahmefällen – des (teilweisen) Erlasses. 792

Wissenschaftliche Dienste BT (Fn. 445), S. 7.

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E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

II. Zuständige Stelle Bei den auf Vorabquoten für die Zulassung zum Medizinstudium basierenden Referenzmodellen „Sanitätsoffiziere“ und „öffentlicher Gesundheitsdienst“ erfolgt bzw. erfolgte die Auswahl der Bewerber durch die Offizierbewerberprüfzentrale als Einrichtung der Bundeswehr793 bzw. – in Hessen – durch das Landesprüfungsamt für Heilberufe.794 In beiden Fällen handelt es sich mithin um von den das Medizinstudium anbietenden Universitäten verschiedene staatliche Stellen mit Aufgaben im Prüfungswesen. Ein Unterschied zu einer Landarztquote besteht jedoch: Sanitätsoffiziere sowie Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst sind jeweils im öffentlichen Dienst beschäftigt, wohingegen Ärzte in unterversorgten Gebieten sich als Vertragsärzte niederlassen.

1. Stiftung für Hochschulzulassung Naheliegend erscheint es prima facie, die Stiftung für Hochschulzulassung mit der Durchführung der Auswahlverfahren zu betrauen.795 Sie könnte dann die Zuordnung der ausgewählten Studienbewerber auf die einzelnen Universitäten nach der Zahl der aufgrund der Vorabquote zur Verfügung stehenden Studienplätze vornehmen.796 Dies ermöglichte es auch, unterschiedliche Unterversorgungssituationen zwischen den einzelnen Bundesländern bei der Auswahl zum Medizinstudium auszugleichen. So wäre es beispielsweise denkbar, dass das Ausmaß der voraussichtlichen Unterversorgung in einem Land die Zahl der aus der Vorabquote abdeckbaren Zulassungen deutlich übersteigt. Eine Zuweisung von Bewerbern an Hochschulen solcher Länder, in denen die Zahl der Bewerber auf Vorabquoten-Studienplätze den Bedarf an Ärzten in prognostisch unterversorgten Gebieten deutlich übersteigt, könnte hier für einen Ausgleich sorgen. Diese Aufgabe ließe sich der Stiftung für Hochschulzulassung durch eine entsprechende Erweiterung des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung übertragen. Allerdings verliehe die Übertragung einer solchen Zuständigkeit den Charakter der Tätigkeit der Stiftung für Hochschulzulassung ein anderes Gesicht. Derzeit trifft die Stiftung ihre Auswahl allein nach dem Grad der Qualifikation für das gewählte Studium (Art. 10 Abs. 1 Nr. 1 HZulEinrErrStV). Die Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte, auch in Form der Durchführung von Gesprächen zur Ermittlung spezifischer Motivationslagen der Bewerber, ist bislang dem von den Hochschulen durchgeführten Auswahlverfahren vorbehalten (Art. 10 Abs. 1 Nr. 3 HzulEinrErrStV). Da mit Blick auf das Recht auf chancengleichen Zugang der übrigen Be793 794 795 796

Oben E. I. 3. d) aa), S. 164 f. Oben E. I. 3. c) aa) (1) (c), S. 160 f. So Kühl (Fn. 5), S. 155. Kühl (Fn. 5), S. 155.

II. Zuständige Stelle

197

werber um einen Medizinstudienplatz sicherzustellen ist, dass die Quoten-Studienplätze tatsächlich zur Beseitigung eines Mangels an ärztlicher Versorgung in unterversorgten Gebieten beitragen,797 ist die Ermittlung zumindest einer Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass der Betreffende später seiner eingegangenen Verpflichtung auch nachkommt. Nach der derzeitigen Aufgabenverteilung wäre eine solche Prüfung sinnvollerweise nicht bei der Stiftung für Hochschulzulassung anzusiedeln. Es erschiene wenig sachgerecht, allein zur Übernahme dieser zusätzlichen Ermittlungsaufgabe die spezifische Konfiguration der Aufgabenverteilung zwischen der Stiftung und den Universitäten bei der Auswahl von Studienbewerbern grundsätzlich zu verändern. Überdies könnte sich die Tätigkeit der Stiftung für Hochschulzulassung allein auf die Auswahl der Studienbewerber im Rahmen der Vorabquote beziehen. Beide unterschiedlichen Prinzipien folgenden Zuteilungsregimes wären sauber ohne das Risiko der Mischung von Zielen voneinander getrennt. Ein ganzheitliches Verfahrensmanagement von der Auswahl bis hin zur Überprüfung der späteren Erfüllung der Verpflichtung zur Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet kann die Stiftung hingegen nicht übernehmen.

2. Hochschulen Ein verfassungsrechtliches Gebot, die Auswahl der Bewerber für einen Medizinstudienplatz aus der Vorabquote den Hochschulen zu übertragen, besteht nicht.798 Die Hochschulautonomie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet den Hochschulen nicht die Autonomie der Vergabe von Studienplätzen. Bei ihr handelt es sich vielmehr um eine staatliche Angelegenheit.799 Überließe der Gesetzgeber den Hochschulen die Auswahl der Bewerber auf Studienplätze aus der Vorabquote,800 so wäre er in jedem Fall gehalten, die Art der anzuwendenden Auswahlkriterien und deren Rangverhältnis untereinander festzulegen.801 Die Gestaltung des Auswahlverfahrens hat neben den Grundrechten der Bewerber um einen Medizinstudienplatz auch dem Zweck der Vergabe von Studienplätzen aus der Vorabquote Rechnung zu tragen. Das Auswahlverfahren der Hochschulen zur Vergabe von Studienplätzen im Rahmen der Hauptquote umfasst u. a. den Grad der Qualifikation, das Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests sowie das Ergebnis eines Gesprächs mit den Bewerbern, um die Mo797

Dazu oben E. I., S. 140 f. Hierzu bereits oben, B. III., S. 97 ff. 799 Dazu auch Geis (Fn. 363), § 100, Rn. 33; Krausnick (Fn. 364), Kap. I/IV, Rn. 168; siehe auch oben B. III., S. 97 ff. sowie die Nachweise in Fn. 367. 800 Die Implementierung einer Landarztquote im Rahmen des hochschulinternen Auswahlverfahrens ist de lege lata unzulässig, Näheres oben D. II., S. 138 f. 801 BVerfG, NJW 1972, S. 1561 (1568). 798

198

E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

tivation und die Identifikation mit dem gewählten Studium und dem angestrebten Beruf zu erschließen (Art. 10 Abs. 1 Nr. 3 HZulEinrErrStV). Wie sich bereits aus der Unterscheidung zwischen Vorabquote und Hauptquote ergibt, treffen die Hochschulen ihre Auswahl für die Vergabe von Studienplätzen aus der Hauptquote in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Qualifikation, Eignung und Motivation für das gewählte Studienfach mit Blick auf einen erfolgreichen Studienabschluss sowie die anschließende berufliche Tätigkeit im Allgemeinen. Aspekte, die für die Einrichtung einer Vorabquote in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs (Art. 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HZulEinrErrStV) und die Erreichung des damit verfolgten Zwecks bestimmend sind, finden dabei keine Berücksichtigung.802 Den Hochschulen fehlt dafür in der Regel auch die für die Bewertung dieser Aspekte erforderliche Sachkunde und Erfahrung. Eine eigenständige Bewertung der soldatischen Eignung und Motivation eines Bewerbers für einen Studienplatz aus der Vorabquote für Sanitätsdienst-Offiziere wäre den Hochschulen beispielsweise kaum möglich. Zwar mag die Tätigkeit als Arzt in einem unterversorgten Gebiet näher an dem allgemeinen Berufsbild eines Mediziners liegen als die Tätigkeit als SanitätsdienstOffizier der Bundeswehr. Schon mit Blick auf die Grundrechte der Bewerber auf Studienplätze aus der Hauptquote ist es aber geboten, dass die Auswahl von Bewerbern auf Studienplätze aus der Vorabquote weitestmöglich sicherstellt, dass die Ausgewählten später auch tatsächlich in einem unterversorgten Gebiet tätig werden.803 Neben der allgemeinen Studierfähigkeit für das Studienfach Medizin muss daher auch die Motivation für die Tätigkeit als Arzt unter den spezifischen Bedingungen unterversorgter Gebiete überprüft werden. Eine solche Überprüfung könnte zwar landesrechtlich den Universitäten übertragen werden. Es bedürfte hierfür jedoch der Institutionalisierung besonderer organisatorischer und prozessualer Sicherungen unter Einbeziehung hochschulexterner Personen. Dabei wäre auch zu beachten, dass das Auswahlverfahren strikt dem Ziel der Vorabquote verpflichtet bleibt und allgemeinen hochschul- und standespolitischen Erwägungen keinen Raum gibt. Beispielsweise lehnte der 113. Deutsche Ärztetag im Jahre 2010 eine „Landarztquote“ „für Abiturienten mit schlechterem Abiturschnitt“ „kategorisch ab“804. Nach Auffassung des Studiendekans einer der renommiertesten medizinischen Fakultäten würde „eine Quote für Landärzte außerhalb eines gesunden Wettbewerbes um die Studienplätze … nahelegen, dass wir auf dem Land weniger gut qualifizierte Ärzte brauchen als … in der Stadt (und) … das falsche Signal auch an die Bevölkerung (senden), dass Landärzte Mediziner 2. Klasse sind“805. Bei einer Übertragung der Zuständigkeit zur Auswahl aus der Vorabquote an 802

Dazu auch bereits D. II., S. 138 f. Siehe hierzu oben E. I., S. 140 f. 804 Bundesärztekammer (Fn. 64), S. 84. 805 Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Studiendekan: „Landarzt-Quote“ ist fatales Signal, Pressemitteilung vom 8. 4. 2010. Die Sicherstellung einer hinreichenden fachlichen Qualität bei der Bewerberauswahl zum Medizinstudium ist Ausdruck der verfassungsrechtlichen Angemessenheit einer Landarztquote, hierzu oben B. II. 2. c) bb) (1), S. 91. 803

II. Zuständige Stelle

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die Hochschulen wäre mithin sicherzustellen, dass diese keine ihnen verschlossene „Niveaupflege“806 betreiben, die eine Verpflichtung einer hinreichenden Zahl von Bewerbern für eine spätere Tätigkeit in ärztlich unterversorgten Gebieten ggf. konterkarieren könnte. Schließlich wäre ein ganzheitliches Verfahrensmanagement von der Auswahl bis hin zur Überprüfung der späteren Erfüllung der Verpflichtung zur Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet mit den landesgesetzlich festgelegten Aufgaben der Hochschulen nur schwer zu vereinbaren. So beschreibt etwa § 2 Abs. 1 HochSchG Rheinland-Pfalz die Aufgaben der Hochschulen dahin gehend, dass diese der Pflege und der Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Kunstausübung, Lehre und Studium dienen. Hierzu gehört die Kontrolle, wo ein ehemaliger Studierender der Hochschule sich später als Vertragsarzt niederlässt, nicht. Zwar können gemäß § 2 Abs. 9 S. 1 HochSchG Rheinland-Pfalz den Hochschulen im Benehmen mit ihnen durch Rechtsverordnung oder durch Vereinbarung weitere Aufgaben übertragen werden. Jedoch müssen diese weiteren Aufgaben mit den genannten Kernaufgaben zusammenhängen. An einem solchen Zusammenhang fehlt es für die Durchsetzung der Verpflichtung, in einem ärztlich unterversorgten Gebiet tätig zu werden – zumal die Forderung einer Erstattung von Kosten für das Medizinstudium von demjenigen, der die Verpflichtung nicht einhält, gerade nicht möglich ist.807 Die Übertragung des ganzheitlichen Verfahrensmanagements auf die Hochschulen wäre mithin nur durch ein Gesetz möglich. Dieses wiederum wäre sorgfältig am Maßstab des Art. 5 Abs. 3 GG daraufhin zu überprüfen, inwieweit die Hochschulen mit solchen, nicht mit Forschung und Lehre zusammenhängenden und sich insoweit auch von den Auftragsangelegenheiten der Hochschulen unterscheidenden Aufgaben belastet werden dürfen.

3. Andere Stelle Die Betrauung anderer Stellen der Länder mit der Auswahl der Bewerber auf Vorabquoten-Studienplätze und der Überwachung der dabei eingegangenen Verpflichtungen ist möglich. Ein allgemeiner institutioneller Gesetzesvorbehalt, der dem Gesetzgeber auferlegt, die Zuordnung von Zuständigkeiten zu Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung detailliert zu regeln, ist aus der Verfassung nicht abzuleiten.808 Ihm sind nur die wesentlichen Zuständigkeitsfragen vorbehalten. Die 806

Vgl. VGH München, Beschl. vom 2. 2. 2012 – 7 CE 11.3019 –, juris Rn. 23. Oben E. I. 4. b) dd) (1), S. 187 ff. 808 Reimer, § 9 – Das Parlamentsgesetz als Steuerungsmittel und Kontrollmaßstab, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl., 2012, Rn. 37; Wißmann, § 15 – Verfassungsrechtliche Vorgaben der Verwaltungsorganisation, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl., 2012, Rn. 35. Eingehend Burmeister, Herkunft, Inhalt und Stellung des institutionellen Gesetzesvorbehalts, 1991. 807

200

E. Rechtliche Ausgestaltung des Modells einer Landarztquote de lege ferenda

Wesentlichkeit bemisst sich dabei in erster Linie danach, in welchem Maße das institutionelle Arrangement die Grundrechtssphäre der Bürger berührt.809 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Hochschulzulassungsrecht hat der Gesetzgeber die Art der anzuwendenden Auswahlkriterien und deren Rangverhältnis untereinander festzulegen.810 Gleiches gilt für die Mechanismen, die sicherstellen, dass die Bewerber auf Studienplätze aus der Vorabquote sicherstellen, dass die Ausgewählten später auch tatsächlich in einem unterversorgten Gebiet tätig werden.811 Insoweit bedarf es einer gesetzlichen Festlegung, mit welchen inhaltlichen Kompetenzen und Erfahrungen die Stelle bei ihren Entscheidungen konfiguriert und wie das Verfahren zur Findung der Auswahlentscheidung ausgestaltet sein muss. Wegen der Grundrechtsrelevanz dieser organisatorischen und prozeduralen Kautelen muss der Gesetzgeber die zentralen Entscheidungen selbst treffen.

4. Zwischenfazit Als zuständige Stelle, die sowohl die Auswahl der Bewerber für einen Studienplatz aus der Vorabquote als auch das weitere Verfahrensmanagement bis hin zur Überprüfung der späteren Erfüllung der Verpflichtung zur Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet übernimmt, kommt die Stiftung für Hochschulzulassung nicht in Betracht. Die Hochschulen könnten die Auswahl der Bewerber zwar leisten, jedoch nur unter Institutionalisierung besonderer organisatorischer und prozessualer Sicherungen und Einbeziehung hochschulexterner Personen. Darüber hinaus wäre ein ganzheitliches Verfahrensmanagement mit den Aufgaben der Hochschulen nur schwer zu vereinbaren. Die Länder können andere Stellen mit den Aufgaben der Auswahl der Bewerber auf Studienplätze der Vorabquote und der Überwachung der Einhaltung der von jenen eingegangenen Verpflichtungen durch ein Gesetz betrauen. Es muss die inhaltlichen Kompetenzen und Erfahrungen der Stelle sowie das Verfahren zur Findung der Auswahlentscheidung regeln.

809 Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl., 2016, § 3, Rn. 7 ff.; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 2013, § 3, Rn. 8. 810 BVerfG, NJW 1972, S. 1561 (1568). 811 Siehe oben E. I., S. 140 f.

F. Zusammenfassung Das Modell einer Landarztquote lässt sich in verfassungskonformer Weise812 ausgestalten. Es kann ein Bestandteil eines Bündels von Maßnahmen zur Sicherung einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung sein.

I. Empirischer Befund und politische Pläne In absoluten Zahlen gemessen gibt es in Deutschland gegenwärtig keinen Ärztemangel. Gleichwohl zieht die voranschreitende Urbanisierung, der demographische Wandel sowie die steigende Nachfrage nach ärztlichen Leistungen eine asymmetrische Versorgungslage nach sich. Ländliche Regionen, insbesondere in den neuen Bundesländern, sind schon heute partiell mit Ärzten, allen voran Allgemeinmedizinern, unterversorgt. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken.813 Eine Landarztquote setzt als „Gegengift“ an der Zulassung zum Medizinstudium an: Sie gesteht solchen Bewerbern in den Grenzen eines Kontingents eine privilegierende Zulassung zum Medizinstudium zu, die sich verpflichten, eine spätere Tätigkeit im hausärztlichen Bereich in unterversorgten ländlichen Regionen aufzunehmen. Der Gesetzgeber ist kompetenziell (II.) und grundrechtlich (III.) befugt, eine solche Regelung zu treffen.

II. Gesetzgebungskompetenz Das Recht der Hochschulzulassung unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder (Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG). Auf dieser Grundlage darf der Bund – jedenfalls als Annex – auch den Inhalt einer Verpflichtungserklärung als Teil eines Landarztquotenkonzepts selbst regeln. Nach ihrem inhaltlichen Regelungsschwerpunkt gehören die Vorgaben für die Ausgestaltung einer Verpflichtungserklärung zur Hochschulzulassung und zum Recht der

812

Zur Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 21 AEUV und der Niederlassungsfreiheit der Bewerber siehe B. IV., S. 100 ff. und C. IV., S. 133 ff. sowie unten IV., S. 205 f. 813 Vgl. ausführlich zu diesen Aspekten A. I., S. 16 ff.

202

F. Zusammenfassung

Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) – nicht zum ärztlichen Berufsausübungsrecht, für das alleine die Länder die Regelungskompetenz innehaben.814 Der Bund hat zwar durch den Erlass des HRG seine konkurrierende Kompetenz für die Zulassung von Studienplätzen ausgefüllt. Den Ländern ist es jedoch unbenommen, im Bereich der Hochschulzulassung von den Regelungen abzuweichen, die der Bund getroffen hat (Art. 72 Abs. 3 Nr. 6 GG). Tun sie dies, geht ihre gesetzliche Normierung als das spätere Gesetz vor (Art. 72 Abs. 3 S. 2, Art. 125b Abs. 1 S. 3 GG). Die Regelungskompetenz der Länder erfährt durch den Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung eine binnenwirksame Einschränkung. Er verpflichtet die Länder, übereinstimmende Ausführungsverordnungen zum HRG zu erlassen, soweit dies für eine zentrale Vergabe der Studienplätze notwendig ist (Art. 12 Abs. 2 HZulEinrErrStV). Eine in allen Ländern einheitliche Höhe der Vorabquote für Landärzte erzwingt diese Regelung allerdings nicht. Die Studienplatzvergabe lässt sich auch mit unterschiedlichen Ländervorabquoten zentral vollziehen. Erlassen die Länder dem Staatsvertrag widersprechende Regelungen, sind diese überdies (außer in Hessen) wirksam und gehen den zum Staatsvertrag erlassenen Umsetzungsgesetzen als lex posterior vor.815

III. Vereinbarkeit mit den Grundrechten Eine Vorabquote für angehende Ärzte in unterversorgten Regionen lässt sich in einer mit den Grundrechten der verdrängten Bewerber (1.) sowie der Bewerber, die sich der Verpflichtung unterwerfen (3.), zu vereinbarenden Weise ausgestalten. Auch die Hochschulautonomie (2.) verletzt sie nicht.

1. Grundrechte konkurrierender, verdrängter Bewerber Eine Privilegierung Einzelner auf der Grundlage einer Landarztquote beeinträchtigt das (verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG abgesicherte) Teilhaberecht anderer Bewerber.816 Sie ist gleichwohl unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigbar. Es bestehen Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, welche die Privilegierung zu rechtfertigen vermögen.

814 815 816

Siehe B. I. 3., S. 42 f. Vgl. hierzu B. I. 2. b) cc) (2), S. 40 ff. Siehe im Einzelnen zu Inhalt und Herleitung dieses Teilhaberechts B. II. 1., S. 44 ff.

III. Vereinbarkeit mit den Grundrechten

203

a) Erforderlichkeit Anstelle einer Vorabquote sind zahlreiche andere Maßnahmen denkbar, die grundrechtlich weniger einschneidend sind als die Etablierung einer Vorabquote, insbesondere: Vergütungsanreize sowie Stipendien für angehende Ärzte in unterversorgten Regionen,817 die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für diese Ärztegruppe,818 die Anwerbung ausgebildeter ausländischer Ärzte,819 die Erhöhung der Gesamtstudierendenanzahl für das Studienfach Medizin,820 ferner die Limitierung der Berufszulassung in überversorgten Ballungsräumen,821 die Zuweisung von Vertragsarztsitzen in unterversorgte Gebiete,822 ein Pflichtjahr im ländlichen Raum für Jungmediziner,823 die Einbeziehung weiterer Akteure in die gesundheitliche Versorgung824 sowie Maßnahmen der Telemedizin.825 Diese verbürgen die Zielerreichung, sei es individuell, sei es in ihrer Kumulierung, aber nicht mit der gleichen Sicherheit: Es zeichnet sich ab, dass die bereits getroffenen und ergänzend denkbaren Maßnahmen den künftigen Bedarf nicht in hinreichendem Umfang sicher zu befriedigen vermögen. Das Ausmaß der sich abzeichnenden Bedarfslücke macht die Zulassung zum Studium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung als Baustein eines Maßnahmenpaketes daher nicht ohne Weiteres entbehrlich. Eine gesetzgeberische Prognose, dass Alternativen zur privilegierten Zulassung zum Medizinstudium auf der Grundlage einer Verpflichtungserklärung (sowohl einzeln als auch in ihrer Bündelung) nicht ausreichen werden, um ein Niveau ärztlicher Versorgung zu erreichen, das einer erwünschten Gesundheitsversorgung der ländlichen Bevölkerung entspricht, hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine kollidierende Grundrechtspositionen auf unsicherer Tatsachengrundlage zum Ausgleich bringende Abwägungsentscheidung stand. Das Niveau einer erwünschten und angemessenen Gesundheitsversorgung zu definieren, fällt dabei grundsätzlich in die politische Gestaltungsmacht des Gesetzgebers. Ihm steht es im Rahmen seines Einschätzungsspielraums frei, auf das Mittel der Quote zurückzugreifen, um das politisch legitimerweise gewählte (und der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG entsprechende) Ziel einer qualitätsvollen flächendeckenden ärztlichen Versorgung hinreichend zuverlässig erreichen zu können.

817 818 819 820 821 822 823 824 825

Siehe B. II. 2. c) aa) (1), S. 53 ff. Siehe B. II. 2. c) aa) (2), S. 64 ff. Siehe B. II. 2. c) aa) (3), S. 70 ff. Siehe B. II. 2. c) aa) (4), S. 74 ff. Siehe B. II. 2. c) aa) (5), S. 76 ff. Siehe B. II. 2. c) aa) (6), S. 79 f. Siehe B. II. 2. c) aa) (7), S. 80 ff. Siehe B. II. 2. c) aa) (8), S. 82 ff. Siehe B. II. 2. c) aa) (9), S. 85 ff.

204

F. Zusammenfassung

b) Angemessenheit Angemessen ist die privilegierte Zulassung angehender Ärzte in unterversorgten Regionen nur dann, wenn denjenigen Bewerbern, die keine Verpflichtungserklärung abgeben können oder wollen, eine realistische Chance auf einen Zugang zum Medizinstudium verbleibt.826 Die Zahl der im Wege einer Quote zugeteilten Studienplätze darf das kraft verfassungsrechtlicher Wertentscheidung als dominierend konzipierte Grundprinzip vorrangiger Zulassung nach Maßgabe der Eignung und zumutbarer Wartezeit insbesondere nicht über Gebühr verdrängen. Dem Ziel, eine angemessene flächendeckende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, entspricht eine Landarztquote auch nur dann, wenn die Studienbewerber eine hinreichende Gewähr für ein Mindestmaß der fachlichen Eignung als Arzt in einer unterversorgten Region bieten; die Verpflichtungserklärung darf also kein Tauschgeschäft für unzureichende fachliche Eignung sein. Die Verpflichtung zur Tätigkeit in einer unterversorgten Region muss der Staat – im Rahmen der Verhältnismäßigkeit – mit wirksamen Sanktionen durchsetzen. Er steht in der Pflicht, nach Kräften zu verhindern, dass Bewerber die über die Quote zugewiesenen Studienplätze nur nutzen, um zum Medizinstudium zugelassen zu werden, ohne sich nach der Approbation tatsächlich in einer unterversorgten Region niederzulassen. Sonst verfehlt der Bedarfslenkungsansatz der Vorabquote sein Ziel und entbehrt damit einer Legitimation. Die Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG lässt eine – in ihrer Höhe limitierte – Vorabquote daher nur dann als angemessene Abwägung mit dem kollidierenden Rechtsgut des Teilhaberechts aus Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG erscheinen, wenn die knappen Studienplätze denjenigen vorbehalten sind, welche die ärztliche Versorgung auf dem Land durch ihre spätere Tätigkeit tatsächlich auf hinreichendem fachlichem Niveau verbessern.

2. Autonomie der Hochschulen Eine gesetzliche Verpflichtung der Hochschulen im hochschuleigenen Auswahlverfahren eine Verpflichtungserklärung zu berücksichtigen, verletzt nicht deren Autonomie (Art. 5 Abs. 3 GG).827 Die Studierendenauswahl ist kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht der jeweiligen Hochschule, sondern eine originäre staatliche Aufgabe. Die Autonomie der Hochschulen bzw. deren Wissenschaftsfreiheit ist insoweit lediglich mittelbar betroffen, ohne dass sie selbst einen originären Schutzanspruch genießen.828

826

Dazu im Einzelnen B. II. 2. c) bb), S. 90 ff. Dazu B. III., S. 97 ff. 828 Zur Berücksichtigung einer Landarztquote im hochschuleigenen Auswahlverfahren nach § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG siehe D. II., S. 138 f. und sogleich unter V., S. 206 f. 827

IV. Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten

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3. Grundrechte der sich zur Landarzttätigkeit verpflichtenden Bewerber Die Verpflichtungserklärung berührt die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) desjenigen, der sich einer Verpflichtungserklärung unterwirft. Ihre Freiwilligkeit alleine schließt einen Grundrechtseingriff nicht aus. Denn mit ihr veranlasst der Staat den Einzelnen in einer frühen Lebensphase zu umfassenden, Weichen stellenden Festlegungen hinsichtlich Ort und Art der später auszuübenden Tätigkeit, die einer „coactus volui-Situation“, also einer Einschränkung der Handlungswahloptionen, entspringen.829 Dieser Eingriff ist aber rechtfertigbar, soweit die mit der Verpflichtungserklärung verbundenen Belastungen (im Vergleich zu dem erlangten Vorteil) verhältnismäßig, insbesondere zumutbar sind.830 Die angemessene Gesundheitsversorgung ländlicher Regionen entspricht einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Das Bündel wirksamer Maßnahmen, um diese Gesundheitsversorgung auf Dauer in wirksamer Weise sicherzustellen, ist überschaubar. Durch eine Verpflichtungserklärung, die einen privilegierten Zugang zum Studium der Medizin eröffnet, darf der Staat den späteren Einsatz eines angehenden Arztes in ländlichen Regionen daher grundsätzlich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise sicherstellen. Ihre Ausgestaltung im Detail, insbesondere hinsichtlich der Dauer der Belastung sowie der örtlichen Wahlfreiheit, muss aber der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung des Art. 12 Abs. 1 GG angemessen Rechnung tragen.

IV. Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten Die Privilegierung angehender Landärzte bei der Studienzulassung kann Studienbewerber aus anderen Mitgliedstaaten mittelbar diskriminieren (Art. 18 Abs. 1 i. V. m. Art. 21 Abs. 1 AEUV). Die Diskriminierung ist jedoch (solange die Quote in moderater Höhe festgesetzt ist und damit für ausländische Bewerber ausreichend weiter diskriminierungsfreier Zugang zum Medizinstudium eröffnet ist) durch das Ziel flächendeckender ärztlicher Versorgung gerechtfertigt.831 Die (sanktionsbewehrte) Verpflichtungserklärung, die ein Landarztquoten-Studierender abgibt, hindert ihr unterworfene Ärzte daran, ihre Niederlassung frei innerhalb der Union zu wählen; sie beschränkt die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 Abs. 1 AEUV.832 Dass die Verpflichteten die Erklärung nicht aufgrund rechtlichen Zwangs, sondern kraft eigenen (die verfügbaren Entscheidungsalternativen abwägenden) Entschlusses abgeben, ändert daran nichts. Nur dann aber, wenn diejenigen, 829 830 831 832

Siehe im Einzelnen C. I. 2. a) cc), S. 114 ff. Dazu C. I. 3. b) dd), S. 124 ff. Hierzu B. IV., S. 100 ff. Hierzu C. I., S. 110 ff.

206

F. Zusammenfassung

welche den privilegierten Zugang zum Medizinstudium auf der Grundlage ihrer Bereitschaft zu einer späteren Landarzttätigkeit erhalten, sich auch tatsächlich in einer unterversorgten Region niederlassen, lässt sich ihre Privilegierung bei der Bewerberauswahl legitimieren und das Ziel flächendeckender angemessener Gesundheitsversorgung, das die Verträge anerkennen, erreichen.833 Die Einwirkung in die Niederlassungsfreiheit, die von der Verpflichtungserklärung ausgeht, muss sich in ihrer Bindungsdauer und Sanktionsintensität dabei freilich auf das zur Erreichung dieses Zwecks Geeignete und Erforderliche beschränken.834

V. Einfachgesetzliche Ausgestaltung der Modelle Den Ländern steht bereits nach dem geltenden Recht die Möglichkeit offen, eine Vorabquote für die Zulassung zum Medizinstudium einzuführen. Es ist ihnen bundesrechtlich erlaubt, bis zu drei Zehntel der Studienplätze im Rahmen einer Vorabquote für besonders vorgesehene Anwendungsfälle zu vergeben (§ 32 Abs. 2 HRG). Unter den Tatbestand „Bewerber, die sich auf Grund entsprechender Vorschriften verpflichtet haben, ihren Beruf in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs auszuüben“ (§ 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG) fallen auch Ärzte, die eine Verpflichtungserklärung für eine spätere landärztliche Tätigkeit abgegeben haben. Bisher formen die meisten Länder den Zugang auf der Grundlage einer Vorabquote in ihren Zulassungsverordnungen („auf Grund entsprechender Vorschriften“ in § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG) aber nur für den Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr aus. Um eine Landarztquote zu implementieren, bedarf es entsprechender normativer Anpassungen im Landes(verordnungs-)recht.835 Das HRG eröffnet nicht die Möglichkeit, den Hochschulen aufzuerlegen, eine Verpflichtungserklärung des Bewerbers im Rahmen des hochschuleigenen Auswahlverfahrens zu berücksichtigen. Der insoweit maßgebliche § 32 Abs. 3 Nr. 3 HRG legt zwar die Auswahlkriterien, welche die Hochschulen anzuwenden haben, nicht abschließend fest, sondern eröffnet den Ländern Spielräume. Die exemplarisch benannten Kriterien geben jedoch zu erkennen, dass im Rahmen des hochschuleigenen Auswahlverfahrens die fachliche Prognose für den Studienerfolg und die daran anknüpfende spätere berufliche Tätigkeit die Auswahl maßgeblich leiten müssen. Eine Bevorzugung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, wie derjenigen des Landarztes, insbesondere die Berücksichtigung einer Verpflichtungserklärung 833

Siehe B. IV. 2. a), S. 104 f. Dazu B. II. 2. c), S. 51 ff.; B. IV. 2. c), S. 105 ff. Zu den Rechtfertigungsgründen: Müller-Graff (Fn. 528), Art. 52 AEUV, Rn. 16 ff. u. 97; im Besonderen zur Wegzugsfreiheit: EuGH, Urt. vom 11. 3. 2004 – C-9/02 –, EuZW 2004, S. 273 (275, Rn. 49), Hughes de Lasteyrie du Saillant/Ministère de l’ Économie, des Finances et de l’Industrie, wo der EuGH jedoch nicht explizit auch die Angemessenheit erwähnt. 835 Hierzu im Einzelnen D. I., S. 137 f. 834

VI. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

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außerhalb der Quote des § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HRG, widerspräche dem normativen System des § 32 HRG.836

VI. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument Die Verfassungsmäßigkeit einer Vorabquote bei der Zulassung zum Medizinstudium setzt voraus, dass die durch die Quote bevorzugten Bewerber nach dem Medizinstudium tatsächlich zur Sicherung der ärztlichen Versorgung in unterversorgten Räumen beitragen. Es bedarf daher der Etablierung von Instrumenten, die die Erreichung des genannten Ziels im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen sicherstellen.

1. Handlungsform Die Ausgestaltung einer „Verpflichtungserklärung“ ist sowohl als einseitige Erklärung des Bewerbers gegenüber der über die Vergabe der Studienplätze im Rahmen der Vorabquote entscheidenden Stelle als auch in der Form eines – öffentlichrechtlichen – Vertrages denkbar.

2. Gewichtung der konkurrierenden Interessen Aus der Analyse vorhandener Referenzsysteme lassen sich Maßstäbe für den Zuschnitt der Elemente einer Verpflichtungserklärung am Maßstab des Gebots der Verhältnismäßigkeit entwickeln. Dem legitimierenden Interesse, also der Sicherung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung, kommt dabei ein hohes Gewicht zu. Demgegenüber ist die Position der Bewerber dadurch gekennzeichnet, dass sie aus der Vorabquote einen Medizinstudienplatz erhalten, den sie sonst entweder überhaupt nicht oder zumindest mit zeitlicher Verzögerung (via Wartezeit) erhalten hätten. Ihnen wird eine besondere Ausbildung zuteil, die sie auch nach Ablauf der festgelegten Dauer der Verpflichtung wirtschaftlich nutzen können.

3. Determinierung des Ortes der Niederlassung Die Bestimmbarkeit ärztlich unterversorgter Regionen, in denen die spätere Tätigkeit des Verpflichteten erfolgen soll, ist Voraussetzung dafür, dass die Ver836

Siehe hierzu D. II., S. 138 f.

208

F. Zusammenfassung

pflichtung überhaupt den mit ihr verfolgten Zweck zu erfüllen geeignet ist. Als Anknüpfungspunkt für eine Konkretisierung dieses räumlichen Bezugs bietet sich das Verfahren nach § 100 Abs. 1 SGB Van.837 Allerdings erstreckt sich der Zeitraum, der von der Feststellung nach § 100 Abs. 1 SGB V umfasst ist, nicht auf die Dauer eines Medizinstudiums mit anschließender Weiterbildung. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung steht daher nicht fest, welche Gebiete unterversorgt sein werden, wenn der Betreffende die Zulassung als Vertragsarzt beantragen wird. Eine Konkretisierung der Gebiete, in denen der in der Erklärung eingegangenen Verpflichtung genügt werden kann, ist mithin erst zum Zeitpunkt der Beantragung der Zulassung als Vertragsarzt möglich. In die Verpflichtungserklärung kann daher lediglich die Verpflichtung zur ärztlichen Tätigkeit in einem Gebiet Aufnahme finden, für das eine Feststellung nach § 100 Abs. 1 SGB V getroffen worden sein wird. Verfassungsrechtlich ist dies unbedenklich, da die Gebiete, in denen eine spätere Tätigkeit erfolgen muss, anhand abstrakter Kriterien objektiv und in einem festgelegten Verfahren prognostiziert werden. Weder die im Verfahren nach § 100 Abs. 1 SGB V bestehenden Entscheidungsspielräume noch der Umstand, dass die Feststellung der Unterversorgung durch die Landesausschüsse auf der Grundlage eines Verhandlungssystems verschiedener Interessen getroffen wird, stehen dieser Bewertung entgegen. Dies gilt in jedem Falle dann, wenn die Betroffenen – in einer ihre Grundrechte weitest möglich schonenden Regelung – die Möglichkeit erhalten, auswählen zu können, in welchem von mehreren als unterversorgt festgestellten Gebieten sie sich niederlassen wollen. Die einzugehende Verpflichtung besteht dann darin, nach Abschluss des Medizinstudiums binnen bestimmter Frist die Zulassung als Vertragsarzt in einem Gebiet zu beantragen, für das nach § 100 Abs. 1 SGB V eine Unterversorgung festgestellt ist, sowie die Antragstellung und ggf. erteilte Zulassung der zuständigen Stelle nachzuweisen. Mit Blick auf die im Sitzland der Hochschule, an der das Medizinstudium absolviert worden ist, entstandenen Kosten könnte den Absolventen in der Verpflichtungserklärung aufgegeben werden, die vertragsärztliche Zulassung vorrangig in einem unterversorgten Gebiet in diesem Land zu beantragen. Verfassungsrechtlich geboten ist eine solche Beschränkung jedoch nicht. Erlangt der Verpflichtete eine Zulassung innerhalb des Zeitraums aus von den Betreffenden nicht zu vertretenden Gründen nicht, so liegt unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein Härtefall vor. Eine weitergehende Klausel, die der zuständigen Stelle nach Ablauf des dem Betreffenden zur Verfügung stehenden Zeitraums die Befugnis einräumt, eine vertragsärztliche Tätigkeit in einem von ihr zu bestimmenden Gebiet anzuweisen, ist mit dem geltenden ärztlichen Zulassungsrecht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kaum vereinbar. 837

Siehe im Einzelnen E. I. 4. b) bb), S. 176 ff.

VI. Die Verpflichtungserklärung als sicherndes Instrument

209

4. Bindungsdauer Als Kriterium für die Bemessung der höchstzulässigen Dauer einer Verpflichtung ist neben dem Gewicht des zu sichernden Interesses in erster Linie das Ausmaß heranzuziehen, in dem sich die beruflichen Chancen der Ausgebildeten infolge der Ausbildung erhöht haben. Im Ergebnis dürfte eine achtjährige Verpflichtungszeit noch verfassungsrechtlich rechtfertigbar sein.838 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, dem Betroffenen in Härtefällen eine Beendigung der Verpflichtung vor Ablauf der Bindungsdauer zu ermöglichen. Ein solcher Härtefall setzt voraus, dass ein bei Abschluss der Verpflichtungserklärung nicht vorhersehbarer Umstand, dem sich der Betreffende nicht entziehen kann, ihm die Tätigkeit oder weitere Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet unzumutbar macht.

5. Sicherungsinstrumente, insbesondere Höhe der Vertragsstrafe Für die Ausgestaltung der Verpflichtungserklärung sind die Instrumente, welche die Verpflichtung zur (späteren) Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet absichern, von zentraler Bedeutung.839 Denn ihre Wirkung bestimmt über die Effektivität der Verpflichtungserklärung. Eine „Ausgleichszahlung“, die den von der über die Vorabquote gegenüber Mitbewerbern um einen Medizinstudienplatz erlangten zeitlichen Vorteil ausgleichen und sich in der Höhe an der ohne die Berücksichtigung im Rahmen der Vorabquote angefallenen Wartezeit orientieren würde, lässt sich nicht ohne Weiteres rechtssicher berechnen. Im Ergebnis nichts anderes gilt für eine Pflicht zum Ausgleich der anteilig entfallenden Kosten der betreffenden Universität für den in Anspruch genommenen Medizinstudienplatz. Inhaltlich würde es sich dabei um eine Vertragsstrafe handeln. Die Sicherung der Verpflichtung, nach Abschluss des Medizinstudiums in einem ärztlich unterversorgten Gebiet tätig zu werden, durch ein Vertragsstrafeversprechen ist zulässig. Gleich wirksame mildere Mittel stehen nicht zur Verfügung. Auf der Grundlage der zur zulässigen Höhe von Vertragsstrafen in den untersuchten Referenzgebieten vorliegenden Rechtsprechung dürfte eine Vertragsstrafe in Höhe von 150.000 E nicht die durch das Verhältnismäßigkeitsgebot gezogenen Grenzen übersteigen. Eine Abstufung der zu zahlenden Vertragsstrafe nach der Dauer der Tätigkeit in einer ärztlich unterversorgten Region ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten,840 sehr wohl aber die Möglichkeit der Ratenzahlung und eine Begrenzung der Zahlungspflicht, um im einzelnen Fall eintretenden Situationen 838 839 840

Dazu im Einzelnen E. I. 4. b) aa), S. 175 f. Dazu im Einzelnen E. I. 4. b) dd), S. 187 ff. Zu den Gründen siehe S. 193.

210

F. Zusammenfassung

individueller Überforderung durch die Verwirkung der Vertragsstrafe Rechnung tragen zu können. Die Versagung eines Vertragsarztsitzes in Gebieten mit gesicherter ärztlicher Versorgung, insbesondere in Ballungsräumen, als Instrument zur Sicherung der durch die Bewerber eingegangenen Verpflichtung wäre verfassungsrechtlich unzulässig, da die Stipulierung einer Vertragsstrafe ein milderes Mittel darstellt.

6. Wesentliche Elemente einer Verpflichtungserklärung Als wesentliche Elemente sollte die Verpflichtungserklärung regeln: 1. Festlegung des Zwecks der Verpflichtungserklärung, die mit der Einführung der Quote verfolgte Gewährleistung der künftigen ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten effektiv zu sichern. 2. Verpflichtung der Begünstigten zur zügigen Absolvierung des Studiums und Mitteilung eventueller Verzögerungen. 3. Verpflichtung der ausgewählten Personen zur ärztlichen Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin im Anschluss an das Studium (eine Einbeziehung dieses Abschnitts in die Verpflichtung zur Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet ist denkbar). 4. Verpflichtung zu einer ärztlichen Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet für einen Zeitraum von insgesamt bis zu zehn Jahren. Für die Bestimmung der bundesweit zur Erfüllung der Verpflichtung zur Verfügung stehenden Gebiete empfiehlt es sich, auf zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Vertragsarztzulassung bestehende Feststellungen nach § 100 Abs. 1 SGB V zu rekurrieren. 5. Der Antrag auf Vertragsarztzulassung ist binnen festzulegender Frist von beispielsweise sechs Monaten vorrangig in dem Land zu stellen, in dem das Medizinstudium absolviert wurde, soweit dort unterversorgte Gebiete festgestellt sind. Gelingt es dem Verpflichteten nicht, eine Zulassung in einem unterversorgten Gebiet dieses Landes zu erlangen, muss er der zuständigen Stelle nachweisen, dass er innerhalb eines festgelegten Zeitraums (von beispielsweise zwei Jahren) bundesweit alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, eine Zulassung als Vertragsarzt in einem unterversorgten Gebiet zu erhalten. Erreicht er eine solche Zulassung innerhalb des Zeitraums nicht, erlischt die eingegangene Verpflichtung. 6. Regelungen zur vorzeitigen Beendigung der Verpflichtung in Härtefällen. 7. Festlegung einer Vertragsstrafe in einer Höhe von bis zu 150.000 E für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung in einem ärztlich unterversorgten Gebiet –

VII. Zuständige Stelle

211

verbunden mit der auf Antrag und nach Ermessen einzuräumenden Möglichkeit der Ratenzahlung.

VII. Zuständige Stelle Als zuständige Stelle, die sowohl die Bewerber für einen Medizinstudienplatz im Rahmen der Vorabquote für später in unterversorgten Gebieten ärztlich Tätige auswählt als auch die Einhaltung der von den Ausgewählten eingegangenen Verpflichtungen überwacht und diese ggf. durchsetzt, kommt unter verwaltungswissenschaftlichen Gesichtspunkten die Stiftung für Hochschulzulassung nicht in Betracht.841 Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Hochschulen. Zwar könnte ihnen landesrechtlich neben der Ermittlung der allgemeinen Studierfähigkeit für das Studienfach Medizin auch die Überprüfung der Motivation für die Tätigkeit als Arzt unter den spezifischen Bedingungen unterversorgter Gebiete übertragen werden. Jedoch bedürfte es hierfür der Institutionalisierung besonderer organisatorischer und prozessualer Sicherungen unter Einbeziehung hochschulexterner Personen. Ein ganzheitliches Verfahrensmanagement von der Auswahl bis hin zur Überprüfung der späteren Erfüllung der Verpflichtung zur Tätigkeit in einem ärztlich unterversorgten Gebiet und deren Durchsetzung wäre mit den landesgesetzlich festgelegten Aufgaben der Hochschulen nur schwer zu vereinbaren und stieße am Maßstab des Art. 5 Abs. 3 GG auf Bedenken. Die Betrauung anderer Stellen der Länder mit den Aufgaben der Auswahl der Bewerber auf Studienplätze der Vorabquote und der Überwachung der Einhaltung der von jenen eingegangenen Verpflichtungen ist durch ein Gesetz möglich. Es muss die inhaltlichen Kompetenzen und Erfahrungen der Stelle sowie das Verfahren zur Findung der Auswahlentscheidung regeln.

841

Dazu im Einzelnen E. II., S. 196 ff.

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