Die Kronzeugenregelung des § 46b StGB [1 ed.] 9783428536252, 9783428136254

§ 46b StGB ermöglicht es in einem bisher unbekannten Umfang, die Kooperation von Straftätern in Bezug auf die Aufklärung

129 57 1MB

German Pages 183 Year 2011

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Die Kronzeugenregelung des § 46b StGB [1 ed.]
 9783428536252, 9783428136254

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Schriften zum Strafrecht Heft 225

Die Kronzeugenregelung des § 46 b StGB Von

Nicolas Kneba

Duncker & Humblot · Berlin

NICOLAS KNEBA

Die Kronzeugenregelung des § 46 b StGB

Schriften zum Strafrecht Heft 225

Die Kronzeugenregelung des § 46 b StGB

Von

Nicolas Kneba

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-13625-4 (Print) ISBN 978-3-428-53625-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83625-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der EberhardKarls-Universität Tübingen im Wintersemester 2010/2011 als Dissertation angenommen. Meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Kristian Kühl danke ich herzlich für die Betreuung dieser Arbeit und für die Möglichkeit, an seinem Lehrstuhl als Mitarbeiter – begonnen als studentische Hilfskraft, später als Akademischer Mitarbeiter – arbeiten zu dürfen. Herrn Prof. Dr. Kinzig danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Meinen Lehrstuhlkollegen Anna-Maria Brutscher, Dr. Patrick Hinderer und PD Dr. Edward Schramm danke ich für die Übernahme des Korrekturlesens dieser Arbeit. Darüber hinaus sei allen Mitarbeitern des Lehrstuhls von Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Kühl für die gemeinsame Zeit gedankt. Meine Eltern Ingrid Kneba und Prof. Dr. Dr. Michael Kneba sowie meine Schwester Maike Kneba haben mich auf meinem bisherigen Weg in jeder nur erdenklichen Hinsicht unterstützt. Ihnen ist diese Arbeit in tiefer Dankbarkeit gewidmet. Tübingen, im Frühjahr 2011

Nicolas Kneba

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Teil Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

18

A. Inhalt und Systematik des § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsfolgen des § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen des § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Änderungen der §§ 145d, 164 StGB sowie § 31 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18 19 21

B. Entstehungsgeschichte des § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

C. Die Figur des Kronzeugen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Kronzeuge in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Kronzeuge in England und Nordirland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Kronzeuge in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswirkungen auf die Bewertung des § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 28 29 30

2. Teil § 46b StGB und tragende Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 46b StGB und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnismäßigkeit des § 46b StGB hinsichtlich des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips: Geeignetheit . . . . . . . a) Ungeeignetheit wegen der praktischen Unbedeutsamkeit der bisherigen Kronzeugenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ungeeignetheit wegen der Gefahr unwahrer Offenbarungsangaben . . c) Ungeeignetheit wegen der potentiellen Gefährdung des Kronzeugen d) Ergebnis Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit des § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelnde Erforderlichkeit wegen §§ 153–154c StPO . . . . . . . . . . . b) Mangelnde Erforderlichkeit wegen § 46 II StGB . . . . . . . . . . . . . . . .

33 34 36 39 40 41 43 45 45 46 49

8

Inhaltsverzeichnis c) Mangelnde Erforderlichkeit wegen der Möglichkeit der Normierung kleiner Kronzeugenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pauschale Anforderungen an Kronzeugenregelungen . . . . . . . . . . . . . aa) Ermittlungsnotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unrechtsgefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Tatbestand des § 46b I StGB unter Berücksichtigung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . aa) Tauglicher Kronzeuge, Taugliche Offenbarungstat, Präklusion . . bb) Die Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB: Aufklärungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Freiwilliges Offenbaren seines Wissens“ . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wissensoffenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wesentlicher Beitrag zur Aufdeckung einer Offenbarungstat (3) Aufklärungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kein Ergreifen des Offenbarungstäters . . . . . . . . . . . . . . (b) Wechselndes Aussageverhalten hinsichtlich der offenbarten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Wechselndes Aussageverhalten hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Der Kronzeuge als Zeuge in der Hauptverhandlung des Offenbarungstäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Aufklärungserfolg und Bereitschaft zum Auftreten als Zeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Pflicht des Kronzeugen zum Auftreten als Zeuge (cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Mitwirken des Kronzeugen an einem Scheingeschäft . . (f) Aufklärungserfolg und der Grundsatz „in dubio pro reo“ (g) Aufklärungserfolg bei fehlender Bereitschaft zum Geständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (h) Gewicht des Aufklärungserfolgs bei fehlender Beteiligung des Kronzeugen an der Offenbarungstat . . . . . . . . (i) Aufklärungserfolg bei Beteiligung des Kronzeugen an der Offenbarungstat, § 46b I 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . (j) Zeitpunkt der Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (k) Aufklärungserfolg bei verjährter Offenbarungstat . . . . cc) Die Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB: Präventionshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Voraussetzungen der Präventionshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Freiwillige Wissensoffenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 52 53 54 54 57 59 59 60 62 62 63 66 69 70 71 74 76 76 77 82 82 83 85 86 87 89 89 90 90 91

Inhaltsverzeichnis

9

(b) Adressat der Präventionshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 (c) Offenbarungstat und Planungsstadium . . . . . . . . . . . . . . 92 (d) Verhinderungsmöglichkeit der Offenbarungstat . . . . . . . 93 (2) Präventionshilfe und § 138 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 dd) Zusammenfassung des Tatbestandes des § 46b I 1 StGB . . . . . . 96 c) Die Rechtsfolgen des § 46b StGB unter Berücksichtigung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips . . . 97 aa) Die Rechtsfolgen des § 46b I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Die Ermessenskriterien des § 46b II StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Ermessen und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 dd) Zusammenfassung der Rechtsfolgen des § 46b StGB . . . . . . . . 110 4. Ergebnis: § 46b StGB und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. § 46b StGB und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Beeinträchtigung des Willkürverbots durch § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . 111 2. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Willkürverbots . . . . . . . . . . . . . 112 a) Das Differenzierungskriterium der Kronzeugenhandlung . . . . . . . . . 113 b) Das Differenzierungskriterium der tauglichen Offenbarungstat . . . . 114 c) Das Differenzierungskriterium des Präklusionszeitpunkts . . . . . . . . . 115 d) Das Differenzierungskriterium des tauglichen Kronzeugen . . . . . . . . 117 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Zusammenfassung: § 46b StGB und das Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . 122 B. § 46b und das Schuldprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Grundsätze der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schuldrelevanz der Kronzeugenhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Systemfremdheit der Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe durch § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verweis durch § 46b I 1 StGB auf § 49 I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Grundsatzes schuldangemessenen Strafens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Strafzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrung der Strafzwecke durch die Bestrafung des Kronzeugen . . . . . . V. Ergebnis: § 46b StGB und das Schuldprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

122 123 124 127 127 128 131 132 133 137

C. § 46b StGB und der nemo-tenetur-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 D. Zusammenfassung: § 46b StGB und die Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

10

Inhaltsverzeichnis 3. Teil § 46b StGB im System der Strafzumessung

141

A. Das Verhältnis von § 46b StGB zu den bestehenden kleinen Kronzeugenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 B. Die Regelung des § 46b I 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 C. Das Zusammentreffen von § 46b StGB mit weiteren vertypten Milderungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 D. Das Zusammentreffen von § 46b StGB mit einem minder schweren Fall . . I. Minder schwerer Fall ohne Berücksichtigung der Kronzeugenhandlung . . II. Minder schwerer Fall durch Berücksichtigung der Kronzeugenhandlung . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 150 152 155

E. Das Zusammentreffen von § 46b StGB und einem Geständnis . . . . . . . . . . . 155 F. § 46b I 4 StGB und weitere Milderungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 G. Die Rolle des § 46b StGB bei der Strafzumessung im engeren Sinne . . . . . . 160 H. Kronzeugenregelung und Verständigung nach § 257c StPO . . . . . . . . . . . . . . 161

4. Teil Resümee

164

A. § 46b StGB und tragende Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung . . 164 B. § 46b StGB im System der Strafzumessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 C. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Anhang I: § 46b StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Anhang II: § 31 BtMG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Anhang III: § 31 BtMG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. F. AnwK-StPO AöR Art. BayOblG BB BeckOK BGBl. BGH BGHSt BT-Dr. BtMG BVerfG BVerfGE bzw. ders. dies. Diss. DRiZ EMRK f., ff. Fn. FS GA GG ggf. GS GVG Habil. i. d. R. i. S. d. i.V. m. JA

andere Ansicht Absatz alte Fassung Anwalt-Kommentar StPO (siehe: Krekeler/Löffelmann/Sommer) Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Bayrisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Beck’scher Online-Kommentar (siehe: von Heintschel-Heinegg) Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Drucksache des Bundestages Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise derselbe dieselben Dissertation Deutsche Richterzeitung Europäische Menschenrechtskonvention folgend(e) Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Habilitation in der Regel im Sinne des/der in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter

12 JR jurisPR-StrafR JuS JZ kg KMR KritJ KritV KronzG

LK LPK MDR MK MschKrim n. F. NJW NK Nr. NStZ NStZ-RR o.Ä. OLG RAF Rn. RuP S. Sch/Sch SK SK-StPO sog. StGB StPO StraFo StV u. U.

Abkürzungsverzeichnis Juristische Rundschau Juris Praxis Report Strafrecht Juristische Schulung Juristenzeitung Kilogramm Kommentar zur Strafprozessordnung (siehe: von Heintschel-Heinegg/Stöckel) Kritische Justiz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch (siehe: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann) Lehr- und Praxiskommentar zum Strafgesetzbuch (siehe: Kindhäuser) Monatsschrift für deutsches Recht Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch (siehe: Joecks/Miebach) Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch (siehe: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen) Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht oder Ähnliches/m Oberlandesgericht Rote Armee Fraktion Randnummer Recht und Politik Seite Kommentar zum Strafgesetzbuch (siehe: Schönke/Schröder) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch (siehe: Rudolphi/ Horn) Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung (siehe: Rudolphi) sogenannte/-r/-s Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger-Forum Strafverteidiger unter Umständen

Abkürzungsverzeichnis Var. vgl. wistra WuW z. B. ZRP ZSHG ZStW zugl.

Variante vergleiche Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wirtschaft und Wettbewerb zum Beispiel Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zugleich

13

Einleitung Mit Inkrafttreten des § 46b StGB am 1. September 20091 findet sich zum ersten Mal eine große Kronzeugenregelung im Allgemeinen Teil des StGB wieder. Die Norm stellt kein gänzliches Novum im deutschen Strafrecht dar. Vielmehr steht § 46b StGB am (vorläufigen) Ende einer jahrzehntelangen Entwicklung, in der sich der Gesetzgeber wiederholt an die Einführung von Kronzeugenregelungen gewagt hat. Dennoch nimmt § 46b StGB eine bisher einzigartige Stellung ein: Noch nie zuvor war eine Kronzeugenregelung im Allgemeinen Teil des StGB niedergelegt. Auch beschreitet § 46b StGB insoweit Neuland, als die Norm Aufklärungs- und Präventionshilfe nicht mehr an einzelne Delikte knüpft.2 Der Anwendungsbereich des § 46b StGB geht daher über den Bereich des bisher Dagewesenen erheblich hinaus.3 Kronzeugenregelungen haben in Deutschland seit jeher Emotionen hervorgerufen. An kaum einem anderen Schauplatz des Strafrechts waren und sind die Fronten derart verhärtet wie es bei Kronzeugenregelungen der Fall ist. An ihnen scheiden sich die Geister.4 Überwiegend stoßen Kronzeugenregelungen auf (teils massive) Ablehnung.5 Jedoch wagten sich auch immer wieder Unterstützer hervor bzw. lassen sich Stimmen finden, die Kronzeugenregelungen zumindest nicht kategorisch ablehnen.6 Diese überwiegend kritische Beäugung von Kronzeugenregelungen hielt den Gesetzgeber jedoch nicht davon ab, mit Einführung des 1

BGBl. I 2009, S. 2288 f. Begrifflich ebenso Stöckel, FS Böttcher, 617, 632. 3 Vgl. BGHSt 55, 153, 154, wonach der Tatbestand des § 46b StGB „überaus weit“ ausgestaltet ist. 4 Besonders anschaulich wird diese Uneinigkeit, wenn man den Umstand berücksichtigt, dass Generalbundesanwalt Siegfried Buback die Einführung einer Kronzeugenregelung für Terroristen entschieden ablehnte (Spiegel vom 16.02.1976, S. 30), der nach Bubacks Ermordung ins Amt des Generalbundesanwalts folgende Kurt Rebmann hingegen Kronzeugenregelungen für Terroristen begrüßte (siehe hierzu das von Rebmann verfasste Vorwort in Breucker/Engberding, Die Kronzeugenregelung, S. 7). 5 Vgl. nur Baumann, JuS 1975, 342, 344; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 342; Hassemer, StV 1986, 550 ff.; Krauß, StV 1989, 315, 321 f.; Montag, DRiZ 2004, 103; Roxin/ Schünemann, § 14, Rn. 20; Schaefer, NJW 2000, 2325, 2326; Stöckel, FS Böttcher, 617, 632; Volk, NJW 1996, 879, 881. Vgl. auch die Stellungnahme der nahezu 100 Strafrechtsprofessoren zur Ende der 1980er Jahre geplanten Einführung des KronzG bei Kühl, NJW 1987, 737, 744. 6 Dölling, Gutachten C zum 61. Deutschen Juristentag, C 73–75; Heister-Neumann, DRiZ 2004, 102; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 801; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 127; Peglau, ZRP 2001, 103, 104 f.; ders., wistra 2009, 409, 414. 2

16

Einleitung

§ 46b StGB die bisher umfassendste Kronzeugenregelung zu schaffen und im Allgemeinen Teil des StGB zu verorten. Zunächst scheint es jedoch erstaunlich, warum die Norm des § 46b StGB überhaupt als Kronzeugenregelung bezeichnet wird.7 Weder setzt nämlich § 46b StGB voraus, dass der in den Genuss des § 46b StGB kommende Täter tatsächlich als Zeuge im Prozess gegen den von ihm offenbarten Täter auftritt und aussagt,8 noch dient sich der Täter im Falle einer Offenbarung i. S. d. § 46b StGB der Krone an.9 Man muss daher auf den ersten Blick zu dem Ergebnis kommen, dass § 46b StGB den Namen Kronzeugenregelung gar nicht „verdient“. Jedoch wird im Rahmen dieser Arbeit der Versuchung widerstanden, auf diese begriffliche Ungereimtheit näher einzugehen. Stattdessen wird, auch um unnötige Verwirrung zu vermeiden, an der Terminologie der Kronzeugenregelung festgehalten. Dies gilt umso mehr, als sich der Begriff für die Bezeichnung des § 46b StGB mittlerweile etabliert hat.10 Es gilt daher, die Kronzeugenregelung des § 46b StGB einer umfassenden Untersuchung zu unterziehen. Zunächst bedarf es dazu einer systematischen Betrachtung von Tatbestand und Rechtsfolgen sowie der geschichtlichen Entwicklung der Norm. Ebenfalls ist die Behandlung von Kronzeugenkonstellationen im Ausland zu durchleuchten. Dies geschieht im ersten Teil der Arbeit. Die dort vorgenommene Untersuchung ist unerlässliche Voraussetzung und gleichsam Gerüst für die eigentliche Arbeit am § 46b StGB: Die Norm sieht sich nämlich mit tragenden Prinzipien des Strafrechts sowie des Grundgesetzes konfrontiert. Genannt werden kann hier etwa das Legalitätsprinzip mit seinen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips und des Willkürverbots. Ebenfalls sind möglicherweise das Schuldprinzip und der „nemo-tenetur“-Grundsatz betroffen. In einem zweiten Teil der Arbeit wird daher § 46b StGB diesen Prinzipien gegenübergestellt und untersucht, ob sich die Norm hiermit vereinbaren lässt. Ziel dieser Arbeit ist jedoch nicht, die Untersuchungen bereits in diesem Stadium, also mit einer bloßen

7 Ausdrücklich wird § 46b StGB im Gesetzesentwurf BT-Dr. 16/6268 z. B. auf S. 20 als „Kronzeugenregelung“ bezeichnet. Ferner wird § 46b StGB als „Kronzeugenregelung“ bezeichnet von Frank/Titz, ZRP 2009, 137; König, NJW 2009, 2481; Lackner/ Kühl, § 46b, Rn. 1; Malek, StV 2010, 200; Peglau, wistra 2009, 409; Sahan/Berndt, BB 2010, 647. 8 Eingehend hierzu unten S. 76; zu den bisherigen Kronzeugenregelungen vom Ansatz her richtig daher Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, S. 8 f.; vgl. auch Bernsmann, JZ 1988, 539, 540; Fabel, Geldwäsche und tätige Reue, S. 170, Fn. 663; Jeßberger, Kooperation, S. 26; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 63 f.; Lammer, ZRP 1989, 248, 249; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 122. 9 Vgl. Jeßberger, Kooperation, S. 26; Zuck, MDR 1989, 1065. 10 Dies zeigt sich schon daran, dass auch im Gesetzesentwurf zu § 46b StGB auf diesen Begriff zurückgegriffen wird (so z. B. in BT-Dr. 16/6268, S. 20); ebenso Kaspar/ Wengenroth, GA 2010, 453, Fn. 1; vgl. ebenso zu den bereits bestehenden Kronzeugenregelungen Bocker, Der Kronzeuge, S. 8; Jaeger, Der Kronzeuge, S. 2; Jeßberger, Kooperation, S. 27; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 65; Schlüchter, ZRP 1997, 65 f.

Einleitung

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Prüfung der abstrakten Vereinbarkeit der großen Kronzeugenregelung mit den genannten Prinzipien, abzuschließen. Vielmehr ist es ein Anliegen, durch Konfrontation des § 46b StGB mit den entgegenstehenden Prinzipien zu konkreten Ergebnissen hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandes sowie der Rechtsfolgen zu gelangen und auf diese Weise präzise Kriterien erarbeiten zu können. Im dritten Teil der Arbeit wird die Aufgabe sein, § 46b StGB innerhalb des bestehenden Systems der Strafzumessung zu betrachten. Hierbei gilt zu fragen, ob sich § 46b StGB in das bereits vorhandene Strafzumessungssystem einfügt. Dabei ist zu untersuchen, ob das Aufeinandertreffen des § 46b StGB mit weiteren Milderungsmöglichkeiten im Einklang mit den bereits im ersten Teil berücksichtigten Prinzipien des Straf- und Verfassungsrechts steht.

1. Teil

Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB A. Inhalt und Systematik des § 46b StGB Zunächst ist es von Interesse, Tatbestand und Rechtsfolgen des § 46b StGB überblicksartig zu erfassen sowie die die Einführung des § 46b StGB flankierenden Änderungen im StGB und BtMG zu berücksichtigen.1 Erst hieran anknüpfend wird sich ausführlich der Messung des § 46b StGB an den Prinzipien des Strafrechts sowie der Verfassung zugewandt.

I. Rechtsfolgen des § 46b StGB Die neue Kronzeugenregelung findet sich in § 46b StGB, also im Allgemeinen Teil des StGB als allgemeine Strafzumessungsvorschrift2 wieder. Sie ist gleichsam vor die Klammer gezogen und stellt daher eine große Kronzeugenregelung dar.3 § 46b StGB sieht zwei unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Zum einen ermöglicht § 46b I 1 StGB dem Richter, eine Strafmilderung in Form einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB vorzunehmen. Hierbei ist dem Richter ein Ermessen eingeräumt. Der Gesetzgeber hat sich daher für eine fakultative Strafmilderung entschieden. Einen Maßstab für die Entscheidung des Richters hinsichtlich des § 46b I StGB bilden die in § 46b II StGB (nicht abschließend) niedergelegten Ermessenskriterien. Die Möglichkeit einer Milderung nach § 49 I StGB unterliegt jedoch gem. § 46b I 1, 2. HS StGB der Einschränkung, dass bei ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe des Kronzeugen an die Stelle der Milderung der Freiheitsstrafe nach § 49 I Nr. 1 StGB auf mindestens drei Jahre eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Als weitere Rechtsfolge ermöglicht § 46b I 4 StGB dem Gericht, von Strafe abzusehen. Dies ist aber nur möglich, wenn die vom Kronzeugen verwirklichte Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Kronzeuge selbst keine Frei1

§ 46b StGB ist abgedruckt in Anhang I, S. 166. BT-Dr. 16/6268, S. 2; König, NJW 2009, 2481; NK/Streng, § 46b, Rn. 1; Peglau, wistra 2009, 409; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 3. 3 BeckOK/von Heintschel-Heinegg, § 46b, Rn. 1; Beukelmann, NJW-Spezial 2009, 456; Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 138; König, NJW 2009, 2481; SK/Wolters, § 46b, Rn. 1. 2

A. Inhalt und Systematik des § 46b StGB

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heitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Durch die von § 46b I 4 StGB eingeräumte Möglichkeit, von Strafe abzusehen, hat der Gesetzgeber zudem die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Staatsanwaltschaft von einer Klageerhebung gegen den Kronzeugen nach § 153b I StPO absehen bzw. das Gericht das Verfahren nach § 153b II StPO einstellen kann. Die Rechtsfolgen des § 46b I StGB können den Kronzeugen daher in allen Verfahrensstadien erreichen: Die Milderung nach § 46b I 1 StGB i.V. m. § 49 I StGB sowie das Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB treffen den Kronzeugen mit Urteilsverkündung nach Durchführung der Hauptverhandlung, also zu einem Zeitpunkt, an dem der Kronzeuge bereits Angeklagter war i. S. d. § 157 Var. 2 i.V. m. § 207 StPO. Das Absehen von der Klageerhebung nach § 153b I StPO i.V. m. § 46b I 4 StGB ist hingegen nur möglich, wenn der Kronzeuge lediglich Beschuldigter ist. Wird hingegen das Verfahren nach § 153b II StPO i.V. m. § 46b I 4 StGB eingestellt, so hat der Kronzeuge bereits die Stellung als Angeschuldigter i. S. d. § 157 Var. 1 StPO oder als Angeklagter inne. In den Genuss des § 46b StGB können daher sowohl Beschuldigter als auch Angeschuldigter und Angeklagter kommen.

II. Tatbestandsvoraussetzungen des § 46b StGB Die eben dargestellten Rechtsfolgen des § 46b StGB kommen aber nur demjenigen zugute, der die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46b I StGB erfüllt. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass der Kooperierende überhaupt ein tauglicher Kronzeuge i. S. d. § 46b StGB ist. Tauglicher Kronzeuge kann nach § 46b I 1 StGB nur sein, wer selbst eine Straftat begangen hat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Da das Mindestmaß der zeitigen Freiheitsstrafe nach § 38 II StGB bei einem Monat liegt, muss die vom Kronzeugen verwirklichte Tat (im Folgenden „Kronzeugentat“ genannt4) daher mit einer über einem Monat liegenden Mindestfreiheitsstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sein. Hat der Kronzeuge mehrere tatmehrheitlich zusammentreffende Taten begangen, so ist für jede einzelne Tat gesondert festzustellen, ob sie als taugliche Kronzeugentat nach § 46b I 1 StGB angesehen werden kann.5 Ist bei mehreren in Tatmehrheit stehenden Taten nur eine Tat als taugliche Kronzeugentat anzusehen, darf eine Honorierung durch § 46b StGB auch nur hinsichtlich dieser Tat erfolgen.6 Hierbei ist zu beachten, dass nach § 46b I 2 StGB für die Frage, ob die vom Kronzeugen begangene Tat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, nur Schärfungen für besonders schwere Fälle, nicht aber Milderungen berücksichtigt wer4

So auch schon Jeßberger, Kooperation, S. 30. BT-Dr. 16/6268, S. 13; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 27; so zu § 31 BtMG a. F. schon Körner, § 31, Rn. 31; Weber, § 31, Rn. 185; zu § 129a VII StGB schon BayOblG NJW 1991, 2575, 2579. 6 BT-Dr. 16/6268, S. 13. 5

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1. Teil: Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

den dürfen. Tauglicher Kronzeuge kann zudem, entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 46b I 1 StGB („Wenn der Täter . . .“), nicht nur der Täter einer Straftat sein. Vielmehr fällt auch der Teilnehmer unter den Anwendungsbereich der großen Kronzeugenregelung.7 Weitere Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestands ist, dass der Kronzeuge eine Kronzeugenhandlung vornimmt, also eine Aufklärungs- oder Präventionshilfe leistet. Für eine Aufklärungshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB muss der Kronzeuge durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen haben, dass eine Tat nach § 100a II StPO (im folgenden „Offenbarungstat“ genannt) aufgedeckt werden konnte. Die Aufklärungshandlung muss sich jedoch nach § 46b I 3 StGB über die bloße Offenbarung des Tatbeitrags des Kronzeugen hinaus erstrecken, wenn dieser an der Offenbarungstat beteiligt war. Die Präventionshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB verlangt, dass der Kronzeuge freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Offenbarungstat i. S. d. § 100a II StPO, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann. Besonders hervorzuheben ist, dass eine Honorierung der Kronzeugenhandlung nach § 46b StGB keine Konnexität zwischen der Kronzeugentat und der Offenbarungstat verlangt.8 Damit verwirklicht § 46b StGB zum ersten Mal eine Kronzeugenregelung, die auf jeden Zusammenhang zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat verzichtet.9 Das Gericht darf die Strafe des Kronzeugen aber dann nicht nach § 46b I StGB mildern bzw. nach § 46b I 4 StGB von ihr absehen, wenn der Kronzeuge die Kronzeugenhandlung erst vornimmt, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 207 StPO gegen ihn beschlossen worden ist. Dies ergibt sich aus der Präklusionsregelung des § 46b III StGB. Der Kronzeuge muss aber nicht bereits im Fokus der Ermittler stehen, wenn er die Kronzeugenhandlung vornimmt. Denkbar ist auch, dass der Kronzeuge sich mit seinem Wissen an die betreffenden Behörden wendet, bevor er einen Beschuldigtenstatus innehat, indem er etwa das freiwillige Ausliefern an die Strafverfolgungsbehörden unter Gestehen der eigenen Tat mit einer Kronzeugenhandlung verbindet.10 Doch dürfte diese Situation eher selten eintreten, da vor allem die sich bereits einem Strafverfahren ausgesetzt sehenden Täter zur Kooperation motiviert werden.

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BT-Dr. 16/6268, S. 12; ebenso Fischer, § 46b, Rn. 7; Peglau, wistra 2009, 409, 410. Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 10. 9 Der langwährende Bestand des Konnexitätsverzichts erscheint jedoch bereits in Frage gesellt. So formuliert die CDU/CSU-FDP-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vom 26.10.2009 (wohl auf Druck des kleinen Koalitionspartners) die Absicht, vom Konnexitätsverzicht in § 46b StGB wieder abzurücken; kritisch zu diesem Vorhaben Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 471. 10 So auch Peglau, wistra 2009, 409, 410; SK/Wolters, § 46b, Rn. 37; anders aber Fischer, § 46b, Rn. 23, der auf die Stoßrichtung der großen Kronzeugenregelung in Bezug auf das Strafverfahren abstellt. 8

A. Inhalt und Systematik des § 46b StGB

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Somit lässt sich der Tatbestand des § 46b I StGB wie folgt zusammenfassen: Ein tauglicher Kronzeuge muss eine Kronzeugenhandlung, die sich auf eine Offenbarungstat i. S. d. § 100a II StPO bezieht, vor dem Zeitpunkt des Beschlusses der Eröffnung des Hauptverfahrens vornehmen.

III. Änderungen der §§ 145d, 164 StGB sowie § 31 BtMG Mit der Einführung des § 46b StGB ging eine Änderung der §§ 145d, 164 StGB11 sowie des § 31 BtMG12 einher. Da auf diese Änderungen im Laufe der Arbeit wiederholt zurückgegriffen wird, ist eine kurze Darstellung angezeigt. Anlass für die Änderung der §§ 145d, 164 StGB war, dass der Gesetzgeber in § 46b StGB das Risiko eines erhöhten Anreizes zu falschen Behauptungen erkannte und gleichzeitig diese Gefahr durch §§ 145d, 164 StGB in ihrer bisherigen Fassung als nicht hinreichend gebannt ansah.13 Es sollte daher durch Einfügung der § 145d III, 164 III StGB zum einen die präventive Wirkung der Vorschriften erhöht werden.14 Zum anderen dienen die Änderungen der Kompensation von Honorierungen i. S. d. § 46b StGB bzw. § 31 BtMG, wenn diese durch falsche Äußerungen erschlichen wurden.15 In § 145d StGB wurde daher ein neuer Absatz 3 eingeführt. § 145d III Nr. 1 StGB sieht eine Strafrahmenanhebung gegenüber § 145d I Nr. 1, II Nr. 1 StGB für Fälle vor, in denen der Täter eine solche Tat begeht, um in den Genuss des § 46b StGB oder des § 31 BtMG zu gelangen. In diesem Fall erhöht sich die Mindeststrafe von Geldstrafe oder einem Monat Freiheitsstrafe (§ 38 II StGB) auf drei Monate Freiheitsstrafe. Die Höchststrafe erhöht sich um zwei auf fünf Jahre. § 145d III Nr. 2 und 3 StGB tragen zudem der Tatsache Rechnung, dass vermeintliche Präventionshandlungen des Täters von § 145d StGB bisher nur hinsichtlich der in § 126 I StGB genannten Taten erfasst wurden (§ 145d I Nr. 2, II Nr. 2 StGB). Hier erkannte der Gesetzgeber eine unbefriedigende Strafbarkeitslücke.16 Aus diesem Grund kann sich nach § 145d III Nr. 2, 3 StGB die vermeintliche Präventionshandlung i. S. d. § 145d I Nr. 2, II Nr. 2 StGB nun auch auf Offenbarungstaten i. S. d. §§ 46b I StGB, 31 BtMG, 100a II StPO beziehen, wenn der Täter das Bevorstehen dieser Taten gerade deswegen vortäuscht, um in den Genuss des § 46b StGB oder des § 31 BtMG zu gelangen. Neben der Schlie11 12 13 14 15 16

BGBl. I 2009, S. 2288. BGBl. I 2009, S. 2288 f. BT-Dr. 16/6268, S. 15 f. BT-Dr. 16/6268, S. 16. BT-Dr. 16/6268, S. 16. BT-Dr. 16/6268, S. 15.

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1. Teil: Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

ßung der Strafbarkeitslücke wird durch § 145 III Nr. 2, 3 StGB zudem der Strafrahmen auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren festgelegt und damit im Vergleich zu § 145d I Nr. 2, II Nr. 2 StGB höher angesetzt. Mit Einfügung des § 164 III 1 StGB erfolgt eine Strafrahmenerhöhung gegenüber § 164 I StGB für den Fall, dass der Täter eine falsche Verdächtigung zum Zwecke des Erlangens einer Strafmilderung oder eines Absehens von Strafe nach § 46b StGB oder § 31 BtMG begeht. In diesen Fällen erhöht sich die Untergrenze des Strafrahmens von einem Monat Freiheitsstrafe (§ 38 II StGB) oder Geldstrafe auf sechs Monate Freiheitsstrafe. Das Höchstmaß wird von fünf auf zehn Jahre erhöht. Diese Änderungen werden zudem ergänzt durch die Bestimmung minder schwerer Fälle in § 145d IV StGB sowie § 164 III 2 StGB. Als weitere den § 46b StGB flankierende Änderung im StGB ist die Streichung des § 261 X StGB zu nennen. Der Gesetzgeber trennt sich von dieser kleinen Kronzeugenregelung,17 da sie sich in der Praxis nicht bewährt hat und ihr Anwendungsbereich nun weitgehend von § 46b StGB erfasst wird.18 Eine umfassende Änderung erfährt zudem § 31 BtMG auf Rechtsfolgenebene. Zwar bleibt der Tatbestand des § 31 BtMG unverändert. Jedoch werden die Rechtsfolgen des § 31 BtMG an die des § 46b StGB angeglichen. So kann der Richter nach § 31 S. 1 BtMG nun die Strafe des Kronzeugen nicht mehr nur nach § 49 II StGB mildern oder von ihr absehen, sondern neben der Absehensmöglichkeit auch eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB vornehmen. Auch ist das Absehen von Strafe nunmehr ebenfalls bei Verbrechen möglich.19 Nach § 31 S. 2 BtMG hat das Gericht bei seiner Entscheidung zudem die Ermessenskriterien des § 46b II StGB zu beachten. Ebenfalls gilt nach § 31 S. 2 BtMG die Präklusionsvorschrift des § 46b III StGB.

B. Entstehungsgeschichte des § 46b StGB Nachdem ein grober Überblick über die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB und den sie flankierenden Gesetzesänderungen gewonnen wurde, ist sich nun der geschichtlichen Entwicklung von Kronzeugenregelungen in Deutschland näher zuzuwenden. Ein Grundstein für die Entwicklung von Kronzeugenregelungen wurde 1976 durch Einfügung des § 129a V StGB (heutiger Abs. VII) im Rahmen des sog. Antiterrorgesetzes als Antwort auf den Terror der RAF gelegt.20 § 129a V StGB a. F. sah für Mitglieder einer terroristischen Vereinigung durch 17 Vgl. Saliger, Jenseits des rechtsstaatlichen Strafrechts, 447, 456; Sch/Sch/Stree/ Hecker, § 261, Rn. 30. 18 BT-Dr. 16/6268, S. 16. 19 § 31 BtMG a. F. ermöglichte ein Absehen von Strafe nur bei den Delikten des § 29 Abs. 1, 2, 4 oder 6 BtMG, denen lediglich der Charakter eines Vergehens zukommt. 20 BGBl. I 1976, S. 2181 f.

B. Entstehungsgeschichte des § 46b StGB

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Verweis auf § 129 VI StGB die Möglichkeit einer Strafmilderung nach § 49 II StGB oder ein Absehen von Strafe vor, wenn diese Handlungen vornahmen, die auf das Auseinanderbrechen der terroristischen Vereinigung oder die Verhinderung von Straftaten gerichtet waren. Durch § 129a V StGB a. F. konnten daher auf Prävention gerichtete Handlungen honoriert werden.21 1977 scheiterte ein Gesetzesentwurf der CDU/CSU-Fraktion,22 der durch Erweiterung des § 129 VI StGB Mitgliedern von terroristischen und kriminellen Vereinigungen Strafmilderung bzw. das Absehen von Strafe auch für den Fall zusichern wollte, dass durch deren Kooperationshandlungen bereits begangene Taten der Vereinigungen aufgeklärt bzw. Rädelsführer und Hintermänner ergriffen werden konnten. Im Jahr 1982 wurde die Kronzeugenregelung des § 31 BtMG erlassen.23 Mit § 31 BtMG stand den Gerichten zum ersten Mal ein Instrument zur Hand, auch repressive, also auf Aufklärung begangener Straftaten gerichtete Kooperationshandlungen mit Strafmilderung nach § 49 II StGB oder Absehen von Strafe zu honorieren. Auch sah § 31 BtMG die Belohnung von Kronzeugenhandlungen vor, die sich auf die Verhinderung künftiger Taten bezogen. Jedoch war § 31 BtMG auf Täter von Betäubungsmitteldelikten i. S. d. §§ 29 ff. BtMG beschränkt. Es gilt anzumerken, dass § 31 BtMG hinsichtlich des Wortlauts Vorbildcharakter für § 46b StGB einnimmt.24 Die Regierungsfraktionen wagten im Jahr 1986 einen weiteren Versuch, eine Kronzeugenregelung für terroristische Straftaten in Bezug auf bereits begangene Taten einzuführen.25 Auch dieser Gesetzesentwurf stand unter dem Einfluss des fortwährenden Terrors der RAF26 und wollte der Tatsache Rechnung tragen, dass § 129a V StGB a. F. eine Honorierung von repressiven Kronzeugenhandlungen nicht zuließ.27 Der Entwurf sah die Befugnis des Generalbundesanwalts vor, von der Verfolgung abzusehen, wenn der Täter einer Tat i. S. d. § 129a StGB oder einer damit zusammenhängenden Tat Handlungen vornimmt, die die Aufklärung dieser Taten oder das Ergreifen von Beteiligten ermöglichen. Dies sollte auch grundsätzlich dann greifen, wenn der Kronzeuge schwerste Schuld (etwa durch Begehung eines Mordes) auf sich geladen hat.28 Insbesondere an diesem Punkt 21 § 129a V StGB a. F. (heutiger Abs. VII) stellt jedoch keine „reine“ Kronzeugenregelung dar. Vielmehr verwirklicht die Norm eine Kombination von (kleiner) Kronzeugenregelung und tätiger Reue, vgl. zu § 129 VI StGB Lackner/Kühl, § 129, Rn. 12; LK/ Krauß, § 129, Rn. 179 f.; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben, § 129, Rn. 18a. 22 BT-Dr. 8/996. 23 BGBl. I 1981, S. 681, 690 f. 24 BT-Dr. 16/6268, S. 12; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 8. 25 BT-Dr. 10/6286. 26 BT-Dr. 10/6286, S. 5. 27 BT-Dr. 10/6286, S. 10. 28 Jedoch sollten hierzu nach dem Willen der Entwurfsverfasser „ganz besondere Umstände“ zu fordern sein, BT-Dr. 10/6286, S. 11.

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1. Teil: Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

entlud sich massive Kritik aus der Strafrechtswissenschaft.29 Aufgrund dieses flächendeckenden Widerstands wurde der Versuch zur Etablierung dieser Kronzeugenregelung für terroristische Straftaten schließlich aufgegeben. Erst im darauffolgenden Jahr gelang es schließlich, eine große Kronzeugenregelung für terroristische Straftaten zu erlassen. Dies erfolgte durch Art. 4 des sog. KronzG.30 Art. 4 KronzG lehnte sich inhaltlich an den Entwurf von 1986 an. So konnte nun der Täter des § 129a StGB oder einer damit zusammenhängenden Tat mit einem Absehen von der Verfolgung bzw. von der Strafe oder mit einer Strafmilderung belohnt werden, wenn er Aufklärungs- oder Präventionshandlungen hinsichtlich der Taten i. S. d. § 129a StGB (oder damit zusammenhängender Taten) vornahm. Jedoch beugte sich das KronzG teilweise der dem Entwurf von 1986 entgegengeschlagenen Kritik. So sah Art. 4 KronzG ein Absehen der Verfolgung nur vor, wenn die Bedeutung des Beitrags des Kronzeugen das Absehen im Verhältnis zu dessen Tat rechtfertigte. Hatte der Kronzeuge selbst einen Mord oder Totschlag begangen, so schied zudem ein Absehen von der Verfolgung aus. In diesem Fall konnte auch die Mindeststrafe des Kronzeugen auf lediglich drei Jahre abgesenkt werden. Art. 4 KronzG war zeitlich befristet, wurde jedoch bis 1999 mehrfach verlängert. Im Jahr 1992 wurde mit § 261 X StGB eine kleine Kronzeugenregelung für Geldwäschedelikte eingeführt.31 Wiederum zwei Jahre später wurde das KronzG um eine weitere Kronzeugenregelung ergänzt. Durch Einfügung eines Art. 5 wurde die Honorierung von Aufklärungs- und Präventionshandlungen i. S. d. Art. 4 KronzG auch auf den Bereich der organisierten Kriminalität i. S. d. § 129 StGB ausgeweitet.32 In den folgenden Jahren schliefen die gesetzgeberischen Aktivitäten auf dem Gebiet der Kronzeugenregelungen ein. 1999 liefen die Art. 4, 5 KronzG aus und wurden aufgrund ihrer geringen Anwendungszahlen nicht verlängert. Einen weiteren Vorstoß wagten erst fünf Jahre später der Bundesrat auf eine Initiative von Bayern und Niedersachsen hin33 sowie die CDU/CSU-Fraktion34 mit inhaltsgleichen Gesetzesentwürfen. Diese sahen die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung des Art. 4 KronzG bei terroristischen Straftaten sowie zahlreiche, im Besonderen Teil des StGB und den Nebengesetzen verortete kleine Kronzeugen29 Siehe nur die von nahezu 100 Strafrechtsprofessoren getragene Stellungnahme bei Kühl, NJW 1987, 737, 744; vgl. auch Hassemer, StV 1986, 550 ff. 30 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten, BGBl. I 1989, S. 1059, 1061. 31 BGBl. I 1992, S. 1302, 1304. 32 BGBl. I 1994, S. 3186, 3193. 33 BT-Dr. 15/2771. 34 BT-Dr. 15/2333.

C. Die Figur des Kronzeugen im Ausland

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regelungen vor, die sich hinsichtlich des Tatbestands und der Rechtsfolgen an § 31 BtMG orientierten. Dieser Vorstoß vermochte sich jedoch nicht durchzusetzen. Grundlage für die Schaffung des § 46b StGB war schließlich die Vereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, eine große Kronzeugenregelung im StGB zu regeln. Zwei Jahre später brachte die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzesentwurf ein.35 Am 1. September 2009 trat § 46b StGB schließlich in Kraft.36

C. Die Figur des Kronzeugen im Ausland Bevor sich umfassend mit den Einzelheiten von Tatbestand und Rechtsfolgen des § 46b StGB befasst wird, bedarf es vorab eines Blickes über die Grenzen Deutschlands hinaus. Es ist zu untersuchen, ob und wie sich andere Rechtsordnungen für die Lösung der Kronzeugenproblematik im Kampf gegen Kriminalität gewappnet haben. Dieser Weg lässt hoffen, Erkenntnisse zu gewinnen, die auch für die Anwendung der großen Kronzeugenregelung des § 46b StGB von Nutzen sein können.

I. Der Kronzeuge in den USA Der Kronzeuge spielt in den USA eine, auch im Vergleich zu Deutschland, herausragende Rolle.37 Er gehört dort zum Alltag des Strafverfahrens.38 Hierbei lassen sich zwei wesentliche Instrumente nennen, welche zur Behandlung von Kronzeugenkonstellationen herangezogen werden. Die „immunity“ sowie das „plea bargaining“. Das Instrument der „immunity“ (Immunisierung) trägt dem Umstand Rechnung, dass auch die amerikanische Verfassung dem sich einem Strafverfahren ausgesetzt sehenden Täter das Recht zubilligt, eine aktive Unterstützung des Verfahrens gegen ihn und eine damit einhergehende Selbstbelastung zu verweigern.39 Der Grundsatz des nemo-tenetur ist auch der amerikanischen Rechtsordnung nicht fremd. Ein Straftäter kann daher seine Aussage vor Gericht verweigern,40 wenn er sich selbst belasten würde.41 Ein Komplize des Angeklagten 35

BT-Dr. 16/6268. BGBl. I 2009, S. 2288 f. 37 Dennoch ist ein dem Kronzeugen entsprechender Begriff dem amerikanischen Recht fremd, Jeßberger, Kooperation, S. 26. 38 Jeßberger, Kooperation, S. 291. 39 Jeßberger, Kooperation, S. 167 f.; Oehler, ZRP 1987, 41. 40 Grundsätzlich muss ein geladener Zeuge aber vor Gericht erscheinen und auch zur Sache aussagen. Tut er dies nicht, kann er wegen „contempt of court“ (Missachtung des 36

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1. Teil: Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

käme wegen seines Schweigerechts daher in der Regel nicht als Belastungszeuge in Betracht. Die Anklage könnte mithin auf (für die Aufklärung der Tat eigentlich besonders geeignete) Tatbeteiligte nicht zurückgreifen. Um dieses unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, wurde das Instrument der „immunity“ ersonnen und umgesetzt. Der Prosecutor (Staatsanwalt) kann danach dem potentiellen Kronzeugen das Schweigerecht nehmen, indem er ihm vor der erwünschten Aussage Straffreiheit zusichert. Ist dem Belastungszeugen „immunity“ gewährt worden, muss er vor Gericht Zeugnis ablegen, da ihm nun eine Strafverfolgung nicht mehr droht.42 Dem Prosecutor ist es daher möglich, auch gegen den Willen des potentiellen Kronzeugen für dessen Straffreiheit zu sorgen, um diesen zur Aussage zu zwingen. Letztlich stellt sich die zugesicherte Straffreiheit als Waffe gegen das Schweigerecht heraus. In der Geschichte des amerikanischen Rechts war die Reichweite der „immunity“ und die damit einhergehende Straffreiheit des Kronzeugen in unterschiedlicher Weise gezogen. Maßgeblich lassen sich drei unterschiedliche Formen der „immunity“ nennen. Die „transactional immunity“, die „use immunity“ und die „use and derivative use immunity“. Am umfassendsten war die 1857 geschaffene sog. „transactional immunity“.43 Hiernach konnte der Kronzeuge für all jene Taten nicht verfolgt werden, welche er in seiner durch die zugesicherte Straffreiheit erzwungenen Aussage offenbarte.44 Diese umfangreiche Reichweite ermöglichte es Kronzeugen, sämtliche von ihnen begangene Taten offenzulegen, unabhängig davon ob sie im Zusammenhang mit der erwünschten Aussage hinsichtlich der Offenbarungstat standen. Die „transactional immunity“ wurde daher nicht selten von Serienstraftätern als Möglichkeit zur „Reinwaschung“ missbraucht, indem diese ihre kriminelle Vergangenheit umfassend kundtaten.45 Diese Missbrauchsgefahr wurde erkannt und mit Ablösung der „transactional immunity“ durch die „use immunity“ im Jahre 1862 beantwortet.46 Wurde eine „use immunity“ ausgesprochen, so war es den Strafverfolgungsbehörden danach lediglich verwehrt, die Aussage selbst unmittelbar gegen den Kronzeugen zu verwenden. Nicht aber schloss die „use immunity“ aus, dass die aufgrund der Aussage ermittelten weiteren Beweise gegen Gerichts) verurteilt oder mit Beugehaft belegt werden, Jeßberger, Kooperation, S. 167; Oehler, ZRP 1987, 41, 42; Walther, Zeugenschutz, 223, 225 f. 41 Jeßberger, Kooperation, S. 167 f. 42 Jeßberger, Kooperation, S. 170; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 18; Oehler, ZRP 1987, 41, 42. 43 Vgl. Jaeger, Der Kronzeuge, S. 214 f.; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 20 f.; Oehler, ZRP 1987, 41, 42; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1341. 44 Jaeger, Der Kronzeuge, S. 215; Jeßberger, Kooperation, S. 174; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 13; Oehler, ZRP 1987, 41, 42; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1341. 45 Jaeger, Der Kronzeuge, S. 214; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 21; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 13; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1341. 46 Jaeger, Der Kronzeuge, S. 215; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1341.

C. Die Figur des Kronzeugen im Ausland

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den Kronzeugen verwendet werden konnten.47 Die „use immunity“ begründete daher nur ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Aussage.48 Im Jahre 1892 wurde diese Einengung der Straffreiheit vom Supreme Court wegen Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz gekippt.49 Daraufhin kehrte man zum Modell der „transactional immunity“ zurück. Im Jahre 1970 erfolgte durch Gesetz die Einführung der „use and derivative use immunity“.50 Hierdurch wurde die Reichweite der Straffreiheit des zur Aussage gezwungenen Zeugen zwar im Vergleich zur umfassenden Wirkung der „transactional immunity“ eingeschränkt. Im Gegensatz zur bloßen „use immunity“ erstreckte sich das Verwertungsverbot im Hinblick auf den Kronzeugen aber nicht nur auf die Aussage selbst, sondern auch auf die durch sie gewonnenen weiteren Beweise.51 Im Jahre 1972 wurde das Modell der „use and derivative use immunity“ vom Supreme Court abgesegnet.52 Bis heute dient diese Form der „immunity“ der Behandlung von Kronzeugenkonstellationen. Doch birgt sie nicht unerhebliche Nachteile für die Strafverfolgungsbehörden: Der Staatsanwalt muss in Vorleistung gehen. Dies zwingt ihn, die Straffreiheit zuzusichern, ohne Gewissheit darüber zu haben, ob der Zeuge wirklich über die gewünschten gesicherten Erkenntnisse zur Belastung des Angeklagten verfügt.53 Auch kann es zu dem Fall kommen, dass dem potentiellen Kronzeugen dem Anschein nach nur die Rolle des unbedeutenden Teilnehmers zukommt, er sich nach Eintritt der „immunity“ und der dadurch erzwungenen Aussagen aber als Haupttäter herausstellt.54 Das Instrument der „immunity“ zwingt den Staatsanwalt daher, die „Katze im Sack“ zu kaufen.55 Neben der Verhängung der „immunity“ steht in den USA aber noch eine weitere Möglichkeit bereit, Kronzeugenkonstellationen zu behandeln: das „plea bargaining“. Gegenstand des „plea bargaining“ ist ein „Handel“ zwischen potentiellem Kronzeugen und Anklagebehörde. Der Kronzeuge erklärt sich hierbei bereit, 47 Jaeger, Der Kronzeuge, S. 215; Jeßberger, Kooperation, S. 172; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1341. 48 Treffend Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 14, die von einem „Verwertungsverbot ohne Fernwirkung“ spricht. 49 U.S. Supreme Court, Counselman v. Hitchcock, 142 U.S. 547 (1892); vgl. dazu Jaeger, Der Kronzeuge, S. 216; Oehler, ZRP 1987, 41, 42; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1341. 50 Jaeger, Der Kronzeuge, S. 222 f.; Oehler, ZRP 1987, 41, 42. 51 Jaeger, Der Kronzeuge, S. 222; Jeßberger, Kooperation, S. 172; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 22; Oehler, ZRP 1987, 41, 42. Treffend daher Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 14, die von einem „Verwertungsverbot mit Fernwirkung“ spricht. 52 U.S. Supreme Court, Kastigar v. United States, 406 U.S. 441 (1972); vgl. dazu Jaeger, Der Kronzeuge, S. 226; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 23. 53 Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 15; Oehler, ZRP 1987, 41, 42; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 228. 54 Oehler, ZRP 1987, 41, 42. 55 So treffend Jeßberger, Kooperation, S. 175 f.; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1346.

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1. Teil: Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

sich schuldig im Sinne der Anklage zu bekennen. Als „Gegenleistung“ kommt ihm der Prosecutor hinsichtlich des geforderten Strafmaßes entgegen.56 Eine Hauptverhandlung entfällt in diesem Fall.57 Das „plea bargaining“ ist keineswegs auf die Bewältigung der Kronzeugenproblematik begrenzt,58 sondern findet flächendeckend Anwendung.59 Soll der potentielle Kronzeuge aber auch als Belastungszeuge im Prozess gegen Dritte auftreten, so wird der Verhandlungsgegenstand dahingehend erweitert, dass sich der Kronzeuge im Gegenzug zum Entgegenkommen des Prosecutors zur Aussage bereit erklärt.60 Die Möglichkeit des „plea bargaining“ ist dem Umstand geschuldet, dass die Staatsanwaltschaft in den USA nicht durch das Legalitätsprinzip an einen Verfolgungszwang gebunden ist und ihr vielmehr ein umfassendes Ermessen hinsichtlich des „Ob“ und „Wie“ der Strafverfolgung zusteht.61 Das „plea bargaining“ hat für die Anklagebehörde den entscheidenden Vorteil, nicht in Vorleistung gehen zu müssen und die Belohnung für den Kronzeugen dem Aufklärungsbeitrag entsprechend bemessen zu können.62

II. Der Kronzeuge in England und Nordirland Auch in England haben sich im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Instrumente entwickelt, welche zur Lösung der Kronzeugenproblematik genutzt werden.63 Noch bis ins 18. Jahrhundert64 wurden Kronzeugenkonstellationen durch Heranziehen des sog. „approvement“ gehandhabt. Im Falle des „approvement“ bekannte sich ein Täter zu seiner Tat und belastete gleichzeitig weitere an der Tat Beteiligte. Kam es nun zu einer Verurteilung der Tatbeteiligten, wurde der „approver“ begnadigt. Führten seine belastenden Aussagen hingegen nicht zur Verurteilung der Bezichtigten, wurde er aufgrund seines vorausgegangenen Geständ56 Endriß/Malek, 2. Aufl., Rn. 811; Jaeger, Der Kronzeuge, S. 254; Jeßberger, Kooperation, S. 163; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 15; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 14 f.; Schumann, Der Handel mit Gerechtigkeit, S. 76 f.; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 228. 57 Dielmann, GA 1981, 558; Jeßberger, Kooperation, S. 164; Trüg, ZStW 120 (2008), 331, 341. 58 Bocker, Der Kronzeuge, S. 18. 59 Jeßberger, Kooperation, S. 186; Weigend, Absprachen in ausländischen Strafverfahren, S. 35 f.; vgl. auch Schünemann, FS Fezer, 555, wonach das „plea bargaining“ die „wichtigste Institution des amerikanischen Strafverfahrens“ ist. 60 Endriß/Malek, 2. Aufl., Rn. 811; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 46; Oehler, ZRP 1987, 41. 61 Dreher, Kontrollierbarkeit, S. 108 f.; Jaeger, Der Kronzeuge, S. 200; Jeßberger, Kooperation, S. 182; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 14 f.; Massaro, StV 1989, 454; Schmid, Strafverfahren und Strafrecht in den Vereinigten Staaten, S. 40; Trüg, ZStW 120 (2008), 331, 342; Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 102. 62 Oehler, ZRP 1987, 41, 43. 63 Siehe hierzu insgesamt Röhrkasten, Die englischen Kronzeugen. 64 Middendorff, ZStW 85 (1973), 1102, 1111.

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nisses zum Tode verurteilt.65 Aus diesem Institut des „approvement“ entwickelte sich ein ausdifferenziertes System zur Honorierung von Kronzeugenleistungen. Wer sich auf die Seite der Strafverfolgung schlug und Komplizen zu belasten vermochte, konnte mit „rewards“ (Belohnungen) in Form von Geldbeträgen bis hin zu „pardons“ (Begnadigung) rechnen.66 Auch von diesem System wurde sich inzwischen jedoch verabschiedet. Mittlerweile erfolgt die Behandlung der Kronzeugenkonstellationen in England auf einem der amerikanischen Praxis durchaus ähnlichen Wege. Will die Anklagebehörde, dass der Täter gegen seine Komplizen als Belastungszeuge aussagt, stehen ihr zwei maßgebliche Möglichkeiten offen: Zum einen kann sie mit dem Täter ein „immunity bargaining“ vornehmen. Hierbei bekommt der Täter als „Gegenleistung“ für ein Schuldbekenntnis Immunität zugesichert.67 Zum anderen kann dem Täter gegen seinen Willen Immunität gewährt werden, um ihm auf diese Weise sein Auskunftsverweigerungsrecht zu nehmen und ihn zur Aussage zu zwingen.68 In Nordirland gewann die Kronzeugenproblematik durch den Terror der IRA an Aktualität. In den 1980er Jahren war der fortwährende Terror Anlass für zahlreiche Prozesse gegen mutmaßliche IRA-Terroristen, in denen die Anklage einzig auf belastende Angaben angeblicher Mittäter beruhte. Diese als Belastungszeugen auftretenden Täter wurden als „supergrass“ bezeichnet.69 In diesen Prozessen wurden die „supergrass“ zur Kooperation bewegt, indem ihnen vom Staatsanwalt zugesichert wurde, weder Anklage gegen sie zu erheben noch eine gegen sie gerichtete Privatklage zuzulassen.70

III. Der Kronzeuge in Italien In Italien war es ebenso wie in Deutschland der linksextreme Terrorismus, der Anlass zur erneuten Beschäftigung mit möglichen Formen der Bewältigung von Kronzeugenkonstellationen gab. Im Jahre 1979 wurde das Institut der Kronzeugenregelung (= collaborazione processuale71) für den Bereich des Terrorismus gesetzlich geregelt.72 Mit der Zeit weitete sich der Kreis der Kronzeugenregelun65 Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 30; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 35; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 9; Middendorff, ZStW 85 (1973), 1102, 1111 f. 66 Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 28; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 36; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 9 f.; Oehler, ZRP 1987, 41, 44. 67 Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 11; Oehler, ZRP 1987, 41, 44. 68 Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 11. 69 Denny, ZStW 103 (1991), 269, 281, Fn. 61; Lammer, ZRP 1989, 248, 249; Oehler, ZRP 1987, 41, 44. 70 Denny, ZStW 103 (1991), 269, 287 f. 71 Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 164. 72 Endriß/Malek, 2. Aufl., Rn. 809; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 173.

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1. Teil: Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

gen auch auf andere Kriminalitätsbereiche aus. So wurden im Jahre 1990 Kronzeugenregelungen für Betäubungsmittelstraftaten 73 und 1991 auch für den Bereich der organisierten Kriminalität erlassen.74 Insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität, dort vor allem im Kampf gegen die Mafia, kam die Kronzeugenregelung besonders häufig zur Anwendung.75 Diese Kronzeugenregelungen sehen die Möglichkeit vor, die Strafe des Kronzeugen (des sog. „pentito“76) zu mildern. Mit der Schaffung der Kronzeugenregelungen ging die Verankerung der Kronzeugenproblematik im Strafvollstreckungsrecht einher. Kooperationswillige Straftäter können neben der Strafmilderung mit Lockerungen im Strafvollzug rechnen.77 Hingegen wird den nichtkooperierenden Tätern solcher Delikte, die in den Anwendungsbereich der Kronzeugenregelungen fallen, eine besonders schonungslose und harte Vollstreckung der verhängten Strafe zuteil.78 Ebenfalls kann die Weigerung zur Kooperation strafschärfend Berücksichtigung finden.79 In Italien wirken also auf den potentiellen „pentito“ nicht nur in Aussicht gestellte Strafmilderungen, sondern auch drohende handfeste Nachteile für den Fall der Kooperationsverweigerungen ein. Wegen der Honorierung kooperationswilliger Kronzeugen einerseits und der Benachteiligung kooperationsunwilliger Täter andererseits wird die Art der Behandlung von Kronzeugenkonstellationen in Italien auch als „Scherenprinzip“ bezeichnet.80

IV. Auswirkungen auf die Bewertung des § 46b StGB Lässt sich nun im Hinblick auf die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB Übereinstimmendes und Übertragbares erkennen? Was das Instrument der „immunity“ in den USA angeht, muss dies verneint werden. Zu unterschiedlich ist der Weg, der durch „immunity“ einerseits und § 46b StGB andererseits beschritten wird. Zum einen wird die „immunity“ von vornherein nur auf Fälle bestehender Konnexität zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat angewandt. Allein in diesem Fall steht dem Kronzeugen ein Schweigerecht zu. Nur dann aber besteht 73

Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 174. Ausführlich hierzu Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 180 ff. 75 Endriß/Malek, 2. Aufl., Rn. 810; Foffani/Orlandi, Organisierte Kriminalität und kriminelle Organisationen, 221, 244; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 293. 76 Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 163. 77 Endriß/Malek, 2. Aufl., Rn. 810; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 177; vgl. zur organisierten Kriminalität Orlandi, ZStW 108 (1996), 429, 441 f. 78 Foffani/Orlandi, Organisierte Kriminalität und kriminelle Organisationen, 221, 244; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 299 f.; Orlandi, ZStW 108 (1996), 429, 441 f. 79 Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 300. 80 Vgl. zu dem Begriff Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 299. 74

C. Die Figur des Kronzeugen im Ausland

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auch ein Bedürfnis, ihm dieses Schweigerecht durch Immunisierung zu nehmen. Zum anderen fungiert die große Kronzeugenregelung lediglich als Anreiz zur Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden. Dem § 46b StGB kommt daher die Funktion eines Appells an die Vernunft zu. Nicht aber ist es in Deutschland möglich, den potentiellen Kronzeugen vor seiner eigenen Hauptverhandlung zur Kooperation in Bezug auf Taten zu zwingen, an denen er selbst beteiligt war. Da den deutschen Strafverfolgungsbehörden die Verhängung von Immunität nicht möglich ist, kann sich der an der Offenbarungstat Beteiligte bis zur Verurteilung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO berufen.81 Erst nach Verurteilung kann er mit Zwangsmitteln gegen seinen Willen zur belastenden Aussage bewegt werden. Dann aber kommt er wegen der Präklusionsvorschrift des § 46b III StGB als Kronzeuge nicht mehr in Frage. Mithin kann ein Straftäter in Deutschland (nach rechtskräftiger Verurteilung) zwar in den Zeugenstand, nicht aber in den Kronzeugenstand gezwungen werden. Auch im Hinblick auf das „plea bargaining“, welches in den USA herangezogen wird, sind die Unterschiede offensichtlich. Zwar erklärt sich in diesem Fall der Kronzeuge aus freien Stücken zur Kooperation bereit. Auch lässt sich eine strikte Begrenzung der Anwendbarkeit des „plea bargaining“ auf Fälle bestehender Konnexität zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat nicht feststellen. Jedoch verlangt die große Kronzeugenregelung ein Schuldbekenntnis in Bezug auf die Kronzeugentat nicht ausdrücklich.82 Zudem ersetzt die Entscheidung zur Kooperation in Form der Aufklärungs- und Präventionshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1, 2 StGB nicht die Hauptverhandlung: Auch der kooperierende Kronzeuge nach § 46b StGB sieht sich in der Regel einer Hauptverhandlung ausgesetzt.83 Wegen dieser grundlegenden Unterschiede lassen sich der Behandlung von Kronzeugenkonstellationen in den USA keine für den § 46b StGB relevanten Erwägungen entnehmen.84 Auch was die Behandlung des Kronzeugen in England und Nordirland angeht, kann Deckungsgleiches und auf die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB Übertragbares nicht erkannt werden. Wie bereits in Bezug auf die verschiedenen „immunity“-Ausprägungen in den USA dargestellt, kann der Straftäter gerade nicht gegen seinen Willen in den Kronzeugenstand gezwungen werden. Auch das Modell des „immunity bargaining“ ist dem deutschen Recht und dem Konzept des § 46b StGB fremd. Zudem fand das Instrument des „approvement“, soweit

81

Siehe ausführlich unten S. 77 ff. Vgl. unten S. 85. 83 Nur in den Fällen des §§ 46b I 4 StGB i.V. m. 153b StPO ist die Vermeidung einer Hauptverhandlung denkbar. 84 Vgl. auch Weigend, FS Jescheck, 1333, 1345. Die Ausnahme bildet hier der Umstand selbst, dass in den USA, ebenso wie in Deutschland, besondere Instrumente für Kronzeugen als notwendig angesehen werden. 82

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1. Teil: Allgemeines zur neuen Kronzeugenregelung des § 46b StGB

ersichtlich, nur auf Beteiligte und damit allein bei Konnexität zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat Anwendung. Hingegen lässt sich im Hinblick auf die Entwicklung der Behandlung von Kronzeugenkonstellationen in Italien zumindest eine Parallele erkennen: Auch wenn durch die große Kronzeugenregelung ein „Scherenprinzip“ gerade nicht verwirklicht wird und § 46b StGB die Strafvollstreckung unmittelbar nicht beeinflusst,85 sind in Italien ebenfalls Normen vorhanden, die ausdrücklich der Lösung von Kronzeugenkonstellationen dienen sollen.86 Insgesamt zeigt der Blick auf andere Rechtsordnungen, dass zahlreiche Länder einen Anreiz für Straftäter zur Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden, auch auf Kosten einer konsequenten Bestrafung des Kooperierenden, für notwendig und lohnenswert erachten. Der deutsche Gesetzgeber muss sich daher nicht den Vorwurf gefallen lassen, mit der großen Kronzeugenregelung des § 46b StGB einen außerhalb der Landesgrenzen gänzlich unbekannten Weg beschritten zu haben. Somit darf auch von der großen Kronzeugenregelung ein wichtiger Beitrag zur Verbrechensbekämpfung erwartet werden. Diese Einschätzung steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich § 46b StGB mit den tragenden Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung verträgt.

85

Vgl. Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 127. Auch wenn eine große Kronzeugenregelung bislang nicht normiert ist, Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 176. 86

2. Teil

§ 46b StGB und tragende Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung Wurde sich bisher allgemein und überblicksartig mit § 46b StGB befasst, gilt es nun, sich dem Tatbestand und den Rechtsfolgen im Detail zuzuwenden. Im Rahmen dieses Vorgangs muss berücksichtigt werden, dass sich die Kronzeugenregelung des § 46b StGB mit tragenden Prinzipien des Strafrechts sowie der Verfassung konfrontiert sieht. Zu nennen sind hier das Legalitätsprinzip, das Schuldprinzip sowie der „nemo-tenetur“-Grundsatz. Es bestehen Bedenken, ob sich § 46b StGB mit diesen Prinzipien vereinbaren lässt. Daher dürfen diese Prinzipien bei der Ermittlung von Kriterien für Tatbestand und Rechtsfolgen des § 46b StGB nicht außer Acht gelassen werden. Es bedarf vielmehr einer Auseinandersetzung des § 46b StGB mit den genannten Prinzipien, um zu konkreten Ergebnissen hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandes sowie der Anwendung der Rechtsfolgen zu gelangen. Die Prüfung der Vereinbarkeit des § 46b StGB mit den genannten Prinzipien sowie die Auslegung der Norm können daher nicht getrennt vonstatten gehen, sondern müssen einheitlich erfolgen. Zunächst stellt sich aber die Frage, ob der mühsame Weg einer eigenständigen Auslegung des Tatbestands des § 46b StGB sowie des Entwickelns eigener Kriterien für die Rechtsfolgen überhaupt beschritten werden muss. So meint der Gesetzgeber doch, was den Tatbestand des § 46b StGB (und hierbei insbesondere die inhaltlichen Anforderungen an die Kronzeugenhandlung) angeht, ohne Weiteres auf die zu § 31 BtMG a. F. ergangene Rechtsprechung verweisen zu können.1 Sähe man dies so, könnte auf die eigenhändige Abarbeitung am § 46b StGB und auf die Konkretisierung dessen inhaltlicher Anforderungen umfassend verzichtet werden. Ein Rückgriff auf die zu § 31 BtMG a. F. ergangene Rechtsprechung würde diese Arbeit erledigen. Eine solche undifferenzierte Übertragbarkeit kann aber nicht angenommen werden. Zwar ist dem Gesetzgeber insoweit beizupflichten, als der Wortlaut des Tatbestands des § 46b StGB sich an dem des § 31 BtMG a. F. orientiert. Dennoch entbindet dieser Umstand nicht von der Pflicht, den § 46b StGB selbst einer umfassenden Untersuchung zur Ermittlung der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale zu unterziehen sowie Kriterien hinsichtlich der Rechtsfolgen selbstständig zu erarbeiten. Andernfalls übersähe 1

BT-Dr. 16/6268, S. 12.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

man den gewichtigen Umstand, dass § 46b StGB, was Tatbestand und Rechtsfolgen betrifft, weit über das von § 31 BtMG a. F. vorgezeichnete Maß hinausgeht: So erfolgt etwa durch den Verweis auf die Katalogtaten i. S. d. § 100a II StPO eine massive Ausweitung der tauglichen Offenbarungstaten. Diese Ausweitung geht einher mit dem Verzicht des § 46b StGB, einen Zusammenhang zwischen Kronzeugentat und Offenbarungstat zu verlangen. Das Konnexitätserfordernis war und ist hingegen wesentlicher Bestandteil des § 31 BtMG.2 Zudem ist im Rahmen des § 46b StGB der Kreis tauglicher Kronzeugen weitaus größer gezogen als bei § 31 BtMG. Ausreichend hierfür ist, dass der Täter eine mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Straftat begangen hat. Kronzeuge i. S. d. § 31 BtMG kann im Gegensatz hierzu jedoch nur ein Täter der §§ 29 ff. BtMG sein. Auch auf Rechtsfolgenseite sieht § 46b StGB weitreichendere Folgen vor. So ermöglicht § 46b I 1 StGB im Gegensatz zu § 31 BtMG a. F. eine Milderung im Wege einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB und nicht nur eine bloße Absenkung der Mindeststrafe. Zudem sieht § 46b I 4 StGB, anders als § 31 BtMG, ein Absehen von Strafe auch bei Verbrechen vor.3 Weil also § 46b StGB hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolgen wesentlich weiter geht als § 31 BtMG a. F., drängt sich auch die Vermutung auf, dass die genannten Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung durch § 46b StGB stärker beeinträchtigt werden als durch die alte Kronzeugenregelung des BtMG. Daher wäre eine unreflektierte Übernahme der zu § 31 BtMG a. F. ergangenen Rechtsprechung sowie der für § 31 BtMG a. F. geltenden inhaltlichen Anforderungen kein ratsamer Weg. Somit ist für § 46b StGB selbst zu untersuchen, ob sich die Norm mit wesentlichen Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung vereinbaren lässt. Im Rahmen dieser Untersuchung gilt es dann, zu konkreten Ergebnissen hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandes sowie der Rechtsfolgen zu gelangen.

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip Begonnen wird mit der Gegenüberstellung von § 46b StGB und dem Legalitätsprinzip. Das Legalitätsprinzip ist ein tragendes Prinzip des Strafrechts. Für die Staatsanwaltschaft ist es ausdrücklich in § 152 II StPO niedergelegt. Zudem findet es seinen Ausdruck in § 160 StPO sowie in § 163 StPO. Das Legalitätsprinzip verpflichtet ausdrücklich die Staatsanwaltschaft (und nach § 163 StPO die Polizei) zur Aufnahme von Ermittlungen sowie zur Erhebung einer Anklage nach § 170 I StPO, wenn die hierfür erforderlichen Tatverdachtsgrade vorliegen.4 2 Erbs/Kohlhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 6; Körner, § 31, Rn. 30; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 176. 3 Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 13.

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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Diese Pflicht wird auch als Verfolgungszwang bezeichnet.5 Der Verfolgungszwang stellt das notwendige Korrelat zum Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft nach § 152 I StPO dar.6 Entgegen des Wortlauts der §§ 152 II, 160, 163 StPO wird aber nicht allein die Staatsanwaltschaft bzw. die Polizei von dem Verfolgungszwang erfasst. Vielmehr besteht Übereinkunft darüber, dass auch die Gerichte diesem Verfolgungszwang unterliegen.7 Der Strafverfolgungspflicht würde nicht gerecht werden, wenn allein Staatsanwaltschaft und Polizei, nicht aber Gerichten die Berücksichtigung von Zweckmäßigkeitserwägungen grundsätzlich versagt würde.8 Für die Gerichte wirkt sich das Legalitätsprinzip dahingehend aus, dass sie den Automatismus zwischen Straftat und Bestrafung konsequent durchsetzen müssen, also für begangene Straftaten grundsätzlich die gesetzlich angedrohte Strafe zu verhängen haben.9 Insofern entfaltet daher das Legalitätsprinzip Wirkung auch in materieller Hinsicht.10 Das Legalitätsprinzip speist sich aus zwei Quellen. Zum einen lässt es sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG ableiten.11 Zum anderen ist es Ausfluss des Willkürverbots, Art. 3 I GG.12 Somit repräsentiert das Legalitätsprinzip im 4 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 17; Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 138; Haller/Conzen, Das Strafverfahren, Rn. 13; Julius/Gercke, § 152, Rn. 3; Kindhäuser, Strafprozessrecht, Rn. 18; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 152, Rn. 8; Meyer-Goßner, § 152, Rn. 2; Ranft, Strafprozessrecht, Rn. 279 f.; Schroeder, Strafprozessrecht, Rn. 63; Volk, § 18, Rn. 7; Weigend, ZStW 109 (1997), 103. 5 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 17; Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, S. 61; Schroeder, FS Peters, 411, 414. 6 BGHSt 15, 155, 159; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 17; Julius/Gercke, § 152, Rn. 3; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 44; Kindhäuser, Strafprozessrecht, Rn. 19; Meyer-Goßner, § 152, Rn. 2; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 2; Pommer, Jura 2007, 662; Ranft, Strafprozessrecht, Rn. 278; Sahan/Berndt, BB 2010, 647, 648; Schmidt-Jortzig, NJW 1989, 129, 131; Volk, § 18, Rn. 7. 7 Hoyer, JZ 1994, 233, 235; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 152, Rn. 16; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 37; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 86. 8 Dies wird verkannt von der Stellungnahme der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.05.2009, BT-Dr. 16/13094, S. 4 f. 9 Hoyer, JZ 1994, 233, 235; Löwe-Rosenberg/Beulke, § 152, Rn. 16; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 86. 10 Hoyer, JZ 1994, 233, 235. 11 BVerfGE 46, 214, 222 f.; NJW 1988, 329, 330; NJW 1990, 563, 564; Hassemer, FS StA Schleswig-Holstein, 529; Hoyer, JZ 1994, 233, 235; Jung, ZRP 1986, 38, 40; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 152, Rn. 13; Mushoff, KritV 2007, 366, 375; Schmidt-Jortzig, NJW 1989, 129, 138; Schünemann, Gutachten B zum 58. Deutschen Juristentag, B 92; Volk, § 18, Rn. 7. 12 BVerfGE 46, 214, 223; NStZ 1982, 430; Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 138; Hassemer, StV 1986, 550, 552; ders., FS StA Schleswig-Holstein, 529, 530; Hoyer, JZ 1994, 233, 235; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 60; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 152, Rn. 13; Mushoff, KritV 2007, 366, 375; Peters, Strafprozess, S. 171; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 2; Schmidt-Jortzig, NJW 1989, 129, 138; Schroeder, Strafprozessrecht, Rn. 63; Volk, § 18, Rn. 7.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

Strafverfahren sowohl das Rechtsstaatsprinzip als auch das Willkürverbot. Es hält gleichsam die Fahnen dieser beiden Verfassungsgrundsätze im Strafverfahren hoch. Ob die Kronzeugenregelung des § 46b StGB sich mit diesen beiden Quellen des Legalitätsprinzips vereinbaren lässt, muss als fraglich gelten und bedarf der Untersuchung. Begonnen werden soll hierbei mit dem Rechtsstaatsprinzip. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Untersuchung des § 46b StGB unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips konkrete Ergebnisse erwarten lässt, die zumindest teilweise auch auf die weiteren beeinträchtigten Prinzipien übertragen werden können. Aus diesem Grund wird der Untersuchung des Rechtsstaatsprinzips auch ein im Vergleich zu den übrigen Prinzipien größerer Umfang eingeräumt.

I. § 46b StGB und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip Dem durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzip lässt sich die Pflicht des Staates entnehmen, Straftaten zu verfolgen und abzuurteilen.13 Nur die konsequente Verfolgung von Straftaten und die daran anknüpfende Verhängung der gesetzlich vorgeschriebenen Sanktionen vermögen eine Grundlage zu schaffen, auf der sich der Rechtsstaat verwirklichen kann.14 Es ist dafür zu sorgen, dass der gesetzlich vorgesehene Automatismus zwischen Straftat und Strafe sowie die Verhängung der gesetzlich angedrohten Strafe in der Praxis verwirklicht werden.15 § 46b StGB unterstützt die konsequente und ausnahmslose Verfolgung sowie Aburteilung und Bestrafung der Taten des Kronzeugen aber gerade nicht. Zwar wird nur über den Weg des § 46b I 4 StGB die Einstellung des Verfahrens nach 153b II StPO durch das Gericht bzw. das Absehen von der Klageerhebung durch die Staatsanwaltschaft nach § 153b I StPO ermöglicht. Nur in diesem Falle ist also das Strafverfahren gegen den Kronzeugen ohne richterlichen Schuldspruch beendet. Doch lässt die große Kronzeugenregelung bereits durch das Mildern oder gar Absehen von Strafe des überführten Kronzeugen Ausnahmen hinsichtlich der konsequenten Bestrafung des Kronzeugen zu. Auch bei Strafmilderung und Absehen von Strafe als Belohnung für die Kooperation wird trotz richterlichem Schuldspruch16 der Automatismus zwischen begangener Straftat und Strafe in Frage gestellt und damit das Legalitätsprinzip beeinträchtigt.17 Der rechtsstaatlich verankerten Pflicht, auf die Straftat des Kronzeugen 13

BVerfGE 46, 214, 222; NJW 1966, 243; NJW 1988, 329, 330; NJW 1990, 563, 564. BVerfGE 46, 214, 222. 15 Hoyer, JZ 1994, 233, 235. 16 Vgl. zur Wirkung des Absehens von Strafe ausführlich unten S. 98. 17 Ebenso zu den bisherigen Kronzeugenregelungen Endriß, StraFo 2004, 151, 156; Hoyer, JZ 1994, 233, 235; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 218; Neumann, StV 1994, 273, 276; Schroeder, FS Peters, 411, 422. 14

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mit der gesetzlich angedrohten Strafe zu antworten, wird nicht in vollem Umfang nachgekommen. Der materiellen Funktion des Legalitätsprinzips würde nicht gerecht werden, wenn man eine Beeinträchtigung allein im Falle der Nichtverfolgung annähme.18 Also berührt nicht nur der durch §§ 46b I 4 StGB, 153b StPO ermöglichte Verfolgungsverzicht das Legalitätsprinzip.19 Vielmehr erfolgt die Beeinträchtigung auch durch die von § 46b I 1 StGB vorgesehene Strafmilderung bzw. das Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB.20 Jedoch gilt zu beachten, dass das Legalitätsprinzip als Repräsentant des Rechtsstaatsprinzips im Strafverfahren keine absolute Geltung beansprucht. Vielmehr lässt sich bereits der Strafprozessordnung, namentlich § 152 II StPO, die Möglichkeit entnehmen, von der Verfolgungspflicht in Einzelfällen abzusehen. Nach § 152 II StPO können sich gesetzliche Bestimmungen finden lassen, nach denen eine Verfolgungspflicht gerade nicht besteht. Dem Legalitätsprinzip steht nämlich ein anderer Grundsatz gegenüber: Das Opportunitätsprinzip. Es bildet den Gegensatz zum Legalitätsprinzip.21 Nach dem Opportunitätsprinzip steht es den Verfolgungsorganen frei, Straftaten zu verfolgen oder eben darauf zu verzichten.22 In der Strafprozessordnung hat das Opportunitätsprinzip seinen Ausdruck in den §§ 153 ff. StPO gefunden. Erstmals fand es Einzug ins Strafverfahrensrecht durch die Emminger’sche Reform.23 Das Opportunitätsprinzip trägt dem Umstand Rechnung, dass eine ausnahmslose Anwendung des Legalitätsprinzips zu einer Überlastung der Verfolgungsbehörden und der Gerichte führen würde.24 Aus diesem Grund ermöglicht es in einzelnen Fällen das Absehen von Strafverfolgung aus Gründen der Zweckmäßigkeit.25 Folglich ist das Absehen von ausnahmsloser Strafverfolgung sowie von konsequenter Verhängung der gesetzlich vorgesehenen Strafe aus Zweckmäßigkeitserwägungen dem Strafverfah18 Hoyer, JZ 1994, 233, 235; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 218; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 86 f. 19 Selbst die Berührung des Legalitätsprinzips durch den ermöglichten Verfolgungsverzicht bestreiten aber die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.05.2009, BT-Dr. 16/13094, S. 4 f. 20 Vgl. statt aller so zu § 31 BtMG a. F. schon Hoyer, JZ 1994, 233, 235. 21 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 17; Haller/Conzen, Das Strafverfahren, Rn. 14; Julius/Gercke, § 152, Rn. 15; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 152, Rn. 8; Meyer-Goßner, § 152, Rn. 7; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 4; Roxin/Schünemann, § 14, Rn. 1; Schroeder, Strafprozessrecht, Rn. 65. 22 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 17; Haller/Conzen, Das Strafverfahren, Rn. 14; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 152, Rn. 8; Meyer-Goßner, § 152, Rn. 7; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 4; Schroeder, Strafprozessrecht, Rn. 65; vgl. auch Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 114 ff. 23 RGBl. I 1924, S. 15, 18 f.; vgl. dazu Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 47 f.; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 152, Rn. 57; Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 32. 24 Vgl. Peters, Strafprozess, S. 171. 25 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 17; Kindhäuser, Strafprozessrecht, Rn. 20; Schroeder, FS Peters , 411, 423.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

ren nicht fremd.26 Daher kann auch nicht jede Beeinträchtigung des Verfolgungszwangs als unzulässige Beeinträchtigung, mithin als Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, angesehen werden. Die durch § 46b StGB ermöglichte Beeinträchtigung der konsequenten Strafverfolgungs- und Aburteilungspflicht der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte hinsichtlich des Kronzeugen führt daher nicht schlechthin zu einer Unvereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip. Vielmehr ist zu beachten, dass dem im Strafverfahren durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip andere wichtige Ziele gegenüberstehen können. § 46b StGB verfolgt den Zweck, die Strafverfolgung und Verhinderung von Straftaten i. S. d. Katalogs des § 100a II StPO zu effektivieren.27 Die Kronzeugenregelung knüpft hierbei zum einen an schwere Straftaten solcher Kriminalitätskreise an, die wegen ihrer abgeschotteten Strukturen besonders schwer zu durchdringen sind28 sowie zum anderen an Straftaten, die schon allein aufgrund ihrer besonderen Schwere ein besonders großes Aufklärungs- und Präventionsinteresse nach sich ziehen.29 Die Pflicht des Staates, gerade schwere Straftaten zu verfolgen und zu verhindern, ist aber wesentlicher Bestandteil des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips und des ihm zu entnehmenden Topos der funktionstüchtigen Strafrechtspflege.30 Zwar ist dieser Topos nicht unbestritten, da zum Teil hierin eine Gefahr dahingehend ausgemacht wird, dass der Strafverfolgung ein die Verfahrensrechte von Beschuldigten schlechthin überwiegender Rang eingeräumt werden könnte.31 Diese Bedenken vermögen hier jedoch nicht zu greifen, da die Pflicht zur Verfolgung gerade schwerer und schwer aufklärbarer Straftaten im vorliegenden Fall nicht als dominierender Teil des Rechtsstaatsprinzips verstanden wird. Vielmehr ist diese Pflicht lediglich als Teilaspekt anzusehen, der sich mit anderen Ausprägungen des Rechtsstaates zu messen hat. Folglich bezweckt § 46b StGB, das hinsichtlich des Kronzeugen beeinträchtigte Rechtsstaatsprinzip in Bezug auf die zu verfolgenden und überwiegend nur schwer zu durchdringenden Taten i. S. d. § 100a II StPO im Gegenzug gerade zu stärken. Bei Anwendung des § 46b StGB stehen sich daher zwei Seiten der gleichen Medaille gegenüber: Das Rechtsstaatsprinzip wird hinsichtlich der kon26 Zu weitgehend aber Schlüchter, ZRP 1997, 65, 68, die schon die Todesglocken für das Legalitätsprinzip läuten hörte und in dem KronzG allenfalls eine „Leichenschändung“ erkennen konnte. 27 BT-Dr. 16/6268, S. 1. 28 BT-Dr. 16/6268, S. 1, 11. 29 BT-Dr. 16/6268, S. 11. 30 BVerfGE 33, 367, 383; 34, 238, 248 f.; NJW 1988, 329, 330; Beulke, StV 1990, 180; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 214; Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20, Abschnitt VII, Rn. 143; Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 18; Niemöller/Schuppert, AöR 107 (1982), 387, 396; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann, Art. 20, Rn. 69. 31 So Grünwald, JZ 1976, 767, 772 f.; Hassemer, StV 1982, 275 ff.; Riehle, KritJ 1980, 316 ff.; Roxin/Schünemann, § 1, Rn. 7.

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kreten Taten des Kronzeugen beeinträchtigt, um ihm gleichzeitig hinsichtlich schwerwiegender und überwiegend besonders schwer aufklärbarer Straftaten i. S. d. § 100a II StPO zur stärkeren Geltung zu verhelfen. Bei Anwendung des § 46b StGB widerstreiten daher die konsequente Verfolgung und Bestrafung des Kronzeugen mit dem Ziel der Verbesserung der Verfolgung und Verhinderung der in § 100a II StPO niedergelegten Delikte einander. Weder führt diese Stoßrichtung des § 46b StGB hinsichtlich der Katalogtaten i. S. d. § 100a II StPO automatisch zu einer Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips in Bezug auf das Verfahren gegen den Kronzeugen,32 noch lässt sich mit ihr die Unzulässigkeit des § 46b StGB begründen. Vielmehr ist der in § 46b StGB vereinigte Widerstreit im Wege einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung aufzulösen.33 In diesem Rahmen gilt es, konkrete Ergebnisse hinsichtlich Rechtsfolgen sowie der Auslegung des Tatbestandes des § 46b StGB durch Auseinandersetzung mit dem Rechtsstaatsprinzip zu gewinnen. Damit § 46b StGB vor dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Bestand haben kann, müssen die von § 46b StGB eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein.34 1. Verhältnismäßigkeit des § 46b StGB hinsichtlich des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips: Geeignetheit Die Kronzeugenregelung des § 46b StGB muss sich zunächst als geeignetes Mittel zum Erreichen des von ihr angestrebten Zwecks darstellen. Hierfür bedarf es vorab einer genauen Ausarbeitung des von § 46b StGB verfolgten Zwecks.35 Dieser kann bei § 46b StGB in ein Fernziel und in ein Nahziel unterteilt werden: Wie oben gezeigt, bezweckt die große Kronzeugenregelung, die Aufklärung und Verhinderung von Katalogtaten des § 100a II StPO (also schwere und i. d. R. durch abgeschottete Strukturen geprägte Straftaten) zu verbessern. Dies ist das Fernziel des § 46b StGB und als solcher Zweck nicht zu beanstanden. Im Gegenteil: Wie bereits dargestellt kommt der Staat hier seiner rechtsstaatlichen Pflicht nach, sich intensiv um die Aufklärung und Verhinderung schwerer Straftaten zu 32

So aber BT-Dr. 16/6268, S. 11. Vgl. zu den bisherigen Kronzeugenregelungen Denny, ZStW 103 (1991), 269, 271 f.; Hoyer, JZ 1994, 233, 238; Jung, ZRP 1986, 38, 40; Schmidt-Jortzig, NJW 1989, 129, 134. Vgl. auch die Ausführungen zur Vereinbarkeit des § 31 BtMG mit dem Legalitätsprinzip von Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, S. 61 ff.; im Ergebnis ebenso Jeßberger, Kooperation, S. 96, der jedoch, begrifflich abweichend, auf das Übermaßverbot abstellt. 34 Vgl. BVerfG NJW 1994, 1577, 1578 f.; Pieroth/Schlink, Rn. 283, 289; Remmert, Übermaßverbot, S. 1; Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 775; Wendt, AöR 104 (1979), 414, 415. 35 Vgl. Maurer, Staatsrecht I, § 8, Rn. 56; Michael, JuS 2001, 148. 33

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bemühen. Als Nahziel der Kronzeugenregelungen ist die Motivierung von Straftätern anzusehen, Interna über begangene oder geplante Taten des § 100a II StPO zu offenbaren, da Ermittler in diesen Deliktsbereichen auf Hinweise aus dem kriminellen Umfeld angewiesen sind.36 Anhand der durch diese Motivation ausgelösten Offenbarungshandlungen des Kronzeugen soll wiederum das Fernziel der Aufklärung und Verhinderung dieser Taten verwirklicht werden. Als Mittel zum Erreichen dieses Zwecks wird dem kooperierenden Kronzeugen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB sowie in Einzelfällen ein Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB in Aussicht gestellt. Ob jedoch die Kronzeugenregelung zum Erreichen dieses Zwecks überhaupt geeignet ist, kann aus mehreren Gründen bezweifelt werden. a) Ungeeignetheit wegen der praktischen Unbedeutsamkeit der bisherigen Kronzeugenregelungen Die Geeignetheit des § 46b StGB wäre nur dann abzulehnen, wenn die Kronzeugenregelung zum Erreichen des angestrebten Zwecks schlechthin ungeeignet ist.37 Als geeignet ist § 46b StGB schon dann anzusehen, wenn der verfolgte Zweck durch die Kronzeugenregelung gefördert werden kann.38 Bereits eine Teileignung genügt.39 Hier könnte eine Ungeeignetheit des § 46b StGB aus dem Umstand folgen, dass die bisherigen Kronzeugenregelungen die an sie gerichteten Erwartungen fast gänzlich enttäuschten. Zwar vermochte § 31 BtMG a. F. im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts beachtliche Ermittlungserfolge zu erzielen.40 Jedoch fanden Art. 4 und 5 KronzG in der Praxis kaum Anwendung und blieben nennenswerte Ermittlungserfolge im Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität weitgehend schuldig.41 Dennoch lässt sich aus der äußerst geringen Praxisrelevanz der Art. 4, 5 KronzG eine Ungeeignetheit der Kronzeugenregelung des § 46b StGB nicht ableiten.42 Deren Probleme der praktischen Bedeu36

BT-Dr. 16/6268, S. 1. BVerfGE 19, 119, 127; Michael, JuS 2001, 148, 149. 38 Vgl. BVerfG NJW 1983, 1417, 1419; NJW 1985, 121, 122; NJW 1994, 1577, 1579; Sachs/Sachs, Art. 20, Rn. 150; Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 776; Pieroth/ Schlink, Rn. 293. 39 Michael, JuS 2001, 148, 149; Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 776. 40 Dölling, Gutachten C zum 61. Deutschen Juristentag, C 74 f.; Körner, § 31, Rn. 7; MK/Maier, § 31, Rn. 5. Nach BT-Dr. 11/4329, S. 19 kam § 31 Nr. 1 BtMG zwischen 1985 und 1987 über zweitausend Mal zum Einsatz. 41 Dahs, NJW 1995, 553, 557; Jeßberger, Kooperation, S. 98; Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 208 zu Art. 5 KronzG; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 123, wonach Art. 4 und Art. 5 KronzG jeweils in lediglich maximal 25 Fällen Anwendung fanden. 42 Vgl. Jeßberger, Kooperation, S. 98 f.; Lammer, JZ 1992, 510, 511; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 123; Peglau, ZRP 2001, 103, 105; ders., wistra 2009, 409, 410. 37

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tungslosigkeit waren nämlich „hausgemacht“. Sie rührten aus der ausschließlichen Verknüpfung mit den §§ 129, 129a StGB her, sodass ihre Voraussetzungen zu eng gezogen waren.43 Zudem richteten sich diese Kronzeugenregelungen an zur Kooperation mit dem Staat denkbar ungeeignete Täterkreise.44 Diese Fehler begeht § 46b StGB aber gerade nicht erneut. Vielmehr wurden aus dem Versagen der Art. 4, 5 KronzG die notwendigen Lehren gezogen. So wurde der Kreis tauglicher Kronzeugen durch § 46b StGB erheblich ausgeweitet. Auch kann Offenbarungstat nun jede Tat i. S. d. § 100a II StPO sein. Zudem verzichtet § 46b StGB auf einen Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat. Daher kann aus dem von Art. 4, 5 KronzG geführten Schattendasein in der strafrechtlichen Praxis eine Ungeeignetheit des § 46b StGB nicht geschlossen werden. b) Ungeeignetheit wegen der Gefahr unwahrer Offenbarungsangaben Die Ungeeignetheit der neuen Kronzeugenregelung könnte jedoch aus der erhöhten Gefahr unwahrer Offenbarungsangaben durch Straftäter folgen. Dass Kronzeugenregelungen die Gefahr innewohnt, unwahre, zur Falschbelastung Dritter führende Aussagen durch Straftäter hervorzurufen, die nach Strafmilderung streben, kann kaum bestritten werden.45 Wo immer Straftäter die Möglichkeit einer Strafmilderung erblicken können, besteht Missbrauchsgefahr. Dies gilt auch für § 46b StGB.46 Der Täter einer tauglichen Kronzeugentat kann in Versuchung geraten, unschuldige Dritte der Begehung oder Planung von Taten i. S. d. § 100a II StPO zu bezichtigen, um in den Genuss der Strafmilderung zu gelangen. Das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Ziel des § 46b StGB kann jedoch nur verwirklicht werden, wenn die mit Strafmilderung belohnten Offenbarungen der poten43 Jeßberger, Kooperation, S. 99; Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 208; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 123; Peglau, ZRP 2001, 103, 105; ders., wistra 2009, 409, 410. 44 Denny, ZStW 103 (1991), 269, 276; Fabel, Geldwäsche und tätige Reue, S. 194; Hoyer, JZ 1994, 233, 234; Jeßberger, Kooperation, S. 99; Scheerer, StV 1989, 80, 83; treffend daher Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 208, der Art. 5 KronzG als mit einem „Geburtsfehler behaftet“ ansieht. 45 So auch die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Dr. 16/6268, S. 18; BeckOK/ von Heintschel-Heinegg, § 46b, Rn. 4; Behrendt, GA 1991, 337, 357; Dahs, NJW 1995, 553, 557; Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 943; Endrieß, StraFo 2004, 151, 155; Jaeger, Der Kronzeuge, S. 89; Hassemer, StV 1986, 550, 552; Heghmanns/Scheffler, VII Rn. 610; König, NJW 2009, 2481, 2483; Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 677; Kreuzer/Weider, § 15, Rn. 150; Kühne, FS Trechsel, 719, 721; Leipold, NJW-Spezial 2009, 776; Meyer, ZRP 1976, 25, 26; Middendorf, ZStW 85 (1973), 1102, 1122 f.; Mühlhoff/Mehrens, S. 32; Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 124; NK/Streng, § 46b, Rn. 7; Paeffgen, StV 1999, 625, 627; Peglau, ZRP 2001, 103, 104; Ransiek, StV 1996, 446, 449; Stöckel, FS Böttcher, 617, 632; Turner/Gallandi, ZRP 1988, 117, 118; sehr weitgehend Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 278, die die Glaubwürdigkeit zum „Kardinalproblem“ jeder Kronzeugenregelung erhebt. 46 BT-Dr. 16/6268, S. 15.

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tiellen Kronzeugen zutreffend sind. Nur wenn sich die dadurch ausgelösten staatlichen Ermittlungsmaßnahmen gegen Täter tatsächlich begangener bzw. bevorstehender Taten richten, wird das Rechtsstaatsprinzip hinsichtlich dieser Delikte gestärkt.47 Eine strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung von Unschuldigen steht hingegen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. Wegen der gesteigerten Gefahr unwahrer Behauptungen durch potentielle Kronzeugen und der damit verbundenen Verfolgung Unschuldiger könnte man § 46b StGB daher als schlechthin ungeeignetes Mittel im Kampf gegen die Kriminalität einstufen.48 Hierbei übersähe man jedoch den Umstand, dass dem Staat bei Anwendung des § 46b StGB genügend Instrumente zur Verfügung stehen, um sowohl die Gefahr einer unwahren Kooperationsaussage zu mindern als auch die darauf beruhende Verfolgung und Verurteilung Unschuldiger zu vermeiden. So sehen die den § 46b StGB flankierenden Vorschriften der §§ 164 III 1, 145d III Nr. 1 StGB eine Strafrahmenerhöhung in den Fällen vor, in denen der Täter die falsche Verdächtigung bzw. Straftatvortäuschung begeht, um in den Genuss des § 46b StGB zu gelangen. Zudem schließt § 145d III Nr. 2, 3 StGB eine bisherige Strafbarkeitslücke.49 Der Verlockung des Erschleichens von Vorteilen des § 46b StGB steht daher die Androhung einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe gegenüber, welche die gegebenenfalls erschlichenen Strafmilderungen kompensieren kann. Diese präventive Wirkung der hohen Strafandrohung senkt die Gefahr falscher Kronzeugenaussagen daher ab.50 Doch selbst wenn ein Täter den Verlockungen nicht widersteht und unschuldige Dritte bezichtigt, ist die Gefahr der Verurteilung Unschuldiger aufgrund der Falschbezichtigung hinreichend eingedämmt. So hat der Tatrichter nach allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung im Prozess gegen den Offenbarten zu berücksichtigen, dass der Kronzeuge gerade zum Zwecke der Strafmilderung unwahre Angaben gemacht haben könnte51 bzw. sich durch Belastung eines vermeintlichen Komplizen selbst entlasten will.52 In Kronzeugenkonstellationen sind daher hinsichtlich der Beweiswürdigung besonders hohe Anforderungen an

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Fezer, FS Lenckner, 681, 682; Mushoff, KritV 2007, 367, 370. So zu Kronzeugenregelungen allgemein Hassemer, StV 1986, 550, 552; Roxin/ Schünemann, § 14, Rn. 20. Siehe auch Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, der den Kronzeugen wegen der mangelnden Glaubwürdigkeit als „das denkbar schlechteste Beweismittel überhaupt“ einstuft (S. 130) und der Aussage des Kronzeugen lediglich „Hinweisfunktion“ zubilligt (S. 131). 49 Siehe oben S. 21. 50 BT-Dr. 16/6268, S. 15 f.; a. A. jedoch König, NJW 2009, 2481, 2483, der im Gegenteil befürchtet, durch die Strafdrohung der §§ 145d III, 164 III 1 StGB werde der Denunziant erst recht an unwahren Aussagen festhalten; zweifelnd ebenfalls Dann, NJW 2009, Editorial Heft 34, III; Leipold, NJW-Spezial 2009, 776. 51 BGH NStZ-RR 2002, 146 f.; NStZ 2004, 691 f. 52 BGH NStZ 1990, 603; StV 1991, 452; Nack, StV 2002, 558 f.; Peters, Fehlerquellen im Strafprozess, Band II, S. 49. 48

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die belastende Aussage des potentiellen Kronzeugen zu stellen.53 Die Gefahr der Verfolgung und Verurteilung Unschuldiger aufgrund der Verlockungen des § 46b StGB kann daher als gering angesehen werden. Folglich bedarf es auch keiner dem angloamerikanischen Recht entnommenen sog. „corroboration“-Regelung, welche die Verurteilung der offenbarten Person allein aufgrund der Kronzeugenaussage verbietet.54 Auch können diese erhöhten Anforderungen an die Würdigung der Kronzeugenaussage ihrerseits nicht gegen die Geeignetheit der neuen Kronzeugenregelung ins Feld geführt werden. Denn sie sind nicht so streng zu verstehen, dass die Offenbarung des Kronzeugen auch im Verfahren gegen einen schuldigen Täter gänzlich unbrauchbar ist. Vielmehr wird lediglich dem Tatrichter abverlangt, sich die Besonderheiten der Kronzeugenkonstellation vor Augen zu führen. Zudem wird es mit Hilfe des Kronzeugen oftmals gelingen, zusätzliche belastende Beweismittel gegen den offenbarten Täter zusammenzutragen. Die Verurteilung eines Offenbarten allein aufgrund der Aussagen eines Kronzeugen dürfte daher ohnehin eher die Ausnahme darstellen. Auch verbessert das Erfordernis der frühzeitigen Offenbarung durch die Präklusionsvorschrift des § 46b III StGB die Möglichkeiten, die Angaben des Kronzeugen bis zur Entscheidung über dessen Strafmilderung einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen. Auf diese Weise läuft der vermeintliche Kronzeuge Gefahr, bereits vor der Honorierung entlarvt und nach §§ 145d III, 164 III 1 StGB bestraft zu werden. Somit führt die von § 46b StGB ausgehende Gefahr der unrichtigen, zur Verurteilung Unschuldiger führenden Offenbarungen nicht zur Ungeeignetheit der neuen Kronzeugenregelung.55 c) Ungeeignetheit wegen der potentiellen Gefährdung des Kronzeugen Die Geeignetheit des § 46b StGB könnte aber wegen der dem Kronzeugen drohenden Racheakte in Frage gestellt werden. Dass ein mit den staatlichen Verfolgungsbehörden kooperierender Straftäter die Rache der von ihm offenbarten 53

Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 462. Ebenso Endriß, StraFo 2004, 151, 155; Jahrreiß, FS Lange, 765, 772; Peglau, ZRP 2001, 103, 105; anders aber Denny, ZStW 103 (1991), 269, 305 und Häusler, Der Kronzeuge, S. 259, 273. 55 Daher bedarf es auch keiner von den Gesetzesentwürfen des Bundesrates sowie der CDU/CSU-Fraktion in BT-Dr. 15/2771, S. 9 bzw. BT-Dr. 15/2333, S. 7 für den Kronzeugen vorgesehenen und in § 362 StPO zu verortenden „Verwirkungsstrafe“ im Falle des Wiederholens oder Korrigierens einer unrichtigen Offenbarung im Offenbarungsprozess (anders aber die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Dr. 16/6268, S. 19 mit zutreffender Kritik der Bundesregierung BT-Dr. 16/6268, S. 21). Kritisch im Hinblick auf die Geeignetheit aber Sahan/Berndt, BB 2010, 647, 649. 54

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

Täter zu fürchten hat, kann nicht ernsthaft bestritten werden.56 Wenn aber die Angst beim Kronzeugen vor Repressionen aus dem kriminellen Milieu derart groß sein muss, dass sie seine Bereitschaft zur Kooperation mit dem Staat im Keim erstickt, müsste der großen Kronzeugenregelung die Eignung zur Straftatbekämpfung abgesprochen werden. Jedoch besteht ein ausdifferenziertes Zeugenschutzsystem, welches den Kronzeugen sowohl im Strafverfahren gegen den Offenbarten57 als auch außerhalb des Strafverfahrens zu schützen vermag. Tritt der Kronzeuge im Verfahren gegen den Offenbarten als Zeuge auf, tragen Vorschriften des Strafprozessrechts seinem Schutzinteresse Rechnung. So kann er nach § 68 II StPO auf die Angabe seines Wohnortes verzichten, wenn durch diese Angabe Rechtsgüter des Kronzeugen gefährdet wären. Nach § 200 I 4 StPO hat auch die Anklageschrift und nach § 222 I 3 StPO die gerichtliche Namhaftmachung dies zu berücksichtigen. Darüber hinaus kann dem Kronzeugen nach § 68 III 1 StPO gestattet werden, auf jegliche Angaben zu seiner Person zu verzichten, wenn ein begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass durch die Offenbarung seiner Identität Gefahr für Leib und Leben des Kronzeugen oder andere Personen entsteht. Zudem erschwert § 68 V 2 StPO die Möglichkeit der Feststellung der Adresse des Kronzeugen durch potentielle Gefährder im Wege der Akteneinsicht. Auch kann nach § 247a S. 1 StPO der Kronzeuge in der Hauptverhandlung an einem anderen Ort als dem Sitzungssaal vernommen und die Aussage nach § 247a S. 3 StPO in Bild und Ton ins Sitzungszimmer übertragen werden.58 Zudem ermöglicht § 172 Nr. 1a GVG den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung, wenn eine Gefährdung von Leben, Leib oder Freiheit des Kronzeugen zu besorgen ist. Auch außerhalb des Strafverfahrens gegen den Offenbarten kann in ausreichendem Maße für den Schutz des gefährdeten Kronzeugen durch das im Jahre 2001 in Kraft getretene ZSHG59 gesorgt werden. Vor diesem Zeitpunkt erfolgte der Zeugenschutz außerhalb des Strafverfahrens allein aufgrund polizeilicher Ge56 Behrendt, GA 1991, 337, 359; Eichenhofer, RuP 1978, 226, 228; Hassemer, StV 1986, 550, 553; Heghmanns/Scheffler, VII Rn. 608; Jaeger, Der Kronzeuge, S. 95 ff.; Jahrreiß, FS Lange, 765, 766; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 87; Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 464; Lammer, ZRP 1989, 248, 252; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 114; Mushoff, KritV 2007, 366, 370; Pas´kiewicz, ZStW 114 (2002), 922, 934; Plywaczewski, FS Szwarc, 685, 692; Stern, StraFo 2002, 185, 188; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1348; vgl. auch die anschaulich dargestellten (Extrem)-Fälle bei Middendorff, ZStW 85 (1973), 1102 ff. 57 Zum strafprozessualen Zeugenschutz insgesamt siehe Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 147 ff.; zum Schutz des Kronzeugen in Italien vgl. Foffani/Orlandi, Organisierte Kriminalität und kriminelle Organisationen, 221, 245–247. 58 Kritisch hierzu aber Heghmanns/Scheffler, VII Rn. 612–616, wonach gerade die Gefahr der Falschbelastung durch Kronzeugen dafür sprechen soll, die Vernehmung des Kronzeugen in der Hauptverhandlung der Videovernehmung vorzuziehen. 59 Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen, BGBl. I 2001, S. 3510.

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neralklauseln,60 Richtlinien der Justiz- und Innenminister61 sowie auf Grundlage des rechtfertigenden Notstandes i. S. d. § 34 StGB.62 Das ZSHG ermöglicht nun nach § 1 ZSHG den Schutz wichtiger Zeugen und deren Angehöriger, die aufgrund ihrer Aussagebereitschaft Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind. Insbesondere kann nach § 5 I ZSHG eine vorübergehende Tarnidentität geschaffen werden. Eine dauerhafte Identitätsänderung ist hingegen nicht vorgesehen.63 Jedoch begrenzt § 2 II 2 ZSHG den Anwendungsbereich grundsätzlich auf den Bereich schwerer Kriminalität.64 Es wird daher keineswegs jeder bedrohte Kronzeuge Zuflucht unter dem Schutzmantel des ZSHG nehmen können. Dennoch bietet das ZSHG in außergewöhnlichen Gefahrensituationen Sicherheit. Da somit die Sicherheit des Kronzeugen in Fällen massiver Bedrohungen aus dem kriminellen Milieu sowohl innerhalb als auch außerhalb des Strafverfahrens gegen den Offenbarten hinreichend gewährleistet werden kann, ist auch ein auf Furcht vor Repressionen beruhendes flächendeckendes Schweigen potentieller Kronzeugen nicht zu befürchten. Daher lässt sich aus der potentiellen Gefahr für den Kronzeugen, Opfer von Racheakten zu werden, eine Ungeeignetheit der großen Kronzeugenregelung nicht ableiten. d) Ergebnis Geeignetheit Weder die praktische Bedeutungslosigkeit der Vorgängerregelungen noch die Gefahr unwahrer Behauptungen potentieller Kronzeugen sowie zu befürchtende Racheakte vermögen die Ungeeignetheit der großen Kronzeugenregelung zu begründen. Die von § 46b StGB eingesetzten Mittel sind daher zur Förderung des angestrebten Ziels geeignet. Mithin stellt die große Kronzeugenregelung kein stumpfes Schwert im Kampf gegen die Kriminalität dar. 2. Erforderlichkeit des § 46b StGB Ebenfalls muss die von § 46b StGB vorgesehene Strafmilderung bzw. das Absehen von Strafe zum Erreichen des angestrebten Zwecks erforderlich sein. Es dürfte daher kein zur Zweckerreichung gleich wirksames, aber das Legalitätsprinzip als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips weniger belastendes Mittel zur Verfü-

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Jarvers/Kinzig, MschrKrim 2001, 439, 445; Soiné/Engelke, NJW 2002, 470. Vgl. Griesbaum, NStZ 1998, 433, 434; Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 153; Soiné/Engelke, NJW 2002, 470; Zacharias, Der gefährdete Kronzeuge im Strafverfahren, S. 159. 62 Vgl. Jarvers/Kinzig, MschrKrim 2001, 439, 445; Soiné/Engelke, NJW 2002, 470. 63 Jarvers/Kinzig, MschrKrim 2001, 439, 447; Soiné/Engelke, NJW 2002, 470, 474. 64 Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 154; Soiné/Engelke, NJW 2002, 470, 472. 61

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gung stehen.65 Hinsichtlich der Beurteilung der Erforderlichkeit steht dem Gesetzgeber jedoch ein Beurteilungsspielraum zu.66 Ob die große Kronzeugenregelung dem Maßstab der Erforderlichkeit standhält, wird bezweifelt.67 Diese Zweifel finden hierbei unterschiedliche Anknüpfungspunkte. a) Mangelnde Erforderlichkeit wegen §§ 153–154c StPO Die Erforderlichkeit der neuen Kronzeugenregelung müsste verneint werden, wenn die Honorierung von Kronzeugenhandlungen i. S. d. § 46b I StGB bereits hinreichend durch die §§ 153–154c StPO möglich ist, der potentielle Kronzeuge also bereits durch Anwendung der §§ 153–154c StPO in gleichem Maße zur Offenbarung von Straftaten motiviert werden kann wie durch § 46b StGB. Es ist daher zu untersuchen, ob diese Vorschriften sich auf Kronzeugenkonstellationen i. S. d. § 46b StGB anwenden lassen. Ist dies der Fall, gilt zu prüfen, ob die jeweiligen Vorschriften der §§ 153–154c StPO zur Zweckerreichung ebenso geeignet sind und hierbei das Rechtsstaatsprinzip weniger beeinträchtigen. So lässt sich zunächst an eine Lösung der Kronzeugenkonstellationen durch § 153 StPO denken. § 153 StPO findet zwar nur auf Vergehen Anwendung. Hiermit lässt sich die Anwendbarkeit auf die von § 46b StGB erfassten Kronzeugenkonstellationen jedoch nicht ablehnen. § 46b StGB verlangt nämlich als taugliche Kronzeugentat nicht notwendig ein Verbrechen, sondern lediglich eine mit im Mindestmaß erhöhter Freiheitsstrafe bedrohte Straftat. Diese Voraussetzung erfüllen aber auch zahlreiche Vergehen.68 Jedoch greift § 153 StPO nach dem Wortlaut nur ein, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre. Zwar kann dies nach § 153 I 2 StPO auch dann der Fall sein, wenn die verwirklichte Tat mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist. Jedoch verlangt § 46b StGB im Gegensatz hierzu gerade die Androhung einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe. Zudem ist die Schuld des Täters nur als gering i. S. d. § 153 I 1 StPO anzusehen, wenn sie beim Vergleich mit Vergehen gleicher Art nicht unerheblich unter dem Durchschnitt liegt.69 Dass ein tauglicher Kronzeuge i. S. d. 65 Zur Erforderlichkeit siehe BVerfG NJW 1983, 1417, 1419; NJW 1985, 121, 123; NJW 1994, 1577, 1579; Michael, JuS 2001, 148, 149; Pieroth/Schlink, Rn. 295; Sachs/ Sachs, Art. 20, Rn. 152. 66 BVerfGE 77, 84, 106; 81, 156, 193; 90, 145, 173. 67 BeckOK/von Heintschel-Heinegg, § 46b, Rn. 4; Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 139; Schaefer, NJW 2000, 2325, 2326; schon zu Art. 4 KronzG siehe Kunert/Bernsmann, NStZ 1989, 449, 457; vgl. auch schon Slotty, NStZ 1981, 321, 326 zu § 31 BtMG a. F. 68 Z. B. §§ 84 I, 95 I, 100a, 109e, 109 h I, 129 IV, 129a III, V, 130 I, 184b I, II, III, 184c III, 232 I, 233 I, 233a, 244 I Nr. 2, 261 I, II, IV, 275 II, 276 II, 310 I Nr. 2 und 3, 332 I 1, 334 I 1, II StGB, die zudem alle taugliche Offenbarungstaten nach § 100a II StPO sind.

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§ 46b I 1 StGB regelmäßig hinsichtlich der Schuld nicht unerheblich unter dem deliktsspezifischen Durchschnitt liegt, dürfte eher die Ausnahme bilden. Regelmäßig scheidet daher die Anwendbarkeit des § 153 StPO auf Kronzeugenkonstellationen i. S. d. § 46b StGB aus.70 Somit kann § 153 StPO nicht gegen die Erforderlichkeit der großen Kronzeugenregelung angeführt werden. Auch § 153a StPO ermöglicht eine Verfahrenseinstellung bzw. ein Absehen von Klageerhebung lediglich bei Vergehen. Wie dargestellt, schließt dies die Anwendbarkeit auf die in § 46b StGB niedergelegte Kronzeugenkonstellation aber nicht schlechthin aus. Doch findet § 153a StPO nur Anwendung, wenn dem Absehen von Klage bzw. der Verfahrenseinstellung die Schwere der Schuld des Täters nicht entgegensteht. Zwar zeigt sich § 153a StPO daher im Vergleich zu § 153 StPO hinsichtlich der verwirklichten Schuld großzügiger.71 Doch darf den Täter auch im Rahmen des § 153a StPO allenfalls ein mittlerer Schuldvorwurf treffen.72 Dass ein tauglicher Kronzeuge i. S. d. § 46b StGB, dem eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe droht, ein lediglich mittlerer Schuldvorwurf gemacht werden kann, dürfte eher die Ausnahme sein.73 Somit scheidet eine Lösung der Kronzeugenkonstellation durch § 153a StPO gewöhnlich aus.74 Auch lässt sich § 153b StPO nicht losgelöst von § 46b StGB auf Kronzeugen anwenden. So wird doch erst durch die neue Kronzeugenregelung ein von § 153b StPO verlangtes Absehen von Strafe für alle kooperierenden Täter, denen eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe droht, ermöglicht. Erst § 46b I 4 StGB selbst führt zur Anwendbarkeit des § 153b StPO auf Kronzeugenkonstellationen. Hingegen scheint eine Anwendung des § 153e StPO auf Kronzeugenkonstellationen denkbar, da hierdurch ebenso wie in § 46b I 1 Nr. 2 StGB eine auf Prävention gerichtete Handlung des Täters honoriert wird. Doch beschränkt § 153e StPO den Kreis der Kooperierenden auf Täter von Staatsschutzdelikten.75 Auch wird eine Kooperation an die Abwendung einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die verfassungsmäßige Ordnung geknüpft. Eine bloße Verhinderung von Straftaten i. S. d. § 100a II StPO genügt daher nicht. Zudem muss nach § 153e StPO der Täter seine honorierte Handlung vornehmen, bevor er von der Entdeckung der Tat gewusst hat. Der Kronzeuge 69 AnwK-StPO/Walther, § 153, Rn. 8; Julius/Gercke, § 153, Rn. 4; Löwe-Rosenberg/ Beulke, § 153, Rn. 24; Meyer-Goßner, § 153, Rn. 4; SK-StPO/Weßlau, § 153, Rn. 18. 70 Hinsichtlich § 31 BtMG a. F. ebenso Jaeger, Der Kronzeuge, S. 56, 78. 71 Meyer-Goßner, § 153a, Rn. 7. 72 AnwK-StPO/Walther, § 153a, Rn. 7; Julius/Gercke, § 153a, Rn. 14; Löwe-Rosenberg/Beulke, § 153a, Rn. 32; Meyer-Goßner, § 153a, Rn. 7. 73 Hinsichtlich § 31 BtMG a. F. ebenso Jaeger, Der Kronzeuge, S. 56, 78. 74 Anders aber wohl Peglau, ZRP 2001, 103, 104. 75 So auch zutreffend Bernsmann, JZ 1988, 539, 543, der aus diesem Grund in § 153e StPO keine „große“ Kronzeugenregelung zu erkennen vermag; ebenso Lammer, ZRP 1989, 248, 251.

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i. S. d. § 46b StGB wird in der Regel hingegen erst zur Kooperation übergehen, wenn er sich bereits in den Händen der Ermittlungsbehörden befindet. Vor allem aber regelt § 153e StPO einen Fall der tätigen Reue.76 Der Gedanke der tätigen Reue lässt sich aber auf Kronzeugenkonstellationen des § 46b StGB nicht übertragen, weil die große Kronzeugenregelung auf eine zwingende Verquickung von Kronzeugentat und damit verbundener Folgen verzichtet.77 Daher kann auch § 153e StPO auf Kronzeugenkonstellationen des § 46b StGB keine Anwendung finden. Wegen der Anknüpfung an Staatsschutzdelikte scheidet zudem eine Anwendung des § 153d StPO aus.78 Ein Absehen von der Verfolgung der Tat des Kronzeugen nach § 154c StPO ist wegen des Zwecks der Norm ebenfalls nicht möglich. Durch § 154c StPO soll das Opfer einer Nötigung oder Erpressung zur Offenbarung der Tat ermuntert werden.79 Zwar wird auch dem Opfer selbst eine Tat zur Last gelegt, dessen Offenbarung vom Erpresser angedroht wird. Im Gegensatz hierzu haben Kronzeugenregelungen primär den Täter, nicht aber (ausschließliche) Opfer im Blick.80 Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BGH, wonach tauglicher Kronzeuge i. S. d. § 46b StGB auch das Opfer einer Tat i. S. d. § 100a II StPO sein kann.81 In diesem Fall war nämlich der Kronzeuge selbst Täter einer Kronzeugentat. Die Entscheidung stellt allein klar, dass die durch den Kronzeugen offenbarte Tat auch eine solche sein kann, an der er selbst nicht beteiligt war, sondern dessen Opfer er wurde. Letztlich bleibt noch an § 154 StPO zu denken. Doch deckt sich auch hier der Zweck der Norm nicht mit dem der Kronzeugenregelung des § 46b StGB. Durch § 154 StPO soll die Begrenzung und Konzentration des Verfahrensstoffes hinsichtlich des Täters82 sowie die Beschleunigung dessen Verfahrens83 ermöglicht 76 AnwK-StPO/Walther, § 153e, Rn. 1; Bocker, Der Kronzeuge, S. 87; Hassemer, StV 1986, 550, 552; Julius/Gercke, § 153e, Rn. 1; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 153e, Rn. 1; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 38; Roxin/Schünemann, § 14, Rn. 18; a.A: Bernsmann, JZ 1988, 539, 543, der der Norm den Charakter einer Kronzeugenregelung (wenn auch mit begrenzter Reichweite) zubilligt. 77 Siehe dazu ausführlich unten S. 130. 78 Anders noch Bernsmann, JZ 1988, 539, 543 f., der in der Norm wegen der Beschränkung des ersten Entwurfs des KronzG auf § 129a StGB und dem damit gegebenen potentiellen Zusammenhang mit den Staatsschutzdelikten eine mögliche Alternative zu Kronzeugenregelungen sehen konnte. 79 AnwK-StPO/Walther, § 154c, Rn. 1; Julius/Gercke, § 154c, Rn. 1; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 39; Roxin/Schünemann, § 14, Rn. 18. 80 Richtigerweise die Anwendbarkeit des § 154c StPO auf Kronzeugen ablehnend Meyer, ZRP 1976, 25, 26; Schlüchter, ZRP 1997, 65, 66; anders aber Löwe-Rosenberg/ Beulke, § 154c, Rn. 1. 81 BGHSt 55, 153; ausführlich dazu unten S. 60. 82 AnwK-StPO/Walther, § 154, Rn. 1; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 154, Rn. 1; Löwe-Rosenberg/Beulke, § 154, Rn. 1; Schlüchter, ZRP 1997, 65, 66; SK-StPO/Weßlau, § 154, Rn. 2; Volk, NJW 1996, 879.

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werden. Die neue Kronzeugenregelung bezweckt aber gerade nicht die Begrenzung des Verfahrensstoffes gegen den Kronzeugen. Vielmehr sollen die Strafverfolgungsbehörden mit neuen Erkenntnissen versorgt werden, um Taten anderer Personen verfolgen oder verhindern zu können.84 Auch strebt § 46b StGB keine Beschleunigung des Verfahrens gegen den Kronzeugen an. Daher scheidet auch eine Behandlung von Kronzeugenkonstellationen durch § 154 StPO aus.85 Somit bleibt festzuhalten, dass die Vorschriften der §§ 153–154c StPO nicht auf die in § 46b StGB niedergelegte Kronzeugenkonstellation angewandt werden können. Doch selbst wenn dies anders wäre, ließe sich die Erforderlichkeit des § 46b StGB damit nicht verneinen. Denn dann wäre die Anwendung der §§ 153– 154c StPO zur Erreichung des von § 46b StGB angestrebten Zwecks weniger geeignet. Zwar sind die Rechtsfolgen der §§ 153–154c StPO für den Kronzeugen mindestens ebenso verlockend. Jedoch entfaltet der Tatbestand dieser Vorschriften nicht die gleiche motivierende Wirkung, wie es der Tatbestand der Kronzeugenregelung vermag: Die an den Kronzeugen gestellten Anforderungen sind in § 46b StGB genau umschrieben. Erfüllt er diese, kann er sich berechtigte Hoffnung auf Strafmilderung machen. In den Fällen der §§ 153–154c StPO wäre hingegen für den Kronzeugen die Vergünstigung kaum vorhersehbar.86 Die auf Kronzeugen passgenau zugeschnittene Regelung des § 46b StGB stellt einen größeren Anreiz zur Kooperation dar. Somit üben die §§ 153–154c StPO auf den Kronzeugen eine weniger verlockende Wirkung zur Vornahme von Kronzeugenhandlungen aus. Vom Tatbestand her wären diese Normen daher auch im Falle ihrer Anwendbarkeit ein weniger geeignetes Mittel. Zudem kommt den Normen keine das Rechtsstaatsprinzip weniger belastende Wirkung zu. Denn auch das Absehen von Verfolgung sowie die Einstellung des Verfahrens beeinträchtigen die Pflicht des Staates zur Strafverfolgung besonders intensiv. Die Anwendung der §§ 153–154c StPO auf Kronzeugenkonstellationen würde daher weder ein ebenso geeignetes noch ein weniger belastendes Mittel darstellen. Somit können die §§ 153–154c StPO nicht gegen die Erforderlichkeit des § 46b StGB ins Feld geführt werden. b) Mangelnde Erforderlichkeit wegen § 46 II StGB Die neue Kronzeugenregelung wäre aber dann nicht erforderlich, wenn die Honorierung des Kronzeugen bereits hinreichend durch § 46 II StGB erreicht 83 AnwK-StPO/Walther, § 154, Rn. 1; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 154, Rn. 1; Löwe-Rosenberg/Beulke, § 154, Rn. 1; Meyer-Goßner, § 154, Rn. 1; SK-StPO/Weßlau, § 154, Rn. 1. 84 Ähnlich Schlüchter, ZRP 1997, 65, 66 und Volk, NJW 1996, 879, 882, die die Anwendung des § 154 StPO auf Kronzeugen als „Pervertierung“ des Zwecks der Norm bezeichnen. 85 A.A. wohl Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 804. 86 BT-Dr. 16/6268, S. 1.

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werden könnte.87 Zwar ist es denkbar, die Kooperation des Täters in Form einer Offenbarung fremder Straftaten im Rahmen des Nachtatverhaltens i. S. d. § 46 II 2 StGB strafmildernd anzuführen.88 Doch auch hier zeigt sich die Milderung der Strafe im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 II StGB als weniger dazu geeignet als die nach § 46b StGB zur Verfügung stehenden Mittel, potentielle Kronzeugen zur Offenbarung von Taten Dritter zu motivieren. Zum einen ist bei ausschließlicher Berücksichtigung der Kronzeugenhandlung im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung nach § 46 II StGB das „Ob“ und der Umfang der Milderung für den Kronzeugen weniger vorhersehbar als bei der auf ihn zugeschnittenen Vorschrift des § 46b StGB.89 Vor allem aber ermöglicht die große Kronzeugenregelung im Gegensatz zu § 46 II StGB eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB.90 Findet die Kronzeugenhandlung lediglich im Rahmen des § 46 II StGB Berücksichtigung, kann sie hingegen nur innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens mildernde Wirkung entfalten. Deswegen scheitert auch eine Honorierung der Kronzeugenhandlung nach § 46 II StGB bei absoluter Strafandrohung.91 Im Gegensatz hierzu ermöglicht § 46b I 1, 2. HS StGB bei ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe immerhin eine Absenkung der Strafe auf zehn Jahre. Die bloße Berücksichtigung als Nachtatverhalten entfaltet daher eine im Vergleich zu § 46b StGB geringere Motivationswirkung zur Offenbarung von Straftaten. Sie steht daher ebenfalls der Erforderlichkeit der großen Kronzeugenregelung nicht entgegen.92 Aus denselben Gründen kann eine mangelnde Erforderlichkeit des § 46b StGB auch nicht mit einer für den Kronzeugen möglichen Verständigung nach § 257c StPO begründet werden. Ohne die große Kronzeugenregelung ließe sich allenfalls eine Honorierung der Kronzeugenhandlung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens vereinbaren. Eine besonders anreizend wirkende Strafrahmenverschiebung oder gar ein Absehen von Strafe könnte hingegen nicht ohne Weiteres Gegenstand der Verständigung sein.93 87 Zweifelnd an der Erforderlichkeit des § 46b StGB deswegen BeckOK/von Heintschel-Heinegg, § 46b, Rn. 4; Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 139; SK/Wolters, § 46b, Rn. 4. 88 BT-Dr. 16/6268, S. 1; Lammer, JZ 1992, 510, 516; LK/Theune, § 46, Rn. 225; Peglau, ZRP 2001, 103, 105. Zu Einzelheiten zur Kronzeugenhandlung als im Rahmen des § 46 II 2 StGB zu berücksichtigendes Nachtatverhalten siehe unten S. 124 ff. 89 BT-Dr. 16/6268, S. 1; insoweit ebenso Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 139; vgl. auch Bannenberg, Korruption, S. 430. 90 BT-Dr. 16/6268, S. 1. 91 Peglau, ZRP 2001, 103; SK/Wolters, § 46b, Rn. 5. 92 So auch Steinberg, WuW 2006, 719, 724. 93 So auch Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 40 f. zur noch nicht normierten Absprachenpraxis; vgl. auch die Stellungnahme der SPD-Fraktion in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.05.2009, BT-Dr. 16/13094, S. 6, wonach die Kronzeugenregelung gerade „keine Spielart der Verständigung im Strafverfahren“ ist. Zum Zusammenwirken von § 46b StGB mit einer Verständigung nach § 257c StPO siehe unten S. 161.

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c) Mangelnde Erforderlichkeit wegen der Möglichkeit der Normierung kleiner Kronzeugenregelungen Mit § 46b StGB wurde der Weg beschritten, die Motivation zur Offenbarung von Taten in Form einer großen Kronzeugenregelung zu verwirklichen.94 Es wurde sich bewusst gegen die Normierung einer Vielzahl deliktsspezifischer sog. kleiner Kronzeugenregelungen im Besonderen Teil des StGB entschieden, die an die vom Kronzeugen verwirklichte Tat oder Deliktsgruppen anknüpfen.95 Die Entwürfe des Bundesrates96 sowie der CDU/CSU-Fraktion97 aus dem Jahr 2004 suchten hingegen die Lösung von Kronzeugenkonstellationen in eben solchen zahlreichen kleinen Kronzeugenregelungen im Besonderen Teil des StGB sowie in strafrechtlichen Nebengesetzen. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht kleine Kronzeugenregelungen zum Erreichen des von § 46b StGB angestrebten Zwecks ebenso geeignet sind, dabei aber das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip weniger beeinträchtigen. Für die besonders effektive Motivierung von potentiellen Kronzeugen zur Offenbarung durch kleine Kronzeugenregelungen wird deren angebliche Übersichtlichkeit angeführt.98 Hierdurch werde die Rechtsanwendung erleichtert.99 Dies erscheint jedoch keineswegs zwingend. Warum sollte die Rechtsanwendung gerade dadurch erleichtert und damit die Praxistauglichkeit erhöht werden, dass die Honorierung von Kronzeugenhandlungen an den unterschiedlichsten Stellen des Besonderen Teils des StGB sowie in strafrechtlichen Nebengesetzen auftaucht? Die Überlegenheit solch einer Regelungsmethodik hinsichtlich der Rechtsanwendung gegenüber einer gleichsam vor die Klammer gezogenen, im Allgemeinen Teil des StGB an präsenter Stelle niedergelegten Milderungsvorschrift erschließt sich nur schwer. Vor allem greift der Einwand nicht, durch eine große Kronzeugenregelung könne lediglich durch komplizierte und unübersichtliche Regelungsmechanismen bestimmt werden, wann nur Strafmilderung und wann auch ein Absehen von Strafe ermöglicht werden soll.100 § 46b StGB ist es nämlich gelungen, durch Satz 4 des Absatzes 1 die Voraussetzungen für ein mögliches Absehen von Strafe klar und unmissverständlich darzulegen. Allenfalls ließe sich der Einwand hören, kleine Kronzeugenregelungen seien noch passgenauer auf einzelne Täter zugeschnitten, sprächen jene Täter daher besonders direkt an und zögen deswegen einen besonders intensiven Offenbarungsanreiz nach sich. Jedoch kann die systematische Stellung des § 46b StGB ebenso gut gerade zur Stärkung der 94

Siehe oben S. 18. BT-Dr. 16/6268, S. 2. 96 BT-Dr. 15/2771. 97 BT-Dr. 15/2333. 98 BT-Dr. 15/2333, S. 9; BT-Dr. 15/2771, S. 11. 99 BT-Dr. 15/2333, S. 9; BT-Dr. 15/2771, S. 11. 100 So aber BT-Dr. 15/2333, S. 9; BT-Dr. 15/2771, S. 11. 95

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Anreizwirkung angeführt werden: Indem der Gesetzgeber die Kronzeugenregelung im Allgemeinen Teil des StGB verortet hat, wird ihr ein besonderes Gewicht, eine besondere Bedeutung zuteil. Diese durch die systematische Stellung besonders stark zum Ausdruck gebrachte „Wertschätzung“ des Kronzeugen vermag durch deliktsspezifische Kronzeugenregelungen (wenn auch in zahlreicher Form) nicht in gleichem Maße deutlich gemacht zu werden. Dass zahlreichen kleinen Kronzeugenregelungen der gleiche Offenbarungsappell zukäme wie der großen Kronzeugenregelung, darf daher zumindest in Frage gestellt werden. Jedenfalls lässt sich eine geringere Belastung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips durch kleine Kronzeugenregelungen nicht erwarten. Die Verfolgungs- und Aburteilungspflicht wird in gleicher Weise beeinträchtigt, unabhängig von der für die Behandlung von Kronzeugen gewählten Regelungstechnik. Lediglich wäre bei der Entscheidung zugunsten kleiner Kronzeugenregelungen der Anwendungsbereich für die Honorierung von Kronzeugen geringer. Aber gerade dies zwänge zu einer fragwürdigen Differenzierung101 und zöge wie dargestellt eine Entwertung des Offenbarungsanreizes nach sich. Zudem ist die Wahl einer großen Kronzeugenregelung nur folgerichtig, wenn man die Entscheidung des Gesetzgebers bedenkt, im Rahmen des § 46b StGB auf einen Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat zu verzichten. Der Konnexitätsverzicht ließe sich bei der Normierung kleiner, an die vom Kronzeugen verwirklichten Taten anknüpfende Kronzeugenregelungen nämlich nicht konsequent umsetzen.102 Somit vermag auch die Alternative der Normierung zahlreicher kleiner Kronzeugenregelungen nicht gegen die Erforderlichkeit angeführt zu werden. d) Ergebnis Erforderlichkeit Da keine zum Erreichen des angestrebten Zwecks ebenso geeignete und dabei das Rechtsstaatsprinzip weniger belastenden Mittel zur Verfügung stehen, sind die von § 46b StGB eingesetzten Mittel der Strafmilderung sowie des Absehens von Strafe zur Zweckerreichung erforderlich.103

101

BT-Dr. 16/6268, S. 10. Zur Umsetzung eines Konnexitätsverzichts plädierte daher auch Jeßberger, Kooperation, S. 304 für eine große, im Allgemeinen Teil des StGB verortete Kronzeugenregelung; vgl. auch BT-Dr. 16/6268. 103 Ebenso Peglau, wistra 2009, 409, 410. Zweifel gegen die Erforderlichkeit einer großen Kronzeugenregelung hegt hingegen Kinzig, Organisierte Kriminalität, S. 804. Für überflüssig sah auch Generalbundesanwalt Buback Kronzeugenregelungen an und stufte sie als „ganz unnötige Kapitulation des Rechtsstaates“ ein (Spiegel vom 16.02. 1976, S. 30). 102

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3. Angemessenheit Die von der großen Kronzeugenregelung eingesetzten Mittel müssen aber nicht nur geeignet und erforderlich sein, sondern auch ein angemessenes Mittel zum Erreichen des angestrebten Zwecks darstellen.104 Nur wenn die Strafmilderung sowie das Absehen von Strafe angemessen sind, vermag die große Kronzeugenregelung vor dem Rechtsstaatsprinzip Bestand zu haben. Um die Angemessenheit beurteilen zu können, sind die widerstreitenden Belange zu ermitteln, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen.105 Die große Kronzeugenregelung beeinträchtigt das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip hinsichtlich des Verfahrens gegen den Kronzeugen. Die Verfolgungspflicht ihm gegenüber wird eingeschränkt, indem im Falle einer Kooperation Strafmilderung sowie ein Absehen von Strafe ermöglicht wird und zudem eine Einstellung des Verfahrens und ein Absehen von Klageerhebung nach § 153b StPO vorgenommen werden kann. Diese Beeinträchtigung hinsichtlich des Verfahrens gegen den Kronzeugen dient aber wie gezeigt wiederum der Stärkung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips hinsichtlich der im Katalog des § 100a II StPO niedergelegten Taten. Indem durch die Motivation zur Kooperation eine Verbesserung der Strafverfolgung bzw. Prävention in den Deliktsbereichen des § 100a II StPO erreicht werden kann, verhilft § 46b StGB dem Rechtsstaatsprinzip dort zu einer verstärkten Geltung. Dies gilt insbesondere, da die dort niedergelegten Delikte besonders schwer wiegen und i. d. R. nur schwierig aufzuklären bzw. zu verhindern sind. Sowohl die Pflicht zur konsequenten Strafverfolgung hinsichtlich eines (wenn auch kooperierenden) Täters einer mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedrohten Tat als auch die Verbesserung der Strafverfolgung und Prävention im Bereich der in § 100a II StPO genannten Delikte sind Ausdruck tragender rechtsstaatlicher Grundsätze. Beide hier widerstreitenden Stoßrichtungen lassen sich aus der rechtsstaatlichen Strafverfolgungspflicht ableiten. Ihnen kommt dabei grundlegende Funktion und ein erhebliches Gewicht zu. Ein automatisches Überwiegen eines der beiden Belange lässt sich somit auch nicht feststellen. Es gilt daher, die widerstreitenden Positionen hier in einen schonenden Ausgleich zu bringen.106 Dieser Ausgleich kann nur erfolgen, indem sich Tatbestand und Rechtsfolgen des § 46b StGB umfassend zugewandt wird. Es sind daher die einzelnen Tatbestandsmerkmale der großen Kronzeugenregelung zu bestimmen und 104 BVerfGE 30, 292, 316; 67, 157, 173; Maurer, Staatsrecht I, § 8, Rn. 57; Michael, JuS 2001, 148, 149. 105 Grabitz, AöR 98 (1973), 568, 575; Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 22; Michael, JuS 2001, 148, 150; Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 784. 106 Vgl. Schmidt-Jortzig, NJW 1986, 129, 135, der sich bei der Abwägung der widerstreitenden Positionen bei Beeinträchtigung des Legalitätsprinzips daher auch, in Anlehnung an Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 317 f., um die Herstellung „praktischer Konkordanz“ bemüht.

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auszulegen sowie die daran geknüpften Rechtsfolgen des § 46b StGB zu untersuchen. Hierbei gilt es zu prüfen, ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale sowie die Rechtsfolgen sich mit dem hinsichtlich des Kronzeugen beeinträchtigten Rechtsstaatsprinzip vereinbaren lassen oder im Einzelfall einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung bedürfen. Mithin soll die Auseinandersetzung mit den durch § 46b StGB in Widerstreit gebrachten Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips die genaue Bestimmung der einzelnen Merkmale des § 46b StGB befruchten und dazu beitragen, die große Kronzeugenregelung auf diesem Wege handhabbar zu machen. a) Pauschale Anforderungen an Kronzeugenregelungen Bevor sich dieser Aufgabe gestellt werden kann, bedarf es jedoch zunächst der Auseinandersetzung mit zwei grundsätzlichen Anforderungen aus Teilen der Literatur, die an Kronzeugenregelungen gerichtet werden. aa) Ermittlungsnotstand In der Diskussion um Kronzeugenregelungen hat sich der Topos des Ermittlungsnotstands etabliert. Zahlreiche Stimmen in der Literatur lassen eine Beeinträchtigung der Strafverfolgungspflicht hinsichtlich des Kronzeugen danach nur dann genügen, wenn in jenen Deliktsbereichen, deren besserer Bewältigung die Kronzeugenregelung zu dienen bestimmt ist, ein Ermittlungsnotstand besteht.107 Bestehe dieser Ermittlungsnotstand nicht, könne eine Kronzeugenregelung unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausgestaltung keinen Bestand haben. Der Topos des Ermittlungsnotstands setzt sich aus zwei Anforderungen zusammen, welche eine Kronzeugenregelung zwingend zu erfüllen habe. Zum einen müsse hinsichtlich der Delikte, in denen die Strafverfolgung gestärkt werden soll, ein Aufklärungsdefizit bestehen.108 Dieses Aufklärungsdefizit soll nur angenommen werden können, wenn ohne die Kooperationsbemühungen von Kronzeugen die Strafverfolgung in den betreffenden Deliktsbereichen fruchtlos bliebe, also gleichsam völlig zum Erliegen käme.109 Als zweite Komponente eines Ermittlungsnotstands müsse dieser Ermittlungsdruck zudem wegen der Art oder Intensität der Rechts-

107 Denny, ZStW 103 (1991), 269, 272; Jeßberger, Kooperation, S. 101 ff.; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 66; ders., ZRP 1986, 38, 40; Lammer, ZRP 1989, 248, 250; Meyer, ZRP 1976, 25, 27; Schlüchter, ZRP 1997, 65, 69; wohl auch Hoyer, JZ 1994, 233, 240; in diese Richtung gehend auch die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Dr. 16/6268, S. 18 f. 108 Jeßberger, Kooperation, S. 103; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 67; ders., ZRP 1986, 38, 40. 109 Jeßberger, Kooperation, S. 103 f.; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 67; ders., ZRP 1986, 38, 40.

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gutsverletzung ein nicht hinnehmbares Maß erreicht haben.110 Folglich scheide eine Kronzeugenregelung bei Bagatelldelikten schlechthin aus.111 Nur wenn beide Komponenten, Aufklärungsdefizit und nicht hinnehmbarer Kriminalitätsdruck, vorliegen, sei eine Honorierung des Kronzeugen gerechtfertigt. Legt man diesen Maßstab des Ermittlungsnotstands an § 46b StGB an, ließe sich die große Kronzeugenregelung mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbaren.112 Zwar erfasst § 46b StGB mit dem Verweis auf den Katalog des § 100a II StPO als taugliche Offenbarungstaten ausschließlich schwere Straftaten. Der zweiten Komponente des Ermittlungsnotstands wäre daher grundsätzlich Genüge getan, da die große Kronzeugenregelung gerade nicht der besseren Aufklärung und Verhinderung von bloßen Bagatelldelikten dient. Jedoch lässt sich nicht hinsichtlich aller von § 46b StGB zu tauglichen Offenbarungstaten erkorenen Delikte i. S. d. § 100a II StPO ein völliges Brachliegen der Ermittlungen erkennen.113 Zwar knüpft die große Kronzeugenregelung überwiegend an Delikte an, die wegen abgeschotteter Strukturen und ihres konspirativen Charakters ohne kooperierende Kronzeugen nur äußerst schwer zu verfolgen und zu verhindern sind.114 Jedoch kommt auch solchen Delikten der Charakter einer tauglichen Offenbarungstat zu, bei denen von einem schwerwiegenden Aufklärungsdefizit nicht gesprochen werden kann. So weisen z. B. Mord und Totschlag (taugliche Offenbarungstaten nach §§ 46b I 1 StGB, 100a II Nr. 1 h StPO) sehr hohe Aufklärungsquoten auf.115 Auch im Bereich der Sexualdelikte (zum Teil taugliche Offenbarungstaten nach § 100a II Nr. 1 f StPO) kann von einem Brachliegen der Strafverfolgung nicht gesprochen werden.116 Nach dem strengen Maßstab des Ermittlungsnotstandes könnte die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB daher keinen Bestand haben.117 Sie wäre mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. 110 Jeßberger, Kooperation, S. 104; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 67; ders., ZRP 1986, 38, 40. 111 Jeßberger, Kooperation, S. 104. 112 Konsequenterweise sieht Jeßberger, Kooperation, S. 105 f. die Kronzeugenregelung des § 31 BtMG a. F. als nicht durch einen Ermittlungsnotstand gedeckt an. 113 Vgl. Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 455, wonach sich das Ziel der Beseitigung eines Ermittlungsnotstands nicht im Wortlaut des § 46b StGB niedergeschlagen hat. 114 BT-Dr. 16/6268, S. 1, 11. Exemplarisch können hier Taten i. S. d. § 100a II Nr. 1 a, b, e, g, j, l, m, n, t StPO genannt werden. 115 Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2009 lag die Aufklärungsquote für Mord bei 95 %; vgl. auch Meyer, ZRP 1976, 25, 26. 116 So lag die Aufklärungsquote für Delikte i. S. d. §§ 177 II, III, IV, 178 StGB nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2009 bei 82 %. In diese Richtung gehend auch der Einwand des Bundesrates in BT-Dr. 16/6268, S. 19. 117 Um Kronzeugenregelungen nur in Fällen eines Ermittlungsnotstandes zur Anwendbarkeit gelangen zu lassen, begrenzt Jeßberger, Kooperation, S. 304–313, 330 den Anwendungsbereich des von ihm vorgeschlagenen Entwurfs daher auf Offenbarungstaten „von erheblicher Bedeutung, die von einem Bandenmitglied oder in sonstiger Weise organisiert begangen worden“ sind.

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Doch ist zum einen auf den Beurteilungsspielraum hinzuweisen, welcher dem Gesetzgeber hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit zusteht.118 Zum anderen ist es an der Zeit, sich von dem so verstandenen Topos des Ermittlungsnotstandes zu verabschieden. Bei genauer Betrachtung muss nämlich festgestellt werden, dass sich dieses Erfordernis nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten lässt und zudem mehr Probleme nach sich zieht, als es zu lösen imstande ist. So verkennen die den Ermittlungsnotstand fordernden Stimmen, dass jene Delikte, bei denen ein schwerwiegendes Aufklärungsdefizit nicht vorhanden ist, dennoch so schwer wiegen können, dass zugunsten ihrer Strafverfolgung der Verfolgungszwang hinsichtlich anderer Täter teilweise gelockert werden darf. So liegt auch der Fall bei der großen Kronzeugenregelung. Die von §§ 46b I 1 StGB, 100a II Nr. 1 h StPO zu tauglichen Offenbarungstaten erkorenen Taten der §§ 211, 212 StGB wiegen so schwer, dass zugunsten ihrer Aufklärung und Verhinderung eine Auflockerung des Verfolgungszwangs hinsichtlich anderer Täter zumindest nicht grundsätzlich unzulässig sein kann119 (wobei jedoch die Möglichkeit unberührt bleibt, eine Strafmilderung des Kronzeugen dennoch im Einzelfall mit dem Verweis auf das Rechtsstaatsprinzip zu versagen120). Dies wird aber von den Anhängern des Topos des Ermittlungsnotstandes übersehen. Auch birgt das Erfordernis des Ermittlungsnotstands das Risiko, dass die Strafverfolgungsbehörden in den betreffenden Deliktsbereichen die Strafverfolgung gezielt schleifen lassen, um auf diese Weise einen Ermittlungsnotstand bewusst herbeizuführen. Es bestünde daher widersinnigerweise ein Anreiz, die Zügel der Strafverfolgung auf den entsprechenden Gebieten zunächst loser zu halten, um damit die Anwendbarkeit der Kronzeugenregelung rechtfertigen zu können. Diese Missbrauchsmöglichkeit schwächt die an sich unterstützungswerten Ziele der Anhänger des Ermittlungsnotstands erheblich. Ebenfalls verschließen die Vertreter des Topos des Ermittlungsnotstandes die Augen vor dem Umstand, dass sie Elemente der Erforderlichkeit und Angemessenheit in einen Topf werfen. So betrifft die erste Komponente (das Erfordernis eines Aufklärungsdefizits) die Ebene der Erforderlichkeit. Wie aber bereits dargestellt, hält die große Kronzeugenregelung einer Erforderlichkeitsprüfung gerade stand. Und die Beantwortung der Frage, ob § 46b StGB ein angemessenes Mittel darstellt (hierauf zielt die zweite Komponente des Ermittlungsnotstands ab), verschließt sich einer abstrakten Beurteilung. Diese Frage muss vielmehr im Hinblick auf die einzelnen Besonderheiten der Norm beurteilt werden. Die Vereinigung zweier zwingend auf unterschiedlichen Ebenen zu verortenden Komponenten in ein und demselben Argumentationsstrang kann daher zwangsläufig nicht zu verlässlichen Ergebnissen führen. Des Weiteren erscheint es nur schwer 118 119 120

BVerfGE 77, 84, 106; NJW 1994, 1577, 1579. Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 11. Siehe dazu ausführlich unten S. 105 ff.

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möglich, taugliche Kriterien herauszuarbeiten, um ein dem Brachliegen der Strafverfolgung gleichkommendes Aufklärungsdefizit ermitteln zu können. Alles in allem ist es daher angezeigt, vom Topos des Ermittlungsnotstands Abstand zu nehmen. Somit führt auch das Fehlen von Aufklärungsdefiziten in Teilen der zu tauglichen Offenbarungstaten erkorenen Deliktsbereiche nicht zur Unvereinbarkeit des § 46b StGB mit dem Rechtsstaatsprinzip. bb) Unrechtsgefälle Neben dem Erfordernis eines Ermittlungsnotstands könnte auch noch eine weitere grundlegende Forderung des Rechtsstaatsprinzips an Kronzeugenregelungen und damit auch an § 46b StGB gestellt werden: So erscheint es denkbar, die Anwendbarkeit von Kronzeugenregelungen pauschal von einem Unrechtsgefälle zwischen Offenbarungstat und Kronzeugentat abhängig zu machen. Stellt eine Kronzeugenregelung nicht sicher, dass sie nur bei einem Unrechtsgefälle zwischen Offenbarungs- und Kronzeugentat Anwendung findet, wäre sie dann unzulässig. Aus diesem Grund machen einzelne Stimmen die Honorierung von Kronzeugenhandlungen schlechthin davon abhängig, dass die vom Kronzeugen verwirklichte Tat weniger schwer wiegt als die offenbarte Tat.121 Würde man pauschal solch ein Unrechtsgefälle verlangen, müsste die Vereinbarkeit des § 46b StGB mit dem Rechtsstaatsprinzip von vornherein abgelehnt werden. Denn der Tatbestand der großen Kronzeugenregelung macht eine Honorierung gerade nicht pauschal von einem Überwiegen der vom Kronzeugen offenbarten Tat gegenüber des von ihm verwirklichten Unrechts abhängig. Die Schwere von Kronzeugen- und Offenbarungstat ist nach § 46b II Nr. 2 StGB lediglich im Ermessen des Gerichts zu berücksichtigen. So kann nach dem Wortlaut der großen Kronzeugenregelung auch ein Mörder auf Strafmilderung (wenn auch nur in begrenztem Umfang, § 46b I 1, 2. HS StGB) hoffen, wenn er einen Raub (taugliche Offenbarungstat nach §46b I 1 StGB, 100a II Nr. 1 k StPO) offenbart. Auch beim Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB sind Konstellationen denkbar, in denen ein Unrechtsgefälle nicht eindeutig ausgemacht werden kann. So lässt § 46b I 4 StGB auch das Absehen von Strafe für einen Räuber zu, der einen Bandendiebstahl nach § 244 I Nr. 2 StGB (taugliche Offenbarungstat nach §§ 46b I 1 StGB, 100a II Nr. 1 j StPO) offenbarte, solange dieser im konkreten Fall keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Vom Wortlaut des Tatbestands her lässt sich § 46b I StGB daher auch auf Fälle anwenden, in denen das Unrecht der Offenbarungstat jenes der Kronzeugentat gerade nicht überwiegt. Sähe man 121 Behrendt, GA 138 (1991), 337, 340 f.; Denny, ZStW 103 (1991), 269, 272; Jeßberger, Kooperation, S. 107; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 69 f.; ders., ZRP 1986, 38, 40; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 144; Lammer, ZRP 1989, 248, 250; ders., JZ 1992, 510, 513, die jedenfalls für eine Nichtbestrafung des Kronzeugen ein Unrechtsgefälle verlangen.

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also in der Honorierung des Kronzeugen trotz fehlenden Unrechtsgefälles stets einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, könnte die große Kronzeugenregelung auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung „gerettet“ werden, da der Tatbestand insoweit eindeutig ist.122 Jedoch muss dem pauschalen Erfordernis eines Unrechtsgefälles entgegengetreten werden. Würde man schon für die Anwendbarkeit einer Kronzeugenregelung schlechthin ein Unrechtsgefälle verlangen, so beginge man den Fehler, allein das vom Kronzeugen und dem Offenbarten verwirklichte Unrecht gegenüberzustellen, ohne die Folgen der Kronzeugenhandlung hinreichend zu berücksichtigen. Hinsichtlich der großen Kronzeugenregelung müssen jedoch zwingend die an die Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1, 2 StGB anknüpfenden Folgen in die Diskussion um ein Unrechtsgefälle einbezogen werden. Denn die an die Kronzeugenhandlung anknüpfenden Folgen vermögen es, ein etwaiges fehlendes Unrechtsgefälle zumindest teilweise zu kompensieren. Hat nämlich der Kronzeuge eine Offenbarung nach § 46b I 1 Nr. 1 oder 2 StGB vorgenommen, kann mit seiner Hilfe eine in § 100a II StPO genannte Tat umfassend aufgeklärt oder verhindert werden. Diesem umfassenden Erfolg hinsichtlich der Offenbarungstat steht die nur eingeschränkte Beeinträchtigung des Verfolgungszwangs hinsichtlich des Kronzeugen gegenüber. Die Strafverfolgung gegenüber dem Kronzeugen wird nämlich in der Regel nicht vollständig eingestellt, sondern lediglich in Form der Strafmilderung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB teilweise berührt. Nur wenn der Kronzeuge ohnehin nur relativ geringes Unrecht verwirklicht hat (nach § 46b I 4 StGB darf der Kronzeuge hierfür eine Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren verwirkt haben), kann von Strafe abgesehen werden. Auch wenn das vom Kronzeugen verwirklichte Unrecht jenes der Offenbarungstat überwiegt, kann doch die durch seine Kooperation ermöglichte Strafverfolgung bzw. Prävention signifikant zu Buche schlagen und das Rechtsstaatsprinzip erheblich stärken.123 Es darf daher nicht allein das durch den Kronzeugen und den offenbarten Täter verwirklichte Unrecht miteinander verglichen werden. Verlangt man für die Honorierung des Kronzeugen schlechthin ein Unrechtsgefälle, muss man sich daher den Vorwurf gefallen lassen, scheuklappenartig die Folgen der Kronzeugenhandlung und dessen positive Auswirkungen für das Rechtsstaatsprinzip hinsichtlich der offenbarten Delikte zu ignorieren. Zudem dürfte es nur schwer möglich sein, klare Kriterien für die Beurteilung eines Unrechtsgefälles herauszuarbeiten.124 Allzu schnell liefe dieser Versuch auf die Statuierung eines reinen Waag122

Vgl. BVerfGE 2, 380, 406. In die richtige Richtung gehend daher auch Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 70. 124 Anders aber Jeßberger, Kooperation, S. 107 f., der zur Ermittlung eines Unrechtsgefälles die Intensität der Rechtsgutsverletzung, die Beteiligungsform und sonstige Tatmodalitäten heranziehen will. Dennoch gibt er zu Bedenken, dass sich eine „starre Regel“ nicht aufstellen lässt (S. 108). 123

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schalenprinzips hinaus, in dem Plus (das Unrecht der Offenbarungstat) und Minus (das Unrecht der Kronzeugentat) starr abgewogen würden. Die pauschale Forderung eines Unrechtsgefälles als Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer Kronzeugenregelung ist daher abzulehnen. Die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB verstößt somit nicht schon deswegen gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil ihr Tatbestand die Honorierung des Kronzeugen auch bei fehlendem Unrechtsgefälle (also beim fehlendem Überwiegen des durch die Offenbarungstat verwirklichten Unrechts) ermöglicht. Hiervon unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit, dass die Belohnung des Kronzeugen mit Rücksicht auf das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip im Einzelfall versagt werden muss, wenn das vom Kronzeugen verwirklichte Unrecht im Verhältnis zur Offenbarungstat besonders hoch zu Buche schlägt.125 Lediglich das pauschale Abhängigmachen einer Milderung von einem so verstandenden bestehenden Unrechtsgefälle ist abzulehnen. Die Berücksichtigung des fehlenden Unrechtsgefälles kann daher nicht schon zur Ablehnung des Tatbestandes des § 46b I StGB führen. Es ist vielmehr erst im Rahmen des dem Gericht zustehenden Ermessens zu berücksichtigen. Dem trägt auch § 46b II Nr. 2 StGB Rechnung, indem das Verhältnis der Schwere der Kronzeugen- zur Offenbarungstat ausdrücklich zu einem Ermessenskriterium erhoben wird. b) Der Tatbestand des § 46b I StGB unter Berücksichtigung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips Nachdem die Forderungen nach pauschalen Anforderungen an Kronzeugenregelungen hinreichend gewürdigt wurden, sind nun die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 46b I StGB zu untersuchen. Wie dargestellt verlangt der Tatbestand eine von einem tauglichen Kronzeugen vorzunehmende Kronzeugenhandlung, die sich auf eine taugliche Offenbarungstat i. S. d. § 100a II StPO bezieht und vor dem Präklusionszeitpunkt des §§ 46b III StGB, 207 StPO vorgenommen werden muss. aa) Tauglicher Kronzeuge, Taugliche Offenbarungstat, Präklusion Vor dem Hintergrund des beeinträchtigten Rechtsstaatsprinzips bestehen hinsichtlich des tauglichen Kronzeugen sowie der Präklusionsregelung keine Bedenken.126 Diese beiden Tatbestandsmerkmale ergeben sich unmittelbar aus dem Wortlaut und bedürfen keiner näheren Auslegung. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Offenbarungstat. Es stellt sich dabei aber die Frage, ob auch eine

125

Siehe hierzu unten S. 105 ff. Diese Punkte bedürfen vielmehr hinsichtlich des Willkürverbots einer umfassenden Untersuchung, siehe unten S. 111 ff. 126

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nur versuchte Tat als taugliche Offenbarungstat in Frage kommt.127 Der Wortlaut des § 46b I StGB ist hier unergiebig. Auch kann § 100a I StPO, auf den die große Kronzeugenregelung gerade nicht verweist, nicht gegen die Aufnahme nur versuchter Taten in den Kreis tauglicher Offenbarungstaten angeführt werden. Zwar erwähnt nur Absatz 1 Nr. 1, nicht aber Absatz 2 des § 100a StPO ausdrücklich den Versuch. Doch lässt sich hieraus nicht die Herausnahme der Versuchstaten ableiten. Letztlich dient Absatz 2 der Ausfüllung des Absatzes 1, nicht aber der Abgrenzung hierzu. Vielmehr spricht der Sinn und Zweck der großen Kronzeugenregelung dafür, auch versuchte Taten in den Kreis von §§ 46b I 1 StGB, 100a II StPO einzubeziehen. Auch im Falle eines (strafbaren) Versuchs besteht das Bedürfnis, die Straftat aufzuklären und den Täter seiner Strafe zuzuführen. Ein triftiger Grund, die Offenbarung begangener Versuchstaten nicht durch die von § 46b StGB vorgesehenen Instrumente zu honorieren, lässt sich nicht erblicken. Somit umfasst der Kreis tauglicher Offenbarungstaten i. S. d. §§ 46b I 1 StGB, 100a II StPO auch Versuchstaten. Eine taugliche Offenbarungstat kann zudem auch eine solche sein, deren Opfer der Kronzeuge selbst geworden ist.128 Dies mag zunächst als kurios129 erscheinen, ist aber letztlich bloß eine schlüssige Folge des in § 46b StGB verwirklichten Konnexitätsverzichts. Verlangt die große Kronzeugenregelung keinen Zusammenhang zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat, gibt es keinen Grund, eine gegen den Kronzeugen selbst gerichtete Katalogtat i. S. d. § 100a II StPO aus dem Anwendungsbereich des § 46b StGB herauszunehmen. bb) Die Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB: Aufklärungshilfe Weniger eindeutig als bei den Tatbestandsmerkmalen des tauglichen Kronzeugen, der Offenbarungstat und dem Präklusionszeitpunkt sieht es jedoch hinsichtlich der vom Kronzeugen zu leistenden Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 und 2 StGB aus. Zwar soll nach dem Willen des Gesetzgebers einfach auf die zu § 31 BtMG a. F. ergangene Rechtsprechung für die Auslegung der Kronzeugenhandlung der großen Kronzeugenregelung zurückgegriffen werden können.130 Doch beeinträchtigt § 46b StGB das Rechtsstaatsprinzip ungleich stärker als die bisherigen kleinen Kronzeugenregelungen.131 Dies erfolgt auf Tatbe127 Diese Frage stellt sich jedoch allein hinsichtlich der Aufklärungshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB. Im Falle der Präventionshilfe nach § 46b I 1 Nr. 2 StGB muss sich die Kronzeugenhandlung ja ohnehin auf eine noch bevorstehende Tat beziehen. 128 BGHSt 55, 153. 129 So Peglau, jurisPR-StrafR 14/2010 Anm. 3. 130 BT-Dr. 16/6268, S. 12. 131 Die besonders intensive Beeinträchtigung durch § 46b StGB zeigt sich auch dadurch, dass in der Gesetzesbegründung zu Art. 4 KronzG dessen geringe Beeinträchtigungswirkung hinsichtlich des Legalitätsprinzips mit der zeitlichen Begrenzung sowie

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standsseite durch eine massive Ausweitung des Kreises tauglicher Kronzeugen und tauglicher Offenbarungstaten sowie durch Statuierung eines Konnexitätsverzichts zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat. Indem die große Kronzeugenregelung eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB ermöglicht und sich auch bei Verbrechen einem Absehen von Strafe nicht verschließt, wird auch auf Rechtsfolgenseite das von § 31 BtMG a. F. vorgezeichnete Maß überschritten. Die zu § 31 BtMG a. F. ergangene Rechtsprechung zur Kronzeugenhandlung kann daher nicht unreflektiert auf den Tatbestand des § 46b I StGB übertragen werden, ohne Gefahr zu laufen, die Angemessenheit der großen Kronzeugenregelung und damit deren Verhältnismäßigkeit erheblichen Bedenken auszusetzen.132 Dennoch sind die bisher durch Rechtsprechung und Wissenschaft zur Auslegung der kleinen Kronzeugenregelung des § 31 BtMG a. F.133 herausgearbeiteten Erwägungen für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1, 2 StGB keineswegs wertlos. Denn nicht nur stimmen die beiden Normen, was den Wortlaut angeht, erheblich überein. Auch hinsichtlich des Zwecks der Vorschriften bestehen grundlegende Gemeinsamkeiten. So bezweckt § 31 BtMG a. F.134 das Aufbrechen von Banden und kriminellen Organisationen,135 die Verbesserung der Verfolgung begangener und Verhinderung geplanter Taten136 sowie die Hilfe zum Ausstieg aus dem kriminellen Umfeld.137 Wegen dieser Gemeinsamkeiten werden die zu § 31 BtMG a. F. herausgearbeiteten Erwägungen die Grundlage und Basis auch für die Auslegung des § 46b StGB bilden. Doch gilt es, hierbei die stärkere Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips durch die große Kronzeugenregelung zu berücksichtigen. Es ist daher die Kronzeugenhandlung der großen Kronzeugenregelung unter Berücksichtigung der zu § 31 BtMG a. F. ergangenen Erwägungen zu bestimmen. Hierbei ist aber zu fragen, ob die bereits zu § 31 BtMG a. F. entwickelten Kriterien auch für die große Kronzeugenregelung übernommen werden können oder ob vielmehr die stärkere Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips eine einschränkende Auslegung zur Wahrung der Angemessenheit erfordert. dem Standort außerhalb von StGB und StPO begründet wurde (BT-Dr. 11/2834, S. 13). Dies trifft auf § 46b StGB aber gerade nicht zu. 132 Vgl. oben S. 33. 133 § 31 BtMG ist als kleine Kronzeugenregelung einzustufen, erfasst also gerade keinen Fall der tätigen Reue, Malek, Kapitel 4, Rn. 23; Weber, § 31, Rn. 17; a. A. MK/ Maier, § 31, Rn. 1; Schmidt-Hieber, NJW 1992, 2001, 2003 (zumindest hinsichtlich § 31 Nr. 2 BtMG a. F.). 134 § 31 BtMG a. F. ist abgedruckt in Anhang II, S. 166. 135 BGH NStZ 1983, 416; Malek, Kapitel 4, Rn. 8; MK/Maier, § 31, Rn. 3; Weber, § 31, Rn. 7. 136 BGHSt 31, 163, 167; Aulinger, JR 2003, 481 f.; Franke/Wienroeder/Wienroeder, § 31, Rn. 2; Malek, Kapitel 4, Rn. 8; MK/Maier, § 31, Rn. 3; Weber, § 31, Rn. 7. 137 BGH NJW 2002, 908; Aulinger, JR 2003, 481 f.; Malek, Kapitel 4, Rn. 8; MK/ Maier, § 31, Rn. 3; Weber, § 31, Rn. 7.

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Begonnen werden soll mit der Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB. Diese Kronzeugenhandlung nimmt nur vor, wer durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine taugliche Offenbarungstat i. S. d. § 100a II StPO aufgedeckt werden konnte. Die Kronzeugenhandlung des § 46b I 1 Nr. 1 StGB ist daher auf die Verfolgung bereits begangener Straftaten gerichtet. Sie kann somit als Aufklärungshilfe bezeichnet werden.138 (1) „Freiwilliges Offenbaren seines Wissens“ Zunächst muss der Kronzeuge für eine Aufklärungshilfe sein Wissen freiwillig offenbaren. (a) Wissensoffenbarung Im Rahmen des § 31 BtMG a. F. wurde für eine Wissensoffenbarung verlangt, dass der Kronzeuge sein Wissen den Strafverfolgungsbehörden mitteilt.139 Zwar bestimmte § 31 Nr. 1 BtMG a. F. im Gegensatz zur Präventionshilfe des § 31 Nr. 2 BtMG a. F. nicht ausdrücklich den Adressaten der Wissensoffenbarung. Doch ergab sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift, dass die Aufklärungshilfe an die Strafverfolgungsbehörden zu richten war. Solch eine Mitteilung war anzunehmen, wenn der Täter sich zu seinen Angaben offen bekannte oder ihm die Aussagen zumindest eindeutig zugeordnet werden konnten.140 Anonym vorgetragene Angaben, die dem Kronzeugen nicht zugeordnet werden konnten, wurden daher nicht erfasst.141 Auch verlangte die Wissensoffenbarung i. S. d. § 31 BtMG a. F. die Mitteilung von Tatsachen.142 Daher genügte es nicht, wenn der Kronzeuge bloße Vermutungen äußert,143 er also vermeintliche Täter lediglich selbst verdächtigt ohne diese aber konkret zu belasten.144 Die Form der Mitteilung sollte hingegen unerheblich sein.145 Sie konnte daher schriftlich, mündlich, aber auch durch Gesten (etwa durch Nicken auf die Frage von Strafverfolgungsbeamten) geleistet werden. Diese zu § 31 BtMG a. F. getroffenen Erwägungen können ohne Weiteres auf die Aufklärungshilfe des § 46b I 1 Nr. 1 StGB übertragen werden. Da die Anforderungen an die Wissensoffenbarung ohnehin schon restriktiv 138

BT-Dr. 16/6268, S. 12; Sahan/Berndt, BB 2010, 647. Franke/Wienroeder/Wienroeder, § 31, Rn. 4; Körner, § 31, Rn. 1; MK/Maier, § 31, Rn. 30; Weber, § 31, Rn. 22. 140 MK/Maier, § 31, Rn. 31; Weber, § 31, Rn. 23. 141 Malek, Kapitel 4, Rn. 38; MK/Maier, § 31, Rn. 31; Weber, § 31, Rn. 23. 142 MK/Maier, § 31, Rn. 34; Weber, § 31, Rn. 26. 143 Körner, § 31, Rn. 24. 144 MK/Maier, § 31, Rn. 34; Weber, § 31, Rn. 26. 145 Weber, § 31, Rn. 28. 139

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gehandhabt wurden, bedarf es auch keiner mit Rücksicht auf das Rechtsstaatsprinzip einschränkenden Auslegung. Es stellt sich aber die Frage, ob auch die Mitteilung von Umständen, die der Kronzeuge allein durch Hörensagen erfahren haben will, eine Wissensoffenbarung darstellen kann. Für § 31 BtMG a. F. wurde solch einer Kundgabe von Hörensagen die Eigenschaft einer Kronzeugenhandlung abgesprochen.146 Diese Wertung kann auch auf die Aufklärungshandlung des § 46b I 1 Nr. 1 StGB übertragen werden. Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut („seines Wissens“), dass dem Kronzeugen nicht schon für die Kundgabe des Wissens anderer Personen die Honorierung zuteil werden soll. Zudem wohnen solchen Angaben zu viele Ungewissheiten inne, sodass auf ihnen keine verlässliche Strafverfolgung hinsichtlich der Taten i. S. d. 100a II StPO aufbauen kann. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift folgt daher, dass solche Angaben nicht die Voraussetzung der Aufklärungshilfe erfüllen. (b) Freiwilligkeit Als weitere Voraussetzung für die Aufklärungshilfe wird von § 46b I 1 Nr. 1 StGB verlangt, dass die Wissensoffenbarung auch freiwillig erfolgt. Zur Anschauung soll ein Beispielsfall dienen: Beispielsfall 1: K wird wegen einer von ihm begangenen Tat festgenommen. Es wird Untersuchungshaft angeordnet. Aufgrund seiner misslichen Lage nennt K ohne zu zögern all seine Abnehmer und Lieferanten.147

Die Freiwilligkeit der Offenbarung könnte in Beispielsfall 1 deswegen zu bezweifeln sein, weil K sich erst unter dem Druck der Festnahme und unter Drohung der Untersuchungshaft zur Kooperation entschloss. Jedoch stand der Bejahung der Freiwilligkeit i. S. d. § 31 BtMG a. F. nicht entgegen, dass der Kronzeuge die Offenbarung aus Angst vor Verhaftung und Bestrafung vornimmt.148 Maßgeblich war vielmehr allein, ob der Täter sich nach seiner Vorstellung frei zur Offenbarung entschließen konnte.149 Nur wenn dem Kronzeugen die Offen146

Körner, § 31, Rn. 24; MK/Maier, § 31, Rn. 35; Weber, § 31, Rn. 26, 29. Angelehnt an BGH NStZ 1983, 323. 148 BGH NStZ 1983, 323; Erbs/Kohlhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 5; Jaeger, Der Kronzeuge, S. 134 f.; Joachimski/Haumer, § 31, Rn. 5; Jung, ZRP 1986, 38, 42; Körner, § 31, Rn. 18; MK/Maier, § 31, Rn. 38; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 176; Weber, § 31, Rn. 61. 149 BGH StV 1990, 456; 550, 551; Körner, § 31, Rn. 18; Weber, § 31, Rn. 59; insoweit anders aber noch BGH NStZ 1983, 323, wonach Freiwilligkeit schon dann abzulehnen war, wenn der Kronzeuge nicht mehr davon ausging, dass er sein Wissen vor den Behörden weiter geheimhalten könne und zu dem Eindruck gelangte, dass weiteres Schweigen zwecklos sei. 147

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barung in dem Sinn aufgezwungen wurde, dass er glaubte, er könne nicht mehr anders handeln, wurde die Freiwilligkeit abgelehnt.150 Diese Erwägungen können auch auf den Freiwilligkeitsbegriff des § 46b I 1 Nr. 1 StGB übertragen werden.151 Gerade der sich bereits in den Händen der Strafverfolgungsbehörden befindende und mit (drohender) Untersuchungshaft konfrontierte Täter vermag durch die Strafmilderung motiviert zu werden, Taten zu offenbaren. Die große Kronzeugenregelung ist auf diesen Fall geradezu zugeschnitten.152 Würde man in solchen Situationen die Freiwilligkeit der Offenbarung schlechthin versagen, käme es zu einer unnötigen Beschneidung des Anwendungsbereichs der großen Kronzeugenregelung. Zwar deckt sich diese Auslegung der Freiwilligkeit nur begrenzt mit der des strafbefreienden Rücktritts i. S. d. § 24 StGB im Falle drohender Aufdeckung bzw. Verhaftung.153 Doch resultiert dies aus dem Umstand, dass sich die große Kronzeugenregelung im Gegensatz zu § 24 StGB gerade an jene Täter richtet, die sich bereits unmittelbar einer Strafverfolgung ausgesetzt sehen.154 Beispielsfall 2: K offenbart nach seiner Festnahme seine Abnehmer und Lieferanten. Hierbei ist sein Beschluss zur Kooperation nicht von Reue oder dem Willen zur inneren Abkehr von seinen Taten getragen. K möchte vielmehr ausschließlich eine Strafmilderung erreichen. Auch beruht die Kooperation auf der Befürchtung des K, seine Abnehmer oder Lieferanten könnten die Strafverfolgungsbehörden selbst unterrichten und dadurch der Offenbarung des K zuvorkommen.

Die Annahme einer Freiwilligkeit der Offenbarung i. S. d. § 31 BtMG a. F. scheiterte ebenfalls nicht an dem Fehlen ehrbarer Absichten des Kronzeugen. Die Motive, welche ihn zur Offenbarung bewegten, waren für die Beurteilung der Freiwilligkeit grundsätzlich außer Betracht zu lassen, solange nur der Kronzeuge sich zur Offenbarung aus seiner Sicht frei entschließen konnte.155 So wurde auch als unbeachtlich angesehen, dass der Kronzeuge durch die Befürchtung motiviert war, dass die von ihm Offenbarten sich selbst stellen und seiner Offenbarung zuvorkommen könnten156 oder er den Angaben seiner bereits verhafteten Mittäter zuvorkommen wollte.157 In Beispielsfall 2 ist daher für die 150

BGH StV 1990, 456; Weber, § 31, Rn. 60. Lackner/Kühl, § 46b, Rn. 3. 152 So auch Lackner/Kühl, § 46b, Rn. 3, der auf die „typische Zwangslage“ des Kronzeugen hinweist. 153 Vgl. zur Freiwilligkeit i. S. d. § 24 StGB bei befürchteter bevorstehender Aufdeckung/Verhaftung BGH NStZ 1993, 279; Kühl, AT, § 16, Rn. 58 und 62; Lackner/Kühl, § 24, Rn. 17; Satzger/Kudlich/Schuhr, § 24, Rn. 65; Sch/Sch/Eser, § 24, Rn. 49. Die Angst vor Strafe selbst schließt jedoch auch die Freiwilligkeit i. S. d. § 24 StGB nicht aus, Lackner/Kühl, § 24, Rn. 17. 154 Vgl. auch Jung, ZRP 1986, 38, 42. 155 BGH StV 1990, 550, 551; Körner, § 31, Rn. 20; Malek, Kapitel 4, Rn. 40; MK/ Maier, § 31, Rn. 42; Weber, § 31, Rn. 58, 65. 151

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Frage der Freiwilligkeit i. S. d. § 31 BtMG a. F. unbeachtlich, dass sich K nicht aus Reue oder sonstigen hochstehenden Motiven zur Kooperation entschloss und der Möglichkeit Rechnung trug, dass sich die von ihm Offenbarten ohnehin stellen könnten. Auch bei der großen Kronzeugenregelung des § 46b StGB ist grundsätzlich auf eine Einbeziehung der den Täter bewegenden Motive zu verzichten.158 Es würde dem Zweck der Norm widersprechen, nähme man solche Kooperationshandlungen aus dem Anwendungsbereich des § 46b StGB heraus, die nicht zumindest auch von ehrenwerten Motiven getragen sind. Dass ein Kronzeuge sich uneingeschränkt von seinen kriminellen Taten distanziert und die Strafverfolgung aus Reue zu unterstützen beschließt, dürfte eher die Ausnahme bilden. Man würde daher den Anwendungsbereich unnötig einschränken, ließe man eine Milderung nur bei ehrenwerten Motiven gelten. Dies gilt vor allem, da die von § 46b I 1 Nr. 1 StGB angestrebte Unterstützung der Strafverfolgung von Taten i. S. d. § 100a II StPO auch dann eintritt, wenn der Kronzeuge allein aus eigensüchtigen Motiven handelt, z. B. wenn er einer befürchteten Offenbarung durch andere aufklärungswillige Beteiligte zuvorkommen will.159 Die Beweggründe des Täters berühren den von § 46b StGB verfolgten Zweck daher nicht. Zudem wird die Beeinträchtigung des Verfolgungszwangs hinsichtlich des Kronzeugen durch das Fehlen ehrenwerter Motive nicht intensiviert. Daher bedarf das Merkmal der Freiwilligkeit auch im Hinblick auf das beeinträchtigte Rechtsstaatsprinzip keiner einschränkenden Auslegung. Zum Teil wurde jedoch gerade das Merkmal der Freiwilligkeit als Anknüpfungspunkt für eine einschränkende Auslegung im Lichte des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips gewählt. So wollten Teile der Literatur eine Freiwilligkeit i. S. d. § 31 BtMG a. F. nur dann annehmen, wenn der Kronzeuge davon ausgeht, mit seiner Offenbarung eine Verurteilung des Belasteten wahrscheinlicher zu machen.160 Hält der Kronzeuge hingegen eine Verurteilung des Belasteten trotz seiner Offenbarung für ausgeschlossen, fehle es an der Freiwilligkeit.161 Nur bei einem so verstandenen Freiwilligkeitsbegriff sei die Verhältnismäßigkeit des § 31 BtMG a. F. gewahrt.162 Dem kann aber, sowohl hin156 BGH StV 1990, 550, 551; anders noch BGH NStZ 1983, 323, wonach Freiwilligkeit abzulehnen war, wenn der Kronzeuge nicht mehr davon ausging, dass er sein Wissen vor den Behörden weiter geheimhalten könne und zu dem Eindruck gelangte, dass weiteres Schweigen zwecklos sei. 157 BGH StV 1990, 456. 158 So auch Fischer, § 46b, Rn. 12; Malek, StV 2010, 200, 201; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 11. 159 Ähnlich Fischer, § 46b, Rn. 12. 160 Hoyer, JZ 1994, 233, 238 f. 161 Hoyer, JZ 1994, 233, 239. 162 Hoyer, JZ 1994, 233, 239.

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sichtlich § 31 BtMG a. F. als auch im Hinblick auf die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB, nicht gefolgt werden. Es wird verkannt, dass der Grad der Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips von den Beweggründen des Kronzeugen nicht beeinflusst wird. Das Verlangen eines „Für möglich Haltens“ hinsichtlich einer erfolgreichen Strafverfolgung der offenbarten Tat vermag die Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips durch § 46b StGB nicht zu mildern. Vielmehr würde ein so verstandener Freiwilligkeitsbegriff die Anreizwirkung der Kronzeugenregelung unnötig einschränken. Ein über Wissen von tauglichen Offenbarungstaten verfügender, aber an den Erfolgsaussichten der Strafverfolgung erheblich zweifelnder Täter sähe dann keinen Anlass zur Kooperation. Somit ist die Freiwilligkeit der Offenbarung nicht der richtige Ansatzpunkt für eine einschränkende, die Verhältnismäßigkeit des § 46b StGB wahrende, Auslegung. (2) Wesentlicher Beitrag zur Aufdeckung einer Offenbarungstat Eine Aufklärungshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB verlangt weiter, dass der Kronzeuge wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine taugliche Offenbarungstat aufgedeckt werden konnte. Durch das Verlangen eines wesentlichen Beitrags wird deutlich gemacht, dass ein bloßer Ursachenzusammenhang zwischen Kooperation und Aufdeckung nicht genügt. Das Merkmal der Wesentlichkeit verlangt vielmehr eine gesteigerte, qualifizierte Form der Kausalität zwischen Kronzeugenhandlung und Aufdeckungserfolg.163 Solch ein wesentlicher Beitrag wurde im Rahmen des § 31 BtMG a. F. dann angenommen, wenn ohne die Angaben des Kronzeugen die Tat nicht oder nicht vollständig aufgeklärt und die Überführung des Täters der Offenbarungstat nicht oder nicht im gegebenen Umfang möglich gewesen wäre.164 Beispielsfall 3: K nennt bei seiner Verhaftung den O als Mittäter. Die Strafverfolgungsbehörden hatten O schon länger unter Verdacht und haben bereits belastendes Material herbeischaffen können. Der endgültige Nachweis der Verstrickungen des O ist ihnen aber bislang nicht gelungen. Erst die fundierten Angaben des K führen dazu, dass dem O die Beteiligung nachgewiesen werden kann.

Für die Annahme eines wesentlichen Beitrags i. S. d. § 31 BtMG a. F. wurde nicht verlangt, dass allein die Kronzeugenhandlung zur Aufdeckung der Offenbarungstat führen muss.165 Auch wenn die Strafverfolgungsbehörden bereits vor der Kooperation durch den Kronzeugen von einer Beteiligung des offenbarten Täters ausgingen, jedoch erst die Angaben des Kronzeugen zur Gewissheit über dessen 163

So zu § 31 BtMG a. F. auch Hoyer, JZ 1994, 233, 237. BGH NJW 2002, 908, 909; Körner, § 31, Rn. 55; Malek, Kapitel 4, Rn. 69; MK/ Maier, § 31, Rn. 99; Weber, § 31, Rn. 108. 165 BGH StV 1991, 67; MK/Maier, § 31, Rn. 100; Weber, § 31, Rn. 109; vgl. auch BGH StV 2002, 260. 164

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Beteiligung führten, sollte im Rahmen des § 31 BtMG a. F. ein wesentlicher Beitrag zur Tataufdeckung vorliegen.166 Dies sollte auch dann der Fall sein, wenn ein Mittäter dem Kronzeugen zeitlich zuvorkam und relevantes Wissen offenbarte, jedoch erst die vom Kronzeugen danach vorgenommene, inhaltlich übereinstimmende Offenbarung den Strafverfolgungsorganen die erforderliche Überzeugung vermittelte, dass die bisherigen Erkenntnisse zutreffen.167 Zudem musste die Aufklärungshandlung nicht die Hauptursache für die Aufdeckung darstellen, also nicht den bedeutendsten Teil hinsichtlich der Aufdeckung ausmachen.168 Dieses Verständnis von der Wesentlichkeit des Aufdeckungsbeitrags ist auch auf die Aufklärungshilfe des § 46b I 1 Nr. 1 StGB zu übertragen, ohne dass es Einschränkungen im Lichte des Rechtsstaatsprinzips bedürfte. So lässt sich schon dem Wortlaut des § 46b I 1 Nr. 1 StGB nicht das Erfordernis entnehmen, dass die Aufdeckung der Offenbarungstat allein auf die Kronzeugenhandlung zurückzuführen sein muss bzw. der Kronzeuge die Hauptleistung zur Aufdeckung vorgenommen hat. Der Kronzeuge muss zur Aufdeckung lediglich „beitragen“, also seinen Teil zur Aufdeckung beisteuern. Der Wortlaut verlangt daher ein ausschließliches Beruhen der Aufdeckung auf der Kronzeugenhandlung gerade nicht. Hierbei darf man sich auch nicht durch den missverständlichen Begriff der „Aufdeckung“ verunsichern lassen. Denn das Verlangen einer „Aufdeckung“ der Offenbarungstat bedeutet keineswegs, dass diese Tat bis zum Zeitpunkt der Offenbarung den Strafverfolgungsbehörden unbekannt, also insgesamt noch verdeckt gewesen sein muss. Vielmehr fällt unter die Aufdeckung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB auch die Aufklärung bereits bekannter Taten.169 Das folgt schon aus der Verwendung dieses Begriffs in § 31 BtMG a. F. Dort nämlich musste sich die Aufklärungshilfe, anders als bei der großen Kronzeugenregelung, auf die Tat beziehen, an der der Kronzeuge selbst beteiligt war. Da der Kronzeuge des § 31 BtMG a. F. sich bei Vornahme der Kronzeugenhandlung in aller Regel bereits in den Händen der Strafverfolgungsbehörden befand, war die offenbarte Tat daher stets bereits bekannt. Lediglich an der Tat Beteiligte bzw. deren Beiträge wurden offengelegt. An diesem Punkt zeigt sich erneut, wie einzelne Tatbestandsmerkmale des § 31 BtMG a. F. ohne hinreichende Berücksichtigung des weiteren Anwendungsbereichs der großen Kronzeugenregelung (unter anderem bewirkt durch den Konnexitätsverzicht) auf § 46b StGB übertragen wurden.170 Auch dieser 166

BGH StV 1989, 394; 1991, 67. BGH StV 1991, 66, 67; vgl. auch NStZ 1992, 389, 390. 168 MK/Maier, § 31, Rn. 100; Weber, § 31, Rn. 109. 169 So auch BT-Dr. 16/6268, S. 12. 170 Passender wäre es daher gewesen, für die Aufklärungshilfe, wie schon von Jeßberger, Kooperation, S. 330 für eine große Kronzeugenregelung vorgeschlagenen, statt einer „Aufdeckung“ die Eignung zur Förderung der Aufklärung zu verlangen. 167

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Punkt stützt daher die Erkenntnis, dass die Rechtsprechung zur Auslegung der Aufklärungshilfe zu § 31 BtMG a. F. nicht unreflektiert auf die große Kronzeugenregelung übertragen werden kann. Nun aber zurück zur eigentlichen Frage: Auch systematische Erwägungen sprechen in vorliegender Konstellation für die Wesentlichkeit des Beitrags. So ist die Bedeutung der offenbarten Tatsachen ausdrücklich bei der Ermessensausübung durch den Richter nach § 46b II Nr. 1 StGB zu berücksichtigen. Könnte aber nur im Falle der allein bzw. hauptsächlich auf der Kronzeugenhandlung beruhenden Aufdeckung überhaupt eine Aufklärungshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB angenommen werden, so wäre die Berücksichtigung der Bedeutung im Ermessen schlicht überflüssig; der Aufklärungshilfe käme stets die gleiche, nämlich eine überragende Bedeutung zu. Es widerspräche zudem Sinn und Zweck der großen Kronzeugenregelung, im Falle einer lediglich kumulativen Ursächlichkeit der Kronzeugenhandlung für die Aufdeckung den Tatbestand des § 46b I 1 Nr. 1 StGB von vornherein abzulehnen. Die Aufklärungsbemühungen hinsichtlich der Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO bedürfen auch dort einer Stärkung durch die Kronzeugenhandlung, wo Ermittlungen zwar bereits im Gange sind, sie jedoch in einer Sackgasse stecken und erst im Zusammenwirken mit den Offenbarungen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können. Dieses Ergebnis lässt sich auch vor dem Hintergrund des hinsichtlich des Kronzeugen beeinträchtigten Rechtsstaatsprinzips rechtfertigen. Auch durch die Unterstützung von bereits in Gang gesetzten Ermittlungen wird das Rechtsstaatsprinzip im Hinblick auf die offenbarten Taten gestärkt, mögen die Offenbarungen auch nicht allein zur Aufdeckung geführt haben oder den belastenden Umständen nicht die wichtigste Bedeutung zukommen. Somit stellt die Strafmilderung bzw. Nichtbestrafung in solchen Fällen ein angemessenes und damit verhältnismäßiges Mittel zur Stärkung der Strafverfolgung hinsichtlich der Offenbarungstaten dar. Um einen wesentlichen Beitrag i. S. der Aufklärungshilfe zu leisten, muss der Kronzeuge daher weder einen bisher völlig unverdächtigen und unbelasteten Täter offenbaren, noch die Hauptursache zur Aufdeckung geliefert haben. Auch kann ein wesentlicher Beitrag nicht schon allein mit der Begründung versagt werden, ein kooperierender Mittäter habe bereits dieselben Erkenntnisse vermittelt, wenn erst die Äußerungen des Kronzeugen zur Überzeugung der Behörden hinsichtlich der Richtigkeit der nun bereits bekannten Erkenntnisse geführt haben.171 Ausreichend ist vielmehr, dass die Offenbarung das fehlende Glied in der Kette der Strafverfolgung hinsichtlich des offenbarten Täters darstellt. In Beispielsfall 3 ist der Beitrag des K daher als wesentlich einzustufen, auch wenn dieser erst in Kombination mit den anderweitigen Ermittlungen der Straf171

So auch BT-Dr. 16/6268, S. 12; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 13.

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verfolgungsbehörden zu einer Überführung des O führte. Jedoch hat diese Kumulation bei der Ausübung des richterlichen Ermessens nach § 46b II Nr. 1 StGB hinsichtlich der „Bedeutung“ der offenbarten Tatsachen für die Tataufklärung Berücksichtigung zu finden. (3) Aufklärungserfolg Bereits bei Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG a. F. hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Aufklärungshilfe nicht scharf trennen lassen. Für das Vorliegen einer Aufklärungshilfe war daher die Erzielung eines Aufklärungserfolgs von entscheidender Bedeutung.172 Im Rahmen des § 31 BtMG a. F. hat sich die Prüfung eines Aufklärungserfolgs als maßgeblicher Anknüpfungspunkt zur Beurteilung der Aufklärungshilfe herauskristallisiert. Die Frage nach dem Vorliegen eines Aufklärungserfolgs stellte daher die entscheidende Weiche für die Milderung nach § 31 BtMG a. F. Solch ein Aufklärungserfolg sollte anzunehmen sein, wenn der Täter durch seine konkreten Angaben die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass gegen den Belasteten im Falle seiner Ergreifung ein Strafverfahren voraussichtlich mit Erfolg durchgeführt werden kann.173 Erforderlich war daher eine genaue Ermittlung der Person, die für eine Ausschreibung zur Festnahme dieser Person reichen würde.174 Auch bei der Aufklärungshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers am Erfordernis des Aufklärungserfolgs festgehalten werden.175 Somit kommt auch bei der großen Kronzeugenregelung nur derjenige in den Genuss einer Strafmilderung, welcher einen Aufklärungserfolg zu erzielen vermag. Hierbei strebt der Gesetzgeber ausdrücklich die Übernahme des durch die Rechtsprechung zu § 31 BtMG a. F. geprägten relativ weiten Verständnisses des Aufklärungserfolgs an. Ob solch ein weites Verständnis jedoch auch auf die große Kronzeugenregelung ohne Weiteres übertragen werden kann, ist aufgrund der bereits dargestellten intensiveren Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips im Vergleich zu § 31 BtMG a. F. zu bezweifeln. Daher gilt es zunächst zu untersuchen, wie der Aufklärungserfolg im Rahmen des § 31 BtMG a. F. im Einzelfall von der Rechtsprechung verstanden wurde. Hieran anknüpfend ist zu fragen, ob dieses Verständnis des Aufklärungserfolgs auch auf die große Kronzeugenregelung übertragen werden kann.

172 BGH NStZ 1984, 28; NStZ 1989, 77; NStZ 2000, 433; Erbs/Kohlhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 2; Körner, § 31, Rn. 46; Weber, § 31, Rn. 72. 173 BGH NStZ 1989, 77; StV 1990, 355; NStZ-RR 2009, 320, 321; Körner, § 31, Rn. 46; Weber, § 31, Rn. 73; Zschockelt, NStZ 1998, 238, 241. 174 BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 14. 175 BT-Dr. 16/6268, S. 12.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

(a) Kein Ergreifen des Offenbarungstäters Beispielsfall 4: K bestellt bei O, den er bei einem Urlaub auf Bali kennenlernte, vier Kilogramm Haschisch. Die Drogen werden dem K überbracht. K verkauft das Haschisch und wird daraufhin verhaftet. Im Ermittlungsverfahren nennt er O als Lieferant. Polizeiliche Ermittlungen ergeben, dass O sich zur Zeit auf Bali aufhält und in absehbarer Zeit nicht ergriffen werden kann.176

In Beispielsfall 4 stellt sich die Frage, ob K einen Aufklärungserfolg hat herbeiführen können. Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, das Vorliegen solch eines Aufklärungserfolgs kurzerhand abzulehnen. Warum sollte K hier in den Genuss einer Strafmilderung kommen? Zwar hat er glaubhaft aufgedeckt, wer sein Lieferant war. Aber dieser weilt tausende von Kilometern entfernt. Er konnte bisher nicht ergriffen werden. Eine rasche Verhaftung des O ist aussichtslos. Zunächst verwundert daher die Entscheidung des BGH, im vorliegenden Fall die Anwendbarkeit des § 31 BtMG a. F. und damit einen Aufklärungserfolg zu bejahen.177 Bei genauerer Betrachtung muss diese Verwunderung jedoch der Erkenntnis weichen, dass die Entscheidung einleuchtend ist und auch auf § 46b StGB übertragen werden kann. Der BGH kam hier zur Annahme eines Aufklärungserfolgs, weil er hierfür gerade nicht die Ergreifung des Offenbarten verlangte. Vielmehr sei für einen Aufklärungserfolg maßgeblich, dass gegen den Offenbarten, falls er ergriffen wird, ein Strafverfahren voraussichtlich mit Erfolg durchgeführt werden kann.178 Ist der Offenbarte identifiziert und vom Kronzeugen derart belastet worden, dass dieser bei Ergreifung verhaftet werden könnte, liege bereits ein Aufklärungserfolg vor. Diese Wertung lässt sich auch auf die Aufklärungshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB übertragen, ohne dass es einer einschränkenden Auslegung im Lichte des Rechtsstaatsprinzips bedarf. Zwar beeinträchtigt wie dargestellt die große Kronzeugenregelung das Rechtsstaatsprinzip hinsichtlich des honorierten Kronzeugen intensiver als die Kronzeugenregelung des § 31 BtMG a. F. Doch zwingt dies nicht dazu, einen mit Strafmilderung belohnten Aufklärungserfolg allein bei der erfolgreichen Ergreifung des Offenbarten anzunehmen. Zum einen wird das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip in Bezug auf die Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO bereits durch die zweifelsfreie Identifizierung eines Täters einer solchen Tat (im Folgenden „Offenbarungstäter“ genannt) erheblich gestärkt. Die Identifizierung ist die Grundlage und erste Voraussetzung für eine wirksame Strafverfolgung. Durch die genaue Bestimmung eines Offenbarungstäters wird daher der Grundstein dafür gelegt, dem Verfolgungszwang auf dem Gebiet der in § 100a II StPO niedergelegten Deliktsbereiche ge176 177 178

Angelehnt an BGH NStZ 1989, 77. BGH NStZ 1989, 77. BGH NStZ 1989, 77.

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recht zu werden. Die Honorierung solch einer Kooperation stellt daher im Hinblick auf die damit einhergehende Stärkung der Strafverfolgung ein angemessenes, also verhältnismäßiges Mittel dar. Zum anderen würden dem Kronzeugen Zufälligkeiten aufgebürdet, wenn man den Aufklärungserfolg von der Ergreifung des Offenbarungstäters abhängig macht.179 Es hängt oftmals von durch den Kronzeugen nicht zu beeinflussenden Umständen ab, ob ein offenbarter Täter tatsächlich verhaftet werden kann. Ob die Strafverfolgungsbehörden mit hinreichender Zielstrebigkeit eine Verhaftung der offenbarten Person betreiben, besonders zügig handeln180 oder ihnen Ermittlungsfehler unterlaufen,181 liegt nicht in der Hand des Kronzeugen. Verlangt man daher eine tatsächliche Verhaftung des Offenbarten, würde man das „Ob“ der Strafmilderung in die Hände der Aufklärungsbehörden legen und gäbe sie der Zufälligkeit preis. Dies wäre aber mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.182 Hierdurch würde zudem die Anreizwirkung zur Kooperation nicht unerheblich geschmälert. Ein tauglicher Kronzeuge müsste sich zweimal überlegen, einen flüchtigen oder untergetauchten und in absehbarer Zeit nicht ergreifbaren Offenbarungstäter den Strafverfolgungsbehörden zu nennen. Daher genügt auch für eine Aufklärungshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB die Identifizierung eines Offenbarungstäters, wenn im Falle dessen Ergreifung aufgrund der Angaben des Kronzeugen ein Strafverfahren voraussichtlich mit Erfolg durchgeführt werden kann. Die fehlende Verhaftung des Offenbarungstäters hindert die Annahme eines Aufklärungserfolgs daher nicht. (b) Wechselndes Aussageverhalten hinsichtlich der offenbarten Person Beispielsfall 5: K wurde wegen diverser Delikte festgenommen, die er zusammen mit O mittäterschaftlich beging. Bei der polizeilichen Befragung nennt K zunächst als Komplizen einen gewissen, in Wahrheit nicht existierenden W. Deswegen lehnt der Haftrichter einen Haftbefehl gegen den ebenfalls unter dem Verdacht der Komplizenschaft stehenden und vorläufig festgenommenen O ab. O wird auf freien Fuß gesetzt. Drei Monate nach Festnahme des K korrigiert dieser seine Angaben und belastet O schwer. O hat die Gunst der Stunde genutzt und ist mittlerweile unauffindbar untergetaucht.183

In Beispielsfall 5 scheint sich die Grundsituation nicht wesentlich von derjenigen des vorangegangenen Falls zu unterscheiden. Auch hier kann der offenbarte 179

Vgl. BGH NStZ 1989, 77. Weider, NStZ 1984, 391, 394. 181 Jeßberger, Kooperation, S. 118. 182 Vgl. Jeßberger, Kooperation, S. 118, der einen Verstoß gegen das Willkürverbot erkennt. 183 Angelehnt an BGH StV 1985, 14 f. 180

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

Täter trotz Identifizierung nicht ergriffen werden, da dieser untergetaucht ist. Es scheint daher, dass auch in Beispielsfall 5 trotz fehlender Ergreifung des Offenbarungstäters ein Aufklärungserfolg angenommen werden muss. Doch weist dieser Fall einen entscheidenden Unterschied auf: Hier war der Offenbarungstäter O ursprünglich bereits in den Händen der Strafverfolgungsbehörden. Er befand sich in Untersuchungshaft. Allein wegen der den W belastenden Aussage des K musste O freigelassen werden, was diesem die Flucht ermöglichte. Führt man sich dies vor Augen, kann die Entscheidung über das Vorliegen eines Aufklärungserfolgs eigentlich nur ablehnend ausfallen. Umso überraschender wirkt da die Entscheidung des BGH, im vorliegenden Fall des wechselnden Aussageverhaltens hinsichtlich der offenbarten Person einen Aufklärungserfolg i. S. d. § 31 BtMG a. F. zu bejahen.184 Das wechselhafte Verhalten des K stehe der Annahme einer Aufklärungshilfe nicht entgegen, könne also die Verwirklichung des Tatbestandes nicht verhindern.185 Lediglich im Rahmen des dem Tatrichter zustehenden Ermessens, ob von der Strafrahmenmilderung Gebrauch zu machen ist, müsse diesem Umstand Rechnung getragen werden.186 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Rechtsprechung auch auf die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB übertragen werden.187 In der vorliegenden Konstellation habe das wechselnde Aussageverhalten lediglich als ein die Kriterien des § 46b II StGB ergänzender Gesichtspunkt im Rahmen des Ermessens Berücksichtigung zu finden.188 Dem kann aber nicht gefolgt werden. Ob die Bejahung des Aufklärungserfolgs hinsichtlich § 31 BtMG a. F. zutreffend war, muss schon als höchst fraglich gelten.189 Gewiss aber kann im Rahmen des § 46b StGB ein Aufklärungserfolg in solch einer Konstellation nicht angenommen werden. Zwar lässt sich dem Wortlaut der Norm nicht zwingend ein Ablehnen des Tatbestands in solchen Fällen entnehmen. So verlangt die Aufklärungshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB lediglich die „Aufdeckung“ der Offenbarungstat, nicht aber die Ergreifung des Offenbarungstäters. Doch liefe hier die Annahme eines Aufklärungserfolgs dem Zweck der großen Kronzeugenregelung zuwider: Die Aufklärung schwerer bzw. schwer aufklärbarer Straftaten wird nicht verbessert und unterstützt, wenn ein Kronzeuge zunächst den Offenbarungstäter nicht belastet und erst, nachdem diesem hierdurch die Flucht glückte, den wahren Beteiligten preisgibt. Im Gegenteil: Durch die Verschleierungstaktik wird die Verfolgung der zunächst nicht belasteten Täter sogar erschwert, da die Strafverfolgungsbehörden zunächst im vom Kronzeugen erzeugten Nebel stochern. Wenn

184 185 186 187 188 189

BGH StV 1985, 14, 15. BGH StV 1985, 14, 15. BGH StV 1985, 14, 15. BT-Dr. 16/6268, S. 14. BT-Dr. 16/6268, S. 14. Ablehnend Körner, JR 1985, 427, 428; ders., § 31, Rn. 53 f.

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aber der Zweck der großen Kronzeugenregelung durch die Kronzeugenhandlung nicht nur nicht erreicht, sondern zusätzlich bekämpft wird, kann eine Milderung vor teleologischen Gesichtspunkten keinen Bestand haben. Vor allem aber ließe sich die Annahme eines Aufklärungserfolgs und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Verfolgungspflicht durch Anwendung des § 46b StGB nicht vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips rechtfertigen. Das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip wäre unangemessen, also unverhältnismäßig beeinträchtigt und damit verletzt. Ob dies bereits im Rahmen des § 31 BtMG a. F. galt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hinsichtlich des § 46b StGB wäre wegen der im Vergleich zu § 31 BtMG a. F. intensiveren Beanspruchung des Rechtsstaatsprinzips190 die Unverhältnismäßigkeit anzunehmen. Der erheblichen Beeinträchtigung des Verfolgungszwangs und der daraus resultierenden Pflicht zur konsequenten Bestrafung von Straftätern hinsichtlich des Kronzeugen stünde keine gewichtige Stärkung der Strafverfolgung der Offenbarungstaten gegenüber. Wo der Kronzeuge zunächst falsche Angaben macht und hierdurch die Verfolgung des Offenbarungstäters erschwert, kann von einer die Strafmilderung rechtfertigenden Unterstützung der Strafverfolgung nicht gesprochen werden. Die irreführende erste Aussage entzieht der zutreffenden zweiten Offenbarung die unterstützende Wirkung. In diesen Fällen wechselnden Aussageverhaltens sind daher die widersprechenden Auskünfte nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenspiel zu betrachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Kronzeuge hierbei bewusst vorgeht und das Vertrauen der Strafverfolgungsbehörden in die Richtigkeit seiner Aufklärungshandlung missbraucht. In vorliegender Konstellation sind daher die Motive des Kronzeugen ausnahmsweise beachtlich.191 Andernfalls liefe man Gefahr, dass solch ein Vorgehen unter Mittätern Schule macht.192 Komplizen solch ein Instrument zur Hand zu geben, kann aber nicht im Interesse der Strafverfolgung liegen und vor dem Rechtsstaatsprinzip keinen Bestand haben. Daher muss in diesen Fällen bereits das Vorliegen des Tatbestands verneint werden. Eine bloße Berücksichtigungspflicht im Rahmen des Ermessens würde der Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips nicht gerecht. Im Gegensatz zu Fall 4193 kann auch nicht eingewendet werden, dem Kronzeugen würde das Risiko von Zufälligkeiten aufgebürdet. Hier hat nämlich der Kronzeuge durch die erste Aussage die Situation selbst aktiv beeinflusst. Die fehlende Ergreifbarkeit des O ist damit auch sein Werk. Eine Zuordnung in den Bereich des Zufalls ist nicht möglich. Ändert sich dieses Ergebnis aber durch die Berücksichtigung der Präklusionsvorschrift des § 46b III StGB? Durch sie wird nämlich der zeitliche Spielraum 190 191 192 193

Siehe oben S. 33. Insoweit abweichend von der auf S. 64 f. getroffenen Feststellung. Körner, JR 1985, 427, 428; ders., § 31, Rn. 54. Siehe oben S. 70.

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der Vornahme zweier sich widersprechender vermeintlicher Kronzeugenhandlungen auf den Zeitraum vor Eröffnung des Hauptverfahrens verkürzt. Doch bleibt der zeitliche Korridor immer noch groß genug, um durch die falsche Bezichtigung einer nicht existierenden Person seinen wahren Komplizen die Flucht zu ermöglichen. Auch die Präklusionsvorschrift beseitigt daher nicht die Gefahr von wechselndem Aussageverhalten hinsichtlich der offenbarten Person. Somit ist die Annahme eines Aufklärungserfolgs in vorliegender Konstellation mit dem durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Da aber der Wortlaut des § 46b I 1 Nr. 1 StGB der Annahme eines Aufklärungserfolgs in diesem Fall nicht entgegensteht, und auch die historische Auslegung für die Annahme eines Aufklärungserfolgs spricht, bedarf es einer verfassungskonformen Auslegung.194 § 46b I 1 Nr. 1 StGB ist daher im Lichte des Rechtsstaatsprinzips verfassungskonform so auszulegen, dass bei wechselndem Aussageverhalten hinsichtlich der offenbarten Person ein Aufklärungserfolg nicht erzielt werden kann und damit bereits der Tatbestand nicht erfüllt ist. (c) Wechselndes Aussageverhalten hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft Beispielsfall 6: K wurde wegen mehrerer Delikte festgenommen, die er zusammen mit O mittäterschaftlich begangen hat. Sofort nach der Festnahme belastet er den O schwer. In seiner eigenen Hauptverhandlung wiederholt er die den O belastenden Angaben jedoch nicht und widerruft sie sogar.195

Hier könnte ein durch K herbeigeführter Aufklärungserfolg deshalb in Frage gestellt werden, weil K nicht bei seinen den O belastenden Angaben blieb und sie vielmehr nunmehr bestreitet. Warum, so könnte man meinen, soll jemand mit Strafmilderung belohnt werden, der sich unentschlossen zeigt und an seiner Kooperationsbereitschaft nicht bis zum Abschluss seines Strafverfahrens festhält? Dennoch bestand im Rahmen des § 31 BtMG a. F. Einigkeit darüber, einen Aufklärungserfolg auch bei späterem Schweigen oder Widerruf der Offenbarung in der Hauptverhandlung des Kronzeugen anzunehmen.196 Dieses Ergebnis lässt sich auch auf § 46b StGB übertragen, ohne dass es einer einschränkenden Auslegung im Lichte des Rechtsstaatsprinzips bedarf. Hat der Kronzeuge durch seine Offenbarung die Voraussetzungen zur erfolgreichen Durchführung eines Strafverfahrens gegen einen Offenbarungstäter geschaffen, vermag ein Schweigen oder 194 Zur verfassungskonformen Auslegung vgl. BVerfGE 2, 266, 282; 19, 1, 5; 32, 373, 383 f.; 48, 40, 45. 195 Angelehnt an BGH StV 1990, 455 f. 196 BGH StV 1990, 455 f.; StV 1990, 355, 356; NStZ-RR 2002, 251; StV 2004, 605, 606; NStZ 2009, 394, 395; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 144 f.; Joachimski/Haumer, § 31, Rn. 12; Körner, § 31, Rn. 35; Kreuzer/Weider, § 15, Rn. 127; MK/Maier, § 31, Rn. 61; Schmidt, NJW 2009, 2999, 3004.

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Widerruf in der Hauptverhandlung an der Stärkung der Strafverfolgung hinsichtlich der Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO nämlich nichts mehr zu ändern. Der Aufklärungserfolg ist „in der Welt“. Er kann vom Kronzeugen selbst nicht mehr durch Schweigen oder Bestreiten beseitigt werden. Der Sinn und Zweck des § 46b StGB spricht daher für die Bejahung des Tatbestandes trotz Schweigen bzw. Widerruf in der Hauptverhandlung. Die Unbeachtlichkeit des Schweigens bzw. Widerrufs in der Hauptverhandlung wird im Rahmen der großen Kronzeugenregelung des § 46b StGB zusätzlich durch die Präklusionsvorschrift des § 46b III StGB gestützt. Wenn lediglich die vor dem Präklusionszeitpunkt vorgenommenen Aufklärungshilfen des Kronzeugen zur Erfüllung des Tatbestandes führen können, folgt hieraus auch die Unzulässigkeit der Berücksichtigung von Verhaltensweisen des Kronzeugen, die den eingetretenen Aufklärungserfolg nach dem Präklusionszeitpunkt wieder in Frage stellen könnten. Wenn der Gesetzgeber einen Präklusionszeitpunkt festlegt, darf dieser nicht nur in eine Richtung wirken. Nach dem Präklusionszeitpunkt dürfen also im Hinblick auf den Tatbestand des § 46b I StGB weder für noch gegen eine Aufklärungshilfe sprechende Verhaltensweisen des Kronzeugen berücksichtigt werden. Nicht ausgeschlossen ist damit jedoch, dem widersprüchlichen Verhalten des Kronzeugen oder sonstigen nach dem Präklusionszeitpunkt vorgenommenen Verhaltensweisen im Rahmen des Ermessens Rechnung zu tragen.197 Eine einschränkende Auslegung fordert auch nicht das im Vergleich zu § 31 BtMG a. F. stärker beeinträchtigte Rechtsstaatsprinzip. Die Stärkung des Rechtsstaatsprinzips hinsichtlich der Offenbarungstaten durch die Aufklärungshilfe wird durch das Schweigen oder den Widerruf in der Hauptverhandlung nicht rückgängig gemacht. Sie bleibt bestehen. Die Bejahung des Tatbestandes und die hieran anknüpfende Strafmilderung ist daher angemessen und damit verhältnismäßig. Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den im vorangegangenen Fall vorgenommenen Erwägungen. Zwar liegt auch hier ein Wechsel im Aussageverhalten des Kronzeugen vor. Doch bezieht sich der Widerspruch der Aussagen nicht auf unterschiedliche Personen. Vielmehr ändert sich innerhalb der Verfahrensabschnitte die Bereitschaft des Kronzeugen, mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren. Das wechselnde Aussageverhalten knüpft daher nicht an unterschiedliche Personen, sondern an den Willen zur Aussagebereitschaft an. Zudem besteht ein weiterer grundlegender Unterschied: Im Gegensatz zum wechselnden Aussageverhalten hinsichtlich der Person des Offenbarten erfolgt in vorliegender Konstellation zunächst die Belastung des Offenbarungstäters. Erst hierauf folgend wird die Entlastung vorgenommen. Nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich der zeitlichen Abfolge von belastenden und entlastenden Ver-

197 Eine Berücksichtigung im Ermessen i. S. d. § 31 BtMG a. F. verlangt auch MK/ Maier, § 31, Rn. 62.

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haltensweisen lassen sich die beiden Konstellationen nicht vergleichen. Eine der Aufklärungshilfe vorangestellte Verschleierung findet gerade nicht statt. Somit steht auch im Rahmen des § 46b I StGB der Widerruf oder das Schweigen des Kronzeugen in seiner Hauptverhandlung der Bejahung eines Aufklärungserfolgs im Falle einer vorangegangenen Offenbarung nicht entgegen. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Kronzeuge tatsächlich in den Genuss der Strafmilderung gelangt. Dies bedarf vielmehr der Würdigung im Rahmen des Ermessens. (d) Der Kronzeuge als Zeuge in der Hauptverhandlung des Offenbarungstäters Nachdem festgestellt wurde, dass sich der Kronzeuge in seiner eigenen Hauptverhandlung nicht erneut zu seiner Offenbarung bekennen muss, knüpfen sich hieran weitere Fragen an, die die Rolle des Kronzeugen in der Hauptverhandlung des Offenbarungstäters betreffen. (aa) Aufklärungserfolg und Bereitschaft zum Auftreten als Zeuge Kann die Annahme eines Aufklärungserfolgs auch von der Bereitschaft des Kronzeugen abhängen, in der den Offenbarungstäter betreffenden Hauptverhandlung gegen diesen auszusagen? Im Rahmen des § 31 BtMG a. F. wurde dies überwiegend verneint.198 Es spricht einiges dafür, auch dieses Ergebnis auf § 46b StGB zu übertragen. Andernfalls käme es zu einem Widerspruch zu der soeben getroffenen Feststellung, der Kronzeuge müsse nicht mehr in seiner Hauptverhandlung an seiner einmal vorgenommenen Offenbarung festhalten. Auch lässt sich die Pflicht zur Zeugenaussage im Prozess gegen den Offenbarten schon dem Wortlaut des § 46b StGB nicht entnehmen. Nur von einem Beitrag zur Aufdeckung ist die Rede. Ein Beitrag gerade zur Überführung in der Hauptverhandlung wird hingegen nicht verlangt.199 Des Weiteren würde das Abhängigmachen der Strafmilderung vom Auftreten als Zeuge zu dem unbefriedigenden Umstand führen, dass dies schon von vornherein nicht für jeden Kronzeugen gelten kann. Hat die Hauptverhandlung gegen den Kronzeugen schon vor dem Prozess gegen den Offenbarungstäter seinen Abschluss gefunden, kann für die Frage des Vorliegens eines Aufklärungserfolgs das Auftreten als Zeuge nicht berücksichtigt werden. In diesem Fall kann der Aufklärungserfolg daher nicht vom Auftritt in der Hauptverhandlung des Offenbarten abhängig gemacht werden. Die Entscheidung 198 Bernsmann, JZ 1988, 539, 540; Körner, StV 1984, 217, 219; ders., § 31, Rn. 73; Kreuzer/Weider, § 15, Rn. 127; Malek, Kapitel 4, Rn. 72; Weider, NStZ 1984, 391, 395; Weigend, FS Jescheck, 1333, 1334. 199 So auch zu § 31 BtMG a. F. Weider, NStZ 1984, 391, 395.

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über die Milderung der Strafe des Kronzeugen muss in diesem Fall ja bereits gefallen sein, bevor der Kronzeuge als Zeuge im Hauptverfahren gegen den Offenbarten überhaupt auftreten kann. Lediglich wenn das Verfahren gegen den Kronzeugen vor Beginn der Hauptverhandlung gegen den Offenbarungstäter noch nicht abgeschlossen ist, könnte die Frage relevant werden. Es hinge daher vom Zufall ab, ob dem Kronzeugen der Auftritt als Zeuge für eine Milderung abverlangt werden könnte.200 Von solchen Zufälligkeiten sollte der Tatbestand des § 46b StGB aber zugunsten einer gleichmäßigen Rechtsanwendung möglichst verschont bleiben.201 Somit verlangt ein Aufklärungserfolg i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB das Auftreten des Kronzeugen als Zeuge in der Hauptverhandlung des von ihm Offenbarten nicht. Wer in den Stand des Kronzeugen gehoben werden möchte, muss daher nicht in den Zeugenstand treten. (bb) Pflicht des Kronzeugen zum Auftreten als Zeuge Hiervon zu trennen ist aber die Frage, ob der Kronzeuge losgelöst von einer etwaigen Milderung überhaupt als Zeuge in der Hauptverhandlung gegen den von ihm Offenbarten auftreten und aussagen muss. Mit anderen Worten: Ist der Kronzeuge verpflichtet, seine Rolle als Belastungszeuge im Verfahren gegen den Offenbarungstäter einzunehmen? Wer in den Genuss des § 46b StGB gekommen ist, vermochte die Strafverfolgungsbehörden mit wertvollen Informationen zur Belastung von Offenbarungstätern zu versorgen. Er hat sich als nützlicher Informant erwiesen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kronzeuge in der Regel zur Hauptverhandlung gegen den von ihm Offenbarten als Belastungszeuge geladen wird. Nicht selten ist der Kronzeuge das wichtigste Beweismittel der Staatsanwaltschaft. Ein geladener Zeuge ist nach § 48 I 1 StPO verpflichtet, zu seiner Vernehmung zu erscheinen. Dies gilt auch dann, wenn ihm ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht zusteht; in diesem Fall muss er dennoch Angaben zu seiner Person nach § 68 I 1 StPO machen.202 Steht ihm ein Verweigerungsrecht nicht zu, muss der geladene Zeuge nach § 48 I 2 StPO aussagen, wobei ihn, wie sich aus § 57 S. 1 StPO ergibt, die Pflicht zur wahren Aussage trifft.203 Erscheint der ordnungsgemäß geladene Zeuge nicht, können Zwangsmaßnahmen nach § 51 StPO vorgenommen werden. Verweigert der Zeuge grundlos das Zeugnis, sieht § 70 StPO ebenfalls die Anwendung von Zwangsmitteln vor.

200

Ebenso zu § 31 BtMG a. F. Körner, StV 1984, 217, 219. Dies wird zu § 31 BtMG a. F. verkannt von Jaeger, Der Kronzeuge, S. 179 ff., der das Auftreten des Kronzeugen als Zeuge jedenfalls dann für eine Milderung verlangt, wenn die Hauptverhandlung gegen den Kronzeugen nach der Hauptverhandlung gegen die Offenbarungstäter stattfindet. 202 Karlsruher Kommentar/Senge, § 52, Rn. 2; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 811; Ranft, Strafprozessrecht, Rn. 483. 203 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 188; Jaeger, Der Kronzeuge, S. 181. 201

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Der geladene Kronzeuge muss daher in der Hauptverhandlung gegen den von ihm Offenbarten erscheinen. Muss er jedoch auch dort den Offenbarungstäter belasten? Dem könnte hier nämlich das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO entgegenstehen. Zwar folgt aus § 55 I StPO kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht.204 Doch statuiert § 55 I StPO ein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu solchen Fragen, deren Beantwortung den Zeugen selbst in die Gefahr einer Strafverfolgung brächten.205 Solch eine Gefahr i. S. d. § 55 I StPO ist dann anzunehmen, wenn eine Ermittlungsbehörde aus der wahrheitsgemäßen Aussage des Zeugen Tatsachen entnehmen kann, die sie zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen der Begründung eines Anfangsverdachts i. S. d. § 152 II StPO oder zur Aufrechterhaltung und Stärkung eines Verdachts gegen den Zeugen veranlassen könnte.206 Ausreichend hierfür ist also bereits, dass die bloße Gefahr der Einleitung eines Strafverfahrens begründet wird. Der sicheren Erwartung eines Verfahrens bedarf es hingegen nicht.207 Hier ließe sich deshalb an ein Auskunftsverweigerungsrecht für den Kronzeugen denken, da seinen den Offenbarungstäter belastenden Angaben oftmals die Gefahr für ihn innewohnt, hieraus Rückschlüsse auf seine eigene Tat zu ermöglichen. Doch muss folgender Umstand berücksichtigt werden: Ein Auskunftsverweigerungsrecht i. S. d. § 55 I StPO besteht dann nicht, wenn die Gefahr der Strafverfolgung des Zeugen aufgrund der Aussage aus rechtlichen Gründen zweifellos ausgeschlossen ist.208 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeuge schon rechtskräftig verurteilt wurde,209 selbst wenn die Strafe noch nicht vollstreckt ist.210 Dann nämlich steht der Strafklageverbrauch einer erneuten Verfolgung und Verurteilung des Zeugen wegen der Auskunft entgegen. Allein wenn zwischen der abgeurteilten Tat und weiteren Straftaten ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen dieser anderen Taten mit sich bringt, kann ein Auskunftsverweigerungsrecht weiterhin bestehen.211 Für den Kronzeugen der großen Kronzeugenregelung hat dies folgende Konsequenzen: 204 Karlsruher Kommentar/Senge, § 55, Rn. 2; KMR/Neubeck, § 55, Rn. 2; Löwe/ Rosenberg/Ignor/Bertheau, § 55, Rn. 6; Meyer-Goßner, § 55, Rn. 2. 205 Vgl. Karlsruher Kommentar/Senge, § 55, Rn. 2; KMR/Neubeck, § 55, Rn. 2; Löwe/Rosenberg/Ignor/Bertheau, § 55, Rn. 5. 206 Julius/Gercke, § 55, Rn. 5; Karlsruher Kommentar/Senge, § 55, Rn. 4; KMR/ Neubeck, § 55, Rn. 6; Löwe/Rosenberg/Ignor/Bertheau, § 55, Rn. 10. 207 Julius/Gercke, § 55, Rn. 5; Karlsruher Kommentar/Senge, § 55, Rn. 4; Löwe/Rosenberg/Ignor/Bertheau, § 55, Rn. 10. 208 BGH NJW 1999, 1413; Löwe/Rosenberg/Ignor/Bertheau, § 55, Rn. 14; MeyerGoßner, § 55, Rn. 8. 209 BGH NJW 1999, 1413; Julius/Gercke, § 55, Rn. 10; Karlsruher Kommentar/ Senge, § 55, Rn. 4; Klein, StV 2006, 338, 339; KMR/Neubeck, § 55, Rn. 7; Löwe/Rosenberg/Ignor/Bertheau, § 55, Rn. 14; Meyer-Goßner, § 55, Rn. 8. 210 Karlsruher Kommentar/Senge, § 55, Rn. 4; Löwe/Rosenberg/Ignor/Bertheau, § 55, Rn. 14.

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Offenbart der Kronzeuge eine Tat, die mit seiner Kronzeugentat in keinerlei Zusammenhang steht, an der er also selbst nicht beteiligt war, besteht kein Anlass zur Gewährung des Auskunftsverweigerungsrechts. Durch seine Aussage hinsichtlich der offenbarten Tat lassen sich bei fehlendem Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat keinerlei Rückschlüsse ziehen, die den Kronzeugen zu belasten vermögen.212 Er läuft daher nicht Gefahr, sich selbst zu belasten und bedarf somit nicht des Schutzes des § 55 I StPO. Der Konnexitätsverzicht der großen Kronzeugenregelung verengt daher den Anwendungsbereich des § 55 I StGB für Kronzeugen. Hat sich die Aufklärungshilfe des Kronzeugen hingegen auf eine Tat bezogen, an der er selbst beteiligt war, stellt sich die Sache anders dar. Hier läuft der Kronzeuge Gefahr, dass seine den Offenbarungstäter belastenden Aussagen auf ihn zurückfallen und auch seinen eigenen Tatbeitrag ans Licht bringen.213 Ist der Kronzeuge aber zum Zeitpunkt seines Auftretens in der Hauptverhandlung gegen den Offenbarten bereits rechtskräftig verurteilt, kann er sich dennoch nicht auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 I StPO berufen. Mit Eintritt der materiellen Rechtskraft ist ein Strafklageverbrauch hinsichtlich der abgeurteilten Kronzeugentat eingetreten.214 Nach dem in Art. 103 III GG niedergelegten Grundsatz des „ne bis in idem“ darf der Kronzeuge wegen der abgeurteilten Kronzeugentat nicht mehr verfolgt und verurteilt werden.215 Somit läuft der Kronzeuge nunmehr keine Gefahr, aufgrund der belastenden Äußerungen strafrechtlich verfolgt zu werden. Er muss daher in der Hauptverhandlung gegen den Offenbarungstäter seine belastenden Aussagen vortragen, ohne sich auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen zu können. Das Verfahren gegen den Kronzeugen wird daher im Regelfall aus prozesstaktischen Gründen abgetrennt und zügig durchgeführt werden, um dem Kronzeugen das Auskunftsverweigerungs-

211 BGH NStZ 2006, 509; NStZ-RR 2006, 239. Solch eine Konstellation soll aber nur in Ausnahmefällen wie etwa bei Mitgliedern terroristischer Vereinigungen vorliegen. 212 Erkannt von Peglau, wistra 2009, 409, 413; vgl. auch Jeßberger, Kooperation, S. 135. 213 Damit lässt sich wohl erklären, warum nach BT-Dr. 10/843, S. 25 die Bereitschaft von (auch rechtskräftig verurteilten) Kronzeugen zur Wahrnehmung der Zeugenpflicht in den Strafverfahren gegen die belasteten Täter oftmals nachlässt. 214 Zum Strafklageverbrauch siehe Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 280; Karlsruher Kommentar/Pfeiffer/Hannich, Einleitung, Rn. 170; Löwe-Rosenberg/Kühne, Einleitung K, Rn. 51; Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 171; Peters, Strafprozess, S. 504; Ranft, Strafprozessrecht, Rn. 1870. 215 BVerfGE 23, 191, 202; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 280; Karlsruher Kommentar/Pfeiffer/Hannich, Einleitung, Rn. 170; Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 639; Löwe-Rosenberg/Kühne, Einleitung K, Rn. 51; Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 171; Peters, Strafprozess, S. 504; Ranft, Rn. 1870.

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recht zu nehmen.216 Somit bleibt der Kronzeuge i. S. d. § 46b StGB in aller Regel zur Aussage gegen den Offenbarten in dessen Hauptverhandlung verpflichtet.217 Sollte der Kronzeuge noch nicht rechtskräftig verurteilt sein (was die Ausnahme sein wird), besteht hingegen für ihn weiterhin die Gefahr, sich durch die Aussagen in der Hauptverhandlung gegen den Offenbarten zu belasten. Somit steht ihm in diesem Fall insoweit ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO zu. Er muss den Offenbarten in dessen Hauptverhandlung als Zeugen nicht bezichtigen.218 Ein Sonderfall ergibt sich aus der durch die große Kronzeugenregelung geschaffenen Möglichkeit, nach §§ 46b I 4 StGB, 153b I StPO von der Klageerhebung abzusehen oder nach §§ 46b I 4 StGB, 153b II StPO das Verfahren gegen den Kronzeugen einzustellen. Wird von einer Klageerhebung gegen den Kronzeugen abgesehen, so erwächst diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft nämlich nicht in Rechtskraft.219 Das Absehen von der Klageerhebung bewirkt mithin gerade keinen Strafklageverbrauch.220 Die Staatsanwaltschaft kann daher ihre Ermittlungen jederzeit wieder aufnehmen.221 Falls also in diesem Fall der Kronzeuge Beteiligte seiner Kronzeugentat offenbart, darf er sich in der Hauptverhandlung gegen den Offenbarungstäter umfassend auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen, da die Gefahr eines erneuten Strafverfahrens nicht durch Strafklageverbrauch gebannt ist. Hingegen kommt der Einstellung des Verfahrens durch das Gericht nach §§ 46b I 4 StGB, 153b II StPO wenigstens eine beschränkte Rechtskraftwirkung zu.222 Die gerichtliche Einstellung zieht daher einen beschränkten Strafklageverbrauch nach sich.223 Eine Weiterverfolgung ist

216 So auch Jarvers/Kinzig, MschrKrim 2001, 439, 444. Zur zusätzlichen Absicherung verlangten die Gesetzesentwürfe des Bundesrates sowie der CDU/CSU-Fraktion in BT-Dr. 15/2771, S. 9 bzw. BT-Dr. 15/2333, S. 7 eine für den Kronzeugen vorgesehene und in § 362 StPO zu verortende „Verwirkungsstrafe“ im Falle der grundlosen Zeugnisverweigerung (ähnlich die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Dr. 16/6268, S. 19). 217 So auch Jaeger, Der Kronzeuge, S. 181 f., der ohnehin davon ausgeht, dass verurteilte Kronzeugen von sich aus ihrer Zeugenpflicht überwiegend ordnungsgemäß nachkommen. 218 So auch Körner, StV 1984, 217, 219; vgl. auch Jaeger, Der Kronzeuge, S. 181, der jedoch bei Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht das Vorliegen eines Aufklärungserfolgs i. S. d. § 31 BtMG a. F. ablehnt (siehe oben Fn. 201). 219 Meyer-Goßner, § 153b, Rn. 2. 220 Dallinger, JZ 1951, 620, 623; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 153b, Rn. 5; KMR/Plöd, § 153b, Rn. 7; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 153b, Rn. 15; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 153b, Rn. 2; SK-StPO/Weßlau, § 153b, Rn. 11. 221 Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 153b, Rn. 5; KMR/Plöd, § 153b, Rn. 7; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 153b, Rn. 2. 222 Vgl. Dallinger, JZ 1951, 620, 623; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 153b, Rn. 11. 223 KMR/Plöd, § 153b, Rn. 10; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 153b, Rn. 21; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 153b, Rn. 4; SK-StPO/Weßlau, § 153b, Rn. 15.

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mithin nur dann möglich, wenn sich aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel ergibt, dass die Voraussetzungen für ein Einstellen des Verfahrens nicht mehr vorliegen.224 Mit Hinblick auf § 46b I 4 StGB kann eine Weiterverfolgung gegen den Kronzeugen trotz Einstellungsbeschlusses somit dann stattfinden, wenn sich aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel herausstellt, dass die vom Kronzeugen verwirklichte Tat zumindest auch mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist oder der Kronzeuge im konkreten Fall eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Also kann sich der Kronzeuge in der Hauptverhandlung gegen den Offenbarten in diesem Fall auch nur insoweit auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen, als er Gefahr liefe, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46b I 4 StGB in seiner Person nachträglich in Frage zu stellen.225 Aus dem Gesagten ergibt sich für den Kronzeugen i. S. d. § 46b StGB Folgendes: Sind die Strafverfolgungsbehörden auf ein Auftreten des Kronzeugen als Belastungszeuge in der Hauptverhandlung gegen seine offenbarten Komplizen angewiesen, ist es wenig ratsam, bereits von einer Klageerhebung abzusehen. Im Falle eines Konnexes steht dem Kronzeugen nämlich dann ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Er wäre daher im Prozess gegen den Offenbarten als Zeuge nahezu wertlos. Dieses Ergebnis weckt Bedenken. Denn gerade wenn der Kronzeuge besonders wertvoll für die Strafverfolgungsbehörden ist, vielleicht sogar das entscheidende Beweismittel darstellt und deshalb besonders stark zur Offenbarung motiviert werden sollte, scheidet das größtmögliche Entgegenkommen (das Absehen von Klageerhebung) faktisch aus. Das Absehen von Klageerhebung wirkt auf den Kronzeugen aber gerade besonders attraktiv, da eine Hauptverhandlung vermieden wird, im Gegensatz zum Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB auch kein Schuldspruch erfolgt und der Kronzeuge sich weiterhin als unschuldig bezeichnen kann.226 Je wichtiger daher der Auftritt des Kronzeugen als Belastungszeuge ist, desto weniger eignet sich die größtmögliche Honorierung in der besonders motivierend wirkenden Form des Absehens von Klageerhebung. Dies muss die Staatsanwaltschaft beachten. Liegen also die Voraussetzungen des § 46b I 4 StGB vor und hat die Staatsanwaltschaft ein besonderes Interesse am Auftritt des Kronzeugen als Belastungszeuge, empfiehlt es sich daher stattdessen, den Kronzeugen anzuklagen und diesem ggf. in Aussicht zu stellen, sich für eine Einstellung des Verfahrens durch das Gericht einzusetzen.

224 Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 153b, Rn. 11; Löwe/Rosenberg/Beulke, § 153b, Rn. 21; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 153b, Rn. 4; SK-StPO/Weßlau, § 153b, Rn. 15. 225 Zur Annahme eines Auskunftsverweigerungsrechts des Kronzeugen nach Einstellung des Verfahrens ebenfalls Denny, ZStW 103 (1991), 269, 273; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, S. 42 f.; Meyer, ZRP 1976, 25, 26. 226 Vgl. Wolter, Straftat, 1, 37.

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(cc) Zusammenfassung Somit lässt sich festhalten: Eine Honorierung der Kooperation i. S. d. § 46b I StGB verlangt keinen Auftritt des Kronzeugen als Belastungszeuge in der Hauptverhandlung gegen den Offenbarungstäter. Ist der Kronzeuge jedoch rechtskräftig verurteilt, kann er sich als Belastungszeuge im Prozess gegen den Offenbarten nicht auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 I StPO berufen. Das Auskunftsverweigerungsrecht steht dem Kronzeugen ebenfalls nicht zu, wenn kein Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat besteht. Diese Pflicht zum Zeugenauftritt besteht jedoch losgelöst von einer Milderung nach § 46b StGB. Wurde auf eine Klageerhebung gegen den Kronzeugen nach §§ 46b I 4 StGB, 153b I StPO verzichtet und stehen Kronzeugen- und Offenbarungstaten im Konnex zueinander, steht dem Kronzeugen in der Hauptverhandlung gegen den Offenbarten ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Ist das Verfahren gegen den Kronzeugen hingegen nach §§ 46b I 4 StGB, 153b II StPO eingestellt worden, besteht das Auskunftsverweigerungsrecht nur in eingeschränktem Umfang. (e) Mitwirken des Kronzeugen an einem Scheingeschäft Beispielsfall 7: Drogenkurier K wird festgenommen. Er berichtet der Polizei, dass die mitgeführten Drogen für einen ihm unbekannten Auftraggeber bestimmt sind, dem er am nächsten Tag die Drogen an einem öffentlichen Ort übergeben soll. K erklärt sich bereit, an einer durch die Polizei überwachten Scheinübergabe teilzunehmen. Am nächsten Tag erscheint der Auftraggeber O zum Treffpunkt und kann von der Polizei festgenommen werden.227

In Beispielsfall 7 hat es K nicht geschafft, durch die bloße Mitteilung seines Wissens einen Aufklärungserfolg hinsichtlich des O herbeizuführen. Da dem K der O unbekannt und er zu seiner Person keine Angaben zu machen in der Lage war, vermochte O auch nicht durch die Angaben beschrieben oder gar identifiziert zu werden.228 Erst die von K durchgeführte Scheinübergabe schuf die Voraussetzung für die Durchführung eines Strafverfahrens gegen den O. Dennoch wurde im Rahmen des § 31 BtMG a. F. auch in solch einem Fall ein Aufklärungserfolg angenommen.229 Diese Entscheidung lässt sich ebenfalls auf die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB übertragen. Zwar verlangt der Wortlaut des § 46b I 1 Nr. 1 StGB, dass der Kronzeuge durch Offenbarung seines Wissens zur Aufdeckung einer Offenbarungstat beiträgt. Doch erst recht muss eine Aufklärungshilfe angenommen werden können, wenn das Wissen des Kron227 228 229

Angelehnt an BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung Nr. 34. Vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung Nr. 34. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung Nr. 34; Weber, § 31, Rn. 31.

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zeugen für sich allein zwar nicht zur Begründung eines Aufklärungserfolgs ausreicht, dieser sich jedoch bereit erklärt, sich an einem durch seine Kundgabe bekannt gewordenen Ort freiwillig in die Sphäre des Offenbarungstäters zu wagen und dadurch diesen den Strafverfolgungsbehörden präsentiert. Eine solche sich nicht nur auf die Wissensoffenbarung beschränkende Kooperation stärkt die Strafverfolgung hinsichtlich der Offenbarungstaten besonders intensiv. So ermöglicht sie i. d. R. nicht nur die Identifizierung des Offenbarungstäters, sondern auch dessen direkte Ergreifung. Solche Fälle sind auch keineswegs nur bei Betäubungsmitteldelikten denkbar. So kann der Kronzeuge (z. B. das Mitglied einer Diebesbande) sich zur Scheinübergabe des Diebesgutes an einen gewerbsmäßigen Hehler (tauglicher Offenbarungstäter nach § 100a II Nr. 1 l StPO) bereiterklären und auf diesem Wege die Durchführung eines Strafverfahrens gegen bisher unbekannte Abnehmer ermöglichen. Somit kann ein Aufklärungserfolg nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB auch dann angenommen werden, wenn zwar nicht allein die Wissensoffenbarung, wohl aber die Teilnahme des Kronzeugen an einem Scheingeschäft zur Identifizierung des Offenbarungstäters führt. (f) Aufklärungserfolg und der Grundsatz „in dubio pro reo“ Beispielsfall 8: Der überführte K belastet den O als vermeintlichen Mittäter. Die Tatbeteiligung des O kann von den Strafverfolgungsbehörden weder nachgewiesen noch widerlegt werden. Der Tatrichter hat Zweifel, ob die Offenbarungen des K zutreffen, schließt deren Richtigkeit aber auch nicht aus.

Nicht immer wird es gelingen, die Richtigkeit der Offenbarung durch den Kronzeugen zu belegen. Häufig wird im Unklaren bleiben, ob die bezichtigte Person, wie in Beispielsfall 8 der O, tatsächlich die vom Kronzeugen behaupteten Taten begangen hat. Es stellt sich die Frage, ob in solchen Fällen dennoch eine Milderung nach § 46b StGB möglich ist. Im Rahmen des § 31 BtMG a. F. hat sich die Rechtsprechung in solchen Fallgestaltungen stets gegen die Annahme eines Aufklärungserfolgs ausgesprochen.230 Die Ablehnung eines Aufklärungserfolgs bei nicht bewiesenen Offenbarungen soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB übertragen werden.231 Dem ist uneingeschränkt zu folgen. Zum einen ergibt sich die Unzulässigkeit einer Milderung nach § 46b I StGB in solch einem Fall schon aus dem Wortlaut. So verlangt § 46b I 1 Nr. 1 StGB, dass „eine Tat“ aufgedeckt werden konnte. Dies erfordert schon begrifflich sichere Erkenntnisse über diese Tat, also einen positiv festgestellten Vorgang.232 Auch würde die Annahme eines Aufklä230 231 232

BGHSt 31, 163, 166; StV 1989, 392 f.; NStZ 2003, 162. BT-Dr. 16/6268, S. 12. So zu § 31 BtMG a. F. schon ähnlich BGHSt 31, 163, 166 f.

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rungserfolgs bei lediglich nicht auszuschließender Richtigkeit der offenbarten Tatsachen dem Sinn und Zweck der großen Kronzeugenregelung zuwiderlaufen. Ließe man zwar unbewiesene aber auch nicht widerlegbare Bezichtigungen genügen, käme es gerade nicht zu einer verbesserten Verfolgung der tauglichen Offenbarungstaten. Die unbewiesenen Offenbarungen wären in den Strafverfahren gegen die vermeintlichen Offenbarungstäter kaum von Wert. Eine unterstützende Funktion käme ihnen also gerade nicht zu. Darüber hinaus wohnt der Belohung unbewiesener Bezichtigungen die Gefahr inne, falsche Verdächtigungen durch den Kronzeugen geradezu heraufzubeschwören.233 Wer sich einer Honorierung auch bei unbewiesenen Bezichtigungen sicher sein kann, wird sich kaum scheuen, falsche Belastungen in Hoffnung auf deren Unwiderlegbarkeit von sich zu geben.234 Diesem Anreiz zur Falschbelastung könnte nicht mehr in hinreichendem Maße mit den die große Kronzeugenregelung flankierenden Instrumenten entgegengewirkt werden.235 Unter Berücksichtigung dieser Bedenken hätte die Honorierung von lediglich unwiderleglichen Offenbarungen daher auch vor dem Rechtsstaatsprinzip keinen Bestand. Der Beeinträchtigung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips durch die Strafrahmenverschiebung bzw. das Absehen von Strafe stünde keine hinreichende Stärkung der Strafverfolgung in Bezug auf die Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO gegenüber. Die Strafmilderung wäre daher unangemessen und somit unverhältnismäßig. Der Tatrichter hat daher hinsichtlich der Beurteilung des Aufklärungserfolgs den Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht anzuwenden.236 Vielmehr bedarf es der tatrichterlichen Überzeugung,237 dass die Offenbarung des Kronzeugen zutrifft und hierdurch gegen den Belasteten ein Strafverfahren voraussichtlich mit Erfolg durchgeführt werden kann. Im Rahmen der Überzeugungsbildung ist der Tatrichter nicht gehalten, den weder bewiesenen noch widerlegbaren Angaben des Angeklagten nachzugehen und eigene Ermittlungen anzustellen, um den Aufklärungserfolg gleichsam selbst herbeizuführen.238 Auch braucht der Tatrichter mit seiner Entscheidung über die Milderung nach § 46b I StGB nicht abzuwarten, bis die Strafverfolgungsbehörden ihre Ermittlungen zur Überprüfung der Anga233

Vgl. BGHSt 31, 163, 167. BGHSt 31, 163, 167. 235 Zu den Abwehrmechanismen gegen falsche Bezichtigungen ausführlich schon oben S. 41 f. 236 BT-Dr. 16/6268, S. 12; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 13; so auch zu § 31 BtMG a. F. schon BGH StV 1989, 392 f.; NStZ 2003, 162; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 146; Weber, § 31, Rn. 127; kritisch aber Malek, StV 2010, 200, 205. 237 So zu § 31 BtMG a. F. schon BGH StV 1989, 392 f.; NStZ 2003, 162; Weber, § 31, Rn. 125, 132. 238 BT-Dr. 16/6268, S. 12; so zu § 31 BtMG a. F. schon BGH NJW 1993, 1086; NStZ 1998, 90; NStZ 2003, 162. 234

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ben abgeschlossen haben.239 Andernfalls stünde Tätern ein Instrument zur Verzögerung des Verfahrens zur Hand. In Beispielsfall 8 hat K somit keinen Aufklärungserfolg herbeigeführt. Eine Milderung nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB scheidet also aus. Hat sich der Kronzeuge jedoch erkennbar um eine Aufklärung bemüht und vermag der Richter nur nicht die Überzeugung über die Wahrheit des Sachverhalts sowie die erfolgreiche Strafverfolgung der belastenden Personen zu bilden, ist an eine Berücksichtigung dieser Aufklärungsbemühungen bei der allgemeinen Strafzumessung nach § 46 StGB zu denken.240 (g) Aufklärungserfolg bei fehlender Bereitschaft zum Geständnis Beispielsfall 9: Täter K wird verhaftet und verhört. Er gesteht seine (tatsächlich von ihm begangene) Tat nicht und bestreitet sie vielmehr vehement. Jedoch gelingt es ihm, belastende Angaben zu einer von O begangenen Tat zu machen, die zu dessen Überführung führen.

Nicht immer wird sich der Kronzeuge bereit erklären, seine eigenen Taten offen zu benennen und seine Tatbeiträge einzugestehen. Verdient aber auch solch ein Täter, der zwar jemand anderen, nicht aber sich selbst zu belasten bereit ist, die Honorierung durch § 46b I StGB? Im Rahmen des § 31 BtMG a. F. konnte auch derjenige in den Genuss der Milderung kommen, der sich nicht zum eigenen Tatbeitrag äußerte. Die Milderung wurde daher nicht vom Vorliegen eines Geständnisses und der damit verbundenen Selbstbelastung des Kronzeugen abhängig gemacht.241 Auch dieses weite Verständnis lässt sich auf die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB übertragen.242 Bereits der Wortlaut verlangt ein Geständnis hinsichtlich der Kronzeugentat nicht. Auch trägt der Sinn und Zweck der großen Kronzeugenregelung die Unbeachtlichkeit des Fehlens eines Geständnisses. So zielt § 46b I 1 Nr. 1 StGB allein auf die Aufklärung der Offenbarungstaten wegen deren Schwere bzw. schweren Aufklärbarkeit ab. Die Stoßrichtung der Aufklärungsbemühungen der großen Kronzeugenregelung ist daher eindeutig auf die Offenbarungstaten, nicht aber auf die Kronzeugentat selbst gerichtet. Dies gilt für die große Kronzeugenregelung umso mehr, da sie auf einen Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat verzichtet. Dieses Ergebnis hat auch vor der im Vergleich zu § 31 BtMG a. F. stärkeren Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips Bestand. Die Stärkung der Verfolgung der Offenbarungstaten hängt näm239 BT-Dr. 16/6268, S. 12; so zu § 31 BtMG a. F. schon BGH NJW 1993, 1086; NStZ 2003, 162. 240 So zu § 31 BtMG a. F. bereits BGHSt 31, 163, 167 f.; NJW 1993, 1086. 241 BGHSt 33, 80; StV 1986, 436; StV 1999, 436 f.; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 144; Malek, Kapitel 4, Rn. 43; Weber, § 31, Rn. 43; kritisch Körner, § 31, Rn. 39; ders., MDR 1985, 687 f. und Strate, ZRP 1987, 314, 318. Zu der von Körner vorgetragenen Kritik vgl. Weider, NStZ 1985, 481, 482. 242 Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 13.

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lich von der Bereitschaft des Kronzeugen zum Gestehen der eigenen Tat in keinster Weise ab. Ein fehlendes Geständnis und die damit verbundene schwerere Aufklärung der Kronzeugentat beeinträchtigt daher die durch den Aufklärungsbeitrag geleistete Unterstützung der Aufklärung der Offenbarungstaten nicht. Die vom Kronzeugen durch die Offenbarung erzielten Leistungen werden durch seine Weigerung zu Auskünften über die eigene Tat nicht in Frage gestellt. In Beispielsfall 9 steht das Bestreiten des K somit einer Aufklärungshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB nicht entgegen. Die Kooperationsbereitschaft des Kronzeugen hinsichtlich seiner eigenen Tat ist also bei der Beurteilung des Aufklärungserfolgs außer Acht zu lassen.243 (h) Gewicht des Aufklärungserfolgs bei fehlender Beteiligung des Kronzeugen an der Offenbarungstat In Rechtsprechung und Literatur zu § 31 BtMG a. F. fand sich das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Gewichts des Aufklärungserfolgs im Verhältnis zu der dem Kronzeugen zur Last gelegten Tat.244 So wurde eine Anwendung des § 31 BtMG a. F. für den ein Kilogramm Kokain einführenden Täter abgelehnt, der lediglich einen früheren Lieferanten von 20 Gramm Kokain offenbaren konnte.245 Die Berücksichtigung des Verhältnisses von Kronzeugentat und Aufklärungserfolg bereits auf Tatbestandsebene wurde im Rahmen des § 31 BtMG a. F. für Fälle gewählt, in denen der Kronzeuge Angaben zu Taten machte, an denen er selbst nicht beteiligt war oder die ihm selbst nicht angelastet wurden. Die Offenbarung solcher Taten war vom Wortlaut des § 31 BtMG a. F. nicht erfasst.246 Dennoch sollte die fehlende Beteiligung des Kronzeugen an den Offenbarungstaten einer Milderung nicht schlechthin entgegenstehen. Sie wurde vielmehr auch dann als möglich angesehen, wenn zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat dennoch ein Zusammenhang bestand.247 Dann jedoch war nach damaliger Auffassung, sozusagen als Kompensation für die fehlende Beteiligung des Kronzeugen an der Offenbarungstat, zu fordern, dass der Aufklärungserfolg im Vergleich zur Kronzeugentat „nicht ohne Gewicht“ war.248 Dieses Problem stellt sich jedoch im Rahmen der großen Kronzeugenregelung nicht mehr. Durch die große Kronzeugenregelung ist das Konnexitätserfordernis zwischen Kronzeu-

243

So auch Malek, StV 2010, 200, 201. BGH NJW 1987, 2882; Weber, § 31, Rn. 112. 245 BGH NJW 1987, 2882. 246 Erbs/Kohlhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 6; Körner, § 31, Rn. 30; Sinner, Der Vertragsgedanke im Strafprozessrecht, S. 176. 247 BGH NJW 1987, 2882; NStZ 1995, 193; Jeßberger, Kooperation, S. 57 f.; Körner, § 31, Rn. 31; Patzak/Bohnen, S. 80; Weber, § 31, Rn. 36. 248 BGH NJW 1987, 2882; Weber, § 31, Rn. 112. 244

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gen- und Offenbarungstat bewusst aufgegeben worden.249 Im Rahmen der großen Kronzeugenregelung bedarf es daher nicht mehr des Verlangens eines hinreichenden Gewichts des Aufklärungserfolgs im Vergleich zur Kronzeugentat, um eine über den Wortlaut hinausgehende Milderung auszugleichen. Vielmehr ist das Verhältnis von Aufklärungserfolg und Kronzeugentat, also letztlich die Schwere von Kronzeugen- und Offenbarungstat, bei der Ausübung des Ermessens nach § 46b II Nr. 2 StGB zu berücksichtigen.250 Das im Rahmen des § 31 BtMG a. F. verwendete ungeschriebene Merkmal des Gewichts des Aufklärungserfolgs im Verhältnis zur Kronzeugentat ist daher bei Beurteilung des Aufklärungshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB, also auf Tatbestandsebene, nicht heranzuziehen. (i) Aufklärungserfolg bei Beteiligung des Kronzeugen an der Offenbarungstat, § 46b I 3 StGB Beispielsfall 10: K, O und M haben gemeinsam ein „Ding gedreht“. K wird festgenommen, fühlt sich M innerlich verbunden und nennt deshalb im polizeilichen Verhör allein den O als Mittäter. Die Mittäterschaft des M verschweigt er hingegen.

Zwar verzichtet die große Kronzeugenregelung auf das Verlangen eines Konnexes zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat. Dennoch wird in der Praxis wohl vor allem derjenige wertvolle Hinweise hinsichtlich der Taten i. S. d. § 100a II StPO liefern, der selbst an der Offenbarungstat beteiligt war. Gerade bei Beteiligung können Kronzeugen die Strafverfolgungsbehörden mit „Insiderwissen“ über Mittäter oder Teilnehmer versorgen. Für den Fall der Beteiligung251 des Kronzeugen an der Offenbarungstat stellt § 46b I 3 StGB klar, dass zur Herbeiführung eines Aufklärungserfolgs die bloße Offenlegung des eigenen Tatbeitrags (möge sie auch noch so schonungslos sein) nicht ausreicht. Vielmehr wird dem Kronzeugen die Erstreckung seines Aufklärungsbeitrags über den eigenen Tatbeitrag hinaus abverlangt. Diese Offenbarung über die eigene Beteiligung hinaus sah auch § 31 BtMG a. F. vor. Hierbei stellte sich eigentlich nur die Frage, ob solch eine Erstreckung über den eigenen Beitrag hinaus auch dann vorliegt, wenn die Angaben des Kronzeugen nicht vollständig sind, er also weitere belastenden Angaben zurückhält. Bezogen auf Beispielsfall 10 ist daher zu klären, ob K trotz der unterbliebenen Belastung all seiner Komplizen einen Aufklärungserfolg hat erzielen können. Im Rahmen des § 31 BtMG a. F. bestand weitgehend Einigkeit darüber, auch bei 249 250

BT-Dr. 16/6268, S. 1, 10. Zum pauschalen Erfordernis eines Unrechtsgefälles siehe ausführlich schon oben

S. 57. 251 Zum Begriff der „Beteiligung“ siehe § 28 II StGB sowie Kühl, AT, § 20, Rn. 1; Roxin, AT II, § 25, Rn. 1.

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unvollständigen Angaben des Kronzeugen einen Aufklärungserfolg nicht von vornherein zu verneinen. Der Kronzeuge musste nicht umfassend und schonungslos alle ihm bekannten Angaben zu den Tatbeteiligten preisgeben.252 Maßgeblich war allein, ob ihm trotz der unvollständigen Angaben die hinreichende Belastung der Beteiligten zur Ermöglichung eines Aufklärungserfolgs gelungen ist.253 Auch dieses Ergebnis kann auf die Anwendung der großen Kronzeugenregelung übertragen werden.254 Zwar verlangt § 46b I 1 Nr. 1 StGB einen Beitrag zur Aufdeckung der „Tat“, sodass das Verlangen der Offenbarung sämtlicher Beteiligter vom Wortlaut gedeckt wäre. Jedoch ergibt sich aus Sinn und Zweck der großen Kronzeugenregelung, dass die Annahme eines Aufklärungserfolgs auch bei lückenhaften Angaben möglich sein kann. Es kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass die Verfolgung der Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO auch dann eine wesentliche Unterstützung erfährt, wenn den Strafverfolgungsbehörden zwar nicht alle, aber doch wenigstens einer der Mittäter vom Kronzeugen präsentiert wird.255 Oftmals wird auch die bloß lückenhafte Offenbarung eine Kettenreaktion in Gang setzen, an deren Ende die Aufklärung aller Tatbeiträge steht. Doch auch wenn dies nicht geschieht, genügt doch die Offenbarung wenigstens eines Beteiligten, um die Aufklärung voranzutreiben. Würde man nur umfassende und lückenlose Aufklärungshandlungen mit der Strafmilderung des § 46b I 1 Nr. 1 StGB belohnen, wären die Voraussetzungen besonders bei zahlreichen Beteiligten unnötig hoch. Das Mitglied einer großen Bande müsste zur Herbeiführung eines Aufklärungserfolgs eine erhebliche Zahl an Beteiligten offenbaren. Das Mitglied eines Verbrecherduos hätte es hingegen leichter. Die Zulässigkeit der Honorierung auch lückenhafter Offenbarungen wird zudem gestützt durch die Erhebung des „Umfangs der offenbarten Tatsachen“ in den Stand eines Ermessenskriteriums nach § 46b II Nr. 1 StGB. An diesem Ergebnis lässt sich auch vor dem Hintergrund des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips festhalten. Wegen der unterstützenden Wirkung einer auch lückenhaften Offenbarung für die Verfolgung einzelner Täter stellt die Strafmilderung kein unangemessenes und damit auch kein unverhältnismäßiges Mittel dar. In Beispielsfall 10 steht daher die Belastung allein des O einer Aufklärungshilfe durch K nicht entgegen. Die Lückenhaftigkeit der Offenbarung hat jedoch im Rahmen der Entscheidung über die Milderung nach § 46b II Nr. 1 StGB Berücksichtigung zu finden.

252 BGH NStZ-RR 1996, 181; Körner, § 31, Rn. 34; Malek, Kapitel 4, Rn. 44; Weber, § 31, Rn. 43; a. A. noch OLG Düsseldorf, StV 1983, 67. 253 Weber, § 31, Rn. 43. 254 Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 14. 255 Im Ergebnis ebenso BGH NStZ-RR 1996, 181, wonach einem Aufklärungserfolg i. S. d. § 31 BtMG a. F. nicht entgegenstehen soll, dass der Täter zwar seine Abnehmer, nicht aber seine Lieferanten preisgibt.

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(j) Zeitpunkt der Offenbarung Bei der Verfolgung von Straftaten spielt nicht selten der Zeitpunkt des Bekanntwerdens von belastenden Informationen eine entscheidende Rolle. Die Strafverfolgungsbehörden haben daher ein Interesse an dem möglichst frühzeitigen Sammeln belastenden Materials. Diesem Interesse steht die Furcht potentieller Kronzeugen gegenüber, das kronzeugenrelevante Wissen bereits früh aufzudecken. Dennoch bestand bei Anwendung des § 31 BtMG a. F. Einigkeit darüber, dass der Kronzeuge nicht so früh wie möglich seinen Aufklärungsbeitrag leisten muss, um einen honorierungswürdigen Aufklärungserfolg herbeizuführen.256 Jedoch trug der Kronzeuge bei erst zu einem späten Zeitpunkt vorgenommenen Offenbarungen selbst das Risiko des Erzielens eines Aufklärungserfolgs.257 Die große Kronzeugenregelung hat mit der Präklusionsregelung des § 46b III StGB erstmals einen letztmöglichen Zeitpunkt für die Vornahme der Aufklärungshilfe festgelegt. Anders als im Rahmen des § 31 BtMG a. F. kann durch Angaben in der Hauptverhandlung des Kronzeugen ein Aufklärungserfolg i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB somit nicht mehr erzielt werden.258 Bereits hieraus folgt aber, dass ein Aufklärungserfolg im Rahmen der großen Kronzeugenregelung auch dann möglich sein soll, wenn die Offenbarung zwar vor dem Präklusionszeitpunkt, nicht aber zum für den Kronzeugen frühstmöglichen Zeitpunkt erfolgt. Der (vor der Präklusion liegende) Zeitpunkt der Offenbarung ist vielmehr ausdrücklich bei der Ausübung des Ermessens nach § 46b II Nr. 1 StGB zu berücksichtigen. Auch verlangt das beeinträchtigte Rechtsstaatsprinzip nicht die frühstmögliche Offenbarung. Bereits durch die Präklusionsvorschrift des § 46b III StGB ist sichergestellt, dass solch späte Auskünfte, deren die Strafverfolgung unterstützende Wirkung nicht mehr hinreichend nachgeprüft werden kann, keine Milderung i. S. d. § 46b I StGB nach sich ziehen. Die Gefahr der unangemessenen Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips durch die Strafmilderung für (zu) spät vorgetragene Offenbarungen wird somit durch die Präklusionsregelung gebannt. Daher setzt der Aufklärungserfolg i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB keine frühstmögliche Offenbarung voraus, mag sie auch wünschenswert sein. (k) Aufklärungserfolg bei verjährter Offenbarungstat Kann ein Aufklärungserfolg auch dann angenommen werden, wenn der Kronzeuge die Strafverfolgungsbehörden zwar mit zutreffenden Informationen über 256 BGH NStZ 1992, 192; OLG Hamm NStZ 1984, 79, 80; Körner, § 31, Rn. 42; MK/Maier, § 31, Rn. 45; Weber, § 31, Rn. 66. 257 Endriß, StraFo 2004, 151, 152; Körner, § 31, Rn. 43; Weber, § 31, Rn. 69, 139. 258 Zur Zulässigkeit einer Aufklärungshilfe i. S. d. § 31 BtMG a. F. auch noch in der Hauptverhandlung siehe BGH NStZ 1992, 192; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 146; Endriß, StraFo 2004, 151, 152; Franke/Wienroeder/ Wienroeder, § 31, Rn. 12; Weber, § 31, Rn. 68.

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von Dritten begangene Taten versorgt, diese Taten aber bereits verjährt sind? Diese Frage stellte sich im Rahmen des § 31 BtMG a. F. noch nicht. Hier sorgte das Konnexitätserfordernis für ein weitgehendes Einhergehen der Verjährung von Kronzeugen- und Offenbarungstaten. Durch den in der großen Kronzeugenregelung verwirklichten Konnexitätsverzicht kann nun hingegen die Verjährung von Kronzeugen- und Offenbarungstat auseinanderfallen. Die Verjährung stellt ein Verfahrenshindernis dar.259 Das Verfahren ist durch Beschluss (§ 206a I StPO) oder durch Urteil (§ 260 III StPO) einzustellen.260 Der Belastete wird also nicht verurteilt. Bezieht sich nun die Aufklärungshilfe auf bereits verjährte Taten Dritter, ist es dem Kronzeugen daher nicht gelungen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass gegen die belastete Person ein Strafverfahren voraussichtlich mit Erfolg durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen eines Aufklärungserfolgs liegen somit nicht vor. Auch der Zweck des § 46b StGB würde aufgrund des Gesagten nicht erreicht werden. Eine Stärkung der Strafverfolgung hinsichtlich der in § 100a II StPO genannten Delikte erfolgt gerade nicht. Somit scheidet ein Aufklärungserfolg in diesen Fällen aus. Der zeitliche Rahmen der Aufklärungshilfe erfährt daher zusätzlich zur Präklusionsregelung des § 46b III StGB durch die Ausklammerung verjährter Offenbarungstaten eine weitere Einschränkung. cc) Die Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB: Präventionshilfe Neben der Aufklärungshilfe sieht die große Kronzeugenregelung eine weitere Form der zur Honorierung führenden Kronzeugenhandlung vor: die Präventionshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB.261 Sie ist im Gegensatz zur Aufklärungshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB nicht auf die Verfolgung bereits begangener, sondern auf die Verhinderung noch ausstehender Straftaten i. S. d. § 100a II StPO gerichtet. (1) Voraussetzungen der Präventionshilfe Eine Präventionshilfe leistet nur, wer freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat i. S. d. § 100a II StPO, von deren Planung der Kronzeuge weiß, noch verhindert werden kann. Die Präventionshilfe wird in der Kronzeugenpraxis wohl eher die Rolle des „kleines Bruders“ der Aufklä259

H.M., vgl. BGHSt 46, 85; Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 281; NK/Saliger, § 78,

Rn. 1. 260 BGHSt 8, 269; Lackner/Kühl, § 78, Rn. 2; NK/Saliger, vor §§ 78 ff., Rn. 11; Jescheck/Weigend, S. 913; a. A. von Stackelberg, FS Bockelmann, 759, 765: Der Angeklagte ist freizusprechen. 261 Der Begriff der Präventionshilfe wird übernommen von BT-Dr. 16/6268, S. 10; vgl. auch Sahan/Berndt, BB 2010, 647.

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rungshilfe einnehmen und weit weniger zahlreich zur Anwendung gelangen. Schon die Präventionshilfe i. S. d. § 31 Nr. 2 BtMG a. F. musste sich, zumindest im Vergleich zur Aufklärungshilfe nach § 31 Nr. 1 BtMG a. F., mit einer Statistenrolle begnügen.262 Daher ist es angebracht, ihr im Rahmen dieser Arbeit weniger Raum zu lassen als der Aufklärungshilfe, zumal sich weite Teile der zu § 46b I 1 Nr. 1 StGB getroffenen Erwägungen auf die Präventionshilfe übertragen lassen. (a) Freiwillige Wissensoffenbarung Auch der Präventionsgehilfe muss zunächst sein Wissen freiwillig offenbaren. Die Anforderungen an die Freiwilligkeit der Wissensoffenbarung decken sich mit den für die Aufklärungshilfe entwickelten Maßstäben. Hinsichtlich der Freiwilligkeit sowie der Wissensoffenbarung kann daher auf die zur Aufklärungshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB getroffenen Ausführungen verwiesen werden.263 (b) Adressat der Präventionshilfe Im Gegensatz zur Aufklärungshilfe regelt die Präventionshilfe ausdrücklich, wer Adressat der Wissensoffenbarung sein muss. Die auf Prävention abzielende Wissensoffenbarung ist an eine Dienststelle zu richten. Als solch eine Dienststelle sind nicht nur Strafverfolgungsbehörden, sondern jede staatliche Behörde sowie Gerichte anzusehen.264 Die strikte Begrenzung des Empfängers der Präventionshilfe auf Dienststellen bereitet für die große Kronzeugenregelung jedoch Sorgen. Durch die Honorierung der Präventionshilfe soll der Staat bei seiner im Rechtsstaatsprinzip verankerten Pflicht zur Verhinderung schwerer und schwer verhinderbarer Straftaten i. S. d. 100a II StPO unterstützt werden. Die Verhinderung von Offenbarungstaten kann jedoch im Einzelfall auch dann erreicht werden, wenn der Kronzeuge nicht zuallererst die staatlichen Stellen, sondern potentielle Opfer der Offenbarungstat warnt.265 Dies war im Rahmen des § 31 Nr. 2 262 So kam nach BT-Dr. 11/4329, S. 19 die Präventionshilfe des § 31 Nr. 2 BtMG a. F. in den Jahren 1985 bis 1987 lediglich zehn Mal zur Anwendung. Die Aufklärungshilfe i. S. d. § 31 Nr. 1 BtMG a. F. kam im gleichen Zeitraum hingegen über zweitausend Mal zum Einsatz. Vgl. auch Fischer, § 46b, Rn. 16; Franke/Wienroeder/Wienroeder, § 31, Rn. 27. 263 Siehe hierzu oben S. 62 ff. Zur Übertragbarkeit der Auslegung der „Freiwilligkeit der Offenbarung“ i. S. d. § 31 Nr. 1 BtMG a. F. auf die Präventionshilfe des § 31 Nr. 2 BtMG a. F. siehe MK/Maier, § 31, Rn. 208; Weber, § 31, Rn. 189. 264 So zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. Erbs/Kolhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 8; MK/ Maier, § 31, Rn. 209; Weber, § 31, Rn. 190. 265 So auch zutreffend Fischer, § 46b, Rn. 20, der zudem darauf hinweist, dass § 138 I StGB die Warnung des Bedrohten genügen lässt; ähnlich auch Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 15.

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BtMG a. F. noch nicht in dem Maße möglich, weil es sich bei diesen Offenbarungstaten um opferlose Delikte handelte, also auch keine zu warnenden Opfer existierten.266 § 46b I 1 Nr. 2 StGB ist daher über den Wortlaut hinaus so auszulegen, dass im Einzelfall die Wissensoffenbarung auch gegenüber Privaten (sprich: dem potentiellen Tatopfer) erfolgen kann, wenn dies eine Verhinderung ermöglicht.267 Jedoch wird oftmals der Weg über die staatlichen Stellen die sicherere Variante darstellen. Dem Kronzeugen ist daher im Ausgleich zum weiten Verständnis des tauglichen Offenbarungsadressaten das Risiko aufzubürden, welches sich aus dem Umstand ergibt, dass das bloße Warnen des Opfers für die Verhinderung der Offenbarungstaten in der Regel weniger erfolgversprechend ist als das Einschalten staatlicher Behörden.268 Trotz dieser Kritik ist die im Wortlaut des § 46b I 1 Nr. 1 StGB vorgenommene Beschränkung auf Dienststellen jedoch nicht gänzlich unverständlich und entspricht wohl auch der zu erwartenden Praxis: Kronzeugen werden in der Regel nicht aus echtem Interesse an der Verhinderung selbst, sondern allein zum Zwecke des Erreichens einer Strafmilderung Präventionshilfe leisten. Schon allein um eine solche Honorierung sicherzustellen, werden sie die Präventionshilfe gerade staatlichen Stellen anbieten, damit diese von dem honorierungswürdigen Verhalten des Kronzeugen überhaupt Kenntnis erlangen.269 Dennoch zeigt sich auch anhand des Festhaltens an der „Dienststelle“ als (alleinigem) Adressaten der Wissensoffenbarung erneut, wie vom Gesetzgeber einzelne Tatbestandsmerkmale des § 31 BtMG a. F. ohne hinreichende Berücksichtigung des weiteren Anwendungsbereichs der großen Kronzeugenregelung (unter anderem bewirkt durch die erhebliche Ausweitung des Kreises tauglicher Offenbarungstaten) auf § 46b StGB übertragen wurden.270 (c) Offenbarungstat und Planungsstadium Die Präventionshilfe verlangt des Weiteren die Offenbarung einer Tat i. S. d. § 100a II StPO, von deren Planung der Kronzeuge weiß. Hieraus ergibt sich, dass die offenbarte Tat sich noch im Planungsstadium befinden muss.271 Ist sie nicht einmal mehr geplant, etwa weil maßgebliche Mittäter bereits festgenommen wor266

Vgl. Fischer, § 46b, Rn. 20; SK/Wolters, § 46b, Rn. 20. Ähnlich Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 15. Vgl. auch Fischer, § 46b, Rn. 20 und SK/Wolters, § 46b, Rn. 20, die eine analoge Anwendung vorschlagen. 268 Vgl. auch Franke/Wienroeder/Wienroder, § 31, Rn. 27 und Erbs/Kolhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 8, die im Rahmen des § 31 Nr. 2 BtMG a. F. dem Kronzeugen bereits solche zeitlichen Verzögerungen auferlegen wollten, welche sich aus der Mitteilung an jene Behörden ergeben, die nicht mit Strafverfolgung betraut sind. 269 Insoweit nicht erkannt von Fischer, § 46b, Rn. 20. 270 So auch Fischer, § 46b, Rn. 20. 271 So zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. Körner, § 31, Rn. 61; MK/Maier, § 31, Rn. 207. 267

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den sind,272 kann sie schon begrifflich nicht mehr verhindert werden.273 Das Planungsstadium i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB ist auch dann noch gegeben, wenn der Offenbarungstäter die Versuchsschwelle überschritten hat.274 Das Rechtsstaatsprinzip kann auch dann eine Stärkung erfahren, wenn die noch verhinderbare Offenbarungstat kurz vor der Vollendung steht. (d) Verhinderungsmöglichkeit der Offenbarungstat Die Wissensoffenbarung muss zudem so rechtzeitig erfolgen, dass die sich im Planungsstadium befindende Offenbarungstat noch verhindert werden kann. Im Rahmen der Anwendung des § 31 Nr. 2 BtMG a. F. wurde eine Präventionshilfe zum Teil nur dann angenommen, wenn die Offenbarung tatsächlich die Verhinderung der geplanten Tat nach sich zog.275 Hiergegen lässt sich jedoch der (insoweit mit § 46b I 1 Nr. 2 StGB deckungsgleiche) Wortlaut anführen. Dieser verlangt gerade nicht die positive Verhinderung der Tat, also keinen Verhinderungserfolg.276 Der Begriff „kann“ spricht vielmehr für das Genügenlassen einer bloßen Möglichkeit der Verhinderung.277 Hierfür spricht zudem, dass dem Kronzeugen andernfalls das Risiko fehlerhaften Arbeitens seitens der Strafverfolgungsbehörden aufgebürdet würde.278 Zudem würde der Kooperationsanreiz nicht unerheblich geschmälert, ließe man nur die tatsächliche Tatverhinderung für eine Präventionshilfe genügen. Der Kronzeuge könnte nur in den seltensten Fällen sicher sein, mit seiner Wissensoffenbarung auf jeden Fall zur Verhinderung beizutragen,279 sodass er nur in Ausnahmefällen zu einer Kooperation bewegt würde. Grundsätzlich lassen sich diese Erwägungen zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. auch auf die Präventionshilfe des § 46b I 1 Nr. 2 StGB wegen des insoweit identischen Wortlauts sowie des Zwecks der Vorschrift übertragen. Die Präventionshilfe der großen Kronzeugenregelung ist daher nicht an eine tatsächlich erfolgte Verhinderung der vom Kronzeugen offenbarten Tat zu knüpfen.280 Jedoch muss der im Verhältnis zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. intensiveren Beeinträchtigung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips Rechnung getragen wer272 So zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. Franke/Wienroeder/Wienroeder, § 31, Rn. 27; MK/ Maier, § 31, Rn. 207. 273 Zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. Körner, § 31, Rn. 61; MK/Maier, § 31, Rn. 207. 274 Vgl. Malek, Kapitel 4, Rn. 78; Weber, § 31, Rn. 191. 275 Malek, Kapitel 4, Rn. 78. 276 Erbs/Kohlhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 8; MK/Maier, § 31, Rn. 210; Weber, § 31, Rn. 191; Franke/Wienroeder/Wienroder, § 31, Rn. 27. 277 Erbs/Kohlhaas/Pelchen, § 31 BtMG, Rn. 8; MK/Maier, § 31, Rn. 210; Weber, § 31, Rn. 191; Franke/Wienroeder/Wienroder, § 31, Rn. 27. 278 MK/Maier, § 31, Rn. 210; so auch zu § 46b StGB Peglau, wistra 2009, 409, 411. 279 Ähnlich Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 456. 280 So auch NK/Streng, § 46b, Rn. 10; Peglau, wistra 2009, 409, 411.

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den.281 Ließe man eine bloß theoretische Möglichkeit der Verhinderung genügen, stünde der Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips hinsichtlich des Kronzeugen (bewirkt durch die Strafrahmenverschiebung bzw. das Absehen von Strafe oder von Verfolgung) eine nur geringfügige Unterstützung der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitenden Pflicht zur Verhinderung von Straftaten gegenüber. Diese nur geringfügige Stärkung der staatlichen Verhinderungspflicht hinsichtlich der Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO könnte aber die erhebliche Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips in Bezug auf den Kronzeugen nicht rechtfertigen. Die Honorierung einer Wissensoffenbarung, die lediglich eine bloße Möglichkeit der Tatverhinderung begründet, wäre daher unangemessen und somit unverhältnismäßig. § 46b I 1 Nr. 2 StGB ist daher im Lichte des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips verfassungskonform auszulegen. Eine Präventionshilfe kann somit nur dann vorliegen, wenn die durch die Wissensoffenbarung geschaffene Möglichkeit der Tatverhinderung so konkret ist, dass bei Zugrundelegung normaler Umstände und pflichtgemäßer Aufgabenerfüllung der Behörden mit der Verhinderung der Tat gerechnet werden muss. Nur bei solch einer verdichteten Verhinderungsmöglichkeit vermag die Honorierung des Kronzeugen vor dem Rechtsstaatsprinzip zu bestehen. Durch diese Auslegung wird gleichzeitig sichergestellt, dass Fehler der Strafverfolgungsbehörden oder Zufälle nicht zu Lasten des Kronzeugen wirken. Ein hierauf beruhendes Ausbleiben der Verhinderung steht daher der Annahme einer Präventionshilfe nicht entgegen. Zudem vermag § 46b I 1 Nr. 2 StGB trotz der im Vergleich zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. engeren Auslegung immer noch in ausreichendem Maße eine Anreizwirkung zur Kooperation zu entfalten. (2) Präventionshilfe und § 138 StGB Die Angemessenheit des § 46b I 1 Nr. 2 StGB könnte aber aus einem anderen Grund in Frage gestellt werden. So besteht für zahlreiche Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO ohnehin schon nach § 138 I, II StGB die Pflicht, diese Taten bei Kenntnis anzuzeigen.282 Wenn aber die Pflicht zur Wissensoffenbarung bereits nach § 138 StGB besteht, könnte sich die Honorierung des bloßen Nachkommens dieser Verpflichtung mit den Mitteln des § 46b I StGB als unangemessen darstellen. Letztendlich erfüllt der Kronzeuge mit seiner geleisteten Präventionshilfe dann allein eine aus § 138 StGB folgende Verhaltensanforderung. Zwar 281

Nicht berücksichtigt von Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 456. Erkannt von Dierlamm, Stellungnahme, S. 4; Fischer, § 46b, Rn. 17; SK/Wolters, § 46b, Rn. 12. Dies gilt für folgende Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO: §§ 80, 81–82, 89a, 94–96, 97a, 100, 129a, 129b I S. 1 und S. 2, 146, 151, 152, 152b I–III, 211, 212, 232 III–V, 233 III, 234, 234a, 239a, 239b, 249–251, 255, 306–306c, 307 I– III, 308 I–III, 309 I–IV, 310 I, 313, 314, 315 III, 315b III, 316a, 316c StGB sowie §§ 6–12 VStGB. 282

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sind die am Tatplan Beteiligten nicht von der Anzeigepflicht erfasst.283 Durch den Konnexitätsverzicht der großen Kronzeugenregelung wird aber dennoch ein Zusammenfallen von Anzeigepflicht i. S. d. § 138 StGB und Präventionshilfe i. S. d. § 46b I Nr. 2 StGB ermöglicht.284 Hier mag tatsächlich auf den ersten Blick ein Wertungswiderspruch, eine Ungereimtheit285 zu sehen sein. Doch wäre es vorschnell, die bereits durch § 138 StGB begründete Offenbarungspflicht gegen § 46b I 1 Nr. 2 StGB ins Feld zu führen. Zum einen kann dieser Offenbarungspflicht im Rahmen der großen Kronzeugenregelung schon dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass bei der Ermessensausübung i. S. d. § 46b II StGB zu berücksichtigen ist, ob der Kronzeuge im konkreten Fall „nur“ seiner gesetzlichen Pflicht aus § 138 StGB nachkommt.286 Zum anderen käme man zu einem nur schwer nachvollziehbaren Ergebnis, hielte man nun die Honorierung der Offenbarung solcher Offenbarungstaten i. S. d. 100a II StPO für unzulässig, deren gesetzliche Offenbarungspflicht sich bereits aus § 138 StGB ergibt: Gerade bei schweren Straftaten würde ein zusätzlicher Anreiz zur Kooperation bei der Tatverhinderung durch § 46b I 1 Nr. 2 StGB fehlen.287 Bei weniger schwerwiegenden, nicht in § 138 StGB aufgezählten (aber dennoch von § 100a II StPO erfassten) Offenbarungstaten bliebe eine Honorierung nach § 46b I 1 Nr. 2 StGB hingegen möglich. Gerade in diesem Fall bestünde also ein unbefriedigender Wertungswiderspruch. Zudem lässt sich die Argumentation umkehren und die gesetzliche Offenbarungspflicht des § 138 StGB vielmehr zur Stützung der von § 46b I 1 Nr. 2 StGB verfolgten Ziele heranziehen: In Verbindung mit der gesetzlichen Offenbarungspflicht entfaltet § 46b I 1 Nr. 2 StGB nämlich eine gesteigerte Anreizwirkung. Dem Kronzeugen winken bei der Kooperation nicht nur die durch die große Kronzeugenregelung bewirkte Strafmilderung, sondern auch die Nichterfüllung des § 138 StGB. Gerade das Zusammenspiel von § 138 StGB und § 46b I 1 Nr. 2 StGB wirkt daher auf den Kronzeugen in doppelter Weise motivierend. Somit ist die durch § 46b I 1 Nr. 2 StGB ermöglichte Honorierung auch dann nicht als unangemessen anzusehen, wenn der Kronzeuge bereits nach § 138 StGB zur Offenbarung der kundgetanen Taten verpflichtet ist.288

283 BGH NStZ 1982, 244; Lackner/Kühl, § 138, Rn. 6; Piatkowski/Saal, JuS 2005, 979, 984. 284 Ähnlich SK/Wolters, § 46b, Rn. 12. 285 So Fischer, § 46b, Rn. 17; kritisch ebenfalls König, NJW 2009, 2481, 2483. 286 So auch zutreffend Peglau, wistra 2009, 409, 411 sowie die Stellungnahme der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.05.2009, BT-Dr. 16/13094, S. 5 und Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 456. 287 So auch die Stellungnahme der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.05.2009, BT-Dr. 16/13094, S. 5; ebenso Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 456. 288 Zudem lässt eine aus § 138 StGB resultierende Offenbarungspflicht auch nicht die Freiwilligkeit der Offenbarung entfallen, BGHSt 55, 153, 155.

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dd) Zusammenfassung des Tatbestandes des § 46b I 1 StGB Die Auseinandersetzung des § 46b I 1 StGB mit dem durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzip konnte für die Auslegung des Tatbestands der großen Kronzeugenregelung fruchtbar gemacht werden und hat zu konkreten Resultaten geführt. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: Grundsätzlich können die durch Rechtsprechung und Wissenschaft zur Auslegung des § 31 BtMG a. F. herausgearbeiteten Erwägungen zur Kronzeugenhandlung auf die große Kronzeugenregelung übertragen werden. Ein freiwilliges Offenbaren i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB liegt also auch dann vor, wenn der Kronzeuge sich erst unter dem Eindruck der Festnahme und drohender Haft zur Kooperation entschließt. Der Freiwilligkeit steht auch nicht das Fehlen ehrenwerter Motive des Kronzeugen entgegen; die Motive sind grundsätzlich bei Beurteilung der Freiwilligkeit außer Acht zu lassen. Ein wesentlicher Beitrag i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1 StGB kann auch dann vorliegen, wenn die Aufdeckung der Offenbarungstat nicht allein auf der Kooperation beruht oder die Kooperation nicht als Hauptursache zur Tataufdeckung anzusehen ist. Ein Aufklärungserfolg kann auch dann erzielt werden, wenn der Offenbarungstäter zwar noch nicht ergriffen wurde, jedoch im Falle seiner Verhaftung ein Strafverfahren gegen ihn voraussichtlich mit Erfolg durchgeführt zu werden vermag. Zudem braucht der Kronzeuge seine einmal kundgetane Offenbarung hinsichtlich der Offenbarungstat nicht in seiner Hauptverhandlung zu wiederholen, um den erzielten Aufklärungserfolg aufrechtzuerhalten. Ebenfalls kann ein Aufklärungserfolg dadurch erzielt werden, dass der Kronzeuge sich zur Durchführung eines Scheingeschäfts bereit erklärt und erst auf diese Weise der Offenbarungstäter identifiziert wird. Der Grundsatz des „in dubio pro reo“ ist jedoch hinsichtlich des Aufklärungserfolgs nicht anzuwenden. Auch kann ein Aufklärungserfolg nicht erzielt werden, wenn sich die Kooperation auf bereits verjährte Taten bezieht. Die fehlende Bereitschaft sowohl zur Aufklärung der eigenen Tat als auch zur Abgabe eines Geständnisses stehen hingegen einem Aufklärungserfolg nicht entgegen. War der Kronzeuge an der Offenbarungstat beteiligt, wird von § 46b I 1 Nr. 1, S. 3 StGB nicht die lückenlose Offenbarung sowie das Nennen all seiner Komplizen verlangt. Ebenfalls muss der Kronzeuge sich nicht zum frühstmöglichen Zeitpunkt zur Vornahme der Aufklärungshilfe entschließen. Im Gegensatz zur Anwendung des § 31 BtMG a. F. ist wegen der stärkeren Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips durch die große Kronzeugenregelung aber ein Aufklärungserfolg dann zu verneinen, wenn der Kronzeuge ein wechselhaftes Aussageverhalten hinsichtlich der offenbarten Personen an den Tat legt und bewusst die Strafverfolgungsbehörden in die Irre führt, um die Ergreifung des wahren Offenbarungstäters zu vereiteln. Für die Präventionshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB lassen sich ebenfalls die zu § 31 Nr. 2 BtMG a. F. entwickelten Anforderungen grundsätzlich übertragen. Insbesondere setzt die Präventionshilfe keine tatsächliche Verhinderung der Offenbarungstat voraus. Jedoch ist hinsichtlich der Verhinderungsmöglichkeit der

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Offenbarungstat im Lichte des Rechtsstaatsprinzips ein engerer Maßstab zu ziehen: Eine Präventionshilfe kann nur dann angenommen werden, wenn die durch die Wissensoffenbarung geschaffene Möglichkeit der Tatverhinderung so konkret ist, dass bei Zugrundelegung normaler Umstände und pflichtgemäßer Aufgabenerfüllung der Behörden mit der Verhinderung der Tat gerechnet werden muss. c) Die Rechtsfolgen des § 46b StGB unter Berücksichtigung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips Nachdem sich ausführlich dem Tatbestand der großen Kronzeugenregelung vor dem Hintergrund des beeinträchtigten Rechtsstaatsprinzips gewidmet wurde, sind nun die Rechtsfolgen zu untersuchen. Die Rechtsfolgen sowie die sie betreffende Ermessensentscheidung des Gerichts sind vom Tatbestand der großen Kronzeugenregelung strikt zu trennen.289 Hinsichtlich der Rechtsfolgen kann nun zweifellos nicht pauschal auf die zu § 31 BtMG a. F. ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Der Grund liegt auf der Hand: Die große Kronzeugenregelung zieht andere Rechtsfolgen nach sich.290 Zwar sah auch § 31 BtMG a. F. die Möglichkeit eines Absehens von Strafe vor.291 Doch ermöglicht die große Kronzeugenregelung nicht mehr, wie noch im Falle des § 31 BtMG a. F., eine bloße Milderung nach § 49 II StGB. Vielmehr sieht § 46b I 1 StGB eine Milderung in Form einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB vor. Es sind daher die Rechtsfolgen der großen Kronzeugenregelung sowie das dem Gericht hierfür eingeräumte Ermessen selbstständig zu untersuchen. Hierbei wird zu klären sein, ob die Gewährung der Strafrahmenverschiebung oder das Absehen von Strafe sich stets mit dem vom Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzip vereinbaren lassen oder Konstellationen denkbar sind, in denen eine Honorierung nach § 46b I StGB unverhältnismäßig wäre und daher eine Ermessensreduzierung im Lichte des Rechtsstaatsprinzips erfordert. aa) Die Rechtsfolgen des § 46b I StGB Zunächst sieht § 46b I 1 StGB die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB vor. Die Entscheidung für die Strafmilderung liegt im Ermessen des Gerichts. Es handelt sich also um eine fakultative Strafmilderung. Entscheidet sich das Gericht für die Strafrahmenverschiebung, so senkt sich bei zei289

So zu § 31 BtMG a. F. schon Malek, Kapitel 4, Rn. 84; Weider, NStZ 1985, 481,

484. 290 Die neue Fassung des § 31 BtMG ist aber nun hinsichtlich der Rechtsfolgen an die große Kronzeugenregelung angeglichen, siehe oben S. 22. 291 Die Möglichkeit des Absehens von Strafe war jedoch auf die Delikte nach § 29 Abs. 1, 2, 4 oder 6 BtMG, also auf Vergehen, beschränkt.

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tiger Freiheitsstrafe das Höchstmaß auf drei Viertel des Ausgangshöchtstmaßes (§ 49 I Nr. 2 S. 1 StGB). Das erhöhte Mindestmaß der Freiheitsstrafe wird nach Maßgabe des § 49 I Nr. 3 StGB abgesenkt. Die von § 49 I Nr. 1 StGB vorgesehene Absenkung einer lebenslangen Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren erfährt jedoch bei demjenigen Kronzeugen durch § 46b I 1, 2. HS StGB eine Einschränkung, der sich einer ausschließlich lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt sieht: In diesem Fall tritt an die Stelle lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. Hat der Kronzeuge also einen Mord begangen, muss trotz geleisteter Aufklärungs- oder Präventionshilfe auf eine Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren entschieden werden, wobei das Höchstmaß nach § 38 II StGB fünfzehn Jahre beträgt.292 Hingegen greift die Einschränkung des § 46b I 1, 2. HS StGB nicht bei einem Kronzeugen, dem z. B. ein Raub mit Todesfolge vorzuwerfen ist. Dem Täter des § 251 StGB droht nämlich zwar auch, nicht aber ausschließlich eine lebenslange Freiheitsstrafe. In diesem Falle könnte daher die Freiheitsstrafe des Kronzeugen, falls ohne die Milderung auf lebenslange Freiheitsstrafe entschieden worden wäre, im Mindestmaß auf drei Jahre abgesenkt werden.293 Des Weiteren erlaubt § 46b I 4 StGB dem Gericht, die Aufklärungs- bzw. Präventionshilfe des Kronzeugen mit dem Absehen von Strafe zu honorieren. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die vom Kronzeugen verwirklichte Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und er keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Ein Absehen von Strafe scheidet daher z. B. dann aus, wenn dem Kronzeugen ein Raub mit Todesfolge vorzuwerfen ist: Der § 251 StGB sieht als Strafe auch eine lebenslange Freiheitsstrafe vor, sodass die Kronzeugentat gerade nicht ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist.294 Zur Beantwortung der Frage, ob der Kronzeuge eine Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren verwirkt hat, muss das Gericht beurteilen, ob es unter Außerachtlassung der Milderungsmöglichkeit der großen Kronzeugenregelung im konkreten Fall die Dreijahresgrenze überschreiten würde, wobei eine exakte Bestimmung der Strafe hierfür entbehrlich ist.295 Das Absehen von Freiheitsstrafe bedeutet jedoch nicht, dass der Kronzeuge gänzlich „ungeschoren“ davonkommt.296 Der Kronzeuge wird vielmehr verurteilt. Es erfolgt ein Schuld-

292 NK/Kett-Straub, § 49, Rn. 12; Sch/Sch/Stree/Kinzig, § 49, Rn. 3; SK/Horn, § 49, Rn. 5. 293 Gleiches gilt z. B. für Taten nach §§ 239a III, 239b II i.V. m. 239a III, 306c, 307 III Nr. 1, 308 III, 309 IV StGB. 294 Zu diesem Beispielsfall siehe die Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 28.05.2009. 295 BT-Dr. 16/6268, S. 13. 296 Treffend daher Maiwald, ZStW 83 (1971), 663, 680, wonach das Absehen von Strafe kein „strafrechtliches Nichts“ darstellt.

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spruch.297 Bereits durch den Schuldspruch wird dem Kronzeugen die sozialethische Missbilligung seines Verhaltens zuteil.298 Ihm wird im Namen des Volkes erklärt, dass sein Fehlverhalten nicht hingenommen und stattdessen missbilligt wird.299 Lediglich die darüber hinausgehende Verhängung einer Strafe bleibt dem Kronzeugen erspart, nicht aber der mit dem Schuldspruch zum Ausdruck gebrachte Tadel. Der tadelnden Wirkung des Schuldspruchs entgeht der Kronzeuge nur, wenn von der mit § 46b I 4 StGB einhergehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, auf eine Anklage nach § 153b I StPO zu verzichten oder das Verfahren gegen den Kronzeugen nach § 153b II StPO einzustellen. Im Gegensatz zum bloßen Absehen von Strafe erfolgt beim Verfolgungsverzicht gerade keine sozialethische Missbilligung; der Kronzeuge wird nicht verurteilt und darf sich weiterhin als unschuldig bezeichnen.300 bb) Die Ermessenskriterien des § 46b II StGB Bei der Entscheidung über die Vornahme einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB oder dem Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB hat das Gericht insbesondere die in der Abwägungsklausel301 des § 46b II StGB niedergelegten Abwägungskriterien zu berücksichtigen. Diese müssen, soweit im konkreten Fall relevant, im Einzelnen dargelegt und bewertet werden.302 Heranzuziehen hat das Gericht daher zum einen Art und Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter sowie die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen (§ 46b II Nr. 1 StGB). Zum anderen sind nach § 46b II Nr. 2 StGB das Verhältnis der in Nr. 1 genannten Umstände zur Schwere der Kronzeugentat und Schuld des Kronzeugen zu beachten. In der Abwägungsklausel wurden im Wesentlichen solche Kriterien niedergelegt, die in der Anwendungspraxis zu § 31 BtMG a. F. herausgearbeitet worden sind.303 Zwar lässt sich eine Einordnung der Kriterien dergestalt vornehmen, dass die in Nr. 1 genannten Umstände auf die Kooperation des Kronzeugen hinsichtlich der Offenbarungstaten abzielen, während Nr. 2 der Abwägungsklausel auf die Kronzeugentat selbst abstellt. Eine darüber hinausgehende saubere Trennung 297 BGHSt 4, 172, 173 (4. Leitsatz); Maiwald, ZStW 83 (1971), 663, 680; Fabel, Geldwäsche und tätige Reue, S. 191. 298 Kühl, Unschuldsvermutung, S. 16; ders., FS Böttcher, 597, 603; ders., FS Eser, 149, 154. 299 Kühl, FS Lampe, 439, 442; ders., FS Stöckel, 117, 125. 300 Wolter, Straftat, 1, 37. 301 Begrifflich so BT-Dr. 16/6268, S. 12. 302 BGHSt 55, 153, 155. 303 BT-Dr. 16/6268, S. 14.

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zwischen Kriterien nach Nr. 1 einerseits und solchen nach Nr. 2 andererseits fällt wegen deren Wechselbezüglichkeit jedoch schwer.304 Einer solch präzisen Unterscheidung bedarf es aber auch nicht, um die Begleitumstände der Kooperation hinreichend berücksichtigen zu können. Hingegen erlauben die in Nr. 1 genannten Umstände ihrerseits eine Abgrenzung untereinander. So kann der Umstand, dass der Aufklärungserfolg nicht allein auf den Angaben des Kronzeugen beruht und nur ein relativ geringer Beitrag zur Aufdeckung geleistet wurde,305 unter dem Gesichtspunkt des Umfangs der offenbarten Tatsachen verbunden mit deren (geringer) Bedeutung für die Aufklärung berücksichtigt werden (§ 46b II Nr. 1 Var. 1 StGB). Ebenfalls fällt unter diesen Punkt der Fall, dass der Kronzeuge seine Karten nicht vollständig auf den Tisch gelegt hat und einzelne gewichtige Umstände oder gar die Beteiligung weiterer Komplizen für sich behielt.306 In diesen beiden Konstellationen wird sich das Gericht fragen müssen, ob der nur relativ geringe Umfang der Offenbarung bzw. dessen relativ geringe Bedeutung für die Aufklärung für eine Honorierung nach § 46b I StGB ausreicht. Gleiches gilt, wenn der Kronzeuge mehrere taugliche Kronzeugentaten begangen hat, jedoch nur hinsichtlich einer einzigen Offenbarungstat zur Aufklärungs- oder Präventionshilfe bereit oder imstande ist.307 Der Zeitpunkt der Offenbarung muss vom Gericht ebenfalls nach § 46b II Nr. 1 Var. 2 StGB berücksichtigt werden. Hat der Kronzeuge daher gezögert und sehr lange mit der Kooperation auf sich warten lassen, muss sich das Gericht fragen, ob es trotz des erzielten Aufklärungserfolgs auf eine Strafrahmenverschiebung bzw. auf das Absehen von Strafe verzichtet.308 Dies gilt aber natürlich nur, wenn die Aufklärungs- oder Präventionshilfe vor dem Präklusionszeitpunkt des § 46b III StGB erfolgt. Eine nach diesem Zeitpunkt vorgenommene Kronzeugenhandlung kann vom Gericht ohnehin nicht nach § 46b I StGB honoriert werden. Als weiteres Ermessenskriterium nennt § 46b II Nr. 1 Var. 3 StGB das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter. Dies ist keineswegs deckungsgleich mit dem Kriterium der Art und des Umfangs der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung und Verhinderung i. S. d. § 46b II Nr. 1 Var. 1 StGB. Vielmehr betrifft das Ausmaß der Unterstützung die Frage, ob der Kronzeuge über die von § 46b I 1 StGB abverlangte Kronzeugenhandlung hinaus den Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich der Aufklärung und

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So auch Fischer, § 46b, Rn. 26; SK/Wolters, § 46b, Rn. 29. Zu dieser Konstellation siehe oben S. 66. 306 Zu dieser Konstellation siehe oben S. 87. 307 BT-Dr. 16/6268, S. 13. 308 So zu § 31 BtMG a. F. auch schon BGH JR 1985, 427; StV 1986, 63; Körner, § 31, Rn. 43; Weber, § 31, Rn. 67. 305

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Verhinderung von Straftaten zur Verfügung stand oder seine Mitarbeit sich strikt im von der großen Kronzeugenregelung vorgezeichneten Rahmen bewegte. Steht z. B. dem Kronzeugen im Prozess gegen den Offenbarungstäter ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 I StPO zu309 und sagt er dennoch umfassend aus, so bedarf dies der besonderen Würdigung im Rahmen der Entscheidung über die Honorierung seiner Kooperation. Gleiches gilt, wenn der Kronzeuge sich zur Teilnahme an einem Scheingeschäft bereit erklärte.310 Der Kronzeuge hat in diesem Fall oftmals nicht unerhebliche Risiken eingehen müssen, indem er sich im Vergleich zu einer bloßen Wissensoffenbarung besonders aus der „Deckung wagte“ und offen auf die Seite der Strafverfolgungsbehörden trat.311 Hingegen hält sich das Ausmaß der Unterstützung in Grenzen, wenn der Kronzeuge eine Wiederholung seiner belastenden Angaben in seiner eigenen Hauptverhandlung verweigert oder diese Angaben nunmehr bestreitet.312 Hält der Kronzeuge daher nicht an seinen Angaben in seinem eigenen Strafverfahren fest, wirkt sich dies in der Ermessensentscheidung des Gerichts nachteilig aus. Des Weiteren muss das Gericht nach § 46b II Nr. 1 Var. 4 StGB die Schwere der Offenbarungstat in seine Entscheidung einbeziehen. Zwar sind alle tauglichen Offenbarungstaten als schwere Straftaten anzusehen.313 Jedoch lassen sich auch innerhalb des Tatkatalogs des § 100a II StPO Abstufungen vornehmen.314 Je schwerer die Offenbarungstat wiegt, desto eher kommt eine Milderung in Betracht.315 Denn: Wird ein Beitrag zur Aufklärung bzw. Verhinderung einer besonders schwerwiegenden Tat geleistet, erfolgt auch eine besonders intensive Stärkung des Rechtsstaatsprinzips. Die in § 46b II Nr. 1 StGB genannten Kriterien sind für sich allein nicht ausreichend, um eine umfassende Entscheidung über die Milderung zu fällen. Folgerichtig sieht daher § 46b II Nr. 2 StGB die Berücksichtigung der Schwere der vom Kronzeugen verwirklichten Straftat und seine Schuld im Verhältnis zu den in Nr. 1 genannten Umständen vor. Durch Nr. 2 der Abwägungsklausel wird die Kronzeugentat „ins Spiel gebracht“. An die Ermessenskriterien i. S. d. § 46b II Nr. 1 StGB sind somit umso höhere Anforderungen zu stellen, je schwerer die Kronzeugentat selbst wiegt.316 Die Schwere der Kronzeugentat kann, wie die der 309 Dies ist ggf. der Fall, wenn seine Taten zum Zeitpunkt der Aussage im Prozess gegen den Offenbarungstäter noch nicht abgeurteilt sind, vgl. oben S. 77 ff. 310 Zu dieser Konstellation siehe oben S. 82. 311 Ähnlich hierzu Jeßberger, Kooperation, S. 325. 312 Zu dieser Konstellation siehe oben S. 74. 313 Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 11. 314 Man vergleiche nur einen Bandendiebstahl nach § 244 I Nr. 2 StGB (taugliche Offenbarungstat nach § 100a II Nr. 1 j StPO) mit Völkermord nach § 6 VStGB (taugliche Offenbarungstat nach § 100a II Nr. 10a StPO). 315 BT-Dr. 16/6268, S. 14; Peglau, wistra 2009, 409, 411. 316 Ähnlich schon zu Art. 4 KronzG BVerfG NJW 1993, 190, 191.

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Offenbarungstat auch, erheblich variieren. Von Taten, die bloß mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht sind bis hin zu Taten, die eine lebenslange Freiheitsstrafe nach sich ziehen, kann das Spektrum reichen. Letztlich soll durch § 46b II Nr. 2 StGB dem Schuldgrundsatz Rechnung getragen werden.317 Doch kommt der Berücksichtigung der Schwere der Kronzeugentat auch im Rahmen des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips Bedeutung zu. Der (wenn auch nur teilweise) Strafverzicht hinsichtlich einer besonders schwerwiegenden, ggf. mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Tat vermag die rechtsstaatlich verankerte Strafverfolgungspflicht stärker zu beeinträchtigen als im Falle eines Vergehens. Die Berücksichtigung der Schwere der Kronzeugentat im Ermessen ist zu begrüßen. Wie bereits dargestellt, ist das Ermessen der richtige Ort für den Vergleich zwischen dem vom Kronzeugen und Offenbarungstäter verwirklichten Unrecht.318 Die Auflistung der Ermessenskriterien in § 46b II StGB ist nicht abschließend (wie sich aus dem einleitenden Begriff „insbesondere“ ergibt). Es können und müssen daher auch weitere Umstände berücksichtigt werden.319 Hierbei stellt sich die Frage, welche zusätzlichen, in § 46b II StGB nicht ausdrücklich genannten Umstände heranzuziehen sind. So ist bei fakultativen Milderungsgründen (und solch einer ist § 46b I 1 StGB) umstritten, welche Kriterien für die Entscheidung herangezogen werden dürfen. Die Rechtsprechung stellt alle wesentlichen Tatumstände und die Täterpersönlichkeit in die Entscheidung ein,320 wobei den auf den Milderungsgrund selbst bezogenen Umständen lediglich besonderes Gewicht zukommt.321 Die herrschende Lehre begrenzt die Gesamtwürdigung hingegen auf jene Umstände, die sich auf den Milderungsgrund selbst beziehen.322 Gegen eine unbegrenzte Gesamtwürdigung spreche insbesondere, dass sie die Entscheidung über den Milderungsgrund von Bedingungen außerhalb des gesetzlichen Zweckzusammenhangs abhängig mache und daher mit dem Zweck des konkreten Milderungsgrundes nicht zu vereinbaren sei.323 Für die Begrenzung spreche auch die Schaffung relativ klarer Voraussetzungen.324

317 BT-Dr. 16/6268, S. 14. Ausführlich zur Vereinbarkeit der großen Kronzeugenregelung mit dem Schuldprinzip siehe unten S. 122 ff. 318 Siehe oben S. 57 zur Ablehnung des pauschalen Erfordernisses eines Unrechtsgefälles. 319 BT-Dr. 16/6268, S. 14; Peglau, wistra 2009, 409, 411. 320 BGHSt 17, 266 f.; 26, 311 f.; NJW 1989, 3230; NStZ 1993, 134; zustimmend LK/Theune, § 49, Rn. 8. 321 BGH NJW 1989, 3230; NStZ 1993, 134; NStZ 1995, 285. 322 Frisch, FS Spendel, 381, 389; Horn, GS Kaufmann, 573, 583 f.; Lackner/Kühl, § 49, Rn. 4; Satzger/Eschelbach, § 49, Rn. 7; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 508 f.; SK/Rudolphi, § 23, Rn. 3. 323 Lackner/Kühl, § 49, Rn. 4; Satzger/Eschelbach, § 49, Rn. 7. 324 Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 508.

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Im Rahmen des § 46b I StGB dürfte sich der Streit jedoch nicht auswirken. Der Gesetzgeber hat sich nämlich recht eindeutig für die Begrenzung der zusätzlich zu berücksichtigenden Umstände auf solche entschieden, die im Zusammenhang mit der Aufklärungs- und Präventionshilfe stehen: Mit Ausnahme der Schwere von Kronzeugen- und Offenbarungstat und der Schuld des Kronzeugen sind in der Abwägungsklausel des § 46b II StGB ausschließlich solche Kriterien aufgezählt, die entweder die Kronzeugenhandlung unmittelbar ausmachen oder diese wenigstens begleiten. Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass mit Ausnahme der Schwere von Kronzeugen- und Offenbarungstat sowie der Schuld des Kronzeugen nur solche Umstände in die Ermessensentscheidung einzubeziehen sind, die im Zusammenhang mit der Aufklärungs- und Präventionshilfe stehen. Die Aufzählung der Schwere von Kronzeugen- und Offenbarungstat sowie die verwirklichte Schuld erfolgt lediglich, um das Schuldprinzip zu wahren.325 Nicht aber soll hiermit die Möglichkeit eröffnet werden, zusätzliche aufklärungs- oder präventionsunabhängige Umstände zu berücksichtigen. Auch der Sinn und Zweck des § 46b StGB spricht für eine Begrenzung der Ermessenskriterien. Die Anreizwirkung zur Kooperation wäre erheblich eingeschränkt, wenn in die Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung auch andere Kriterien einflössen. Der Kronzeuge würde es sich zweimal überlegen, sich zur Kooperation zu entschließen, wenn die Entscheidung über seinen „Lohn“ auch von seiner kriminellen Vergangenheit o.Ä. abhinge. Zudem wäre die Belohnung für den Kronzeugen weitaus weniger vorhersehbar. Wenn die große Kronzeugenregelung allein auf die Strafverfolgung bzw. Verhinderung der Offenbarungstaten zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips abzielt, sollten daher auch nur die damit in Zusammenhang stehenden Umstände (mit Ausnahme der Schwere der Kronzeugen- und Offenbarungstat sowie die damit einhergehende Schuld von Kronzeuge und Offenbarungstäter) in die Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung eingestellt werden. Daher sind für die Entscheidung nach § 46b I StGB allein solche zusätzlichen, nicht in § 46b II StGB ausdrücklich genannten Ermessenskriterien heranzuziehen, welche sich auf die Kooperation des Kronzeugen in Form der Aufklärungs- und Präventionshilfe beziehen. So kommt als sonstiges Ermessenskriterium z. B. der Umstand in Frage, ob der Kronzeuge mit seiner Präventionshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB bloß seiner Verhaltenspflicht aus § 138 StGB nachkommt.326 Ist dies der Fall, muss sich das Gericht fragen, ob dennoch von der möglichen Strafrahmenverschiebung Gebrauch gemacht werden kann. Nicht hingegen dürfte allein der Umstand zu berücksichtigen sein, dass zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat kein Kon325

BT-Dr. 16/6268, S. 14. BGH NJW 2741, 2742; Peglau, wistra 2009, 409, 411 sowie die Stellungnahme der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.05.2009, BT-Dr. 16/13094, S. 5. Zu dieser Konstellation siehe oben S. 94. 326

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nex besteht, mithin der Kronzuge eine völlig andere Straftat aufdeckt oder zu verhindern hilft.327 Hat der Gesetzgeber die Kronzeugenregelung bewusst auch für den Fall fehlender Konnexität geöffnet,328 wäre es widersprüchlich, die fehlende Konnexität wiederum im Rahmen des Ermessens nachteilig anzuführen. Gerade vom Verzicht auf das Konnexitätserfordernis wird sich im Vergleich zu den Art. 4, 5 KronzG eine besonders effektive Anreizwirkung versprochen. Diese würde aber nachträglich in Frage gestellt, ließe man den fehlenden Zusammenhang zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat in die Ermessensentscheidung einfließen. Unbeschadet hiervon verbleibt aber die Möglichkeit, sich gegen eine Strafrahmenverschiebung auszusprechen, wenn der Nutzen der Kronzeugenhandlung aufgrund der Tatferne nur gering ausfällt.329 Anknüpfungspunkt ist dann aber nicht der fehlende Konnex an sich, sondern der im Einzelfall ggf. daraus resultierende geringe Wert für die Aufklärung oder Verhinderung der Offenbarungstat. Ebenfalls verfehlt ist es, das vom Kronzeugen an den Tag gelegte wechselnde Aussageverhalten hinsichtlich der offenbarten Person im Ermessen zu berücksichtigen.330 Wie dargestellt, ist in solch einem Fall bereits das Vorliegen eines Aufklärungserfolgs, mithin der Tatbestand, abzulehnen.331 Auf eine Berücksichtigung im Ermessen kommt es daher nicht mehr an. Zur Veranschaulichung der für das Ermessen i. S. d. § 46b I, II StGB getroffenen Feststellungen soll der folgende zusammenfassende Beispielsfall dienen: Beispielsfall 11: K, O und M haben bei einem Raub leichtfertig den Tod des Opfers herbeigeführt. Allein der K kann als Täter ermittelt und festgenommen werden. Dieser benennt erst unmittelbar vor dem Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn den O als seinen Mittäter. O kann daraufhin überführt werden. Die Beteiligung des M verschweigt K hingegen, was noch vor der Hauptverhandlung ans Licht kommt. In der Hauptverhandlung gegen K bestreitet dieser die den O belastenden früheren Angaben.

Hier hat K den Tatbestand des § 46b I 1 Nr. 1 StGB erfüllt: Als Mittäter eines Raubes mit Todesfolge, § 251 StGB, ist er tauglicher Kronzeuge. Auch bezieht sich die Offenbarung auf die Mittäterschaft des O, also auf eine taugliche Offenbarungstat nach §§ 46b I 1 StGB, 100a II Nr. 1 k StPO. Zudem nahm K die Kooperation vor dem Präklusionszeitpunkt des § 46b III StGB vor. Der Bejahung eines Aufklärungserfolgs steht, wie im Rahmen der Behandlung der Aufklärungshilfe dargelegt, auch nicht entgegen, dass K nicht alle seine Mittäter be327

Anders wohl aber BGH NJW 2741, 2742; Peglau, wistra 2009, 409, 411. Siehe BT-Dr. 16/6268, S. 1, 10. 329 So auch die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates BT-Dr. 16/6268, S. 20. 330 So aber ausdrücklich BT-Dr. 16/6268, S. 14. 331 Siehe oben S. 71 ff. 328

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nannte, die Offenbarung erst zu einem späten Zeitpunkt vornahm und die offengelegten Angaben in der Hauptverhandlung bestritt. Jedoch sind diese Umstände vom Gericht im Rahmen der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung332 nach § 46b II StGB zu berücksichtigen: Zwar überwiegt die Schwere der von K verwirklichten Schuld nicht erheblich jene des Offenbarungstäters, da sich die Offenbarungen auf seinen Mittäter erstrecken. § 46b II Nr. 2 i.V. m Nr. 1 Var. 4 StGB lässt sich daher nicht von vornherein gegen eine Milderung anführen. Jedoch ist der Umfang der offenbarten Tatsachen i. S. d. § 46b II Nr. 1 Var. 1 StGB nur relativ gering, da K nicht sein gesamtes Wissen über die Beteiligten preisgab. Der späte Zeitpunkt der Offenbarung ist ebenfalls nach § 46b II Nr. 1 Var. 2 StGB in die Entscheidung mit einzubeziehen. Wegen des Bestreitens der Offenbarung in der Hauptverhandlung hält sich auch das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden i. S. d. § 46b II Nr. 1 Var. 3 StGB in Grenzen. In Beispielsfall 11 wäre es daher rechtsfehlerfrei, die Verschiebung des Strafrahmens nach §§ 46b I 1 Nr. 1, 49 I StGB zu versagen. Jedoch hat das Gericht die Kooperation im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 I, II StGB innerhalb des Regelstrafrahmens zu berücksichtigen, falls es sich gegen eine Strafrahmenverschiebung entscheidet.333 cc) Ermessen und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip Nicht immer lässt sich die Ermessensentscheidung über die Verschiebung des Strafrahmens oder das Absehen von Strafe allein anhand der in § 46b II StGB genannten oder ergänzenden Abwägungskriterien fällen, ohne dabei das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip unangemessen zu beeinträchtigen. Es sind Konstellationen denkbar, bei denen nach dem Wortlaut der Abwägungsklausel eine Milderung durchaus möglich erscheint, jedoch in diesem Falle eine Honorierung durch die große Kronzeugenregelung mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht mehr vereinbar wäre. Beispielsfall 12: K lauert einem Kind auf, missbraucht es über Stunden und tötet es anschließend, um die Tat zu vertuschen. Dennoch kann er festgenommen werden. Unmittelbar nach der Festnahme legt K zutreffend offen, dass sein Nachbar O einen besonders schweren Fall des Subventionsbetrugs nach § 264 II 2 StGB begangen hat.334 332 Ein Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB kommt hingegen nicht in Betracht, da der Raub mit Todesfolge nicht ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist. 333 So auch im Rahmen des § 31 BtMG a. F. für den Fall, dass trotz Kooperationsbemühungen kein Aufklärungserfolg herbeigeführt wurde schon BGHSt 31, 163, 168; StV 1987, 487; Detter, StraFo 1997, 193, 196; MK/Maier, § 31, Rn. 106; Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Rn. 386; Weider, NStZ 1989, 580, 581. 334 Der Beispielsfall ist angelehnt an Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 139. Ein ähnliches „schreckliches Beispiel“ findet sich bei Frank, Stellungnahme, S. 3.

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In Beispielsfall 12 gelang es dem K, einen Aufklärungserfolg hinsichtlich einer tauglichen Offenbarungstat (dem besonders schweren Fall des Subventionsbetrugs, §§ 100a II Nr. 1 o StPO, 264 II 2 StGB) vor dem Präklusionszeitpunkt des § 46b III StGB zu erzielen. Da K sein Opfer zur Verdeckung der vorausgegangenen Tat tötete, droht ihm als Mörder nach § 211 I, II 3. Gruppe Var. 2 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe, sodass er auch tauglicher Kronzeuge ist. Wie bereits ausgeführt, steht der Annahme des Tatbestandes des § 46b I 1 Nr. 1 StGB auch nicht der Umstand entgegen, dass das von Offenbarungstäter O verwirklichte Unrecht nicht das des K überwiegt.335 Zwar verpflichtet § 46b II Nr. 2 StGB das Gericht, bei der Ermessensentscheidung die von K verwirklichte (schwere) Schuld insbesondere im Verhältnis zur im vorliegenden Fall relativ geringen Schwere der Offenbarungstat zu setzen. Doch stellt die Schwere der Kronzeugentat und die vom Kronzeugen verwirklichte Schuld nur eines von mehreren Ermessenskriterien dar. In Beispielsfall 12 wäre daher auch die Gewährung der Strafrahmenverschiebung nach § 49 I Nr. 1 StGB (wenn auch eingeschränkt durch § 46b I 1, 2. HS StGB) auf eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren mit dem Wortlaut der Abwägungsklausel zu vereinbaren. Dieses Ergebnis kann aber vor dem Rechtsstaatsprinzip keinen Bestand haben. Hier steht der Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips durch die Strafmilderung keine Stärkung der Strafverfolgung von solchem Gewicht gegenüber, welche die Beeinträchtigung zu rechtfertigen vermag. Die Absenkung der Strafe des K von lebenslanger Freiheitsstrafe auf mindestens zehn Jahre steht nicht in einem angemessenen Verhältnis zur von K erbrachten Leistung (der Offenbarung des schweren Falls eines Subventionsbetrugs). Zu sehr fällt das von K verwirklichte schwere Unrecht gegenüber des nur relativ geringen Unrechtsgehalts des offenbarten Subventionsbetrugs ins Gewicht. Die rechtsstaatliche Strafverfolgungspflicht würde übermäßig beeinträchtigt, zöge die Offenbarung des Subventionsbetrugs hier eine Strafrahmenverschiebung nach sich. Die Strafrahmenverschiebung ist daher unangemessen. Die durch § 46b I 1, 2. HS StGB erfolgende Beschränkung der Absenkung auf mindestens zehn Jahre vermag hieran nichts zu ändern; auch die nur eingeschränkte Milderung stellt sich als unangemessene Beeinträchtigung der Strafverfolgungspflicht und damit als unverhältnismäßig dar. § 46b I, II StGB ist daher hier im Lichte des Rechtsstaatsprinzips so auszulegen, dass eine Absenkung der Strafe, wenn auch nur auf mindestens zehn Jahre (§ 46b I 1, 2. HS StGB) nicht möglich ist. Es ist somit eine Ermessensreduzierung auf Null vorzunehmen. Diese Reduzierung des tatrichterlichen Ermessens hat ihren Grund aber nicht schon in dem bloßen Umstand, dass das vom Kronzeugen verwirklichte Unrecht überhaupt jenes des Offenbarungstäters überwiegt. Wie bereits dargestellt, steht das Rechtsstaatsprinzip einer Honorierung nicht schon dann schlechthin entge335

Zum (abgelehnten) Erfordernis eines Unrechtsgefälles siehe oben S. 57.

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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gen, wenn ein einfaches Überwiegen des Unrechts der Offenbarungstat, mithin ein von manchen Stimmen gefordertes Unrechtsgefälle, nicht ausgemacht werden kann.336 Vielmehr erzwingt das Rechtsstaatsprinzip die Ermessensreduzierung erst bei Vorliegen eines qualifizierten Unrechtsüberschusses auf Seiten der Kronzeugentat. Ein einfaches Überwiegen der Kronzeugentat kann nämlich i. d. R. schon dadurch ausgeglichen werden, dass bei einer Strafrahmenverschiebung hinsichtlich der Kronzeugentat nur zum Teil von der Strafverfolgungspflicht Abstand genommen, die Offenbarungstat hingegen umfassend aufgeklärt wird.337 Diese kompensatorische Wirkung kann erst bei Vorliegen eines qualifizierten Unrechtsüberschusses auf Kronzeugenseite nicht mehr erreicht werden. Solch ein qualifizierter Unrechtsüberschuss ist anzunehmen, wenn aufgrund der vom Kronzeugen verwirklichten Schuld, der Schwere der Kronzeugentat und der nur geringen Schwere der Offenbarungstat die Aufklärungs- oder Präventionshilfe überhaupt nicht zu Buche schlägt, das Rechtsstaatsprinzip also nicht spürbar gestärkt wird. Wann aber bleibt nun genau eine spürbare Stärkung der Strafverfolgung- und Verhinderung aus? Pauschale Voraussetzungen lassen sich hierfür nicht begründen. Doch ist es berechtigt, die Annahme solch eines qualifizierten Unrechtsüberschusses auf Konstellationen zu beschränken, in denen die vom Kronzeugen begangene Tat ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, also ein Fall des § 46b I 1, 2. HS StGB vorliegt. Allein bei diesen Taten kann der Unrechtsüberschuss aufgrund deren Schwere im Verhältnis zu den in § 100a II StPO genannten Offenbarungstaten einen Grad erreichen, der jede Kooperation als zu unerheblich erscheinen lässt, um die Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips in Form der Strafrahmenverschiebung rechtfertigen zu können. In allen anderen Konstellationen stellt nämlich die Anknüpfung an den Katalog tauglicher Offenbarungstaten nach § 100a II StPO (die allesamt als schwere Straftaten anzusehen sind) die Wahrung eines mit dem Rechtsstaatsprinzip zu vereinbarenden Verhältnisses zwischen der Schwere von Kronzeugen- und Offenbarungstat sicher. Dann nämlich liegt der Unrechtsgehalt der Taten nicht so weit auseinander, dass eine Honorierung der Kooperation zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der konsequenten Strafverfolgung führen würde. Dies gilt auch dann, wenn die Kronzeugentat lediglich „auch“ mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Somit kann der das Rechtsstaatsprinzip auf den Plan rufende qualifizierte Unrechtsüberschuss nur bei ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Kronzeugentaten vorliegen. Diese Erwägungen dürfen aber keinesfalls so verstanden werden, dass die Strafrahmenverschiebung wegen der Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips stets abzulehnen ist, wenn dem Kronzeugen eine ausschließlich lebenslange Freiheitsstrafe droht. So sind unterschiedliche Konstellationen denk336 337

Siehe oben S. 59. Hierzu schon oben S. 58.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

bar, in denen dennoch die Absenkung der lebenslangen Freiheitsstrafe auf mindestens zehn Jahre mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist. Zu denken ist etwa an den Mörder, der seinen Mittäter offenbart oder seine Kenntnisse über einen Täter des § 251 StGB kundtut. In solchen Fällen kann aber die Milderung natürlich weiterhin unter Berücksichtigung der Ermessenskriterien des § 46b II StGB versagt werden; allein das Rechtsstaatsprinzip zwingt nicht zu diesem Ergebnis. Wenn nun aber die vom Kronzeugen verwirklichte Tat ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist: Welche Umstände müssen hinzukommen, um einen qualifizierten Unrechtsüberschuss bejahen zu müssen? Hierfür kann keine starre Regel aufgestellt werden. Ein qualifizierter Unrechtsüberschuss dürfte allerdings naheliegen, wenn die Kronzeugenhandlung sich lediglich auf ein Vergehen bezieht. Hier ist der Unrechtsüberschuss zwischen Kronzeugentat (bedroht mit ausschließlich lebenslanger Freiheitsstrafe) und Offenbarungstat besonders stark ausgeprägt. Ein Automatismus wird dadurch aber nicht begründet. Auch in diesen Fällen muss das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falls das Vorliegen eines qualifizierten Unrechtsüberschusses überprüfen. In Beispielsfall 12 ist die Grenze des qualifizierten Unrechtsüberschusses auf Seiten des Kronzeugen aber aufgrund der erheblichen Schwere der Kronzeugentat im Vergleich zur relativ milden Form der Offenbarungstat überschritten. Letztlich dürfte die Problematik der Ermessensreduzierung auf Null anlässlich eines qualifizierten Unrechtsüberschusses in der Praxis nur selten auf die Tagesordnung der Gerichte gelangen.338 In aller Regel wird das Gericht in Fällen, in denen der Kronzeuge einen Mord oder sonstige ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Taten begangen hat und eine nur wenig schwerwiegende Tat offenbarte, ohnehin schon durch Anwendung der Abwägungsklausel des § 46b II StGB, also aufgrund der Anwendung einfachen Rechts, zur Versagung der Strafmilderung kommen.339 Eine wie in Beispielsfall 12 vorgenommene Aufklärungshilfe wird dem Gericht keine Strafrahmenverschiebung abringen.340 Auf eine etwaige Ermessensreduzierung auf Null im Lichte des Rechtsstaatsprinzips kommt es dann schon nicht mehr an. Doch zeigt sich hieran erneut, dass das Problem eines Unrechtsüberschusses auf Seiten des Kronzeugen nicht im Tatbestand zu verorten ist, sondern im Ermessen behandelt werden sollte. Nur hier lässt sich bei qualifiziertem Unrechtsüberschuss eine verfassungskonforme Aus-

338

Ähnlich auch Fischer, § 46b, Rn. 4a; Jeßberger, Kooperation, S. 91 f. Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 13. 340 Dennoch muss sich das Gericht mit der Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung befassen und die denkbare Honorierung nach § 46b I 1 StGB im Urteil erörtern (so schon zu § 31 BtMG a. F. BGH NStZ-RR 1996, 181; NJW 2005, 2632; StraFo 2005, 169 f.; Körner, § 31, Rn. 102). 339

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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legung im Lichte des Rechtsstaatsprinzips vornehmen. Der insoweit eindeutige Tatbestand des § 46b I StGB steht einer verfassungskonformen Auslegung bei Vorliegen eines qualifizierten Unrechtsüberschusses hingegen gerade nicht offen.341 Bis jetzt wurde nur die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB unter die Lupe des Rechtsstaatsprinzips genommen. Kann es aber auch bei der Frage des Absehens von Strafe nach § 46b I 4 StGB zu Konstellationen kommen, in denen eine Einschränkung des tatrichterlichen Ermessens im Lichte des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips geboten ist? Hält man sich erneut die zur Entscheidung über die bloße Strafmilderung getroffenen Ausführungen vor Augen, muss dies verneint werden. Bei Vorliegen eines so verstandenen qualifizierten Unrechtsüberschusses hinsichtlich der Kronzeugentat kann nämlich schon nach dem Wortlaut des § 46b I 4 StGB ein Absehen von Strafe nicht vorgenommen werden. Dem Gericht steht die Möglichkeit des Absehens von Strafe nur dann offen, wenn die Kronzeugentat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Kronzeuge keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. Eine den qualifizierten Unrechtsüberschuss ggf. auslösende, mit ausschließlich lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Tat und die damit einhergehende Schwere der Schuld des Kronzeugen kann also ohnehin nicht mit Absehen von Strafe bedacht werden. Zwar könnte man im Rahmen des § 46b I 4 StGB die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null niedriger ansetzen, da durch das Absehen von Strafe und der damit einhergehenden Möglichkeit des Verfolgungsverzichts nach § 153b StPO das Legalitätsprinzip als Repräsentant des Rechtsstaatsprinzips stärker beeinträchtigt wird als durch die bloße Strafmilderung.342 Doch kann ein das Rechtsstaatsprinzip unangemessen beeinträchtigender qualifizierter Unrechtsüberschuss auf Seiten der Kronzeugentat beim Absehen von Strafe nicht eintreten, wenn der Kronzeuge eine ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedrohte Tat beging und er im Falle einer Verurteilung ohne Berücksichtigung der großen Kronzeugenregelung nur zu maximal drei Jahren Haft verurteilt würde. Kronzeugentat und die Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO liegen in diesem Fall hinsichtlich der Schwere und des Schuldgehalts nahe beieinander. Zwar kann auch in dieser Konstellation ein Überwiegen des vom Kronzeugen verwirklichten Unrechts gegenüber den Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO vorliegen. Dieser denkbare Unrechtsüberschuss auf Kronzeugenseite wäre aber nicht so ausgeprägt, dass ein Absehen von Strafe zwingend als unverhältnismäßig eingestuft

341

Vgl. oben S. 57 f. Ähnlich Weigend, FS Jescheck, 1333, 1337 f., der die Möglichkeit des Absehens von Strafe daher auch als problematischsten Punkt hinsichtlich des Legalitätsprinzips ansieht. Zur Wirkung des Absehens von Verfolgung nach § 153b StPO im Vergleich zum bloßen Absehen von Strafe siehe Wolter, Straftat, 1, 37. 342

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

werden müsste. Doch verbleibt in diesem Fall natürlich die Möglichkeit, sich aufgrund der in § 46b II StGB niedergelegten und diese ergänzenden Ermessenskriterien gegen ein Absehen von Strafe zu entscheiden. Nur die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips kann hierfür nicht ins Feld geführt werden. dd) Zusammenfassung der Rechtsfolgen des § 46b StGB Die in § 46b II StGB ausdrücklich genannten Kriterien werden in den meisten Fällen genügen, um eine angemessene Entscheidung über die Honorierung der Kooperation nach § 46b I StGB fällen zu können. Reichen die in § 46b II StGB genannten Umstände nicht aus, können zudem weitere ungeschriebene Ermessenskriterien herangezogen werden. Berücksichtigt werden dürfen aber nur solche zusätzlichen Kriterien, die in Zusammenhang zur Aufklärungs- oder Präventionshilfe stehen. In Ausnahmefällen genügen aber auch diese Kriterien nicht, um eine ermessensfehlerfreie Entscheidung herbeizuführen. So zwingt das beeinträchtigte Rechtsstaatsprinzip zu einer Ermessensreduzierung auf Null, wenn ein qualifizierter Unrechtsüberschuss auf Seiten des Kronzeugen vorliegt. Solch ein qualifizierter Unrechtsüberschuss kommt jedoch nur in solchen Fällen in Frage, in denen der Kronzeuge selbst eine ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat. 4. Ergebnis: § 46b StGB und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip Die Prüfung der Vereinbarkeit des § 46b StGB mit dem ersten Teilaspekt des Legalitätsprinzips, dem Rechtsstaatsprinzip, ist abgeschlossen und kann wie folgt zusammengefasst werden: Die große Kronzeugenregelung hat vor dem Rechtsstaatsprinzip Bestand.343 Die von § 46b I StGB eingesetzten Mittel der Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB und des Absehens von Strafe nach § 46b I 4 StGB sind ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Stärkung der Strafverfolgung und Tatverhinderung in den Deliktsbereichen des § 100a II StPO. Auch sind die Mittel als angemessen anzusehen, wenn die herausgearbeiteten Kriterien für Tatbestand und Rechtsfolgen bei Anwendung des § 46b StGB herangezogen werden. Eine Verletzung des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips kann daher nicht festgestellt werden.

343 Treffend daher Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 127, die zur schon angedachten großen Kronzeugenregelung feststellten, dass sich der Rechtsstaat solch einer Regelung „nicht zu schämen“ braucht.

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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II. § 46b StGB und das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Willkürverbot Das Legalitätsprinzip findet seine Grundlage aber nicht nur im Rechtsstaatsprinzip. Vielmehr ist es auch Ausfluss des Willkürverbots, das über Art. 3 I GG eine verfassungsrechtliche Verankerung findet. Durch das Legalitätsprinzip sollen die gleichmäßige Strafverfolgung garantiert und Zweckmäßigkeitserwägungen bei der Strafverfolgung ausgeklammert werden.344 Dies ist nur möglich, wenn der Staat bei der Bestrafung von Straftätern keine Bevorzugung vornimmt und Täter in gleicher Weise der Strafe zuführt. 1. Beeinträchtigung des Willkürverbots durch § 46b StGB Eine Beeinträchtigung des Willkürverbots liegt vor, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird,345 also insbesondere Personen oder Personengruppen in einer bestimmten Art und Weise rechtlich oder tatsächlich behandelt werden und vergleichbare Personen oder Personengruppen eine andere Behandlung erfahren.346 Es kann nicht verwundern, dass die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB eine Ungleichbehandlung auslöst, also das Willkürverbot und somit das Legalitätsprinzip beeinträchtigt wird. So ist es ja gerade Wesen jeder Kronzeugenregelung, den kooperierenden, sein Wissen über andere Straftaten den Strafverfolgungsbehörden mitteilenden Straftäter besser zu stellen als denjenigen, der sein Wissen zurückhält oder über solche Kenntnisse gar nicht verfügt. Jeder Kronzeugenregelung ist daher die Ungleichbehandlung von Straftätern immanent. Eine Kronzeugenregelung ohne Ungleichbehandlung verdient ihren Namen nicht.347 Zumindest die Besserstellung des kooperierenden Straftäters ist allen Kronzeugenregelungen gemein. Im Falle der großen Kronzeugenregelung erfolgt dies durch die Verknüpfung der Strafrahmenverschiebung bzw. des Absehens von Strafe mit der vom Kronzeugen vorzunehmenden Aufklärungs- oder Präventionshilfe. Nur wer einen Aufklärungserfolg herbeizuführen vermag bzw. bei Zugrundelegung normaler Umstände zur Verhinderung der offenbarten Tat beiträgt, kommt in den Genuss des § 46b I StGB. Jedoch begnügt sich die große Kronzeugenregelung nicht damit, allein zwischen offenbarendem und schweigendem 344 BVerfGE 46, 214, 223; NStZ 1982, 430; Hassemer, FS StA Schleswig-Holstein, 529; Karlsruher Kommentar/Schoreit, § 152, Rn. 13; Meyer-Goßner, § 152, Rn. 2; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 2. 345 BVerfGE 42, 64, 72; 49, 148, 165; 98, 365, 385; Pieroth/Schlink, Rn. 463; Schmidt-Bleibtreu/Kannengießer, Art. 3, Rn. 14. 346 Pieroth/Schlink, Rn. 467. 347 Treffend daher Jeßberger, Kooperation, S. 111, der die Ungleichbehandlung durch Kronzeugenregelungen als „Motor der Kooperation“ bezeichnet.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

Straftäter zu unterscheiden. Vielmehr erfolgt eine Differenzierung in vierfacher Hinsicht.348 So entfaltet § 46b I StGB auch bei erfolgter Kronzeugenhandlung seine honorierende Wirkung nur dann, wenn der offenbarende Täter eine Straftat beging, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Die große Kronzeugenregelung differenziert daher auch zwischen Bagatelltätern und solchen Personen, deren verwirklichte Straftat im Mindestmaß mit mehr als einem Monat Freiheitsstrafe bedroht ist. Nur letztere sind taugliche Kronzeugen i. S.d § 46b StGB. Auch hinsichtlich der Offenbarungstaten erfolgt durch die große Kronzeugenregelung eine Unterscheidung. Allein bei Offenbarung von Straftaten i. S. d. § 100a II StPO kann eine Honorierung des Kronzeugen in Form der Strafrahmenverschiebung oder des Absehens von Strafe erfolgen. Legt der Täter andere Taten offen, greift die mildernde Wirkung des § 46b I StGB hingegen nicht ein. Des Weiteren führt die Präklusionsregelung des § 46b III StGB zu einer Differenzierung in zeitlicher Hinsicht. Wer erst nach dem Beschluss der Eröffnung des Hauptverfahrens auspackt, kann nicht nach § 46b I StGB belohnt werden. Der rechtzeitig Kooperierende kann hingegen in den Genuss der Honorierung gelangen. Mithin differenziert die große Kronzeugenregelung zwischen jenen Straftätern, die taugliche Kronzeugen sind und ihre Kronzeugenhandlung hinsichtlich tauglichen Offenbarungstaten vor dem Präklusionszeitpunkt vornehmen und solchen Tätern, die bereits eine dieser Voraussetzungen nicht zu erfüllen vermögen. Nur erstere können durch § 46b I StGB belohnt werden. 2. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Willkürverbots Die in vierfacher Hinsicht erfolgende Ungleichbehandlung führt aber nicht automatisch zur Verletzung des Willkürverbots und der daraus folgenden Unvereinbarkeit des § 46b StGB mit dem Legalitätsprinzip. Vielmehr kann die Differenzierung gerechtfertigt sein.349 An die Rechtfertigung sind, je nach Anknüpfungspunkt der Ungleichbehandlung, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. Da durch die große Kronzeugenregelung vergleichbare Personen ungleich behandelt werden (nämlich Straftäter, je nachdem ob sie die Voraussetzungen des § 46b StGB erfüllen), müssen nach der neuen Formel350 des BVerfG Gründe von solcher Art 348 Vgl. zur Systematik der Ungleichbehandlung durch die bisherigen Kronzeugenregelungen auch Jeßberger, Kooperation, S. 112 f. 349 Zu dem Umstand, dass das Legalitätsprinzip keine absolute Geltung beansprucht: siehe bereits oben S. 37. 350 Zum Begriff siehe Pieroth/Schlink, Rn. 473; Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 13; Schmidt-Bleibtreu/Kannengießer, Art. 3, Rn. 17.

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen (hier die Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung und des Absehens von Strafe auf der einen Seite sowie die Unanwendbarkeit des § 46b StGB auf der anderen Seite) rechtfertigen können.351 Die Differenzierungskriterien und das damit einhergehende Differenzierungsziel haben daher in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu stehen,352 sodass die Ungleichbehandlung zum Erreichen des damit verbundenen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein muss.353 Es muss daher eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden.354 Diese deckt sich jedoch nicht mit jener, die bereits in Bezug auf das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip durchgeführt wurde. Nicht die Beeinträchtigung der Verfolgungs-, Aburteilungs- und Bestrafungspflicht wird in Verhältnis zum angestrebten Zweck (der Stärkung der Strafverfolgung und Tatverhinderung) gestellt. Vielmehr ist zu fragen, ob die Ungleichbehandlung von Straftätern in dem von § 46b StGB vorgegebenen Maß durch die damit verbundenen Ziele zu rechtfertigen ist. Gegenstand der Abwägung sind daher andere Aspekte als im Rahmen der Betrachtung des Rechtsstaatsprinzips. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der großen Kronzeugenregelung im Hinblick auf ihre differenzierende Wirkung stellt daher keine Redundanz, sondern einen weiteren notwendigen Weg zur Überprüfung der Vereinbarkeit des § 46b StGB mit dem Legalitätsprinzip dar. a) Das Differenzierungskriterium der Kronzeugenhandlung Das Anknüpfen der von § 46b I StGB vorgesehenen Belohnung an die Vornahme einer Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 StGB müsste zum Erreichen des angestrebten Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein. Mit der Beschränkung der Honorierung nach § 46b I StGB auf jene Täter, die durch Vornahme einer Kronzeugenhandlung mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren, wird das Ziel verfolgt, Straftäter überhaupt zur Kooperation zu bewegen. Dieses Ziel wird unproblematisch durch das Differenzierungskriterium der Kronzeugenhandlung erreicht. Dem Straftäter wird vor Augen geführt, dass nur bei Vornahme der Kronzeugenhandlung eine Belohnung in Form der Strafrahmenverschiebung oder des Absehens von Strafe in Frage kommt, sodass die deutlich erkennbare Bevorzugung kooperierender Straftäter eine motivierende Wirkung entfaltet.

351

BVerfG NJW 1990, 2246; NJW 1993, 1517; NJW 1995, 1341 f. BVerfG NJW 1990, 2246. 353 Pieroth/Schlink, Rn. 472. 354 Jarass, NJW 1997, 2545, 2548 f.; Michael, JuS 2001, 148, 152; Pieroth/Schlink, Rn. 472; Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 14; Schmidt-Bleibtreu/Kannengießer, Art. 3, Rn. 17. 352

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

Auch sind keine zur Motivation des Kronzeugen ebenso geeigneten aber weniger diskriminierenden Mittel ersichtlich. Die Beschränkung der Honorierung allein auf den Fall der Vornahme einer Kronzeugenhandlung ist daher auch erforderlich. Stellt die Honorierung allein von Kronzeugenhandlungen auch eine angemessene Ungleichbehandlung dar? Hier überwiegen die mit der Aufklärungsund Präventionshilfe verbundenen Ziele das Interesse von Straftätern an konsequenter Gleichbehandlung: Nur wenn eine Aufklärungs- oder Präventionshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 1, 2 StGB geleistet wird, ist eine Grundlage für die Stärkung der Strafverfolgung- und Verhinderung in den Deliktsbereichen des § 100a II StPO geschaffen. Allein in diesem Fall werden die staatlichen Stellen bei der Verfolgung und Verhinderung schwerer bzw. schwerwiegender Straftaten unterstützt. Es ist somit angemessen, eine Honorierung in Form des § 46b I StGB allein bei Vornahme der Kronzeugenhandlung zu ermöglichen. Die von der großen Kronzeugenregelung vorgenommene Ungleichbehandlung von kooperierenden und nicht kooperierenden Straftätern ist daher gerechtfertigt.355 b) Das Differenzierungskriterium der tauglichen Offenbarungstat Durch das Differenzierungskriterium der tauglichen Offenbarungstat i. S. d. § 100a II StPO soll sichergestellt werden, dass die Strafverfolgungsbehörden gerade bei der Verfolgung schwerer bzw. schwer aufklärbarer Straftaten Unterstützung aus dem kriminellen Umfeld erhalten. Dies dient wiederum der Wahrung der Vereinbarkeit des § 46b StGB mit dem Rechtsstaatsprinzip, da nur bei der Offenbarung solch schwieriger bzw. schwerwiegender Delikte die Beeinträchtigung der Verfolgungs- und Bestrafungspflicht als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips gerechtfertigt ist.356 Die Begrenzung der Honorierung auf die Offenbarung von tauglichen Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO stellt ein geeignetes Mittel zum Erreichen dieses Ziels dar. Auch ist kein weniger diskriminierendes, aber ebenso geeignetes Mittel ersichtlich, sodass das Differenzierungskriterium der Offenbarungstat auch erforderlich ist. Stellt sich die Honorierung allein von Offenbarungen der Taten i. S. d. § 100a II StPO aber auch als angemessen dar? Hier sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen die Ungleichbehandlung zumindest auf den ersten Blick Bedenken weckt: Beispielsfall 13: K und M haben mittäterschaftlich einen Raub begangen. Nachdem die beiden gefasst werden, legt K offen, dass sein Bekannter O dessen Nachbarn um 55 000 Euro betrogen hat. M hingegen weiß nur von einer anderen Tat des O: Dieser hat auch seinen 355

Ebenso Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 458. Siehe oben dazu ausführlich die Prüfung der Vereinbarkeit des § 46b StGB mit dem Rechtsstaatsprinzip als Repräsentant des Legalitätsprinzips, S. 36 ff. 356

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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Arbeitskollegen durch Betrug um 48 000 Euro erleichtert. Aufgrund der Angaben von K und M kann O hinsichtlich beider Taten überführt werden.

In Beispielsfall 13 haben sowohl K als auch M wertvolle Informationen über gewichtige Straftaten des O offengelegt. Dennoch ist es allein der K, der in den Genuss der großen Kronzeugenregelung kommen kann. Nur K ist es gelungen, einen Aufklärungserfolg gerade hinsichtlich einer Offenbarungstat i. S. d. § 100a II StPO zu erzielen. Allein die von K offenbarte Tat erfüllt wegen der Schadenssumme von 55 000 Euro einen besonders schweren Fall des Betrugs nach §§ 263 III 2 Nr. 2 StGB, 100a II Nr. 1 n StPO.357 Nicht hingegen fällt der von M offenbarte Betrug aufgrund des geringeren Schadens unter den Katalog des § 100a II StPO. Während also bei K der Strafrahmen nach unten verschoben bzw. sogar ganz von Strafe abgesehen werden kann, geht der M, was die große Kronzeugenregelung angeht, „leer aus“. Seine Kooperation kann auch nicht nach §§ 153, 153a StGB zum Absehen von der Verfolgung führen, da sich M selbst eines Verbrechens schuldig gemacht hat. Trotz der unterschiedlichen Behandlung, die K und M zuteil wird, lässt sich die Differenzierung rechtfertigen. Zum einen wird durch die Offenbarung einer schweren Straftat das Rechtsstaatsprinzip besonders stark unterstützt, sodass sich hieran auch eine besonders starke Honorierung anschließen darf.358 Zum anderen verhallt die Offenlegung einer nicht unter den Katalog des § 100a II StPO fallenden Tat keinesfalls ungehört. Sie kann vielmehr im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung nach § 46 I, II StGB innerhalb des Regelstrafrahmens Berücksichtigung finden und auf diesem Wege den offenbarenden Täter für seine Kooperation hinreichend entlohnen.359 Somit stellt sich die von § 46b I 1 StGB vorgenommene Differenzierung hinsichtlich der tauglichen Offenbarungstat als angemessen dar und ist gerechtfertigt.360 c) Das Differenzierungskriterium des Präklusionszeitpunkts Die Präklusionsregelung des § 46b III StGB trägt dem Umstand Rechnung, dass die Strafverfolgungsbehörden Zeit benötigen, um den Wahrheitsgehalt sowie den Wert der Offenbarungen zu überprüfen.361 Die Überprüfung ist aber zwingende Voraussetzung für die Gewährung der Strafmilderung, da nur bei Richtig357 Ein Vermögensverlust großen Ausmaßes i. S. d. § 263 III 2 Nr. 2 StGB kann ab einer Schadenssumme von 50.000 Euro angenommen werden, BGHSt 48, 360, 361; wistra 2009, 236, 237; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 66; MK/Hefendehl, § 263, Rn. 777; Satzger/Satzger, § 263, Rn. 303; Sch/Sch/Cramer/Perron, § 263, Rn. 188 c; kritisch aber Fischer, § 263, Rn. 122. 358 So auch Peglau, wistra 2009, 409, 412 f. 359 So auch Peglau, wistra 2009, 409, 413. 360 Ebenso Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 459. 361 BT-Dr. 16/6268, S. 14; ähnlich auch Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 215, die aus diesem Grund für eine neu geschaffene Kronzeugenregelung eine vor Beginn der Hauptverhandlung ablaufende Frist vorschlug.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

keit der offenbarten Tatsachen sowie dem tatsächlichen Vorliegen der Aufklärungs- und Präventionshilfe eine Honorierung nach § 46b I StGB mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbart werden kann.362 Der Kronzeuge soll daher zu einem solch frühen Zeitpunkt zur Vornahme der Kronzeugenhandlung motiviert werden, dass die Offenbarung gründlich untersucht werden kann, ohne in die Gefahr einer zeitlichen Verzögerung in der Hauptverhandlung zu geraten. Die Präklusionsregelung dient daher letzlich der Verhinderung des Einsatzes vermeintlicher Aufklärungs- oder Präventionshilfen zum Zwecke der Prozessverschleppung.363 Dieser Zweck wird von § 46b III StGB erreicht, da dem potentiellen Kronzeugen wegen der Präklusionsregelung nun kein Instrument mehr zur Hand steht, das Verfahren durch vermeintliche Kronzeugenhandlungen künstlich in die Länge zu ziehen oder die Honorierung für Fälle zu erlangen, in denen die Aufklärungs- und Präventionshilfe aus Zeitgründen nicht eindeutig überprüft werden kann.364 Weniger einschneidende, aber zur Zweckerreichung ebenso geeignete Mittel stehen nicht zur Verfügung. Würde man den Präklusionszeitpunkt in die Hauptverhandlung verlegen, wäre die umfassende Überprüfung der Kronzeugenhandlung ohne zeitliche Verzögerungen gerade nicht mehr möglich. Die Differenzierung ist daher erforderlich.365 Auch stellt die Präklusion mit der Anknüpfung an den Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine angemessene Differenzierung dar. Dem potentiellen Kronzeugen wird kein schweres Opfer abverlangt, wenn von ihm gefordert wird, seine Kronzeugenhandlung vor dem Präklusionszeitpunkt des §§ 46b III StGB, 207 StPO vorzunehmen. Bereits im Ermittlungsverfahren, spätestens aber nach Klageerhebung366 zeichnet sich für den Kronzeugen ab, ob ihm eine Verurteilung droht und sich damit die Vornahme einer Kronzeugenhandlung lohnt. Er kann daher trotz frühzeitiger Präklusion Risiko und Nutzen der Kooperation einschätzen. Eine nach dem Präklusionszeitpunkt vorgenommene Kronzeugenhandlung geht zudem nicht ins Leere. Vielmehr hat das Gericht die Bemühungen im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung nach § 46 StGB zu berücksichtigen, mögen sie auch erst in der Hauptverhandlung an den Tag gelegt worden sein.367 362 363

Siehe oben S. 41 f. BT-Dr. 16/6268, S. 14; Lackner/Kühl, § 46b, Rn. 6; Peglau, wistra 2009, 409,

413. 364 So auch Peglau, wistra 2009, 409, 413. Letzterer Aspekt trifft aber nur bedingt zu, da der Grundsatz des „in dubio pro reo“ hinsichtlich des Aufklärungserfolgs ohnehin nicht gilt, siehe oben S. 83. 365 Kritisch aber Jeßberger, Stellungnahme, S. 2. 366 BT-Dr. 16/6268, S. 14. 367 BT-Dr. 16/6268, S. 14; Lackner/Kühl, § 46b, Rn. 6; LPK, § 46b, Rn. 5; Peglau, wistra 2009, 409, 413; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 21; kritisch aber Fischer, § 46b,

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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Ist also das zu erbringende Opfer des nicht rechtzeitig kooperierenden Täters als relativ gering anzusehen, wiegt hingegen die mit der Ausschlussfrist bezweckte Überprüfbarkeit der Kronzeugenhandlung ohne wesentliche Verfahrensverzögerung unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege schwer. Auch entfaltet die Präklusionsregelung zusammen mit §§ 145d III, 164 III 1 StGB präventive Wirkung hinsichtlich der Falschbelastung Dritter: Weiß der Kronzeuge, dass die Frühzeitigkeit seiner Angaben deren umfassende Überprüfbarkeit durch die Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, wird er sich eine Falschbelastung zweimal überlegen.368 Diesem Umstand kommt vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips eine erhebliche Bedeutung zu.369 Auch die Differenzierung durch die Präklusionsregelung des § 46b III StGB erfährt daher eine Rechtfertigung.370 d) Das Differenzierungskriterium des tauglichen Kronzeugen Am problematischsten stellt sich die Begrenzung des Anwendungsbereichs der großen Kronzeugenregelung auf solche Täter dar, die Taten begangen haben, welche im Mindestmaß mit einer erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind. Der Bagatelltäter kann daher nicht als Kronzeuge i. S. d. § 46b StGB auftreten.371 Beispielsfall 14: M schlägt bei einem Kneipenbesuch dem A aufgrund einer Meinungsverschiedenheit kräftig in den Magen. Am nächsten Tag wird der A erneut Opfer einer Straftat: Der K geht an A freundlich grüßend vorbei und schlägt ihn dann von hinten nieder. K und M haben einen gemeinsamen Freund O, der ihnen ankündigte, seine Frau zu vergiften. Nachdem M und K verhaftet sind, legen sie die geplante Tat des O offen, sodass diese gerade noch verhindert werden kann.

In Beispielsfall 14 haben sowohl K als auch M eine Präventionshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB hinsichtlich einer tauglichen Offenbarungstat nach § 100a II Nr. 1 h StPO vor dem Präklusionszeitpunkt des § 46b III StGB geleistet. Dass M und K letztlich lediglich ihrer staatsbürgerlichen Pflicht aus § 138 I Nr. 5 StGB nachkamen, ist für die Beurteilung der Kronzeugenhandlung unbeachtlich.372 Auch scheidet eine Anwendung des § 46b StGB nicht schon deswegen Rn. 24, der auf die fehlende Möglichkeit der Anwendung des § 46 StGB bei lebenslanger Freiheitsstrafe hinweist. 368 Richtig erkannt von Peglau, wistra 2009, 409, 413. 369 Siehe oben S. 41 f. 370 Ebenso Peglau, wistra 2009, 409, 413. Bedenken hegt hingegen Fischer, § 46b, Rn. 24. 371 Die Begrenzung des Kreises tauglicher Kronzeugen für eine große Kronzeugenregelung wurde bereits gefordert von Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 314 und Mühlhoff/Pfeiffer, ZRP 2000, 121, 126. 372 Siehe oben S. 94.

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aus, weil hier zwei Täter Kronzeugenhandlungen im Hinblick auf dieselbe Offenbarungstat vornahmen.373 Dennoch kann allein der K in den Genuss der Honorierung durch die große Kronzeugenregelung gelangen. Nur er ist nämlich tauglicher Kronzeuge. Die von M verwirklichte Körperverletzung ist nach § 223 I StGB nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht. Vielmehr droht M nach § 38 II StGB im Mindestmaß nur ein Monat Freiheitsstrafe. Die große Kronzeugenregelung sieht ihn daher nicht als tauglichen Kronzeugen an, sodass er als „untauglicher Kronzeuge“ bezeichnet werden kann. Der K hingegen beging die Körperverletzung mittels eines hinterlistigen374 Überfalls375 i. S. d. § 224 I Nr. 3 StGB, da er unter Vortäuschung von Friedfertigkeit handelte.376 Seine Tat ist im Mindestmaß mit sechs Monaten, also höher als das Mindestmaß des § 38 II StGB bedroht. Nur bei K kann daher die Strafe nach § 49 I StGB gemildert bzw. ganz von Strafe abgesehen werden. Lässt sich diese Ungleichbehandlung aber rechtfertigen? Oder liegt nicht vielmehr ein Verstoß gegen das Willkürverbot vor? Um diese Frage zu beantworten, müssen die mit der Begrenzung des Kreises tauglicher Kronzeugen verfolgten Zwecke herausgestellt und untersucht werden. Die Herausnahme von Bagatelltätern und die daraus folgende Ungleichbehandlung wird von einem ganzen Bündel von Beweggründen getragen, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommen. Zum einen sei bei Tätern der einfachen Kriminalität ohnehin zweifelhaft, ob diese eine Aufklärungs- und Präventionshilfe hinsichtlich tauglicher Offenbarungstaten zu leisten vermögen.377 Zum anderen könne die Honorierung von Bagatelltätern bereits hinreichend im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB bzw. durch Verzicht auf die Strafverfolgung nach § 153 ff. StPO erfolgen.378 Hierbei folge aus § 46b StGB zudem die Pflicht des Gerichts, der Kooperation in besonderem Maße Gewicht zukommen zu lassen, wenn der zwar nicht als tauglicher Kronzeuge anzusehende Täter dennoch eine taugliche Offenbarungstat aufzudecken vermochte.379 Des Weiteren gehe die von §§ 46b I 1, 49 I Nr. 3 StGB vorgesehene Absenkung der Mindeststrafe bei Bagatelltätern ohnehin ins Leere.380

373

Siehe oben S. 68. Hinterlistigkeit ist gegeben bei planmäßigem, auf Verdeckung der wahren Absicht berechnetem Vorgehen, BGH bei Dallinger, MDR 1956, 525, 526; NStZ-RR 2010, 46, 47; Arzt/Weber, § 6, Rn. 55; Gössel/Dölling, § 13, Rn. 41; Lackner/Kühl, § 224, Rn. 6; Maurach/Schroeder/Maiwald, S. 127; SK/Horn/Wolters, § 224, Rn. 22. 375 Ein Überfall ist jeder unvorhergesehene Angriff, Lackner/Kühl, § 224, Rn. 6; Sch/Sch/Stree/Sternberg-Lieben, § 224, Rn. 10; SK/Horn/Wolters, § 224, Rn. 22. 376 Bei Vortäuschung von Friedfertigkeit kann Hinterlistigkeit angenommen werden, BGH NStZ 2004, 93; Lackner/Kühl, § 224, Rn. 6; SK/Horn/Wolters, § 224, Rn. 22. 377 BT-Dr. 16/6268, S. 10. 378 BT-Dr. 16/6268, S. 10; Peglau, wistra 2009, 409, 412. 379 BT-Dr. 16/6268, S. 10. 380 BT-Dr. 16/6268, S. 10; Peglau, wistra 2009, 409, 412. 374

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Letztlich bezweckt die Ausgrenzung von Bagatelltätern daher die Wahrung der Vereinbarkeit der großen Kronzeugenregelung mit dem (bereits oben behandelten) durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzip. Zweck dieses Differenzierungskriteriums ist also, die Geeignetheit und Erforderlichkeit der von § 46b StGB eingesetzten Mittel im Hinblick auf das beeinträchtigte Rechtsstaatsprinzip sicherzustellen. Es soll verhindert werden, dass die Verhältnismäßigkeit der Beeinträchtigung der Verfolgungs- und Bestrafungspflicht dadurch aufs Spiel gesetzt wird, dass im Hinblick auf die Stärkung der Strafverfolgung und Tatverhinderung ungeeignete oder nicht erforderliche Honorierungen eingesetzt werden: Trifft die Annahme zu, dass der Täter einer im Mindestmaß nur mit einem Monat bedrohten Tat gewöhnlich nichts über schwerwiegende Offenbarungstaten weiß, wäre das Inaussichtstellen einer Belohnung zur Stärkung der Strafverfolgung in den Deliktsbereichen des § 100a II StPO schlicht ungeeignet und damit unverhältnismäßig. Gleiches gilt hinsichtlich der ins Leere gehenden Strafrahmenverschiebung. Auch wäre die Honorierung von Bagatelltätern durch § 46b I StGB nicht erforderlich und somit unverhältnismäßig, wenn die Motivation zur Kooperation auch durch die Berücksichtigung der Kronzeugenhandlung in der Strafzumessung nach § 46 StGB oder nach Maßgabe der § 153 ff. StPO erreicht werden könnte. Bei Richtigkeit der in der Begründung des Gesetzesentwurfs vorgetragenen Erwägungen trüge daher die Ausklammerung von Bagatelltätern zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der großen Kronzeugenregelung im Hinblick auf das (bereits oben behandelte) Rechtsstaatsprinzip bei. Doch ist gar nicht so eindeutig, ob ohne den Ausschluss von Bagatelltätern die große Kronzeugenregelung tatsächlich als mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar angesehen werden müsste. Denn es muss schon die Richtigkeit der Annahme hinterfragt werden, ein Bagatelltäter verfüge ohnehin gewöhnlich über kein relevantes Wissen hinsichtlich tauglicher Offenbarungstaten. Dieser Gedanke berücksichtigt nicht in ausreichendem Umfang, dass die große Kronzeugenregelung auf einen zwingenden Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat verzichtet. Es ist keineswegs auszuschließen, dass ein in kriminellen Kreisen verkehrender Täter hinsichtlich eines bloßen Bagatelldelikts überführt wird, dieser jedoch aufgrund seiner Verbindungen ins kriminelle Milieu dennoch Kenntnis von schweren bzw. schwer aufklärbaren Taten hat und diese aufdecken kann. Dies gilt umso mehr, da § 46b StGB auch dann anwendbar ist, wenn der Kronzeuge solche Taten offenbart, deren Opfer er selbst geworden ist.381 Die Annahme, dass Bagatelltäter keine Aufklärungs- oder Präventionshilfe hinsichtlich der in § 100a II StPO genannten Delikte zu leisten vermögen, kann also spätestens mit der Begründung des Konnexitätsverzichts im Rahmen der großen Kronzeugenregelung nicht mehr aufrechterhalten werden.

381

Siehe oben S. 60.

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Zutreffend hingegen ist die Feststellung, bei Bagatelltätern gehe die Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB teilweise ins Leere. Zwar könnte nach § 49 I Nr. 2 S. 1 StGB das Höchstmaß auf drei Viertel abgesenkt werden (bei einem Diebstahl z. B. in Bezug auf die Freiheitsstrafe von fünf Jahren auf drei Jahre und neun Monate). Doch käme mangels einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe eine Absenkung des Mindestmaßes nach § 49 I Nr. 3 StGB nicht in Betracht. Dennoch ließe sich die große Kronzeugenregelung hinsichtlich der Honorierung auch auf Bagatelltäter anwenden, da diese anstelle einer bloßen Strafmilderung mit einem Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB belohnt werden könnten. Auch bei Bagatelltätern würde daher die große Kronzeugenregelung einen Anreiz zur Kooperation entfalten, wenn sie diese als taugliche Kronzeugen ansähe. Sie wäre also auch bei Einbeziehung von Tätern, deren Tat nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, zur Stärkung der Strafverfolgung geeignet. Der Ausschluss von Bagatelltätern aus dem Anwendungsbereich der großen Kronzeugenregelung lässt sich daher nicht mit dem Argument rechtfertigen, dass andernfalls § 46b StGB ein ungeeignetes Mittel zur Bekämpfung der Kriminalität wäre. Dennoch findet der Ausschluss von Bagatelltätern seine Rechtfertigung in dem Bestreben, die Verhältnismäßigkeit der Beeinträchtigung der Verfolgungsund Bestrafungspflicht zu wahren. So lassen sich nämlich sowohl eine Strafmilderung als auch eine Nichtbestrafung des kooperierenden Bagatelltäters und die dadurch geschaffene Anreizwirkung bereits auf andere Weise erzielen. Die Strafmilderung kann in ausreichendem Maße dadurch erfolgen, dass das Gericht die Aufklärungs- und Präventionshilfe des untauglichen Kronzeugen im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung nach § 46 StGB berücksichtigt.382 Auch steht den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zur Hand, dem Bagatelltäter die Bestrafung dadurch zu ersparen, dass von der Strafverfolgung nach §§ 153, 153a StPO abgesehen wird. Der untaugliche Kronzeuge hat nur ein Vergehen begangen. Auch ist die Schuld des Täters, dessen verwirklichte Tat lediglich eine nicht im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe nach sich zieht, regelmäßig als gering anzusehen. Daher stehen einer Anwendung der §§ 153, 153a StPO auf den untauglichen Kronzeugen (im Gegensatz zum tauglichen Kronzeugen383) keine Hindernisse entgegen.384 Dem untauglichen Kronzeugen kann daher im ausreichenden Maße ein Anreiz zur Vornahme einer Kronzeugenhandlung geboten werden, ohne dass es einer Anwendung des § 46b StGB bedarf. Dies gilt umso mehr, da der Gesetzgeber durch die Erhebung der in § 100a II StPO genannten Delikte in den Stand von Offenbarungstaten zum Ausdruck bringt, dass an der Verfolgung

382

Peglau, wistra 2009, 409, 412; SK/Wolters, § 46b, Rn. 9. Siehe oben S. 46. 384 Peglau, wistra 2009, 409, 412; kritisch hingegen Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 459. 383

A. § 46b StGB und das Legalitätsprinzip

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und Verhinderung gerade dieser Delikte ein besonderes Interesse besteht. Hat also der untaugliche Kronzeuge eine Kronzeugenhandlung hinsichtlich tauglicher Offenbarungstaten vorgenommen, so muss das Gericht daher im Rahmen des § 46 StGB der Aufdeckung der Offenbarungstaten besonderes Gewicht beimessen.385 Auch hinsichtlich der Entscheidung über die Anwendung der §§ 153, 153a StPO haben die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht die vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachte hohe Wertschätzung solcher Kronzeugenhandlungen im besonderen Maße zu berücksichtigen, die sich auf Taten i. S. d. § 100a II StPO beziehen.386 Die von § 46b I StGB vorgesehenen Rechtsfolgen stellen sich daher für Täter von Straftaten, die nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht sind, als überflüssig heraus. Zwar wurde oben ausgeführt, dass hinsichtlich eines tauglichen Kronzeugen die §§ 153 ff. StPO eine weniger motivierende Wirkung entfalten und daher zur Zweckerreichung auch weniger geeignet sind als die große Kronzeugenregelung.387 Auf den untauglichen Kronzeugen kann diese Feststellung hingegen nicht übertragen werden. Für diesen lässt sich bereits aus § 46b I StGB ableiten, dass die von ihm vorgenommene Offenbarung von Taten i. S. d. § 100a II StPO im Rahmen der Strafzumessung oder bei Anwendung der §§ 153, 153a StPO von den Gerichten besonders stark berücksichtigt werden muss (auch wenn die Kronzeugenregelung selbst auf ihn direkt nicht anwendbar ist). Sein Verteidiger wird ihn ggf. auf diesen Umstand hinweisen müssen. Somit sind für ihn die Konsequenzen seiner Kronzeugenhandlung in ähnlicher Weise vorhersehbar wie für den tauglichen Kronzeugen, welcher eine Behandlung nach § 46b I StGB erfährt. Mithin dient die Begrenzung des Kreises tauglicher Kronzeugen der Wahrung des Rechtsstaatsprinzips als Repräsentant des Legalitätsprinzips, da die Honorierung des Bagatelltäters durch § 46b StGB eine nicht erforderliche und somit unverhältnismäßige Beeinträchtigung dieses Prinzips darstellen würde. Auch stellt die Differenzierung ihrerseits ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Erreichen dieses Zwecks dar. Zudem ist die Differenzierung als angemessen anzusehen, da der Wahrung der Verfolgungsund Bestrafungspflicht eine nur geringe Schlechterstellung des untauglichen Kronzeugen gegenübersteht. Daher lässt sich auch die Differenzierung zwischen tauglichem und untauglichem Kronzeugen rechtfertigen.388 3. Ergebnis Somit ist festzuhalten, dass die in vierfacher Form vorgenommene Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Die große Kronzeugenregelung lässt sich also auch 385

BT-Dr. 16/6268, S. 10. BT-Dr. 16/6268, S. 10. 387 Siehe oben S. 49. 388 Ablehnend aber Sahan/Berndt, BB 2010, 647, 648; Bedenken hegen ebenfalls Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 460. 386

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

mit dem durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Willkürverbot vereinbaren.389

III. Zusammenfassung: § 46b StGB und das Legalitätsprinzip Die gegen die große Kronzeugenregelung vorgetragenen Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip greifen nicht durch. Beide Quellen des Legalitätsprinzips erfahren zwar durch § 46b StGB eine Beeinträchtigung. Eine Verletzung kann aber nicht festgestellt werden. Die große Kronzeugenregelung verträgt sich daher sowohl mit der durch das Rechtsstaatsprinzip vorgegebenen Verfolgungsund Bestrafungspflicht als auch mit dem Willkürverbot aus Art. 3 I GG. Durch Gegenüberstellung von § 46b StGB und Rechtsstaatsprinzip lassen sich zudem konkrete Ergebnisse hinsichtlich der Auslegung, was die Aufklärungs- und Präventionshilfe sowie die Ermessensausübung angeht, herausarbeiten.390 Wird also § 46b StGB mit Bedacht und unter Berücksichtigung der herausgearbeiteten Kriterien angewandt, sind die Vorgaben des Legalitätsprinzips gewahrt.

B. § 46b und das Schuldprinzip Die große Kronzeugenregelung sieht sich aber nicht nur dem (nun beseitigten) Vorwurf ausgesetzt, gegen das Legalitätsprinzip zu verstoßen. Seit jeher wird ebenfalls gegen Kronzeugenregelungen angeführt, diese seien mit dem Schuldprinzip unvereinbar.391 Dem Schuldprinzip lassen sich zwei Grundsätze entnehmen: Zum einen setzt die Bestrafung des Täters dessen Schuld voraus (Keine Strafe ohne Schuld).392 Zum anderen zwingt das Schuldprinzip dazu, die Strafe nach der Schuld des Täters zu bemessen.393 Nur letzterer Grundsatz schuldangemessenen Strafens ist Gegenstand der Kritik an der großen Kronzeugenregelung. Indem § 46b StGB die Strafmilderung bzw. das Absehen von Strafe für den Kronzeugen ermöglicht, könnte hier die für den Kronzeugen schuldangemessene Strafe unterschritten werden, mithin ein Verstoß gegen diese Ausprägung des Schuldprinzips zu erkennen sein. Der Grundsatz schuldangemessenen Strafens findet, zumindest teilweise, seine Verankerung in der Verfassung, nämlich im 389

So auch Peglau, wistra 2009, 409, 412 f. Vgl. die Zusammenfassung auf S. 110. 391 So zu § 46b StGB ausdrücklich die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Dr. 16/ 6268, S. 18; Albrecht, Stellungnahme, S. 12; Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 139; Mushoff, KritV 2007, 366, 379; NK/Streng, § 46b, Rn. 5; SK/Wolters, § 46b, Rn. 30 f. 392 Jakobs, Das Schuldprinzip, S. 7; Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 15; Kühl, AT, § 10, Rn. 2; ders., FS Richter II, 341, 350; Roxin, AT I, § 19, Rn. 18. 393 Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, S. 224; Hettinger, Das Doppelverwertungsverbot, S. 73; Jescheck/Weigend, S. 23; Maurach/Zipf, AT I, § 7, Rn. 15; Wessels/Beulke, Rn. 398. 390

B. § 46b und das Schuldprinzip

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Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I, 1 I GG394 sowie als Teilaspekt des Rechtsstaatsprinzips.395 Jedoch greift die verfassungsrechtliche Verankerung nur in Bezug auf die Schuld des Täters als Obergrenze der Strafe. Verfassungsrang kommt daher nur dem Umstand zu, dass die verhängte Strafe die Schuld des Täters nicht übersteigen darf.396 Ein Verbot der Schuldunterschreitung durch die Strafe lässt sich der Verfassung hingegen nicht entnehmen.397 Dennoch ist auch hier dem Gesetzgeber kein Freibrief ausgestellt, die schuldunterschreitende Bestrafung zuzulassen. Vielmehr steht die Bestrafung des Täters nur dann mit der Verfassung in Einklang, wenn das verfassungsrechtliche Gebot sinnvollen Strafens gewahrt wird, also die anerkannten Strafzwecke gewährleistet bleiben.398 Mit anderen Worten: Zwar ist das Verbot der schuldunterschreitenden Bestrafung nicht schlechthin der Verfassung zu entnehmen. Eine schuldunangemessene Strafe ist aber dennoch unzulässig, wenn wegen der die Schuldunterschreitung begründenden geringen Höhe der Strafe die anerkannten Strafzwecke nicht mehr realisiert werden. Es bedarf daher der Untersuchung, ob die durch § 46b I StGB vorgesehene Honorierung eine Bestrafung des Kronzeugen ermöglicht, welche die von ihm verwirklichte Schuld unterschreitet. Ist dies der Fall, schließt sich hieran die Frage an, ob die große Kronzeugenregelung trotz Schuldunterschreitung die Strafzwecke wahrt.

I. Die Grundsätze der Strafzumessung Um sich der Frage nach der Schuldangemessenheit der für den Kronzeugen von § 46b StGB vorgesehenen Bestrafung zu nähern, muss sich zunächst den allgemeinen Grundsätzen der Strafzumessung zugewandt werden. Grundlage für die Strafzumessung ist nach § 46 I 1 StGB die Schuld des Täters. Gemeint ist hier nicht die Strafbegründungsschuld, also die Frage nach der Vorwerfbarkeit des Täterverhaltens.399 Vielmehr bezieht sich § 46 I 1 StGB auf die Strafzumessungsschuld, also das Maß des vom Täter verwirklichten Unrechts.400 Die Straf394

BVerfGE 45, 187, 259 f.; 95, 96, 140; NStZ 1992, 379. BVerfGE 20, 323, 331; 45, 187, 259 f.; 95, 96, 140; NStZ 1992, 379; Salditt, StV 2009, 375, 376. 396 Vgl. BVerfGE 25, 269, 286; 45, 187, 260; 95, 96, 140. 397 Jeßberger, Kooperation, S. 86; Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 464; Maurach/Zipf, AT I, § 7, Rn. 24. 398 BVerfGE 32, 98, 109; 45, 187, 253 f.; Jeßberger, Kooperation, S. 86; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, S. 22. 399 Dölling/Rössner/Kempfer, § 46, Rn. 12; Fischer, § 46, Rn. 5; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 23; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 164; MK/Franke, § 46, Rn. 12; Roxin, FS Bockelmann, 279, 304; Sch/Sch/Stree/Kinzig, § 46, Rn. 9a; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 311; a.A: SK/Horn, § 46, Rn. 42. 400 Lackner/Kühl, § 46, Rn. 23; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 164; MK/ Franke, § 46, Rn. 12; Roxin, FS Bockelmann, 279, 304; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 311. 395

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zumessungsschuld setzt sich aus zwei Bausteinen zusammen: dem Erfolgs- und Handlungsunrecht.401 Vom Erfolgsunrecht wird das vom Täter durch die Rechtsgutsverletzung verwirklichte Unrecht erfasst.402 Das Handlungsunrecht wiederum betrifft die Art und Weise der Rechtsgutsverletzung unter Berücksichtigung des Vorsatzes und der sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale.403 Unter Einbeziehung des vom Täter verwirklichten Erfolgs- und Handlungsunrechts muss das Gericht die Strafzumessungsschuld herausarbeiten und hiernach die Strafe bemessen. Begrenzt wird die Strafe des Täters zunächst durch den gesetzlichen Strafrahmen.404 Die konkrete Höhe der Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens hat der Richter sodann unter Anwendung der sog. Spielraumtheorie zu bestimmen: Innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens hat der Richter einen gewissen Spielraum hinsichtlich der Festlegung der schuldangemessenen Strafe.405 Dieser Spielraum ist nach unten durch die schon schuldangemessene Strafe und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt.406 Bei Bestimmung der Grenzen dieses Spielraums ist das vom Täter verwirklichte Handlungsund Erfolgsunrecht heranzuziehen. Lediglich innerhalb dieses so ermittelten Spielraums kann das Gericht schuldunabhängige Umstände heranziehen, um die konkrete Strafe zu bestimmen. Insbesondere die Strafzwecke der General- und Spezialprävention können Berücksichtigung finden. Diese dürfen aber grundsätzlich nicht dazu führen, dass die schuldangemessene Strafe unterschritten407 oder überschritten408 wird.

II. Schuldrelevanz der Kronzeugenhandlung Durch die große Kronzeugenregelung wird es dem Gericht ermöglicht, den vom Gesetz vorgegebenen Regelstrafrahmen des Kronzeugen nach §§ 46b I 1, 401 Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 165; ders., JuS 2005, 769, 771; MK/Franke, § 46, Rn. 12; Torka, Nachtatverhalten und Nemo tenetur, S. 34; Satzger/Eschelbach, § 46, Rn. 75; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 312. 402 Ebert/Kühl, Jura 1981, 225, 231; Jescheck/Weigend, S. 239; Kühl, AT, § 3, Rn. 3; Roxin, AT I, § 10, Rn. 88; Wessels/Beulke, Rn. 15. 403 Ebert/Kühl, Jura 1981, 225, 231; Jakobs, AT, S. 167; Jescheck/Weigend, S. 241; Kühl, AT, § 3, Rn. 4 f.; Roxin, AT I, § 10, Rn. 88. 404 Dölling/Rössner/Kempfer, § 46, Rn. 4; Fischer, § 46, Rn. 16; Maurach/Gössel/ Zipf, AT II, § 62, Rn. 15. 405 BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 266 f.; 28, 318, 326. 406 BGHSt 7, 28, 32. 407 BGHSt 24, 132, 134; 29, 319, 321 f.; NStZ 1982, 464, 465; Jescheck/Weigend, S. 25 und S. 879; Jeßberger, Kooperation, S. 86, Fn. 17; anders aber Teile der Literatur, die eine Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe aus spezialpräventiven Gründen als zulässig ansehen, solange die Grundsätze der positiven Generalprävention nicht entgegenstehen: Günther, JZ 1989, 1025, 1029; Horstkotte, JZ 1970, 122, 124; Lackner/ Kühl, § 46, Rn. 24; Roxin, AT I, § 3, Rn. 53; ders., FS Bockelmann, 279, 308; Wolter, GA 1980, 81, 94. 408 BGHSt 7, 28, 32; 20, 264, 267; 34, 150, 151.

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49 I StGB nach unten zu verschieben bzw. von Strafe abzusehen. Das Mindestmaß des gesetzlichen Regelstrafrahmens gibt die äußerste Grenze der schon schuldangemessenen Strafe vor. Indem durch die große Kronzeugenregelung auch eine Absenkung des Mindestmaßes des gesetzlichen Regelstrafrahmens bzw. das Absehen von Strafe ermöglicht wird, führt dies in jedem Falle zu einer Unterschreitung der schon schuldangemessenen Strafe, wenn nicht zugleich mit der vorgenommenen Aufklärungs- oder Präventionshilfe eine Absenkung der Strafzumessungsschuld des Kronzeugen einhergeht. Zwar zieht eine aufgrund einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB verhängte Strafe nicht zwingend die Unterschreitung der durch den Regelstrafrahmen vorgesehenen Mindeststrafe nach sich.409 Doch muss zum einen dennoch bei Anwendung der Strafrahmenverschiebung die Strafe des Täters niedriger ausfallen als bei Anwendung des Regelstrafrahmens.410 Zum anderen genügt bereits die gesetzlich verankerte Einräumung der Möglichkeit, die schuldangemessene Strafe zu unterschreiten, um das Schuldprinzip zu beeinträchtigen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I Nr. 1, 2 StGB ein Nachtatverhalten i. S. d. § 46 II 2 StGB darstellt, welchem Schuldrelevanz zuzubilligen ist. Ist dies nicht der Fall, ermöglicht die große Kronzeugenregelung die Verhängung einer schuldunterschreitenden Strafe und greift in das Schuldprinzip ein. Wenn hingegen durch die Vornahme der Aufklärungsoder Präventionshilfe gleichzeitig das Handlungs- oder Erfolgsunrecht des Täters verringert wird, senkt sich hierdurch die verwirklichte Strafzumessungsschuld ab. Mithin verliefe die an die Kronzeugenhandlung knüpfende Möglichkeit der Unterschreitung des gesetzlichen Regelstrafrahmens parallel zu einer Verringerung der Strafzumessungsschuld des Kronzeugen. In diesem Falle wäre das Schuldprinzip nicht beeinträchtigt. Wann einem Nachtatverhalten i. S. d. § 46 II 2 StGB Schuldrelevanz zugebilligt werden kann, bestimmt sich nach der sog. Indizkonstruktion.411 Danach führt zwar das Nachtatverhalten nicht selbst zu einer nachträglichen Unrechtsminderung; das Handlungs- und Erfolgsunrecht steht vielmehr mit Vollendung der Tat fest.412 Jedoch kann das Verhalten des Täters trotzdem zur Bestimmung der Strafzumessungsschuld herangezogen werden, wenn das Nachtatverhalten zu der 409 BGH JZ 1956, 500; Dreher, JZ 1956, 682; Lackner/Kühl, § 49, Rn. 10; Peglau, wistra 2009, 409, 414, Fn. 65. 410 Fischer, § 49, Rn. 2; LK/Theune, § 49, Rn. 2. 411 BGHSt 1, 105, 106; 4, 8, 11; NStZ 1984, 259; StV 1988, 340 f.; Bruns, Strafzumessung, S. 220; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 36; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 454; kritisch Hauer, Geständnis und Absprache, S. 113 f. 412 BGHSt 1, 105, 106; Bruns, Strafzumessung, S. 219; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 40; Satzger/Eschelbach, § 46, Rn. 106; SK/Horn, § 46, Rn. 132; a. A. wohl Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 63, Rn. 52–56 und Schaffstein, FS Gallas, 99, 113 f., die jedenfalls dann eine unmittelbare Schuldrelevanz des nach der Tat vorgenommenen Verhaltens nicht von vornherein ausschließen, wenn dieses einen engen Bezug zur Tat aufweist.

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Tat in einem inneren Zusammenhang steht und es Schlüsse auf die bei Tatbegehung verwirklichte Schuld zulässt.413 In diesem Fall hat das Verhalten nach der Tat Schuldrelevanz. Kommt nun der Aufklärungs- und Präventionshilfe solch eine Indizwirkung hinsichtlich der vom Kronzeugen verwirklichten Schuld zu? Im Falle fehlender Konnexität zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat muss dies abgelehnt werden. Bei fehlendem Konnex liegt ein innerer Zusammenhang zwischen der Tat des Kronzeugen und der offenbarten Tat gerade nicht vor. Mithin ermöglicht die zeitlich nachfolgende Kronzeugenhandlung auch keinen Schluss auf ein vom Kronzeugen verwirklichtes nur geringes Unrechtsmaß. Die Kronzeugenhandlung hat bei fehlender Konnexität keine Schuldrelevanz.414 Doch auch wenn sich die Kronzeugenhandlung des Kronzeugen auf eine Tat bezieht, an der er selbst beteiligt war, kann diese nicht als Indiz für eine nur geringe Schuldverwirklichung herangezogen werden. Zwar besteht in diesem Falle ein innerer Zusammenhang zwischen Kronzeugenhandlung und der vom Kronzeugen selbst begangenen Tat. Dennoch lässt dieses Verhalten des Kronzeugen nach der Tat keinen Schluss auf ein von ihm verwirklichtes, nur geringes Unrechtsmaß zu. Es taugt als Indiz für die handlungsunrechtsmindernde Einstellung des Täters bei der Tatbegehung und die damit einhergehende verringerte Strafzumessungsschuld nicht: Der Kronzeuge nimmt die Kooperation nicht aus solchen Motiven vor, welche ein geringes Handlungsunrecht bei Begehung der Tat nahelegen. Nicht Reue und die damit einhergehende Bereitschaft zur Aufklärung des eigenen Tatbeitrags veranlassen den Kronzeugen zur Belastung von Tatbeteiligten.415 Vielmehr ist es i. d. R. die Aussicht auf Strafmilderung, die zur Kooperation bewegt. Dem Verhalten des Kronzeugen nach der Tat fehlt es daher an einem Anknüpfungspunkt für die Beurteilung des bei Tatbegehung selbst verwirklichten Unrechts. Der Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat vermag daran nichts zu ändern. Auch wenn sich die Kronzeugenhandlung auf die Offenlegung von Tatbeteiligten bezieht, kommt ihr somit keine Schuldrelevanz zu.416 Sie 413 BGHSt 1, 105, 106; 4, 8, 11; NStZ 1984, 259; StV 1988, 340 f.; Satzger/Eschelbach, § 46, Rn. 117; Sch/Sch/Stree/Kinzig, § 46, Rn. 39. 414 Fezer, FS Lenckner, 681, 696; Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 139; NK/Streng, § 46b, Rn. 5; Salditt, StV 2009, 375, 376; vgl. auch die Stellungnahmen der Fraktionen Bündnis90/Die Grünen sowie der FDP in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 20.05.2009, BT-Dr. 16/13094, S. 6 f. 415 Das Fehlen von Reue steht aber der Annahme einer Freiwilligkeit der Kronzeugenhandlung nicht entgegen, siehe oben S. 64. Auch die mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung des eigenen Beitrags kann nicht gegen einen Aufklärungserfolg angeführt werden, siehe oben S. 85. 416 Ebenso Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 464; offengelassen von BT-Dr. 16/ 6268, S. 11, 13. Die Schuldrelevanz der (allesamt einen Konnex voraussetzenden) Kronzeugenhandlungen i. S. der kleinen Kronzeugenregelungen ablehnend aber bereits Fezer, FS Lenckner, 681, 695 f.; Jeßberger, Kooperation, S. 87 f.; Lehmann, StraFo 1999, 109, 112; Quentin, FS Stöckel, 463, 467; Weber, § 31, Rn. 160; Weigend, ZStW 109 (1997),

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senkt den Rahmen der schon und noch schuldangemessenen Strafe nicht ab. Ohne die große Kronzeugenregelung müsste die Aufklärungs- und Präventionshilfe daher allein innerhalb dieses Rahmens als schuldunabhängiger Gesichtspunkt berücksichtigt werden.417 Indem § 46b I StGB eine Strafrahmenverschiebung sowie das Absehen von Strafe trotz des Fehlens einer mit der Kronzeugenhandlung einhergehenden Schuldminderung ermöglicht, wird daher das Schuldprinzip, der Grundsatz schuldangemessenen Strafens, beeinträchtigt.

III. Systemfremdheit der Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe durch § 46b StGB Bevor auf die Rechtfertigung dieser Beeinträchtigung eingegangen wird, gilt festzuhalten, dass die Instrumente, mit denen die große Kronzeugenregelung eine schuldunterschreitende Bestrafung des Kronzeugen ermöglicht, dem Strafrecht keineswegs fremd sind. So sehen zahlreiche weitere Vorschriften eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB oder das Absehen von Strafe vor. Es gilt daher zu untersuchen, ob diese Vorschriften ebenfalls zu einer schuldunterschreitenden Bestrafung des Täters führen oder in sonstiger Weise Schnittmengen mit der großen Kronzeugenregelung aufweisen, die für die Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Schuldprinzips auch auf die große Kronzeugenregelung übertragen werden können.418 Dies wird zeigen, ob sich die große Kronzeugenregelung hinsichtlich der Rechtsfolgen in ein bestehendes System der Strafzumessung unproblematisch eingliedern lässt oder vielmehr die Position eines Fremdkörpers einnimmt. 1. Der Verweis durch § 46b I 1 StGB auf § 49 I StGB Die Belohnung des Kronzeugen mit einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB muss als atypisch angesehen werden.419 Grundsätzlich ziehen nämlich nur solche Umstände eine Milderung nach § 49 I StGB nach sich, die durch ein erheblich verringertes Handlungs-420 oder Erfolgsunrecht421 geprägt sind. In diesen Fällen geht daher die Strafrahmenmilderung mit einer verringerten Strafzumessungsschuld einher. Eine Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe bleibt also gerade aus. Die Kronzeugenhandlung lässt hingegen das in der Kron103, 113; vgl. auch Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 67, 165; a.A: Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, S. 229. 417 Vgl. BGHSt 4, 8, 11; Detter, StraFo 1997, 193, 196; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 386; Theune, StV 1985, 205, 206. 418 Ähnlich Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 465. 419 NK/Streng, § 46b, Rn. 5. 420 So z. B. bei §§ 13 II, 21, 27 II 2, 28 I, 35 I 2, II 2 StGB. 421 So z. B. bei §§ 23 II, 30 I 2, 111 II 2 StGB.

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zeugentat zum Ausdruck gebrachte Unrecht unangetastet; sie ändert, wie gerade festgestellt, an der Strafzumessungsschuld nichts. Die an die (schuldirrelevante) Kronzeugenhandlung geknüpfte Strafrahmenverschiebung stellt sich daher als systemfremd dar.422 2. Das Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB Auch hinsichtlich des in § 46b I 4 StGB geregelten Absehens von Strafe kann auf zahlreiche Vorschriften verwiesen werden, die die gleiche Rechtsfolge vorsehen. Wenigstens in Bezug auf das Absehen von Strafe könnte sich die große Kronzeugenregelung daher in ein bestehendes System einordnen lassen. Begonnen werden soll aber zunächst mit § 24 StGB. Diese Norm sieht zwar andere Rechtsfolgen nach sich. Dennoch wurden immer wieder Parallelen zwischen ihr und Kronzeugenregelungen gezogen.423 § 24 StGB statuiert im Gegensatz zur großen Kronzeugenregelung einen persönlichen Strafaufhebungsgrund.424 Zwar beseitigt der Rücktritt die vom Täter verwirklichte Strafbegründungsschuld nicht.425 Der Täter wird aber nicht verurteilt; er ist freizusprechen.426 Anders als beim bloßen Absehen von Strafe bleibt dem Täter daher der Schuldspruch und die damit einhergehende sozialethische Missbilligung427 erspart. Trotz der unterschiedlichen Rechtsfolgen werden Kronzeugenregelungen immer wieder in die Nähe des Rücktritts gerückt,428 ja sogar als Kreuzungsprodukt des Rücktritts angesehen.429 Diese behauptete Ähnlichkeit hält aber einer genaueren Untersuchung, zumindest was die große Kronzeugenregelung angeht, nicht stand. So unterscheiden sich schon die Gründe für die Strafbefreiung nach § 24 StGB von jenen Beweggründen, die zur Statuierung des Absehens von Strafe nach § 46b I 4 StGB führen. Der Grund der Strafbefreiung nach § 24 StGB wird uneinheitlich bewertet. Nach der Theorie der „goldenen Brücke“ soll dem Täter der Weg zurück in die Gesetzmäßigkeit geebnet werden.430 Wohl herr422 423

Ebenso NK/Streng, § 46b, Rn. 5. Vgl. nur Fabel, Geldwäsche und tätige Reue, S. 173 sowie Hoyer, JZ 1994, 233,

240. 424 Baumann/Weber/Mitsch, § 27, Rn. 1, 4, 5; Fischer, § 24, Rn. 2; Jescheck/Weigend, S. 548, 553; Kühl, AT, § 16, Rn. 8; Lackner/Kühl, § 24, Rn. 1; Sch/Sch/Eser, § 24, Rn. 4; a.A: NK/Zaczyk, § 24, Rn. 5 und Streng, ZStW 101 (1989), 273, 324, die den Rücktritt als Schuldaufhebungsgrund ansehen sowie Roxin, FS Heinitz, 251, 273, der im Rücktritt einen Schuldausschließungsgrund erkennt. 425 Baumann/Weber/Mitsch, § 27, Rn. 5; Jescheck/Weigend, S. 548; Kühl, AT, § 16, Rn. 8. 426 Bauman/Weber/Mitsch, § 27, Rn. 6; Vogler, ZStW 98 (1986), 331, 336. 427 Zur Wirkung des Absehens von Strafe siehe oben S. 98. 428 Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, S. 228; Hoyer, JZ 1994, 233, 240; vgl. auch Mushoff, KritV 2007, 366, 377. 429 Fabel, Geldwäsche und tätige Reue, S. 173; Hoyer, JZ 1994, 233, 240.

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schend ist die Strafzwecktheorie, wonach das Bedürfnis der Bestrafung aus Gründen der Spezialprävention sowie der positiven Generalprävention entfällt:431 Durch den Rücktritt habe sich der Täter als weniger gefährlich erwiesen.432 Zudem sei es dem zurückgetretenen Täter gelungen, die durch seinen Versuch verursachte Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung in die Geltungskraft des Rechts abzumildern.433 Diese Gründe lassen sich auf den Kronzeugen i. S. d. § 46b StGB nicht übertragen. § 46b I 4 StGB dient nicht dazu, dem Kronzeugen eine Brücke zurück in die Legalität zu bauen. Die Tür zurück in die Gesetzmäßigkeit ist für denjenigen, der erst nach Begehung seiner Tat eine andere Tat offenlegt, bereits „zugeschlagen“.434 Auch durch die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden öffnet sich diese Türe nicht erneut. Ebenfalls legt der Kronzeuge durch die Offenbarung von Straftaten keine geringere Gefährlichkeit an den Tag. Aus der Kooperation hinsichtlich der Überführung anderer Täter lässt sich der Schluss auf eine vom Kronzeugen ausgehende geringere Gefährlichkeit nicht ziehen. Zudem macht der Kronzeuge auch nicht die durch seine Tat verursachte Beeinträchtigung des Vertrauens der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung (wenigstens zum Teil) rückgängig: Anders als beim Rücktritt bezieht sich die Kronzeugenhandlung nicht auf den eigenen Tatbeitrag, sondern auf die Belastung Dritter. Indem der Kronzeuge die Täter von Offenbarungstaten i. S. d. § 100a II StPO offenlegt, die nicht einmal im Konnex zur selbst begangenen Tat stehen müssen, trägt er zur Beseitigung der Beeinträchtigung des Vertrauens der Bevölkerung in die Geltungskraft der Rechtsordnung, die durch seine eigene Tat verursacht wurde, in keiner Weise bei. Allenfalls hinsichtlich der offenbarten Tat mag es ihm durch die Kronzeugenhandlung gelingen, den Vertrauensbruch zu mildern.435 In Bezug auf die eigene Tat bzw. bezüglich des eigenen Tatbeitrags (im Falle eines Konnexes zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat) bleibt ihm dieser Erfolg, anders als beim Rücktritt, versagt.436 Die für die Strafbefreiung des Rücktritts herangezogenen Gründe decken daher nicht das Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB ab. Mithin können auf die große Kronzeugenregelung keine für den Rücktritt geltenden Wertungen übertragen werden.

430 von Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 315; Stratenwerth/Kuhlen, § 11, Rn. 70; vgl. auch NK/Zaczyk, § 24, Rn. 2. 431 Bloy, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, S. 160; Kühl, AT, § 16, Rn. 5 f.; Krauß, JuS 1981, 883, 888; Lackner/Kühl, § 24, Rn. 2; Roxin, AT II, § 30, Rn. 10; SK/Rudolphi, § 24, Rn. 4; vgl. auch Lampe, JuS 1989, 610 f. 432 BGHSt 37, 340, 345 f.; Kühl, AT, § 16, Rn. 6. 433 Kühl, AT, § 16, Rn. 5. 434 Allenfalls für die Präventionshilfe nach § 46b I 1 Nr. 2 StGB mag dies anders sein. 435 Zur Wirkung der Kronzeugenhandlung auf die Strafzwecke ausführlich unten S. 131 ff. 436 Fezer, FS Lenckner, 681, 696; Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 33; Weigend, ZStW 109 (1997), 103, 113.

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Wie sieht es aber mit den Vorschriften der tätigen Reue aus? Diese sehen, anders als der strafbefreiende Rücktritt, ebenso wie § 46b I 4 StGB ein Absehen von Strafe vor.437 Aber weisen diese mit der Kronzeugenregelung, von der Rechtsfolge abgesehen, noch weitere Schnittmengen auf? Dies muss verneint werden, wenn man sich die Parallelen von tätiger Reue und Rücktritt vor Augen führt. Die Vorschriften der tätigen Reue erfassen jene Fälle, in denen der Täter trotz formeller Vollendung des Delikts (und des damit einhergehenden Ausscheidens eines Rücktritts438) einen außertatbestandlichen Erfolg hat verhindern können.439 Letztlich stellen sie besondere Rücktrittsvorschriften dar.440 Sie beruhen daher auch auf den gleichen Erwägungen wie die Rücktrittsregelung des § 24 StGB.441 Auch hier soll dem Täter eine goldene Brücke gebaut werden bzw. entfällt das Strafbedürfnis wegen der geringen Gefährlichkeit des Täters und/oder aufgrund der Stärkung des Vertrauens in die Geltungskraft der Rechtsordnung. Diese Erwägungen greifen, wie gerade dargestellt, beim Kronzeugen nach § 46b StGB in Bezug auf das von ihm selbst verwirklichte Unrecht aber gerade nicht. Zwar ließe sich hören, durch die Prävention- und Aufklärungshilfe gelänge dem Kronzeugen ebenfalls die Verhinderung eines gewissen, außertatbestandlichen Erfolgs. Hierbei bliebe aber unberücksichtigt, dass die große Kronzeugenregelung gerade keinen Bezug zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat verlangt. Doch selbst wenn dieser vorliegt, bezieht sich die Kronzeugenhandlung nicht auf den eigenen Tatbeitrag, sondern auf die Offenlegung der Beiträge Dritter. Die enge Verknüpfung von eigenem Tatbeitrag und verhindertem Erfolg, welche die Vorschriften der tätigen Reue kennzeichnet, fehlt bei § 46b StGB gerade. Somit weist die große Kronzeugenregelung auch hinsichtlich der hinter den Vorschriften der tätigen Reue stehenden Beweggründe keine Ähnlichkeit auf.442 Ebenfalls fehlen, mit Ausnahme der Rechtsfolgen, Schnittmengen mit dem Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB.443 Der Kronzeuge wird nicht für den Ausgleich mit „seinem“ Opfer belohnt, sondern für die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden. Nicht Aussöhnung mit dem Opfer, sondern allenfalls Aussöhnung mit der Gesellschaft ist Grund der Honorierung. An die Folgen seiner Tat knüpft die große Kronzeugenregelung, mit Ausnahme der Berücksichtigung

437 So z. B. §§ 83a, 87 III, 98 II 1, 142 IV, 158 I, 266a VI 1, 306e, 314a II, 320 II, 330b I 1 StGB. 438 Lackner/Kühl, § 24, Rn. 29; LK/Laufhütte/Kuschel, § 83a, Rn. 1. 439 Vgl. Blöcker, Die tätige Reue, S. 42; Lackner/Kühl, § 24, Rn. 29. 440 Lackner/Kühl, § 24, Rn. 29. 441 Vgl. Lackner/Kühl, § 142, Rn. 38; NK/Paeffgen, § 83a, Rn. 2; Sch/Sch/Sternberg-Lieben, § 83a, Rn. 1; SK/Rudolphi, § 83a, Rn. 1. 442 So wohl auch Mushoff, KritV 2007, 366, 378; anders zu § 31 BtMG a. F. aber Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen, S. 252 sowie Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 35 hinsichtlich Kronzeugenregelungen im Allgemeinen. 443 Zu § 46a StGB siehe Kühl/Heger, JZ 2002, 363 f.

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im Ermessen nach § 46b II Nr. 2 StGB, gerade nicht an. Aus diesem Grund scheitert auch eine Vergleichbarkeit mit dem Absehen von Strafe nach § 60 StGB. Nach § 60 S. 1 StGB ist von Strafe abzusehen, wenn die den Täter selbst getroffenen Folgen seiner Tat die Verhängung der Strafe offensichtlich verfehlt erscheinen lassen, weil der Täter sich so schwer selbst geschädigt hat, dass diese Folgen seine Schuld kompensieren und daher das Strafbedürfnis entfällt.444 Zwar können aus der Kronzeugenhandlung selbst nachteilige Wirkungen für den Kronzeugen folgen. So ist er mit dem Makel des Denunziantentums behaftet445 und sieht sich oftmals der Gefahr von Racheakten ausgesetzt.446 Schwere Folgen der Kronzeugentat treffen den Kronzeugen hingegen i. d. R. nicht. Auch fehlen grundlegende Übereinstimmungen mit den §§ 113 IV, 157, 174 IV, 182 VI StGB, die im Gegensatz zu § 46b StGB ein verringertes Handlungsunrecht des Täters berücksichtigen. Daher lassen sich auch im Hinblick auf § 46b I 4 StGB keine Parallelen zu bisher bestehenden, ebenfalls das Absehen von Strafe vorsehenden Vorschriften ziehen. Sowohl hinsichtlich der Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB als auch in Bezug auf das Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB lässt sich somit die große Kronzeugenregelung nicht in das bestehende Gefüge systemkonform einbringen. Zwar bestehen bereits kleine Kronzeugenregelungen (§§ 129 VI, 129a VII StGB, 31 BtMG), die ein Absehen von Strafe vorsehen, sodass diesbezüglich ein bereits bestehendes System ausgemacht werden könnte. Jedoch können die bisherigen Kronzeugenregelungen schon deswegen nicht herangezogen werden, weil sie allesamt einen Konnex zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat verlangen, mithin einen zu § 46b StGB grundlegenden Unterschied aufweisen. § 46b StGB stellt daher einen Fremdkörper dar.447 Die durch die Norm ermöglichte Unterschreitung der schuldangemessenen Strafe findet somit (mit Ausnahme der bereits bestehenden kleinen Kronzeugenregelungen) keinen Vergleich.

IV. Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Grundsatzes schuldangemessenen Strafens Dennoch bedeutet dies nicht, dass die durch § 46b StGB ermöglichte Unterschreitung der schuldangemessenen Bestrafung des Kronzeugen nicht dennoch Bestand haben kann. Hierfür müsste sich aber die Bestrafung des Kronzeugen unter Berücksichtigung der großen Kronzeugenregelung trotz Schuldunterschrei444 BGHSt 27, 298, 300; NStZ 1997, 121, 122; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 245. 445 Jeßberger, Kooperation, S. 89 f. 446 Ausführlich dazu oben S. 43. 447 Ebenso NK/Streng, § 46b, Rn. 5.

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tung als sinnvoll herausstellen.448 Sie müsste insbesondere mit den anerkannten Strafzwecken vereinbar sein.449 Die große Kronzeugenregelung ist daher trotz der Ermöglichung einer schuldunterschreitenden Bestrafung und der Systemfremdheit mit dem Schuldprinzip vereinbar, wenn sie die Strafzwecke wahrt. 1. Die Strafzwecke Dies verlangt zunächst, sich mit den anerkannten Zwecken der Strafe auseinanderzusetzen. Nach den repressiven Straftheorien erschöpft sich der Sinn der Strafe im Schuldausgleich zur Herstellung von Gerechtigkeit.450 Hingegen knüpfen die präventiven (auch als „relative“ Theorien bezeichneten) Strafzwecktheorien an die Präventionswirkung der Strafe an.451 Die von Franz von Liszt durch das Marburger Programm begründete Theorie der Spezialprävention452 setzt hinsichtlich des Zwecks der Strafe am Täter selbst an. Dieser soll durch die Bestrafung von künftigen Straftaten abgehalten werden, und zwar durch Abschreckung sowie Resozialisierung, wobei unverbesserliche Gewohnheitstäter unschädlich zu machen sind.453 Die Lehre der Generalprävention hingegen knüpft nicht unmittelbar am Täter an und lässt sich in zwei Ausprägungen aufspalten. Der Teilaspekt der negativen Generalprävention, der auf Feuerbach zurückgeht,454 betont die Wirkung der Strafe, potentielle Täter durch Abschreckung von der Begehung ähnlicher Taten abzuhalten.455 Von der Bestrafung des Straftäters soll daher ein 448

Vgl. oben S. 123. Vgl. Jeßberger, Kooperation, S. 86. 450 Die repressiven Straftheorien werden auch als „absolute“ Theorien bezeichnet, vgl. Roxin, AT I, § 3, Rn. 2. Die begriffliche Unterscheidung zwischen „relativen“ und „absoluten“ Strafrechtstheorien ist aber insoweit ungenau, als auch die repressiven Theorien die Strafe nicht als „sinnfrei“ ansehen, der Sinn der Strafe sich vielmehr lediglich im Schuldausgleich erschöpfen soll, vgl. Lackner/Kühl, § 46, Rn. 2. Zu den repressiven, in ihrer Reinform überholten und maßgeblich von Kant, Hegel und Binding vertretenen Strafzwecktheorien siehe Baumann/Weber/Mitsch, § 3, Rn. 50–59; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 3; Jakobs, AT, S. 15 ff.; Jescheck/ Weigend, S. 70 f.; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 2; Maurach/Zipf, AT I, § 6, Rn. 3; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 18 ff.; Roxin, AT I, § 3, Rn. 2–10. Die Schuldausgleichsund Sühnefunktion der Strafe ist vom BVerfG anerkannt, BVerfGE 45, 187, 254, 258 f. 451 Lackner/Kühl, § 46, Rn. 2. 452 von Liszt, ZStW 3 (1883), 1 ff. 453 Zur Theorie der Spezialprävention siehe Baumann/Weber/Mitsch, § 3, Rn. 36; Deiters, Legalitätsprinzip und Normgeltung, S. 49 f.; Fischer, § 46, Rn. 3; Jakobs, AT, S. 22–27; Jescheck/Weigend, S. 73; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 27; Roxin, AT I, § 3, Rn. 11–20; SK/Horn, § 46, Rn. 16 f. Der Gesichtspunkt der Spezialprävention ist vom BVerfG anerkannt, BVerfGE 45, 187, 257. 454 Feuerbach, Lehrbuch, § 13. 455 Jakobs, AT, S. 20; Deiters, Legalitätsprinzip und Normgeltung, S. 46; Fischer, § 46, Rn. 11; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 28; Roxin, AT I, § 3, Rn. 25; SK/Horn, § 46, Rn. 9. Der Gesichtspunkt der negativen Generalprävention wird vom BVerfG anerkannt, BVerfGE 45, 187, 255. 449

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warnendes Signal an Dritte ausgehen, dass der Normbruch ein Übel nach sich zieht. Der Teilaspekt der positiven Generalprävention betont den Zweck, dass die Strafe das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung bewahrt.456 Durch die Verhängung der Strafe wird die Geltung der Rechtsnormen unterstrichen. Die Rechtstreue der Bevölkerung erfährt dadurch eine Stärkung. Welches nun der „richtige“ Zweck der Strafe ist, lässt sich nicht abschließend klären. Zutreffend ist daher die Konzeption einer Vereinigungslehre, wonach die Aspekte der General- und Spezialprävention sowie des Schuldausgleichs nebeneinander stehen.457 2. Wahrung der Strafzwecke durch die Bestrafung des Kronzeugen Wahrt die schuldunangemessene Bestrafung des Kronzeugen nun weiterhin diese anerkannten Strafzwecke? Was den Aspekt der Spezialprävention angeht, so muss festgestellt werden, dass dieser durch die große Kronzeugenregelung geschmälert wird. Der in den Genuss des § 46b StGB kommende Straftäter erfährt höchstselbst, dass auch die Begehung selbst schwerster Straftaten nicht notwendig die Verhängung der schuldangemessenen Strafe nach sich zieht.458 Als Kronzeuge kann er also den Erfahrungswert sammeln, dass die künftige Begehung von Straftaten (auch bei Entdeckung) sich schon nicht so schlimm für ihn auswirken werde, solange er nur über kronzeugenrelevantes Wissen verfügt. Zudem ermöglicht gerade der in § 46b StGB vorgenommene Konnexitätsverzicht dem Kronzeugen, Wissen über allerlei Taten, sozusagen als „Vorrat“, anzusammeln, um im Falle der Entdeckung als lohnender Informant aufzutrumpfen. Der Kronzeuge kann sich daher ein von seinen eigenen Taten unabhängiges Wissenspolster errichten. Werden seine eigenen Taten bekannt und sieht er sich Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, kann er auf die abfedernde Wirkung dieses Polsters bauen.459 Was den Kronzeugen angeht, so büßt die Strafe daher einen Teil ihrer abschreckenden Wirkung ein. Auch der Gesichtspunkt der Resozialisierung er456 Baumann/Weber/Mitsch, § 3, Rn. 30 f.; Jeßberger, Kooperation, S. 91; Jescheck/ Weigend, S. 2; Kühl, FS Stöckel, 117, 123; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 28; Maurach/Zipf, AT I, § 6, Rn. 6; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 22; NK/Streng, § 46, Rn. 44; Roxin, AT I, § 3, Rn. 26; SK/Horn, § 46, Rn. 9. Der Gesichtspunkt der positiven Generalprävention wird vom BVerfG anerkannt, BVerfGE 45, 187, 256. 457 „Die“ Vereinigungstheorie existiert nicht; vgl. zu den unterschiedlichen Vereinigungstheorien Baumann/Weber/Mitsch, § 3, Rn. 61–67; Jakobs, AT, S. 27 f.; Jescheck/ Weigend, S. 75 f.; Koriath, Jura 1995, 625 ff.; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 2; Maurach/ Zipf, AT I, § 6, Rn. 8; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 32 ff.; ders., JuS 2005, 769, 770 f. 458 Vgl. Jeßberger, Kooperation, S. 90; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 174 f. 459 Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 467; kritisch dazu Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 4, der aber zugleich darauf hinweist, dass solch ein missbräuchliches Ansammeln im Rahmen des Ermessens Berücksichtigung finden kann.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

fährt unter dem Einfluss des § 46b StGB Einschränkungen: Die Behandlung des Kronzeugen vermag eine Eingliederung in die Gesellschaft nicht uneingeschränkt zu fördern.460 Die Gesellschaft wird dem in den Genuss der Honorierung kommenden Kronzeugen skeptisch begegnen, da ihm eine schuldangemessene Bestrafung erspart blieb und ihm zugleich der Stempel des Denunziantentums aufgedrückt wurde.461 Dass durch die große Kronzeugenregelung ein umfassender Schuldausgleich gerade nicht erfolgt, wurde anhand der Feststellung der mangelnden Schuldrelevanz von Aufklärungs- und Präventionshilfe dargestellt. Auch dieser der Strafe innewohnende, von den repressiven Strafzwecktheorien hervorgehobene Zweck erfährt daher eine Einschränkung. Die schuldunterschreitende Bestrafung des Kronzeugen beeinträchtigt zudem das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung.462 Wenn selbst die Verwirklichung schweren Unrechts eine nur relativ geringe Strafe nach sich ziehen kann, schwächt dies den Glauben an die Geltung von Recht und Gesetz. Das Abschwächen des Selbstverständnisses, sich im Einklang mit der Rechtsordnung zu bewegen, ist die Folge. Betrachtet man also isoliert die milde Bestrafung des Kronzeugen, muss eine Beeinträchtigung auch der positiven Generalprävention festgestellt werden. Dieses Ergebnis ist aber umgehend zu relativieren, wenn man sich die an die Kronzeugenhandlung anknüpfenden Auswirkungen vor Augen führt. Der mit einer milden Bestrafung nach § 46b I StGB belohnte Kronzeuge hat es vermocht, schwere bzw. schwer aufklärbare Straftaten aufzudecken und auf diese Weise die Strafverfolgung oder Verhinderung dieser Taten ermöglicht. Durch Taten i. S. d. § 100a II StPO wird die Rechtsordnung in ihrer Unverbrüchlichkeit in besonderem Maße in Frage gestellt. Wenn es nun aber mit Hilfe des Kronzeugen gelingt, das durch diese Taten realisierte Unrecht aufgrund der Offenlegung mit Strafe zu belegen oder die Unrechtsrealisierung von vornherein zu verhindern, erfährt das Vertrauen in die Geltungskraft der Rechtsnormen eine besondere Stärkung.463 460 Anders noch zum Teil Jeßberger, Kooperation, S. 89, wonach dem Kronzeugen durch den Verrat an seinen Komplizen der Weg zurück in seine kriminellen Kreise versagt bleibe. Dies kann auf § 46b StGB jedoch nicht übertragen werden, da die große Kronzeugenregelung eine Offenbarung gerade von Beteiligten nicht mehr verlangt. Daher bleibt nach Vornahme der Kronzeugenhandlung das Tor zurück ins kriminelle Umfeld weiterhin offen; ebenso Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 466. 461 So auch wieder Jeßberger, Kooperation, S. 89 f.; ebenso Lammer, ZRP 1989, 248, 252. 462 Frank/Titz, ZRP 2009, 137, 139; Jeßberger, Kooperation, S. 91; Lammer, ZRP 1989, 248, 252; NK/Streng, § 46b, Rn. 4; Ranft, Rn. 1215; Roxin/Schünemann, § 14, Rn. 20; Schlüchter, ZRP 1997, 65, 69; Volk, NJW 1996, 879, 881; vgl. auch die Stellungnahme der nahezu 100 Strafrechtsprofessoren zur geplanten Einführung des KronzG bei Kühl, NJW 1987, 737, 744. 463 Vgl. zu Kronzeugenregelungen insgesamt Hoyer, JZ 1994, 233, 240; Jeßberger, Kooperation, S. 92 f.; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 173; Schlüchter, ZRP 1997, 65, 69; Steinberg, WuW 2006, 719, 723.

B. § 46b und das Schuldprinzip

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Dies gilt vor allem, wenn man sich den Charakter der Offenbarungstaten nach § 100a II StPO vor Augen führt: Sie sind durch ihren konspirativen Charakter geprägt oder weisen einen besonders schweren Unrechtsgehalt auf. Gelingt dennoch entgegen all dieser Widrigkeiten die Aufklärung oder Verhinderung, erstarkt der Glaube an die Beständigkeit der Rechtsordnung umso mehr. Die mit der milden Bestrafung einhergehende Infragestellung der Geltungskraft des Gesetzes wird daher letztlich als Mittel zum Zweck in Kauf genommen, um das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung umso intensiver zu stärken.464 Knüpft man an die Folgen der Kronzeugenhandlung an, ist der großen Kronzeugenregelung daher eine die positive Generalprävention unterstützende Wirkung zuzugestehen. Auch kommt der Behandlung des Kronzeugen durch § 46b StGB eine abschreckende Wirkung zu. Zwar wirkt die Kronzeugenregelung in diese Richtung, wie bereits ausgeführt, nicht auf den Kronzeugen selbst ein. Dieser darf ja selbst erfahren, dass bei vorrätigem Offenbarungswissen die Bestrafung nur milde ausfällt. Jedoch entfaltet sich der abschreckende Effekt in der Ausgestaltung der negativen Generalprävention.465 Indem ein flächendeckender Anreiz zur Offenlegung geschaffen wird, hat sich für potentielle Täter von Straftaten nach § 100a II StPO das Entdeckungsrisiko erheblich erhöht.466 Diese Täter müssen damit rechnen, von Komplizen aus Interesse an einer Strafmilderung verraten zu werden. Nicht selten wird das Streben nach dem eigenen Vorteil (in Form der Strafmilderung) stärker sein als das Festhalten am innerkriminellen Zusammengehörigkeitsgefühl. Mithin führt gerade die in Aussicht gestellte schuldunterschreitende Bestrafung von Kronzeugen zu einer Verunsicherung krimineller Kreise.467 Dieser Effekt wird durch den Konnexitätsverzicht noch verstärkt: Den potentiellen Tätern droht die Offenbarung nun nicht mehr allein von unmittelbar Beteiligten. Vielmehr kann der Kronzeuge auch von außerhalb des unmittelbaren Umfelds des Täters herstammen. Der Kreis potentieller „Verräter“ ist für Täter daher weit weniger überschaubar. Somit lässt sich festhalten: Wegen der Stärkung der positiven Generalprävention im Hinblick auf die Offenbarungstaten nach § 100a II StPO sowie der negativen Generalprävention stellt sich die schuldunterschreitende Bestrafung des

464 Diese ausgleichende Wirkung wird zu Art. 5 KronzG bezweifelt von Neumann, StV 1994, 273, 276. 465 BT-Dr. 16/6268, S. 11; vgl. auch Jeßberger, Kooperation, S. 95; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 168. Bedenken hegt hingegen Denny, ZStW 103 (1991), 269, 278 f. unter Hinweis auf die Möglichkeit der betroffenen Kriminellen, ihrerseits durch Aufbauen einer Drohkulisse auf potentielle Kronzeugen einschüchternd einzuwirken. 466 BT-Dr. 16/6268, S. 11. 467 Jeßberger, Kooperation, S. 95; Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 469; Koumbarakis, Die Kronzeugenregelung, S. 168.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

Kronzeugen durch § 46b I StGB unter dem Gesichtspunkt der anerkannten Strafzwecke nicht als sinnlos heraus.468 Die Strafzwecke werden daher durch die große Kronzeugenregelung gewahrt. Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip kann § 46b StGB somit grundsätzlich nicht vorgeworfen werden. Jedoch sind Ausnahmekonstellationen denkbar, in denen die geleistete Kooperation die anerkannten Strafzwecke nicht aufrechtzuhalten vermag. Zu nennen sind hier jene Fälle, die auch schon im Rahmen des vom Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips zu einer einschränkenden Auslegung zwangen. So kann das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung nicht gestärkt werden, wenn der Kronzeuge durch ein wechselndes Aussageverhalten in Bezug auf die belastete Person die Strafverfolgungsbehörden in die Irre führt und die Verfolgung des wahren Täters verhindert. In diesem Fall stünde der Beeinträchtigung der positiven Generalprävention in Bezug auf den Kronzeugen keine hinreichende Stärkung des Glaubens an die Geltungskraft der Rechtsnormen hinsichtlich des wahren Offenbarungstäters gegenüber. Die Strafzwecke wären also nicht mehr gewahrt, wenn man in diesem Fall einen Aufklärungserfolg nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB annähme.469 Aus selbigem Grund kann für eine Präventionshilfe nach § 46b I 1 Nr. 2 StGB die Schaffung einer bloßen Möglichkeit der Tatverhinderung nicht ausreichen. Erst bei Erreichen einer gewissen Konkretheit der Verhinderungswahrscheinlichkeit kann das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung eine Stärkung erfahren. Somit ist auch nach dem Grundsatz schuldangemessenen Strafens eine Präventionshilfe erst dann anzunehmen, wenn die durch die Wissensoffenbarung geschaffene Möglichkeit der Tatverhinderung so konkret ist, dass bei Zugrundelegung normaler Umstände und pflichtgemäßer Aufgabenerfüllung der Behörden mit der Verhinderung der Tat gerechnet werden muss. Ebenfalls verlangt der Grundsatz schuldangemessenen Strafens eine Ermessensreduzierung auf Null, wenn trotz Berücksichtigung der Schuld nach § 46b II Nr. 2 StGB eine Honorierung mit dem Wortlaut der Abwägungsklausel vereinbar wäre, jedoch ein qualifizierter Unrechtsüberschuss auf Seiten der Kronzeugentat470 vorliegt. Dieser Überschuss kann, wie bereits im Rahmen des Legalitätsprinzips dargestellt wurde, allein bei solch einer Kronzeugentat vorliegen, die ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Nur in diesem Fall ist das vom Kronzeugen verwirklichte Unrecht so groß, dass jede Kronzeugenhandlung beim Versuch scheitern muss, das durch die Strafmilderung (wenn auch nur auf zehn Jahre) in Frage gestellte Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung wieder hinreichend auszugleichen. Welche Umstände neben dem Vorliegen einer ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten

468 Bedenken hiergegen hegt hinsichtlich § 31 BtMG a. F. aber Weigend, FS Jescheck, 1333, 1348. 469 Vgl. dazu den Beispielsfall 5 auf S. 71. 470 Vgl. dazu den Beispielsfall 12 auf S. 105.

C. § 46b StGB und der nemo-tenetur-Grundsatz

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Kronzeugentat hinzutreten müssen, um einen solchen, das Schuldprinzip zwingend auf den Plan rufenden, qualifizierten Unrechtsüberschuss begründen zu können, lässt sich nicht konturscharf festlegen. Jedenfalls dürfte er dann vorliegen, wenn eine (auch nur geringe) Milderung der Strafe der Gesellschaft schlechthin nicht mehr vermittelt werden kann und daher eine erhebliche Abschwächung des Glaubens an die Gerechtigkeit und die damit einhergehende Schwächung der Rechtstreue droht.471 Hinsichtlich der einschränkenden Wirkung des Schuldprinzips im Hinblick auf Tatbestand und Ermessen lassen sich daher im Ergebnis Parallelen zur Gegenüberstellung von § 46b StGB und dem durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzip ziehen.

V. Ergebnis: § 46b StGB und das Schuldprinzip Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die große Kronzeugenregelung sieht sich zu Unrecht dem Vorwurf ausgesetzt, das Schuldprinzip zu verletzen.472 Zwar lässt sich die Aufklärungs- und Präventionshilfe nicht als Indiz für das vom Kronzeugen bei seiner Tat an den Tag gelegte Handlungsunrecht heranziehen; die Kronzeugenhandlung ist schuldirrelevant. § 46b StGB lässt daher die Verhängung einer Strafe zu, welche das vom Kronzeugen verwirklichte Unrecht nicht vollends abdeckt. Eine schuldunangemessene Bestrafung ist also möglich. Dennoch lässt sich die schuldunterschreitendende Bestrafung vor dem Hintergrund der anerkannten Strafzwecke rechtfertigen. Durch die Kronzeugenhandlung wird die positive Generalprävention gestärkt. Auch führen die milde Bestrafung des Kronzeugen und der auf ihr beruhende Kooperationsanreiz zu einer erhöhten Gefahr des Verrats unter Kriminellen. Auf diesem Wege wird eine Abschreckungswirkung in Bezug auf potentielle Täter erreicht. Auch die negative Generalprävention erfährt daher eine Stärkung. Werden also bei Anwendung des § 46b StGB die bereits im Rahmen des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips herausgearbeiteten Einschränkungen hinsichtlich Tatbestand und Ermessen berücksichtigt, bewegt sich die große Kronzeugenregelung daher ebenfalls im Einklang mit dem Schuldprinzip.

C. § 46b StGB und der nemo-tenetur-Grundsatz Kann die große Kronzeugenregelung aber auch vor dem Hintergrund des nemo-tenetur-Grundsatzes Bestand haben?473 Nach dem Grundsatz des nemo-tenetur ist niemand verpflichtet, in einem Strafverfahren gegen sich auszusagen 471 In Beispielsfall 12 auf S. 105 zwänge daher auch das Schuldprinzip zu einer Ermessensreduzierung auf Null. 472 Im Ergebnis ebenso Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 470 f. 473 Verneint von Albrecht, Stellungnahme, S. 11.

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

oder an gegen sich gerichtete Ermittlungen in sonstiger Weise aktiv mitzuwirken.474 Dieser Grundsatz ist Ausdruck der Menschenwürde, Art. 1 I GG475 und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 I, 1 I GG.476 Ebenfalls findet er seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip477 und im in Art. 6 EMRK niedergelegten Recht auf ein faires Verfahren.478 Einfachgesetzlich hat er z. B. in den Vorschriften der §§ 136 I 2, 136a, 243 V 1, 2 StPO Widerhall gefunden.479 Der Umstand, dass allein der kooperierende, eine Kronzeugenhandlung nach § 46b I 1 StGB vornehmende Täter in den Genuss der Strafmilderung gelangen kann, könnte nun als unzulässiger Zwang zur Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich der eigenen Strafverfolgung einzustufen sein.480 Dies wäre dann der Fall, wenn die große Kronzeugenregelung eine Selbstbelastung verlangt und sich die Entscheidung des Kronzeugen, auf die Vornahme einer Kronzeugenhandlung zu verzichten, für ihn als nachteilig herausstellt. In diesem Falle käme der auf der Honorierung beruhende Kooperationsanreiz einem faktischen Zwang zur Selbstbelastung gleich. Solch ein Selbstbelastungszwang ist aber von vornherein in Fällen ausgeschlossen, in denen sich die potentielle Offenbarung auf eine Tat bezieht, die mit der Kronzeugentat in keinem Zusammenhang steht.481 Liegt kein Konnex vor, läuft der Kronzeuge auch nicht Gefahr, die Strafverfolgungsbehörden mit Material zu versorgen, welches ihn selbst belastet. Letztlich verringert der in § 46b StGB verwirklichte Konnexitätsverzicht daher das Risiko der Selbstbelastung.

474 BVerfG StV 1995, 305; BGHSt 38, 302, 305; Haller/Conzen, Das Strafverfahren, Rn. 117; Karlsruher Kommentar/Pfeiffer/Hannich, Einleitung, Rn. 89; Meyer-Goßner, Einleitung, Rn. 29a; Volk, § 9, Rn. 34. 475 BVerfG NJW 1981, 1431; NJW 1999, 779; BGHSt 38, 302, 305; NJW 2007, 3138, 3140; Eser, ZStW 79 (1967), 213, 219, Fn. 24; Kühl, JuS 1986, 115, 117; LöweRosenberg/Kühne, Einleitung J, Rn. 87; Möller, JR 2005, 314, 317; Roxin/Schünemann, § 25, Rn. 1; Stürner, NJW 1981, 1757; Wolter, ZStW 107 (1995), 793, 814; im Ergebnis ebenso Böse, GA 2002, 98, 127. 476 BVerfG NJW 1981, 1431; NJW 1999, 779; BGHSt 38, 302, 305; NJW 2007, 3138, 3140; Dingeldey, JA 1984, 407, 409; Günther, GA 1978, 193, 198; Haller/Conzen, Das Strafverfahren, Rn. 118; Kühl, JuS 1986, 115, 117; Löwe-Rosenberg/Kühne, Einleitung J, Rn. 87; Roxin/Schünemann, § 25, Rn. 1. 477 BVerfGE 38, 105, 113; 56, 37, 43; StV 1995, 305; Roxin/Schünemann, § 25, Rn. 1; Karlsruher Kommentar/Pfeiffer/Hannich, Einleitung, Rn. 89; Löwe-Rosenberg/ Kühne, Einleitung J, Rn. 87; im Ergebnis ebenso Böse, GA 2002, 98, 127. 478 BGH NJW 2007, 3138, 3140. 479 Vgl. BGHSt 38, 302, 305; Kühl, JuS 1986, 115, 117; Löwe-Rosenberg/Kühne, Einleitung J, Rn. 87. 480 Hierbei wird wohl vor allem der Aufklärungshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1 StGB die Gefahr der Selbstbelastung innewohnen. 481 Erkannt von Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 460; Peglau, wistra 2009, 409, 413.

C. § 46b StGB und der nemo-tenetur-Grundsatz

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Doch auch wenn Kronzeugen- und Offenbarungstat in Zusammenhang stehen, die Offenbarungstäter also an der Tat des Kronzeugen beteiligt waren, kann hierin ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz nicht erkannt werden. Zum einen setzt eine Aufklärungshilfe gerade nicht voraus, dass sich der Kronzeuge zu seinem eigenen Tatbeitrag bekennt und zu dessen Aufklärung aktiv beiträgt.482 In den Genuss der großen Kronzeugenregelung kommt also auch jener Kronzeuge, dessen Offenbarung sich strikt auf die Beiträge der Offenbarungstäter beschränkt und die eigene Beteiligung ausklammert. Eine Selbstbelastung wird daher von § 46b StGB ohnehin nicht verlangt.483 Zum anderen kann in der Versagung der Honorierung bei ausbleibender Kronzeugenhandlung keine Verschlechterung der Rechtsposition des Kronzeugen gesehen werden. Weigert sich der Kronzeuge, ihm bekanntes Offenbarungswissen preiszugeben, wird ihm lediglich eine Begünstigung in Form der Strafmilderung verweigert. Ihm bleibt nur eine Besserstellung versagt. Eine Verschlechterung der Ausgangslage484 erfährt der Kronzeuge hingegen gerade nicht:485 Da der Kreis der über relevantes Offenbarungswissen verfügenden Täter von vornherein begrenzt ist, kann eine flächendeckende, die Strafverfolgungspraxis maßgeblich dominierende Anwendung der großen Kronzeugenregelung nicht erwartet werden.486 Die Offenbarung von Offenbarungstaten durch Straftäter und die hieran anknüpfende Strafmilderung werden daher nicht das Regelbild in der Strafverfolgungspraxis darstellen. Durch die Verweigerung der Milderung erfolgt somit auch keine Abweichung vom Regelbild der Strafverfolgungspraxis, mithin auch keine Verschlechterung der Ausgangslage des Kronzeugen. Anders als z. B. in Italien zieht die Weigerung, die Behörden an Wissen über Offenbarungstaten nach § 100a II StPO teilhaben zu lassen, zudem keine in Form eines „Scherenprinzips“487 ergehende härtere Behandlung des Kooperationsunwilligen nach sich. Die in Aussicht gestellte Strafmilderung als Lohn für die Kronzeugenhandlung bleibt daher ein bloßer Anreiz, der sich nicht als Zwang zur Selbstbelastung auswirkt.488 Somit kann in der großen Kronzeugenregelung kein Verstoß gegen den Grundsatz des nemo-tenetur gesehen werden.489

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Siehe oben S. 85. Aus diesem Grund sieht auch Endriß, StraFo 2004, 151, 154 den nemo-teneturGrundsatz bei der kleinen Kronzeugenregelung des § 31 BtMG a. F. als nicht verletzt an. 484 Auf die Ausgangslage zutreffend abstellend Jeßberger, Kooperation, S. 138. 485 Ähnlich Jeßberger, Kooperation, S. 138 f. und Peglau, wistra 2009, 409, 413. 486 Vgl. Jeßberger, Kooperation, S. 139 und Peglau, wistra 2009, 409, 413. 487 Vgl. dazu Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 299. 488 So zu Art. 4 KronzG ebenfalls Lammer, ZRP 1989, 248, 251. 489 So auch Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453, 461; Peglau, wistra 2009, 409, 413; anders aber Salditt, StV 2009, 375, 377, der in der Präklusionsvorschrift des § 46b III StGB den Grund für den Verstoß gegen die Selbstbelastungsfreiheit ausmacht. 483

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2. Teil: § 46b StGB und Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung

D. Zusammenfassung: § 46b StGB und die Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung Die Gegenüberstellung von großer Kronzeugenregelung und den tragenden Prinzipien des Strafrechts sowie der Verfassung ist nun abgeschlossen. Hierbei kann die von § 46b StGB ausgehende beeinträchtigende Wirkung im Hinblick auf tragende Prinzipien nicht geleugnet werden. Doch hat die Untersuchung ergeben, dass die Beeinträchtigungen keinen Selbstzweck darstellen. Vielmehr finden sie ihre Rechtfertigung in dem von der großen Kronzeugenregelung verfolgten Ziel der Stärkung von Strafverfolgung und Prävention im Hinblick auf die schweren und schwer aufklärbaren Deliktsbereiche des § 100a II StPO. Das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip wird von § 46b StGB nicht verletzt. Die die konsequente Strafverfolgung in Bezug auf den Kronzeugen schwächende Honorierung der Kooperation stellt ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Stärkung der Verfolgung und Verhinderung von Straftaten in den Deliktsbereichen des § 100a II StPO dar. Lediglich in Ausnahmefällen zwingt der hohe Wert der Strafverfolgung zu einer einschränkenden Auslegung. Auch der zweite Strang des Legalitätsprinzips, das Willkürverbot, wird zwar von § 46b StGB durch die in vierfacher Hinsicht vorgenommene Differenzierung berührt. Eine Verletzung des Willkürverbots kann darin jedoch ebenfalls nicht gesehen werden. Alle durch § 46b StGB ausgelösten Ungleichbehandlungen finden ihre Rechtfertigung in den von ihnen jeweils verfolgten Zielen. Somit wahrt die große Kronzeugenregelung das verfassungsrechtlich verankerte Legalitätsprinzip. Da die dem Kronzeugen abverlangte Aufklärungs- und Präventionshilfe nach § 46b I 1 Nr. 1, 2 StGB schuldirrelevant ist, ermöglicht die große Kronzeugenregelung eine schuldunterschreitende Bestrafung des Kronzeugen. Die anerkannten Strafzwecke werden aber gewahrt, wenn die bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Rechtsstaatsprinzip ermittelten einschränkenden Auslegungen vorgenommen werden. Das Schuldprinzip wird daher ebenfalls nicht verletzt. Ebenso kann eine Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes nicht festgestellt werden. Zum einen verlangt § 46b StGB für eine Honorierung gerade nicht die Selbstbelastung durch den Kronzeugen. Zum anderen führt die Kooperationsverweigerung nicht zur Verschlechterung dessen Ausgangslage. Werden daher die im Rahmen dieser Arbeit ermittelten Kriterien für Tatbestand und Ermessen konsequent umgesetzt, steht die große Kronzeugenregelung des § 46b StGB im Einklang mit den tragenden Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung.

3. Teil

§ 46b StGB im System der Strafzumessung Bislang wurde die große Kronzeugenregelung isoliert untersucht. Bei solch einer isolierten Betrachtung kann es aber nicht bleiben. § 46b StGB bricht in ein bestehendes System der Strafzumessung ein, wobei der großen Kronzeugenregelung die Rolle eines Fremdkörpers1 zukommt. Nicht selten wird die große Kronzeugenregelung mit weiteren Milderungsmöglichkeiten zusammentreffen. So kann der die Kronzeugenhandlung nach § 46b I 1 StGB vornehmende Täter in den Genuss eines weiteren vertypten Milderungsgrundes nach § 49 I StGB kommen. Denkbar ist auch, dass die vom Kronzeugen verwirklichte Tat lediglich einen minder schweren Fall begründet. Ebenfalls wird der Kronzeuge seine Kronzeugenhandlung nicht selten mit einem Geständnis verknüpfen. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob uneingeschränkt auf die mildernden Rechtsfolgen der großen Kronzeugenregelung zurückgegriffen werden kann oder ob diese mehrfache Milderung vor dem Hintergrund des durch § 46b StGB beeinträchtigten Schuldprinzips und des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips zwingende Einschränkungen verlangt. Ebenfalls wird zu klären sein, in welchem Verhältnis die große Kronzeugenregelung zum „Deal“ i. S. d. § 257c StPO steht. Gleiches gilt für das Konkurrenzverhältnis zu den weiterhin bestehenden kleinen Kronzeugenregelungen.

A. Das Verhältnis von § 46b StGB zu den bestehenden kleinen Kronzeugenregelungen Zunächst stellt sich die Frage, wie sich § 46b StGB neben den bereits bestehenden „kleinen“ Kronzeugenregelungen einfügt. Es ließe sich durch das Nebeneinander von großer Kronzeugenregelung und den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 129 VI, 129a VII StGB und § 31 BtMG n. F. ein nur schwer aufzulösender Anwendungskonflikt erwarten. Diese Befürchtungen hat auch der Gesetzgeber erkannt und mit der Streichung des § 261 X StGB und der Angleichung der Rechtsfolgen des § 31 BtMG an jene des § 46b StGB entgegenzusteuern versucht.2 Dieser Versuch ist weitgehend gelungen. Zu einer echten Konkurrenz zwischen § 46b StGB und § 31 BtMG n. F. kann es nun nicht mehr kom1 2

Siehe oben S. 131. BT-Dr. 16/6268, S. 14 f.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

men, da diese nun die gleichen Rechtsfolgen unter Beachtung der Ermessenskriterien des § 46b II StGB sowie der Präklusion nach § 46b III StGB vorsehen. Dennoch ginge § 31 BtMG n. F. als Spezialregelung vor, wenn der Kronzeuge eine Straftat nach §§ 29 ff. BtMG begangen hat, die zugleich taugliche Kronzeugentat i. S. d. § 46b I 1 StGB ist.3 Eine Konkurrenz zwischen der großen Kronzeugenregelung und § 31 BtMG n. F. scheidet allerdings bereits dann aus, wenn zwischen Kronzeugen- und Offenbarungstat keinerlei Konnex besteht. In diesem Fall vermag § 31 BtMG n. F. auch weiterhin nicht zu greifen. Offenbart also der Drogenhändler z. B. den Raub eines Dritten, so ist trotz der Spezialregelung des § 31 BtMG n. F. die große Kronzeugenregelung anwendbar.4 Auch greift allein § 31 BtMG n. F. ein, wenn der Kronzeuge Straftaten nach §§ 29 ff. BtMG begangen hat, die nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht sind. Insofern kommt § 31 BtMG n. F. daher eine die große Kronzeugenregelung ergänzende Funktion zu. Eine mögliche Überschneidung des § 46b StGB mit den Vorschriften der §§ 129 VI, 129a VII StGB entfällt ebenfalls, wenn in Bezug auf terroristische oder kriminelle Vereinigungen eine Aufklärungshilfe geleistet wurde. Hier scheiden die §§ 129 VI, 129a VII StGB von vornherein aus, da diese auch weiterhin allein Präventionshilfen honorieren. Auf Repression gerichtete Handlungen werden nach diesen Vorschriften hingegen nicht belohnt. Denkbar ist eine tatsächliche Überschneidung letztlich daher nur in Fällen, in denen der Kronzeuge eine Tat nach § 129 IV StGB bzw. § 129a I–V StGB begangen hat und zugleich die Voraussetzungen der Präventionshilfe sowohl der §§ 129 VI Nr. 2, 129a VII StGB als auch des § 46b I 1 Nr. 2 StGB erfüllt sind.5 Vom Tatbestand her wären in dieser Konstellation grundsätzlich sowohl die große als auch die kleinen Kronzeugenregelungen anwendbar. Diese Normen ziehen (zumindest auch) unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. Entscheidend ist daher, welche der Normen zur Lösung dieser Kronzeugensituation heranzuziehen ist. Hier soll den kleinen Kronzeugenregelungen als leges speciales der Vorrang eingeräumt werden.6 § 46b StGB käme daher nicht zur Anwendung. Dies soll aber dann nicht gelten, wenn sich die Anwendung der großen Kronzeugenregelung für den Kronzeugen im Einzelfall als günstiger herausstellt.7 Dies ist zu begrüßen. Ließe man den kleinen Kronzeugenregelungen bei gleichzeitiger Anwendbarkeit des § 46b StGB stets den Vorrang, könnte eine unnötige Beeinträchtigung des Kooperationsanreizes die Folge sein. Die Anwendung des § 46b StGB dürfte sich aber nur selten als vorteilhafter als die Anwendung der bereichsspezifischen 3 4 5 6 7

BT-Dr. 16/6268, S. 15. Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 15. BT-Dr. 16/6268, S. 15. BT-Dr. 16/6268, S. 14 f.; Lackner/Kühl, § 46b, Rn. 7. BT-Dr. 16/6268, S. 15.

B. Die Regelung des § 46b I 2 StGB

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Regelungen i. S. d. §§ 129 VI, 129a VII StGB herausstellen.8 Lediglich wenn sich die Strafe des Kronzeugen wegen des hohen Unrechtsgehalts der Kronzeugentat an das gesetzliche Höchstmaß annähern würde, kann dieser ein besonderes Interesse an der Absenkung des Höchstmaßes nach §§ 46b I 1, 49 I Nr. 2 S. 1 StGB haben. Allein in derlei Fällen ist die große Kronzeugenregelung für den Kronzeugen günstiger.9 Fällt die Kronzeugentat hingegen nur unter § 129 I StGB oder § 129a V 1, 2. HS StGB, scheidet eine Anwendung der großen Kronzeugenregelung von vornherein aus. In diesem Fall fehlt es bereits an einer Tat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist. Dem Festhalten an §§ 129 VI, 129a VII StGB kommt daher eine die große Kronzeugenregelung ergänzende Funktion zu. Es lässt sich somit festhalten, dass die Einführung des § 46b StGB zwar zu einem Nebeneinander von großer und kleinen Kronzeugenregelungen (und damit zu einem Nebeneinander von Regelungen des Allgemeinen und Besonderen Teils des StGB) führt, dieser Umstand jedoch keine problematischen Überschneidungen nach sich zieht. Selbst eine tatsächlich eintretende Konkurrenzsituation lässt sich befriedigend lösen. Auch führt das Festhalten an § 31 BtMG sowie an §§ 129 VI, 129a VII StGB zur ergänzenden Schaffung von Kooperationsanreizen für Ausnahmefälle, in denen § 46b StGB zwar nicht einzugreifen vermag, aber dennoch Kooperation erwünscht ist. § 46b StGB verträgt sich daher mit den weiterhin bestehenden (und im Fall des § 31 BtMG angepassten) kleinen Kronzeugenregelungen.10

B. Die Regelung des § 46b I 2 StGB Nachdem das Verhältnis von § 46b StGB zu den kleinen Kronzeugenregelungen bestimmt ist, bedarf der Klärung, wie sich das Zusammentreffen der großen Kronzeugenregelung mit weiteren Milderungsmöglichkeiten auswirkt. Grundlage für die Beurteilung des Zusammentreffens mehrerer Milderungsmöglichkeiten ist zunächst die Regelung des § 46b I 2 StGB. Sie trägt ausdrücklich dem Umstand Rechnung, dass neben den § 46b StGB noch weitere Strafzumessungsvorschriften treten und die Strafe des Kronzeugen beeinflussen können. Sie bestimmt, dass für die Frage, ob der potentielle Kronzeuge eine mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe (also mehr als ein Monat, § 38 II StGB) bedrohten Tat begangen hat, zwar Schärfungen für besonders schwere Fälle, nicht aber Milde8 Dies gilt schon deswegen, weil das Absehen von Strafe in §§ 129 VI Nr. 2, 129a VII StGB im Gegensatz zu § 46b I 4 StGB nicht an die vom Kronzeugen verwirkte Strafe anknüpft, vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 15. 9 BT-Dr. 16/6268, S. 15. 10 Die Befürchtungen von Mehrens, Die Kronzeugenregelung, S. 313 f., aufgrund derer sie sämtliche bestehenden kleinen Kronzeugenregelungen in einer großen Kronzeugenregelung aufgehen lassen will, haben sich also nicht bestätigt.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

rungen zu berücksichtigen sind. Ob also eine taugliche Kronzeugentat i. S. d. § 46b I 1 StGB vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Schärfungen für besonders schwere Fälle zu ermitteln. Milderungen haben hingegen außen vor zu bleiben. Diese Bestimmung hat keineswegs bloß klarstellende Funktion. Vielmehr bedurfte es dieser ausdrücklichen Regelung, da nach § 12 III StGB sowie § 78 IV StGB grundsätzlich Schärfungen für besonders schwere Fälle unberücksichtigt bleiben.11 Ebenfalls wird insoweit von der Rechtspraxis im Rahmen des § 49 I StGB abgewichen,12 wonach bei Ermittlung des zu mildernden Regelstrafrahmens auch Milderungen zu berücksichtigen sind.13 Die von § 46b I 2 StGB vorgegebene Berücksichtigungspflicht von Schärfungen ist im Hinblick auf die von der großen Kronzeugenregelung ausgehende Zielsetzung auch sinnvoll. Auf diesem Wege kann der Richter auf die Indizwirkung von Regelbeispielen14 zurückgreifen, um die Frage nach dem Vorliegen einer tauglichen Kronzeugentat zu beurteilen. Komplizierte Strafzumessungserwägungen zu einem ggf. frühen Verfahrensstadium müssen daher nicht vorgenommen werden.15 Beispielsfall 15: K hat ein Fahrradschloss aufgebrochen und das Fahrrad gestohlen. Bei seiner ersten Vernehmung durch die Polizei deckt er Taten seines Freundes O auf, die dieser als Mitglied einer Diebesbande begangen hat.

In Beispielsfall 15 ist K wegen § 46b I 2 StGB als tauglicher Kronzeuge anzusehen. Der von ihm begangene Diebstahl scheidet als taugliche Kronzeugentat zwar mangels im Mindestmaß erhöhter Freiheitsstrafe eigentlich aus. Doch war das Diebesgut hier durch eine Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert, sodass K das Regelbeispiel des § 243 I 2 Nr. 2, Var. 2 StGB erfüllt hat. Da nach § 46b I 2 StGB das Erfüllen des Regelbeispiels (und die Schärfung durch Anhebung der Mindestfreiheitsstrafe von einem auf drei Monate) bei der Frage nach der tauglichen Kronzeugentat heranzuziehen ist, kommt K die Stellung als tauglicher Kronzeuge zu. Auch das Ausklammern von Milderungen bei der Einstufung des Täters als tauglichen Kronzeugen ist sinnvoll. Auf diese Weise verschließt sich die Kronzeugenregelung nicht von vornherein Gehilfen solcher Taten, die im Mindestmaß mit weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind.16

11

BT-Dr. 16/6268, S. 10. BT-Dr. 16/6268, S. 10. 13 Vgl. MK/Franke, § 49, Rn. 2; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 505a. 14 BGHSt 33, 370, 377; Eisele, JA 2006, 309, 310; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 13; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 603; Zopfs, Jura 2007, 421. 15 BT-Dr. 16/6268, S. 10. 16 Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 10 f. 12

C. Zusammentreffen von § 46b StGB mit weiteren Milderungsgründen

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Beispielsfall 16: Bauunternehmer O besticht den Beamten B, um zügig eine Baugenehmigung für sein (nicht genehmigungsfähiges) Vorhaben zu erhalten. Hierbei setzt er den in alles eingeweihten K als Mittelsmann ein. K wird festgenommen und belastet den O.

Hier kommt dem K die Rolle eines Gehilfen zu einer Bestechung nach § 334 I 1 StGB zu. Nach §§ 334 I 1, 27 II 1 StGB drohen ihm daher grundsätzlich mindestens drei Monate Haft, mithin eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe. Seine Strafe ist aber nach § 27 II 2 StGB zwingend gem. § 49 I StGB zu mildern. Das Mindestmaß senkt sich also in seinem Fall nach § 49 I Nr. 3, Var. 4 StGB auf einen Monat Freiheitsstrafe, also auf das Mindestmaß i. S. d. § 38 II StGB, ab. Unter Berücksichtigung der für Gehilfen zwingenden Milderung stünde die große Kronzeugenregelung dem K daher eigentlich nicht offen. Diesem Umstand trägt nun § 46b I 2 StGB Rechnung, wonach § 27 II 2 StGB für die Beurteilung der Tauglichkeit der Kronzeugentat unberücksichtigt bleiben muss. Da K auch eine taugliche Offenbarungstat (nach § 100a II Nr. 1t StPO) offenbart hat, kann er daher in den Genuss der großen Kronzeugenregelung kommen. § 46b I 2 StGB stellt also sicher, dass gerade Gehilfen, die sich als Kronzeugen in besonderem Maße anbieten,17 das Tor in den Kronzeugenstand möglichst weit offen steht. Zudem werden auf diese Weise Wertungswidersprüche vermieden. Ohne Satz 2 könnte es zu der unbefriedigenden Situation kommen, dass Gehilfen trotz Offenbarung nicht als Kronzeuge auftreten könnten, obwohl die aufgedeckte Haupttat eine taugliche Offenbarungstat nach § 100a II StPO darstellt.18

C. Das Zusammentreffen von § 46b StGB mit weiteren vertypten Milderungsgründen Nun stellt sich die Frage, wie sich die große Kronzeugenregelung und die von ihr ausgehende Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung mit weiteren auf § 49 I StGB verweisenden vertypten Milderungsgründen19 verträgt. Hat z. B. ein Raubgehilfe den Haupttäter den Strafverfolgungsbehörden offenbart und auf diesem Wege einen Aufklärungserfolg erzielt, kann seine Strafe nach §§ 46b I 1, 49 I StGB gemildert werden. Wegen seiner Gehilfenstellung ordnet zudem § 27 II 2 StGB obligatorisch eine Verschiebung des Strafrahmens nach § 49 I StGB an. 17

BT-Dr. 16/6268, S. 10 f. Es gibt zahlreiche Delikte, die im Mindestmaß mit weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, aber dennoch als taugliche Offenbarungstaten nach § 100a II StPO angesehen werden; vgl. nur §§ 84 I, 95 I, 100a, 109e, 109h I, 129 IV, 129a III, V, 130 I, 184b I, II, III, 184c III, 232 I, 233 I, 233a, 244 I Nr. 2, 261 I, II, IV, 275 II, 276 II, 310 I Nr. 2 und 3, 332 I 1, 334 I 1, II StGB. 19 Zum Begriff des vertypten Milderungsgrunds siehe Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 50; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 496. 18

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

Entscheidet sich das Gericht daher dafür, von § 46b I 1 StGB Gebrauch zu machen, ist eine doppelte Strafrahmenverschiebung die Folge. Das Mindestmaß seiner Freiheitsstrafe würde sich daher zunächst nach § 49 I Nr. 3, Var. 3 StGB von einem Jahr auf drei Monate und durch erneute Anwendung des § 49 I Nr. 3 StGB (diesmal in der vierten Variante) auf einen Monat absenken. Das Höchstmaß würde sich durch doppelte Anwendung des § 49 I Nr. 2 S. 1 StGB von 15 Jahren (§ 38 II StGB) auf acht Jahre und fünf Monate absenken. Die Zulässigkeit einer doppelten Strafrahmenverschiebung ist anerkannt und wird überwiegend aus einem Umkehrschluss zu § 50 StGB gezogen, der die doppelte Milderung aufgrund selbstständiger Milderungsgründe gerade nicht verbietet.20 Dies soll auch für die große Kronzeugenregelung gelten.21 Die doppelte Strafrahmenverschiebung ist allein dann nicht zulässig, wenn die Milderungsgründe nicht auf jeweils selbstständiger Grundlage beruhen.22 Dies dürfte aber hinsichtlich der großen Kronzeugenregelung zu vernachlässigen sein, da die Vornahme der Aufklärungsund Präventionshilfe selbst keinen weiteren vertypten Milderungsgrund auslöst.23 Dass dem Kronzeugen eine doppelte Milderung offen steht, ist auch sinnvoll. Andernfalls käme die große Kronzeugenregelung in Gefahr, bei Einschlägigkeit weiterer vertypter Milderungsgründe leer zu laufen und den Kooperationsanreiz einzubüßen. Warum sollte derjenige, dem ohnehin schon eine mildere Bestrafung winkt, sich zu einer Aufklärungs- oder Präventionshilfe bemühen, wenn dies sich nicht in einer den Strafrahmen verschiebenden Art und Weise auswirkt? Dies gilt vor allem, wenn bereits ein obligatorischer Milderungsgrund einschlägig ist. Lässt sich diese mehrfache Strafrahmenverschiebung, diese (mindestens) zweifache Milderung der Strafe des Kronzeugen aber auch vor dem Hintergrund des Rechtsstaats- und Schuldprinzips rechtfertigen? Oder sind Fälle denkbar, in denen die Honorierung des Kronzeugen auch bei bereits eingreifendem vertypten Milderungsgrund diese Prinzipien zu sehr beeinträchtigen und damit verletzen würde? Wäre dies der Fall, müsste das dem Richter zustehende Ermessen nach § 46b I 1 StGB eine Reduzierung auf Null erfahren. Die Gewährung der zusätzlichen Strafmilderung aufgrund der Kooperation wäre dann unzulässig. Was das Schuldprinzip angeht, so kann auch bei mehrfacher Milderung ein Verstoß nicht erkannt werden. Die isoliert betrachtete Milderung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB verletzt das Schuldprinzip nicht.24 Trotz der Ermöglichung einer 20 BGHSt 26, 53, 54; Lackner/Kühl, § 50, Rn. 5; LK/Theune, § 49, Rn. 17; Satzger/ Eschelbach, § 49, Rn. 19; Sch/Sch/Stree/Kinzig, § 49, Rn. 6. 21 BT-Dr. 16/6268, S. 11. 22 Etwa, wenn allein deswegen (nur) Beihilfe (und keine Täterschaft) gegeben ist, weil beim Beteiligten kein besonderes persönliches Merkmal nach § 28 I StGB vorliegt, BGHSt 26, 53, 54; Bruns, JR 1980, 226 f.; Lackner/Kühl, § 50, Rn. 5. 23 Anders ist dies aber hinsichtlich der Begründung minder schwerer Fälle, siehe unten S. 152. 24 Siehe oben S. 137.

C. Zusammentreffen von § 46b StGB mit weiteren Milderungsgründen

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die Schuld des Kronzeugen unterschreitenden Strafe werden die anerkannten Strafzwecke gewahrt. Die weiteren vertypten Milderungsgründe, mit denen § 46b StGB zusammentreffen kann, finden ihren Grund ihrerseits in einer Minderung des Erfolgs- oder Handlungsunrechts des Täters.25 In diesen Fällen ist die vom Täter verwirklichte Strafzumessungsschuld daher abgesenkt. Eine schuldunangemessene Bestrafung erfolgt durch diese Milderungsgründe somit gerade nicht. Wenn nun aber sowohl die durch die Kronzeugenregelung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB ermöglichte Strafrahmenverschiebung als auch die weiteren vertypten Milderungsgründe das Schuldprinzip wahren, kann für eine Kombination der einzelnen Milderungen grundsätzlich nichts anderes gelten. Lediglich wenn der Kronzeuge eine (unter Ausklammerung der Milderungsgründe) ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat, könnte man Bedenken hegen. In diesem Fall hat der Kronzeuge ein besonders hohes Maß an Unrecht auf sich geladen. Eine allein wegen der Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden ermöglichte Mehrfachmilderung könnte deswegen unzulässig sein. Beispielsfall 17: K hat Schmiere gestanden, als O seine Ehefrau mit einer Bombe tötete. K gerät ins Visier der Ermittler und offenbart die Tat des O.

Hier hat K den Tatbestand des § 46b I 1 StGB erfüllt, da er als tauglicher Kronzeuge (Gehilfe zum Mord mit gemeingefährlichen Mitteln, §§ 211 I, II 2. Gruppe Var. 3, 27 I StGB) einen Aufklärungserfolg hinsichtlich einer tauglichen Offenbarungstat nach § 100a II Nr. 1 h StPO erzielen konnte. Entscheidet sich der Richter daher für eine Milderung nach § 46b I 1 StGB, greifen die Milderungsgründe nach §§ 46b I 1, 49 I StGB sowie §§ 27 II 2, 49 I StGB ein. Zunächst stellt sich aber vermeintlich die Frage, in welcher Reihenfolge die Strafrahmenverschiebungen vorzunehmen sind. Der Grund hierfür liegt in der einschränkenden Regelung des § 46b I 1, 2. HS StGB. Diese führt dazu, dass im Falle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe bei erstmaliger Milderung nach § 46b I 1 StGB die Mindeststrafe nicht nach § 49 I Nr. 1 StGB auf drei Jahre abgesenkt würde. Vielmehr käme nach § 46b I 1, 2. HS StGB „nur“ eine Milderung auf zehn Jahre in Betracht. Durch eine erneute Milderung des so festgelegten Strafrahmens nach §§ 27 II 2, 49 I Nr. 3 Var. 1 StGB käme man auf ein Mindestmaß von zwei Jahren. Nähme man hingegen die erste Milderung stattdessen nach §§ 27 II 2, 49 I StGB vor, so wäre die Mindeststrafe gleich nach § 49 I Nr. 1 StGB auf drei Jahre zu mildern. Die einschränkende Wirkung des § 46b I 1, 2. HS StGB käme nicht zum Tragen. Durch eine erneute Milderung nach §§ 46b I 1, 49 I Nr. 3 Var. 2 StGB würde man zu einer Mindeststrafe von lediglich sechs Monaten kommen. Je nachdem, ob zunächst nach § 46b I 1 StGB 25

Siehe oben S. 127.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

oder durch den anderen vertypten Milderungsgrund gemildert wird, kommt es daher vermeintlich zu unterschiedlichen Mindeststrafen: zwei Jahre oder nur sechs Monate. Hängt es also vom Zufall (und von der dadurch bedingten Reihenfolge der Milderung) ab, wie sich das Mindestmaß der Strafe des Kronzeugen absenkt? Die Frage muss verneint werden. Versteht man nämlich die einschränkende Regelung des § 46b I 1, 2. HS StGB richtig, so fehlt es schon an einer ausschließlich angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe, wenn ein weiterer vertypter Milderungsgrund einschlägig ist.26 In diesem Fall greift die einschränkende Wirkung des § 46b I 1, 2. HS StGB also von vornherein nicht ein. Anders als bei Beurteilung der „Tauglichkeit“ des Kronzeugen nach § 46b I 2 StGB müssen daher im Rahmen des § 46b I 1, 2. HS StGB auch Milderungen berücksichtigt werden. Mithin stellt sich auch kein Reihenfolgenproblem ein. Tritt daher neben die große Kronzeugenregelung ein weiterer vertypter Milderungsgrund, so senkt sich das Mindestmaß der Freiheitsstrafe des Kronzeugen, dem ursprünglich eine lebenslange Freiheitsstrafe drohte, auf sechs Monate ab. Diese doppelte Milderung lässt sich auch dann, wenn die Kronzeugentat ursprünglich mit ausschließlich lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, mit dem Grundsatz schuldangemessenen Strafens vereinbaren. Was das Höchstmaß betrifft, mindert sich die lebenslange Freiheitsstrafe zunächst auf fünfzehn Jahre (§§ 49 I Nr. 1, 38 II StGB) und über § 49 I Nr. 2 S. 1 StGB auf elf Jahre und drei Monate. Das Mindestmaß beträgt nach Anwendung des § 49 I Nr. 1 StGB sowie des § 49 I Nr. 3 Var. 2 StGB sechs Monate. Trotz dieser hierdurch ermöglichten relativ geringen Bestrafung werden dennoch die anerkannten Strafzwecke gewahrt. Bezogen auf den Beispielsfall trägt die Absenkung nach §§ 27 II 2, 49 I StGB einem ohnehin verringerten Handlungsunrecht des K Rechnung. Die erneute Absenkung durch §§ 46b I 1, 49 I StGB honoriert wiederum die Stärkung des Normvertrauens der Bevölkerung in Bezug auf die offenbarte Tat und die abschreckende Wirkung auf potentielle Täter. Eine unerträgliche, die Strafzwecke gänzlich in Frage stellende Milderung kann daher auch in diesem Fall nicht eintreten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein qualifizierter Unrechtsüberschuss hinsichtlich der Kronzeugentat gerade nicht vorliegt, wenn neben § 46b StGB ein weiterer vertypter Milderungsgrund tritt. In diesem Fall droht dem Kronzeugen gerade keine ausschließlich lebenslange Freiheitsstrafe mehr.27 Das verwirklichte Unrecht kann in diesen Konstellationen nicht solch ein Maß erreichen, dass jedwede auf der Kooperation beruhende weitere Honorierung unzulässig ist. Aus dem gleichen Grund steht eine doppelte Milderung auch nicht dem durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechts-

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BT-Dr. 16/6268, S. 13; Sch/Sch/Kinzig, § 46b, Rn. 24. Nur bei ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe kann aber ein qualifizierter Unrechtsüberschuss auf Seiten der Kronzeugentat angenommen werden, siehe oben S. 107. 27

D. Zusammentreffen von § 46b StGB mit einem minder schweren Fall

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staatsprinzip entgegen. Dennoch bleibt es dem Gericht selbstverständlich unbenommen, aufgrund der verbleibenden Schwere der Kronzeugentat durch Ausübung seines Ermessens anhand der Kriterien des § 46b II StGB auf eine erneute Milderung nach § 46b I 1 StGB zu verzichten. Somit ist die Honorierung StGB mit dem Schuldprinzip sentierten Rechtsstaatsprinzip Kronzeugen bereits aufgrund senkt wird.

der Kronzeugenhandlung nach §§ 46b I 1, 49 I sowie mit dem durch das Legalitätsprinzip repräauch dann vereinbar, wenn der Strafrahmen des eines weiteren vertypten Milderungsgrunds abge-

D. Das Zusammentreffen von § 46b StGB mit einem minder schweren Fall Doch nicht nur vertypte Milderungsgründe können neben die große Kronzeugenregelung treten. Auch ist denkbar, dass der Kronzeuge bei Verwirklichung „seiner“ Kronzeugentat nur einen minder schweren Fall begründet. Bei minder schweren Fällen sind grundsätzlich zwei Konstellationen denkbar und zu unterscheiden. Zum einen kann die verwirklichte Tat, isoliert betrachtet, selbst einen minder schweren Fall auslösen. Zum anderen folgt aus § 50 StGB, dass bereits das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrunds (bzw. die ihm zugrunde liegenden Umstände) die Annahme eines minder schweren Falls rechtfertigen kann.28 Liegt nun ein solcher Milderungsgrund i. S. d. § 49 StGB vor, ergibt sich für den Richter aus § 50 StGB eine bestimmte Prüfungsreihenfolge:29 Zunächst hat er unter Ausklammerung des vertypten Milderungsgrunds zu untersuchen, ob die vom Täter verwirklichte Tat einem minder schweren Fall entspricht. Ist dies der Fall, kann die Strafe erneut nach § 49 StGB abgesenkt werden. Reichen die allgemeinen Milderungsgründe hingegen nicht für die Annahme eines minder schweren Falls aus, ist zu untersuchen, ob durch Einbeziehung des vertypten Milderungsgrunds ein minder schwerer Fall begründet werden kann. In diesem Fall entfaltet § 50 StGB nun eine Sperrwirkung. Die dem vertypten Milderungsgrund zugrunde liegenden Umstände dürfen nur entweder für eine Milderung nach § 49 StGB oder für die Annahme eines minder schweren Falls herangezogen werden. Eine doppelte Berücksichtigung ist hingegen nicht zulässig.

28 BGH NStZ 1990, 96; NStZ-RR 2004, 14; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 97; Lackner/Kühl, § 50, Rn. 2. 29 BGH StV 1992, 371 f.; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 96 f.; LK/Theune, § 50, Rn. 14; MK/Franke, § 50, Rn. 7; NK/Kett-Straub, § 50, Rn. 17 f.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 611; SK/Horn, § 50, Rn. 8.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

I. Minder schwerer Fall ohne Berücksichtigung der Kronzeugenhandlung Zunächst ist jene Konstellation zu untersuchen, in der bereits die Begehung der Kronzeugentat selbst, ohne Berücksichtigung der Kronzeugenhandlung und der damit einhergehenden Milderungsmöglichkeit nach § 49 I StGB, zur Annahme eines minder schweren Falls führt.30 Beispielsfall 18: Die Ehefrau E des K, der an einer Gehbehinderung leidet, möchte sich von ihrem Gatten trennen. Zur von diesem gewünschten Aussprache in der ehelichen Wohnung bringt die E ihren Liebhaber O mit und tut ihren Trennungswillen mit der Bemerkung kund, bei einem „Krüppel“ wolle sie gewiss nicht bleiben. Aufgrund des hierdurch verursachten unbändigen Zorns erschlägt K seine Frau auf der Stelle. Bei der Festnahme berichtet er den Polizeibeamten zutreffenderweise, dass O seinerseits seine Frau vergiftete, um der Beziehung zu E ungestört frönen zu können. O kann daraufhin überführt werden.

Hier hat K den Tatbestand des § 46b StGB erfüllt, da er als tauglicher Kronzeuge (Täter nach § 212 I StGB) eine taugliche Offenbarungstat (nach § 100a II Nr. 1 h StPO) offenbarte. Seine Tat ist als minder schwerer Fall nach § 213 StGB anzusehen, da sowohl die Mitnahme des Geliebten in die eheliche Wohnung bei der Aussprache31 als auch das Eingehen auf die Behinderung32 als schwere Beleidigung i. S. d. § 213 StGB anzusehen ist und K durch diese zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tötung hingerissen worden war. Durch die Strafzumessungsregel33 des § 213 StGB senkt sich der Strafrahmen des K daher im Mindestmaß von fünf Jahren auf ein Jahr ab. Das Höchstmaß senkt sich um fünf auf zehn Jahre. Nun ist es dem K zudem gelungen, den Tatbestand der großen Kronzeugenregelung zu erfüllen. Unter Berücksichtigung des Werts seines Beitrags und der Schwere der offenbarten Tat wäre es daher nicht unwahrscheinlich, dass das Gericht auch von der Milderungsmöglichkeit nach §§ 46b I 1, 49 I StGB Gebrauch macht, um die Kooperation des K zu honorieren. § 50 StGB stünde dem nicht entgegen, da minder schwerer Fall und vertypter Milderungsgrund hier auf unterschiedlichen Umständen beruhen.34 Die Folge wäre eine er-

30 Sämtliche Regelungen minder schwerer Fälle beziehen sich auf Taten, die taugliche Kronzeugentaten i. S. d. § 46b I 1 StGB darstellen; vgl. nur §§ 177 V, 213, 225 IV, 226 III, 227 II, 234 II, 239 V, 244a II, 249 II, 250 III, 306 II, 306a III, 315 IV, 316a II StGB. 31 BGH 3 StR 344/77 vom 28.09.1977; MK/Schneider, § 213, Rn. 23. 32 BGH NStZ 1982, 27. 33 Lackner/Kühl, § 213, Rn. 1; Mitsch, JuS 1996, 26, 28; Sch/Sch/Eser, § 213, Rn. 2; a. A. Müssig, Mord und Totschlag, S. 317, wonach § 213 StGB eine selbstständige Privilegierungsregelung darstellt. 34 Vgl. Horstkotte, FS Dreher, 265, 277 f.; Lackner/Kühl, § 50, Rn. 3.

D. Zusammentreffen von § 46b StGB mit einem minder schweren Fall

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neute Absenkung des Strafrahmens. K würde nur noch eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis sieben Jahren und sechs Monaten drohen. Wegen dieses milden Strafrahmens stellt sich die Frage, ob bei Vorliegen eines minder schweren Falls eine erneute Absenkung durch die große Kronzeugenregelung zulässig ist, oder ob nicht vielmehr das Rechtsstaats- und Schuldprinzip hierdurch unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Zunächst gilt festzuhalten, dass die Unzulässigkeit einer erneuten Honorierung trotz bereits bestehendem minder schweren Fall unter Gesichtspunkten des Sinn und Zwecks der Norm höchst unglücklich wäre. Für den Täter eines minder schweren Falls bestünde keine erkennbare Notwendigkeit, sich für eine Kooperation zu entscheiden. Zöge in seinem Falle die Kooperation keine Strafrahmenverschiebung nach sich, würde die große Kronzeugenregelung ihren Kooperationsanreiz für Täter minder schwerer Fälle einbüßen. Lediglich innerhalb des durch den minder schweren Fall begründeten Strafrahmens könnte die Kooperation strafmildernd berücksichtigt werden. Auch könnte es zu einer weiteren wenig nachvollziehbaren Situation kommen, die nicht im Sinne effektiver Strafverfolgung- und Verhinderung sein kann: Nicht immer nämlich stellt sich die Annahme eines minder schweren Falls gegenüber einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB als für den Täter günstiger dar.35 Somit könnte sich für den Täter die Verwirklichung eines minder schweren Falls unter Umständen als nachteilig herausstellen, ließe man in diesem Fall eine Honorierung seiner Kooperation durch die große Kronzeugenregelung nicht zu. Dieses Ergebnis ist widersinnig. Zudem steht auch das Rechtsstaats- und Schuldprinzip einer Honorierung des Täters minder schwerer Fälle nicht entgegen. Keine der Taten, die einen minder schweren Fall vorsehen, sind mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht. Das vom Täter verwirklichte Unrecht ist daher auch ohne Berücksichtigung der die minder schweren Fälle begründenden Umstände von vornherein nicht als so gewichtig anzusehen, dass eine Honorierung der Kooperation durch die Kronzeugenregelung schlechthin ausscheidet. Schon dieser Umstand spricht daher bereits gegen die generelle Unzulässigkeit einer erneuten Milderung bei minder schweren Fällen. Auch erreicht die Milderung der Strafe nicht solch ein Maß, dass sich die Bestrafung des Kronzeugen als sinnlos herausstellt. Vielmehr stellt die Zulässigkeit einer Honorierung sicher, dass auch bei Tätern minder schwerer Fälle die Gefahr für dessen Komplizen besteht, durch den Kooperationsanreiz des § 46b I 1 StGB aufgedeckt zu werden. Zudem wird auf diese Weise die Stärkung des Normvertrauens in Bezug auf die offenbarten Taten auch bei vom Kronzeugen verwirklichten minder schweren Fällen unterstützt. Folglich zwingen Rechtsstaats- und Schuldprinzip nicht zu einer Versagung der Strafmilderung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB, wenn der Kronzeuge einen minder schweren Fall verwirklicht hat. In Beispielsfall 18 könnte der sich nach § 213 StGB bemessende Straf35

Siehe unten S. 153.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

rahmen des K daher als Lohn für die Offenbarung gem. §§ 46b I 1, 49 I StGB erneut nach unten verschoben werden.

II. Minder schwerer Fall durch Berücksichtigung der Kronzeugenhandlung Die große Kronzeugenregelung muss aber nicht zwangsläufig erst dann auf die Tagesordnung des Gerichts gelangen, wenn ein minder schwerer Fall bereits verwirklicht ist. Vielmehr ist anerkannt, dass vertypte Milderungsgründe selbst in der Lage sind, minder schwere Fälle zu begründen.36 Da es sich bei §§ 46b I 1, 49 I StGB um einen solchen vertypten Milderungsgrund handelt, könnte daher bereits die Vornahme der Kooperation unter den Voraussetzungen des § 46b I StGB zur Begründung eines minder schweren Falls der Kronzeugentat führen. Beispielsfall 19: Die Ehefrau des K möchte sich von diesem trennen. Bei der von ihm gewünschten Aussprache packt K plötzlich die Wut. Er erschlägt die E. Bei der Festnahme berichtet er zutreffend, dass der neue Lebenspartner seiner Frau, der O, seinerseits seine Frau vergiftet hat. O wird daraufhin der Tat überführt.

Hier war der K (insoweit anders als im vorigen Beispielsfall 18) nicht durch eine schwere Beleidigung der E zu seiner Tat hingerissen worden. Betrachtet man daher allein die Tat selbst, so lässt sich ein minder schwerer Fall nach § 213 StGB nicht annehmen. Wie bereits anhand des Beispielfalls 18 dargestellt, ist es dem K aber gelungen, den Tatbestand des § 46b I StGB durch Vornahme der Aufklärungshilfe zu erfüllen. Entscheidet sich das Gericht nun für die Anwendung der großen Kronzeugenregelung, ist der vertypte Milderungsgrund des § 46b I StGB erfüllt. Nach dem bisher Gesagten könnte die große Kronzeugenregelung daher zur Bejahung eines minder schweren Falls eingesetzt werden. Auch der Gesetzgeber will diese Möglichkeit auf die große Kronzeugenregelung übertragen.37 Dies mag zunächst verwundern, denn: Anders als die bisher normierten, auf § 49 I StGB verweisenden Milderungsgründe honoriert § 46b StGB ja gerade keine Verringerung des Handlungs- und Erfolgsunrechts. Die mit Strafmilderung belohnte Kronzeugenhandlung ist schuldirrelevant.38 Jedoch knüpft die Begründung eines minder schweren Falls nicht an die Schuldrelevanz des zur Milderung führenden Umstandes an. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in welcher Tatbild und Täterpersönlichkeit im Ganzen zu berücksichti36 BGH NStZ 1990, 96; NStZ-RR 2004, 14; Detter, Einführung in die Praxis des Strafzumessungsrechts, S. 97; Lackner/Kühl, § 50, Rn. 2; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 582. 37 BT-Dr. 16/6268, S. 11. 38 Siehe oben S. 124.

D. Zusammentreffen von § 46b StGB mit einem minder schweren Fall

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gen sind.39 Auch der Tat nachfolgende Verhaltensweisen sind hierbei heranzuziehen.40 Schuldabsenkende Wirkung muss den in die Beurteilung einzustellenden Umständen nicht zukommen.41 Die fehlende Schuldrelevanz der Kronzeugenhandlung steht der Einbeziehung in die Beurteilung eines minder schweren Falls daher nicht entgegen. Grundsätzlich kann somit in Beispielsfall 19 die Vornahme der Aufklärungshilfe zur Begründung eines minder schweren Falls nach § 213 StGB herangezogen werden. Ist dies der Fall, greift aber § 50 StGB ein. Die den Tatbestand der großen Kronzeugenregelung erfüllende Kronzeugenhandlung i. S. d. § 46b I 1 StGB darf nach § 50 StGB nur einmal, also entweder für eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB oder aber für die Bejahung des minder schweren Falls, herangezogen werden. Eine doppelte Berücksichtigung aufgrund ein und desselben Umstands (hier die Kronzeugenhandlung) ist hingegen unzulässig.42 Wie hat nun der Richter vorzugehen? Zum Teil wird in der Literatur vertreten, im Falle des § 50 StGB müsse das Gericht zwingend den für den Straftäter günstigeren Strafrahmen wählen.43 Je nachdem, ob minder schwerer Fall oder vertypter Milderungsgrund den milderen Strafrahmen nach sich zieht, habe sich der Richter für die Anwendung eben dieser Milderung zu entscheiden. Richtigerweise billigt die Rechtsprechung hingegen dem Gericht ein Wahlrecht zu.44 Hierbei muss das Gericht im Rahmen einer Gesamtabwägung beurteilen, welcher Strafrahmen zur Ahndung des Unrechts besser geeignet ist.45 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Wahlmöglichkeit begrüßenswerterweise auch für die große Kronzeugenregelung gelten.46 Hierfür spricht schon, dass sich nicht pauschal sagen lässt, welcher Strafrahmen die für den Täter günstigere Variante darstellt. Bezogen auf die große Kronzeugenregelung gilt Folgendes: Was das Mindestmaß betrifft, so senkt die Honorierung der Kronzeugenhandlung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB das Mindestmaß grundsätzlich stärker ab als bei Annahme eines minder schweren Falls. Lediglich in Fällen, in denen dem Täter eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren droht, stellt sich die Annahme eines minder schweren Falls im Mindestmaß als milder heraus.47 Hingegen lässt die Annahme eines 39 BGHSt 26, 97, 99; 35, 148, 149; NStZ 1982, 26; NStZ 1983, 119; NStZ 1991, 529, 530; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 9. 40 BGHSt 35, 148, 149. 41 Vgl. BGHSt 26, 97, 98; ausdrücklich BT-Dr. 7/550, S. 212; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 577; anders aber noch BGHSt 4, 8, 10. 42 Horstkotte, FS Dreher, 265, 277 f.; Lackner/Kühl, § 50, Rn. 3; NK/Kett-Straub, § 50, Rn. 3. 43 NK/Kett-Straub, § 50, Rn. 14; SK/Horn, § 50, Rn. 5. 44 BGH NStZ 1999, 610; zustimmend Fischer, § 50, Rn. 5; differenzierend Lackner/ Kühl, § 50, Rn. 2. 45 BGH NStZ 1999, 610. 46 BT-Dr. 16/6268, S. 11. 47 Z. B. bei §§ 213, 250 III i.V. m. II, 316a II StGB.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

minder schweren Falls das Höchstmaß stärker absenken als bei einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB. Daher stellt sich hier die Frage, welche Variante sich für den Kronzeugen als günstiger darstellt. Auch hierin besteht Uneinigkeit. Zum Teil wird ausschließlich auf diejenige Milderungsmöglichkeit abgestellt, welche die niedrigste Untergrenze aufweist.48 Für die große Kronzeugenregelung hätte dies grds. einen Vorrang der Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB zur Folge. Die Rechtsprechung verlangt hingegen eine umfassende Würdigung des Einzelfalls, wobei auch die Höchststrafe ausschlaggebend sein könne.49 Letzterer Ansicht ist der Vorzug zu geben. Gerade wenn der Kronzeuge eine besonders schwerwiegende Tat mit entsprechend hoher angedrohter Höchststrafe verwirklicht hat und sich ohne Heranziehung weiterer Strafzumessungsregeln die konkret zu verhängende Strafe dem vorgesehenen Höchstmaß annähern würde, kommt dem Täter in besonderem Maße eine erhebliche Absenkung des Höchstmaßes, also die Annahme eines minder schweren Falls, zu Gute. In Beispielsfall 19 müsste daher das Gericht, falls sein Ermessen nach § 46b I 1, II StGB positiv ausfällt, im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung entscheiden, ob es die Kooperation des K mit einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB belohnt oder aber die große Kronzeugenregelung zur Begründung eines minder schweren Falls einsetzt. Hierbei wird die Besonderheit zu berücksichtigen sein, dass die Anwendung des § 213 StGB sowohl hinsichtlich des Höchstmaßes als auch hinsichtlich des Mindestmaßes der Freiheitsstrafe für den K günstiger ausfiele. Auch hier bedarf aber der Klärung, ob die Begründung eines minder schweren Falls durch die große Kronzeugenregelung vor dem Hintergrund des Schuldprinzips und des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips Bestand haben kann. Hier stellt sich zwar die Sache weniger kompliziert dar als in jenen Konstellationen, in denen § 50 StGB nicht eingreift, also §§ 46b I 1, 49 I StGB und minder schwerer Fall nebeneinander treten können. Denn eine doppelte Absenkung des Strafrahmens erfolgt ja gerade nicht. Dennoch gilt zu beachten, dass minder schwere Fälle das Höchstmaß zum Teil deutlich stärker nach unten drücken, als dies durch §§ 46b I, 49 I StGB der Fall ist. Deshalb kann nicht pauschal auf die oben ausführlich herausgearbeitete Vereinbarkeit der großen Kronzeugenregelung mit den genannten Prinzipien verwiesen werden. Die oben vorgenommene Prüfung knüpft ja gerade eng an die in § 46b I StGB ausdrücklich genannten Rechtsfolgen an und lässt die Begründung minder schwerer Fälle außer Betracht. Doch auch unter Berücksichtigung der stärker abgesenkten Obergrenze der Strafe des Kronzeugen lässt sich ein Verstoß gegen die genannten Prinzipien nicht erkennen. Zum einen muss beachtet werden, dass mit der starken Absenkung des Höchstmaßes durch Annahme eines minder schweren Falls eine 48 49

NK/Kett-Straub, § 50, Rn. 16; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 582. BGHSt 33, 92, 93; differenzierend Lackner/Kühl, § 50, Rn. 2.

E. Zusammentreffen von § 46b StGB und einem Geständnis

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im Vergleich zu § 49 I Nr. 3 StGB höhere Mindeststrafe einhergeht.50 Zum anderen sieht das Gesetz minder schwere Fälle ohnehin nur für solche Taten vor, die einen qualifizierten Unrechtsüberschuss auf Seiten der Kronzeugentat gerade vermissen lassen.51 Ein unerträgliches Missverhältnis zwischen der Schwere von Kronzeugen- und Offenbarungstat kann also gerade nicht eintreten, wenn über die Anwendung des § 46b StGB die Annahme eines minder schweren Falls grundsätzlich möglich ist. Somit stehen der Begründung eines minder schweren Falls durch die große Kronzeugenregelung die Schranken des Schuldprinzips sowie des durch das Legalitätsprinzip repräsentierten Rechtsstaatsprinzips nicht entgegen.

III. Zusammenfassung Das Zusammenspiel der großen Kronzeugenregelung mit minder schweren Fällen hat vor den tragenden Prinzipien des Strafrechts Bestand. Auch wenn die Kronzeugentat selbst als minder schwerer Fall anzusehen ist, steht § 46b StGB einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 I StGB offen. Eine Verletzung tragender Prinzipien des Strafrechts kann hierin nicht erkannt werden. Gleiches gilt, wenn erst der vertypte Milderungsgrund des §§ 46b I 1, 49 I StGB zur Annahme eines minder schweren Falls führt und auf diese Weise die Kronzeugenhandlung honoriert wird.

E. Das Zusammentreffen von § 46b StGB und einem Geständnis Nicht selten wird der Kronzeuge neben der Vornahme der Kronzeugenhandlung ein Geständnis ablegen. Zwar setzt die große Kronzeugenregelung solch eine Selbstbelastung nicht voraus, um die strafmildernde Wirkung des § 46b I StGB auszulösen.52 Doch wird der Kronzeuge insbesondere in den Fällen, in denen er Komplizen belastet, mit der eigenen Überführung rechnen müssen und schon aus taktischen Gründen die Bereitschaft zur Kooperation in Bezug auf die eigene Tat an den Tag legen. Wie nun aber das mit der Kronzeugenhandlung einhergehende Geständnis zu berücksichtigen ist, bedarf der Klärung. Geständnisse sind strafmildernd zu berücksichtigen. Insbesondere wenn der Täter sich zu seiner Tat aus Reue bekennt und die Selbstbelastung von Schuldeinsicht getragen ist, sollen Rückschlüsse auf das bei Begehung der Tat verwirklichte Unrecht möglich sein. Nach der Indizkonstruktion senkt ein Geständnis daher grundsätzlich die Grenze der schon schuldangemessenen Strafe (innerhalb 50 51 52

Zu den Ausnahmen dieses Grundsatzes siehe Fn. 47. Siehe oben S. 151. Siehe oben S. 85.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens) ab.53 Jedoch gilt zu beachten, dass Antrieb für das vom Kronzeugen abgegebene Geständnis oftmals nicht Reue oder tiefe Schuldeinsicht sein dürfte.54 Vielmehr wird der Kronzeuge durch die Selbstbelastung regelmäßig dem Umstand Rechnung tragen, dass die von ihm offenbarten Komplizen ihrerseits den Kronzeugen belasten werden.55 Auch muss der Kronzeuge zumindest damit rechnen, dass die kundgegebenen Informationen über die Offenbarungstat auch auf ihn selbst zurückfallen. Man wird sich fragen, warum gerade er über diese Informationen verfügt und sich dies oftmals nur mit dessen Tatbeteiligung erklären können. Dass der Kronzeuge sich daher aus taktischen Gründen zu seiner eigenen Tat bekennt (und zwar auch schon bevor erdrückende Beweise gegen ihn vorliegen), ist somit verständlich. Die Rechtsprechung billigt nun auch solchen Geständnissen strafmildernde Wirkung zu, die nicht allein aus Reue vorgenommen werden.56 Lediglich wenn das Geständnis allein der erdrückenden Beweislage Rechnung trägt, kann die Milderung gering ausfallen oder ganz ausbleiben.57 Das vom Kronzeugen abgelegte Geständnis steht daher in der Regel einer Berücksichtigung in der Strafzumessung offen. Wie wirkt sich nun das neben die Kronzeugenhandlung tretende Geständnis auf die Anwendung der großen Kronzeugenregelung aus? Und wie gestaltet sich überhaupt das Zusammenfallen der beiden Umstände? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die maßgeblichen Handlungen bei Geständnis und Kronzeugenregelung in zeitlicher Hinsicht zwingend auseinanderfallen. Kronzeugenhandlung und Geständnis müssen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgenommen werden. Das Geständnis vermag nur dann seine mildernde Wirkung zu entfalten, wenn es in der Hauptverhandlung vorgenommen wird. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Unmittelbarkeit sowie aus § 261 StPO.58 Zwar kann das Geständnis zu einem früheren Zeitpunkt (etwa bereits im Ermittlungsverfahren) erfolgen. Mildernde Wirkung kommt ihm in diesem Fall aber nur dann zu, wenn es in der Hauptverhandlung wiederholt wird.59 Die Auf-

53 BGHSt 1, 105, 106; StV 1991, 106, 108; NStZ 1993, 584; NStZ-RR 1998, 103; Lackner/Kühl, § 46, Rn. 43. 54 So auch Malek, StV 2010, 200, 202. 55 Vgl. Widmaier/Weider, § 45, Rn. 174: „Bumerang-Effekt“. Dieser Umstand erfährt jedoch durch den in § 46b StGB verwirklichten Konnexitätsverzicht eine gewisse Einschränkung. 56 Vgl. BGHSt 43, 195, 209 f., wonach der mildernden Wirkung nicht entgegensteht, dass das Geständnis Gegenstand einer Verständigung war und im Rahmen dieser Verständigung abgelegt wurde. Zustimmend Schäfer/Sander/van Gemmeren, Rn. 383. 57 BGHSt 43, 195, 209; StV 1998, 481; NStZ-RR 2007, 232; StraFo 2007, 341. 58 Hauer, Geständnis und Absprache, S. 175; vgl. auch Rode, StraFo 2007, 98 ff. 59 BGH bei Dallinger, MDR 1971, 545. Aus der Weigerung zur Wiederholung des Geständnisses (sog. zeitweises Schweigen) dürfen jedoch keine für den Täter nachteiligen Schlüsse gezogen werden, Kühl, JuS 1986, 115, 119 f.; Stree, JZ 1966, 593, 597; Wessels, JuS 1966, 169, 172.

F. § 46b I 4 StGB und weitere Milderungsgründe

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klärungs- und Präventionshilfe darf aber gerade nicht erst in der Hauptverhandlung geleistet werden. § 46b III StGB zwingt vielmehr dazu, bereits vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Kronzeugenhandlung vorzunehmen. Wenn nun der Kronzeuge nicht nur zur Offenbarung Dritter bereit ist, sondern durch sein Geständnis auch sich selbst belastet, wird das Gericht nach dem gerade Gesagten die Strafe in doppelter Hinsicht absenken. Dies geht aber nur dann, wenn diese zweifache Milderung auch vor dem Schuld- und Rechtsstaatsprinzip Bestand hat. Hält man sich vor Augen, wie diese doppelte Berücksichtigung vonstatten geht, kann dies nicht in Zweifel gezogen werden: Hat sich das Gericht für eine Honorierung der Kronzeugenregelung nach § 46b I 1 StGB entschieden, muss es zunächst den durch die Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB gemilderten Strafrahmen bestimmen. Das in der Hauptverhandlung vorgetragene Geständnis ist wiederum innerhalb dieses neu bestimmten Strafrahmens strafmildernd zu berücksichtigen. Das Geständnis zieht also keine Strafrahmenverschiebung nach sich. Wenn nun aber die durch die Strafrahmenverschiebung aufgrund der großen Kronzeugenregelung vorgenommene Festlegung der Extreme (also die vorgeschriebene Höchst- und Mindeststrafe) mit dem Schuld- und Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist,60 kann für das (zusätzlich) lediglich innerhalb dieses Rahmens strafmildernd berücksichtigte Geständnis nichts anderes gelten. Eine über die von § 46b StGB gezogenen Grenzen hinausgehende Absenkung der Strafe erfolgt durch die zusätzliche Berücksichtigung des Geständnisses ja gerade nicht. Mithin lässt sich in dem Zusammentreffen von Kronzeugenregelung und Geständnis sowie der damit einhergehenden mehrfachen Strafmilderungsmöglichkeit kein Verstoß gegen die genannten Prinzipien erkennen.

F. § 46b I 4 StGB und weitere Milderungsgründe Bislang wurde sich darauf beschränkt, das Nebeneinander von einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB und weiteren Milderungsmöglichkeiten zu untersuchen. Welche Rolle können aber weitere vertypte Milderungsgründe, minder schwere Fälle und Geständnisse in Bezug auf § 46b I 4 StGB spielen? Greift § 46b I 4 StGB bereits ein, spielt dieser Punkt keine Rolle. Wenn schon von Strafe abgesehen wird, sind weitere Strafmilderungen uninteressant. Anders sieht es aber dann aus, wenn erst die Berücksichtigung dieser Milderungsgründe überhaupt zur Anwendbarkeit des § 46b I 4 StGB führt. Damit ein Absehen von Strafe nach § 46b I 4 StGB überhaupt in Frage kommt, darf dem Kronzeugen allein eine zeitige Freiheitsstrafe drohen. Auch darf er im konkreten 60 Siehe dazu ausführlich oben S. 36 ff. (Rechtsstaatsprinzip als Repräsentant des Legalitätsprinzips) und S. 122 ff. (Schuldprinzip).

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

Fall eine Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren verwirkt haben. Hiermit ist gemeint, dass ein Absehen von Strafe nur dann möglich ist, wenn die vom Gericht zu verhängende Freiheitsstrafe (unter Ausklammerung einer Milderung nach § 46b I 1 StGB selbst) drei Jahre nicht überschreitet. Sind nun Konstellationen denkbar, in denen erst das Hinzutreten weiterer Milderungsgründe dazu führt, dass die Kronzeugentat mit ausschließlich zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und das vom Kronzeugen verwirkte Strafmaß auf maximal drei Jahre abgesenkt wird? Und wenn ja: Lässt sich in diesem Fall das Einbeziehen dieser Umstände in § 46b I 4 StGB mit dem Schuldprinzip und dem durch das Legalitätsprinzip repräsentieren Rechtsstaatsprinzip vereinbaren? Dass die Berücksichtigung einer weiteren Milderung ursächlich wird für die Absenkung einer eigentlich lebenslangen Freiheitsstrafe auf bloß zeitige Strafe, ist nur in Fällen weiterer vertypter Milderungsgründe nach § 49 I StGB möglich. Ein Geständnis ist allein innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens zu berücksichtigen. Die Absenkung des gesetzlichen Mindestmaßes bzw. der absoluten Strafandrohung kann daher nicht erfolgen. Auch minder schwere Fälle werden nicht ursächlich dafür sein, dass dem Kronzeugen eine ausschließlich zeitige Freiheitsstrafe droht. Sie greifen nämlich ohnehin nur dann ein, wenn die Straftat nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist.61 Es bleiben daher allein vertypte Milderungsgründe nach § 49 I StGB. Ist die vom Kronzeugen begangene Tat mit ausschließlich lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht, senkt sich bei Anwendung eines weiteren Milderungsgrundes nach § 49 I Nr. 1 StGB der Strafrahmen auf eine zeitige Freiheitsstrafe mit einem Höchstmaß von 15 Jahren (§ 38 II StGB). Die erste Voraussetzung des § 46b I 4 StGB vermag daher durch einen zusätzlichen vertypten Milderungsgrund nach § 49 I StGB erreicht zu werden. Beispielsfall 20: Während O seine Ehefrau heimtückisch erschlug, hat K Schmiere gestanden. Als K ins Fadenkreuz der Ermittlungen gerät, deckt er die Täterschaft des O auf, woraufhin dieser überführt werden kann.

Hier ist K als Gehilfe zu einem Heimtückemord nach § 211 I, II 2. Gruppe Var. 1 StGB anzusehen. Ihm gelang die Herbeiführung eines Aufklärungserfolgs in Bezug auf eine taugliche Offenbarungstat nach § 100a II Nr. 1 h StPO. Nach § 27 II 2 StGB ist die ihm eigentlich nach § 27 II 1 StGB drohende lebenslange Freiheitsstrafe gem. § 49 I Nr. 1 StGB auf eine zeitige Freiheitsstrafe von drei bis fünfzehn Jahren zu mildern. Hier war die Milderung nach §§ 27 II 2, 49 I Nr. 1 StGB also ursächlich dafür, dass dem K keine lebenslange Freiheitsstrafe droht. Die erste Voraussetzung, um von Strafe nach § 46b I 4 StGB absehen zu können, ist daher durch Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes erfüllt. Dennoch wird ein Absehen von Strafe wohl nicht in Frage kommen. Denn es dürfte 61

Vgl. oben S. 151.

F. § 46b I 4 StGB und weitere Milderungsgründe

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eher unwahrscheinlich sein, dass das Gericht genau auf das von § 49 I Nr. 1 StGB vorgegebene Mindestmaß von drei Jahren entscheidet. Allein in diesem Fall aber wäre auch die zweite Voraussetzung des § 46b I 4 StGB gegeben. Daher wird nur in den seltensten Fällen die Berücksichtigung eines vertypten Milderungsgrunds ursächlich für die Anwendbarkeit des § 46b I 4 StGB sein, wenn ohne den Milderungsgrund die Kronzeugentat mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Es bleiben aber dennoch die Konstellationen, in denen die Kronzeugentat zwar ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist (und damit die erste Voraussetzung des § 46b I 4 StGB vorliegt), der Kronzeuge jedoch allein deswegen keine Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren verwirkt hat, weil weitere Milderungsgründe eingreifen. Beispielsfall 21: K versucht zusammen mit O einen Raub unter Verwendung einer Schusswaffe zu begehen. Nachdem dies scheitert und K auffliegt, nennt er den O als Mittäter.

Hier hat K als Täter eines versuchten schweren Raubs nach §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I StGB einen Aufklärungserfolg hinsichtlich einer tauglichen Offenbarungstat (§ 100a II Nr. 1k StPO) erzielt.62 Ohne eine Milderung nach § 23 II StGB drohen dem K mindestens fünf Jahre Haft. Erst durch Anwendung des fakultativen Milderungsgrunds des §§ 23 II, 49 I Nr. 3, Var. 1 StGB senkt sich das Mindestmaß auf zwei Jahre ab. Macht also das Gericht von dieser Milderungsmöglichkeit Gebrauch, ist nicht unwahrscheinlich, dass das Gericht eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren verhängen würde. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollen bei der Frage, ob der Täter keine Strafe von mehr als drei Jahren gem. § 46b I 4 StGB verwirkt hat, weitere Milderungsgründe herangezogen werden.63 Auch hier stellt sich die Frage, ob diese Kombination von § 46b StGB mit weiteren Milderungsgründen im Einklang mit dem Schuld- und Rechtsstaatsprinzip steht. Dies gilt umso mehr, da durch das Absehen von Strafe (und der damit einhergehenden Möglichkeit des Verfolgungsverzichts nach § 153b StPO) eine im Vergleich zur bloßen Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB noch intensivere Beeinträchtigung dieser Prinzipien erfolgt. Doch können auch hier die bereits im Rahmen des Zusammentreffens von § 46b I 1 StGB mit weiteren Milderungen herangezogenen Argumente geltend gemacht werden: So ist in Bezug auf das Erreichen der „Drei-JahresGrenze“ i. S. d. § 46b I 4 StGB durch weitere vertypte Milderungsgründe erneut zu beachten, dass die sonstigen auf § 49 I StGB verweisenden Milderungsgründe einem verringerten Handlungs- oder Erfolgsunrecht Rechnung tragen. In diesen Fällen ist die Strafzumessungsschuld daher ohnehin als relativ gering anzuse62 Auch versuchte Taten können taugliche Offenbarungstaten i. S. d. §§ 46b I 1 StGB, 100a II StPO sein, siehe oben S. 60. 63 BT-Dr. 16/6268, S. 13.

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

hen.64 Auch wenn erst die Anwendung eines minder schweren Falls oder die Berücksichtigung eines Geständnisses die verwirkte Strafe des Kronzeugen auf maximal drei Jahre absenkt, kann ein Verstoß gegen die genannten Prinzipien nicht erkannt werden. Zudem zöge eine Ausklammerung weiterer Milderungsgründe bei der Prüfung des § 46b I 4 StGB eine nicht unerhebliche Schmälerung des Kooperationsanreizes nach sich. Gerade das in Aussicht Stellen des Absehens von Strafe vermag in besonderem Maße Straftäter zur Vornahme von Aufklärungs- und Präventionshilfen zu bewegen. Deswegen wäre es verfehlt, den Anwendungsbereich der Norm unnötig eng zu fassen. Eine flächendeckende Nichtbestrafung von Kronzeugen braucht dennoch nicht befürchtet zu werden. So wird keineswegs ein Automatismus des Absehens von Strafe ausgelöst, wenn die Voraussetzungen des § 46b I 4 StGB vorliegen. Das Gericht hat vielmehr sorgfältig zu überlegen, ob die vorgenommene Kronzeugenhandlung ein Absehen von Strafe rechtfertigt. Zudem stellt § 46b I 4 StGB durch das Verlangen einer ausschließlich zeitigen Freiheitsstrafe und dem Festlegen der „Drei-Jahres-Grenze“ in ausreichendem Maße sicher, dass trotz Berücksichtigung weiterer Milderungsgründe durch die Anwendbarkeit des § 46b I 4 StGB das Schuldprinzip sowie das vom Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip nicht verletzt werden.

G. Die Rolle des § 46b StGB bei der Strafzumessung im engeren Sinne Nachdem die Rolle der großen Kronzeugenregelung für die Bestimmung des für den Kronzeugen geltenden Strafrahmens bzw. für das Absehen von Strafe untersucht wurde, stellt sich des Weiteren die Frage nach der Bedeutung der Kooperation bei Festlegung der konkreten Strafe. Wie bereits dargestellt, hat das Gericht die Kooperationsbemühungen auch dann in der Strafzumessung zu berücksichtigen, wenn der Kronzeuge keinen Aufklärungserfolg herbeizuführen vermochte,65 die Kronzeugenhandlung erst nach dem Präklusionszeitpunkt des § 46b III StGB erfolgte66 oder sich trotz Vorliegens des Tatbestands im Rahmen des Ermessens gegen die Anwendung der Kronzeugenregelung entschieden wurde.67 Was aber, wenn das Gericht von der Kronzeugenregelung durch Verschiebung des Strafrahmens Gebrauch gemacht hat? In diesem Fall ist die vom Kronzeugen an den Tag gelegte Kooperationsbereitschaft, welche in der Aufklärungs- oder Präventionshilfe ihren Ausdruck gefunden hat, für die Strafzumes64 65 66 67

Vgl. BT-Dr. 16/6268, S. 13. Siehe oben S. 85. Siehe oben S. 116. Siehe oben S. 105.

H. Kronzeugenregelung und Verständigung nach § 257c StPO

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sung im engeren Sinne keineswegs verbraucht.68 Zwar darf der Umstand selbst, dass der Kronzeuge einen vertypten Milderungsgrund i. S. d. §§ 46b I, 49 I StGB erfüllte, als solcher nicht erneut strafmildernd bei der Beurteilung der konkreten Strafe innerhalb des gemilderten Strafrahmens berücksichtigt werden.69 Doch dürfen und müssen jene der Bejahung eines vertypten Milderungsgrundes zugrunde liegenden Umstände bei der Bestimmung der konkreten Strafhöhe erneut Berücksichtigung finden.70 Das Doppelverwertungsverbot des § 46 III StGB bzw. § 50 StGB steht dem nicht entgegen.71 Somit darf das Gericht zwar nicht pauschal im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne strafmildernd berücksichtigen, dass der Kronzeuge die Voraussetzungen des § 46b StGB erfüllt hat. Jedoch hat es die der Kronzeugenregelung zugrunde liegenden Umstände (also die Vornahme der Aufklärungs- oder Präventionshilfe) innerhalb des nach § 49 I StGB verschobenen Strafrahmens erneut zu würdigen. Hierbei hat das Gericht auf die Ermessenskriterien des § 46b II StGB zurückzugreifen, welche bereits bei der Entscheidung über die Anwendung der großen Kronzeugenregelung herangezogen wurden.72 Insbesondere bei großem Umfang und wesentlicher Bedeutung der offenbarten Tatsachen, einem frühen Offenbarungszeitpunkt, besonders umfangreicher Kooperation sowie geringer Schwere des Unrechts der Kronzeugentat im Verhältnis zur Offenbarungstat wird das Strafmaß daher aufgrund der Kooperation erneut innerhalb des gemilderten Strafrahmens abzusenken sein.

H. Kronzeugenregelung und Verständigung nach § 257c StPO Der Kronzeuge hat ein besonderes Interesse, sich darauf verlassen zu können, dass seine von ihm geleistete Kronzeugenhandlung möglichst sicher zur gewünschten Milderung nach § 46b StGB führt. Er wird daher versuchen wollen, sich die Anwendung des § 46b StGB als Gegenleistung für seine Mühen verbindlich zusichern zu lassen. Als Instrument für diese Absicherung kommt auf den ersten Blick eine Verständigung nach § 257c StPO in Frage. Grundsätzlich könn68

Vgl. BGHSt 26, 311. Vgl. BGHSt 16, 351, 354; 26, 311 mit zustimmender Anmerkung Zipf, JR 1977, 158 f.; BGH NJW 1989, 3230; Bruns, JR 1980, 226, 228; kritisch Horstkotte, FS Dreher, 265, 280 f. 70 BGHSt 16, 351, 353 f.; 26, 311 f.; StV 1998, 601; Bruns, JR 1980, 226, 228; ders., Das Recht der Strafzumessung, S. 138 f.; Franke/Wienroeder/Wienroeder, § 31, Rn. 24; Hettinger, Das Doppelverwertungsverbot, S. 197; Körner, § 31, Rn. 102; MK/ Maier, § 31, Rn. 144; Sch/Sch/Stree/Kinzig, § 46, Rn. 49. 71 BGHSt 16, 351, 354; 26, 311, 312; Bruns, Strafzumessung, S. 139; Franke/Wienroeder/Wienroeder, § 31, Rn. 24; a. A. Dreher, JZ 1957, 155. 72 Vgl. auch BT-Dr. 16/6268, S. 13, wonach das Gericht nicht nur hinsichtlich des „Ob“, sondern auch in Bezug auf den „Umfang“ der Honorierung auf § 46b II StGB zurückgreifen soll. 69

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3. Teil: § 46b StGB im System der Strafzumessung

te die Anwendung der großen Kronzeugenregelung nach § 46b I StGB durchaus Gegenstand einer Verständigung i. S. d. § 257c StPO sein.73 Dennoch wird es dem Kronzeugen nicht möglich sein, die von ihm angestrebte Milderung nach § 46b StGB durch eine Verständigung abzusichern. Ihm macht die Präklusionsregelung des § 46b III StGB einen Strich durch die Rechnung. Diese zwingt ihn, die Kronzeugenhandlung zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden ist. Verlässliche „Verhandlungspartner“ einer Verständigung i. S. d. § 257c StPO stehen dem Kronzeugen zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht zur Verfügung.74 Die Verständigung kann vielmehr erst in der Hauptverhandlung erfolgen.75 Doch vermag derjenige, der rechtzeitig (also vor Eintritt des Präklusionszeitpunkts des §§ 46b III StGB, 207 StPO) seine Aufklärungs- oder Präventionshilfe leistete, in der Hauptverhandlung gar nicht mehr mit möglichem Verhandlungsmaterial aufzuwarten. Die Kronzeugenhandlung, für die sich der Kronzeuge die Anwendung des § 46b StGB zusichern lassen will, ist bereits vorgenommen. Er hat, was die Offenbarung von Taten Dritter angeht, keine Gegenleistung mehr für eine Verständigung anzubieten.76 Aufgrund der Präklusionsregelung des § 46b III StGB scheidet somit eine verbindliche Absicherung der Honorierung der Kronzeugenhandlung anhand des § 257c StPO aus. Mithin kann es zu einem Nebeneinander von großer Kronzeugenregelung und einer Verständigung nach § 257c StPO in Bezug auf die Kronzeugenhandlung nicht kommen. Es bleibt also dabei, dass der Kronzeuge in Vorleistung gehen muss und nicht sicher sein kann, für seine Mühen auch in dem von ihm gewünschten Maß entlohnt zu werden. Dass dies den Kooperationsanreiz des § 46b StGB beeinträchtigt, ist sicher. Aus diesem Grund befürchten zahlreiche Stimmen die Rückkehr zu informellen, im „stillen Kämmerlein“ außerhalb der Hauptverhandlung vorgenommenen Absprachen.77 Die Präklusionsregelung zwinge geradezu, die von § 257c StPO in die öffentliche Hauptverhandlung geführte Verständigung wieder in geheimer Weise andernorts vorzunehmen.78 Eine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit sowie die Schwächung der Bedeutung der Hauptverhandlung sei die Folge.79 Diese Bedenken können jedoch nicht geteilt werden.80 Die Gefahr flächendeckender geheimer Absprachen lässt sich nicht erkennen. Man darf näm73

Fischer, § 46b, Rn. 4c. Fischer, § 46b, Rn. 35; Malek, StV 2010, 200, 203. 75 Peglau, wistra 2009, 409, 411. 76 Fischer, § 46b, Rn. 4c; Leipold, NJW-Spezial 2009, 776; Peglau, wistra 2009, 409, 411. 77 BeckOK/von Heintschel-Heinegg, § 46b, Rn. 28; König, NJW 2009, 2481, 2483; Malek, StV 2010, 200, 203; SK/Wolters, § 46b, Rn. 36. 78 König, NJW 2009, 2481, 2483; Malek, StV 2010, 200, 203. 79 SK/Wolters, § 46b, Rn. 36. 80 Ebenso Lackner/Kühl, § 46b, Rn. 1. 74

H. Kronzeugenregelung und Verständigung nach § 257c StPO

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lich nicht jene Umstände ausklammern, die zur Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Honorierung führen: Der kooperierende Täter weiß, dass die Entscheidung über die Strafmilderung nicht Ergebnis willkürlicher Erwägungen ist. Vielmehr hat das Gericht seine Wahl ermessensfehlerfrei unter Berücksichtigung der relevanten Umstände zu ermitteln. Bereits hieraus ist für den Kronzeugen in hinreichendem Maße erkennbar, ob er nach geleisteter Aufklärungs- und Präventionshilfe mit einer Belohnung nach § 46b StGB rechnen darf. Die fehlende Absicherung einer verbindlichen Honorierung lässt sich daher für ihn verschmerzen. Eine ausufernde informelle Verständigungspraxis ist somit nicht zu befürchten. Das Gericht wird sich also nicht mit dem bloßen „Absegnen“ vorher ausgehandelter Vereinbarungen begnügen müssen (und dürfen).81 Somit führt der durch § 46b III StGB „erzwungene“ frühe Zeitpunkt der Kooperation auch nicht zu einer übergroßen Stärkung der Ermittlungsbehörden.82 Berücksichtigt man nun auch noch die mit der Präklusionsvorschrift verfolgten Ziele,83 fällt der Umstand, dass die Anwendung der großen Kronzeugenregelung nicht Gegenstand einer Verständigung nach § 257c StPO sein kann, nicht weiter ins Gewicht.

81 Anders aber wohl Salditt, StV 2009, 375, 377, dessen Ansicht nach beim Richter lediglich eine „kümmerliche restliche Kompetenz“ zu verbleiben droht. 82 Anders aber Fischer, § 46b, Rn. 4b, 4c; Leipold, NJW-Spezial 2009, 776; Salditt, StV 2009, 375, 377. 83 Siehe oben S. 115.

4. Teil

Resümee A. § 46b StGB und tragende Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung Die gegen die große Kronzeugenregelung vorgetragenen Vorwürfe wiegen schwer. Zwar muss der Kritik an § 46b StGB zugestanden werden, dass die Anwendung der Norm zahlreiche Prinzipien des Strafrechts und der Verfassung berührt. So lassen sich Beeinträchtigungen des Legalitätsprinzips in seinen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips sowie des Willkürverbots nicht von der Hand weisen. Auch das Schuldprinzip erfährt durch die große Kronzeugenregelung Einschränkungen. Doch hat die große Kronzeugenregelung vor diesen Prinzipien Bestand: Das durch das Legalitätsprinzip repräsentierte Rechtsstaatsprinzip wird nicht verletzt. Die Beeinträchtigung der staatlichen Pflicht zur Verfolgung, Verurteilung und konsequenten Bestrafung von Straftätern in Form der Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b I 1, 49 I StGB und des Absehens von Strafe nach § 46b I 4 StGB stellt ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zum Erreichen des angestrebten Zwecks (der Stärkung der Strafverfolgung und Tatverhinderung in schweren und schwer aufklärbaren Deliktsbereichen) dar. Grundsätzlich lassen sich zur Behandlung des Tatbestandes die zur kleinen Kronzeugenregelung des § 31 BtMG a. F. herausgearbeiteten Kriterien auf die große Kronzeugenregelung übertragen. Wegen der im Vergleich zu § 31 BtMG a. F. stärkeren Beeinträchtigung des Rechtsstaatsprinzips bedarf es aber auf Tatbestandsebene gewisser Einschränkungen. So kann ein den Tatbestand des § 46b I 1 Nr. 1 StGB erfüllender Aufklärungserfolg dann nicht angenommen werden, wenn der Kronzeuge hinsichtlich der offenbarten Person ein wechselndes Aussageverhalten an den Tag legt, um die Ergreifung des wahren Offenbarungstäters zu vereiteln. Eine Präventionshilfe i. S. d. § 46b I 1 Nr. 2 StGB kann im Gegensatz zur Anwendung des § 31 BtMG a. F. nur dann angenommen werden, wenn die durch die Wissensoffenbarung geschaffene Möglichkeit der Tatverhinderung so konkret ist, dass bei Zugrundelegung normaler Umstände und pflichtgemäßer Aufgabenerfüllung der Behörden mit der Verhinderung der Tat gerechnet werden muss. Die bloße Möglichkeit der Tatverhinderung genügt hingegen nicht. Auf Rechtsfolgenseite zwingt das beeinträchtigte Rechtsstaatsprinzip bei der Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung zu einer Ermessensreduzierung

C. Ausblick

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auf Null, wenn ein qualifizierter Unrechtsüberschuss auf Seiten des Kronzeugen vorliegt. Dieser qualifizierte Unrechtsüberschuss kommt nur in solchen Fällen in Frage, in denen der Kronzeuge selbst eine ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat. Eine Verletzung des Willkürverbots bleibt ebenfalls aus, da die in vierfacher Form vorgenommene Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigung findet ihre Grundlage in den mit den Differenzierungskriterien (Kronzeugenhandlung, taugliche Offenbarungstat, tauglicher Kronzeuge sowie Präklusionszeitpunkt) jeweils verfolgten Zielen. Ein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz kann mangels Zwangs zur Selbstbelastung ebenfalls nicht festgestellt werden. Auch bleibt eine Verletzung des Schuldprinzips aus, wenn die hier vorgeschlagene maßvolle Anwendung des § 46b StGB unter Beachtung der herausgearbeiteten Maßgaben für Tatbestand und Ermessen übernommen wird.

B. § 46b StGB im System der Strafzumessung Auch innerhalb des bestehenden Systems der Strafzumessung findet die große Kronzeugenregelung ihren Platz. Zwar kommt ihr die Rolle eines Fremdkörpers zu. Dennoch führt die Verortung als allgemeine Strafzumessungsvorschrift im Allgemeinen Teil des StGB nicht zu unhaltbaren Ergebnissen. Eine nicht auflösbare Konkurrenz mit den weiterhin bestehenden kleinen Kronzeugenregelungen ist nicht zu erwarten. Auch zieht das Zusammentreffen des § 46b StGB mit weiteren vertypten Milderungsgründen keine unzulässigen, die genannten Prinzipien verletzenden Milderungsmöglichkeiten nach sich. Gleiches gilt für das Zusammentreffen mit minder schweren Fällen sowie mit einem Geständnis des Kronzeugen. Der Umstand, dass wegen § 46b III StGB ein Nebeneinander von großer Kronzeugenregelung und einer Verständigung nach § 257c StPO in Bezug auf die Kronzeugenhandlung ausgeschlossen ist, führt ebenfalls nicht zu unlösbaren Konflikten.

C. Ausblick Die gegen die große Kronzeugenregelung vorgetragenen Bedenken können daher ausgeräumt werden. Finden also die im Rahmen dieser Arbeit vorgeschlagene Auslegung des Tatbestands sowie die Maßgaben hinsichtlich des Ermessens bei der Anwendung der Norm Berücksichtigung, steht den Behörden mit § 46b StGB ein wirksames Instrument zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten zur Verfügung, dass sich im vom Strafrecht und der Verfassung vorgezeichneten Rahmen bewegt. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die vorgetragenen Bedenken zu einer übermäßigen Zurückhaltung hinsichtlich der Anwendung der Norm führen werden. Wie sich § 46b StGB letztlich bewährt und ob die Norm auf hinreichende Akzeptanz bei den Strafverfolgungsbehörden und auf Täterseite stößt, wird aber nur die tägliche Praxis im Alltag der Strafverfolgung zeigen können.

Anhang I: § 46b StGB § 46b StGB (1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung aufgedeckt werden konnte, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann, kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat. (2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie 2. das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters. (3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Anhang II: § 31 BtMG a. F. § 31 BtMG a. F. Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) oder von einer Bestrafung nach § 29 Abs. 1, 2, 4 oder 6 absehen, wenn der Täter

Anhang III: § 31 BtMG n. F.

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1. durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass Straftaten nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden können.

Anhang III: § 31 BtMG n. F. § 31 BtMG n. F. Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter 1. durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte, oder 2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass Straftaten nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden können. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

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Sachwortregister Adressat – der Aufklärungshilfe 62 – der Präventionshilfe 91 Angemessenheit des § 46b StGB hinsichtlich Rechtsstaatsprinzip 53 ff. Approvement 28 Aufklärungserfolg 69 ff. Aufklärungshilfe 60 ff. Auskunftsverweigerungsrecht des Kronzeugen 78 Bali 70 Collaborazione processuale 29 Corroboration-Regelung 43 Deal siehe Verständigung Emminger’sche Reform 37 England 28 Erfolgsunrecht 124 Erforderlichkeit des § 46b StGB hinsichtlich Rechtsstaatsprinzip 45 ff. Ermessen, Kriterien 99 ff. Ermittlungsnotstand 54 ff. Freiwilligkeit 63, 91 Funktionstüchtige Strafrechtspflege 38 Geeignetheit des § 46b StGB hinsichtlich Rechtsstaatsprinzip 39 ff. Gefährdung des Kronzeugen 43 Generalprävention 132 Geständnis – und Aufklärungshilfe 85 – und Zusammentreffen mit § 46b StGB 155

Handlungsunrecht 124 Historische Entwicklung 22 Hörensagen 63 Immunity 25 – transactional immunity 26 – use and derivative use immunity 27 – use immunity 26 In dubio pro reo 83 Indizkonstruktion 125 Italien 29 Kleine Kronzeugenregelungen 51 Konkurrenz des § 46b StGB zu den kleinen Kronzeugenregelungen 141 Konnexitätsverzicht 20 KronzG 24 Legalitätsprinzip 34 ff. Mafia 30 Minder schwerer Fall 149 Nachtatverhalten 125 Ne bis in idem 79 Nemo-tenetur-Grundsatz 137 Nordirland 28 Offenbaren von Wissen 62 Opportunitätsprinzip 37 Pardon 29 Pentito 30 Planungsstadium 92 Plea bargaining 27

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Sachwortregister

Präklusionsregelung 20 – Vereinbarkeit mit Willkürverbot 115 Präventionshilfe 90 ff. RAF 22 Rechtsfolgen 18, 97 Rechtsstaatsprinzip 36 ff. Repressive Straftheorien 132 Reward 29 Rücktritt 128 Scheingeschäft 82 Scherenprinzip Schuldprinzip 122 ff. Spezialprävention 132 Spielraumtheorie 124 Strafzumessung – Grundsätze 123 – im engeren Sinne 160 Supergrass 29 Tatbestand 19, 59 Täter-Opfer-Ausgleich 130

Tätige Reue 130 Unrechtsgefälle 57 USA 25 Vereinigungslehre 133 Verhältnismäßigkeit 39 ff. Verjährung 89 Verständigung 161 Vertypte Milderungsgründe neben § 46b StGB 145 Wechselndes Aussageverhalten 71, 74 Wesentlichkeit 66 Willkürverbot 111 ff. Zeitpunkt der Offenbarung 89 Zeugenaussage und Aufklärungserfolg 76 Zeugenpflicht des Kronzeugen 77 Zeugenschutz 44 ZSHG 44 Zweck des § 46b StGB 38 ff.