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German Pages 169
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 229
Die Struktur des Raubtatbestandes (§ 249 Abs. 1 StGB) Von
Anna Helena Albrecht
Duncker & Humblot · Berlin
ANNA HELENA ALBRECHT
Die Struktur des Raubtatbestandes (§ 249 Abs. 1 StGB)
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 229
Die Struktur des Raubtatbestandes (§ 249 Abs. 1 StGB)
Von
Anna Helena Albrecht
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Mark Deiters, Münster Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten © 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: werksatz ∙ Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-13484-7 (Print) ISBN 978-3-428-53484-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83484-6 (Print & E-Book)
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 2009 fertiggestellt. Für die aktualisierte Druckfassung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Juli 2010 berücksichtigt werden. * Mein vorderster Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Mark Deiters für die Anregungen und zahlreichen Diskussionen sowie die schnelle Erstellung des Erstgutachtens, meinem weiteren Betreuer Prof. Dr. Friedrich Dencker für die kritischen Gegeneinwürfe und die ebenso schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Ich danke zudem meiner Familie, die mich jederzeit unterstützt hat, meinen beiden Brüdern Philipp und Frank Albrecht vor allem für das unermüdliche Korrekturlesen. Schließlich möchte ich mich bei meinen Freunden und Kollegen bedanken, die mich auf diesem Weg begleitet haben, insbesondere Carolin Gütschow und Dr. Doris Hutzler. Münster, im September 2010
Anna Helena Albrecht
* Unberücksichtigt bleibt damit auch der grundlegende Beitrag von Hörnle, Wider das Dogma vom Finalzusammenhang bei Raub und sexueller Nötigung, in: Paeffgen / Bösel / Kindhäuser / u.a., Strafrechtswissenschaft als Analyse und Konstruktion, Berlin 2011, S. 1143 ff.
Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
1. Teil Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
15
1. Kapitel Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1, 255, 177 Abs. 1 StGB
15
A. Die Gewaltalternative der §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB . . . . . . . . . . I. Der Gewaltbegriff im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre vom einheitlichen Gewaltbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der einfache Gewaltbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff der Gewalt gegen eine Person in den §§ 249 Abs. 1, 255 StGB III. Der Gewaltbegriff in § 177 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegner einer restriktiven Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wertungen des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antinomie zwischen §§ 177 Abs. 1 und 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rückgriff auf § 177 Abs. 1 Nr. 3 und § 240 Abs. 1, Abs. 4 StGB aa) Zulässigkeit eines Rückgriffs auf § 240 StGB . . . . . . . . . . . bb) Ausreichen eines Rückgriffs auf § 240 StGB . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis für den Gewaltbegriff in § 177 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . .
16 16 16 17 18 19 19 20 20 21 22 22 23 25 26
B. Die Drohungsvariante der §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB . . . . . . . . . . I. Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenwärtige Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leibes- oder Lebensgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 26 28 28 29
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Inhaltsverzeichnis
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel Arbeitshypothesen
33
34
A. Gemeinsamkeiten der Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auffangtatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Qualifikationstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kriminologische Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 37 38 38 40
B. Folge: Übertragbarkeit der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
2. Teil Die Struktur des Raubtatbestandes
43
3. Kapitel Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
43
A. Der zugrunde gelegte Absichts- und Finalitätsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
B. Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Gewalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „mit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „unter Anwendung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Simultaneitätsprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung des Raubtatbestandes seit dem 19. Jahrhundert . . . . . . 2. Entwicklung des Tatbestands des räuberischen Diebstahls . . . . . . . . 3. Ergebnis der Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Raub als lex specialis zur Nötigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unrechtsäquivalenz zu sexueller Nötigung und räuberischer Erpressung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgestaltung des Tatbestands des räuberischen Diebstahls . . . . . . . a) Die Nähe von Raub und räuberischem Diebstahl . . . . . . . . . . . b) Unrechtsdefizit: Behaltenwollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unrechtsdefizit: besondere Bedrängnis des Täters . . . . . . . . . . . d) Ergebnis für den räuberischen Diebstahl und Übertragbarkeit auf den Raub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 45 46 47 48 49 50 50 55 56 56 57 59 61 62 63 65 66
Inhaltsverzeichnis
11
4. Ergebnis der systematischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strafgrund und Strafhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gegenkritik zu Jakobs und Hillenkamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 69 70 71
C. Inhalt des Finalitätserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
4. Kapitel Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
75
A. Erfordernis eines Kausalzusammenhangs in § 249 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . I. Verzicht auf eine objektive Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der raubspezifische Zurechnungszusammenhang nach Kindhäuser . . . . IV. Ergebnis der Diskussion um ein Kausalitätserfordernis . . . . . . . . . . . . . .
76 76 77 82 84
B. Grundlagen der Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kausalitätsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Condicio-sine-qua-non-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formel der gesetzmäßigen Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konzeption Puppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konzeption Dencker und Frister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sonderprobleme der Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Psychische Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hypothetische Kausalverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestimmung des tatbestandlichen Erfolges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84 84 84 85 86 86 87 87 89 90
C. Anwendung auf den Raubtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausscheiden von Fällen tatsächlicher Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Über die Täterpsyche vermittelter Kausalverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 94 97 100
D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
101
5. Kapitel Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs
102
A. Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
B. Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „mit“ und „unter Anwendung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut des § 249 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wortlaut des § 202 Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 105 105 105 106
12
Inhaltsverzeichnis c) Wortlaut der §§ 253, 255 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis der Wortlautanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgestaltung des § 252 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Merkmal der Tatfrische aus § 252 StGB . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Übertragbarkeit des Tatfrischemerkmals . . . . . . . . . . . . . . . 2. Raub als lex specialis zur Nötigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sexuelle Nötigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Systematik der Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strafwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unbestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 108 108 108 108 110 113 114 115 117 121 123
C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124
6. Kapitel Erfordernis eines raubspezifischen Zusammenhangs
125
A. Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft als Nötigungserfolg I. Bisherige Prämisse: Duldung der Wegnahme als Nötigungserfolg . . . . . II. Tödlicher Einsatz des Nötigungsmittels als Problemfall . . . . . . . . . . . . . III. Begriffliche Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Räuberischer Diebstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sexuelle Nötigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Räuberische Erpressung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127 128 129 134 135 135 136 136 137 137 141 141
B. Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147
3. Teil Schluss
149
A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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„Item eyn jeder boßhafftiger überwundner rauber, soll nach vermöge vnser vorfarn, vnnd vnserer gemeyner Keyserlichen rechten, mit dem schwerdt oder wie an jedem ort inn disen fellen mit guter gewonheyt herkommen ist, doch am leben gestrafft werden.“ 1
Einleitung und Gang der Untersuchung A. Einleitung Der Tatbestand des Raubes ist ein althergebrachtes und dem Bewusstsein der Allgemeinheit äußerst präsentes Delikt. Es bestehen sehr konkrete Vorstellungen, welche Handlungen als Raub einzuordnen sind und welche nicht. Aufgrund dieses stark ausgeprägten Tatbildes sind die Konturen des Delikts nahezu allgemein anerkannt, so dass man begründet fragen kann, weshalb dem Raub eine Dissertation gewidmet werden sollte. Es fällt jedoch auf, dass viele dieser allgemein anerkannten Kriterien jedenfalls in neuerer Zeit nicht oder kaum begründet werden. 2 Allein die zwei Akte des objektiven Tatbestandes, der Einsatz des Nötigungsmittels einerseits und die Wegnahme andererseits, können als dogmatisch weitgehend durchdrungen bezeichnet werden. Ziel der Arbeit ist daher, den Zusammenhang dieser Akte genauer zu beleuchten und die allgemein anerkannten Kriterien auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Grundlage ist der Raubtatbestand de lege lata, ohne dass dem eine Bewertung des geltenden Rechts entnommen werden soll.
B. Gang der Untersuchung Im ersten Kapitel über die Vorüberlegungen werden die Nötigungsmittel des Raubtatbestandes, aber auch der Delikte der sexuellen Nötigung und der räuberischen Erpressung erörtert, da dies die Grundlage für die Feststellung weitergehender Parallelen im 2. Kapitel und für die systematische Argumentation im Hauptteil bildet. Insbesondere wird dabei festgestellt, dass die Nötigungsmittel in § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB restriktiv auszulegen sind und damit 1
Art. 126 der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina) von 1532. 2 Allein der Kausalzusammenhang im Raubtatbestand ist durch Brandts ausführlich erörtert worden.
14
Einleitung und Gang der Untersuchung
inhaltlich denen der §§ 249 Abs. 1, 255 StGB entsprechen: Das Merkmal der Gewalt ist auch bei § 177 Abs. 1 StGB im Sinne der Gewalt gegen eine Person zu verstehen, das Merkmal der Leibesgefahr im Sinne der Gefahr erheblicher Körperverletzungen. Daraufhin werden im zweiten Kapitel die weiteren Gemeinsamkeiten der §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB aufgezeigt und aus diesen abgeleitet, dass dasjenige, was für die Struktur der sexuellen Nötigung und der räuberischen Erpressung feststeht, auf den Raub zu übertragen ist, sofern nicht raubspezifische Gründe entgegenstehen. Im zweiten Teil der Arbeit steht der Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme im Mittelpunkt. Ausgangspunkt der Überlegung ist dabei das allgemein anerkannte Erfordernis eines Finalzusammenhangs zwischen dem Einsatz der Nötigungsmittel und der Wegnahme. Dieses wird im ersten Kapitel bestätigt, ebenso wie die herrschende These zum Strafgrund des Raubes, der in der durch Zueignungsabsicht motivierten Aggression des Täters liegt. Zugleich wird aufgezeigt, dass der Finalzusammenhang nichts anderes ist als dolus directus 1. Grades hinsichtlich eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem wohl klassischen Streit zum Raubtatbestand, ob zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme ein Kausalzusammenhang bestehen müsse. Dies wird bejaht. Im Anschluss wird gezeigt, dass das Kausalitätserfordernis nicht zu problematischen Strafbarkeitslücken führt, sondern lediglich in mehr Fällen wegen Versuchs anstatt Vollendung zu strafen ist – jedoch seltener als üblicherweise erwartet. Auf der Grundlage des Finalitätserfordernisses und des Strafgrundes wird im dritten Kapitel gezeigt, dass die beim Raub allseits geforderte Voraussetzung eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs nicht nur nicht erforderlich ist, sondern dem Strafgrund widerspricht und damit aufgegeben werden sollte. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage nach der genaueren Ausgestaltung der Kausalverknüpfung. Erörtert wird, ob das Nötigungsmittel unvermittelt etwa in die Wegnahme münden muss, oder ob es genügt, wenn durch die Nötigung erst sachliche oder nichtsachliche Mittel zur Erreichung des Nötigungszieles erlangt werden. Es wird sich zeigen, dass ein notwendiges Bindeglied der Kausalkette die Überwindung der körperlichen oder institutionalisierten Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers hinsichtlich der fremden beweglichen Sache ist.
„Unter ‚Gewalt‘ kann man nur: ‚eine Aeußerung überwiegender Kraft‘ verstehen, aber einer so relativen Kraft, und mit so relativer Wirkung, dass niemand die Grenzen anzugeben vermag. Man wird von der Gewalt des Sturmes sprechen, wenn er Eichen zertrümmert, nicht aber von der Gewalt des Zephyr’s, der ein Blatt verweht; von der Gewalt eines Löwen, wenn der seinen Kerker zerbricht, nicht aber von der eines Eichhörnchens, wenn es seine Kette zerreißt; von der Gewalt eines Mannes, der die Feinde erschlägt, nicht aber von der eines Kindes, was seine Puppen umstößt.“ 1
1. Teil
Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen 1. Kapitel
Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1, 255, 177 Abs. 1 StGB Nach dem Wortlaut der §§ 177 Abs. 1 Nr. 2, 249 Abs. 1 Alt. 2, 255 StGB unterscheiden sich die Drohungsvarianten der sexuellen Nötigung, der räuberischen Erpressung und des Raubes hinsichtlich des Nötigungsmittels nicht. Den Tatbeständen ist die Voraussetzung einer qualifizierten Drohung, nämlich mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, gemein. Anders ist dies bei der Tatbegehung mittels Gewalt. Während die Tatbestände des Raubes und der räuberischen Erpressung Gewalt gegen eine Person verlangen, lässt die Gewaltvariante der sexuellen Nötigung scheinbar ebenso wie die der einfachen Nötigung gem. § 240 Abs. 1 StGB jegliche Gewaltanwendung genügen.
1
Motive zu dem, von dem Revisor vorgelegten, Ersten Entwurfe des Criminal-Gesetzbuches für die Preußischen Staaten. Vierter Band, enthaltend die Strafgesetze wider Verbrechen gegen das Vermögen, Berlin 1828, S. 132.
16
1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
A. Die Gewaltalternative der §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB I. Der Gewaltbegriff im Allgemeinen 1. Die Lehre vom einheitlichen Gewaltbegriff Nach der früher vertretenen Lehre vom einheitlichen Gewaltbegriff wirkt sich dieser Unterschied im Wortlaut nicht aus; Gewalt und Gewalt gegen eine Person hätten denselben Inhalt. 2 Dies führte jedoch nicht zu einer Ausweitung des Begriffs der Gewalt gegen eine Person; vielmehr wurde der Inhalt des allgemeinen Gewaltbegriffs auf den der Gewalt gegen eine Person beschränkt. 3 Die unterschiedlichen Formulierungen seien allein auf ein Redaktionsversehen bei der Gesetzgebung zurückzuführen. 4 Ein solches Verständnis ist bereits aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten des Gesetzes fernliegend. Eine ausreichende Begründung für die Einheitlichkeit des Gewaltbegriffs trotz unterschiedlicher Bezeichnung bleiben die Anhänger dieser Auffassung schuldig. Die Annahme eines gesetzgeberischen Versehens kann insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber eine Korrektur seit Ende des 19. Jahrhunderts unterlassen hat, nicht überzeugen. Vielmehr liegt der Gedanke nahe, dass der Gesetzgeber wusste, was er tat, und meinte, was er beschloss. Zwingender ist die Systematik, zuvorderst der Vergleich von §§ 253 und 255 StGB. Nach der Lehre vom einheitlichen Gewaltbegriff wären bei der Variante der Gewaltanwendung die Tatbestände der einfachen Erpressung und der qualifizierten räuberischen Erpressung identisch. Dieselben tatbestandlichen Voraussetzungen zögen unterschiedliche Strafrahmen nach sich; die Tat wäre zugleich Vergehen und Verbrechen. Gerade die Einordnung als Verbrechen verlangt jedoch eine restriktivere Auslegung des Tatbestandes. Die von wenigen Vertretern des einheitlichen Gewaltbegriffs entwickelten Differenzierungskriterien sind konstruiert; 5 die übrigen begnügen sich mit der Feststellung der vermeintlichen, unlösbaren Antinomie. 6 2
Zu den Gewaltbegriffen des ReichsStGB Binding, S. 377 Fn. 4, S. 380 Fn. 4; Jaffé, S. 38; Krämer, S. 31; Schwarze, Sächs. GZ 1872, 33 (38); v. Wächter, GS 27, 161 (162 f.); heute noch Haft, BTI, S. 34. 3 Schwarze, Sächs. GS 1872, 33 (38); v. Wächter, GS 27, 161 (162 f.). 4 Binding, S. 380 Fn. 4; Geyer, GS 27, 371 (384); Jaffé, S. 41; detaillierter dazu Krämer, S. 31 ff.; v. Wächter, GS 27, 161 (170 ff.). 5 Bezeichnend ist dafür der Versuch von v. Wächter, GS 27, 161 (173): Der Unterschied zwischen §§ 253, 255 StGB bestehe darin, dass sich der Zusatz „mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben“ auch auf das Nötigungsmittel der Gewalt gegen eine Person beziehe. Abgesehen davon, dass dann die höheres Unrecht enthaltende Gewalt gegen eine Person und die Drohung gleichwertige Modalitäten sein müssten, ist
1. Kap.: Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1
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Auch die unterschiedlichen Drohungsinhalte im Gesetzestext sprechen für einen unterschiedlichen Gehalt der Gewaltbegriffe. Das StGB kennt bei den Nötigungsmitteln drei Paarungen. Die Zusammenstellung von einfacher Gewalt und Drohung mit einem empfindlichen Übel findet sich – teilweise kombiniert mit dem Bemächtigungsmittel der List – nicht nur in § 240 Abs. 1 StGB, sondern auch in den §§ 106 Abs. 1, 108 Abs. 1, 232 Abs. 4 Nr. 1, 233a Abs. 2 Nr. 3, 234 Abs. 1 und 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Nötigungsmittel des § 249 Abs. 1 StGB, Gewalt gegen eine Person und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, haben auch die §§ 252 und 255 StGB gemein. Des Weiteren besteht eine Zwischenstufe derart, dass als Nötigungsmittel einfache Gewalt oder aber – restriktiver als die Drohung mit einem empfindlichen Übel – die Drohung mit Gewalt tatbestandsmäßig sind, und zwar in den §§ 81, 82, 105 Abs. 1, 107 Abs. 1, 113 StGB, aber auch den §§ 129a Abs. 2, 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB. Lediglich § 177 Abs. 1 StGB steht mit seiner Ausgestaltung allein. Kann eine Tat in verschiedenen Modalitäten begangen werden, und eröffnen diese einen identischen Strafrahmen, so müssen die möglichen Begehungsweisen in ihrem Unrechtsgehalt zumindest vergleichbar sein. Durch diese genannten Paarungen bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er die jeweiligen Drohungs- und Gewaltstufen als im Unrechtsgehalt vergleichbar ansieht. Dagegen verstößt es, die Anwendung einfacher Gewalt mit der von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gleichzustellen. Von einer vollständigen Kongruenz von Gewalt und Gewalt gegen eine Person kann daher nicht ausgegangen werden. Wo jedoch der Unterschied liegen soll, lässt sich nicht allgemein beantworten, was vor allem auf die Diskussion um die Grenzen des allgemeinen Gewaltbegriffs zurückzuführen ist. 2. Der einfache Gewaltbegriff Der Begriff der Gewalt ohne einschränkenden Zusatz zählt sicherlich zu den umstrittensten Begriffen des Besonderen Teils des StGB. In der Diskussion sind wenige klare Linien erkennbar. Dem einschränkenden Zusatz in den §§ 249 Abs. 1, 255 StGB entnehmen daher einige für die eine Fallgruppe eine konstitutive, für die andere eine rein deklaratorische Wirkung; Anhänger eines anderen nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal als „Gewalt gegen eine Person mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“ gefasst hätte; bedenkt man des Weiteren, dass der Räuber und der räuberische Erpresser dem Gesetz nach gleichzustellen sind, im Rahmen des Raubtatbestandes jedoch nicht vertreten wird, dass sich auch hier die gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben ebenfalls auf die Gewalt bezieht, der Wortlaut des § 252 StGB dies sogar ausschließt („Wer [...], gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet“), wird die Unstimmigkeit dieser Ansicht mit dem Gesetz noch deutlicher; s. a. Knodel, S. 151, außerdem die Kritik von Wenck, S. 51. 6 Geyer, GS 27, 371 (384); Jaffé, S. 40 f.; Krämer, S. 36.
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
allgemeinen Gewaltbegriffs werden das genau gegenteilig beurteilen. Auf eine umfassende Darstellung der Diskussion wird an dieser Stelle verzichtet. 7 Herauszustellen sind nur diejenigen Diskussionspunkte, die für eine Abgrenzung zur Gewalt gegen eine Person von Bedeutung sind. Dazu zählt, welche Anforderungen an die Gewalthandlung zu stellen sind, insbesondere, ob eine körperliche Zwangswirkung auf das Opfer erforderlich ist; 8 ob rein psychische Einwirkungen genügen, wenn sie sich bei dem Opfer physisch auswirken; 9 ob im Rahmen des § 240 Abs. 1 StGB Gewalt gegen Sachen ausreicht 10 oder ob sich diese zumindest mittelbar auf den Körper des Opfers auswirken und von ihm als körperlich wirkender Zwang empfunden werden muss; 11 ob die gegen Dritte gerichtete Gewalt auch auf das Nötigungsopfer physisch wirken muss, 12 oder ob es genügt, wenn das Opfer dadurch nicht körperlichen Zwang empfindet. 13 Eine gängige Definition dieses Gewaltbegriffs wäre physisch vermittelter Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands. 14 II. Der Begriff der Gewalt gegen eine Person in den §§ 249 Abs. 1, 255 StGB Die Streitigkeiten wirken in gewissem Maße bei der Bestimmung der Gewalt gegen eine Person fort. Dass eine Restriktion gegenüber dem Begriff der einfachen Gewalt zu erfolgen hat, wurde schon bei der Kritik am einheitlichen Gewaltbegriff deutlich. Daher werden auch hier für eine enge Auslegung der erhöhte Strafrahmen und die Ausgestaltung der §§ 249 Abs. 1, 255 StGB als Verbrechen sowie die Gleichstellung der Gewalt mit der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben angeführt. 15 7
Verwiesen wird dazu auf Huhn, S. 18 ff.; Küper, Definitionen, S. 171 ff. oder Sick, Selbstbestimmungsrecht, S. 96 ff. 8 Ablehnend Laepple-Entscheidung, BGHSt 23, 46 ff. 9 So BGHSt 19, 263 (265 f.); Knodel, S. 58ff; Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbem. §§ 234 – 241a Rn. 8; Martin, BGH-FS, 211 (219). 10 So Herzberg, GA 1997, 251 (272); v. Liszt, S. 427; Thurow, S. 17. 11 So RGSt 45, 153 (156); 52, 34 (35); Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbem. §§ 234 – 241a Rn. 13, 17 f.; § 249 Rn. 4a; Lackner / Kühl, § 240 Rn. 11; Martin, BGH-FS, 211 (220); Mitsch, § 6 Rn. 14 f.; Villnow, S. 21; Welzel, S. 360; Wolter, NStZ 1985, 245 (249). 12 So NK-Toepel, § 240 Rn. 59; LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 46. 13 So Helmke, S. 21; Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbem. Zu §§ 234 bis 241a Rn. 19 und Eser, § 240 Rn. 6; Lackner / Kühl, § 240 Rn. 11, Paeffgen, Grünwald-FS, 433, 447 ff.; Wolter, NStZ 1985, 245 (249 f.). 14 Fischer, § 240 Rn. 8. 15 Krey, Was ist Gewalt? Band 2, Rn. 122, 125; Mitsch, § 3 Rn. 18; MK-Sander, § 249 Rn. 11, 15.
1. Kap.: Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1
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Einigkeit herrscht darin, dass durch den Wortlaut die allein gegen Sachen gerichtete Gewalt ausgeschlossen ist, 16 ob der Zusatz nun deklaratorisch oder konstitutiv wirkt. Teilweise wird noch weitergehend gefolgert, dass auch die mittelbar die Person betreffende Gewalt gegen Sachen ausscheide. 17 Ebenso wird dem Zusatz ein stärkerer Bezug der Gewalt auf den Körper des Opfers beigemessen; 18 die Gewalt müsse sich auf Leib, Leben oder Bewegungsfreiheit beziehen, 19 die Bewegungsfreiheit müsse beschränkt oder gänzlich ausgeschlossen, die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden erheblich oder nicht nur geringfügig geschädigt werden, 20 die Gewalt gegen eine Person sei Verletzungsgewalt. 21 Nahezu Einigkeit herrscht jedoch in der Annahme, dass aus dem Zusatz erhöhte Anforderungen an die Intensität der Gewalt zu folgern seien. So müsse die Gewaltanwendung erheblich 22 bzw. nicht ganz unerheblich sein. 23 III. Der Gewaltbegriff in § 177 StGB Der Tatbestand der sexuellen Nötigung setzt, anders als der des Raubes und der räuberischen Erpressung, seinem Wortlaut nach die Anwendung lediglich einfacher Gewalt voraus. 1. Gegner einer restriktiven Auslegung Die sich daraus ergebende Friktion zwischen den Tatbeständen des § 177 Abs. 1 und der §§ 249 Abs. 1, 255 StGB wird teilweise mit der Begründung hingenommen, dass eine restriktive Auslegung durch Betonung des Körperlichkeitselements dem gebotenen Opferschutz entgegenlaufe. 24 Anderenfalls finde ein Rückgriff auf das Konstrukt der vis haud ingrata, zu übersetzen als die nicht 16 Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 4a; Krey, Was ist Gewalt? Band 2 Rn. 107; SK-Samson, Stand Sept. 1986, § 249 Rn. 11; MK-Sander, § 249 Rn. 19; SK-Sinn, § 249 Rn. 7. 17 Diehl, S. 35; Wolter, NStZ 1985, 245 (250). 18 Knodel, S. 157; Riede, S. 37; MK-Sander, § 249 Rn. 18. 19 Herzberg, GA 1997, 251 (278); NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 4. 20 Vgl. LK-Vogel, § 249 Rn. 7; Mitsch, § 3 Rn. 18. 21 Keller, S. 154 f. 22 BGHSt 16, 316 (318); BGH NStZ 1986, 218; Mitsch, § 3 Rn. 18; kritisch Wolter, NStZ 1985, 245 (250). 23 Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 4, § 255 Rn. 2; Lackner / Kühl, § 249 Rn. 2; LK-Vogel, § 255 Rn. 6; Krey, Was ist Gewalt? Band 2 Rn. 120 ff., 125; Maurach / Schröder / Maiwald, § 42 Rn. 53; MK-Sander, § 249 Rn. 11. 24 Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbem. §§ 234 bis 241a, Rn. 28a, Steinhilper, S. 339; i. E. auch gegen eine restriktive Auslegung des Gewaltbegriffs in § 177 Abs. 1 Gössel, Sexualstrafrecht, § 2 Rn. 21; LK-Hörnle,§ 177 Rn. 33; Sick, ZStW 103 (1991), 43
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
unwillkommene Gewalt, statt, und der Schutz des sexuellen Selbstbestimmungsrechts werde untergraben. 25 Allerdings wird auch der Begriff der vis haud ingrata unterschiedlichsten Interpretationen unterzogen, was wiederum zu unterschiedlicher strafrechtlicher Beurteilung führt. Die Bandbreite reicht von nicht massiver Gewalt zur Überwindung eines leichten Widerstands 26 bis zur Überwindung eines nicht ernst gemeinten Sträubens. 27 Dieses letztgenannte Verständnis zu Grunde gelegt, soll gar keine Gewalt vorliegen 28 oder sie soll nicht strafbar sein. 29 Andere gehen von dem Vorliegen eines Einverständnisses, 30 das dem Täterhandeln den Nötigungscharakter nimmt, oder einer rechtfertigenden Einwilligung aus, 31 während Dritte lakonisch feststellen, dass – bei gleichbleibender Rechtsprechung – diese Rechtsfigur der Vergangenheit angehöre. 32 2. Kritik Während für diese Auffassung der Gesetzeswortlaut des § 177 Abs. 1 StGB streitet, stehen ihr die Wertungen des Gesetzes und dessen Systematik entgegen. a) Wertungen des Gesetzes Aus den § 249 Abs. 1 und §§ 253, 255 StGB ergibt sich die Äquivalenz der qualifizierten Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben und der qualifizierten Gewalt gegen eine Person. Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn § 177 Abs. 1 StGB die einfache Gewalt mit der qualifizierten Drohung gleichstellte. 33 Isoliert betrachtet ist diese Argumentation nicht zwingend. Ihr ist nicht zu entnehmen, weshalb die Wertung des § 177 Abs. 1 StGB verfehlt sei und nicht vielmehr die der §§ 249 Abs. 1, 255 StGB, ob die Wertung des (62) und Selbstbestimmungsrecht, S. 198; Wolter, NStZ 1985, 245 (251), der jedoch den allgemeinen Gewaltbegriff des § 240 in seiner extensiven Form als zu weit erachtet. 25 Gössel, Sexualstrafrecht, § 2 Rn. 21; Sick, ZStW 103 (1991), 43 (62) und Selbstbestimmungsrecht, S. 198. 26 Sick, ZStW 103 (1991), 43, 57 f. 27 LK-Laufhütte, 11. Auflage, § 177 Rn. 8 (kritisch dagegen nun LK-Hörnle, § 177 Rn. 25f.); Levy, S. 25; Schwarze, RStGB, S. 470. 28 LK-Laufhütte, 11. Auflage, § 177 Rn. 8; von Holtzendorff-Schwarze, S. 311; derselbe, RStGB, S. 470. 29 Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 12. 30 Geerds, GA 1954, 262, 265; Teufert, S. 42. 31 Maurach / Schroeder / Maiwald, § 18 II Rn. 17. 32 Laubenthal, S. 113; NK-Frommel, § 177 Rn. 58: „überholt“. 33 Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 10 Rn. 12; Krey, Was ist Gewalt? Band 2, Rn. 142.
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Raubtatbestandes auf den Tatbestand der sexuellen Nötigung zu übertragen sei, oder ob nicht die Formulierung des § 249 Abs. 1 StGB die Strafbarkeit wegen Raubes zu sehr begrenze. Indes entspricht die Zusammenstellung der §§ 249 Abs. 1, 255 StGB der grundlegenden Wertung des Gesetzgebers, die allgemeine Gewalt mit der Drohung mit einem empfindlichen Übel oder der Drohung mit Gewalt gleichzusetzen und die Gewalt gegen eine Person demgegenüber mit der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. 34 Dies spricht für eine Übertragung des Gewaltbegriffs aus den §§ 249 Abs. 1, 255 StGB. 35 b) Antinomie zwischen §§ 177 Abs. 1 und 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB Dies wird durch die Einführung des § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB durch das 6. StrRG 36 bestätigt. Der Gesetzgeber hat die einfache Nötigung zur Vornahme einer sexuellen Handlung im Sinne von § 184f Nr. 1 StGB als einen besonders schweren Fall der Nötigung erfasst und einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren unterstellt. Hätten die Gewaltbegriffe in den § 177 Abs. 1 und § 240 Abs. 1 StGB denselben Gehalt, wären zumindest, wenn es um das Nötigungsziel der Vornahme einer sexuellen Handlung geht, der Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB und das Regelbeispiel des § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB in ihrer Gewaltvariante deckungsgleich. Der Gesetzgeber hätte nicht nur Identisches zweifach geregelt, er hätte es zudem mit unterschiedlichen Strafrahmen versehen. Seit 1998 würde damit eine übereinstimmende Auslegung des Gewaltbegriffs in den Tatbeständen der einfachen und der sexuellen Nötigung zu derjenigen Antinomie führen, welche die Lehre vom einheitlichen Gewaltbegriff zwischen den Tatbeständen der einfachen und der räuberischen Erpressung auszumachen glaubte. Diese würde zwar abgemildert durch die Regelung eines minder schweren Falls der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 1, Abs. 5 Alt. 1 StGB, der einen zu § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB identischen Strafrahmen eröffnet. Voraussetzung seiner Anwendung wären jedoch das Vorliegen mildernder Umstände und ein erhöhter Begründungsaufwand, so dass sich der Widerspruch nicht vollständig auflöste.
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s. I. 1. A. A. Röthlein, S. 95. 36 Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG), verkündet am 26. Januar 1998 (BGBl. 1998 I 164), in Kraft getreten am 1. April 1998. 35
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
c) Strafrahmen Hinzu tritt der Strafrahmen der sexuellen Nötigung. Bei dieser handelt es sich, wie bei den §§ 249 Abs. 1, 255 StGB, um ein Verbrechen im Sinne von § 12 Abs. 1 StGB; der Strafrahmen findet seine Obergrenze erst in § 38 Abs. 2 StGB. Generell gebietet ein derart erhöhter Strafrahmen eine einschränkende Auslegung. 37 Gleiches folgt aus den weiteren an den Verbrechenscharakter eines Delikts geknüpften Folgen. 38 § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB zeigt, dass die sexuelle Motivation einer Nötigung nicht zwingend die Einstufung als Verbrechen zur Folge haben muss. Nach den Wertungen des Gesetzes können allein sexueller Erfolg und sexuelle Motivation im Vergleich zur Wegnahme die Unrechts- und damit Strafrahmenerhöhung nicht begründen. Schließlich ist die Wegnahme auch ohne Einsatz von Nötigungsmitteln poenalisiert, wohingegen der ungewollte Sexualkontakt als nicht strafwürdig erachtet wird. 39 Der Strafrahmen des § 177 StGB muss daher zusätzlich über das Nötigungsmittel gerechtfertigt werden. Das genannte Regelbeispiel zeigt jedoch zugleich, dass dafür die einfache Gewalt unterhalb der Schwelle der Gewalt gegen eine Person nicht genügt. Der erhöhte Strafrahmen kann daher nur in der Kombination des Einsatzes erheblicher Nötigungsmittel mit dem Nötigungsziel einer sexuellen Handlung begründet sein. d) Rückgriff auf § 177 Abs. 1 Nr. 3 und § 240 Abs. 1, Abs. 4 StGB Möglicherweise bestehen auch keine Strafbarkeitslücken nach dem Gedanken der vis haud ingrata – selbst wenn diese in einer Weise zu definieren ist, dass sie strafwürdige Gewalt umfasst. Seit Inkrafttreten des 33. StÄG 1997 kann über § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB die Strafbarkeit wegen sexueller Nötigung begründet werden, wenn der Täter eine schutzlose Lage seines Opfers ausnutzt. Seit Inkrafttreten des 6. StrRG 1998 eröffnet außerdem der bereits erwähnte § 240 Abs. 4 StGB für besonders schwere Fälle der Nötigung einen Strafrahmen von 5 Jahren. 40 Alles dasjenige, was unterhalb der Schwelle des allgemeinen Ge37
Krey, Was ist Gewalt? Band 2, Rn. 142; Schwarze, RStGB, S. 470. Man denke an Besonderheiten im Bereich der Teilnahmestrafbarkeit, §§ 30 f. StGB, den Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts nach § 45 StGB, die Strafbarkeit wegen Bedrohung mit dieser Tat nach § 241 StGB, die Unmöglichkeit der Einstellung nach §§ 153, 153a StPO, die Möglichkeit des Schusswaffengebrauchs gegen den Täter nach § 10 UZwG; nach § 12 Abs. 3 StGB treten diese unabhängig von dem Bestehen eines minder schweren Falls ein. 39 Entsprechende Gesetzesentwürfe und Anträge der Fraktion Die Grünen und später der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 11/1040 S. 3; 11/5153 S. 3; 12/3303 S. 3, 13/3026, S. 1, wurden nicht umgesetzt. 38
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waltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB bleibt, kann auch nicht durch eine identische Auslegung der beiden Gewaltbegriffe strafrechtlich erfasst werden. 41 Insofern widerspricht eine restriktive Auslegung des Gewaltbegriffs in § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht dem Ansinnen, die Sexualität durch das Strafrecht mehr zu schützen als Eigentum und Vermögen; 42 denn die Strafobergrenze des § 240 Abs. 1, Abs. 4 StGB läuft mit der des einfachen Diebstahls und der einfachen Erpressung gleich; die §§ 242, 253 StGB sehen keine Mindeststrafe von 6 Monaten vor, sondern die Verhängung einer Geldstrafe. Damit wird dem behaupteten gesetzgeberischen Willen nach dem stärkeren Schutz der sexuellen Selbstbestimmung genügt. Schließlich müsste auch aus Sicht der richterlichen Praxis der Strafrahmen der Nötigung in einem besonders schweren Fall dem Strafbedürfnis der diskutierten Fälle genügen, da die durchschnittliche Strafe selbst der Vergewaltigung, welche nach der gesetzgeberischen Konzeption einen gegenüber der einfachen sexuellen Nötigung erhöhten Unrechtsgehalt aufweist, unter fünf Jahren liegt. 43. aa) Zulässigkeit eines Rückgriffs auf § 240 StGB Eine Lückenschließung über § 240 StGB setzt jedoch voraus, dass bei dem Vorliegen einfacher Gewalt auf Tatbestand und Regelbeispiel der Nötigung in einem besonders schweren Fall zurückgegriffen werden kann. So nahm Arzt bis zur Einführung der „kleinen sexuellen Nötigung“, § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB, eine Sperrwirkung des § 177 Abs. 1 StGB gegenüber § 240 Abs. 1 StGB an. 44 Dies stehe im Einklang mit der herrschenden Auffassung zu dem Verhältnis der einfachen Nötigung zu der Nötigung von Verfassungsorganen, § 105 Abs. 1 StGB, und sei darin begründet, dass Nötigungen unterhalb der Schwelle des Gewaltbegriffs in § 177 Abs. 1 StGB – verstanden als Gewalt gegen eine Person – 45 aufgrund des Selbstverantwortungsprinzips nicht strafrechtlich erfasst sein sollten. Demnach schiede die Anwendung einfacher Gewalt i. S. d. § 240 Abs. 1 StGB aus dessen Anwendungsbereich aus, sobald 40
Für die Möglichkeit eines Rückgriffs auf den Nötigungstatbestand BGH, NJW 2003, 2250; NK-Frommel, § 177 Rn. 35 ff.; Laubenthal, Rn. 120; Krey, Was ist Gewalt? Band 2, Rn. 143 und Fn. 206; Lehmann, NStZ 2002, 353; DSNS-Nelles, S. 60; Renzikowski, NStZ 1999, 440; von Gössel a. a. O.. auch anerkannt; allgemein dazu Fezer, JZ 1974, 599 (604). 41 Für diese Fälle bleiben allein die Abwehrmöglichkeiten aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, vgl. § 3 Abs. 4 AGG. 42 Aufgestellt durch Keller, S. 264. 43 Albrecht, H.-J., S. 242, 283; Hettinger, Küper-FS, 95 (110); offen ist damit selbstverständlich noch, ob diese richterliche Praxis auch richtig ist. 44 Arzt, JZ 1984, 428 (429); derselbe, LH 2, Rn. 473. 45 Arzt, LH 2, Rn. 467.
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ihr eine sexuelle Motivation zugrunde lag; letztere bildete einen privilegierenden Umstand. Dies steht im Gegensatz zu den Zielsetzungen des 33. StrÄG, aber auch des 6. StrRG und seinen Neuschaffungen. Durch die Einführung des § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB hat der Gesetzgeber ein lückenloses System zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung geschaffen, so dass, wie Arzt selbst anerkennt, 46 die Annahme einer Sperrwirkung de lege lata nicht möglich ist. Sie wäre aber auch ohne die Regelung dieses besonders schweren Falls und damit zugleich de lege ferenda 47 verfehlt. Es ist nicht einzusehen, weshalb dem Selbstverantwortungsprinzip im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung größere Bedeutung zukommen soll als im Bereich des Eigentums und des Vermögens, in dem ein Rückgriff auf die einfache Nötigung ohne weiteres zulässig sein soll. Auch verbleibt unterhalb der Schwelle der Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB nicht allein verantwortliches Handeln des Opfers, weicht man nicht von den allgemeinen Grundsätzen ab, die in dem Bereich des Eigenverantwortlichkeitsprinzips entwickelt wurden. 48 Denn droht der Täter dem Opfer mit einer Freiheitsberaubung und kann die Drohung realisieren, so wendet er weder Gewalt an noch droht er mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Laut Arzt handelte das Opfer daher selbstverantwortlich und eines Rückgriffs auf § 240 StGB bedürfte es nicht. Gleichwohl liegt eine gegenwärtige Gefahr für die Fortbewegungsfreiheit des Opfers vor, eine nach § 35 StGB entschuldigende Lage, welche die Eigenverantwortlichkeit des Opferhandelns ausschließt. 49 Schließlich sind die Erwägungen, welche die überwiegende Auffassung zu der Annahme einer Sperrwirkung des § 105 Abs. 1 StGB gegenüber § 240 StGB bewegen, 50 auf individualschützende Normen wie § 177 Abs. 1 StGB nicht übertragbar. 51 Denn die erhöhten Anforderungen des § 105 Abs. 1 StGB an die Nötigungshandlung sind in der Natur des geschützten Rechtsguts begründet, 52 überindividueller Gebilde, Institutionen und deren Funktionsfähigkeit, 53 die aufgrund ihrer Rolle im politischen Leben dem Widerstreit der politischen Kräfte und damit einem besonderen Druck aus46
Arzt / Weber, 1. Auflage, § 10 Rn. 15. Was Arzt wohl befürwortete, vgl. Arzt / Weber, 1. Auflage, § 10 Rn. 15, Fn. 14; ebenso die Neuauflage: Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 10 Fn. 26. 48 Ob Arzt dies tut, bleib unklar, da er selbst keinerlei Hinweis darauf gibt, was er unter Selbstverantwortung versteht. 49 MK-Schneider, Vor §§ 211 ff. Rn. 54 m.w. N. in Rn. 38 Fn.137; die Diskrepanz verstärkt sich, wenn als Maßstab der Eigenverantwortlichkeit die Einwilligungsfähigkeit oder die Ernstlichkeit des Sterbeverlangens gem. § 216 StGB angesehen wird, so etwa SK-Horn, § 212 Rn. 15; Lackner / Kühl, § 211 Rn. 13a m.w. N. 50 BGH NJW 1984, 931 (933). 51 BGH, NJW 1984, 931 (932); Fischer, § 105 Rn. 4, § 81 Rn. 6a; so auch die Konzeption des Gesetzes, BT-Drs. VI/650 S. 584. 52 Lackner / Kühl, § 105 Rn. 3, § 81 Rn. 5; Wolter, NStZ 1985, 193 (198). 53 Schönke / Schröder-Eser, § 105 Rn. 1; Fischer, § 105 Rn. 2. 47
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gesetzt sind, dessen Beurteilung der strafrechtlichen Rechtsprechung entzogen sein soll. 54 Unterhalb der Schwelle der Gewalt gegen eine Person kann damit ohne jegliche Einschränkung auf den Tatbestand der Nötigung und das Regelbeispiel des § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB mit einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zurückgegriffen werden. bb) Ausreichen eines Rückgriffs auf § 240 StGB Der Rückgriff auf § 240 Abs. 1, Abs. 4 StGB genügt dem Schutzbedürfnis der sexuellen Selbstbestimmung aber nur dann, wenn er tatsächlich diejenigen Lücken schließt, die eine restriktive Auslegung des Gewaltbegriffs eröffnet. § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB nennt allein die Nötigung zu einer sexuellen Handlung. Es sind vom Wortlaut zunächst nur diejenigen Fälle erfasst sein, in denen das Opfer zu der Vornahme einer sexuellen Handlung genötigt wird, aber nicht die Fälle, in denen es eine solche erdulden soll. Die Gesetzesmaterialien zum 6. StrRG schweigen sich dazu aus. Allerdings ist nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber die Nötigung zur Duldung einer sexuellen Handlung als weniger schwerwiegend und weniger strafwürdig als die Nötigung zu der Vornahme einer solchen Handlung ansehen sollte, wo er sie doch auch in § 177 Abs. 1 StGB gleichstellt. Daher wird teilweise unter den Begriff der Handlung in § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB nicht nur die Vornahme, sondern auch die Duldung einer sexuellen Handlung gefasst. 55 Ein solches Verständnis widerspricht jedoch der im Allgemeinen und auch in § 240 Abs. 1 StGB aufrechterhaltenen Trennung von Handlung und Duldung und geht damit über die Wortlautgrenze hinaus. 56 Möglich ist jedoch, sofern man Regelbeispiele nicht als abschließenden Katalog begreift, 57 in der Nötigung zur Duldung einer erheblichen sexuellen Handlung einen unbenannten besonders schweren Fall nach § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 StGB zu sehen. 58 Unterschiede bestünden dann lediglich in dem Begründungs54
Vgl. die Begründung zu § 395 E 1962, BT-Drs. IV/650 S. 584. SK-Wolters / Horn, § 240 Rn. 59; so wohl auch LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 121; andeutungsweise und ohne Begründung auch Laubenthal, Rn. 115; Renzikowski, NStZ 1999, 440. 56 Fischer, § 240 Rn. 59; derselbe, ZStW 112 (2000), 75. 57 So die Gesetzesbegründung, E 1962 S. 402, die Rspr. und die h.L., etwa BGHSt 23, 254 (257); 29, 319 (322); BayObLG NJW 1980, 2207; Callies, JZ 1975, 112 (114); Schönke / Schröder-Eser, § 243 Rn. 42a; Maiwald, NStZ 1984, 433 (434, 438 f.); für eine restriktive Auslegung SK-Hoyer, § 243 Rn. 10 ff.; MK-Schmitz, § 243 Rn. 58 f.; kritisch auch Otto, JZ 1985, 21 (24); derselbe, JURA 1989, 200. 58 LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 121. 55
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
aufwand hinsichtlich der Annahme eines besonders schweren Falls, der in Anbetracht des Regelbeispiels des § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 allerdings gering bliebe. Um jedoch die identische Strafwürdigkeit der Nötigung zur Vornahme und zur Duldung einer solchen Handlung zum Ausdruck zu bringen, besteht ein Bedürfnis nach – zumindest klarstellender – gesetzgeberischer Tätigkeit, die die Duldung eines fremdschädigenden Verhaltens als benannten besonders schweren Fall in den Gesetzestext einführt. Die Lückenschließungsfunktion des § 240 Abs. 1, Abs. 4 StGB ist jedenfalls nicht berührt. Daher geht der Einwand der Strafbarkeitslücken mittlerweile ins Leere. 3. Ergebnis für den Gewaltbegriff in § 177 Abs. 1 StGB Die somit zutreffende Gegenauffassung beschränkt den Begriff der Gewalt in § 177 Abs. 1 StGB ausdrücklich unter Rückgriff auf die Formulierung des Raubtatbestandes 59 oder zumindest inhaltlich 60 auf die Gewalt gegen eine Person. Daher ist all dies zu übertragen, was aus der Beschränkung des Gewaltbegriffs in den Tatbeständen des Raubes und der räuberischen Erpressung abgeleitet wird, ob dies nun der Ausschluss der rein gegen Sachen gerichteten Gewalt oder das Erfordernis einer gewissen Erheblichkeit ist. Damit ist für die Gewaltvariante all dieser drei Delikte der Einsatz von Gewalt gegen eine Person erforderlich.
B. Die Drohungsvariante der §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB I. Drohung Der Begriff der Drohung bezeichnet die ausdrückliche oder schlüssige Ankündigung eines künftigen – für die hier angesprochenen Delikte noch zu konkreti59
Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 10 Rn. 12; Folkers, S. 32; Krey, Was ist Gewalt? Band 2, Rn. 148; Lackner / Kühl, § 177 Rn. 4; Laubenthal, Rn. 119 ff.; LK-Laufhütte, 11. Auflage, § 177 Rn. 3; Lehmann, NStZ 2002, 353; Levy, S. 21; Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 5; Reuter-Stracke, S. 130 ff.; ebenso Villnow, S. 20, wonach der einschränkende Zusatz „gegen eine Person“ bei § 176 ReichsStGB, der damaligen Fassung der sexuellen Nötigung, nicht nötig gewesen sei. 60 So fordert etwa der BGH – in Abweichung von der starken Ausweitung des Gewaltbegriffs aus § 240 StGB bis zum Urteil des BVerfG, BVerfGE 92, 1 – eine gewisse bzw. nicht ganz unerhebliche körperliche Kraftentfaltung mit körperlicher Auswirkung beim Opfer, so etwa BGH NStZ 1981, 218; NStZ 1985, 70; NStZ 1995, 230; NStZ 1999, 506; BGHSt 36, 145 (146); anders jedoch in BGH, NJW 2003, 424, wo die Gewaltbegriffe der § 240 und § 177 StGB gleichgesetzt werden; ausführliche und kritische Analyse der Rechtsprechung bei Harbeck, S. 94 ff.
1. Kap.: Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1
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sierenden – Übels, dessen Eintritt der Ankündigende gegenüber dem Adressaten als von seinem Einfluss abhängig darstellt. 61 Aus dieser Definition ergibt sich Folgendes: Da es allein auf die Behauptung der Umsetzbarkeit ankommt, steht dem Vorliegen der Drohung nicht entgegen, dass der Täter sie nicht wahrmachen kann; eine solche Täuschung schließt das Vorliegen einer Drohung nicht aus. 62 Der Täter muss auch nicht die Selbstherbeiführung des Übels in Aussicht stellen; es reicht aus, wenn er die Übelsherbeiführung durch einen Dritten ankündigt und zugleich vorgibt, auf diesen Dritten einwirken zu können. 63 Abzugrenzen ist die Drohung von der Warnung, bei der der Täter nur auf den Eintritt eines Übels hinweist, aber keine Einflussmöglichkeit auf diesen vorgibt. 64 Allerdings kann in solchen Fällen eine Drohung mit einem Unterlassen der Abwendung vorliegen. 65 Anders etwa als bei dem Tatbestand der einfachen Nötigung 66 ist die Abgrenzung von Gewalt und Drohung bei den Tatbeständen der §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB von größerer Bedeutung. Denn während die Anwendung von Gewalt auch immer ein empfindliches Übel ist, begründet nicht jede Anwendung von Gewalt gegen eine Person eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben. 67 Sieht man von den Fällen einer ausdrücklich einmaligen Gewaltanwendung ab, etwa weil diese zum sofortigen Tode oder zur sofortigen Bewusstlosigkeit des Opfers führt, wird in nahezu jeder Gewaltanwendung zugleich eine konkludente Drohung mit der Fortsetzung der Gewalt als empfindliches Übel liegen; dagegen kann von einer Anwendung von Gewalt gegen eine Person nicht zugleich auf eine konkludente Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben geschlossen werden. Die Abgrenzung hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Begriffe der Gewalt und der Drohung ausgelegt werden. 68 Nach herrschender Auffassung 61
Statt vieler Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbem. §§ 234 bis 241a Rn. 30; Fischer, § 240 Rn. 31; LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 56. 62 Statt vieler RGSt 3, 262 (263); BGHSt 23, 294 (296); SK-Horn / Wolters, § 240 Rn. 18; LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 56. 63 LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 56; NK-Toepel, § 240 Rn. 98. 64 Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbem. §§ 234 bis 241a Rn. 30; Fischer, § 240 Rn. 36; SK-Horn / Wolters, § 240 Rn. 17; anders Sinn, Nötigung, S. 235 ff. und MK-Gropp / Sinn, § 240 Rn. 71 f., denenzufolge entscheidend sein soll, ob der Täter die beherrschende Stellung über die Entschlussfassung des Opfers hat, und nur solche Fälle als Warnung auszuscheiden sind, in denen der Täter ein tatsächlich eintretendes Übel in Aussicht stellt. 65 SK-Horn / Wolters, § 240 Rn. 17; Zu der Problematik des Drohens mit einem Unterlassen vgl. etwa Küper, Definitionen, S. 110 ff; LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 62. 66 Dazu SK-Horn / Wolters, § 240 Rn. 22. 67 s. dazu ausführlich unter II. 2. 68 So fassen etwa Binding, S. 83; Winkler, S. 12 ff.; Kollmann, S. 12 ff. und Krämer, S. 20, lediglich die vis absoluta unter den Begriff der Gewalt und die vis compulsiva bereits unter den der Drohung; ähnlich Sommer, NJW 1985, 769 (772), demzufolge die Drohung als Eingriff in die Motivationsebene des als weitgehend autonom gedachten
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
ist danach zu unterscheiden, ob es um die Zufügung eines gegenwärtigen Übels, dann – möglicherweise – Gewalt, oder die Ankündigung zukünftigen Übels, dann Drohung, geht. 69 Bei der Gewalt wirkt damit der ausgeübte, körperlich wirkende Zwang motivierend, während es bei der Drohung die Furcht vor der Realisierung der Ankündigung ist. 70 II. Gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben Gegenstand der Drohung muss bei den §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben sein. 1. Gegenwärtige Gefahr Eine Gefahr ist nach gängiger Definition ein Zustand, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignisses besteht. 71 Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad wird dahingehend näher beschrieben, dass die Möglichkeit naheliegen oder begründete Besorgnis bestehen muss. 72 Gegenwärtigkeit dieser Gefahr soll nach ständiger Rechtsprechung dann gegeben sein, wenn sich die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nach einem objektiven Urteil aus der ex-ante-Sicht so verdichtet hat, dass die zum Schutz des bedrohten Rechtsguts notwendigen Maßnahmen sofort eingeleitet werden müssen, um den Eintritt des Schadens sicher zu verhindern. 73 Bei einer Dauergefahr ist dies der Fall, wenn der Schaden jederzeit eintreten kann. 74 Opfers sei, Gewalt das Opfer hingegen das Opfer mit einem als unentrinnbar und unabwendbar empfundenen Sachverhalt konfrontiere und dadurch die Autonomie des Opfers weitgehend aufhebe. Nach Boeckmann, JZ 1986, 1050 (1051), hingegen ist eine Drohung, die durch ihre Intensität eine eigene Willensbildung des Opfers absolut ausschließt, Gewalt. Weiter noch geht Timpe, S. 171ff, demzufolge Drohungen mit empfindlichen Übeln, dem Bruch garantierter Rechte, aktuelle kompulsive Gewalt seien. 69 BVerfGE 73, 206 (237); RGSt 64, 113 (116); Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbem. §§ 234 bis 241a Rn. 6, 16, 37; LK-Vogel, § 249 Rn. 13; Knodel, S. 81; Vogt, S. 58; Riede, S. 25; MK-Wieck-Noodt, § 234 Rn. 30; Wenck, S. 39; mit dieser Formulierung soll nicht zugleich ausgedrückt werden, dass dies der alleinige Unterschied zwischen Drohung und Gewalt sei, dass also das zugefügte und angekündigte Übel übereinstimmten (zu einer solchen Argumentation s. Fn. 93); ein gegenwärtiges Übel ist auch nur dann Gewalt, wenn es der Definition des Gewaltbegriffs unterfällt und damit eine hinreichende körperliche Einwirkung und Auswirkung beinhaltet. Die Abgrenzungsformel setzt damit nach, und nicht bereits auf Definitionsebene an. 70 LK-Vogel, § 249 Rn. 13; Blanke, S. 242; ähnlich Geilen, H. Mayer-FS, 445 (463f). 71 Lackner / Kühl, § 24 Rn. 2; Schönke / Schröder-Perron, § 34 Rn. 12; Fischer, § 34 Rn. 3 m.w. N. 72 Fischer, § 34 Rn. 3.
1. Kap.: Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1
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2. Leibes- oder Lebensgefahr Eine Gefahr für das Leben ist gegeben, wenn der Tod eines Menschen mit entsprechender Wahrscheinlichkeit droht. 75 Damit für diesen Begriff gegenüber dem der Leibesgefahr ein Bedeutungsgehalt verbleibt, muss der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Todeseintritts erhöht sein gegenüber derjenigen Todesgefahr, die jeder körperlichen Verletzung innewohnt. Wann jedoch eine Leibesgefahr vor allem i. S. d. §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB vorliegt, wird unterschiedlich beurteilt. Nach überwiegender und für die §§ 249 Abs. 1, 255 StGB wohl allgemeiner Auffassung reicht es nicht aus, dass der Drohungsinhalt bei seiner Verwirklichung Gewalt wäre. Aus der Zusammenstellung mit der Lebensgefahr folge, dass die Gefahr für die körperliche Unversehrtheit erheblich sein müsse bzw. nicht unerheblich sein dürfe. 76 Der angedrohte Angriff habe eine gewisse Schwere aufzuweisen; 77 so reiche ein Drohen mit einfachen Schlägen nicht aus. 78 Nach der Gegenauffassung genügt für die Drohungsvariante des § 177 Abs. 1 StGB ein Drohen mit jeglicher Leibesgefahr. 79 Auch diese Ansicht orientiert sich strikt an dem Wortlaut der Norm. Zuzugeben ist außerdem, dass der Schluss von der höheren Schwelle der Lebensgefahr auf die niedrigere der Leibesgefahr nicht zwingend ist, sondern auch umgekehrt erfolgen kann. 80 Die Androhung der gegenwärtigen Lebensgefahr bildete nur die Obergrenze, und das Ausmaß der angedrohten Leibesgefahr könnte in der Strafzumessung zu berücksichtigen sein. 81 Schließlich wird im Rahmen des 73
BGHSt 48, 255 (259). BGHSt 5, 371 (373); 48, 255 (259); BGHR § 177 Abs. 1 Nötigen 1; BGH NStZ 2004, 683; NK-Frommel, § 177 Rn. 46; Harbeck, S. 113; Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 7; MK-Renzikowsi, § 177 Rn. 37; SK-Sinn, § 249 Rn. 19. 75 Fischer, § 35 Rn. 3; Teufert, S. 41. 76 Folkers, S. 44; Geilen, JURA 1979, 109 (110); Gössel, Sexualstrafrecht, § 2 Rn. 28; Lackner / Kühl, § 177 Rn. 5, § 315c Rn. 23; NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 6; Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 7; Teufert, S. 41; Fischer, § 249 Rn. 4, § 35 Rn. 4; Wetzel, S. 171; von Heintschel / Heinegg-Wittig, § 249 Rn. 6; Wolter, NStZ 1985, 193 (198); SK-Wolters / Horn, § 177 Rn. 9. 77 BGH NStZ 1999, 505; NStZ 2001, 246; StV 2001, 679; von Heintschel / HeineggZiegler, § 177 Rn. 17. 78 BGH-RR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 8; BGH StV 2001, 679 Folkers, S. 44; Geilen, JURA 1979, 109, 110; LK-Vogel, § 249 Rn. 15; kritisch MK-Sander, § 249 Rn. 21. 79 Harbeck, S. 112; MK-Renzikowski, § 177 Rn. 36; Sick, Selbstbestimmungsrecht, S. 201; Steinhilper, S. 340; NK-Frommel, § 177 Rn. 45, die sich gegen die h.A. ausspricht, aber dennoch das Inaussichtstellen nicht unerheblicher Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität und das Androhen leichter Schläge aus dem Anwendungsbereich ausscheidet, da diese lediglich ein empfindliches Übel darstellten. 80 So Harbeck, S. 112. 74
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
entschuldigenden Notstands nach § 35 StGB keine Einschränkung hinsichtlich der Gefahren für die – wenn auch eng zu verstehende – Fortbewegungsfreiheit vorgenommen, 82 auch wenn der Motivationsdruck bei Bestehen einer gegenwärtigen Gefährdung des Lebens wohl höher sein dürfte. 83 Die zu § 35 StGB entwickelten Kriterien sind aber nicht ohne weiteres auf die Auslegung des § 177 Abs. 1 StGB übertragbar – schließlich wirkte im Fall des entschuldigenden Notstands die einengende Auslegung zu Lasten des Täters, wohingegen im Fall der Nötigungsmittel eine ausweitende Auslegung diese Wirkung hätte. Während demnach im Falle des § 35 StGB eine möglichst weite Auslegung unbedenklich ist, ist sie im Falle des § 177 Abs. 1 StGB streng an Wortlaut und Systematik zu messen; und während in § 35 StGB eine den Wortlaut ausfüllende Auslegung zwingend ist, ist sie es hier nicht. Gestützt wird die extensive Auslegung maßgeblich auf Strafwürdigkeitserwägungen. Soll die Anwendung einfacher Gewalt genügen, müsse dies ebenso die Androhung einer solchen. 84 Es könne keinen Unterschied machen, ob der Täter mit Gewalt droht oder sie anwendet, da die Zufügung eines Übels das Opfer nicht zwingend stärker belaste als deren Ankündigung. 85 Auch bestehe sowohl bei der Drohung mit leichten wie mit schwereren Verletzungen die Gefahr der Eskalation in eine körperliche Auseinandersetzung. 86 Eine restriktive Auslegung werde außerdem dem Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit nicht gerecht. 87 Die Argumentation, dass Gewalt und androhbares Übel deckungsgleich sein müssen, ist nicht neu. Sie wurde bisher – vice versa – zur Ausweitung des Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB herangezogen. Um Strafbarkeitslücken zu vermeiden, müsse all das, was empfindliches Übel und somit tauglicher Drohungsinhalt ist, bei seiner Zufügung Gewalt sein. 88 Allerdings überzeugt die Gleichsetzung von Gewalt und empfindlichem Übel vor der Formulierung des § 240 Abs. 1 StGB sowie der sonstigen Nötigungstatbestände nicht. Das Tatbestandsmerkmal der Gewalt verlöre seine Eigenständigkeit. 89 Auch hätten die Drohung mit einem 81
Steinhilper, S. 340. Vgl. etwa LK-Zieschang, § 35 Rn. 14. 83 Vgl. auch Harbeck, S. 112. 84 Sick, Selbstbestimmungsrecht, S. 201; andeutungsweise auch Albrecht, P.-A. / Beckmann / Frommel / u. a., S. 52; MK-Renzikowski, § 177 Rn. 36. 85 Sick, Selbstbestimmungsrecht, S. 201. 86 MK-Renzikowski, § 177 Rn. 36; Sick, Selbstbestimmungsrecht, S. 201 f.; zustimmend Harbeck, S. 112 f.; ähnlich Steinhilper, S. 340. 87 MK-Renzikowski, § 177 Rn. 36. 88 BGH JR 1988, 75; AG Schwäbisch Gmünd, NJW 1986, 2445; Dreher, NJW 1970, 1153; Knodel, S. 54 f.; Schönke / Schröder, 17. Auflage, Vorbem. § 234 Rn. 12; dagegen Arzt, LH 1, Rn. 570, 580; Koffka, JR 1964, 39; Hirsch, Tröndle-FS, 20, 23; umgeschwenkt Haft, BTII, 8. Auflage, S. 178 gegenüber Haft, BT, 4. Auflage, S. 128; Kritik bei Geilen, H. Mayer-FS, 445 (456 ff.). 82
1. Kap.: Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1
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empfindlichen Übel und die Drohung mit Gewalt den gleichen Anwendungsbereich, und die Differenzierung im Wortlaut bliebe außer Betracht. 90 Daraus folgt, dass der Gehalt der Nötigungsmittel unabhängig voneinander zu bestimmen ist. 91 Die sich ergebenden Strafbarkeitslücken dürfen nicht geschlossen werden, weil es vielleicht aus Gründen der Kriminalpolitik wünschenswert wäre; 92 als ultima ratio gewährt das Strafrecht keinen lückenlosen Schutz. 93 Grundlegender ist zu fragen, ob überhaupt – planwidrige – Strafbarkeitslücken entstehen. Schließlich enthält das Gesetz zahlreiche Straftatbestände, die die Zufügung empfindlicher Übel unter Strafe oder e contrario straflos stellen. So ist die Beschädigung einer fremden Sache ein empfindliches Übel und zugleich vom Tatbestand der Sachbeschädigung erfasst. Der zeitweise, nicht von Zueignungsabsicht getragene Gebrauch einer fremden Sache ist hingegen, von § 248b StGB abgesehen, straflos. Legte man neben diesem weiten Gewaltbegriff die Rechtsprechung des BGH zum subjektiven Tatbestand der Nötigung zugrunde und ließe bedingten Vorsatz genügen, 94 läge, wenn der Täter sich damit abfindet, dass das Opfer – zumindest zeitweise – nicht auf die Sache zurückgreifen kann, immer auch eine strafbare Nötigung zum Unterlassen der Nutzung vor. 95 Übertragen auf die vorliegende Diskussion hieße dies: wenn man Gewalt gegen die Person und Leibesgefahr gleichsetzte, bliebe außer Acht, dass der Gesetzgeber zwischen Drohungen mit Gewalt und Drohungen mit gegenwärtiger Leibesgefahr unterscheidet und – wie die Gleichstellung mit den verschiedenen Gewaltformen zeigt – die letztere als schwerwiegender erachtet. Ein Rückschluss von dem Gehalt der Gewaltvariante auf den der Drohungsvariante ist zumindest nicht dahingehend möglich, dass das, was bei Zufügung Gewalt ist, auch immer tauglicher Drohungsinhalt ist. Dies muss umso stärker gelten, als in den §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB kein Korrektiv vorgesehen ist, wie § 240 Abs. 2 StGB es bietet. Die These, dass die Androhung ein Opfer zumindest genauso stark belaste wie die Zufügung des Übels, wird – obwohl deren Gegenteil naheliegt – nicht näher begründet. Ihr könnte der Gedanke zugrunde liegen, dass die Angst vor der Umsetzung der Ankündigung das Opfer in seinem Leben stärker und an89
Köhler, NJW 1983, 10 (11). Wolter, NStZ 1985, 193 (195); Köhler, NJW 1983, 10 (11) geht sogar von der Überschreitung der Wortlautgrenze aus. 91 Sommer, NJW 1985, 769 (772). 92 Wolter, NStZ 1985, 193 (195). 93 Sommer, NJW 1985, 769 (770 f.) gegen die Ausweitung des Gewaltbegriffs in § 240 unter Rückgriff auf die Drohungsalternative; dieser Gedanke trägt ebenso, wenn es darum geht, die Drohungsalternative in Abhängigkeit von dem Gewaltbegriff zu bestimmen. 94 BGHSt 5, 245, 246; es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Rechtsprechung aus den genannten Gründen überzeugen kann; s. u. 2. Teil 3. Kap. B. IV. 1. 95 So auch Geilen, H. Mayer-FS, 445 (456). 90
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
dauernder einschränke, als dies bei einer einmaligen Übelszufügung der Fall wäre. Der Schutz vor einer solchen Einschränkung wird jedoch ohnehin über das Erfordernis der Gegenwärtigkeit der Gefahr begrenzt. Im Übrigen mag diese These lediglich für die Drohung mit erheblichen Verletzungen im Gegensatz zu der Anwendung leichterer Gewalt gelten, doch entspricht dies gerade der restriktiven Auffassung. Das Eskalationsargument basiert auf der fraglichen Prämisse, dass die Eskalationsgefahr ein bei der Auslegung der §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB zu berücksichtigendes, gar entscheidendes Kriterium sei. Indes findet sich dafür in den Grundtatbeständen keinerlei Hinweis. Allenfalls die Qualifikationstatbestände, vor allem jene, die das Beisichführen gefährlicher oder zur Widerstandsverhinderung oder -überwindung bestimmter Werkzeuge voraussetzen, könnten dies andeuten. Selbst wenn dem so wäre, verdeutlicht die Beschränkung auf qualifizierte Nötigungsmittel, dass durch die Delikte nicht jegliche Eskalationsgefahr gebannt werden soll. Schließlich sind auch Drohungen mit empfindlichen Übeln oder Beleidigungen häufig Anlass einer nachfolgenden körperlichen Auseinandersetzung, ohne dass sie von den qualifizierten Nötigungsmitteln erfasst wären. Darüber hinaus wird die Eskalationsgefahr umso größer sein, je empfindlicher auch das angedrohte Übel ist. Entscheidend ist auch hier der Strafrahmen. Man stelle sich vor, der Täter drohe dem Opfer, ihm sein Haar abzuschneiden, wenn es nicht zulasse, dass er sich etwas Kleingeld aus seinem Portemonnaie entnehme. Das Abschneiden des Haupthaares soll bei entstellender Wirkung den Tatbestand der einfachen Körperverletzung erfüllen. 96 Genügte ein Drohen mit einer einfachen Leibesgefahr bzw. Gewalt, wäre der Verbrechenstatbestand des Raubes eröffnet. Hält der „Räuber“ nun auch noch eine als solche nicht erkennbare Bastelschere in der Hand, um die Umsetzbarkeit seiner Drohung vor Augen zu führen, läge sogar ein schwerer Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von drei Jahren vor. Zwar stellt die Schere wohl kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB, 97 jedoch ein sonstiges Mittel zur Widerstandsüberwindung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB dar, denn der Täter setzt die Schere ein, um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen. 98 96
BGH NJW 1953, 1440. Weder soll sie nach dem inneren Vorbehalt des Täters, die Drohung in die Tat umzusetzen, erhebliche Verletzungen herbeiführen, noch ist in der Situation der Schluss auf eine nicht zu erheblichen Verletzungen führenden Verwendung, nämlich dem Schneiden des Haupthaares, unmöglich; dass dies eine Körperverletzung darstellt, steht dem nicht entgegen, da andere Schwellen maßgeblich sind. Während für die Körperverletzung die nicht unerhebliche Beeinträchtigung genügt, ist ein Werkzeug nur dann gefährlich, wenn es zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen geeignet ist. Eine solche stellt das Abschneiden des Haupthaars jedenfalls nicht dar. 97
1. Kap.: Vorüberlegungen zu den Nötigungsmitteln der §§ 249 Abs. 1
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Daher ist der Begriff der Leibesgefahr als Inhalt der tatbestandsmäßigen Drohung in den §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB restriktiv auszulegen.
C. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Tatbestände des Raubes, der räuberischen Erpressung und – entgegen dem Wortlaut – auch der Tatbestand der sexuellen Nötigung in den ersten beiden Varianten als Nötigungsmittel die Gewalt gegen eine Person oder die Androhung einer gegenwärtigen Leibesgefahr von einiger Erheblichkeit oder Lebensgefahr erfordern. Damit stimmen die Nötigungsakte dieser Delikte vollständig überein.
98 Neben dem Strafrahmen halte man sich die weiteren spezifischen Folgen vor Augen, die an eine Strafbarkeit wegen Raubes geknüpft sind und über die bereits genannten Folgen einer Verbrechensstrafbarkeit hinausgehen: bei Androhung in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wäre der Androhende gem. § 126 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar, eine dritte Person bei Nichtanzeige nach § 138 Abs. 1 Nr. 8 StGB und bei Belohnung, also jeglichem Gutheißen (Lackner / Kühl, § 130 Rn. 8), nach § 140 Nr. 1 StGB, ohne dass es auf Öffentlichkeit oder Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens ankäme. Hinzu treten auch hier die erweiterten strafprozessualen Eingriffsmöglichkeiten: die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung nach § 100a StPO, bei schweren Raub auch der Errichtung von Kontrollstellen auf Straßen und Plätzen, § 111 Abs. 1 S. 1 StPO, und der Schleppnetzfahndung, § 163d Abs. 1 Nr. 1 StPO. Bei wiederholter oder fortgesetzter Tatbegehung läge sogar ein Haftgrund für Untersuchungshaft gem. § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO vor.
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen „Item so jemandt eyner vnuerleumbten ehefrawen, witwenn oder jungkfrawen, mit gewalt und wider jren willen, jr jungkfrewlich oder frewlich ehr neme, der selbig übelthetter hat das leben verwürckt, vnd soll auff beklagung der benöttigten inn außführung der mißthat, eynem rauber gleich mit dem schwert vom leben zum todt gericht werden.“ 99
2. Kapitel
Arbeitshypothesen Die Tatbestände des Raubes, § 249 Abs. 1 StGB, der räuberischen Erpressung, §§ 253, 255 StGB, und der sexuellen Nötigung, § 177 Abs. 1 StGB, weisen über die Identität der Nötigungsmittel hinaus weitere Gemeinsamkeiten auf.
A. Gemeinsamkeiten der Delikte I. Tatbestandsseite Alle drei Delikte sind – wenn auch selbstständige – Spezialtatbestände zur einfachen Nötigung. Bei der räuberischen Erpressung und der sexuellen Nötigung ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut. Für den Raubtatbestand folgt es aus der Gesetzgebungsgeschichte und entspricht der allgemeinen Auffassung. 100 Allen Tatbeständen ist der Einsatz von Gewalt gegen eine Person 101 oder von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben als Nötigungsmittel und damit ein Einwirken auf die Willensbildungs- oder Willensbetätigungsfreiheit gemein. Der Tatbestand der sexuellen Nötigung enthält seit dem 33. StrÄG 102 außerdem die Variante der einfachen Nötigung unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage. Verbindendes Glied zwischen den Tatbeständen ist damit der Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel, der sonst im StGB nur im Straftatbestand des räuberischen Diebstahls besonders unter Strafe gestellt ist. Hinzu tritt die Verletzung eines weiteren Rechtsgutes durch ein Verhalten des Täters, des Opfers oder eines Dritten, welches den Vorgenannten zuzurechnen ist. 103 99
Art. 119 S. 1 der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) von 1532. Eser, NJW 1965, 377 (378); Geilen, JURA 1979, 53; v. Heintschel-Heinegg, S. 11; Mitsch, § 3 Rn. 3; MK-Sander, § 249 Rn. 1; Schünemann, JA 1980, 349; Vogt, S. 20. 101 s. dazu 1. Kap. III. 102 33. Strafrechtsänderungsgesetz vom 01. Juli 1997 (BGBl. 1997 I, 1607), in Kraft getreten am 05. Juli 1997. 100
2. Kap.: Arbeitshypothesen
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Auf dieser Grundlage ergibt sich die doppelte Schutzrichtung der Delikte. Der Tatbestand des Raubes schützt nach allgemeiner Ansicht das Eigentum, genauer die uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Eigentümers über seine Sache gem. § 903 BGB, 104 und die persönliche Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung. 105 Dabei wird teilweise ein Vorrang des Eigentumsschutzes angenommen, da die Beschränkung der Freiheit nur das Mittel zur Begehung des Eigentumsdeliktes sei. 106 Zusätzlich nennen manche den Gewahrsam als drittes, teilweise wiederum nachrangiges 107 Schutzgut. 108 Parallel dazu verläuft die Rechtsgutsbestimmung bei der (räuberischen) Erpressung. Schutzgut seien das Vermögen und die persönliche Freiheit der Willensbildung und Willensbetätigung, 109 teilweise spezifiziert als die Freiheit wirtschaftlicher Disposition. 110 Auch hier sehen einige den Schwerpunkt auf der Vermögensverletzung, zu welcher der Angriff auf die persönliche Freiheit nur das Mittel sei. 111 Der Tatbestand der sexuellen Nötigung schützt – wie der Titel des 13. Abschnitts seit dem 4. StrRG 112 verdeutlicht – die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers, 113 und zwar als status negativus, d. h. als negatives Abwehrrecht gegen erzwungenen Sexualkontakt. 114 103
Zum Kriterium der Zurechnung von Drittverhalten zum Opfer s. 2.Teil 4.Kap.A.IV. MK-Sander, § 249 Rn. 2. 105 Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 1; Haft, BTI, S. 33; Hagel, S. 269; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 1; Satzer / Schmitt / Widmaier-Kudlich, § 249 Rn. 1; Lackner / Kühl, § 249 Rn. 1; SK-Samson, Stand Mai 1993, § 249 Rn. 1; Schünemann, JA 1980, 349; NK-Kindhäuser, Vor § 249 Rn. 1; MK-Sander, § 249 Rn. 2; kritisch LK-Herdegen, Vor §§ 249 ff. Rn. 46; letztendlich muss es um die Willensfreiheit hinsichtlich der Disposition über den Gewahrsam an der fremden beweglichen Sache gehen, siehe dazu 2. Teil 6. Kap. 106 Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 1; Haft, BTI, S. 34; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 1; Mitsch, § 3 Rn. 1; MK-Sander, § 249 Rn. 2; Wessels / Hillenkamp, Rn. 317; Vogt, S. 17; a. A. SK-Sinn, § 249 Rn. 2. 107 MK-Sander, § 249 Rn. 2. 108 Haft, BTI, S. 33; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 1; SK-Günther, § 249 Rn. 2; a. A. Wessels / Hillenkamp, Rn. 317; Vogt, S. 15; von Heintschel / Heinegg-Wittig, § 249 Rn. 1. 109 BGHSt 1, 13 (20); 7, 197 (198); 19, 342 (343); 41, 123 (125); Geilen, JURA 1980, 43 (47); SK-Günther, § 253 Rn. 2; Lackner / Kühl, § 253 Rn. 1; NK-Kindhäuser, Vor § 249 Rn. 1; Mitsch, § 6 Rn. 1; MK-Sander, § 253 Rn. 1. 110 Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 1; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 253 Rn. 1; H. Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (94 f.); ähnlich Mitsch, § 6 Rn. 1; außerdem hier auch LG-Vogel, Vor §§ 249 ff. Rn. 51. 111 Lackner / Kühl, § 253 Rn. 1; Maurach / Schroeder / Maiwald, §42 Rn. 12; Mitsch, § 6 Rn. 1; Wessels / Hillenkamp, Rn. 705. 112 Viertes Gesetz zur Reform des Strafrechts (4. StrRG), verkündet am 23. November 1973 (BGBl. 1973 I S. 1725); in Kraft getreten am 28. November 1973; vor diesem lautete der Titel des Abschnitts seit dem preußischen StGB „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“. 113 Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 2. 104
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
Bei der Dispositionsfreiheit sowohl über die materiellen Rechtsgüter Eigentum und Vermögen als auch über das immaterielle Rechtsgut der sexuellen Integrität sind die beiden denkbaren Schädigungsverläufe, derjenige der Fremdund derjenige der Selbstschädigung, erfasst; sei es, dass der Täter – oder bei § 177 Abs. 1 StGB auch ein Dritter – eine weitere Handlung vornimmt, etwa die Wegnahme bei § 249 Abs. 1 oder die Vornahme einer sexuellen Handlung in der Duldungsvariante des § 177 Abs. 1 StGB, sei es, dass das Opfer eine weitere Handlung vornimmt, etwa eine Vermögensverfügung in § 255 StGB oder einer sexuelle Handlung am Täter oder an einem Dritten in den Handlungsvarianten des § 177 Abs. 1 StGB. Der Tatbestand der sexuellen Nötigung entspricht damit in der Struktur den Konstellationen sowohl des Raubes als auch der räuberischen Erpressung, die erzwungene Duldung eines rechtsgutsobjektschädigenden Verhaltens oder die erzwungene Vornahme eines solchen; erfasst sind sozusagen die „sexuelle räuberische Erpressung“ und der „sexuelle Raub“. Der Unterschied besteht lediglich in dem geschädigten Objekt, einerseits der Freiheit, über materielle Güter zu disponieren, andererseits, das eigene Sexualverhalten frei zu bestimmen. Versteht man die Erpressung nicht als reines Selbstschädigungsdelikt und lässt die Hinnahme eines fremdschädigenden Verhaltens als tatbestandsmäßigen Nötigungserfolg genügen, 115 wären die Tatbestände des § 177 StGB und des § 253 StGB mit Ausnahme des Schädigungsobjektes sogar deckungsgleich und der Raub erfasste nur die fremdschädigende Begehungsweise gesondert. Eine beabsichtigte Drittbereicherung respektive Drittzueignung findet ihr Gegenstück in der Vornahme bzw. in der Duldung einer sexuellen Handlung eines Dritten. Der Tatbestand der sexuellen Nötigung verlangt zwar keine überschießende Innentendenz. Dies ist jedoch nicht vonnöten, weil bereits das sexuelle Verhalten gegen den Willen des Opfers selbst die Schädigung des Rechtsgutsobjekts vollständig bewirkt. Eine Kupierung des Erfolges zur Vorverlagerung der Strafbarkeit ist für das Delikt der sexuellen Nötigung nicht erforderlich. Auch ist eine Abgrenzung zu weniger oder gar nicht strafwürdigen Fällen nicht geboten, wie sie nach Vorstellung des Gesetzgebers bei der Zueignung in Abgrenzung zur reinen Gebrauchsanmaßung oder Zerstörung erfolgen muss. 116 Da Schädigung und entsprechender Vorteil bei der sexuellen Nötigung nicht trennbar sind, muss bereits der objektive Nötigungserfolg auf dritte Personen erweitert sein, während bei den Tatbeständen des Raubes und der räuberischen Erpressung 114 LK-Hörnle, § 177 Rn. 1; Schönke / Schröder-Perron / Eisele, Vorbemerkungen zu den §§ 174 ff. Rn. 1, § 177 Rn 2; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 17 Rn. 16; MK-Renzikowski, Vorbemerkung zu den §§ 174 ff. Rn. 7; Sick, Selbstbestimmungsrecht, S. 32; dieselbe ZStW 103, 43 (51). 115 s. dazu Fn. 164. 116 Vgl. etwa Schönke / Schröder-Eser, § 242 Rn. 51, 55; MK-Schmitz, § 242 Rn. 106; a. A: Dencker, Rudolphi-FS, 425 (433); derselbe, Grünwald-FS, 75 (88 ff.), der die Absichten primär als Umschreibung einer bestimmten Motivation des Täters sieht.
2. Kap.: Arbeitshypothesen
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ein altruistisches Handeln über die überschießende Innentendenz erfasst werden kann. Die Ausgestaltung des § 177 Abs. 1 StGB lässt eine Schlussfolgerung für den Unrechtsgehalt der verschiedenen Schadensverläufe zu. Fasst der Gesetzgeber mehrere Varianten eines Delikts zusammen, so bringt er damit seine Wertung zum Ausdruck, diese seien in ihrem Unrechtsgehalt vergleichbar. Schließlich stünde ihm für eine Abstufung des Unrechtsgehaltes die gesonderte Erfassung als besonders oder minder schwerer Fall des Delikts oder als Qualifikationsoder Privilegierungstatbestand offen. Aus den Varianten der sexuellen Nötigung lässt sich schließen, dass es nach der gesetzgeberischen Wertung im Unrecht keinen Unterschied ausmacht, ob der Täter das Opfer zur Vornahme eines selbstschädigenden oder Hinnahme eines fremdschädigenden Verhaltens nötigt. Erfasst der Tatbestand der (räuberischen) Erpressung, wie die Rechtsprechung und T.d.L. annehmen, 117 sowohl den selbst- als auch den fremdschädigenden Verlauf, so findet sich diese Wertung in §§ 253, 255 wieder. Geht man hingegen mit der h.L. von der Verfügungslehre aus und sieht die Erpressung als reines Selbstschädigungsdelikt, 118 so zeigt sich das Unrechtsgleichgewicht in der Identität der Strafrahmen zu den jeweiligen Fremdschädigungsdelikten, §§ 242, 249 StGB. Durch die Annahme einer Exklusivität von Erpressung und Wegnahmedelikt entstehen zwar Strafbarkeitslücken. Sie beruhen jedoch auf anderen Wertungen als denjenigen, die hier in Frage stehen. Gestritten wird nicht um die Privilegierung der erzwungenen Selbstschädigung gegenüber der Fremdschädigung, sondern des Handelns in Zueignungsabsicht gegenüber dem in Bereicherungsabsicht. Letztendlich kann das Unwertverhältnis von Selbst- und Fremdschädigung auch nur einheitlich für alle vergleichbaren Delikte beurteilt werden. Allein der Austausch des zweiten Schutzgutes kann keinen Unrechtsunterscheid der beiden möglichen Schädigungsverläufe begründen. II. Rechtsfolgenseite Eine weitere Parallele findet sich bei den Strafrahmen. Nach der Angleichung des Strafrahmens der sexuellen Nötigung durch das 33. StrÄG an den des Raubes und damit auch der räuberischen Erpressung ist nun für alle diese Delikte, bestehend aus dem Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel und einer weiteren, mit ihr verknüpften Rechtsgutsobjektsverletzung, ein identischer Strafrahmen 117 St. Rspr. des BGH, vgl. BGHSt 7, 252 (254); 14, 381 (390); 25, 244 (228); NStZ 1999, 350 (351); NStZ 2003, 604 (605); Geilen, JURA 1979, 165 (166) und JURA 1980, 43 (51 f.); LK-Vogel, Vor §§ 249 ff. Rn. 60; Schünemann, JA 1980, 349 (352) und JA 1980, 486 (491). 118 So etwa Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 8 m.w. N.; MK-Sander, § 253 Rn. 13 ff.; SK-Samson, Stand September 1986, Vor § 249 Rn. 13 ff.; Tenkhoff, JR 1974, 489 (490 f.).
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
von nicht unter einem Jahr, bei Vorliegen eines minder schweren Falls von sechs Monaten bis fünf Jahren vorgesehen. III. Auffangtatbestände Auch unterhalb dieser Schwelle findet sich ein gewisser Gleichlauf. Alle Tatbestände sind leges speciales zur Nötigung, so dass bei der Anwendung einfacher Nötigungsmittel in jedem Fall deren Tatbestand erfüllt ist. Trifft der Einsatz einfacher Nötigungsmittel mit dem Erfolg und dem subjektiven Tatbestand der sexuellen Nötigung oder der räuberischen Erpressung zusammen, so ist eine Nötigung in einem besonders schweren Fall gem. § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB respektive eine einfache Erpressung gem. § 253 StGB – jeweils mit einer Strafobergrenze von fünf Jahren – gegeben. Lässt man mit der Rechtsprechung und großen Teilen der Literatur 119 als Nötigungserfolg der Erpressung auch die Duldung der Wegnahme zu, so ist auch der sog. „kleine Raub“ 120 erfasst. Verlangt man hingegen für die Erpressung das Vorliegen einer Vermögensverfügung, so fehlt es an einem Tatbestand für die Anwendung einfacher Nötigungsmittel mit dem Erfolg und dem subjektiven Tatbestand des Raubes. Dafür ist die Eigentumsverletzung gegen oder ohne den Willen des Opfers, aber ohne Einsatz von Nötigungsmitteln von § 242 Abs. 1 StGB erfasst, der ebenfalls im Höchstmaß mit fünf Jahren zu bestrafen ist, so dass dem Einsatz einfacher Nötigungsmittel im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen werden kann. Hinzu tritt eine Strafbarkeit gem. § 246 StGB. Nicht mit Strafe bedroht sind hingegen die Herstellung eines Sexualkontaktes und die Vermögensverfügung ohne oder gegen den Willen des Opfers. IV. Qualifikationstatbestände Auch bei den Qualifikationstatbeständen der §§ 250 Abs. 1, Abs. 2, 251 und §§ 177 Abs. 3, 4, 178 StGB zeigen sich starke und vom Gesetzgeber beabsichtigte 121 Gemeinsamkeiten. Der Gesetzgeber des 6. StrRG hat sich für eine nahezu identische Ausgestaltung der Qualifikationstatbestände entschieden. Der bis dahin geltende § 250 StGB a.F. sah für die nun maßgeblich in § 250 Abs. 1 StGB geregelten Qualifikationsgründe eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor, die als zu hoch empfunden und daher in der Rechtsprechung umgangen wurde. 122 Der 119 BGHSt 14, 386 f.; 41, 123 (125); BGH NStZ-RR 99, 103: SK-Günther, § 253 Rn. 16; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 253 Rn. 5 ff.; Mitsch, § 6 Rn. 40. 120 So bezeichnet etwa von SK-Samson, Stand: September 1986, Vor § 249 Rn. 6; Küper, Definitionen, S. 412. 121 Vgl. etwa BT-Drs. 13/8587, S. 1, 32; 13/9064, S. 12 f. 122 BT-Drs. 13/8587, S. 44 f.; Überblick bei Kreß, NJW 1998, 633 (642).
2. Kap.: Arbeitshypothesen
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Gesetzgeber entschied sich daraufhin für einen gestuften Qualifikationstatbestand, der für die bisherigen Qualifikationsgründe unter Berücksichtigung der Praxis eine Mindeststrafe von drei Jahren und für Qualifikationsgründe mit erhöhter Gefährlichkeit die bisherige Mindeststrafe von fünf Jahren vorsah. Für den Tatbestand der sexuellen Nötigung wurden diese Qualifikationsgründe neu geschaffen und dabei zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen 123 hinsichtlich des Inhalts und des Strafrahmens an das neue Qualifikationssystem zum Raub angelehnt. Des Weiteren wurde der Strafrahmen der sexuellen Nötigung mit Todesfolge, nun § 178 StGB, im Mindestmaß an den des Raubes und der räuberischen Erpressung mit Todesfolge, § 251, StGB angepasst. Nur die bandenmäßige Begehung ist bei den Qualifikationen zur sexuellen Nötigung nicht vorgesehen. Stattdessen ist die gemeinschaftliche Tatbegehung als ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung in § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren erfasst. Beide Straferhöhungsmerkmale setzen an der erhöhten Gefährlichkeit des Zusammenwirkens von mehreren Personen an, betreffen jedoch unterschiedliche Aspekte. Während es bei der Gemeinschaftlichkeit nach herrschender Meinung um die erhöhte Gefahr durch die Anwesenheit mehrerer Personen geht, 124 ist das räumliche und zeitliche Zusammenwirken nach überwiegender Auffassung gerade nicht Voraussetzung einer bandenmäßigen Begehung. 125 Der Grund für die Strafrahmenerhöhung durch den auf Dauer angelegten Zusammenschluss wird in der größeren Effektivität und damit besonderen Gefährlichkeit der Tatbegehung durch arbeitsteiliges Vorgehen 126 oder der wechselseitigen Bindung der Mitglieder und dem daraus folgenden Anreiz zu weiteren Taten gesehen. 127 Die Merkmale der Gemeinschaftlichkeit und der Bandenbegehung weisen somit nur eine Schnittmenge auf. Im Ergebnis besteht der Unterschied zunächst darin, dass der Gemeinschaftlichkeit als Regelbeispiel bei der sexuellen Nötigung eine reine Indizfunktion zukommt; zum zweiten unterscheidet sich die Mindeststrafe um ein Jahr. Dieser Unterschied ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass bei der Raubkriminalität die Bandenbegehung typisch und daher besonders zu ahnden ist, bei der Sexualkriminalität, insbesondere der sexuellen Nötigung – meist Beziehungstat – 128 hingegen weniger im Vordergrund der Diskussion steht. Wirken bei einer bandenmäßigen 123
BT-Drs. 13/9064 S. 11. Renzikowski, NStZ 1999, 377 (382); SK-Wolters, § 177 Rn. 27; von Heintschel / Heinegg-Ziegler, § 177 Rn. 31; a. A. NK-Frommel, § 177 Rn. 67. 125 BGHSt 46, 321; Schönke / Schröder-Eser, § 244 Rn. 26; kritisch Lackner / Kühl, § 244 Rn. 8. 126 Schönke / Schröder-Eser, § 244 Rn. 26. 127 Schönke / Schröder-Eser, § 244 Rn. 23; SK-Hoyer, § 244 Rn. 31; Lackner / Kühl, § 244 Rn. 6; Fischer, § 244 Rn. 33. 128 Elsner / Steffen, S. 276; MK-Renzikowski, Vorbemerkungen zu den §§ 174 ff., Rn. 15. 124
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1. Teil: Vorüberlegungen und Arbeitshypothesen
Begehung der sexuellen Nötigung die Mitglieder am Tatort zusammen, wäre jedoch eine Widerlegung der Indizwirkung des Regelbeispiels kaum möglich; bei fehlendem Zusammenwirken liegt die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls nahe. Weitere Unterschiede finden sich bei dem persönlichen Anwendungsbereich der Qualifikationstatbestände. So genügt es für die Raubqualifikationen des § 250 StGB, wenn sie durch sonstige Beteiligte und damit anwesende Teilnehmer erfüllt werden, wohingegen die Qualifikationen des § 177 Abs. 3, 4 StGB nur an das Handeln des (Mit-)Täters ansetzen. Diese Unstimmigkeit ist möglicherweise erneut darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber bei der Raubkriminalität die Beteiligung mehrerer wesentlich stärker vor Augen hatte. Im Übrigen ist von gesetzgeberischen Ungenauigkeiten auszugehen, die daraus resultieren könnten, dass der Tatbestand in kurzer Folge durch das 33. StrÄG 1997 und das – recht überhastet ausgearbeitete – 129 6. StrRG 1998 geändert wurde. Schließlich war es gerade das gesetzgeberische Anliegen, den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung an den des Eigentums anzugleichen, dem diese Differenzierung im persönlichen Anwendungsbereich widerspricht. Kein Unterschied liegt hingegen in dem persönlichen Anwendungsbereich auf Opferseite. 130 Dem Wortlaut nach sind bei der Qualifikation der sexuellen Nötigung aufgrund weiterer Folgen der Tat, §§ 177 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2, 178 StGB, nur Schädigungen des Opfers erfasst, während beim Raub auch die Schädigung anderer Personen den Qualifikationstatbestand erfüllt. Der Gesetzgeber hätte jedoch auch in § 250 Abs. 2 StGB von Opfern sprechen können, ohne den Anwendungsbereich des Qualifikationstatbestandes einzuengen. Bei der Aufteilung der Schädigungshandlungen auf mehrere Personen ist wohl jede Opfer des Raubes. V. Kriminologische Gemeinsamkeiten Die nahezu identische Ausgestaltung der Strafrahmen entspricht auch den Erkenntnissen einer engen kriminologischen Verwandtschaft von Raub und sexueller Nötigung, 131 welche sogar enger sein soll als die der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung zu den sonstigen Sexualdelikten. 132 Es besteht nicht nur eine rein tatsächliche Beziehung zwischen der sexuellen Nötigung und dem Raub, indem die Delikte oft in engem Zusammenhang begangen werden oder 129
s. die Kritik bei DNSS, S. 1 ff. So aber MK-Renzikowski, § 177 Rn. 15. 131 Brauneck, S. 2, 23; v. Hentig, S. 188 f.; Keupp, S. 123 ff.; Schorsch, S. 200; Teufert, S. 111 f., 121. 132 Schorsch, S. 200. 130
2. Kap.: Arbeitshypothesen
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wechselseitig ineinander übergehen. 133 Starke Parallelen finden sich auch bei der Tatsituation und den tatauslösenden Motiven 134 sowie der Täterpersönlichkeit. 135
B. Folge: Übertragbarkeit der Ergebnisse Stimmen die Rechtsfolgen weithin überein, so muss dies auch für das Ausmaß an tatbestandlichem Unwert gelten. Dies trifft zunächst auf die Einzelakte zu. Der erste Akt, der Einsatz der Nötigungsmittel, ist bei allen drei Tatbeständen identisch. Die jeweils zweiten Akte stimmen zumindest in ihrem Unwertgehalt überein: zunächst, da es nach der gesetzgeberischen Wertung keinen Unterschied ausmacht, ob es sich um einen selbst- oder fremdschädigenden Verlauf handelt; zudem, weil nicht nur nach kriminologischen Erkenntnissen die Erfolge im Unrecht übereinstimmen. Die Erpressung und die sexuelle Nötigung entsprechen sich in ihrer Strafobergrenze, nur die Strafuntergrenze unterscheidet sich. Nach der Wertung des Gesetzgebers sind danach eine Verletzung des Vermögens und eine Verletzung der sexuellen Integrität grundsätzlich gleich unwertig. Dies entspricht auch den Zielen des Gesetzgebers des 6. StrRG, den Schutz der sexuellen Integrität an den von Vermögen und Eigentum anzugleichen. Als Unrechtsvariable bleibt damit allein die Verknüpfung des Einsatzes qualifizierter Nötigungsmittel mit dem Angriff auf das weitere Rechtsgut. Ein vollständiger Gleichlauf von Geschehens- und Motivationsunwert 136 der Delikte und damit die Rechtfertigung der identischen Strafandrohung sind jedoch nur dann gegeben, wenn auch die Verbindung der einzelnen Akte im Geschehens- und Motivationsunwert übereinstimmt. Daher könnte dasjenige, was für die Struktur der räuberischen Erpressung und der sexuellen Nötigung feststeht, auf den Raubtatbestand zu übertragen sein – soweit dem keine Spezifika des Raubtatbestandes entgegenstehen.
133
Brauneck, S. 25; v. Hentig, S. 188; Keupp, S. 123 f.; Teufert, S. 121. Keupp, S. 124; Meidinger, S. 131 und 136; Teufert, S. 121. 135 Brauneck, S. 24; Meidinger, S. 128 und 129; Schorsch, S. 200. 136 Der Begriff des Motivationsunwerts als Synonym zum Begriff des Handlungsunwerts und der Begriff des Geschehensunwerts als Synonym zum Begriff des Erfolgsunwerts entstammen dem Lehrbuch von Frister, 8. Kap. Rn. 13; sie werden hier verwendet, da sie das Gemeinte wesentlich treffender beschreiben als die althergebrachten Begrifflichkeiten. 134
„[A]llein die Gesinnung des Räubers ist höchst verschieden von der eines Menschen, der den Anderen im Streite niederschlägt, und ihm dann etwas abnimmt. Daher darf das Gesetz, ohne wirklich ungerecht zu werden, beide nicht gleich strafen und die Vermuthung gleichsam als ein Netz aufspannen, um Räuber und andere Leute darin zu fangen.“ 1
2. Teil
Die Struktur des Raubtatbestandes Gemäß § 249 Abs. 1 StGB muss die Wegnahme mit qualifizierter Gewalt oder unter Anwendung qualifizierter Drohungen erfolgen. Die Gesetzesformulierung zeigt, dass der Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und die Wegnahme in einem spezifischen Zusammenhang zueinander stehen müssen. Erst aus diesem erklärt sich die erhebliche Unrechtsteigerung gegenüber der Nötigung und dem Diebstahl, welche die Strafrahmenerhöhung rechtfertigt. Aus dieser Verknüpfung lassen sich Anforderungen in objektiver wie subjektiver Hinsicht ableiten.
3. Kapitel
Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund Subjektives Bindeglied zwischen dem Einsatz qualifizierter Gewalt oder Drohung und der Wegnahme ist nach allgemeiner Auffassung ein Finalkonnex. 2 Der Täter müsse sich der Gewalt gegen eine Person oder der Androhung ge1
Motive zu dem, von dem Revisor vorgelegten Entwurfe des Criminal-Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1828, S. 139. 2 So ganz allgemein Fezer, JZ 1974, 599 (600): „Die Tatbestände, die Willensbeeinflussungen enthalten, gewinnen dadurch ihr Profil, daß das Beeinflussungsziel des Täters eine besonders geprägte Rechtsgutsverletzung darstellt.“; spezifisch zum Raubtatbestand: statt vieler BGHSt 32, 88 (92); 48, 365 (366, 368); BGH NStZ 2009, 325; Küper, JZ 1981, 568 (571): „finale Grundstruktur“; a. A. wohl: Jakobs, Eser-FS, 323 (330); Hruschka, JZ 1973, 12 (13), die lediglich von Vorsatz sprechen; unklar SK-Samson, Stand 1986, § 249 Rn. 24 ff., der ebenfalls vom Vorsatz spricht, aber das allgemeine Verständnis vom Strafgrund teilt, was das Vorliegen der Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Nötigungshandlung voraussetzt.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
genwärtiger Leibes- oder Lebensgefahr gerade zum Zwecke der Ermöglichung oder Erleichterung der Wegnahme bedienen. 3 Sonst zerfalle das Delikt in seine Bestandteile. 4 Gegenstimmen sind selten. Nach Jakobs ist der Raub – gegensätzlich zum Freiheitsdelikt des crimen vis 4a in diebischer Absicht – allein gegen das Eigentum gerichtet. Ein Finalzusammenhang sei daher nicht erforderlich. 5 Der Täter müsse die Zwangswirkung nicht einmal vorsätzlich herbeigeführt haben. Die raubspezifische Verknüpfung der beiden Elemente ergebe sich aus der Zuständigkeit des Täters für die Schwächung der Abwehrfähigkeit. 6 Denn der Täter unterliege zwei Pflichten: Der Garantenpflicht aus der Vornahme der Nötigungshandlung und dem Verbot der Wegnahme. Raub ist seiner Auffassung nach damit „Wegnahme bei gegebener Garantenzuständigkeit für ein die Wegnahme ermöglichendes Defizit an höchstpersönlichem Abwehrpotential“. 7 Auch Hillenkamp bezweifelt das Finalitätserfordernis und die allgemeine These zum Strafgrund des Raubes: Die lediglich anlässlich der Wegnahme angewandte Gewalt sei nicht weniger strafwürdig und das Erfordernis einer Verknüpfung von Nötigungsmittel und Zueignungsabsicht als Qualifikationsgrund damit fraglich. 8
A. Der zugrunde gelegte Absichtsund Finalitätsbegriff Eine umfassende Analyse des Absichtsbegriffs ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Der Begriff der Absicht soll hier dolus directus ersten Grades bezeichnen. Der Täter muss die bezeichneten Folgen seines Handelns bezwecken; es muss ihm auf diese als End- oder Zwischenziel gerade ankommen; sie müssen ihn zu seinem Handeln motiviert haben. 9 Ohne Bedeutung ist dabei, ob der Täter diese Folge als sicher oder nur als möglich voraussieht, solange er deren Eintritt für so wahrscheinlich hält, dass er durch sie motiviert werden kann. 10 Finalität 3
Statt vieler MK-Sander, § 249 Rn. 33; von Heintschell-Heinegg / Wittig, § 249 Rn. 1. Geilen, JURA 1979, 165. 4a s. Fn. 34. 5 Jakobs, Eser-FS, 323 (332). 6 Jakobs, Eser-FS, 323 (330). 7 Jakobs, Eser-FS, 323 (328). 8 Hillenkamp, JuS 1990, 454 (456 Fn. 18). 9 Vgl. Dencker, Grünwald-FS, 75 (79, 91 f.) und Rudolphi-FS, 425 (433); Jakobs, AT, 8. Abschn. Rn. 15; Küper, JZ 1981, 568 (570). 10 BGHSt 21, 281, 284 f.; Jakobs, AT, 8. Abschn. Rn. 17; Kühl, § 6 Rn. 36 f.; Roxin, ATI, § 12 Rn. 8. 4
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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bezeichnet die Instrumentalisierung eines bestimmen Mittels zur Erreichung des beabsichtigten Ziels.
B. Herleitung Laut Brandts ergibt sich das Erfordernis eines Finalzusammenhangs bereits denknotwendig aus dem der Zueignungsabsicht. Die Wegnahme sei als notwendiges Zwischenziel zur Zueignung der fremden Sache von dem zielgerichteten Willen des Täters umfasst. 11 Die Zueignung der Sache setzt tatsächlich notwendigerweise den Gewahrsamswechsel an dieser voraus. 12 Es stellt sich dann jedoch die Frage, wann der Täter bei dem zweiaktigen Delikt des Raubes die Zueignungsabsicht gefasst haben muss. Dass sie spätestens zum Zeitpunkt der Wegnahme bestehen muss, ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, der die Wegnahme in Eigen- oder Drittzueignungsabsicht verlangt. Nach allgemeiner Auffassung muss sie jedoch bereits zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung vorliegen. 13 Ein eindeutiger Bezug der Zueignungsabsicht auf den Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels ist der tatbestandlichen Formulierung gleichwohl nicht zu entnehmen. I. Wortlaut Anders, als etwa Schünemann 14 meint, ist der Gesetzeswortlaut, äußerste Grenze der Auslegung, an dieser Stelle nicht eindeutig.
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Brandts, S. 21. Nicht jedoch den Gewahrsams“bruch“, also das Fehlen eines entsprechenden oder gar das Bestehen eines entgegenstehenden Opferwillens; denn dieser ist nicht notwendige Bedingung einer Zueignung; so auch Dencker, Rudolphi-FS, 425 (441). 13 Brandts, S. 21; Lackner / Kühl, § 249 Rn. 5; Küper, JZ 1981, 568 (570); Schünemann, JA 1980, 349 (352); SK-Sinn, § 249 Rn. 42; LK-Vogel, § 249 Rn. 51; a. A. wohl Satzer / Schmitt / Widmaier-Kudlich, § 249 Rn. 16, der als maßgeblichen Zeitpunkt der Zueignungsabsicht denjenigen der letzten Wegnahmehandlung benennt, sich dazu jedoch auf ein Urteil des BGH (BGH NStZ 2004, 386 (387)) beruft, das sich nicht mit dem Zeitpunkt, zu dem die Zueignungsabsicht vorliegen muss, sondern dem ihrer Konkretisierung auf den letztendlich weggenommenen Gegenstand befasst. 14 Schünemann, JA 1980, 349 (352): „Weniger zu fordern hieße, den Gesetzeswortlaut zu mißachten und damit Art. 103 Abs. 2 GG zu verletzen, denn § 249 verlangt ausdrücklich eine „vorsätzliche Wegnahme mit Gewalt und unter Anwendung von Drohungen“, (das bedeutet unmißverständlich: den instrumentellen Einsatz der Nötigung)[...].“ 12
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
1. „Gewalt“ Nach überwiegender Auffassung setzt der Begriff der Gewalt bei den Nötigungsdelikten in subjektiver Hinsicht die Absicht, geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden, voraus 15 und enthält damit bereits das Merkmal der Finalität. Das Erfordernis einer solchen Absicht ist dem Begriff der Gewalt jedoch nicht zu entnehmen. 16 Derjenige, der physischen Zwang nur um seiner selbst willen oder zum Zwecke der Körperverletzung anwendet, übt nach allgemeinem Verständnis Gewalt aus, unabhängig davon, ob und welche Ziele er damit verfolgt. 17 Der Begriff der Gewalttätigkeit setzt nach allgemeiner Auffassung keine solche Zwecksetzung voraus; Gewalttätigkeit kann Selbstzweck sein. 18 Anhänger des Finalitätselements argumentieren nun, aus den Tatbeständen, die Gewalttätigkeiten voraussetzen, etwa den §§ 124, 125 StGB, folge, dass Gewalttätigkeiten im Gegensatz zur Gewalt keine Widerstandsüberwindungsabsicht verlangten. Die Vorschriften schützten nicht die Willensfreiheit, sondern die öffentliche Sicherheit und Individualrechtsgüter, die unabhängig von der Intention des Täters betroffen seien. 19 Bei Delikten mit Nötigungselementen sei das Absichtselement hingegen unverzichtbar, um Fälle der Gewaltanwendung ohne Nötigungsabsicht auszuscheiden. 20 Der sprachliche Unterschied zwischen Gewalt und Gewalttätigkeit ist gering. 21 Dementsprechend zieht auch das Gesetz keine klare Grenze, nennen doch die §§ 131, 184a StGB in ihrer amtlichen Überschrift den Begriff der Gewalt, im Tatbestand hingegen das Merkmal der Gewalttätigkeit; § 113 StGB verwendet im Grundtatbestand, Abs. 1, den Begriff der Gewalt, in der Qualifikation gem. Abs. 2 den der Gewalttätigkeit. Auch das RG verwendete die Begriffe synonym. 22 15 U.a. RGSt 56, 87 (88); 64, 113 (115); 73, 343 (344); Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 9 Rn. 56; Blei, NJW 1954, 583 (586); Brohm, JZ 1985, 501 (504); Knodel, S. 83 ff.; Krey / Neidhart, Was ist Gewalt? Band 1, Rn. 136, 148; Küper, Definitionen, S. 171; ähnlich Busse, S. 108 f., der den Begriff der Absicht als zu unscharf ablehnt und den – wenig schärferen – Begriff der zweckgerichteten Tendenz zur Widerstandsüberwindung vorzieht; ihm folgend Hoffmeister, S. 127 ff. und Huhn, S. 123 f. 16 So auch LK-Hörnle, § 177 Rn. 35. 17 Ott, NJW 1969, 2023; LK-Vogel, § 249 Rn. 9; so wohl auch Keller, S. 217. 18 Krey, Was ist Gewalt? Band 2, Rn. 186; Schönke / Schröder-Lenckner / SternbergLieben, § 125 Rn. 5. 19 Krey, Was ist Gewalt? Band 2, Rn. 186. 20 Huhn, S. 123; Knodel, S. 84; Krey / Neidhart, Was ist Gewalt? Band 1, Rn. 148 f., der das Absichtselement befürwortet und dann feststellt, körperlich vermittelter Zwang ohne ein solches sei keine „nötigende Gewalt“. 21 Vgl. die kurze Darstellung bei Keller, S. 300. 22 RGSt 45, 153 (156); 52, 34 f.
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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Gleiches gilt für den Begriff „gewaltsam“. Bei der Straftat der Gefangenenmeuterei, § 121 StGB, richtet sich das gewaltsame Ausbrechen, § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB, gegen sachliche Schutzvorrichtungen, während bei gegen Personen gerichteten Handlungen auch 23 oder allein 24 ein Nötigen oder tätliche Angriffe gem. Nr. 1 gegeben sind. Sachen sind jedoch nicht taugliche Objekte einer Widerstandsüberwindungsabsicht. Die Unvereinbarkeit von Schutzgut und Absichtselement wird somit durch eine differenzierende Auslegung umgangen, die im Gesetz nicht angelegt ist. Die nun bestehende Konstruktion ist eine sehr umständliche: Bei den Tatbeständen, die aus Gründen der Strafwürdigkeit Finalität verlangen, wird diese aus dem Absichtserfordernis des Gewaltbegriffs abgeleitet; für den Begriff der Gewalttätigkeit wird unter teleologischen Gesichtspunkten „zurückkorrigiert“ und auf das Absichtserfordernis verzichtet. Es besteht jedoch kein Bedürfnis, das objektive Gewaltmerkmal über subjektive Merkmale zu beschränken, 25 enthalten doch die übrigen Tatbestände, in denen die Gewaltanwendung unter Strafe gestellt ist, ohnehin das Erfordernis eines finalen Einsatzes – sei es durch das Merkmal des Nötigens, sei es als Ergebnis der Auslegung; auch bei § 249 Abs. 1 StGB könnte dies so sein. Bei den Gewalttätigkeitstatbeständen, die durch ein Finalitätselement übermäßig eingeschränkt würden, finden sich derartige Anhaltspunkte hingegen nicht. Daher ist unmittelbar auf die Auslegung des Gesamttatbestandes zurückzugreifen, anstatt das Absichtserfordernis ohne Grund im Tatbestandsmerkmal der Gewalt zu verorten. Schließlich würde durch eine finale Komponente des Gewaltbegriffs eine Festlegung hinsichtlich dessen, wogegen sich der Widerstand richten muss, noch nicht getroffen. Diejenigen Fälle, die nach allgemeiner Auffassung über das Finalitätserfordernis aus dem Raubtatbestand ausgeschlossen werden sollen – der Täter beabsichtigt mit dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel zunächst Anderes und fasst erst danach den Wegnahmeentschluss 26 –, wären dennoch erfasst, da der Täter die Absicht hatte, erwarteten Widerstand zu verhindern, nämlich gegen das zuerst Bezweckte. 2. „mit“ Auch die Formulierung „mit Gewalt“ bringt das Erfordernis eines Finalzusammenhangs nicht eindeutig zum Ausdruck. 27 Vielmehr lässt sich die Formulierung 23
Fischer, § 121 Rn. 8; zum alten § 122 StGB BGHSt 16, 34 (35). MK-Bosch, § 121 Rn. 18; Schönke / Schröder-Eser, § 121 Rn. 11; SK-Horn / Wolters, § 121 Rn. 11; Lackner / Kühl, § 121 Rn. 6. 25 Haffke, ZStW 84 (1972), 37 (48); ausdrückliche Bedenken gegen einen solchen Schluss bei Sinn, S. 302. 26 Etwa BGH NStZ 1982, 380; NStZ-RR 1997, 298. 24
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
als Bezeichnung einer rein objektiven Kausalverknüpfung verstehen. Dies zeigt sich auch an der Diskussion um den subjektiven Tatbestand der Nötigung. Sofern dort eine Absicht hinsichtlich des Nötigungsziels verlangt wird, wird dies über die Auslegung des Gewaltbegriffs, die einzuschränkende Tatbestandsweite, aber auch mit dem Wortlaut der Norm begründet, 28 nicht jedoch über die Formulierung „mit Gewalt“. Auch ein Mord „mit“ gemeingefährlichen Mitteln nach § 211 Gr. 2. Var. 3. StGB setzt in subjektiver Hinsicht keine Finalität voraus. 29 Dieses Wortlautargument ist schwach; es wird daher nicht mehr herangezogen, sobald – wie bei der Nötigung – andere Begründungswege offenstehen. 3. „unter Anwendung“ Die Formulierung „unter Anwendung von Drohungen“ spricht deutlicher für das Erfordernis einer Instrumentalisierung des Nötigungsmittels. 30 Als Synonyme für den Begriff des Anwendens werden Finalität beschreibende Verben – etwa sich dienstbar, zunutze machen, sich bedienen – 31, aber auch rein modale Verben – so z. B. arbeiten mit, benutzen, gebrauchen, in Verwendung haben – 32 genannt. Auch die Präposition „unter“ kann eine rein modale oder konditionale Bedeutung haben. Ließe sich aus der Formulierung der Drohungsvariante das Erfordernis von Finalität ableiten, könnte dies jedenfalls auf die Gewaltvariante zu übertragen sein. Fasst der Gesetzgeber mehrere Begehungsvarianten eines Delikts in ein und demselben Tatbestand zusammen, so ist davon auszugehen, dass er sie auch parallel ausgestalten will. Für die unterschiedlichen Nötigungsvarianten des Raubtatbestandes bedeutete das, dass der Gesetzgeber die Beziehung dieser Nötigungsmittel zur Wegnahme nicht unterschiedlich regeln wollte; anderenfalls hätte er die gewünschten Unterschiede deutlicher zum Ausdruck bringen können und müssen. Daher ist es möglich, von der Gewalt- auf die Drohungsalternative zu schließen und umgekehrt. Die Strukturen der verschiedenen Begehungsweisen beeinflussen sich damit gegenseitig. Gegen die Übertragung des etwaigen 27 So aber bereits Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 230 Nr. 7: „Aus der so eben gedachten Fassung „mit Gewalt oder unter Anwendung u.s.w. wegnimmt“ ergibt sich deutlich, daß die Anwendung von Gewalt und Drohung zugleich lediglich den Zweck des Diebstahls haben müsse.“; Schönke / SchröderEser, § 249 Rn. 6; Ingelfinger, Küper-FS, 197 (199); Schünemann, JA 1980, 349 (362); Vogt, S. 18. 28 s. u. IV. 1. 29 SK-Horn, § 211 Rn. 61; MK-Schneider, § 211 Rn. 109. 30 So schon Goltdammer, die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 230 Nr. 7; Ingelfinger, Küper-FS, 197 (199); MK-Sander, § 249 Rn. 24. 31 Duden – Das Synonymwörterbuch, 2007, Stichwort anwenden. 32 Duden – Das Synonymwörterbuch, 2007, Stichwort anwenden.
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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Finalitätserfordernisses könnte jedoch eingewandt werden, dass die Drohung in ihrem objektiven Unwertgehalt der Gewalt nachstünde, was durch erhöhte subjektive Anforderungen auszugleichen sei. Indes beeinträchtigt die Drohung das Opfer nicht per se weniger, und ihr Unrechtsgehalt ist daher nicht als ein minderer zu bewerten. So wird eine Drohung mit erheblicher Gewalt das Opfer stärker beschränken können als eine leichtere Gewaltanwendung. Die Gleichunwertigkeit der Nötigungsvarianten wird durch den Filter der gegenwärtigen Lebensoder Leibesgefahr als Drohungsinhalt gewährleistet. Auf subjektiver Ebene ist daher diesmal von der eindeutigeren und engeren Formulierung der Drohungsalternative auf die Gewaltalternative zu schließen: Wenn die Formulierung „unter Anwendung von Drohungen“ auf ein Finalitätserfordernis schließen ließe, so müsste dieses auch für die Begehung mittels Gewalt gegen eine Person gelten. Damit legt die Formulierung „unter Anwendung von Drohungen“ das Finalitätserfordernis zumindest nahe; zwingend ist ein finales Verständnis des Wortlauts jedoch nicht. II. „Simultaneitätsprinzip“ Auch das sog. Simultaneitätsprinzip trifft diesbezüglich keine Aussage. Dieses erfordert u. a. die Gleichzeitigkeit von objektivem Tatbestand und Kenntnis der Tatumstände, § 16 Abs. 1 StGB. Davon sind besondere Formen des Vorsatzes bezüglich der objektiven Tatbestandselemente und damit auch dolus directus ersten Grades erfasst. Das sog. Simultaneitätsprinzip gilt jedoch nicht für besondere Absichten als über den Tatbestandsvorsatz hinausgehende sonstige Merkmale des subjektiven Tatbestands, die in dem objektiven Tatbestand kein Bezugsobjekt finden, sondern sich als sog. überschießende Innentendenzen auf weitergehende Umstände beziehen. Der Täter muss nach allgemeiner Auffassung bei der Gewaltanwendung oder Drohung zumindest Vorsatz hinsichtlich der späteren Wegnahme haben. 33 Ob auch die Zueignungsabsicht als überschießende Innentendenz bei der Vornahme der Nötigungshandlung vorliegen muss, lässt sich aus dem sog. Simultaneitätsprinzip nicht ableiten; ebenfalls nicht, ob der im Zeitpunkt der Gewaltanwendung 33 Frister, 11. Kap Rn. 7; Hruschka, JZ 1973, 12 (13); Mitsch, § 3 Rn. 46; Roxin, ATI, § 12 Rn. 91; Schönke / Schröder-Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 25; von Jakobs, AT, 8. Abschn. Rn. 2 als Planungszusammenhang bezeichnet, worunter Lund, S. 132 f., wiederum eine Finalbeziehung versteht; enger auch NK-Puppe, § 15 Rn. 100, die Absicht hinsichtlich des zweiten Aktes verlangt; Jakobs, Eser-FS, 323 (332) leitet dies aus den Raubqualifizierungen ab; eine begriffliche Präzisierung findet sich bei Dencker, Kausalität, S. 152 ff.: Nötigungs- und Wegnahmevorsatz können nur bei Vornahme der jeweiligen Handlung vorliegen; erforderlich ist daher ein Handlungsprojekt, in welchem Nötigung und Wegnahme nach dem Plan des Täters verbunden sind.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
wegen des sog. Simultaneitätsprinzips zu verlangende Wegnahmevorsatz dolus directus ersten Grades sein muss. III. Historie Allerdings könnte die Gesetzgebungsgeschichte Aufschluss darüber geben, ob der Täter bereits im Zeitpunkt der Nötigungshandlung Wegnahme- und Zueignungsabsicht gefasst haben muss. 1. Entwicklung des Raubtatbestandes seit dem 19. Jahrhundert Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den verschiedenen deutschen Territorialstaaten geltenden Raubtatbestände lassen sich in zwei Konzepte unterteilen, denen ein unterschiedliches Verständnis vom Schwerpunkt des Raubunrechts zugrunde lag. Wurde der maßgebliche Unwert in dem Tatmittel, der Nötigungshandlung, und damit in der Verletzung der persönlichen Freiheit gesehen, war der Tatbestand systematisch bei den Delikten gegen die persönliche Freiheit eingeordnet und als Gewaltanwendung oder Bedrohung in diebischer Absicht ausgestaltet. 34 Erforderlich war damit die Wegnahme- und Zueignungsabsicht zum Zeitpunkt der Anwendung der Nötigungsmittel. Die Wegnahme selbst war nicht Teil des objektiven Tatbestandes, sondern allein Gegenstand einer weitergehenden Absicht und damit der Finalität; die Vollendung der Wegnahme bildete lediglich einen Schärfungsgrund. Die gegenteilige Konzeption sah das Raubunrecht in der Zwecksetzung der Raubbegehung, der Verletzung des Eigentums, und stellte den Raub systematisch in die Nähe des Diebstahls, wies ihm jedoch im Gesetzestext einen eigenen Abschnitt zu. 35 Dies entsprach Art. 382 des französischen Code 34 Als sog. crimen vis in diebischer Absicht. Diesem Konzept entsprachen die Strafgesetzbücher von Braunschweig 1849, Hannover 1840, Hessen 1841, Nassau 1849 und der Thüringischen Staaten 1849; so lautete Art. 152 des StGB für die Thüringischen Staaten: „Wer gegen Personen körperliche Gewalt ausübt, oder dieselben mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedroht, um sich fremdes bewegliches Gut zuzueignen, und dadurch sich oder einem Andern einen unrechtmäßigen Gewinn zu verschaffen, oder um sich, wenn er bei Begehung eines Diebstahls betroffen wurde, in dem Besitze des gestohlenen Gutes zu behaupten, soll als Räuber bestraft werden.“ 35 Diese Ausgestaltung fand sich wieder in den StGB von Baden 1845, Bayern 1861, Bremen 1868, Hamburg 1869, Lübeck 1863, Oldenburg 1858, Preußen 1851, Sachsen 1868, Württemberg 1839; § 230 des Preußischen StGB lautete: „Einen Raub begeht, wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, eine fremde bewegliche Sache einem Andern in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt, oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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Pénal aus dem Jahre 1810 (heute Art. 311-4-4), der den Raub als einen Spezialfall des Diebstahls einordnete, qualifiziert durch die Gewaltanwendung. Der Tatbestand war in diesen Territorialstaaten – dem heutigen § 249 Abs. 1 StGB vergleichbar und ebenso uneindeutig hinsichtlich der subjektiven Tatseite – als Gewaltanwendung mit Wegnahme in Zueignungsabsicht ausgestaltet. Das Delikt war erst mit der Vollendung des Angriffs auf das primär geschützte Rechtsgut Eigentum, der Wegnahme, vollendet. Danach führte die Anwendung des Nötigungsmittels zu einer Hochstufung des Strafrahmens. Das Erfordernis des Vorliegens der Wegnahme- und Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Nötigungshandlung sollte durch diese Ausgestaltung jedoch nicht in Frage gestellt werden. Dies zeigt die Entwicklung des Raubtatbestandes im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (A.L.R.), vor allem seine Revision. Im A.L.R. war Ausgangspunkt der Entwicklung die zweitgenannte, der heutigen entsprechende Konzeption, welche die Nötigungshandlung und die Wegnahme im objektiven Tatbestand vereinte. Erfasst war die Wegnahme in Vorteils-, Genuss- oder Gewinnabsicht durch Gewalt oder Drohung. 36 Zugleich war eine Versuchsstrafbarkeit vorgesehen. 37 Offen blieb auch hier, ob die entsprechende Absicht bereits bei der Gewaltanwendung oder Drohung gefasst sein musste. Durch § 22 der Verordnung wegen Bestrafung der Diebstähle und ähnlicher Verbrechen aus dem Jahr 1799 erfolgte eine Umgestaltung zum erstgenannten Modell. Danach war Raub die Misshandlung einer anderen Person in Diebstahlsabsicht, um das Opfer an einem Widerstand gegen die Wegnahme oder einer Bemächtigung des Täters zu hindern. 38 Diese Fassung des Tatbestandes verlangte eine Vornahme der Gewalthandlung in der Absicht zur Begehung eines Diebstahls, also Wegnahme- und Zueignungsabsicht; die Vollendung des Diebfür Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist einem Räuber gleich zu achten.“ 36 A.L.R. Th. II Tit. 20 § 1187: „Wer durch Gewalt an Menschen, bewegliche Sachen, wozu er kein Recht hat, seines Gewinnes, Vortheils oder Genusses wegen, in Besitz nimmt, macht sich eines Raubes schuldig“ § 1188: „Auch schon derjenige, welcher einen Diebstahl ohne wirkliche Gewalt, jedoch unter Androhung gefährlicher Behandlung ausübt, hat als Räuber [...] Strafe verwirkt.“ 37 § 1205 (unter der Überschrift „Versuchter Raub“): „Jeder gewaltsame Angriff eines Menschen, der auf öffentlicher Straße verübt wird, soll, wenn das Gegentheil nicht klar erhellet, als ein Raub angesehen und bestraft werden.“ 38 § 22 der Verordnung wegen Bestrafung der Diebstähle und ähnlicher Verbrechen, Berlin, den 26sten Februar 1799 „Als Räuber wird derjenige bestraft, der, um Diebstahl zu begehen, einen oder mehrere Menschen durch Schläge, oder durch Binden, Knebeln, Verstopfen des Mundes, oder sonstige Mißhandlungen abhält, die beabsichtigte Entwendung zu verhindern, oder sich des Thäters zu bemächtigen.“
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
stahls war nach dem Wortlaut nicht mehr erforderlich. Die Gründe für diese Änderung sind nicht ersichtlich. Teilweise wurde vertreten, dass sie keine inhaltliche Neuerung mit sich bringen sollte. 39 Dies ist fernliegend, wurden doch der Vollendungszeitpunkt und damit die Gestalt des Delikts vollkommen verändert. Aufschlussreicher ist aufgrund der Fülle von Materialien die Entwicklung des Raubtatbestandes im Zuge des Übergangs von dem A.L.R. zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten aus dem Jahre 1851. Gingen die Entwürfe der Gesetzesrevision aus den Jahren 1828 40 und 1830 41 noch von dem mit bzw. durch Gewalt oder Drohung begangenen Diebstahl aus, wurde in den Entwürfen von 1833, 42 1836 43 und 1843 44 und den Protokollen aus dem Jahre 1842 45 eine 39
Temme, S. 953 F., Fn. 7. § 55 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1828. „Des Raubes ist schuldig, wer einen Diebstahl mit Verletzung der Freiheit, Gesundheit oder des Lebens eines Anderen verübt, so wie derjenige, der fremde bewegliche Sachen mittelbar, durch Bedrohung mit gegenwärtiger Gefahr, oder durch Misshandlung eines Menschen, widerrechtlich, seines Vortheiles wegen, in Besitz nimmt.“ 41 § 367 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1830. „Wer durch Gewalt an der Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr einen Diebstahl begeht, wird als Räuber mit Zwangsarbeit bis zu zwanzig Jahren belegt.“ 42 § 444 des Revidierten Entwurfs des Strafgesetzbuches für die königl. Preußischen Staaten, 1833: „Wer, um einen Diebstahl zu vollbringen, an dem Inhaber der Sache [...] Gewalt verübt oder unter gegenwärtiger Gefahr androhet, ist des Raubes schuldig, er habe seine Absicht erreicht oder nicht.“ Motive dazu, S. 304: „so werden im Raube persönliche Rechte verletzt, die Freiheit des Besitzers gebunden und dem Willen des Räubers unterworfen. Raub ist nicht, wie der Diebstahl, ein bloßes Verbrechen wider das Eigenthum, sondern auch ein Verbrechen wider die persönliche Freiheit; er ist das crimen vis in diebischer Absicht.“ 43 § 568 des Revidierten Entwurfs des Strafgesetzbuchs für die Königlich-PreußischenStaaten, 1836 „Wer, um einen Diebstahl zu vollbringen, an dem Inhaber der Sache [...] Gewalt verübt oder unter gegenwärtiger Gefahr androhen, ist des Raubes schuldig, er habe seine Absicht erreicht oder nicht.“ 44 § 436 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten nach den Beschlüssen des königlichen Staatsraths, 1843 „Einen Raub begeht derjenige, welcher gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um entweder einen Diebstahl auszuführen [...]. Das Verbrechen ist vollendet, sobald in der erwähnten Absicht Gewalt oder Drohung angewandt wird.“ 45 Beratungsprotokolle der zur Revision des Strafrecht ernannten Kommission des Staatsraths über den zweiten Teil des Entwurfs des Strafgesetzbuches Nr. 50, 1842, S. 369 „Wer, um sich oder Andern fremdes bewegliches Gut rechtswidrig zuzueignen, [...] Gewalt an Personen verübt oder solche mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedrohet, macht sich des Raubes schuldig.“ 40
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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Verkürzung des Tatbestandes auf die Gewaltanwendung oder Drohung in diebischer Absicht in Erwägung gezogen, 1845 46 wieder verworfen und 1846 47 und 1847 48 erneut vorgeschlagen. Der Entwurf und die gleichlautende Endfassung 49 von 1851 kehrten wieder zum Ausgangspunkt des A.L.R. zurück und fassten den Tatbestand als mit Gewaltanwendung erfolgte Wegnahme in Zueignungsabsicht. Gegenstand der Diskussion war lediglich der Vollendungszeitpunkt des Raubtatbestandes, nämlich ob dieser bereits mit dem Abschluss der Nötigungshandlung oder erst dem der beabsichtigen Wegnahme eintrat. 50 Für die Entscheidung zugunsten der die Wegnahme beinhaltenden Formulierung war allein das Verständnis vom Schwerpunkt des Raubunrechts ausschlaggebend, das maßgeblich – auch – in der Eigentumsverletzung gesehen wurde. Um dem Rechnung 46
§ 265 des Revidierten Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1845 „Einen Raub begeht der, welcher mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben aus dem Gewahrsam eines Anderen eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen.“ 47 § 276 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1846 „Einen Raub begeht, wer gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, entweder um einen Diebstahl auszuführen, oder um sich, bei dem Diebstahl betroffen oder auf frischer Tat verfolgt, im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten. Mit der in einer solchen Absicht verübten Gewalt oder Drohung ist der Raub vollendet.“ 48 § 280 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1847 „Einen Raub begeht, wer gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben anwendet, entweder um einen Diebstahl auszuführen, oder um sich, bei einem Diebstahle betroffen und auf frischer Tat verfolgt, im Besitz des gestohlenen Guts zu erhalten. Mit der in einer solchen Absicht verübten Gewalt oder Drohung ist der Raub vollendet.“ 49 § 212 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1851 / § 230 des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1851 „Einen Raub begeht, wer mit Gewalt gegen eine Person, oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, eine fremde bewegliche Sache einem Anderen in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. [...]“. 50 Motive zu den, von dem Revisor vorgelegten, Ersten Entwurfe des Criminal-Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1828, S. 137 f.; Materielle Abweichungen des revidierten Entwurfs des Criminal-Strafgesetzbuches vom Allgemeinen Landrecht und den übrigen gegenwärtigen Criminalstrafgesetzen, 1833, § 219; Motive zum revidierten Entwurf des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1833, S. 304 f.; Berathungsprotokolle der zur Revision des Strafrechtes ernannten Kommission des Staatsrathes über den Zweiten Teil de Entwurfs des Strafgesetzbuchs, 1842, S. 367 f.; Revision des Entwurfs des Strafgesetzbuches von 1843, 1845, S. 25 ff.; Verhandlungen der Kommission des Staatsrathes über den revidierten Entwurf des Strafgesetzbuches, 1846, S. 153; Gutachten der zur Vorberathung ernannten Abtheilung des Vereinigten ständischen Ausschusses, betreffend den Entwurf eines Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1848, S. 105.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
zu tragen, sollte die Wegnahme als objektives Merkmal und nicht lediglich als Bezugspunkt einer überschießenden Innentendenz in den Tatbestand aufgenommen werden. 51 Die Erweiterung des Wortlautes auf die der heutigen Fassung vergleichbare Ausgestaltung gegenüber der zwischenzeitlich befürworteten geschah demnach nur, um den Vollendungszeitpunkt des Delikts hinauszuzögern, ohne dass das Erfordernis der diebischen Absicht im Zeitpunkt der Nötigungshandlung bezweifelt wurde. 52 Bei der neuen Gesetzesfassung durch das Strafgesetzbuch für das Königreich Preußen aus dem Jahre 1851 wurde demnach die in diebischer Absicht vorgenommene Gewaltanwendung weiterhin als Grundvoraussetzung angesehen, 53 auch wenn der Gesetzeswortlaut zu einer solchen Auslegung nicht mehr zwang. Dieses Verständnis setzte sich bei der Auslegung des gleichlautenden Tatbestands in dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund aus dem Jahr 1870 und im Reichsstrafgesetzbuch aus dem Jahre 1871 fort: die Instrumentalisierung der Gewaltanwendung oder Drohung zur Diebstahlsausführung wurde auch hier vorausgesetzt und als Besonderheit des Raubes gegenüber dem Diebstahl gesehen. 54 Wenn damals erklärt wurde, dass Raub nicht die durch Zueignungsabsicht ausgezeichnete Gewaltanwendung sei – ebenso wenig wie ein durch Gewaltanwendung qualifizierter Diebstahl –, 55 so wurde damit dieses hergebrachte Verständnis nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr sollte durch die Gegenüberstellung in Bezug auf die vorher bestehenden Differenzen verdeutlicht werden, dass der Raub als ein Delikt sui generis einzuordnen ist, welches sowohl die Anwendung von Nötigungsmitteln als auch die Wegnahme im Tatbestand vereint. Eine eindeutige Aussage über Strafgrund und Erfordernis des zeitlichen Vorliegens der Zueignungsabsicht wurde damit nicht getroffen. Das Verständnis des Raubes war demnach weiterhin durch die unter Zueignungs- oder zumindest Wegnahmeabsicht vorgenommene Gewaltanwendung geprägt. 51 Motive zu dem, von dem Revisor vorgelegten, Ersten Entwurfe des Criminal-Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1828, S. 137 f.; Materielle Abweichungen des revidierten Entwurfs des Criminal-Strafgesetzbuches vom Allgemeinen Landrecht und den übrigen gegenwärtigen Criminalstrafgesetzen, 1833, § 219; Revision des Entwurfs des Strafgesetzbuches von 1843, 1845, S. 25 ff. 52 Revision des Entwurfs des Strafgesetzbuches von 1843, Dritter Band, S. 26 f., 1845; Goltdammer,. Die Materialien zum Strafgesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 230 Nr. 6. 53 Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 230 Nr. 7. 54 Zu § 249 des StGB des Norddt. Bundes: Oppenhoff, Strafgesetzbuch, § 249 Nr. 1.; zu § 249 RStGB: „Vergewaltigung zum Zwecke der beabsichtigten Wegnahme“, Olshausen, § 249 Nr. 7; „zum Zweck der Bewerkstelligung der Entwendung“; v. Wächter, Deutsches Strafrecht Vorlesungen, S. 431; „zum Behufe der Wegnahme“, v. HoltzendorffGeyer, S. 719. 55 So die Motive zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, S. 76.
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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2. Entwicklung des Tatbestands des räuberischen Diebstahls Eine weitere Stütze findet ein solches Verständnis des besonderen Raubunrechts in der Entwicklung des Delikts des räuberischen Diebstahls. Während der Raubtatbestand ein althergebrachtes Delikt ist, wurde der heute sogenannte räuberische Diebstahl erst in der Partikulargesetzgebung des 19. Jahrhunderts strafrechtlich erfasst. 56 Dies geschah in starker Anlehnung an den Tatbestand des Raubes; teilweise wurde er als eine Modalität des Raubes verstanden 57 oder gar mit ihm in demselben Tatbestand zusammengefasst. 58 Diese Zusammenfassung fand jedenfalls immer dann statt, wenn der Raub als Nötigungshandlung in diebischer Absicht ausgestaltet war, und die Tatbestände daher eine parallele Struktur aufwiesen: Raub als Nötigungshandlung in Wegnahmeabsicht und räuberischer Diebstahl als Nötigungshandlung in Gewahrsamserhaltungsabsicht. Da der Eigentumsverletzung kein oder nur geringeres Gewicht beigemessen wurde, sah man es als bedeutungslos an, ob sie vor oder nach der Vornahme der Nötigungshandlung eintrat. 59 Auch in den Reformbemühungen zu dem Tatbestand im RStGB in den Jahren zwischen 1909 und 1925 wurde eine Regelung der Konstellation des heutigen räuberischen Diebstahls im zweiten Absatz des Raubparagraphen diskutiert. 60 Das damalige Verständnis des räuberischen Diebstahls lässt daher Rückschlüsse auf das des Raubes zu, welches bei der damaligen Formulierung des heute nahezu gleichlautenden Raubtatbestandes zugrunde lag. 56
Vgl. etwa die Differenzierung bei Feuerbach, § 397. „Auch derjenige begeht einen Raub, welcher [...].“, § 445 des revidierten Entwurfs des Strafgesetzbuches für die königlich preußischen Staaten, 1833; § 569 des Revidierten Entwurfs des Strafgesetzbuches für die königlich-preußischen Staaten, 1836; ebenso auch das StGB von Baden 1945; für ein solches Verständnis nun wieder Kratzsch, JR 1988, 397 (399 ff.), der in § 252 ebenso wie in § 249 Abs. 1 StGB einen Spezialtatbestand zu einem Gesamttatbestand des Raubes sehen will. 58 § 436 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten von 1843 und § 276 des Entwurfs des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, 1846, welche die beiden Modalitäten in einem Satz zusammenfassen; § 212 des Preußischen StGB 1851, der den Delikten immerhin zwei unterschiedliche Absätze zukommen lässt; ebenso das StGB der Thüringischen Staaten 1849, vgl. Fn. 34. 59 Motive zum revidierten Entwurf des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1833, S. 306; Berathungsprotokolle der zur Revision des Strafrechts ernannten Kommission des Staatsraths, über den Zweiten Theil des Entwurfs des Strafgesetzbuches, 1842, S. 368. 60 § 247 des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, Berlin 1909 „[Raubtatbestand] Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher, auf einem Diebstahl betroffen, gegen eine Person Gewalt oder Drohungen mit gegenwärtiger persönlicher Gefahr anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten.“ Im Aufbau ebenso § 304 E 1911, § 361 E 1913, § 369 E 1919, § 297 E 1922, § 305 E 1925. 57
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
Als Grund für die dem Raub angeglichene strafrechtliche Erfassung des räuberischen Diebstahls wurden der das Opfer gleichermaßen betreffende Erfolg, die identische subjektive Ausrichtung des Täters und die Vermeidung von Schwierigkeiten des Nachweises, wann denn der Täter die Wegnahme vollendet habe, genannt. 61 Dem Täter eines räuberischen Diebstahls wurde dieselbe kriminelle Energie unterstellt wie dem Täter eines Raubes: Derjenige, der unmittelbar nach Vollendung der Wegnahme in Erhaltungsabsicht Gewalt anwendet, hätte dies auch zur Durchführung der Wegnahme getan; zu unterscheiden sei davon derjenige Täter, der sich durch die Gewaltanwendung lediglich entziehen wolle. 62 Wenn der räuberische Diebstahl als Nötigungshandlung in Besitzerhaltungsabsicht formuliert ist und darin das Räuberische gesehen wurde, 63 so war das damalige Verständnis des Raubes offenbar auch durch die von der Zueignungsabsicht getragene Nötigungshandlung geprägt. 3. Ergebnis der Gesetzgebungsgeschichte Die Normgenese zeigt somit, dass das historische Bild des Raubes durch einen finalen Einsatz des Nötigungsmittels zum Zwecke der Wegnahme geprägt war. Bei dem Übergang zum bundesdeutschen Strafgesetzbuch blieb der Raubtatbestand von den Veränderungen durch die Kontrollgesetze unberührt. Durch die vollständige Übernahme der Tatbestandsausgestaltung in das heutige StGB wirkt dieses Verständnis noch immer fort. IV. Systematik Das Finalitätserfordernis könnte außerdem aus der Systematik des heutigen Gesetzes abzuleiten sein.
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Berathungsprotokolle der zur Revision des Strafrechts ernannten Kommission des Staatsraths, über den Zweiten Teil des Entwurfs des Strafgesetzbuches, 1842, S. 368; Revision des Entwurfs des Strafgesetzbuches von 1843,1845, S. 27. 62 Motive zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, S. 76; ähnlich Revision des Strafgesetzbuchs von 1843, 1845, S. 27; ebenso RGSt 73, 343 (345), BGHSt 26, 94 (96); OLG Hamm, MDR 1969, 238. 63 Motive zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, S. 76; ähnlich die Berathungsprotokolle der zur Revision des Strafrechts ernannten Kommission des Staatsraths, über den Zweiten Teil des Entwurfs des Strafgesetzbuches, 1842, S. 368: „Denn einerseits erschiene diese Gleichstellung in theoretischer Hinsicht vollkommen gerechtfertigt, da [...] die subjektive Strafbarkeit des Angeschuldigten [...] dieselben seien.“
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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1. Raub als lex specialis zur Nötigung So könnte es bereits zwingend aus dem Spezialitätsverhältnis des Raubes zur Nötigung folgen. Bei dem Tatbestand der einfachen Nötigung, § 240 Abs. 1 StGB, sind die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand umstritten. Nach wohl herrschender Auffassung genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich jeglicher Merkmale des objektiven Tatbestands, da § 240 Abs. 1 StGB keine erhöhten Anforderungen stelle. 64 Die Gegenposition hält eine Absicht des Täters sowohl hinsichtlich der Herbeiführung der Zwangslage als auch hinsichtlich des abgenötigten Verhaltens für erforderlich. 65 Eine vermittelnde Auffassung differenziert nach den einzelnen Elementen der Nötigung und verlangt eine Absicht des Täters nur hinsichtlich des Nötigungsziels, des abgenötigten Verhaltens; 66 teilweise wird noch eine Unterscheidung im Hinblick auf das eingesetzte Nötigungsmittel getroffen, so dass die Absicht hinsichtlich des Nötigungsziels lediglich bei Gewaltanwendung 67 oder Gewaltanwendung gegen Sachen 68 – deren Erfassung durch den Gewaltbegriff natürlich vorausgesetzt – erfasst sein soll. Begründet wird die restriktive Auslegung mit dem Wortlaut und der Weite des Nötigungstatbestandes. Mittels des Absichtserfordernisses müsse eine Eingrenzung erfolgen, um zu verhindern, dass bei der Begehung spezifischer Delikte, bei denen der Täter lediglich voraussieht, aber nicht bezweckt, dass das Opfer zu einem bestimmten Verhalten gezwungen sein wird, ständig auch der Nötigungstatbestand erfüllt ist. 69 Man denke an den Täter, der eine nahezu wertlose Sache in dem Wissen entwendet, dass das Opfer sich Ersatz wird besorgen müssen. Es handelt sich dabei 64
BGHSt 5, 245 (246); Lackner / Kühl, § 240 Rn. 16; NK-Toepel, § 240 Rn. 194; ]LKTräger / Altvater, § 240 Rn. 115. 65 Bergmann, S. 59; derselbe, JURA 1985, 457 (459); MK-Gropp / Sinn, § 240 Rn. 105, die einen durchgehenden Finalzusammenhang aus dem Erfordernis der Absicht und dem der Kausalverknüpfung von Nötigungsmittel und Nötigungserfolg ableiten; Herzberg, GA 1997, 251 (272 f.); Sinn, S. 304 ff., der auch hier das Finalitätserfordernis aus Kausalverknüpfung und Absicht hinsichtlich des Erfolges ableitet und demzufolge es bei fehlender Absicht an der Instrumentalisierung des Nötigungsopfers und damit bereits an der Erfüllung des objektiven Tatbestands fehlt; so wohl auch OLG Düsseldorf, NJW 2007, 3219 (3229) zur Nötigung im Straßenverkehr. 66 Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 34; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 13 Rn. 41; Schmidhäuser, 4/14 und 17; Schroeder, NJW 1985, 2392 (2393); Welzel, S. 326; SK-Wolters / Horn, § 240 Rn. 7; wohl auch das BayOLG, NJW 1983, 1261, 1262: „Nicht jede vorgestellte, wenn auch zwangsweise für den Betroffenen eintretende Nebenfolge wird genügen [...]. Jedenfalls aber reicht es aus, wenn es dem Täter gerade auf die erzwungene Handlung oder Unterlassung ankommt.“ 67 Rengier, BTII, § 23 Rn. 70; Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 9 Rn. 89; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 13 Rn. 41. 68 LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 115; Wessels / Hettinger, Rn. 419. 69 LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 115 bei Gewalt gegen Sachen; Knodel, S. 84.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
um einen klassischen Fall des Diebstahls einer geringwertigen Sache, der nach § 248a StGB grundsätzlich nur auf Antrag verfolgbar ist. Wäre damit zugleich der Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB erfüllt, rückte nicht nur der Diebstahl „in die zweite Reihe“, es würde auch das Antragserfordernis umgangen. Will der Täter die Sache nur vorübergehend nutzen, wird die grundsätzliche Straflosigkeit der Gebrauchsanmaßung – § 248b StGB ausgenommen – umgangen. Allerdings kann diese Argumentation nicht auf § 249 Abs. 1 StGB übertragen werden, da er nicht die ausufernde Weite des § 240 Abs. 1 StGB besitzt. Auch die angeführten Strafwürdigkeitsgesichtspunkte – Erfassung besonders gravierender Angriffe auf die Willensfreiheit – 70 sind insbesondere wegen der erhöhten Anforderungen an die Nötigungsmittel in § 249 Abs. 1 StGB ein auf die einfache Nötigung beschränktes Problem. Die Argumentation auf Grundlage der Tatbestandsformulierung kann schon für den Nötigungstatbestands nicht überzeugen. Es wurde bereits aufgezeigt, dass entgegen herrschender Auffassung weder das Nötigungsmittel der Gewalt, noch die Formulierung „mit Gewalt“ ein finales Element enthalten. Andere meinen, der Formulierung nötigen „zu“ ein solches Absichtserfordernis entnehmen zu können. 71 Bei diesem „zu“ handelt es sich jedoch nicht um den Ausdruck einer subjektiven Beziehung, sondern um eine schlichte Präposition ohne weiteren Gehalt. Man kann eine Person eben nur zu einem Verhalten nötigen. Da diese Wortzusammenstellung zwingend ist, können aus ihr keine weitergehenden Anforderungen des Gesetzeswortlautes abgeleitet werden. 72 Allerdings wird ein Absichtserfordernis ausdrücklich in § 240 Abs. 2 StGB genannt, der von einem angestrebten Zweck der Tat spricht, zu welchem die Herbeiführung der Zwangslage und das abgenötigte Verhalten notwendige Zwischenziele sind. Auch darüber wird das Absichtserfordernis begründet. 73 Nun benennt § 249 Abs. 1 StGB keine Zwecksetzung der Nötigungshandlung. § 240 Abs. 2 StGB konstituiert das Finalitätserfordernis aber auch nicht. Besondere subjektive Tatbestandsmerkmale würden im Tatbestand, und damit § 240 Abs. 1 StGB, genannt; 74 § 240 Abs. 2 StGB dient hingegen als ein der Ausuferung 70
Bergmann, S. 60. Maurach / Schroeder / Maiwald, § 13 Rn. 41; Sinn, S. 304. 72 So wohl auch NK-Toepel, § 240 Rn. 194. 73 BGHSt 35, 270 (276); Bergmann, S. 59; Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 34; MK-Gropp / Sinn, § 240 Rn. 103; Herzberg, GA 1997, 251 (272 f.); Maurach / Schroeder / Maiwald, § 13 Rn. 41; Sinn, S. 304; Wessels / Hettinger, Rn. 419, wobei nicht deutlich wird, weshalb auf der Grundlage dieser allgemeinen Herleitung das Absichtserfordernis nur bei Gewalt durch Einwirkung auf Sachen bestehen soll; a. A. LK-Träger / Altvater, § 240 Rn. 115. 74 A. A. etwa Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 6, der in § 240 Abs. 2 StGB eine Tatbestandseinschränkung sieht; dies steht der Argumentation nicht entgegen, da dementsprechend das Absichtserfordernis sogar im Tatbestand selbst genannt wäre. 71
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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des Tatbestandes entgegensteuerndes Korrektiv. 75 Die untechnische Formulierung des Finalitätserfordernisses in § 240 Abs. 2 StGB zeigt stattdessen, dass der Gesetzgeber ein solches als Element einer Nötigung voraussetzt und eine ausdrückliche Nennung für entbehrlich hielt. Es zeigt sich also, dass die meisten für ein Absichtserfordernis im Nötigungstatbestand vorgebrachten Argumente entweder nicht überzeugen oder auf § 249 Abs. 1 StGB nicht direkt übertragen werden können. Letzteren kommt gleichwohl insofern Bedeutung zu, als sie das Erfordernis eines Finalzusammenhangs für den Nötigungstatbestand begründen, was auf die lex specialis des § 249 Abs. 1 StGB zu übertragen ist. 2. Unrechtsäquivalenz zu sexueller Nötigung und räuberischer Erpressung Das Erfordernis eines Finalzusammenhangs zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme könnte auch durch systematische Erwägungen zu den Tatbeständen der (räuberischen) Erpressung und der sexuellen Nötigung Bestätigung erfahren. Sieht man mit der Rechtsprechung und Teilen der Literatur in der Duldung der Wegnahme einen tauglichen Erpressungserfolg und damit in § 249 Abs. 1 StGB einen Spezialtatbestand zur Erpressung, 76 dann müsste ein etwaiges Finalitätserfordernis im Tatbestand der (räuberischen) Erpressung schon deshalb für den Raubtatbestand gelten. Beschränkt man den Nötigungserfolg der Erpressung hingegen auf eine Vermögensverfügung und versteht Raub und Erpressung als sich ausschließende Tatbestände, 77 so ist die Übertragung einer etwaigen Finalstruktur auf Grundlage der vorangestellten Konzeption zum Unrechtsgleichgewicht zwischen den §§ 177 Abs. 1, 249 Abs. 1, 255 StGB 78 sachgerecht. Das Motivationsunrecht der (räuberischen) Erpressung besteht neben dem Vorsatz in der Absicht rechtswidriger Eigen- oder Drittbereicherung. Als tatbestandliches Verhalten ist im Gesetz einzig die Nötigungshandlung beschrieben. In vielen Fällen wird das Delikt auch lediglich durch diese begangen, ohne dass es einer weiteren Handlung des Täters bedarf. Anders als beim Raubtatbestand, der durch zwei tatbestandlich umschriebene Handlungen – Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme – begangen werden kann, muss die überschießende Innentendenz zwingend an die Nötigungshandlung anknüpfen. Der Täter muss bereits bei der Gewaltanwendung oder Drohung die rechtswidrige Eigen75 Vgl. Fischer, § 240 Rn. 40; s. zur systematischen Einordnung den Überblick bei MK-Gropp / Sinn, § 240 Rn. 116 ff. 76 s. Fn. 164. 77 So die wohl noch h.L., s. Fn. 165. 78 1. Teil 2. Kap. B.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
oder Drittbereicherung und – als notwendiges Zwischenziel zu dieser – auch das abgenötigte Opferverhalten beabsichtigen. Schließlich ist die Erpressung Spezialtatbestand zur Nötigung und enthält sogar den Begriff des Nötigens. Damit ist die Erpressung durch einen finalen Einsatz des Nötigungsmittels gekennzeichnet. 79 Entsprechendes gilt für § 177 Abs. 1 StGB. Auch bei der sexuellen Nötigung wird nach überwiegender Auffassung von dem Erfordernis eines durchlaufenden Finalkonnexes ausgegangen, d. h. der Täter muss die Herstellung des Sexualkontaktes bezwecken und sich dazu der genannten Nötigungsmittel bedienen. 80 Dies wird kaum hergeleitet, stattdessen wird auf die ständige Rechtsprechung verwiesen. Die Finalstruktur folgt jedoch daraus, dass die sexuelle Nötigung Spezialtatbestand zur einfachen Nötigung ist und den Begriff des Nötigens enthält. Bestärkt wird dies durch Erwägungen zu Strafgrund und Strafwürdigkeit. Schutzgut des § 177 StGB ist die sexuelle Selbstbestimmung durch den Schutz vor sexuellem Kontakt gegen oder ohne den Willen des Betroffenen. Das Erfordernis qualifizierter Nötigungsmittel zeigt jedoch, dass die Schutzrichtung des § 177 StGB enger gefasst ist. Anders als in den §§ 174 bis 176 und § 179 StGB soll nicht jegliche Vornahme des Sexualkontakts ohne oder gegen den Willen des Opfers poenalisiert werden – eine entsprechende Gesetzesvorlage wurde abgelehnt – 81, vielmehr handelt es sich bei der sexuellen Nötigung, wie der Titel es nahelegt, um ein Willensbeugungsdelikt. 82 Taterfolg ist das erzwungene sexuelle Verhalten des Opfers. 83 Kann das Opfer keinen entgegenstehenden Willen bilden oder ist es in seiner Willensfreiheit eingeschränkt, sind die §§ 174 bis 174c, 176, 179 StGB einschlägig. Die Beschränkung auf gegenüber § 240 Abs. 1, Abs. 4 StGB qualifizierte Nötigungsmittel zeigt außerdem, dass nur ein besonders aggressives Vorgehen des Täters von § 177 Abs. 1 StGB den Tatbestand erfüllen soll. Die Ausnutzungsvariante, § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB, nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als nach der herrschenden Literatur die Anwendung einfacher Nötigungsmittel genügt. 84 Das geringere Maß an Aggression wird 79
LK-Vogel, § 253 Rn. 27; MK-Sander, § 253 Rn. 29. BGH, NJW 1982, 2264; NJW 1984, 1632; Folkers, NStZ 2005, 181 (182); Gössel, Sexualstrafrecht, § 2 Rn. 53; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 18 Rn. 16; Mildenberger, S. 89; Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 6, 7, 11; Sick, S. 211; Fischer, § 177 Rn. 13; MK-Renzikowski, § 177 Rn. 28; SK-Wolters / Horn, § 177 Rn. 16, 18; a. A. auch hier Jakobs, Eser-FS, 323 (333 f.); außerdem LK-Hörnle, § 177 Rn. 60 ff. 81 s. 1. Teil Fn. 39. 82 Folkers, NStZ 2005, 181 (182); Güntge, NJW 2004, 3750 (3751); Mildenberger, S. 47. 83 SK-Wolters / Horn, § 177 Rn. 3, 16. 84 Schönke / Schröder-Perron / Eisele, §177 Rn.8, 11; MK-Renzikowski, §177 Rn.46 ff.; die Rechtsprechung des BGH, BGHSt 45, 253; 50, 359 (365), den Einsatz eines Nötigungsmittels zusätzlich zum Ausnutzen der schutzlosen Lage für entbehrlich zu halten 80
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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durch das Ausnutzen der schutzlosen Lage kompensiert, in welcher das Rechtsgut ohnehin stärker gefährdet ist. 85 Bei dem Einsatz einfacher Nötigungsmittel ohne gleichzeitiges Ausnutzen einer schutzlosen Lage greift der Auffangtatbestand der Nötigung in einem besonders schweren Fall, § 240 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 Var. 1 StGB. Trotz dieser Beschränkung des § 177 StGB auf besonders intensive Angriffsarten kann allein der Geschehensunwert den Strafrahmen nicht rechtfertigen. Da der reine Angriff auf die sexuelle Integrität gewollt nicht unter Strafe gestellt ist, bleiben nur der Tatbestand der einfachen Nötigung und gegebenenfalls der der Körperverletzung. Den erhöhten Motivationsunwert der auf die Herstellung des nicht gewollten Sexualkontaktes gerichteten Absicht bringt der Gesetzgeber durch die Regelung des besonders schweren Falls der Nötigung in § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB zum Ausdruck. Wenn nun der Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel ohne Zweckbindung und der Einsatz nichtqualifizierter Nötigungsmittel mit Zweckbindung im Strafrahmen deutlich unter dem der sexuellen Nötigung liegen, kann es bei § 177 Abs. 1 StGB nur um die Kombination des Motivationsunwertes aus § 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB und des Geschehensunrechts aus den §§ 240 Abs. 1, 223 ff. StGB gehen. Erst die Instrumentalisierung der qualifizierten Nötigungsmittel zum Zwecke des ungewollten Sexualkontaktes kann die erhebliche Strafrahmenerhöhung begründen. Im Gegensatz zu Erfolgsqualifikationen, wo die objektive Gefährlichkeit für das Schutzgut maßgeblich ist, ist es hier die subjektive Gefährlichkeit als spezifischer Zusammenhang. Der Strafgrund der sexuellen Nötigung liegt also – auch – darin, dass der Täter den entgegenstehenden Willen des Opfers zur Durchführung des Sexualkontaktes mit Hilfe der genannten Mittel überwindet. 86 Somit sind die Delikte der räuberischen Erpressung und der sexuellen Nötigung in ihrem Motivationsunwert durch einen finalen Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel zum Zwecke des weiteren Erfolges gekennzeichnet. Dies legt nahe, von einem entsprechenden Motivationsunrecht des Raubtatbestandes auszugehen. 3. Ausgestaltung des Tatbestands des räuberischen Diebstahls Zudem kann neben der Historie auch die Ausgestaltung des räuberischen Diebstahls als systematisches Argument herangezogen werden. Dieser ist durch den finalen Einsatz der Nötigungsmittel gekennzeichnet und damit das crimen vis in Gewahrsamserhaltungsabsicht. und als reines Bestimmen des Opfers gegen seinen Willen auszulegen, wird entgegen der Bestätigung durch das BVerfG, NJW 2004, 3768 ff., dem Gesetzeswortlaut nicht gerecht. 85 Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 11; Folkers, NStZ 2005, 181 (182); Mildenberger, S. 49. 86 Folkers, NStZ 2005, 181 (182); Güntge, NJW 2004, 3750 (3751).
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
a) Die Nähe von Raub und räuberischem Diebstahl Die enge Verwandtschaft von Raub und räuberischem Diebstahl ist bereits in der Normgenese des § 252 StGB angelegt. 87 In der heutigen Fassung ergibt sie sich aus der Bezeichnung des Delikts als räuberischer Diebstahl, der Stellung in dem 20. Abschnitt des StGB über Raub und Erpressung und im unmittelbaren Anschluss an die Raubqualifikationen, vor allem jedoch aus der Rechtsfolge durch die Formulierung „gleich einem Räuber zu bestrafen“. Auch außerhalb des 20. Abschnitts des StGB werden Raub und räuberischer Diebstahls gleich behandelt. So erfüllte den Tatbestand der besonders schweren Brandstiftung nach § 307 Nr. 2 StGB in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung, wer die Brandstiftung in der Absicht vornahm, die Tat zur Begehung eines Mordes, eines Raubes, eines räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung auszunutzen. 88 Deutlicher noch ist hinsichtlich der Gleichstellung der Tatbestand des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer, § 316a StGB, der den Inhalt der Absicht, in der der Täter den Angriff auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit eines Kraftfahrzeugführers verüben muss, auf die Begehung eines Raubes, räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung beschränkt. Nach § 256 Abs. 1 StGB kann das Gericht in den Fällen der §§ 249 bis 255 StGB Führungsaufsicht anordnen. 89 Sowohl § 249 Abs. 1 als auch § 252 StGB knüpfen an die Diebstahlsbegehung an: im Raub geht diese auf, bei dem räuberischen Diebstahl wird sie als Vortat vorausgesetzt. Wenn nun bei dem räuberischen Diebstahl der Unwert in der durch Besitzerhaltungsabsicht getragenen Nötigungshandlung und der daraus folgenden Festigung der Eigentumsbeeinträchtigung gesehen wird, dann liegt es bei der starken systematischen und historischen Bezogenheit auf den Raubtatbestand und aus Gründen der Unrechtsäquivalenz nahe, eine vergleichbare Beschaffenheit anzunehmen – eben die zumindest durch Wegnahmeabsicht getragene Nötigungshandlung. 90 Sollte der Tatbestand des räuberischen Diebstahls jedoch in irgendeiner Form dem Raubtatbestand im Unrechtsgehalt nachstehen, so ist eben87
s. dazu III. 2. Nun in § 306b Abs. 2 StGB auf die Absicht zur Ermöglichung oder Verdeckung sämtlicher Straftaten erweitert. 89 Die §§ 126 Abs. 1 Nr. 5 und 138 Abs. 1 Nr. 7 StGB hingegen führen in ihrem Katalog den Tatbestand des § 249 Abs. 1, aber nicht des § 252 StGB. Gründe für die Auslassung werden nicht genannt. Möglicherweise liegt ihr der Gedanke zugrunde, dass ein Täter im Vorfeld der Tat eher dazu geneigt sein wird, einen Raub oder eine räuberische Erpressung anzudrohen oder einem anderen mitzuteilen. Dies könnte wiederum auf dem Gedanken aus der Entstehungsgeschichte des räuberischen Diebstahls beruhen, dass der Täter eines räuberischen Diebstahls auch vor der Vollendung der Wegnahme Gewalt angewendet hätte und es nur mangels Erforderlichkeit unterlassen hat. Dies ist im Vorfeld der Tat nicht abzusehen. Im Übrigen ist der Raub das klassische und der Allgemeinheit wesentlich bekanntere Delikt. 88
3. Kap.: Erfordernis eines Finalzusammenhangs und Strafgrund
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falls denkbar, dass dieses Defizit im Geschehensunrecht durch einen erhöhten Motivationsunwert, die Erhaltungsabsicht, auszugleichen wäre, wohingegen das Gegenstück, die Wegnahmeabsicht als Motivation der Nötigungshandlung, beim Raub verzichtbar wäre. Eine systematische Argumentation ist also nur dann tragfähig, wenn im Übrigen der Unrechtsgehalt des räuberischen Diebstahls dem des Raubes gleichkommt. b) Unrechtsdefizit: Behaltenwollen Teilweise wird ein Unrechts- und Schulddefizit des § 252 StGB gegenüber dem § 249 Abs. 1 StGB darin gesehen, dass das „Behaltenwollen“ geringere kriminelle Energie beinhalte als das „Habenwollen“, d. h. das Streben nach Vermögensgütern mit Nötigungsmitteln größeres Unrecht beinhalte als deren Sicherung mit Nötigungsmitteln nach vollendetem Diebstahl. 91 Dass der Diebstahl nur Vortat des räuberischen Diebstahls, bei § 249 Abs. 1 StGB aber Teil des Tatbestandes ist, begründet keinen Unrechtsunterschied. Auf Konkurrenzebene, auf der die Erfassung des Tatunrechts erfolgt, findet eine unterschiedliche Beurteilung des Verhältnisses von jeweils Raub und räuberischem Diebstahl zum einfachen Diebstahl nicht statt. In beiden Fällen wird Gesetzeskonkurrenz angenommen. 92 Der Tatbestand des räuberischen Diebstahls erfasst nach allgemeiner Auffassung auch das Unrecht des Vortatdiebstahls und damit der Erlangung der fremden Sache. Im Übrigen geht diese Kritik von einer eindeutigen Trennbarkeit der Situation des Raubes und des räuberischen Diebstahls aus, die so nicht gegeben ist, was nicht zuletzt auf die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Vollendungszeitpunktes des Diebstahls zurückzuführen ist. Ebendiese unterliegt zahlreichen Faktoren. So soll während eines Aufenthalts in fremder Gewahrsamssphäre bei kleinen, leicht beweglichen Gegenständen bereits deren Ergreifung genügen, 93 bei Sachen geringen Umfangs das Einstecken in die Kleidung; 94 bei größeren Gegenständen soll der Abtransport aus der Gewahrsamssphäre des bisherigen Gewahrsamsinhabers 95 oder zumindest die Möglichkeit eines gefahrlosen Ab90 „Dem Merkmal [der Besitzerhaltungsabsicht] fällt die Funktion zu, die Äquivalenz zum Unrechtsgehalt des Raubes zu gewährleisten [...]“, SK-Sinn, § 252 Rn. 20. 91 Bindokat, NJW 1956, 1686; Seier, JuS 1979, 336 (338); LK-Vogel, Vor §§ 249 ff. Rn. 38; wohl auch Weigend, GA 2007, 274 (276). 92 Schönke / Schröder-Eser, § 252 Rn. 13; Fischer, § 252 Rn. 12; Lackner / Kühl, § 252 Rn. 8; SK-Sinn, § 252 Rn. 28; kritisch zu einer Unrechtsminderung durch die Selbstbegünstigungstendenz Baldus, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 1958, 61. Sitzung, S. 90. 93 BGHSt 23, 254; BGH GA 87, 307; NStZ 2008, 624 (hier lässt der BGH sogar die Tendenz durchscheinen, ein Laptop als eine Sache solch geringen Umfangs einzuordnen). 94 BGHSt 16, 271; 26, BGH NJW 1981, 997.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
transports erforderlich sein. 96 Auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls sollen entscheidenden Einfluss auf den Vollendungszeitpunkt haben. Ein Musterbeispiel dafür sind etwa die folgenden Ausführungen des BGH: „Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft [...] ist entscheidend, ob der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, daß er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann. Ob das der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens [...], ‚ist wesentlich Tatfrage‘ [...], bzw. ‚hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, die im wesentlichen der Tatrichter zu beurteilen‘ hat [...]. [...] Die denkbaren Umstände des Einzelfalles sind zu vielschichtig, als daß eine solche rechtliche Aussage möglich wäre. So mag beispielsweise die bauliche Gestaltung des Kaufhauses ebenso wie dessen Einrichtung von Bedeutung sein. Wesentlich ist aber ebenfalls, ob starker Publikumsverkehr herrscht, der es dem Täter erleichtert zu entkommen. [...] Darüber hinaus können auch die Umstände der Tatentdeckung von Fall zu Fall verschieden sein. [...] Das OLG weist deshalb zutreffend auf den Umstand hin, daß die Schnelligkeit und Gewandtheit der den Dieb Verfolgenden für die Frage des Gewahrsamsbruchs gleichfalls bedeutsam sind. Dasselbe gilt aber bereits für die Möglichkeit und den Willen des Beobachtenden, überhaupt einzugreifen.“ 97 Eine genaue Festlegung des Vollendungszeitpunkts ist somit sehr schwierig, eine allgemeine Bestimmung unmöglich. Der Gewahrsamswechsel erscheint in diesen Fällen eher als ein andauernder Prozess denn als punktuelles Ereignis. 98 Von der Nötigungshandlung an erfolgt durch das weitere Geschehen eine Schwächung der Sachherrschaft des Tatopfers, die spätestens in der Neubegründung des Gewahrsams ihren Abschluss findet; beurteilt auf Grundlage des sozialen Gewahrsamsbegriffs nehmen die Anhaltspunkte für die Annahme einer sozialen Zuordnung der Sache zum Tatopfer graduell ab und die für die Zuordnung zum Täter zu. Der Vollendungszeitpunkt ist derjenige, in dem die Herrschaft des Täters über die Sache das Übergewicht über die des Tatopfers erlangt bzw. die Anzeichen für die Zuordnung zum Täter die für die Zuordnung zum Opfer überwiegen. In der Beendigungsphase besteht keine gesicherte Herrschaftsposition des Wegnehmenden, stattdessen befindet sich die Gewahrsamsstellung des Diebes noch in der Schwebe. Für die Sicht des Täters gilt die Beliebigkeit der Festlegung dieses Zeitpunkts umso stärker. Man stelle sich den Täter in dem angeführten Fall des BGH vor, der in dem Kaufhaus die fremde Jacke übergezogen hat. Es herrscht reger Publi95
BGH NStZ 81, 435. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 140 (141). 97 BGH, NStZ 1988, 270 (271). 98 So auch Perron, GA 1989, 145 (154) und Dreher, MDR 1979, 529 (530), der daraus jedoch andere Folgerungen zieht, s. 5. Kap. B. II. 1. a). 96
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kumsverkehr, der Dieb ist geschickt und schnell, der Kaufhausdetektiv langsam und unmotiviert. Die Wegnahme wäre demnach vollendet. Es erscheint wenig einleuchtend, dass der Täter, solange er mit seiner Beute nicht das Kaufhaus verlassen hat, tatsächlich von einem Behaltenwollen ausgeht und nicht von einem Habenwollen. Das wird auch derjenige nicht tun, der in einem Juweliergeschäft ein Schmuckstück ergriffen oder in seine Tasche gesteckt hat. Die Motivation vor und nach dem Ergreifen der Beute wird sich kaum unterscheiden. Die Grenze zwischen dem Streben nach der Erlangung des Gutes und dem Streben nach dessen Sicherung ist somit keine solch klare, und das Behaltenwollen lässt sich weder objektiv noch aus Sicht des Täters eindeutig vom Habenwollen abgrenzen, so dass allein dies kein Unrechtsdefizit des räuberischen Diebstahls gegenüber dem Raub begründen kann. c) Unrechtsdefizit: besondere Bedrängnis des Täters Ein Unrechtsunterschied wird auch damit begründet, dass sich der Täter bei der Gewaltanwendung nach Wegnahme zumeist in einer Situation besonderer Bedrängnis befinde, er sich daher in der Regel spontan zur Gewaltanwendung entschließe und immer auch der Gedanke der Selbstbegünstigung eine Rolle spielen könne. 99 Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht zeigt jedoch, dass nach dem Gesetz das Handeln in Selbstbegünstigungsabsicht und eine besondere Bedrängnissituation des Täters nicht immer eine Privilegierung nach sich ziehen müssen. Sie sind auch keine Besonderheit des räuberischen Diebstahls. Bei Begehung eines Raubes ist es – wenn auch seltener – ebenfalls denkbar, dass der Täter zum Zwecke der Selbstbegünstigung und aus besonderer Bedrängnis nötigt. 100 Man denke an den Täter, der in eindeutiger Lage, aber noch vor Vollendung der Wegnahme – etwa kurz vor dem Ergreifen eines kleinen Schmuckstücks oder mit dem Tresor beladen im Hausflur des Tatopfers – überrascht wird und sich der Gewalt einerseits bedient, um die Wegnahme und Zueignung zu ermöglichen, andererseits jedoch, um der Entdeckung zuvorzukommen oder die spätere Flucht zu ermöglichen. Dies gilt erst recht aufgrund der zahlreichen Faktoren, die die Bestimmung des Vollendungszeitpunktes beeinflussen. Eine Strafbarkeit wegen Raubes wird dennoch nicht in Frage gestellt. 101 Ausreichend soll sein, wenn der Raubvorsatz inklusive der Finalität nicht durch andere Motive beherrscht wird. 102 Bei beiden Delikten ist demnach eine Konkurrenz von Selbstbegünstigungs- und Zueignungs- bzw. Gewahrsamserhaltungsmotiven möglich. 99 Geilen, JURA 1979, 613 (614); LK-Herdegen, 11. Auflage, § 252 Rn. 3; Seier, JuS 1979, 336 (337); LK-Vogel, Vor §§ 249 ff. Rn. 38; Weigend, GA 2007, 274 (275 f.). 100 Vgl. auch Weigend, GA 2007, 274 (276 f.). 101 s. BGH, NStZ 1993, 79; zustimmend SK-Sinn, § 249 Rn. 43. 102 Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 6.
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d) Ergebnis für den räuberischen Diebstahl und Übertragbarkeit auf den Raub Auch die oftmals bestehende Selbstbegünstigungsabsicht und die Bedrängnis des Täters begründen somit kein Unrechtsgefälle zwischen der Tatsituation des Raubes und der des räuberischen Diebstahls, welches über einen erhöhten Motivationsunwert des räuberischen Diebstahls, nämlich Finalität, auszugleichen wäre. Der auf die Vollendung der Wegnahme gerichteten Finalität des Raubes entspricht die auf die Beendigung der Wegnahme gerichtete Finalität des räuberischen Diebstahls. 103 Fehlt es an einer solchen, so entfällt letztlich nicht allein der subjektive, sondern bereits der objektive Tatbestand des § 252 StGB. Denn der Täter befindet sich dann gerade nicht mehr in der Phase der Beutesicherung und Beendigung und die Frische der Tat entfällt. 104 Die Besitzerhaltungsabsicht aus § 252 StGB muss nach allgemeiner Auffassung zugleich auf die Zueignung der Sache gerichtet sein. 105 Die gegenteilige Auffassung des OLG Köln, 106 wonach es genügen soll, wenn der Täter darauf abzielt, den Gewahrsam über den Zeitpunkt der Gewaltanwendung aufrechtzuerhalten, um die Sache nachher zu vernichten und so seine Überführung zu verhindern, ist weder mit der Genese des § 252 StGB noch der Gesetzessystematik und -wertung zu vereinbaren. Den Motiven zu dem Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund aus dem Februar 1870 ist zu entnehmen, dass die erforderliche Absicht gegeben sei, wenn der Dieb zur Besitzerhaltung Gewalt anwendet oder droht, um die Aneignung der Sache zu sichern und damit den bei Diebstahlsbegehung beabsichtigten Vorteil zu erlangen. 107 Der Grund für die dem Raub entsprechende Strafwürdigkeit wurde gerade darin gesehen, dass der räuberische Dieb die Nötigungsmittel nicht nur zur Erhaltung, sondern auch zur Erlangung und Zueignung der Sache eingesetzt hätte. Aber auch die neuere Gesetzgebungsgeschichte, gerade zu Zeiten des Urteils des OLG Köln, spricht gegen eine solche Auslegung des Tatbestandes. § 253 E1959, § 247 E1960 108 und § 247 E1962 sahen eine vollständige Neukonzep103 Daraus folgt zugleich, dass die Besitzerhaltungsabsicht restriktiv auszulegen ist. Ebenso wie die Zueignungsabsicht beim Raub muss auch die Besitzerhaltungsabsicht – als deren Fortsetzung – beim räuberischen Diebstahl Motivation für die Nötigungshandlung und damit dominierend sein; so i. E. Schünemann, JA 1980, 393 (399); ähnlich auch Küper, JZ 2001, 730 (741). 104 Vgl. dazu Deiters, ZJS 2008, 672 (673). 105 BGH NStZ 1984, 454 (455); BGH, JZ 1987, 52; Küper, JZ 2001, 730 (733, 735); MK-Sander, § 252 Rn. 15; Schröder, NJW 1967, 1335; grundsätzlich auch Weigend, GA 2007, 274 (284). 106 OLG Köln, NJW 1967, 739. 107 Motive zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, S. 76. 108 § 247 E 1960 Gewaltanwendung nach Diebstahl Abs. 1.
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tion des Räuberischen Diebstahls vor. Entgegen geltendem Recht sollte, so die Begründung, 109 zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten u. a. der Zweck genügen, sich oder einen anderen Beteiligten der Bestrafung zu entziehen. Im Gegenzug wurde der objektive Tatbestand dahingehend enger gefasst, dass nicht mehr der Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel allein, sondern nur ein solcher unter Anwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs unter Strafe gestellt werden sollte. Die Entwürfe von 1959 und 1960 sahen sogar eine Umbenennung in „Gewaltanwendung nach Diebstahl“ vor, da durch die Erweiterung der möglichen Tatzwecke die Grundlage für die Gleichstellung mit dem Raub entfalle. 110 Diese Bezeichnung verdeutlicht zugleich, dass der Diebstahl lediglich Vortat und nicht Teil der Ausführungshandlung des Delikts ist. § 247 E1962 kehrte jedoch zu der damaligen und heutigen Bezeichnung als räuberischer Diebstahl zurück. Die Erweiterung in subjektiver und die Einschränkung in objektiver Hinsicht konnten sich nicht durchsetzen. Der AE1966 konzentrierte sich auf die Neufassung des Allgemeinen Teils und spezifische Deliktskomplexe des Besonderen Teils des StGB, enthielt jedoch keinen Vorschlag zur Änderung von Raub und Räuberischem Diebstahl. Der Tatbestand des Räuberischen Diebstahls blieb damit von den Strafrechtsreform- und Strafrechtsänderungsgesetzen unberührt. Diese Geschehnisse legen zwei Schlussfolgerungen nahe: Die Gestaltung der Reformentwürfe zeigt, dass der Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel zum Zwecke der Flucht nach damals und noch heute geltendem Recht nicht vom Tatbestand des § 252 StGB erfasst ist; ihre Verwerfung lässt vermuten, dass ebendies dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Im StGB ist der räuberische Diebstahl in den Kontext der Eigentums- und Vermögensdelikte eingeordnet, genauer bei denen, die die Verletzung dieser Rechtsgüter unter Einsatz von Gewalt oder Drohung aus materieller Motivation besonders unter Strafe stellen. Zwar unterscheidet sich § 252 StGB von den Übrigen dadurch, dass nur die Absicht, sich selbst im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, genügt und ein Drittbezug der Innentendenz den Tatbestand nicht erfüllt. Allerdings zeigt Weigend auf, 111 dass diese Beschränkung nicht jegliches altruistische Handeln ausschließt. Denn erfasst ist auch der Täter, der sich im Besitz der Beute erhalten will, um sie später einem Dritten zuzueignen. Anders als Weigend jedoch meint, ist dazu nicht erforderlich, das ungeschriebene Wer, nach einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug entweder Gewalt gegen jemand anwendet oder mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht, um sich oder einem anderen die gestohlene Sache zu erhalten Feststellungen zu ihrer Widererlangung zu verhindern sich oder einen anderen Beteiligten der Bestrafung zu entziehen. 109 Begründung zu § 247 E 1960, S. 385, und zu § 247 E 1961, BT-Drs. IV/650 S. 418. 110 Ebd. 111 Weigend, GA 2997, 274 (285).
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Merkmal der fortdauernden Zueignungsabsicht in solchen Fällen aufzugeben. Denn der Täter handelt in der Absicht rechtswidriger Drittzueignung, die aus Gründen der Gleichstellung zum Raub auch für den subjektiven Tatbestand des räuberischen Diebstahls genügen muss. Eine Diskrepanz verbleibt daher – die Fälle der Mittäterschaft ausgenommen – allein dann, wenn schon die Besitzerhaltungsabsicht Drittbezug aufweist. Die Gesetzgebungsmaterialien des 6. StrRG, welches den Kreis der Begünstigten beabsichtigter Zueignungen bzw. Bereicherungen auf dritte Personen erweiterte, schweigen sich dazu aus. 112 Damit bleibt unklar, ob der Unterschied in den überschießenden Innentendenzen der Delikte auf einem gesetzgeberischen Versehen beruht oder tatsächlich dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Dennoch ist die materielle Ausrichtung des Täterhandelns, ob nur zum eigenen oder auch zu fremdem Vorteil, eine entscheidende Gemeinsamkeit der Delikte. Verlangte man nun kein Zueignungselement der Besitzerhaltungsabsicht, wäre der räuberische Diebstahl mit einer möglichen reinen Selbstbegünstigungsabsicht über das Nahziel der Besitzerhaltung ein Fremdkörper. Ist das Motivationsunrecht des räuberischen Diebstahls somit durch den finalen Einsatz des Nötigungsmittels zur Besitzerhaltung und Zueignung gekennzeichnet, dann muss das des Raubes in dem finalen Einsatz zum Zwecke der Gewahrsamsverschiebung und Zueignung liegen. Während demnach aus der Gewahrsamserhaltungsabsicht im Tatbestand des räuberischen Diebstahls das Erfordernis einer Gewahrsamserlangungsabsicht für den Raubtatbestand folgt, ist für den Tatbestand des räuberischen Diebstahls aus dem Raubtatbestand das Erfordernis der Zueignungsabsicht abzuleiten. Abgesehen von der Beschränkung des § 252 StGB auf egoistische Zwecke liegt dem Raub und dem räuberischen Diebstahl damit eine einheitliche Motivation des Täters bis zur Beendigung des Diebstahls zugrunde. 113 Endziel der Absichten aus §§ 249 Abs. 1, 252 StGB ist die Zueignung der fremden Sache. § 249 Abs. 1 StGB und § 252 StGB erfassen damit durchgehend die Phase zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel bzw. dem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme, wenn die Gewaltanwendung erst während dieser erfolgt, bis zum Eintritt der von dem Täter gewollten Rechtsgutsverletzung. Dies entspricht auch dem historischen Willen des Gesetzgebers, Nachweisschwierigkeiten hinsichtlich des zeitlichen Verhältnisses von Vollendung der Wegnahme und Vornahme der Nötigungshandlung zu vermeiden. 114 Sowohl in den Fällen des § 249 Abs. 1 StGB als 112 Durch die Erweiterung der Zueignungsabsicht auf Dritte wurde letztendlich eine bereits bestehende Diskrepanz verstärkt. Zuvor erfasste der objektive Tatbestand des Raubes bereits die Begründung fremden Gewahrsams, wenn auch nur zum Zwecke der Eigenzueignung. 113 So auch Perron, GA 1989, 145 (154): „Beiden Tatbeständen ist als Wesenszug gemeinsam, dass der Täter Raubmittel final zum erfolgreichen Abschluß des Wegnahmeprozesses einsetzt.“
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auch denen des § 252 StGB zeigt sich somit die durch Zueignungsabsicht motivierte Aggression des Täters. § 249 Abs. 1 und § 252 StGB teilen die identische Schutzaufgabe, ebendiesen Rechtsangriff zu verhindern 115 und die Aggression des Täters zu unterbinden. Kratzsch zieht daraus die Konsequenz, in § 249 Abs. 1 StGB und § 252 StGB „Teilsysteme eines umfassenderen ‚Gesamttatbestandes‘ des Raubes“ zu sehen, die sich mit zeitlicher Differenzierung die Schutzaufgabe des Raubdelikts teilen. 116 Der Tatbestand des räuberischen Diebstahls und der des Raubes sind damit durchaus und nur dann im Unrechtsgehalt gleichwertig, wenn § 249 Abs. 1 StGB bereits im Zeitpunkt der Nötigungshandlung das Vorliegen der Wegnahme- und Zueignungsabsicht voraussetzt. 4. Ergebnis der systematischen Analyse Die Tatbestände der einfachen und der sexuellen Nötigung, des räuberischen Diebstahls und der räuberischen Erpressung sind in ihrem Motivationsunrecht durch einen zweckgerichteten Einsatz des Nötigungsmittels gekennzeichnet. Dies muss auch für das Motivationsunrecht des Raubes gelten. Nur so ist er Spezialtatbestand zur Nötigung, und nur so ist eine die Identität der Strafrahmen rechtfertigende Unrechtsäquivalenz mit den sonstigen qualifizierten Nötigungsdelikten gewährleistet. V. Strafgrund und Strafhöhe Auf der Grundlage der bisherigen Auslegung erklärt sich auch das allgemeine Verständnis vom Strafgrund des Raubes. Poenalisiert werden soll die von einer – auch altruistischen – Zueignungsabsicht getragene Aggression des Täters. 117 In der Instrumentalisierung der qualifizierten Gewalt oder Drohung und 114 Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 230 Nr. 5. 115 Kratzsch, JR 1988, 397 (399). 116 Kratzsch, JR 1988, 397 (399). 117 Küper, JZ 1981, 568 (571): „Die gekennzeichnete ‚Finalstruktur‘ des Raubes ist nur der gleichsam instrumentale Aspekt des kriminalpolitischen Gedankens, der hinter der finalen Verklammerung von Gewalt und Wegnahme steht: Der Raubtatbestand zielt, nicht zuletzt im Interesse erhöhter Kriminalprävention, auf die verschärfte Kriminalisierung solcher Täter ab, die durch den Diebstahlsentschluß zur Aggression motiviert werden oder doch bei der Verwirklichung dieses Entschlusses vor Gewalt nicht zurückschrecken.“; ebenso LK-Herdegen, 11. Auflage § 249 Rn. 13 f.; Ingelfinger, Küper-FS, 197; SK-Samson, Stand 1986, § 249 Rn. 26; MK-Sander, § 249 Rn. 24; kritisch zu der Frage, ob dies die starke Strafrahmenerhöhung gegenüber dem Diebstahl rechtfertigen kann LK-Vogel, Vor §§ 249 Rn. 37.
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der darin liegenden Verletzung der Willensfreiheit der materiellen Besserstellung wegen wird die Rechtfertigung für den stark erhöhten Strafrahmen gesehen. 118 In der rein objektiven Gefährlichkeit kann sie nicht liegen, da diese sich nicht danach unterscheidet, ob der Täter Nötigung, Körperverletzung und Diebstahl unabhängig voneinander begeht oder ob er die eine um des anderen willen vornimmt. Das Interesse an erhöhter Kriminalprävention entsteht dadurch, dass sich der Täter nicht nur über die Eigentums- und Gewahrsamsverhältnisse, sondern auch über die Freiheit und teilweise auch körperliche Unversehrtheit hinwegsetzt, um die Zueignung zu realisieren. 119 Um eine Parallele zum habgierigen Mord zu ziehen: hier geht es um die Körperverletzung und die Nötigung aus Habgier, ergänzt um zumindest eine Teilrealisierung der Absicht in Form der Wegnahmevollendung. Muss schon im Zeitpunkt der Nötigungshandlung das Endziel der Eigen- oder Drittzueignung beabsichtigt sein, dann gilt dies, wie von Brandts angenommen, auch für die Wegnahme – genauer: Gewahrsamsneubegründung – als deren notwendiges Zwischenziel. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Täter nicht weiß, ob das Opfer ihm die Sache geben oder er sie sich wird nehmen müssen, und er sein Endziel der Zueignung entweder über die Wegnahme oder die Herausgabe erreichen will. In diesem Fall hat der Täter seine Absicht auf unsicherer Tatsachengrundlage gefasst. VI. Gegenkritik zu Jakobs und Hillenkamp Auf dieser Grundlage sind die Ansätze Jakobs und Hillenkamps abzulehnen. Darüber hinaus ist bereits Jakobs Prämisse, der Raub sei ein reines Eigentumsdelikt, zu bezweifeln. Die übrigen dem Raub eng verwandten und im 20. Abschnitt geregelten Straftatbestände sind geprägt durch eine Kombination von Eigentumsrespektive Vermögensangriff und dem Willensfreiheitsdelikt der Nötigung. 120 Jakobs Ansatz gäbe dem Raub eine vollkommen andere Gestalt, die die Strafrahmenkoppelung der §§ 252, 255 StGB nicht rechtfertigte. Überlegenswert wäre allenfalls, auch bei diesen Delikten das Willensbeugungselement auszuklammern. Allerdings liegt im Tatbestand des räuberischen Diebstahls auf eben diesem der Schwerpunkt, da der Diebstahl lediglich als Vortat ausgestaltet ist. Die einfache und die räuberischen Erpressung wären dann reine Vermögensdelikte. Eine Koppelung von Eigentums- und Vermögensdelikten in einem Abschnitt
118 Küper, JZ 1981, 568 (570); Lund, S. 183, der von einem verbindenden Planungszusammenhang spricht; Vogt, S. 18. 119 Küper, JZ 1981, 568 (570); LK-Vogel, Vor §§ 249 ff. Rn. 37. 120 Perron, GA 1989, 145 (163).
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wäre kaum sinnvoll. Das Bindeglied zwischen diesen Delikten liegt vielmehr in der – teilweise qualifizierten – Nötigung. Wie von Jakobs eingeräumt, 121 ist ein solches Verständnis auch nicht mit den Raubqualifikationen in den §§ 250, 251 StGB vereinbar, die maßgeblich an die Nötigungshandlung anknüpfen. 122 Man wird seine Ausführungen unter der Überschrift „Zur Kritik der Fassung des Raubtatbestands“ daher wohl als reine Überlegungen de lege ferenda verstehen müssen. Bei Hillenkamp bleibt unklar, was den nicht auf die Wegnahme gerichteten Einsatz des Nötigungsmittels zu einem raubspezifischen macht und woraus sich die starke Straferhöhung gegenüber einer tatmehrheitlichen Strafbarkeit aus Körperverletzung und Diebstahl ergeben soll. VII. Ergebnis Dass der eindeutigen Bezugnahme der Zueignungsabsicht allein auf die Wegnahme keine zu große Bedeutung beizumessen ist, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des Raubtatbestandes im 19. Jahrhundert. In Kenntnis der Normgenese lag ein weiteres Verständnis, das auf das Vorliegen der Wegnahme- und Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Nötigungshandlung verzichtet, nicht nahe. 123 Aus der damaligen Sicht bestand damit kein Bedürfnis für eine genauere, klarstellende Formulierung des Gesetzeswortlauts. Denkbar ist vielmehr, dass die Ausgestaltung lediglich dem leichteren Verständnis und der Konformität der Tatbestände des StGB dienen sollte, hat diese Fassung doch den Vorteil der Parallelität zu den sonstigen Paragraphen des StGB, bei denen sich an die Beschreibung des objektiven Tatbestandes die Nennung der besonderen subjektiven Merkmale anschließt, vgl. §§ 242, 248c, 253, 257, 263 StGB etc. Schließlich wäre nach der Historie auch die folgende Formulierung denkbar und vielleicht naheliegender gewesen: „Wer in diebischer Absicht mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendungen von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt und eine fremde bewegliche Sache wegnimmt ...“. Die Formulierung, dass die Wegnahme unter Anwendung der qualifizierten Drohung stattfinden muss, bringt die Instrumentalisierung letzterer zum Zwecke der Wegnahme zum Ausdruck. Auch stellt dieser Finalzusammenhang das Un121
Jakobs, Eser-FS, 323 (331). Der tatbestandsspezifische Zusammenhang zwischen Raub und Todesfolge ist nur gegeben, wenn die Todesfolge durch den Einsatz der Nötigungsmittel verursacht wurde. Ein auf der Wegnahme beruhender Todeseintritt ist nicht Realisierung einer raubspezifischen Gefahr, sondern einer solchen, die auch dem einfachen Diebstahl innewohnt; s. zu der Diskussion SK-Sinn, § 251 Rn. 13. 123 Besonders deutlich bei Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 230 Nr. 7. „Aus der so eben gedachten Fassung ‚mit Gewalt oder unter Anwendung u.s.w. wegnimmt‘ ergibt sich deutlich, daß die Anwendung von Gewalt und Drohung zugleich lediglich den Zweck des Diebstahls haben müsse.“ 122
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rechtsgleichgewicht zur sexuellen Nötigung, räuberischen Erpressung und zum räuberischen Diebstahl her. Ist im Zeitpunkt der Gewaltanwendung das Vorliegen der Wegnahmeabsicht erforderlich, so gilt dies auch für die Zueignungsabsicht. Der Fall, dass der Täter bei der Nötigungshandlung allein in Wegnahmeabsicht handelt – etwa um die Sache zu zerstören – und erst nach Abschluss der Einwirkung bis zum Abschluss der Wegnahmehandlung die Zueignungsabsicht fasst, erscheint konstruiert. Es liegt fern, dass der Gesetzgeber diese Konstellation vor Augen gehabt hat und durch die Formulierung des Gesetzestextes ausdrücklich ausschließen wollte, zumal sich die Gesetzesmaterialien darüber ausschweigen. Daher kann aus dem Erfordernis des Finalzusammenhangs zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme auch das Erfordernis der Zueignungsabsicht zu diesem Zeitpunkt abgeleitet werden. Dies wird durch die Gesetzgebungsgeschichte und systematische Erwägungen zu den Tatbeständen der Nötigung, des räuberischen Diebstahls, der einfachen und räuberischen Erpressung und der sexuellen Nötigung bestätigt. Daraus ergibt sich de lege lata auch der allseits behauptete Normzweck, die durch Zueignungsabsicht motivierte Aggression gesondert zu erfassen, der wiederum das Erfordernis einer Finalstruktur bestärkt.
C. Inhalt des Finalitätserfordernisses Wurde das Erfordernis von Finalität festgestellt, ist nun noch deren Gehalt zu bestimmen. Feststeht, dass der Einsatz des Nötigungsmittels in irgendeiner Form auf die Wegnahme gerichtet sein muss. Das ist er jedenfalls dann, wenn die Gewaltanwendung der Ermöglichung der Wegnahme dient. Ein solch enges Verständnis entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH und Teilen der Literatur: Der Täter muss die Ermöglichung der Wegnahme bezwecken; alles andere sei eine Gewaltanwendung „gelegentlich“ der Wegnahme. 124 Damit würde der Finalzusammenhang zwingend eine Kausalitätsvorstellung 125 des Täters voraussetzen und wäre demnach letztendlich eine auf die Kausalität bezogene Absicht im technischen Sinne. Andere lassen es hingegen genügen, wenn der Täter auch nur die Erleichterung der Wegnahme anstrebt. 126 Im subjektiven Tatbestand träte neben den Vorsatz die zusätzliche Absicht der Wegnahmeerleichterung. Gerade dann, wenn mit der herrschenden Meinung auf eine objektive Kausalverknüpfung von Nötigungshandlung und Wegnahme verzichtet wird, müssten 124 St. Rspr. des BGH, etwa BGHSt 4, 210 (211); 20, 32 f.; 48, 365 (368);BGH NStZ 1982, 380 (381); NStZ 2003, 431; NStZ 2006, 508; NStZ 2009, 325; Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 7; derselbe, NJW 1965, 377 (378); Kindhäuser, BTII, § 13 Rn. 18; SK-Samson, Stand September 1986, Rn. 17; Fischer, § 249 Rn. 6. 125 Ausführlich zur Kausalität im 4. Kap. 126 Mitsch, § 3 Rn. 38; Schünemann, JA 1980, 349 (351); wohl auch Brandts, S. 20.
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sich die unterschiedlichen Verständnisse des Finalkonnexes in solchen Fällen auswirken, in denen der Täter um das Gelingen der Wegnahme sicher weiß und sein Handeln lediglich auf deren Erleichterung abzielte. Nach der „engeren“ Auffassung, die eine Ermöglichung der Wegnahme als Zweck der Nötigungshandlung verlangt, schiede vermeintlich eine Strafbarkeit wegen Raubes aus; nach der „weiteren“ Auffassung wäre sie anzunehmen. Bemerkenswert ist daher, dass der Diskrepanz zwischen der Ermöglichung und der Erleichterung der Wegnahme kein Wort gewidmet ist – und das, obwohl ebendiese bei der Gehilfenstrafbarkeit im Mittelpunkt der Diskussion steht. 127 Beispielsweise verweist Samson bei der Darstellung seines „engen“ Finalitätsverständnisses auch auf Quellen, die das „weite“ Finalitätsverständnis befürworten. 128 Brandts lässt einerseits den Zweck der Wegnahmeerleichterung genügen, 129 um dann jedoch zu erklären, dass sich Finalzusammenhang und subjektive Kausalität nicht unterschieden 130 und auch Biletzki setzt den Willen des Täters zur Ermöglichung oder Erleichterung der Wegnahme mit der Kausalitätsvorstellung gleich. 131 Das Finalitätsmerkmal wird meist im Zusammenhang mit der Diskussion um das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme erörtert und deswegen befürwortet, weil es Nachweisschwierigkeiten über den Kausalzusammenhang vermeiden soll. 132 Mit dieser Argumentation ließe sich lediglich der Verzicht auf das objektive Kausalitätserfordernis begründen; eine Aufweichung des entsprechenden Vorsatzes des Täters wäre auf ihrer Grundlage hingegen nicht vonnöten. Daher kann man begründet fragen, ob das weitere Finalitätsverständnis überhaupt ein solches darstellen und in seinem Gehalt tatsächlich über direkten Vorsatz bezüglich eines Ursachenzusammenhangs zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme hinausgehen soll. So fasst Sinn bereits unter die Ursächlichkeit im Objektiven des Raubtatbestandes ebenfalls das Fördern und Erleichtern der Wegnahme. 133 Dies würde erklären, wieso eine Auseinandersetzung dieser vermeintlich verschiedenen Auffassungen nicht stattfindet. Es liegt nahe, dass mit dem Begriff des Erleichterns nichts anderes gemeint ist als Kausalität für den Erfolg in seiner konkreten Gestalt. 134 Nach der wohl herrschenden sog. konkretisierenden Äquivalenztheorie erfasst die konkrete Erfolgsgestalt auch die Zwischenglieder der Kausalkette. 135 Bei einer Erleichterung der Wegnahme würden diese modifiziert, so dass der Einsatz 127 128 129 130 131 132 133 134 135
Vgl. etwa die Darstellung bei MK-Joecks, § 27 Rn. 21. SK-Samson, Stand September 1986, Rn. 17. Brandts, S. 20. Brandts, S. 21. Biletzki, JA 1997, 385 (386). Biletzki, JA 1997, 385; Geilen, JURA 1979, 165 (166). SK-Sinn, § 249 Rn. 36. So jetzt auch LK-Vogel, § 249 Rn. 37. s. dazu 4. Kap. B. III.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
des Nötigungsmittels kausal für die Wegnahme in ihrer konkreten Gestalt wäre. Mit einer solchen Begründung hat Mezger den Streit um die Gehilfenkausalität als gegenstandslos betrachtet, 136 Roxin ihn gar als Scheinproblem bezeichnet. 137 Die Absicht, die Wegnahme zu erleichtern, stimmt daher mit dem dolus directus 1. Grades hinsichtlich der Verursachung des Erfolges in seiner konkreten Gestalt überein. Legt man dieses herrschende Kausalitätsverständnis zugrunde, so sind Finalzusammenhang und Kausalitätsvorsatz deckungsgleich. Gleiches gilt, wenn man ein engeres Kausalitäts- und Finalitätsverständnis zugrundelegt, also Ursächlichkeit für den Erfolg in seiner abstrakten Gestalt und als Zweck des Täterhandelns die Ermöglichung der Wegnahme verlangt. Welche Auswirkungen dies im Einzelnen hat, ist im Zusammenhang zur Frage nach einem Kausalitätserfordernis im Raubtatbestand noch zu klären. 138
136 137 138
Mezger, S. 412 f. Roxin, AT II, § 26 Rn. 187. s. dazu das 4. Kap., insbes. C.
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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„Allein dieser Klassifizierung tritt von vorn herein das Bedenken entgegen, daß das Wesen eines Verbrechens weniger in der Absicht, als in der äußerlichen Handlung selbst zu suchen ist.“ 139
4. Kapitel
Erfordernis eines Kausalzusammenhangs Bei den die Nötigung ausdrücklich ansprechenden Tatbeständen wie den § 177 Abs. 1, 255 StGB muss nach ganz herrschender Auffassung der Einsatz des Nötigungsmittels nicht nur final auf den späteren Erfolg gerichtet, sondern für diesen auch kausal sein. 140 Das Erfordernis der Ursächlichkeit ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Für ein solches stehen sowohl die Formulierung „nötigen zu“ als auch die Formulierung „durch Drohung“, umschreibt der Gesetzgeber doch Kausalität mit eben diesem Wort, wie die §§ 222, 229 StGB zeigen. Dies wäre auf die Gewaltalternative der sexuellen Nötigung zu übertragen. Es ist alles andere als naheliegend, dass der Gesetzgeber bei den Anforderungen an den Zusammenhang zum Nötigungserfolg zwischen den Nötigungsmitteln differenzieren wollte und dies nicht deutlicher zum Ausdruck bringen konnte. Und auch die Formulierung „mit Gewalt“ ist nach hier vertretener Auffassung Ausdruck eines Kausalitätserfordernisses. 141 Bei dem anders formulierten Raubtatbestand ist hingegen die Natur der Verknüpfung Gegenstand einer regen Diskussion. Es ist umstritten, ob in objektiver Hinsicht die – nach dieser Auffassung nicht erforderliche – räumliche und zeitliche Nähe hinreicht oder ob vielmehr eine weitere objektive Verknüpfung von Nötigungsmittel und -ziel im Sinne von Ursächlichkeit zu verlangen ist.
139 Motive zum revidierten Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, Berlin 1833, S. 304. 140 Zur sexuellen Nötigung etwa BGH NStZ 1986, 409; bei Miebach, NStZ 1994, 224; NStZ 2004, 682 (683); NStZ-RR 2006, 269 (270); Schönke / Schröder-Perron / Eisele, § 177 Rn. 4, 12; MK-Renzikowski, § 177 Rn. 51; Sick, S. 211; Teufert, S. 42; SK-Wolters / Horn, § 177 Rn. 8; a. A: LK-Hörnle, § 177 Rn. 56, welche die h.M. als Mindermeinung sieht; zur Erpressung BGHSt 32, 88 (89); Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 7; Mitsch, § 6 Rn. 30; MK-Sander, § 253 Rn. 13. 141 s. A. II.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
A. Erfordernis eines Kausalzusammenhangs in § 249 Abs. 1 StGB I. Verzicht auf eine objektive Verknüpfung Die wohl überwiegende Auffassung, als subjektive Theorie bezeichnet, hält einen Kausalzusammenhang im Raubtatbestand für entbehrlich. 142 Der Wortlaut des § 249 Abs. 1 StGB biete keinen Anknüpfungspunkt für ein Kausalitätserfordernis: Die Formulierung „unter Anwendung von Drohung“ zeige, dass keine Ursächlichkeit bestehen müsse; desgleichen sei „mit Gewalt“ nicht im Sinne von Kausalität, sondern lediglich von Finalität oder räumlicher und zeitlicher Nähe zu verstehen. 143 Dies verdeutliche ein Vergleich mit der Formulierung der §§ 177 Abs. 1, 240 Abs. 1 StGB, „durch Drohung“. 144 Denn wie in § 222 StGB verwende der Gesetzgeber zur Bestimmung von Kausalität die Präposition „durch“ und nicht „mit“. 145 Für die Erfolgszurechnung beim mehraktigen Delikt genüge die Ursächlichkeit auch nur eines Aktes für den tatbestandlichen Erfolg. 146 Bereits das Bestehen eines reinen Finalkonnexes stelle Nötigung und Wegnahme in einen hinreichenden Zusammenhang, der die starke Erhöhung des Strafrahmens durch § 249 Abs. 1 StGB rechtfertige. 147 Schließlich liege der besondere Unwertgehalt des Raubes in der finalen Verknüpfung von qualifizierter Nötigung und Diebstahlsbegehung. Die durch Zueignungsabsicht motivierte Aggression, deren Unterbindung Ratio des Raubtatbestands ist, bestehe unabhängig davon, ob sie kausal für die Wegnahme geworden ist, solange der Täter mit ihr die Ermöglichung oder Erleichterung der Wegnahme bezweckt. 148 Neben dem Strafgrund des Raubes werden drohende Strafbarkeitslücken angeführt. Dem Opfer würde der strafrechtliche Schutz versagt, wenn es ohnehin 149 oder zumindest bei Kenntnis der wahren Absichten des Täters 150 keinen Widerstand geleistet hätte. Hingegen würde der besonders brutale Täter privilegiert, der Raubmittel ohne deren Erfor142 BGHSt 4, 210 (211); 18, 329 (331); BGH NStZ 1982, 380; NStZ 1993, 79; Biletzki, JA 1997, 385 ff.; Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 7; derselbe, NJW 1965, 377 (378); Geilen, JURA 1979, 165 (166); Hagel, S. 311, 389; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 13, 14; Krey / Hellmann, BT2, Rn. 192; Mitsch, § 3 Rn. 38; Müller-Dietz / Backmann, JuS 1971, 412 (418); MK-Sander, § 249 Rn. 26; Schünemann, JA 1980, 349 (352); Vogt, S. 18; von Heintschel / Heinegg-Wittig, § 249 Rn. 8. 143 Biletzki, JA 1997, 385; Vogt, S. 19; s. a. Fn. 287. 144 Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 7; Müller-Dietz / Backmann, JuS 1971, 412 (418); Schünemann, JA 1980, 349 (352). 145 Biletzki, JA 1997, 385; Schünemann, JA 1980, 349 (352). 146 Lund, S. 98. 147 Müller-Dietz / Backmann, JuS 1971, 412 (418). 148 Biletzki, JA 1997, 385; Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 7; MK-Sander, § 249 Rn. 26. 149 Biletzki, JA 1997, 385 f.; Müller-Dietz / Backmann, JuS 1971, 412 (418).
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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derlichkeit oder vorsorglich einsetzt. 151 Der Kausalitätsnachweis sei schwer zu führen, 152 zumal bereits Zweifel an der Notwendigkeit des Nötigungsmitteleinsatzes für den Wegnahmeerfolg einen solchen ausschlössen. 153 Der Verzicht auf das Kausalitätserfordernis sei auch von dem Willen des Gesetzgebers gedeckt. Da dieser den Raubtatbestand durch das 6. StrRG aus kriminalpolitischen Gründen geändert habe, ohne in Kenntnis der Diskussion, vor allem der herrschenden Meinung und Rechtsprechung, das Kausalitätserfordernis aufzunehmen, zeige sich darin sein Einverständnis mit dem Verzicht. 154 II. Kritik Die Formulierung der Drohungsvariante, „unter Anwendung von Drohungen“, zwingt tatsächlich nicht zur Annahme einer Kausalverknüpfung. Der Ausweitung dieses Auslegungsergebnisses auf die Gewaltvariante liegt die auch hier häufiger herangezogene systematische Erwägung zugrunde, dass zwischen den jeweiligen Nötigungsmitteln und dem -erfolg ein gleichgearteter Zusammenhang bestehen muss, so dass von der Formulierung der einen Variante auf die Ausgestaltung der anderen Variante zu schließen ist. Dann zeigt jedoch gerade der Verweis auf die §§ 177 Abs. 1, 240 Abs. 1, 253 StGB, dass die Argumentation auf Grundlage des Gesetzeswortlautes nicht trägt; ebendort verwendet der Gesetzgeber die Formulierungen „mit Gewalt“ und „durch Drohungen“ parallel. Wenn der finale Gehalt der Formulierung „unter Anwendung von Drohungen“ auf die Formulierung „mit Gewalt“ zu übertragen ist, dann muss der kausale Gehalt der Formulierung „durch Drohungen“ es ebenso sein. Der Gesetzgeber beschreibt Kausalität eben auch durch die Verwendung der Präposition „mit“. Im Übrigen zeigt die Gesetzgebungsgeschichte der Erpressung, dass der damalige Gesetzgeber die Formulierungen „durch“ und „unter Anwendung“ als bedeutungsgleich ansah. 155 Dies spiegelt sich heute in den unterschiedlichen Formulierungen der einfachen und der räuberischen Erpressung wider. Während die der einfachen Erpressung diesbezüglich derjenigen der sexuellen Nötigung entspricht, „mit Gewalt oder durch Drohung“, ist die räuberische Erpressung gleich dem Raub, „durch Gewalt [...] oder unter Anwendung von Drohungen“, ausgestaltet. Wenn 150 Eser, NJW 1965, 377 (378); Müller-Dietz / Backmann, JuS 1971, 412 (418) nennen hier den Fall, dass sich das Opfer widersetzt in der Annahme, es solle vergewaltigt werden, jedoch keinen Widerstand geleistet hätte, wenn es nur die Wegnahme fürchtet und der Täter auch nur eine solche bezweckt hätte. 151 Biletzki, JA 1997, 385 (386); Geilen, JURA 1979, 165 (166); Schünemann, JA 1980, 349 (352). 152 Biletzki, JA 1997, 385; Geilen, JURA 1979, 165 (166). 153 Schünemann, JA 1980, 349 (352). 154 MK-Sander, § 249 Rn. 26. 155 s. dazu 5. Kap. B. I. 1. c).
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
man den Gesetzeswortlaut dennoch heranziehen will, dann ist es im Hinblick auf seine Grenze bedenklich, von der weiteren Formulierung auf die engere zu schließen. 156 Stattdessen ist auf den größten gemeinsamen Nenner zurückzugreifen, und zwar die unbestrittenen Fälle von Kausalität und Finalität, um im Übrigen die Versuchsstrafbarkeit genügen zu lassen. Letztere ermöglicht es, den erhöhten Motivationsunwert hinreichend zu erfassen; 157 gerade das Hinausschießen des Motivations- über den Geschehensunwert ist Kennzeichen des Versuchs. Eine Versuchsstrafbarkeit ist auch in den Fällen gegeben, in denen das Opfer nur aus einem Irrtum über die Beweggründe des Täters Widerstand leistet, und der Täter diesen Irrtum nicht kennt. Wehrt sich das Opfer etwa allein deswegen, weil es einen sexuellen Übergriff erwartet, während der Täter nur sein Geld erlangen will, so handelt dieser mit Tatentschluss. Weiß er hingegen um den Irrtum des Opfers, dann weiß er zugleich, dass die Nötigungshandlung nicht kausal für die Wegnahme ist. Damit entfällt aber auch der erforderliche Finalzusammenhang bzw. Tatentschluss, 158 so dass auch nach der weiteren Auffassung eine Strafbarkeit wegen Raubes ausschiede. Gleiches gilt, wenn das Opfer generell keinen Widerstand geleistet hätte: Befürchtet der Täter einen solchen, so ist der Versuchstatbestand eröffnet; tut er dies nicht, so fehlt es an der Instrumentalisierung des Nötigungsmittels und dem spezifischen subjektiven Raubunrecht. Die Gewaltanwendung ist dann in objektiver und subjektiver Hinsicht und auch in ihrem Unwert eine schlichte Körperverletzung. Der Erfassung dieser Fälle als Raubversuche wird jedoch entgegengesetzt, dass die §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB eine Möglichkeit zur Milderung eröffneten, obwohl eine solche aufgrund der Gefährlichkeit des Täters nicht gerechtfertigt sei. 159 Die bloße Möglichkeit der Strafmilderung hindert Gerichte jedoch nicht daran, den gesamten Strafrahmen des vollendeten Deliktes auszuschöpfen. In den Fällen fehlender Kausalität setzt der Täter durch den Einsatz des Nötigungsmittels – zumindest in objektiver Hinsicht – kein spezifisches Raubrisiko und begeht damit kein gegenüber der Bedrohung, der Körperverletzung und dem Diebstahl erhöhtes Raubunrecht. 160 Die Fälle reinen Motivationsunrechts sind nun eben die der Versuchsstrafbarkeit. Die behaupteten Schutzlücken bestehen demnach gar nicht. Nach allgemeiner Auffassung ist der Raub nicht nur Spezialtatbestand zum Diebstahl, sondern auch zur Nötigung. Für diese folgt wiederum aus dem Begriff 156 Kritisch auch Seelmann, JuS 1986, 201 (204), der die Formulierung allein auf sprachliche Gründe zurückführt; durch Drohung lasse sich nichts wegnehmen, vielmehr müsse der Täter selbst tätig werden. 157 Bockelmann, S. 46; SK-Günther, § 249 Rn. 36; Seelmann, JuS 1986, 201 (203 f.). 158 s. 3. Kap. D. 159 Biletzki, JA 1997, 385. 160 NK-Kindhäuser, 2. Auflage, § 249 Rn. 10.
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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des Nötigens, dass sie einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Einsatz des einfachen Nötigungsmittels und dem Nötigungserfolg voraussetzt. 161 Mit diesen allgemein anerkannten Grundsätzen ist es nicht vereinbar, für den Raubtatbestand gänzlich auf ein Kausalitätserfordernis zu verzichten. Laut Rengier soll sich der Widerspruch dadurch auflösen, dass man als Nötigungserfolg der im Raub enthaltenen Nötigung die Duldung der Gewaltanwendung ansieht. 162 Der Begriff des Nötigens setzt jedoch zwingend das Hervorrufen eines vom Einsatz des Nötigungsmittels trennbaren Erfolgs voraus. Demzufolge unterscheidet der Nötigungstatbestand zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und dem Nötigungserfolg einer Handlung, Duldung oder Unterlassung. Wäre nur die Duldung des Nötigungsmittels tauglicher Nötigungserfolg, liefe die gesonderte Nennung des Nötigungserfolges leer. Erst das Erzwingen eines weiteren Verhaltens wird dem Charakter der Nötigung als Willensbeugungs- oder Willensumgehungsdelikt gerecht. Sonst wäre zugleich mit jeder Körperverletzung der Tatbestand der Nötigung erfüllt, da das Opfer den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit zu dulden gezwungen ist. Übertragen auf die Drohungsvariante müsste in jeder Bedrohung mit einem Verbrechen gegen die körperliche Unversehrtheit oder gegen das Leben eine Nötigung zu deren Erdulden liegen, obwohl das Gesetz die Bedrohung trotz Einsatzes eines massiveren Nötigungsmittels – der Drohung mit einem Verbrechen im Gegensatz zu einer solchen mit einem empfindlichen Übel – in § 241 StGB gerade deswegen minder sanktioniert, weil dem Opfer nichts aufgezwungen und damit seine persönliche Freiheit nicht verletzt wird. Schutzgut der Bedrohung ist lediglich das Vertrauen des Einzelnen in seinen Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit. 163 Rengiers Vorschlag ist damit nicht geeignet, den Widerspruch aufzulösen. Es bleibt nur, eine der beiden Prämissen zu verwerfen: entweder ist der Raub keine lex specialis zur Nötigung, sondern nur zum Nötigungsversuch, oder er setzt Kausalität zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und einem vom Täter bezweckten Opferverhalten voraus. Die Einordnung als Spezialdelikt zur Nötigung findet seine Stütze in der Gesetzgebungsgeschichte, in der der Raub teilweise als auf die Diebstahlsbegehung spezifizierte Nötigung ausgestaltet war oder werden sollte. Man wird daher zumindest eine Kausalverknüpfung zwischen dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels und einem beabsichtigten Nötigungserfolg in Form eines Opferverhaltens verlangen müssen; allein die Kausalität dieses Opferverhaltens für die Wegnahme dürfte damit noch disponibel sein. Diese Lücke schließt sich, wenn man auch in der räuberischen Erpressung einen Auffangtatbestand zum Raub sieht, indem man die Duldung der Wegnahme als abgenötigtes Verhalten i. S. d. §§ 253, 255 StGB genügen lässt. Das Erfordernis eines durchlaufenden Kausalzusammenhangs aus dem Tatbestand 161 162 163
Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 14; Fischer, § 240 Rn. 6. Rengier, Maurer-FS, 1195 (1196 f.). SK-Wolters / Horn, § 241 Rn. 2.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
der Erpressung müsste dann auch für den Raubtatbestand gelten. Die Rechtsprechung und ihr zustimmende Teile der Literatur verstricken sich daher in Widersprüche, wenn sie einerseits auf einen Ursachenzusammenhang im Tatbestand des Raubes verzichten, und andererseits die räuberische Erpressung mit dem Erfordernis eines durchlaufenden Kausalzusammenhangs als Auffangtatbestand sehen. 164 Entweder ist der Raub kein Spezialtatbestand zur räuberischen Erpressung oder er setzt doch Kausalität voraus, und zwar nicht nur zwischen Nötigungsmittel und Opferverhalten, sondern auch zwischen Opferverhalten und Wegnahme als Herbeiführung des Vermögensschadens. Selbst wenn man die Auffassung der Rechtsprechung nicht teilt und Raub und räuberische Erpressung in einem Exklusivitätsverhältnis sieht, da letztere eine Vermögensverfügung des Nötigungsopfers voraussetze, 165 ist das Erfordernis eines durchlaufenden Kausalzusammenhangs auf den Raub zu übertragen. Besteht bei der räuberischen Erpressung ebenso wie bei der sexuellen Nötigung das Geschehensunrecht in der Ursächlichkeit des ersten Aktes für den zweiten Akt, dann muss dies ebenfalls beim Raubtatbestand so sein. Es wäre auch mit der gesetzgeberischen Zielsetzung, den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung zumindest anzugleichen, nicht vereinbar, den Raubtatbestand weiter zu fassen als den der sexuellen Nötigung mit seinem Kausalitätserfordernis. Zieht man nun noch einen Vergleich zum Tatbestand des Betruges, zeigt sich eine einheitliche Struktur: Immer dann, wenn der Täter ein missbilligtes Mittel der Willensbeugung oder Willensumgehung einsetzt, um einen Vorteil materieller oder immaterieller Art zu erlangen, wird die Ursächlichkeit der eingesetzten Mittel für die Erreichung des weiteren Ziels verlangt. So stellt Samson allgemein fest, dass derjenige Täter, der irrtümlicherweise Ursächlichkeit seines Verhaltens annimmt, wegen Versuchs zu bestrafen und daher durch die Möglichkeit der Strafmilderung besser gestellt ist. 166 Bei einem Verzicht auf das Kausalitätserfordernis fiele der Raub im Vergleich mit der Gesamtheit der ähnlich strukturierten Delikte aus der Reihe. Der in der Finalität liegende Strafgrund kann dies nicht hinreichend ausgleichen – schließlich ließe sich etwa auch der Strafgrund des Betruges als durch Bereicherungsabsicht motivierte Täuschung, der Strafgrund der Erpressung als durch Bereicherungsabsicht motivierte Aggression oder gar 164
So aber die st. Rspr. des BGH, vgl. BGHSt 7, 252 (254); 14, 381 (390); 25, 244 (228); NStZ 1999, 350 (351); NStZ 2003, 604 (605); Geilen, JURA 1979, 165 (166) und JURA 1980, 43 (51 f.); in der Lit.: LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 14 und § 255 Rn. 10 ff., 15; Schünemann, JA 1980, 340 (352) und 486 (491); NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 32 spricht daher von Subsidiarität. 165 So die wohl noch h. L.: etwa Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 8 m.w. N.; Maurach / Schröder / Maiwald, § 42 Rn. 37; Rengier, JuS 1981, 654 (662); MK-Sander, § 253 Rn. 13 ff.; SK-Samson, Stand September 1986, Vor § 249 Rn. 13 ff.; H. Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (96); Tenkhoff, JR 1974, 489 (490 f.). 166 SK-Samson, Stand September 1986, § 249 Rn. 18.
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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der Strafgrund des Totschlags als die Vornahme einer tödlichen Handlung unter für Möglichhalten des Todeseintritts definieren. Ein solches Hinausragen des Subjektiven über das Objektive ist das Kennzeichen des Versuchs, wenn nicht dem Gesetz ausdrücklich zu entnehmen ist, dass allein eine überschießende Innentendenz für die Vollendungsstrafbarkeit genügt. Während dies im Tatbestand des räuberischen Diebstahls geschehen ist, findet sich im Raubtatbestand kein hinreichendes Anzeichen für eine über die der Zueignung hinausgehende Subjektivierung. 167 Allein, dass der Gesetzeswortlaut eine solche zulässt, genügt nicht. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber entschieden, die Wegnahme nicht nur als Gegenstand einer solchen überschießenden Innentendenz zu erfassen, und sie in den objektiven Tatbestand aufgenommen, obwohl ihm der Weg einer stärkeren Erfolgskupierung – die Regelung als qualifizierte Nötigung in diebischer Absicht – ebenso offengestanden hätte. Sollte das Regelungsziel gewesen sein, den Erfolg zu objektivieren, aber nicht den Zusammenhang zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel und diesem, dann hätte er eine solch ungewöhnliche Regelung deutlich formulieren müssen. Spricht der Gesetzeswortlaut sogar gegen eine solche Subjektivierung, müssen die allgemeinen Zurechnungsregeln gelten, die das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs beinhalten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der herrschenden Auffassung bei den Ausarbeitungen des 6. StrRG nicht in den objektiven Tatbestand des § 249 Abs. 1 StGB eingegriffen und das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs klargestellt hat. Die einzige Änderung am Grundtatbestand des Raubes war die Aufnahme der Drittzueignungsabsicht. Sie bezog sich nur auf den subjektiven Tatbestand und war Folge des Bestrebens, die Drittzueignungsabsicht ausdrücklich strafrechtlich zu erfassen und dadurch Strafbarkeitslücken zu schließen. 168 Sie wurde zugleich in die Tatbestände der §§ 242, 246, 292 und 293 StGB eingeführt; der Einführung lag damit ein gewisser Automatismus zugrunde. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber dabei den gesamten Tatbestand des Raubes revidiert hat. Auch die Vorgeschichte der Großen Strafrechtsreform lässt sich für die Frage nach einem Kausalitätserfordernis nicht fruchtbar machen. In den Entwürfen 1959, 1960, 1962 169 war ein Kausalitätserfordernis eindeutig formuliert: „dadurch wegnimmt“. So führten auch die Begründungen aus, dass die Wegnahme durch die qualifizierte Gewaltanwendung oder Drohung bewirkt sein müsse. Dieses Verständnis entspreche im Wesentlichen geltendem Recht. 170 Bereits 1953 167
So auch SK-Sinn, § 249 Rn. 36. BT-Drs. 13/7164, S. 43. 169 § 251 E 1959 Raub / § 245 E 1960 / § 245 E 1962. „(1) Wer eine fremde bewegliche Sache, um sie sich oder einem anderen widerrechtlich zuzueignen, jemandem dadurch wegnimmt oder abnötigt [...]“. 168
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
hatte der BGH jedoch ausdrücklich festgehalten, dass es auf einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme nicht ankomme. 171 Die neue Formulierung entsprach damit zumindest nicht dem Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Problematik des Kausalitätserfordernisses wurde bei der Ausarbeitung der Entwürfe offenbar ausgeblendet. Daher können wohl weder die Entwürfe für noch deren Nichtumsetzung gegen das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs herangezogen werden, zumal sich der AE 1966 und die weiteren Reformen auf den Allgemeinen Teil und Teilbereiche des Besonderen Teils konzentrierten und den Raubtatbestand aussparten. Schließlich sind auch Beweisnöte kein tragendes Argument, da sich die Schwierigkeit eines Kausalitätsnachweises bei jedem Erfolgsdelikt in gleicher Weise stellt 172 und das Bestehen eines Finalzusammenhangs nicht weniger schwer nachweisbar ist als das eines Ursachenzusammenhangs. 173 III. Der raubspezifische Zurechnungszusammenhang nach Kindhäuser Nach nun revidierter Auffassung Kindhäusers 174 sei sowohl die subjektive als auch die objektive Auffassung abzulehnen. Die subjektive Auffassung sei nicht in der Lage, das erhöhte Raubunrecht zu erklären; andererseits sei es nicht überzeugend, einen Raub zu verneinen, nur weil das Opfer zufällig nicht zum Widerstand fähig war. Er entwickelte daher eine eigene Konzeption eines Zusammenhangs zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Nötigungserfolg: Zu verlangen sei ein raubspezifischer Zusammenhang im Sinne einer objektiven Zweck-MittelRelation. Der Täter müsse „einen (bei objektiver ex-ante-Betrachtung) zu erwartenden Widerstand gegen die Wegnahme überwinden oder ausschalten“, ob das Opfer tatsächlich Widerstand geleistet hätte, sollte ohne Bedeutung sein. 175 Kindhäuser reicherte damit einen rein subjektiven Zusammenhang um die objektive Kategorie der ex-ante-Perspektive eines mit der Situation vertrauten Beobachters an und kam zu folgenden Differenzierungen: War rückblickend keine Kausalverknüpfung gegeben, indes objektiv zu überwindender Widerstand zu erwarten, 170
Begründung zu § 245 E 1960, S. 382, und zu § 245 E 1961, BT-Drs. IV/650 415. BGHSt 4, 210 (211). 172 Gössel, BT2, § 13 Rn. 33; SK-Sinn, § 249 Rn. 36 sieht in der Beweisnot generell kein Auslegungskriterium. 173 MK-Sander, § 249 Rn. 26, der jedoch das Kausalitätserfordernis wegen des Strafgrundes des § 249 Abs. 1 StGB ablehnt. 174 NK-Kindhäuser, 2. Auflage, § 249 Rn. 10 ff; anders nun die 3. Auflage, § 249 Rn. 10 ff. 175 NK-Kindhäuser, 2. Auflage, § 249 Rn. 12. 171
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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dann sei der raubspezifische Zusammenhang in objektiver Hinsicht gegeben. Als subjektives Gegenstück bliebe Kausalitätsvorsatz. Hat der Täter diesen und darüber hinaus final gehandelt, sei vollendeter Raub gegeben. Hätte ein objektiver Beobachter ex-ante die Gewalt für nicht erforderlich gehalten, der Täter dagegen schon, dann liege nur Raubversuch vor. Kindhäusers vormaliger Ansatz ist insoweit konsequent, als er für die Tatbestände der einfachen und der räuberischen Erpressung den Zusammenhang zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Erfolg in der gleichen Weise bestimmte. 176 Denn unabhängig davon, ob man den Raubtatbestand als Spezialtatbestand zur räuberischen Erpressung ansehen möchte oder lediglich aufgrund der engen Verwandtschaft und des Strafrahmenbezugs von dem Geschehensunrecht des einen auf das des anderen schließt, ist ein Gleichlauf der Auslegung sachgerecht. Gleichwohl bestehen Unterschiede zu den sonstigen Tatbeständen, die eine Willensbeugung oder -umgehung voraussetzen. Sowohl bei der Nötigung 177, gegenüber der § 249 Abs. 1 StGB auch nach Kindhäusers Verständnis Spezialtatbestand sein soll, 178 als auch bei dem Betrugstatbestand 179 geht er von dem Erfordernis eines Kausalzusammenhangs aus. Schließlich steht Kindhäusers ehemaliger Konzeption der Gesetzeswortlaut entgegen: bei § 249 Abs. 1 StGB die Kausalität beschreibende Formulierung „mit Gewalt“, bei dem einfachen und den speziellen Nötigungstatbeständen der Begriff des Nötigens. So schreibt Kindhäuser selbst, dass die Nötigung Mittel zur Wegnahme sein muss. Das ist sie jedoch unabhängig von der ex-ante-Perspektive eines objektiven, mit der Situation vertrauten Beobachters und nur bei Ursächlichkeit. Ferner bleibt offen, weshalb diese zusätzliche Kategorie herangezogen werden und sie allein „sachgemäß“ 180 sein soll. Sie scheint das Ergebnis von Kindhäusers Unbilligkeitserwägung zu sein, dass vollendeter Raub nicht ausscheiden dürfe, wenn sich im Nachhinein die Überflüssigkeit der Nötigungshandlung herausstellt oder das Tatopfer aus Zufall nicht zur Gegenwehr in der Lage war. Für all diese Fälle steht die Versuchsstrafbarkeit offen; denn dass der Täter selbst von der Erforderlichkeit der Nötigungshandlung ausgehen muss, nahm auch Kindhäuser an. 181 Dann besteht auch kein Bedarf, den Tatbestand durch dieses zusätzliche Kriterium zu reduzieren, das keine Anbindung im Gesetz findet. 176 NK-Kindhäuser, 2. Auflage, § 253 Rn. 32 und § 255 Rn. 4; anders auch hier die 3. Auflage, § 253 Rn. 31. 177 Kindhäuser, BTI, § 13 Rn. 31. 178 Kindhäuser, BT II, § 13 Rn. 34. 179 Kindhäuser, BTII, § 27 Rn. 72. 180 NK-Kindhäuser, 2. Auflage, § 249 Rn. 12. 181 NK-Kindhäuser, 2. Auflage, § 249 Rn. 12 und § 253 Rn. 32; derselbe, BT II, § 13 Rn. 18.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
IV. Ergebnis der Diskussion um ein Kausalitätserfordernis Somit setzt auch der Raubtatbestand eine kausale Verknüpfung von Gewaltanwendung oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und dem Nötigungserfolg, darüber hinaus auch zur Wegnahme voraus. 182 Wie stark der Raubtatbestand dadurch tatsächlich eingeschränkt wird, ist anhand der gängigen Kausalitätsmodelle zu überprüfen.
B. Grundlagen der Kausalität I. Kausalitätsmodelle 1. Condicio-sine-qua-non-Formel Nach der klassischen condicio-sine-qua-non-Formel ist eine ursächliche Verknüpfung dann gegeben, wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. 183 Damit ist festgestellt, dass die Handlung des Täters notwendige Bedingung für den noch genauer zu bestimmenden Erfolg sein muss. Wie der Formel zu entnehmen ist, erfolgt die Kausalitätsbestimmung aus einer objektiven ex-post-Perspektive. Die condicio-sine-qua-non-Formel hat viel Kritik erfahren, maßgeblich den Vorwurf des Zirkelschlusses. 184 Ihr komme rein kontrollierende Bedeutung zu, 185 sie sei weder Definition noch taugliche Formel zur Bestimmung von Kausalität 186 oder überflüssig und falsch. 187 Denn um zu ermitteln, ob der Erfolg bei Wegdenken der möglichen Ursache entfiele, setze die Bestimmung von Kausalität anhand dieser Formel die Kenntnis der Ursächlichkeit bereits voraus. Stattdessen sei unter die bekannten Kausalgesetze zu subsumieren. 188 Auch könne die condicio-sine-qua-non-Formel die Fälle der Mehrfachkausalität nicht lösen; sie 182 So auch Arzt / Weber / Heinrich / Hilgendorf, § 17 Rn. 11; Bockelmann, S. 46; Frank, § 249 IV; Jakobs, Eser-FS, 323 (331 f.); Merkel, S. 323; SK-Günther, § 249 Rn. 36; Schmidhäuser, 8/50; Seelmann, JuS 1986, 201 (204); Wolter, NStZ 1985, 245 (248); derselbe, JR 1986, 173. 183 So schon RGSt 44, 230 (244); 75, 273 (374); außerdem st. Rspr. des BGH, etwa BGHSt 1, 332 (333); 2, 20 (24); 7, 112 (114); BGHSt 39, 195 (197); 45, 270 (294f)., 49, 1 (3); in der Lit. etwa v. Buri, S. 1; Traeger, S. 38 ff.; Welzel, S. 43 ff. 184 Engisch, Kausalität S. 18 f.; Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 9; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 96 ff.; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 40. 185 Schönke / Schröder-Eser, Vor § 1 Rn. 40; ähnlich Hilgendorf, GA 1995, 515 (525). 186 Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 9. 187 Erb, JuS 1994, 449 (450). 188 Engisch, S. 26; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 40.
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müsste dort, beim Wort genommen, Kausalität verneinen, was als untragbar angesehen wird. 189 2. Formel der gesetzmäßigen Bedingung Auf der Grundlage solcher Kritik entwickelte Engisch die Formel der gesetzmäßigen Bedingung. Danach erweist sich ein Verhalten dann als ursächlich, „wenn sich an jenes Verhalten als zeitlich nachfolgend Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit dem Verhalten und untereinander in ihrer Aufeinanderfolge (natur-)gesetzmäßig verbunden waren und die ausgemündet sind in irgendeinen Bestandteil des konkreten Sachverhaltes, der dem Strafgesetzte gemäß als Erfolg abgegrenzt ist [...].“ 190 Geprüft wird aus einer objektiven ex-post-Perspektive 191, ob die konkrete Handlung im konkreten Erfolg tatsächlich wirksam geworden ist. 192 Diese Prüfung vollzieht sich in zwei Schritten: Zunächst ist zu ermitteln, ob ein auf den Einzelfall anwendbares naturwissenschaftliches Kausalgesetz existiert, sog. generelle Kausalität; dann, ob der Einzelfall unter dieses Kausalgesetz subsumiert werden kann. 193 Wie auch die condicio-sine-qua-non-Formel geht die Formel der gesetzmäßigen Bedingung von der Gleichwertigkeit aller Ursachen aus. 194 Kausalität ist daher auch dann gegeben, wenn eine andere Bedingung für den Erfolg als überwiegend ursächlich erscheint. 195 An der Formel der gesetzmäßigen Bedingung kritisieren Puppe 196 und daran angelehnt Dencker 197 und Frister 198, dass sie den Begriff der Bedingung verwende, ohne ihn zu definieren. Da die Kategorie der hinreichenden Bedingung „keinerlei Potenz zur Isolierung zurechnungserheblicher Verhaltensweisen“ enthalte, müsse in Einklang mit der condicio-sine-qua-non-Formel auf die Notwendigkeit der Bedingung zurückgegriffen werden. 199 Den Erkenntnissen der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung komme Bedeutung bei der Feststel189
Jescheck / Weigend, S. 282; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 40. Engisch, Kausalität, S. 21; ihm folgend etwa Erb, JuS 1994, 449 (450); Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 15; Jescheck / Weigend, S. 283; Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rn. 75; SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 41. 191 Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 13. 192 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 75. 193 SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 42. 194 SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 40. 195 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 76. 196 Puppe, Erfolgszurechnung, S. 67. 197 Dencker, Kausalität, S. 26. 198 Frister, 9. Kap. Rn. 7. 199 Dencker, Kausalität, S. 26 f. in Anlehnung an Puppe, ZStW 92 (1980), 863 (867) und ZStW 95 (1983), 287 (301). 190
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lung der Notwendigkeit zu, da hierfür ein Rückgriff auf die Gesetzmäßigkeiten unumgänglich sei. 200 3. Konzeption Puppe Aus dieser gemeinsamen Kritik und Grundthese werden jedoch unterschiedliche Kausalitätsdefinitionen entwickelt. Die Konzeption Puppes führt zu keinen anderen Ergebnissen als die herrschende Meinung, da sie gerade in dem Bestreben entwickelt wurde, deren für richtig befundene Ergebnisse konsequent zu begründen. 201 Eine Ursache ist danach ein notwendiger Bestandteil einer nach allgemeinen empirischen Gesetzen hinreichenden und wahren Mindestbedingung für den Erfolg. 202 Durch das Verschieben des Notwendigkeitskriteriums in die abstrakte Kausalitätsdefinition sollen auch die Fälle der Mehrfachkausalität als Ursachen erfasst werden, ohne das Notwendigkeitskriterium aufzugeben, wie es durch die Ergänzungsformeln 203 zur condicio-sine-qua-non-Formel geschieht. Für die Fälle ohne alternative oder hypothetische Kausalität ergeben sich hingegen keinerlei Besonderheiten gegenüber der allgemeinen condicio-sine-quanon-Formel; der Einfachheit halber kann auch hier von der Notwendigkeit der Bedingung ausgegangen werden. 4. Konzeption Dencker und Frister Dencker und Frister hingegen halten an der klassischen condicio-sine-quanon-Formel fest und fordern in allen Fällen die Notwendigkeit der Bedingung. Die Definition der Kausalität nach der condicio-sine-qua-non-Formel und nicht die generelle Kausalität sei die Norm, die Gesetzmäßigkeiten seien der zu subsumierende Sachverhalt. 204 Dencker kombiniert somit die condicio-sine-qua-non200
Dencker, Kausalität, S. 47; ähnlich Frister, 9. Kap. Rn. 7. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 100. 202 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 103 ff.; dieselbe, Erfolgszurechnung, S. 71; dieselbe, JZ 1994, 1147 (1149). 203 Zur alternativen Kausalität etwa Traeger, S. 47 f.: „Ferner muß von zwei oder mehreren Umständen, trotzdem sie einzeln weggedacht den juristisch relevanten Erfolg als gänzlich unverändert lassen, jeder Umstand als Bedingung im Rechtssinne gelten, wenn die beiden oder die mehreren Umstände selbstständig entscheidende Bedingungen im Verhältnis zueinander sind, wenn sie also insgesamt nicht weggedacht werden können, ohne dass der juristisch bedeutsame Erfolg entfiele.“; Zusatz für hypothetische Ersatzbedingungen etwa bei OGHSt 1, 49, 50; BGHSt 2, 20 (24): „Eine Handlung kann auch dann nicht hinweggedacht werden, ohne daß der Erfolg entfiele, wenn die Möglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit besteht, daß ohne die Handlung des Täters ein anderer eine – in Wirklichkeit jedoch nicht geschehene – Handlung vorgenommen hätte, die ebenfalls den Erfolg herbeigeführt haben würde.“ 204 Dencker, Kausalität, S. 47. 201
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Formel mit der Erkenntnis der Formel der gesetzmäßigen Bedingung. Im Hinblick auf die Begrifflichkeit der Kausalität unterscheiden sich die Konzeption Denckers und Fristers und die condicio-sine-qua-non-Formel nicht, da beide die Notwendigkeit der Bedingung für den noch näher zu bestimmenden Erfolg voraussetzen. Durch das konsequente Durchhalten des Notwendigkeitskriteriums lehnen Dencker und Frister jedoch in den Fällen der sog. Mehrfachkausalität das Bestehen eines Ursachenzusammenhangs ab und vermeiden dadurch den Vorwurf der Inkonsequenz. Durch die abstrakte Erfolgsbestimmung 205 ebenso wie das ausdrückliche Einbeziehen von Naturgesetzen wird ferner der Vorwurf des Zirkelschlusses entkräftet. II. Sonderprobleme der Kausalität 1. Psychische Kausalität Innerhalb aller Kausalitätskonzepte stellt sich das Problem der psychischen Kausalität. Während im Rahmen der physischen Kausalität auf die bekannten Naturgesetze zurückgegriffen werden kann und daher allein der Rahmen für eine freie richterliche Beweiswürdigung diskutiert wird 206, ist bei der psychischen Kausalität bereits deren Existenz und Beschaffenheit umstritten. So hielt das RG für die Kausalitätsbestimmung zwischen Täuschungshandlung und Vermögensverfügung beim Betrug die allgemeinen Kausalitätsregeln für maßgebend; 207 in dem sog. Referendarsurteil stellte der BGH hingegen ohne nähere Begründung und ohne Anlass zu dieser Klarstellung fest, dass die Grundsätze der physischen Kausalität nicht auf psychische Vorgänge übertragbar seien. 208 Grund soll die fehlende Zwangsläufigkeit menschlicher Entscheidungsprozesse sein. 209 So lehnt etwa Kahrs das Bestehen von psychischen Kausalzusammenhängen mit dieser Argumentation gänzlich ab 210 – wie im Übrigen die Eignung der Kausalität als Zurechnungsprinzip. 211 Die Entscheidungsbildung verlaufe – so zumindest die Prämisse des StGB – willensfrei und nicht unter dem Zwang eines Naturgesetzes, so dass Kausalität ausscheide.
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s. u. III. Vgl. zu diesem Streit etwa SK-Rudolphi, Vor § 1 Rn. 42a ff.; Puppe, JZ 1994, 1147 (1150). 207 RGSt 76, 82 (86). 208 BGHSt 13, 13 (15). 209 Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vor § 13 Rn. 75; Kahrs, S. 23; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 125; dieselbe, Erfolgszurechnung, S. 57; dieselbe, JR 1994, 514 (516); dieselbe, ZStW 95 (1983), 297 (294); Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 183. 210 Kahrs, S. 22 ff. 211 Kahrs, S. 19 ff. 206
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Auch Puppe bezweifelt für den Bereich der menschlichen Psyche die Existenz von Kausalzusammenhängen im klassischen Sinne, da sich Entscheidungsprozesse grundsätzlich allgemeinen Gesetzmäßigkeiten entzögen. 212 Nur in Sonderfällen lasse sich ein Bedingungsverhältnis in diesem strengen Sinne begründen, etwa zwischen einer Informationsquelle und dem Entschluss, der auf der Grundlage ihrer Informationen gebildet wurde. 213 Im Bereich der psychischen Kausalität im engeren Sinne, durch Motivation, lasse sich die Notwendigkeit hingegen nicht begründen, da es keine allgemeinen Gesetze darüber gebe, unter welchen Bedingungen Personen bestimmte Entschlüsse fassen. 214 Daher sei „die Illusion eines einheitlichen Kausalbegriffs“ preiszugeben und die Zurechnung von Erfolgen kraft psychisch vermittelter Beeinflussung auf eine grundsätzlich andere Basis, bezeichnet als Motivationskausalität, zu stellen. 215 Zu fragen sei danach, ob der Beeinflusste sich den Anreiz zum Grunde seines Entschlusses genommen hat. 216 Engisch und Dencker sehen hingegen wie das RG keine Besonderheit der psychischen gegenüber der physischen Kausalität. 217 Der Begriff der Notwendigkeit einer Bedingung lasse sich in einem doppelten Sinn verstehen, einmal „als Notwendigkeit des Geschehensablaufs im Sinne von Zwangsläufigkeit“ – aus A folgt immer B –, aber auch als Notwendigkeit der Handlung für den Erfolg 218 – ohne A kein B. Das erstere gebe es bei der psychischen Kausalität kaum, letzteres schon und reiche aus. 219 Die fehlende Zwangsläufigkeit des weiteren Geschehens stehe der Notwendigkeit der Bedingung für dieses nicht entgegen. 220 Auch im psychischen Bereich fänden sich – vom Gesetz vorausgesetzt – recht verlässli212
NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 125; dieselbe, Erfolgszurechnung, S. 57 ff.; dieselbe, JR 1994, 514 (516); dieselbe, JZ 1994, 1147 ff., dieselbe, ZStW 1995, 287 (293 ff.); ähnlich Schönke / Schröder-Lenckner / Eisele, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rn. 75; Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 10. 213 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 127. 214 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 129. 215 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 131, dieselbe, JR 1994, 515 (516); dieselbe, ZStW 95 (1983), 297 (297 f.); dieselbe, Erfolgszurechnung, S. 58 f.; ähnlich Schönke / SchröderLenckner / Eisele, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rn. 75; Lackner / Kühl, Vor § 13 Rn. 10. 216 Puppe, Erfolgszurechnung, S. 59; dieselbe, JR 1994, 515 (516) und NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 131. 217 Engisch, Weber-FS, 247 (269); Dencker, Kausalität, S. 31 f.; außerdem auch Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 27; Roxin, AT I, § 11 Rn. 31; Traeger, S. 35 spricht sogar von der Überlegenheit der psychischen Kausalität, da sie unmittelbar erlebt werde und nicht allein festgestellt. Differenzierend Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 186 ff. 218 Dencker, Kausalität, S. 31 f. 219 Engisch, Weber-FS, 247 (269); Dencker, Kausalität, S. 32 f. 220 Dencker, Kausalität, S. 39 f.; Kahrs begeht demnach den Fehler, die nicht erforderliche Zwangsläufigkeit des Geschehens mit der erforderlichen Notwendigkeit der Bedingung gleichzusetzen und argumentiert aus eine ex-ante-Perspektive; gerade dies ist jedoch
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che Regelhaftigkeiten, die Prognosen menschlichen Verhaltens ermöglichten. 221 Der Unterschied zwischen physischer und psychischer Kausalität liege lediglich, und das auch nicht in jedem Fall, in der Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Eigenverantwortlichkeit stehe nicht der Kausalität entgegen, sondern allenfalls der Zurechnung. 222 Für die psychische Kausalität lässt sich damit festhalten, dass es sie gibt. Ob sie keinerlei Besonderheit gegenüber der physischen Kausalität aufweist oder grundlegend anders ist und dennoch als Ursächlichkeit im strafrechtlichen Sinne einzuordnen ist, kann hier dahinstehen. 2. Hypothetische Kausalverläufe Die Kausalitätsbestimmung nach der Äquivalenztheorie erfolgt durch einen Vergleich des tatsächlichen Geschehens mit dem hypothetischen Geschehen ohne Setzung der möglichen Ursache. Einzubeziehen sind damit alle tatsächlichen Umstände zum Handlungszeitpunkt. Außen vor zu bleiben haben nach der Rechtsprechung noch nicht eingetretene, möglicherweise aber zu erwartende Umstände, sog. Reserveursachen. Der Kausalität einer Handlung steht demnach nicht entgegen, dass der Erfolg entfiele, wenn möglich oder wahrscheinlich ist, dass ohne die potentielle Ursache eine tatsächlich nicht vorgenommene andere Handlung den Erfolg verursacht hätte. 223 Auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung bedarf des Rückgriffs auf derartige hypothetische Kausalverläufe. 224 Dencker hat diese Konstellationen in hypothetische Kausalverläufe und hypothetische Handlungen unterteilt. Hypothetische Kausalverläufe, die auf einer bereits gesetzten Ursache beruhen und damit unabhängig von menschlichen Entschlüssen ablaufen, seien naturgesetzlich zu ermitteln; 225 hypothetische Handlungen seien aufgrund der menschlichen Willensfreiheit nur u.U. hinzuzurechnen, wobei er offen lässt, ob dabei auf die faktische oder die vom Gesetz vorausgesetzte Wahrscheinlichkeit zurückgegriffen werden solle. 226 Für Letzteres hat sich Frister entschieden, der hypothetische Handlungen nur insoweit berücksichtigen will, als es sich um gebotene Handlungen handelt. 227 Letztendlich geht es um die Prognosesicherheit hinsichtlich des Alternativverlaufes und damit eine ex-antenicht der Betrachtungswinkel der condicio-sine-qua-non-Formel; vgl. auch die Kritik bei Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 183 ff. 221 Dencker, Kausalität, S. 33 ff. 222 Dencker, Kausalität, S. 41 f. 223 BGHSt 2, 20 (24); 45, 270 (295); 49, 1 (3 f.). 224 Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 89. 225 Dencker, Kausalität, S. 79. 226 Dencker, Kausalität, S. 69 ff. 227 Frister, 9. Kap. Rn. 31.
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Perspektive. Zumindest an dieser Stelle ist die menschliche Willensfreiheit und damit die fehlende Zwangsläufigkeit menschlicher Entscheidungsprozesse zu berücksichtigen, aufgrund derer eine der Naturgesetzlichkeit vergleichbar sichere Prognose nicht möglich ist. III. Bestimmung des tatbestandlichen Erfolges Fast noch bedeutsamer als die Bestimmung des Kausalbegriffs ist die des Erfolges. Denn „[w]as wir in einer Beschreibung zu einem Satz und damit zu einer Tatsache zusammenfassen, ist in unser freies Belieben gestellt. [...] Wir können also je nachdem, wie wir die Sätze zur Beschreibung der Tatsachen formulieren, aus denen wir dann diejenigen Tatsachen auswählen, in denen sich der Erfolg verwirklicht hat, theoretisch beliebige wahre Sachverhalte zu Bestandteilen des konkreten Erfolges machen.“ 228 Vorherrschend ist das Kriterium der konkreten Erfolgsgestalt, die durch die Handlung des Täters hervorgerufen worden sein muss. Es soll zurückgehen auf M. L. Müller, der sich gegen das damals vorherrschende abstrakte Erfolgsverständnis wandte. Die Kausalfrage werde ohnehin nur bezüglich bereits nach juristischen Merkmalen ausgesonderter Tatsachen gestellt, so dass juristisch unerhebliche Daten gar nicht mehr zu einer Kausalitätsprüfung kämen. Eine weitere Unterscheidung gehöre daher nicht in den Bedingungsbegriff. Eine Tatsache könne in ihren konkreten juristisch erheblichen Elementen eine andere werden und doch eine Tatsache von derselben juristischen Erheblichkeit bleiben. 229 Dass der condicio-sine-qua-non-Formel zu Unrecht vorgeworfen wurde, sie berücksichtige nicht den Geschehensverlauf zum Erfolg, 230 zeigt bereits ihre Formulierung durch Glaser, der häufig als ihr Urheber genannt wird. 231 Engisch 228
Puppe, ZStW 92 (1980), 863 (872); zustimmend Dencker, Kausalität, S. 106. Müller, M. L., S. 11; dabei handelt es sich jedoch um einen Zirkel, steht doch die juristische Erheblichkeit dieser Elemente gerade in Frage. 230 MK-Freund, Vorbemerkung zu den §§ 13 ff., Rn. 313: „weil gleichsam der schadensträchtige Zug, der durch das Verhalten in Gang gesetzt worden ist, durch einen Tunnel fährt, in dem er nicht beobachtet wird, so dass an dessen Ausgang nur noch der Enderfolg festgestellt werden kann. Demgegenüber fordert die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung sozusagen auf, die gesamte Fahrt zu begleiten.“; Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 15. 231 Glaser, S. 298: „Es gibt übrigens für die Prüfung des Causalzusammenhanges einen sicheren Anhaltspunct; versucht man es, den angeblichen Urheber ganz aus der Summe der Ereignisse hinwegzudenken, und zeigt sich dann, daß nichtsdestoweniger der Erfolg eintritt, dass nichtsdestoweniger die Reihenfolge der Zwischenursachen dieselbe bleibt; so ist klar, daß die That und deren Erfolg nicht auf die Wirksamkeit dieses Menschen zurückgeführt werden können. Zeigt sich dagegen, daß, diesen Menschen einmal vom Schauplatz des Ereignisses hinweggedacht, der Erfolg gar nicht eintreten konnte, oder daß er doch auf ganz anderem Wege hätte eintreten müssen: dann ist man gewiß vollkommen 229
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hat dem Kriterium in seiner Schrift, in der er auch die Formel von der gesetzmäßigen Bedingung entwickelte, schließlich zum Durchbruch verholfen. 232 Für die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung ergibt sich die Berücksichtigung der Zwischenglieder zum Erfolg bereits aus der Formel selbst. Die konkrete Erfolgsbestimmung ist seitdem bei der Kausalitätsbestimmung sowohl anhand der condicio-sine-qua-non-Formel als auch anhand der Formel von der gesetzmäßigen Bedingung – teilweise mit unterschiedlichen Differenzierungen – ganz herrschende Meinung. 233 In ihrer wiederum wohl herrschenden Ausprägung werden Modifikationen des Erfolges und auch der Zwischenglieder auf dem Weg dorthin erfasst, 234 sog. konkretisierende Äquivalenztheorie. 235 Teilweise wird es jedoch als unbillig empfunden, dass jedem, der auch nur die geringste Modifikation des Erfolgs herbeigeführt hat, der Erfolg als von ihm verursacht zugerechnet wird. 236 Wie Puppe in dem zu Beginn dieses Abschnitts angeführten Zitat kritisiert, können durch die Einbeziehung weiterer Tatsachen in die Erfolgsbeschreibung mehr Umstände als Ursache für dessen konkrete Gestalt erfasst werden. Die Kausalitätsbestimmung wird dadurch zirkulär. 237 Daher will etwa Jakobs zwischen der tatbestandlichen Erfolgsverursachung und einem bloßen Bewirken von Begleitumständen unterscheiden. 238 Diese Differenzierung sei abhängig vom Zweck der Norm. Zu fragen sei, ob die mögliche Ursache die Welt gefährlicher macht; andernfalls handele es sich nur eine unbeachtliche Variation eines bestehenden Risikos. Ähnlich geht auch Roxin unter Berufung auf Jakobs vor: Geschehensmodifizierungen seien dann nicht kausal, wenn sie für Art und Weise sowie Zeit und Ort der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals irrelevant sind. 239 Aber auch bei einer wertenden Korrektur des konkreten Erfolgsbegriffs nach Jakobs oder Roxin versagt das Kriterium der Erfolgskonkretheit in den Fällen des Abbruchs rettender Kausalverläufe. Wenn in einem Fall von Mehrfachkausaberechtigt, den Erfolg jenem Menschen anzurechnen, ihn als Wirkung seiner Tätigkeit zu erklären.“ 232 Engisch, Kausalität, S. 9 ff. 233 Statt vieler Engisch, S. 9 ff.; Roxin, ATI, § 11 Rn. 21; MK-Freund, Vor § 13 Rn. 309. 234 Erb, JuS 1994, 449 (450 ff.); MK-Freund, Vorbemerkung zu den §§ 13 ff, Rn. 309; Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 18; Roxin, ATI, § 11 Rn. 21. 235 Roxin, ATI, § 11 Rn. 21. 236 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 64; Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 15 f.; vielzitiertes Beispiel ist das der Zerstörung einer bemalten Vase, etwa bei Traeger, S. 41; Engisch, S. 11 f.; Samson, S. 25: derjenige, der die Vase bemalt, wäre ursächlich für die Zerstörung der bemalten Vase, weil anstatt weißer Scherben bemalte übrigbleiben. 237 Puppe, Erfolgszurechnung, S. 13 f.; dieselbe, ZStW 92 (1980), 863 (873); Hilgendorf, GA 1995, 515 (524). 238 Jakobs, AT, 7. Abschn. Rn. 14. 239 Roxin, ATI, § 11 Rn. 21.
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lität in demselben Moment die Handlungen zweier Personen zum Abbruch der rettenden Ursachenkette führen, dann kann über das Kriterium der konkreten Erfolgsgestalt Kausalität nicht bestimmt werden. 240 Daher gehen Dencker, Frister und Puppe auf Grundlage der geäußerten Kritik bei der Erfolgsbestimmung noch weiter und fassen den Erfolgsbegriff wesentlich enger als die Lehre vom Erfolg in seiner konkreten Gestalt. So ermitteln Puppe und Dencker den Erfolg im Wege einer saldierenden Betrachtung als negative Veränderung an dem durch den Tatbestand geschützten Rechtsgutsobjekt. 241 Der Erfolg sei eine abstrakte Kategorie. Konkrete Umstände könnten allenfalls die Kriterien dazu erfüllen oder den Weg dorthin beschreiben, normativ maßgeblich sei allein der Endpunkt. 242 Nachteilige Veränderung sei auch die Beschleunigung eines Schadenseintrittes, da das Interesse auch durch den Zeitraum bestimmt sei, in welchem das Objekt dem Rechtsgutsträger verfügbar ist. 243 Ebenso geht Frister bei der Erfolgsbestimmung vor. Aufgrund des Prinzips des Rechtsgüterschutzes im Strafrecht seien auch nur die Auswirkungen auf das jeweils geschützte Rechtsgutsobjekt maßgeblich; das Geschehensunrecht liege in der Verletzung oder Gefährdung dieses Rechtsgutobjektes, ohne dass es auf die konkrete Gestalt des Erfolges ankomme. Daher sei entscheidend, ob bei Hinwegdenken der möglichen Ursache der Erfolg in seinem tatbestandlichen Unwert entfiele. Auf Grundlage der abstrakten Erfolgsbestimmung entfällt der Vorwurf des Zirkelschlusses gegen die Äquivalenztheorie insoweit, als eine Modifikation der Zwischenglieder selbst ohne Bedeutung ist. Auch scheiden jedenfalls schadensmindernde Handlungen des Täters aus. Das Kriterium der konkreten Erfolgsgestalt erfasst hingegen auch risikomindernde Faktoren. Man denke sich etwa den Täter, der in der Dunkelheit aufgrund eines Irrtums seinen Mittäter oder Gehilfen niederschlägt und dadurch die Chancen einer erfolgreichen Wegnahme verringert. In diesen Fällen könnte daher auch beim Tatbestand des Raubes das Bedürfnis bestehen, zumindest Teilkriterien der objektiven Zurechenbarkeit heranzuziehen und darüber die Fälle der Risikominderung auszusondern. Im Übrigen ist ein Rückgriff auf die Kriterien der allgemeinen objektiven Zurechnung nicht erforderlich, da durch den Finalzusammenhang die Schaffung eines unerlaubten Risikos und auch der Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben sind und die Notwendigkeit eines solchen Filters gegenüber den einaktigen Erfolgsdelikten schon deshalb nicht besteht, weil mit der Wegnahme eine wei240
Dencker, Kausalität, S. 86 ff., insbes. S. 96. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 72; Dencker, Kausalität, S. 101, und NStZ 1992, 311 (314), ähnlich bereits Traeger, S. 42 ff., dem zufolge entscheidend ist, ob der Erfolg in dieselbe juristische Erfolgskategorie fällt oder ob der konkrete Erfolg innerhalb dieser Kategorie für die juristische Wertung erheblich verändert wird. 242 Dencker, Kausalität, S. 99 f. 243 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 79. 241
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tere vorsätzliche Handlung des Täters den Erfolg herbeiführt. Eine zusätzliche Einschränkung erfolgt – wie noch zu zeigen sein wird – durch das Erfordernis eines raubspezifischen Zusammenhangs. 244
C. Anwendung auf den Raubtatbestand Ist ein Kausalzusammenhang damit Teil des objektiven Tatbestandes, so muss er vom Wissen des Täters umfasst sein, § 16 Abs. 1 StGB. Folgt man dem engen Finalitätsverständnis, nach dem der Täter mit dem Einsatz des Nötigungsmittels die Ermöglichung der Gewahrsamsneubegründung bezwecken muss, so ist schon die ebenso erforderliche Finalität nichts anderes als auf den Kausalzusammenhang bezogener dolus directus ersten Grades. Der einzige Unterschied zwischen den Ergebnissen der objektiven und der subjektiven Auffassung läge darin, dass die objektive Auffassung in den Fällen fehlender Kausalität Versuchsstrafbarkeit, die subjektive Auffassung Vollendungsstrafbarkeit annähme. Aus Sicht der subjektiven Theorie würde die Anwendung der objektiven Theorie damit nicht zu vollständigen Strafbarkeitslücken führen; lediglich die Milderungsmöglichkeit nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB bildete die Differenz. Gleiches gilt, wenn in subjektiver Hinsicht das weite Finalitätsverständnis und in objektiver Hinsicht die weite, konkretisierende Äquivalenztheorie zugrunde gelegt wird. Das Beabsichtigen der Wegnahmeerleichterung ist dolus directus ersten Grades hinsichtlich der Kausalität für den Erfolg in seiner konkreten Gestalt, da eine Erleichterung zugleich eine Modifizierung der Zwischenglieder darstellt. 245 Vollständige Strafbarkeitsdifferenzen können sich daher nur zwischen einer engen objektiven Theorie, welche die Ursächlichkeit für den Erfolg als Negativveränderung verlangt, und einer weiten subjektiven Theorie, die ein Beabsichtigen der Wegnahmeerleichterung ausreichen lässt, ergeben. Bei einer reinen Erleichterung der Wegnahme fehlt es an einer Verursachung des abstrakten Erfolgs, so dass die enge objektive Theorie nicht zu der Annahme eines vollendeten Raubes käme. Eine Versuchsstrafbarkeit würde nach dieser Auffassung voraussetzen, dass sich der Täter eine solche Kausalverknüpfung vorstellt. Hält er zumindest für ernsthaft möglich, wenn auch nicht unbedingt wahrscheinlich, dass der Einsatz des Nötigungsmittels für das Gelingen der Wegnahme unerlässlich ist, so hat er Tatentschluss und ist wegen versuchten Raubes strafbar. Geht er hingegen von der Entbehrlichkeit einer Nötigungshandlung für den abstrakten Erfolg aus, dann fehlt es ihm an der Vorstellung der Ursächlichkeit seines Handelns. Damit schiede nach der engen objektiven Theorie Tatentschluss und damit eine Strafbarkeit wegen Raubversuchs aus. Während demnach die subjektive Theorie zu 244 245
s. das 6. Kap. s. 3. Kap. D.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
einer Vollendungsstrafbarkeit käme, wäre der Täter nach der objektiven Theorie zumindest im Hinblick auf § 249 Abs. 1 StGB straflos. I. Ausscheiden von Fällen tatsächlicher Kausalität Die Menge von Differenzen verringert sich jedoch um zahlreiche Fälle, in denen auf den ersten Blick lediglich eine Erleichterung der Wegnahme, tatsächlich jedoch eine Ursächlichkeit für den Erfolg in seiner abstrakten Gestalt gegeben ist. Dies betrifft zunächst Fälle, in denen das Opfer sich ohne den Einsatz des Nötigungsmittels zur Duldung der Wegnahme entschieden hätte 246 oder sich bereits dazu entschieden hat. Nach herrschender Auffassung ist eine Täuschung auch dann für eine Vermögensverfügung ursächlich, wenn sie das alleinige Motiv für die Vermögensverfügung bildete, selbst wenn denkbar war, dass das Opfer bei Kenntnis der wahren Sachlage ebenso verfügt hätte. 247 Die Tatsache, dass das Opfer auch ohne Irrtum die Vermögensverfügung aufgrund einer anderen, nicht wirksam gewordenen Motivation vorgenommen hätte, sei eine nicht hinzuzudenkende Ersatzbedingung, die der Kausalität der Täuschung nicht entgegenstehe. 248 Auf den Raub übertragen wäre die Nötigungshandlung zum Zweck der Willensbeugung das Gegenstück zur Täuschung zum Zweck der Willensumgehung, die Duldung der Wegnahme entspräche dem Irrtum, die Wegnahme wäre das Gegenstück zur Vermögensverfügung. 249 Der mögliche Entschluss des Opfers, die Wegnahme auch ohne Nötigungshandlung, etwa aus reiner Furcht vor dem Täter, zu dulden, müsste ebenfalls eine nicht hinzuzudenkende Ersatzursache sein. Der Kausalzusammenhang zwischen der Gewaltanwendung oder Drohung und der Duldung der Wegnahme wäre demnach nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter das Nötigungsmittel vor der Entscheidung des Opfers über das Ob der Gewahrsamsverteidigung – etwa durch überraschendes Niederschlagen von hinterrücks – anwendet, selbst wenn sich das Opfer noch zu einer Duldung der 246 Genauer: zu einer Schwächung der Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft hinsichtlich der fremden beweglichen Sache, vgl. dazu das 4. Kap.; der Einfachheit halber wird an dieser Stelle weiter die allgemein anerkannte Formulierung der Wegnahmeduldung verwendet. 247 BGH bei Dallinger, MDR 1958 139 f.; BGHSt 13, 13 (14 f.), die teilweise jedoch auch als Entscheidung zur Kausalität innerhalb eines Motivbündels verstanden wird; Schönke / Schröder-Cramer, § 263 Rn. 77; Heinitz, JR 1959, 386 (387); NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 196; LK-Lackner, 10. Auflage, § 263 Rn. 117; Lenckner, NJW 1971, 599; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 123. 248 Heinitz, JR 1959, 386 (387); LK-Lackner, 10. Auflage, § 263 Rn. 117; Lenckner, NJW 1971, 599; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 123. 249 Ausführlich dazu unter 6. Kap. B.
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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Wegnahme entschieden hätte. Ein solch prophylaktischer Einsatz des Nötigungsmittels ist damit nicht seltener ursächlich für das Gelingen der Wegnahme als ein späterer. Vielmehr wäre seine Kausalität für das Unterlassen der Gegenwehr immer anzunehmen, wohingegen Kausalität bei einem nichtprophylaktischen Gewalteingriff ausscheiden kann, wenn das Opfer bereits den Entschluss gegen die Verteidigung des Gewahrsams gefällt hat. Daher kann der Vorwurf, der prophylaktische Gewalteinsatz sei nach der objektiven Theorie entgegen der behaupteten erhöhten Strafwürdigkeit nicht erfasst, jedenfalls vor dem herrschenden Kausalitätsverständnis nicht überzeugen. Ist die Duldung wiederum notwendige Bedingung der Wegnahme, hat der prophylaktische Einsatz des Nötigungsmittels zudem den Erfolg der Gewahrsamsneubegründung verursacht. Nach dem engen Kausalitätsverständnis von Dencker hingegen ließe ein hypothetischer späterer Entschluss des Opfers, die Wegnahme zu dulden, die Ursächlichkeit der Nötigungshandlung entfallen, sofern nicht der frühere Entschluss die Wegnahme beschleunigt hat. In dubio pro reo wäre davon auszugehen, dass das Opfer sich tatsächlich gegen eine Verteidigung seines Gewahrsams entschieden hätte, so dass vollendeter Raub ausschiede. Anders beurteilt das Frister. Aufgrund der normativen Beschränkung hinzuzudenkender Ersatzursachen auf rechtlich gebotene Handlungen soll eine hypothetisch gebliebene Selbstschädigung des Opfers einer Ursächlichkeit der Täterhandlung nicht entgegenstehen. 250 Die Grundsätze der herrschenden Meinung zur Kausalverknüpfung von Irrtum und Vermögensverfügung beim Betrug führen auch in vielen Fällen eines nach der Opferentscheidung eingesetzten Nötigungsmittels zur Annahme seiner Ursächlichkeit für die Duldung der Wegnahme. So wird die Kausalität des Irrtums auch dann bejaht, wenn der Irrtum Teil eines Motivbündels ist, selbst wenn das andere Motiv für die Vermögensverfügung ausgereicht hätte. 251 Es genüge, wenn der Irrtum das Betrugsopfer mitbestimmt 252 bzw. mitmotiviert 253 hat. Kausalität scheide nur dann aus, wenn der Irrtum für die Entscheidung irrelevant gewesen ist. Dies ist das logische Ergebnis der herrschenden Auffassung zur Kausalität, nach der alternative Ursachen den Kausalzusammenhang nicht unterbrechen. Lackner hingegen sieht darin ebenfalls einen Fall der Ausscheidung hypothetischer Ersatzursachen: Weil der Getäuschte der falschen Vorstellung Gewicht für seine Entschließung beigemessen habe, sei es zu einer inneren Stellungnahme, ob das mitwirkende Motiv schon für sich allein die Vermögensverfügung tragen könne, nicht gekommen; dieser psychische Vorgang, ohne den es zu keiner Verfügung gekommen wäre, sei eine nicht hinzuzudenkende Ersatzursache. 254 Bei Hinwegdenken des Irrtums entfiele die Vermögensverfügung, so dass Kausalität 250 251 252 253 254
Frister, 9. Kap. Rn. 31. Schönke / Schröder-Cramer, § 263 Rn. 77; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 123. Schönke / Schröder-Cramer, § 263 Rn. 77; Heinitz, JR 1959, 386 (388). MK-Hefendehl, § 263 Rn. 233; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 117. LK-Lackner, 10. Aufl., § 263 Rn. 117.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
gegeben sei. In dieser Allgemeinheit trifft dies jedoch nicht zu, etwa dann nicht, wenn das Opfer sich schon vorher entschieden hatte, der Irrtum bzw. der Einsatz des Nötigungsmittels hingegen noch dazu tritt. Jedenfalls in solchen Fällen wäre demnach alternative Kausalität gegeben, die etwa nach dem Verständnis von Frister und Dencker gar keine Kausalität ist. Überträgt man diese Erwägungen zum Betrugstatbestand auf den des Raubes, dann werden teilweise auch die befürchteten Beweisprobleme entschärft. Es ist dann nicht mehr nachzuweisen, welchen Entschluss das Opfer ohne die qualifizierte Nötigung gefasst hätte. Der Gewalteinsatz muss auch nicht erforderlich gewesen sein; etwa steht eine zu hohe Intensität der Gewaltanwendung deren Kausalität nicht entgegen. 255 Denn das geringere Maß an Gewalt oder Drohung, das für das Gelingen der Wegnahme ausgereicht hätte, ist als Minus enthalten und wirksam. Ein anderer Erfolg ist nach dem engen Kausalitätsverständnis auch dann gegeben, wenn der Gewalteinsatz die Wegnahme beschleunigt hat. Der Gedanke der Beschleunigung des Erfolgseintritts wird meist in dem Zusammenhang der Tötungsdelikte erwähnt, deren Unrecht immer nur in einer Lebensverkürzung liegen kann. Wie das Leben ist der Gewahrsam nicht quantifizierbar; es kann nur um die Frage gehen, ob Gewahrsam besteht oder nicht. Desgleichen endet der Gewahrsam zwingend spätestens zu demselben Zeitpunkt wie das Leben des Gewahrsamsinhabers. Nahezu zwangsweise wird neuer Gewahrsam begründet, wenn auch nicht über die unübertragbare Besitzfiktion des § 857 BGB. Gewahrsamsbruch und Neubegründung sind damit – ebenso wie der Tod – dadurch gekennzeichnet, dass sie ein sicheres Ereignis früher herbeiführen. Der Erfolg als nachteilige Veränderung ist daher immer nur eine Beschleunigung des Verlustes. Fraglich ist allerdings, ob jegliche Verkürzung genügt. Bei den Tötungsdelikten wird dies teilweise angenommen, 256 teilweise wird zwischen einer aktiven Tötung, für die jede geringfügige Lebensverkürzung genügen soll, und einer Tötung durch Unterlassen, bei der die hypothetische Verlängerung nicht nur unwesentlich sein darf, differenziert. 257 Puppe wiederum verlangt grundsätzlich nach einer für den Interessenschutz erheblichen Zeitspanne, deren Länge sich vor allem nach dem Rang des Rechtsguts bemessen soll. 258 Wird die Wegnahme 255
BGHSt 30, 377; SK-Sinn, § 249 Rn. 36; wohl auch MK-Sander, § 249 Rn. 25. Schönke / Schröder-Eser, § 212 Rn. 3; NK-Neumann, § 212 Rn. 3. 257 SK-Horn, § 212 Rn. 22; LK-Jähnke, § 212 Rn. 3 f.; Lackner / Kühl, § 212 Rn. 2; MK-Sander, § 212 Rn. 1 u. 3; eine andere Differenzierung findet sich bei Kahrs, S. 129 f., der das Kausalprinzip als untaugliches Zurechnungsprinzip ansieht, S. 267, und diese Problematik daher im Rahmen der Zurechnung anspricht: bei vorsätzlichem Handeln soll in jedem Fall auch die geringfügige Verkürzung der Lebensdauer eines Rechtguts ausreichen, bei fahrlässigem Handeln sei noch weiter zu differenzieren. 258 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 79. 256
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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durch den Einsatz des Nötigungsmittels früher herbeigeführt, so ist der Gewalteinsatz notwendige Bedingung für den früher eintretenden Gewahrsamswechsel und damit kausal für den Wegnahmeerfolg, auch wenn die Wegnahme grundsätzlich ohne den Einsatz des Nötigungsmittels möglich gewesen wäre. Hält der Täter es zumindest für möglich, dass die Wegnahme nicht nur unerheblich beschleunigt wird, so genügt dies nach allen Auffassungen für den erforderlichen Kausalvorsatz. Nach der objektiven Theorie wäre damit zumindest ein Raubversuch gegeben. II. Über die Täterpsyche vermittelter Kausalverlauf In Betracht zu ziehen ist schließlich eine weitere mögliche Kausalverknüpfung: Da auch eine psychische Verknüpfung zwischen zwei Ereignissen möglich ist, ob man dies nun als der physischen Kausalität gleich oder andersartig erachtet, könnte die Kausalität zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme über den Entschluss des Täters hergestellt werden. So sieht etwa Brandts in dem Einsatz des Nötigungsmittels eine Hilfeleistung des Täters zur eigenen Tat; der Täter werde in einem solchen Fall zu seinem eigenen psychischen Gehilfen. Daher seien auch die Grundsätze der Beihilfekausalität auf die Fälle der durch die Täterpsyche vermittelten Kausalität anzuwenden. 259 Ebenso wie bei der psychischen Beihilfe lässt sich – wenn man die Möglichkeit psychischer Kausalität grundsätzlich anerkennt – die über die Täterpsyche vermittelte Kausalität zumindest logisch konstruieren. Dies sind zunächst einmal die Fälle, in denen der Einsatz des Nötigungsmittels den Täter nicht physisch, sondern psychisch in die Lage versetzt, die Wegnahme durchzuführen; in denen nicht etwa die körperliche Überlegenheit des Opfers im Wege steht, sondern eine Hemmschwelle des Täters. Bedarf der Täter einer weiteren Einschüchterung oder gar der Bewusstlosigkeit des Opfers, um seine Ängste und Unsicherheiten zu überwinden und die Wegnahme durchzuführen, ist ein Ermöglichen im klassischen Sinne gegeben. Hält sich der Täter für skrupulöser, als er ist – hätte er sich tatsächlich auch ohne eine weitere Einschüchterung des Opfers getraut, die Sache wegzunehmen –, und für möglich, dass er sich nicht trauen wird, so hält er zugleich die Notwendigkeit der Nötigungshandlung für möglich. Nach der subjektiven Theorie wäre vollendeter Raub, nach der objektiven Theorie Raubversuch gegeben. Hat sich der Täter entschlossen, die Wegnahme nicht ohne den vorherigen Einsatz des Nötigungsmittels durchzuführen, so macht er den Einsatz des Nötigungsmittels zur condicio sine qua non seines weiteren Handelns. 260 Auch in diesem Fall liegt der Kausalverlauf in der Psyche des Täters, allerdings wird hier sogar die 259
Brandts, S. 82 ff., 98 ff. So auch Brandts, S. 119 f., wobei ihre Ausführungen zur psychischen Kausalität allein durch Stärkung oder Stabilisierung eines bereits bestehenden Diebstahlsentschlusses nur vor dem Hintergrund der Lehre von der konkreten Erfolgsgestalt unter Einbeziehung 260
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
Notwendigkeit der Bedingung durch den Täterentschluss begründet. In diesem Fall ist ebenfalls objektive Kausalität gegeben. Nicht denkbar ist hingegen auf Grundlage der objektiven Theorie die Versuchskonstellation dazu, da zumindest innerhalb strafrechtlicher Kategorien eine Vorstellung, man mache sich den Einsatz des Nötigungsmittel zur Bedingung des eigenen weiteren Handelns, nicht trennbar ist von dem Inhalt der Vorstellung. Damit ist noch nicht beantwortet, ob ein rein über die Täterpsyche vermittelter Kausalzusammenhang überhaupt strafrechtliche Relevanz haben kann. Zur psychischen Beihilfe besteht ein Unterschied; denn dort geht es um die Kausalität für eine andere Tat und, wie bei der Erpressung, sexuellen Nötigung und beim Betrug, um eine über die Psyche eines anderen vermittelte Ursächlichkeit. So meint Lund, dass die Beeinflussung eines eigenen künftigen Handlungsentschlusses kein strafrechtlich relevantes Unrecht darstellen und nicht einmal im Rahmen eines abstrakten Gefährdungsdeliktes konstruiert werden könne. Allein die Tatsache, dass etwas Begonnenes häufig zu Ende geführt werde, reiche, von Fällen einer damit zusammenhängenden besonderen Tätergefährlichkeit abgesehen, nicht aus, um einer solchen „Selbst-Vorbereitungshandlung“ irgendeinen strafrechtlich relevanten Unrechtsgehalt zuzusprechen. 261 Womöglich wird jedoch ein über die Täterpsyche vermittelter Kausalverlauf bei der vorsätzlichen actio libera in causa auf der Grundlage des vorherrschenden Tatbestandsmodells zugrunde gelegt und als strafrechtlich relevant erachtet. 262 Bei dieser begeht der Täter eine Straftat, nachdem er sich etwa durch Rauschmittel in dem Vorsatz sowohl hinsichtlich der Berauschung als auch der weiteren Straftatbegehung in den Zustand der Schuldlosigkeit versetzt hat. Erfasst sind damit Fälle, in denen sich der Täter gezielt enthemmt, sich Mut antrinkt, um die weitere Straftat zu begehen. 263 Dem entspräche eine gezielte Enthemmung des Täters durch den Einsatz der Nötigungsmittel, um die Wegnahme auszuführen. Für die actio libera in causa führt Lund das Ausreichen psychischer Kausalität auf die Risikoherrschaft des Täters zurück; im Übrigen solle ein allein über die Täterpsyche vermittelter Kausalzusammenhang nicht ausreichen. 264 Schließlich ist die Zulässigkeit einer Bestrafung über die Gedanken der actio libera in causa der Zwischenglieder bestehen können, da die Modifikation des Diebstahlentschlusses allenfalls die Modifikation eines Zwischengliedes auf dem Weg zum Erfolg darstellen kann; angedeutet auch bei Mitsch, § 3 Rn. 38. 261 Lund, S. 90 f. 262 Vgl. etwa Deiters, In: Alkohol und Schuldunfähigkeit, 121 (128); Roxin, ATI, § 20 Rn. 60. 263 Kritisch hinsichtlich der Existenz solcher Fälle ist Jakobs, AT, 17. Abschn. Rn. 66; dies steht der Annahme der strafrechtlichen Relevanz psychischer Kausalität jedoch nicht entgegen. 264 Lund, S. 90 f.
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jedenfalls de lege lata stark umstritten, 265 so dass einer Parallele zu ihr lediglich begrenzte Überzeugungskraft zukommt. Ein ähnlicher Gedanke liegt Steins Vorschlag einer Legitimation der Bestrafung des unbeendeten Versuchs zugrunde. 266 Verhaltensnormen, und damit auch solche, welche die Begehung unbeendeter Versuche untersagen, sollen ausschließlich konkrete Rechtsgutsobjektsverletzungen verhindern. Strafgrund des Versuchs könne daher nicht etwa der rechtserschütternde Eindruck des unmittelbaren Ansetzens auf die Allgemeinheit sein, sondern allein die Gefährlichkeit für konkrete Rechtsgutsobjekte. Während diese in den Fällen des beendeten Versuchs – aus der maßgeblichen Tätersicht – ohne Weiteres gegeben sei, bedürfe es für die Fälle des unbeendeten Versuches einer weiteren Begründung. Denn die in diesen vorgelagerten Handlungen liegende Gefahr wird grundsätzlich durch diejenige Verhaltenspflicht, welche die Vornahme beendeter Versuche untersagt, berücksichtigt. Das Verbot unbeendeter Versuch sei daher nur dann gerechtfertigt, wenn dasjenige beendeter Versuche nicht mehr hinreicht, seine Befolgung zu ungewiss ist. Dies ist dann der Fall – und gem. § 22 StGB unter Strafe gestellt –, wenn „der Normadressat die Ausführung seines Vorhabens in einem Stadium fortsetzt, in dem aus Gründen der Zeitknappheit und / oder der weitgehenden Absorption der Aufmerksamkeit durch situative Anforderungen kaum noch Gelegenheit sein wird, das begonnene Vorhaben zu überdenken.“ 267 Die Gefährlichkeit des beendeten Versuches wird also durch eigenes pflichtwidriges Verhalten vermittelt und besteht letztendlich in einer Selbstbindung des Täters, in dem Ausderhandgeben eines Nahezu-Automatismus. Letztendlich handelt es sich bei der über die Täterpsyche vermittelten Ursächlichkeit, wenn man die Existenz psychischer Kausalität grundsätzlich anerkennt, weniger um die Frage einer Kausalbeziehung – die Notwendigkeit der Bedingung ist gegeben –, als um die Frage der strafrechtlichen Relevanz eines solchen subjektsinternen Zusammenhangs und damit um ein allgemeines Zurechnungsproblem. Im Rahmen dieser Arbeit kann es nicht vollumfänglich, sondern allein im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen des § 249 Abs. 1 StGB untersucht werden. 268
265 Vgl. etwa BGHSt 42, 235 (239), LG Münster NStZ-RR 96, 266; Ambos, NJW 1997, 2296; Hettinger, GA 1989, 1(13ff); Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, § 20 Rn. 33 ff.; Paeffgen, ZStW 97, 513 (516ff); Rönnau, JA 1997, 707 ff.; Salger / Mutzbauer, NStZ 1993, 561. 266 Stein, GA 2010, 129 (145ff.). 267 Stein, GA 2010, 129 (146, 152). 268 Ausführlich dazu im 6. Kap.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
III. Zwischenergebnis Eine etwaige Strafbarkeitslücke, in der nach der subjektiven Theorie Vollendungsstrafbarkeit und nach der objektiven Theorie Straflosigkeit anzunehmen wäre, könnte demnach nur bei kumulativem Vorliegen der folgenden Prämissen entstehen: 1. Es müssen das enge Kausalitätsverständnis – Ursächlichkeit für den Erfolg in seiner abstrakten Gestalt – und das weite Finalitätsverständnis – Bezwecken der Wegnahmeerleichterung – zugrunde gelegt werden, da Finalität sonst immer Kausalitätsvorsatz voraussetzen würde und jedenfalls eine Strafbarkeit wegen Raubversuchs gegeben wäre. 2. Der Täter darf es nicht einmal für möglich halten, dass der Einsatz des Nötigungsmittels zur Durchführung der Wegnahme notwendig ist, sondern muss von einer reinen Erleichterung der Wegnahme ausgehen; ansonsten hätte er Tatentschluss hinsichtlich der Kausalität. 3. Der Einsatz des Nötigungsmittels darf nicht den Gewahrsamswechsel mehr als nur unerheblich beschleunigt haben und der Täter darf eine solche Beschleunigung auch nicht für möglich gehalten haben; bei tatsächlicher Beschleunigung liegt auch nach der engen objektiven Theorie Kausalität, bei nur vorgestellter Beschleunigung Kausalitätsvorsatz vor. 4. Der Täter darf sich den Einsatz des Nötigungsmittels auch nicht als Bedingung der weiteren Tatausführung gesetzt haben, und er darf es nicht für möglich halten, dass er ohne die Gewaltanwendung oder Drohung nicht zur Wegnahme geschritten wäre, da sonst über seine Psyche vermittelte Kausalität oder zumindest Kausalitätsvorsatz vorläge. 269 Zusammenfassend bleibt auf der Grundlage des engen Kausalitäts- und weiten Finalitätsverständnisses also der Fall, in dem der Täter sich sicher ist, dass er die Sache ohne den Einsatz des Nötigungsmittels in jedem Fall und nicht zu einem nicht unerheblich früheren Zeitpunkt wegnimmt, und den Einsatz des Nötigungsmittels auch nicht zur Bedingung seines Weiterhandelns gemacht hat, sondern nur zur Erleichterung der Wegnahme handelt – oder ein Fall, in dem in dubio pro reo von einer solchen Fallgestaltung auszugehen ist. Die weite subjektive Auffassung nähme hier Vollendungsstrafbarkeit an, während die enge objektive Auffassung weder zu einer solchen noch zur Versuchsstrafbarkeit käme. Die langwierige Beschreibung zeigt, dass es sich dabei um einen praktisch wenig relevanten und damit zu vernachlässigenden Fall handeln dürfte.
269
In den Fällen eines solchen über die Täterpsyche vermittelter Kausalzusammenhanges fehlt es jedoch an dem erforderlichen raubspezifischen Zusammenhang, so dass eine Strafbarkeit wegen Raubes ohnehin ausschiede, vgl. das 6. Kap.
4. Kap.: Erfordernis eines Kausalzusammenhangs
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D. Ergebnis Es ist festzuhalten, dass der objektive Raubtatbestand eine Kausalverknüpfung zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme verlangt. Der Raub schützt die Dispositionsfreiheit des Einzelnen über seine Eigentümerbefugnisse vor dem Zwang durch den Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel. Duldet das Opfer die Wegnahme aus anderen Gründen, etwa – auch ohne eine konkludente Drohung – aus Angst vor dem Täter, so ist die Dispositionsfreiheit des Opfers ohnehin aufgehoben. Damit fehlt ein Teil des Geschehensunrechts des Raubes. Erkennt der Täter diese Bereitschaft des Opfers, so fehlt es an einem Teil des Motivationsunrechtes. Zwar verletzt der Täter – objektiv und in seiner Vorstellung – die persönliche Freiheit des Opfers; und es mag als besonderer Unwert erscheinen, dass er ebendies aus einem so geringen Anlass und ohne Notwendigkeit tut und zu den qualifizierten Nötigungsmitteln greift. Es handelt sich jedoch nicht um den durch § 249 Abs. 1 StGB geschützten Ausschnitt der Freiheit und damit auch nicht um Raubunrecht. 270 Vielmehr verwirklichte der Täter allenfalls Nötigungsunrecht, für das der Zwang zu jeglichem Verhalten genügt, und ggf. Körperverletzungsunrecht aus einer den niedrigen Beweggründen vergleichbaren Motivation. Zugleich wurde gezeigt, dass im Hinblick auf die grundsätzliche Strafbarkeit des Täters zwischen der subjektiven und der objektiven Theorie allenfalls geringe Unterschiede bestehen, es vielmehr um die Grenze zwischen Versuch und Vollendung geht. Wo diese genau verläuft, hängt maßgeblich davon ab, welchem Kausalitätsverständnis gefolgt wird. Durch das Abstellen auf die konkrete Erfolgsgestalt werden mehr, wenn auch nicht alle Fälle der Vollendungsstrafbarkeit unterstellt. Die Anzahl der Konstellationen, in denen sich das Festhalten am Kausalitätserfordernis tatsächlich auswirkt und zur Straflosigkeit des Täters führt, scheint damit – auch bei Zugrundelegung des engen Kausalitätsverständnisses – deutlich überschätzt zu sein. Ob alle diese Fälle dem Geschehensunwert des Raubes gerecht werden, ist damit jedoch noch nicht abschließend beurteilt.
270
Vgl. dazu 4. Kap. A. II.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes „Denn verlässliche Richtpunkte, die den Rahmen des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs abzustecken geeignet wäre, fehlen. Wie lang soll beispielsweise der Täter, um noch ‚Räuber‘ zu sein, mit der Vollendung der Wegnahme zuwarten dürfen, nachdem er in dieser Absicht den Sachherrn erdrosselt hat? Minuten, Stunden, Tage? Wo man den Schnitt auch machen würde, er wäre willkürlich und böte für sachgerechte Ergebnisse keine Gewähr.“ 271
5. Kapitel
Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs Als ein weiteres objektives Element der Verknüpfung der beiden Raubakte wird, einem Rahmen vergleichbar, das Bestehen eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme verlangt. „Der Einsatz des Nötigungsmittels muss auf die unmittelbar nachfolgende Erlangung der zu entwendenden Sache abzielen. Diese Voraussetzung ist nach herrschender Meinung jedenfalls für die Fälle zu bejahen, in denen zwischen den beiden Bestandteilen des Raubes eine enge räumlich-zeitliche Beziehung besteht. Nötigungs- und Wegnahmeort müssen dafür nicht unbedingt identisch sein. Ebenso muss eine zeitliche Differenz zwischen dem Einsatz von Gewalt oder Drohung einerseits und dem Gewahrsamsbruch andererseits der erforderlichen Unmittelbarkeit nicht zwingend entgegenstehen. Verbindliche Werte für alle denkbaren Konstellationen lassen sich insoweit zwar nicht benennen. Dieser Umstand rechtfertigt aber nicht den Verzicht auf das Unmittelbarkeitskriterium. Vielmehr wird dadurch den Tatgerichten die Möglichkeit eröffnet, die Frage der Unmittelbarkeit aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten.“ 272 Das vorliegende Zitat bringt besonders deutlich die Problematik eines solchen Merkmals zum Ausdruck. Über dessen Erfordernis herrscht jedoch nahezu Einigkeit. 273 Seine Einordnung erfolgt wiederum an unterschiedlicher Stelle; erörtert wird es häufig im Rahmen der Finalität, also im Subjektiven, 274 die wiederum 271
Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 71. MK-Sander, § 249 Rn. 27. 273 Haft, BTI, S. 35; Krey / Hellmann, BT2, Rn. 191a; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 15; Küper, JZ 1992, 338 (347 Fn. 60); Maurach / Schroeder / Maiwald, § 35 272
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teilweise im Zusammenhang des objektiven Tatbestandes dargestellt wird. 275 Die Einordnung des Erfordernisses räumlicher und zeitlicher Nähe in den Kontext der Finalität ist ebenso wenig sinnvoll wie die der Finalität in den Bereich des Objektiven. Finalität bezeichnet eine subjektive Vorstellung des Täters bezüglich des Kausalzusammenhangs, nämlich dessen gezielte Herbeiführung, und entspricht damit dem absichtlichen Handeln. Sie kann denklogisch aus dem Vorliegen einer überschießenden Innentendenz folgen, indem der Zweck des finalen Handelns dem Absichtsinhalt unmittelbar oder als notwendiges Zwischenziel entspricht. Eine solche Zwecksetzung kann daher immer nur in der Vorstellung des Täters erfolgen. Im Objektiven ist als Gegenstück allein Kausalität denkbar. Die räumlichen und zeitlichen Grenzen der Tat sind ebenfalls objektive Kriterien, die allenfalls den Inhalt der Absicht genauer bestimmen können. Darüber hinaus wird das Erfordernis zeitlicher und räumlicher Nähe unter das der Unmittelbarkeit der zumindest vorgestellten Ursachenbeziehung zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme gefasst. 276 Dies ist möglicherweise auf die Auslegung des Unmittelbarkeitsbegriffs in der Versuchsdogmatik zurückzuführen, der teilweise auch als zeitliche Kategorie verstanden wird. 277 Es handelt sich jedoch um inhaltlich zu unterscheidende Fragen, die im Interesse der Klarheit auch begrifflich getrennt werden sollten. Das Merkmal eines solchen Zusammenhangs soll lediglich die räumlichen und zeitlichen Grenzen der Raubbegehung festlegen. Eine andere denkbare Frage ist die nach der Direktheit der Verknüpfung innerhalb dieser räumlichen und zeitlichen Grenzen: ob das Nötigungsmittel unvermittelt in die Wegnahme münden muss oder ob es ausreicht, wenn zwischen die beiden Akte eine Zwischenhandlung von Täter, Opfer oder einem Dritten tritt. So ist denkbar, dass der Täter durch Gewaltanwendung oder Drohungen erst die Mittel zur Begehung der Wegnahme oder notwendige Informationen erhält, um in sofortigem Anschluss den Gewahrsamswechsel an der fremden Sache herbeizuführen, wie es ebenso denkbar ist, dass der Täter Rn. 21; Mitsch, § 3 Rn. 41 f.; MK-Sander, § 249 Rn. 27; SK-Sinn, § 249 Rn. 32; Vogt, S. 108. 274 LK-Herdegen, § 240 Rn. 15; NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 21; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 35 Rn. 21; MK-Sander, § 249 Rn. 27. 275 LK-Herdegen, § 240 Rn. 15; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 35 Rn. 21; MK-Sander, § 249 Rn. 24. 276 NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 26; wohl auch LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 15; dies dürfte wohl darin begründet sein, dass die entsprechenden Fälle meist beide Problemkreise berühren, wenn etwa der Täter durch die Nötigungshandlung in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang einen Schlüssel erlangt, der eine spätere Wegnahme ermöglichen soll. 277 So etwa der BGH in BGHSt 22, 81 (82); 28, 162 (163); 30, 363 (364); 31, 10 (13); in der Literatur Baumann / Weber / Mitsch, § 26 Rn. 54; Burkhardt, JuS 1983, 426 (429); Kühl, JuS 1980, 811 f.; derselbe, AT § 15 Rn. 70 f.; Küper, JZ 1979, 775 (777, 781); D. Meyer, JuS 1977, 19 (21 f.); Otto, NJW 1976, 578 (579); Roxin, JuS 1979, 1 (4 f.).
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
eines solchen Zwischenschrittes nicht mehr bedarf und mit der Nötigung eine in weiter Zukunft liegende Wegnahmehandlung ermöglicht und ermöglichen will. Es wird daher im Rahmen dieser Arbeit zwischen diesen beiden Elementen unterschieden und zunächst das Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs überprüft.
A. Kriterien Die engste Auffassung sucht bei der Bestimmung seiner Grenzen die Anlehnung an das Kriterium der Unmittelbarkeit des Ansetzens zum Versuch nach § 22 StGB: Das Nötigungsmittel müsse in der Ausführungsphase der Wegnahme eingesetzt werden, d. h. die Zwangsausübung müsse unmittelbar in die Wegnahme einmünden und damit den Versuchsbeginn zur Wegnahme bilden. Dafür reiche aus, wenn eine in zeitlichem Abstand begonnene Gewaltanwendung dem Tatplan entsprechend bis zur Wegnahmehandlung andauere. So könne in einem solchen Fall der Zusammenhang auch durch mittäterschaftliches Handeln hergestellt werden, wenn einer der Täter das Opfer bewacht, während sich die anderen zwischen Nötigungs- und Wegnahmeort hin und her bewegen. 278 Unklar bleibt, ob dadurch das Merkmal der räumlichen Nähe weiter gefasst 279 und damit praktisch wieder aufgegeben oder ob die Nähe durch mittäterschaftliche Zurechnung hergestellt werden soll. Zu derselben Abgrenzung gelangt Schlehofer, der zwar das Erfordernis des räumlich-zeitlichen Zusammenhangs aufgrund seiner mangelnden Trennschärfe ablehnt, 280 es jedoch durch die Grenze des Versuchsbeginns ersetzen möchte. 281 Das Nötigungsmittel müsse in der Ausführungsphase der Wegnahmehandlung eingesetzt werden, die mit dem unmittelbaren Ansetzen beginne. 282 278 SK-Sinn, § 249 Rn. 32; Brandts, S. 160; ohne Anlehnung an § 22 StGB außerdem BGH bei Holtz, MDR 1984, 274 (276); NStZ 2006, 38; Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 7; Seier, JA 1984, 441 (442). 279 So wohl Seier, JA 1984, 441 (442). 280 Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 68 ff. 281 Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 69; ihm folgend SKStGB-Sinn, § 249 Rn. 32. 282 Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 69; die Ausführungen an dieser Stelle sind insoweit missverständlich, als „die örtliche und zeitliche Nähe zur Wegnahmehandlung aber weder hinreichende noch notwendige Voraussetzung [für das unmittelbare] Ansetzen“ sein soll, die Wegnahmehandlung jedoch getrennt wird von „alle[n] Schritten [...], die nach [des Täters]Vorstellung seinerseits für die Bewirkung des Sachverlusts erforderlich sind.“; gemeint ist damit offenbar, dass, wie allgemein anerkannt, für den Versuchsbeginn lediglich die vom Täter vorzunehmenden Handlungen in einem Verhältnis zeitlicher Nähe stehen müssen, so auch Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, S. 79 ff., nicht jedoch der Eintritt des Gewahrsamswechsels als Erfolg dieser Handlungen.
5. Kap.: Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs 105
Kaum Unterschiede dürften auch zu der Auffassung Vogels bestehen, demzufolge zwischen den beiden Raubakten Tateinheit in Gestalt natürlicher Handlungseinheit bestehen muss. 283 Im Übrigen bleiben die Befürworter dieses Kriteriums eine klare Grenzziehung schuldig und treffen allenfalls Aussagen, was eine zu enge und was jedenfalls eine zu weite Auslegung sei. 284 So leitet Mitsch aus der Tatbestandsformulierung das Erfordernis eines solchen Zusammenhangs ab, um dann festzustellen, dass im Idealfall die Nötigung bereits Beginn der Wegnahme sei und der Zusammenhang jedenfalls bei größerer Distanz fehle. 285 Andere nennen lediglich eine Untergrenze: So meinen etwa Krey / Hellmann, die Grenzen dieses Zusammenhangs seien nicht zu eng zu ziehen, so dass die Wegnahme weder in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an die Nötigung noch notwendig am Ort der Nötigung stattfinden müsse. 286
B. Argumentation I. Wortlaut Maßgebliches Argument für das Erfordernis einer räumlichen und zeitlichen Nähe im Raubtatbestand sei der Wortlaut des § 249 Abs. 1 StGB. 1. „mit“ und „unter Anwendung“ Aus der Formulierung „mit Gewalt“ und „unter Anwendung von Drohungen“ ergebe sich zwingend das Erfordernis eines solchen Zusammenhangs. 287 a) Wortlaut des § 249 Abs. 1 StGB Die Präposition „mit“ enthält nicht zwingend eine zeitliche Komponente. Sie kann einen rein kausalen oder modalen Sinn haben und ist daher durch das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs hinreichend ausgefüllt. 283
LK-Vogel, § 249 Rn. 35. NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 26; Krey / Hellmann, BT2, Rn. 191a; Maurach / Gössel / Zipf, § 35 II Rn. 21; Mitsch, § 3 Rn. 41 f. 285 Mitsch, § 3 Rn. 41 f.: zu weit sei jedenfalls die Entfernung zwischen einem Kreuzfahrtschiff auf dem Mittelmeer und Berlin, zu lang die Spanne zwischen einem Zeitpunkt auf Kreuzfahrt und einem Zeitpunkt nach Rückkehr. 286 Krey / Hellmann, BT2, Rn. 191a. 287 Mitsch, § 3 Rn. 41; Rubo, S. 853; Frank, § 249 IV, „mit“ für zeitlichen Zusammenhang. 284
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
Die Formulierung „unter Anwendung“ scheint hingegen deutlicher für einen entsprechenden Zusammenhang zu sprechen. Wird sie jedoch als zeitliche Beschreibung verstanden, müsste man verlangen, dass die Anwendung der Drohungen eine Dauer aufweist, die die Wegnahme umspannt. Erforderlich wäre also, dass der Täter zumindest konkludent vor und während der Wegnahme droht. 288 Dies mag in vielen Fällen so sein, aber auch in den übrigen würde das Vorliegen eines Raubes nicht verneint. Jede, auch eine konkludente Drohung setzt voraus, dass das Opfer ein Verhalten des Täters, welchem es Drohungsgehalt beimessen könnte, überhaupt wahrnehmen kann. Damit schieden Fälle aus, in denen sich Opfer und Wegnahmeort in unterschiedlichen Räumen befinden. Auch wird sich der Täter häufig mit der durch die ausdrückliche Drohung hervorgerufenen Einschüchterung des Opfers zufrieden geben und von konkludenten Drohungen absehen. Die Annahme einer fortdauernden Drohung ist dann nicht möglich, allein ihre Wirkung dauert an. Stärker noch wird dieser Einwand, wenn man als systematische Erwägung die Gewaltalternative des Raubes hinzuzieht. Es wäre erforderlich, dass der Täter während der Wegnahme Gewalt anwendet. Natürlich kann die vorherige Gewaltanwendung als konkludente Drohung fortgesetzt werden, aber nur bei Anwesenheit des Opfers. Führt die Gewaltanwendung zur Bewusstlosigkeit des Opfers, so wird der Täter weder weiterhin Gewalt anwenden noch konkludent drohen. Eine die Wegnahme umspannende Nötigung schiede damit in den Fällen der Bewusstlosigkeit des Opfers gänzlich aus. Ein Raub allein nach § 249 Abs. 1 Alt. 1 StGB wäre nur in seltenen Fällen gegeben. Dies spricht gegen ein solches zeitliches Verständnis der Formulierung, das offenbar auch von der herrschenden Auffassung nicht geteilt wird, die von Raub mit Gewalt auch dann ausgeht, wenn der Täter diese nur einmalig vor der Wegnahme anwendet. b) Wortlaut des § 202 Abs. 1 Nr. 2 StGB Die Formulierung „unter Anwendung“ findet sich auch in § 202 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wonach derjenige den objektiven Tatbestand der Verletzung des Briefgeheimnisses erfüllt, der sich unbefugt vom Inhalt eines Briefes ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft. Die Kenntnisnahme setzt voraus, dass der Täter zumindest teilweise den enthaltenen Text gelesen hat; die rein optische Wahrnehmung der Zeichen genügt dafür nicht. 289 Wenn er mittels eines technischen Gerätes eine Kopie des Inhalts macht, so hat er den Inhalt noch nicht zur Kenntnis genommen. Nimmt er diese zwei Monate später – und damit wäre der zeitliche Zusammenhang nach allgemeiner Auffassung jedenfalls unterbrochen – hervor und liest sie, so bestehen dennoch 288 289
Vgl. auch Rubo, S. 853. SK-Hoyer, § 202 Rn. 19; Schönke / Schröder-Lenckner, § 202 Rn. 10 f.
5. Kap.: Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs 107
keine Bedenken, von einer Kenntnisnahme unter Anwendung technischer Mittel zu sprechen. Die technischen Mittel bilden das Gegenstück zur Drohung in § 249 Abs. 1 StGB, die Kenntnisnahme des Inhalts entspricht der Wegnahme einer fremden Sache. Aus der Formulierung „unter Anwendung“ folgt also nicht zwingend das Erfordernis eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs. Die damit umschriebene Beziehung ist die vom Täter durch seine Absicht hergestellte; Gehalt der Formulierung „unter Anwendung“ ist ausschließlich der Finalzusammenhang. c) Wortlaut der §§ 253, 255 StGB Gegen eine entsprechende Deutung der Formulierung könnte auch die Ausgestaltung der §§ 253, 255 StGB sprechen. Während § 253 StGB die Erpressung mit Gewalt oder durch Drohung fordert, verlangt § 255 StGB die Begehung mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen. Die Präposition „durch“ drückt lediglich Kausalität aus und beinhaltet keinerlei zeitliche Komponente. Dies zeigt sich an den Fahrlässigkeitstatbeständen: Eine Tötung durch Fahrlässigkeit wird nicht deswegen verneint, weil zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und Erfolgseintritt ein größerer zeitlicher Abstand liegt. Die Systematik stünde einem unterschiedlichen Verständnis zwar nicht zwingend entgegen, da die heute so bezeichnete räuberische Erpressung Qualifikation zur einfachen Erpressung und es daher zumindest denklogisch möglich ist, dass nicht allein die Beschreibung des Nötigungsmittels, sondern auch der räumliche und zeitliche Rahmen der Tatbegehung enger gefasst werden sollte. Dafür gibt es indes keine Anhaltspunkte. Die unterschiedlichen Formulierungen der Erpressungstatbestände fanden sich bereits im StGB für den Norddeutschen Bund, das nahezu identisch als RStGB und nun StGB übernommen wurde. Während der Vorgänger der Erpressung, § 253 des StGB des Norddeutschen Bundes, die Nötigung durch Gewalt oder Drohung voraussetzte, war nach dem Vorgänger der räuberischen Erpressung, § 255 des StGB des Norddeutschen Bundes, die Erpressung durch Gewalt gegen die Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erforderlich. Die unterschiedliche Wortwahl fand im Zuge der Ausarbeitung dieses Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund Eingang in das Gesetz. Während in § 236 des preußischen Strafgesetzbuchs von 1851 und in § 232 des Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund aus dem Juli 1869 die Formulierung der räuberischen Erpressung noch „durch Drohungen“ lautete, enthielt § 250 des Folgeentwurfs aus dem Februar 1870 bereits die geänderte Wortwahl „unter Anwendung von Drohungen“. Eine Begründung für diese Änderung fehlt; vielmehr wird in den Motiven zu dem Entwurf aus dem Jahre 1870 ausgeführt, “[d]iese Bestimmungen entspr[ä]chen in der Hauptsache den Vorschriften in §. 235. Abs. 2., §. 236. des Preußischen Strafgesetzbuchs.“ 290 Die veränderte Formulierung scheint eine Anlehnung an
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
den Raubtatbestand, der auch für die Rechtsfolge maßgeblich war und ist, und die Umformulierung während der Gesetzgebung zum StGB für den Norddeutschen Bund eine nicht begründungswürdige und -bedürftige redaktionelle Änderung ohne Bedeutungswandel zu sein. Somit sprechen auch die Entstehung und Ausgestaltung der Tatbestände der einfachen und der räuberischen Erpressung gegen ein derart unterschiedliches Verständnis der Formulierungen „durch Gewalt“ und „unter Anwendung von Drohungen“. 2. Ergebnis der Wortlautanalyse Im Gesetzeswortlaut findet sich kein zwingender Anhaltspunkt für das Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs. Einem Verzicht auf dieses steht Art. 103 Abs. 2 GG nicht entgegen. II. Systematik 1. Ausgestaltung des § 252 StGB Mitsch etwa führt als systematisches Argument für die räumlich-zeitliche Begrenzung die Ausgestaltung des räuberischen Diebstahls mit dem Erfordernis der Tatfrische an. 291 a) Das Merkmal der Tatfrische aus § 252 StGB Nach allgemeiner Auffassung ist eine Tat dann frisch, wenn der Täter sich alsbald nach Vollendung der Tat am Tatort oder in dessen Nähe aufhält, 292 wenn also ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Wegnahme und der darauf folgenden Nötigungshandlung besteht. 293 Die Beurteilung habe unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. 294 Frühester Zeitpunkt sei die Vollendung des Diebstahls als Vortat, spätester Zeitpunkt seine Beendigung. 295 Die Vollendung im formellen Sinne 296 tritt ein mit der Erfüllung aller tatbestandlichen Merkmale, 297 im Fall des Diebstahls mit dem Abschluss 290
Motive zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, S. 77. Mitsch, § 3 Rn. 42. 292 St. Rspr., vgl. BGHSt 9, 255 (257); 26, 95 (96); 28, 224 (228); OLG Hamm, MDR 1969, 238; a. A. Kohlheyer, S. 36. 293 BGHSt 9, 255 (257). 294 BGHSt 9, 255 (257); 28, 224 (229). 295 Statt vieler Schönke / Schröder-Eser, § 252 Rn. 4. 296 Begrifflichkeit nach Welzel, S. 188. 291
5. Kap.: Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs 109
der Wegnahmehandlung, der Gewahrsamsneubegründung. Als beendet gilt eine Tat, wenn die vom Täter gewollte Rechtsgutsverletzung im vollen Umfang erfolgt ist, 298 sog. materielle Vollendung. 299 Bei Delikten mit überschießender Innentendenz, bei denen der Gesetzgeber den Vollendungszeitpunkt aus kriminalpolitischen Gründen vorverlegt hat, ist dies der Fall, wenn sich die benannte Absicht realisiert. 300 Für den Diebstahl wird dies zu dem Zeitpunkt angenommen, in dem der Wegnehmende den neubegründeten Gewahrsam auch gefestigt und gesichert hat. 301 Weitest möglicher Anwendungsbereich des Tatbestands des § 252 StGB ist damit in zeitlicher Hinsicht die Beendigungsphase des Diebstahls zwischen der Begründung des neuen Gewahrsams und seiner Sicherung. Die Tatfrische kann jedoch auch bereits vor Beendigung entfallen, wenn die oben genannten Kriterien der räumlichen und zeitlichen Nähe nicht erfüllt sind. Abweichende Auslegungen des Tatfrischemerkmals sind vereinzelt geblieben und stark kritisiert worden. So sah das OLG Celle in dem Merkmal der Tatfrische keine weitere Einschränkung gegenüber dem der Beendigung des Diebstahls; die Tat sei so lange frisch, wie die Beendigung noch nicht eingetreten sei. 302 Weiter noch geht Dreher, der den Diebstahl grundsätzlich auch noch nach dessen Beendigung als taugliche Vortat i. S. d. § 252 StGB ansieht. 303 Dies fußt auf seinem grundsätzlich anderen Verständnis von der tatbestandlichen Reichweite des § 249 Abs. 1 StGB, der die Gewaltanwendung bis zur Beendigung der Wegnahme erfasse, und der daraus folgenden Abgrenzung von Raub und räuberischem Diebstahl anhand des Beendigungszeitpunkts der Wegnahme. Beide Auffassungen werden dem Wortlaut des Gesetzes nicht gerecht. Die Auslegung durch das OLG Celle lässt dem Merkmal der Tatfrische gegenüber dem des Betreffens bei einem Diebstahl keinerlei Bedeutung zukommen. 304 Dreher lässt hingegen die Formulierung „bei einem Diebstahl“ leerlaufen und verkennt, dass eine Gewaltanwendung nach Vollendung der Wegnahme keine Wegnahme mit Gewalt sein kann. 305 Die Abgrenzung anhand des Beendigungszeitpunktes entspricht auch nicht dem gesetzgeberischen Willen. Gesetzesentwürfe aus den Jahren 1959, 1960 und 1962 306, nach denen der Tatbestand des räuberischen 297
Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, Eser, Vorbemerkungen zu § 22 Rn. 2. SK-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 7. 299 Begrifflichkeit nach Welzel, S. 188; Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, Eser, Vorbemerkungen zu § 22 Rn. 4. 300 Schönke / Schröder-Lenckner / Perron, Eser, Vorbemerkungen zu § 22 Rn. 4, 6; SK-Rudolphi, Vor § 22 Rn. 7. 301 St. Rspr. des BGH, vgl. BGHSt 20, 194 (196); BGH NJW 1981, 997; NStZ 2008, 152; NK-Kindhäuser, § 242 Rn. 127; Fischer, § 242 Rn. 54. 302 OLG Celle, HESt 1, 12 (13, 16); Kritik bei BGHSt 28, 224 (229). 303 Dreher, MDR 1976, 529; MDR 1979, 529; Gössel, BT2, § 15 Rn. 11 ff. und Lackner / Kühl, § 252 Rn. 4 stellen allein auf das Merkmal der Tatfrische ab, folgen jedoch nicht der zugrundeliegenden Konzeption Drehers. 304 Kritik bei BGHSt 28, 224 (229). 298
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
Diebstahls erst ab Beendigung des Diebstahls und bis zu diesem Zeitpunkt der des Raubes greifen sollte, 307 wurden nicht umgesetzt. b) Die Übertragbarkeit des Tatfrischemerkmals Die sich aus dem Merkmal der Tatfrische ergebende räumliche und zeitliche Begrenzung sei, so Mitsch, auf den Tatbestand des Raubes zu übertragen bzw. zeige die Vorstellung des Gesetzgebers vom Raub. Einziger wesentlicher Unterschied zwischen Raub und räuberischem Diebstahl sei die umgekehrte Abfolge von Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme. Die zeitliche Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 252 StGB müsse auch für den Raubtatbestand gelten müsse. Sei die enge Verbindung von Nötigung und Wegnahme das Raubähnliche im räuberischen Diebstahl, dann müsse dies auch auf den Tatbestand des Raubes selbst zutreffen. Sonst müsste auch die um eine Woche verzögerte Gewaltanwendung zur Gewahrsamserhaltung dem Strafrahmen der §§ 249 Abs. 1, 252 StGB unterfallen. 308 Dass eine spezifische Verbindung von Nötigung und Wegnahme den Raub ausmacht und auch Bedingung der Raubähnlichkeit des § 252 StGB ist, wird nicht bestritten. Offen ist, ob die räumliche und zeitliche Nähe Teil dieser Verbindung ist. Diesbezüglich ist die Argumentation Mitschs eine petitio principii. Wenn der Raubtatbestand einen solchen Zusammenhang nicht erfordert, dann unterscheidet sich der räuberische Diebstahl von jenem nicht nur durch die Umkehrung der Reihenfolge, sondern auch durch den zeitlichen und räumlichen Rahmen der Tatbegehung. Erstaunlich ist, dass teilweise auch diejenigen, die das Erfordernis räumlicher und zeitlicher Nähe zwischen Gewalt bzw. Drohung und Wegnahme beim Raub annehmen, in dem Merkmal der Tatfrische eine zusätzliche, einschränkende Voraussetzung sehen, unter welcher der räuberische Dieb dem Räuber gleichzustellen sei; 309 verlangt man auch im Raubtatbestand das Bestehen eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs, so handelt es sich bei dem Merkmal der Tatfrische um keine Einschränkung, sondern das spiegelbildliche Gegenstück. 305
BGHSt 28, 224 (226); Schünemann, JA 1980, 393 (398); LK-Vogel, § 249 Rn. 34 ff.; weitere Kritik an der Konzeption Drehers u. a. bei LK-Herdegen, 11. Auflage, § 252 Rn. 8 ff. 306 § 253 E 1959, § 247 E 1960 Gewaltanwendung nach Diebstahl „Wer, nach einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen oder verfolgt [...]“; § 247 E 1962 = BT-Drs. IV/650: Räuberischer Diebstahl „Wer, nach einem Diebstahl oder einer Entwendung auf frischer Tat betroffen oder verfolgt[...]“. 307 Vgl. Begründung zu § 247 E 1960 und § 247 E 1962, BT-Drs. IV/650. 308 Mitsch, § 3 Rn. 42. 309 BGHSt 26, 224 (230); LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 15 und 252 Rn. 14.
5. Kap.: Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs 111
Schließlich könnte es Gründe für die Aufnahme des Tatfrischemerkmals in den Tatbestand des räuberischen Diebstahls geben, die auf den Raubtatbestand nicht übertragbar sind. Ein solcher liegt zunächst in der Begründung der Strafwürdigkeit durch den Gesetzgeber des räuberischen Diebstahls. Der in den Motiven angeführte Schluss, dass derjenige, der nach Vollendung der Wegnahme Gewalt anwendet, dies auch zur Ermöglichung der Wegnahme bis zu deren Vollendung getan hätte, soll nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Gewaltanwendung der Wegnahme in unmittelbarem Anschluss nachfolge. 310 An dieser Vermutung wird zu Unrecht 311 kritisiert, dass sie nicht die besondere Bedrängnis des räuberischen Diebes berücksichtige. 312 Jedenfalls liefert sie einen historisch wirksamen, auf den Raubtatbestand nicht übertragbaren Grund für die Aufnahme des Tatfrischemerkmals in den Tatbestand des räuberischen Diebstahls. Einen weiteren Grund könnten die zivilrechtlichen Besitzschutzrechte aus § 859 BGB darstellen. § 859 Abs. 1 BGB, die sog. Besitzwehr, gestattet demjenigen, gegen den verbotene Eigenmacht ausgeübt wird, die gewaltsame Verteidigung der Sache. § 859 Abs. 2 BGB, die sog. Besitzkehr, gestattet ihm, die Sache dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter gewaltsam wieder abzunehmen. Verbotene Eigenmacht ist gem. § 858 Abs. 1 BGB u. a. die widerrechtliche Entziehung des Besitzes an einer Sache ohne den Willen des bisherigen Besitzers, somit auch die Begehung eines Diebstahls als Vortat des § 252 StGB. Wie sich im Umkehrschluss aus §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 BGB ergibt, steht die Fehlerhaftigkeit des Besitzes diesen Rechten nicht entgegen. 313 Nach der Phase der Tatfrische oder Verfolgung ist daher auch der ehemalige Besitzer in seinen Rückerlangungsbemühungen nicht mehr durch die Rechte aus § 859 BGB gerechtfertigt und begeht seinerseits verbotene Eigenmacht, derer sich wiederum der Dieb in dem vollen Umfang der Besitzschutzrechte aus § 859 BGB erwehren darf. Mit Abschluss der in § 859 Abs. 2 BGB beschriebenen Phase verkehren sich die rechtlichen Wertungen in ihr Gegenteil: Der gestärkte Schutz des vormaligen Besitzers erlischt und dieser ist auf den prozessualen Weg angewiesen; 314 der Schutz des Diebes gegen eine gewaltsame Abnahme entsteht. Neben die Besitzschutzrechte treten die weiteren, allgemeinen Rechtfertigungsgründe. Der in einem Diebstahl liegende Angriff ist nach allgemeiner Auffassung solange i. S. d. § 32 StGB gegenwärtig, wie der Dieb die 310 Motive zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, S. 76; ähnlich BGHSt 9, 162 (263); Seier, NJW 1981, 2152 (2154). 311 Vgl. 2. Kap. B. IV. 3. 312 Geilen, JURA 1979, 613 (614); LK-Herdegen, 11. Auflage, § 252 Rn. 3; Kohlheyer, S. 27 f. 313 MKBGB-Joost, § 859 Rn. 3. 314 Nach Kratzsch, JR 1988, 397 (400), ein allgemeines Lebensrisiko und daher nicht von § 252 StGB erfasst.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
Beute noch nicht gesichert hat, 315 so dass dem Bestohlenen bis zur Beendigung das Notwehrrecht offensteht. Wie bei allen anderen Delikten greift unmittelbar nach Vollendung des Diebstahls der Rechtfertigungsgrund des § 127 Abs. 1 StPO, der jedermann die Festnahme einer auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Person gestattet. Das Merkmal der frischen Tat wird dabei in räumlicher und zeitlicher Hinsicht ebenso ausgelegt wie in § 252 StGB. 316 Unter dem Begriff der Verfolgung auf frischer Tat, der eine Erweiterung gegenüber dem Anwendungsbereich des räuberischen Diebstahls bedeutet, 317 werden Maßnahmen der Nacheile im unmittelbaren Anschluss an die Entdeckung der zuvor verübten Tat, die auf die Ergreifung des Täters gerichtet sind, verstanden. Gerechtfertigt werden durch das Festnahmerecht nach überwiegender, 318 aber nicht unbestrittener 319 Auffassung Freiheitsberaubungen, Nötigungen und leichtere Körperverletzungen im Rahmen des Verhältnismäßigen. Ein besonderer Unwert soll nun darin bestehen, dass der Täter diese Abwehrbefugnisse durch den Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel überwindet. 320 Allerdings wird der Sinn der Besitzschutzrechte weniger in dem Schutz des Opfers frischer verbotener Eigenmacht gesehen als in dem Schutz des Rechtsfriedens. Dieser soll vorbeugend durch die abschreckende Wirkung erreicht werden, welche die Anerkennung der Besitzschutzrechte mit sich bringe. Denn der Störer muss bei eigenmächtigen Besitzbeeinträchtigungen mit erlaubtem gewaltsamen Widerstand und der gewaltsamen Wiederherstellung der ursprünglichen Besitzlage rechnen. 321 Im Übrigen ist die Regelung ein Beispiel der normativen Kraft des Faktischen: Sie erkennt an, dass der Einzelne Angriffe auf seinen Besitz abwehren wird. 322 Der Gedanke einer besonderen Schutzwürdigkeit des soeben Bestohlenen wird daraus also nicht deutlich. Gleiches gilt für das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 StPO. Dieses dient nicht dem Schutz des Tatopfers, sondern der Sicherung des Strafverfahrens. 323 Es steht schließlich nicht nur dem 315
Schönke / Schröder-Perron, § 32 Rn. 15 m.w. N. Vgl. LRStPO-Hilger, § 127 Rn. 13; SKStPO-Paeffgen, § 127 Rn. 14; KKStPOSchultheis, § 127 Rn. 10 f. 317 A. A. Kohlheyer, S. 36, nach der § 252 StGB auch die Phase des Verfolgtwerdens erfasst. 318 BGHSt 45, 378 (381); SKStPO-Paeffgen, § 127 Rn. 20; KKStPO-Schultheis, § 127 Rn. 27. 319 Arzt, Kleinknecht-FS, 1 (8, 10): § 127 StPO rechtfertige nur die Verletzung der körperlichen Bewegungsfreiheit und Willensfreiheit, im Übrigen sei auf § 32 StGB zurückzugreifen; differenzierend LRStPO-Hilger, § 127 Rn. 29: grundsätzlich sei eine Verletzung von Leib und Leben unzulässig. 320 So etwa Brandts, S. 162; Geilen, JURA 1979, 669 (670); Seier, NJW 1981, 2152 (2154). 321 Staudinger-Bund, § 859 Rn. 2; MKBGB-Joost, § 859 Rn. 1. 322 MKBGB-Joost, § 859 Rn. 1. 323 LRStPO-Hilger, § 127 Rn. 3; SKStPO-Paeffgen. § 127 Rn. 2. 316
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Tatopfer zu, sondern jedermann. Im Übrigen ist die Anwendbarkeit des § 127 Abs. 1 StPO sowie der sonstigen Rechtfertigungsgründe keine Besonderheit der Tatsituation des § 252 StGB; die Überwindung dieser Abwehrbefugnisse kann daher kein besonderes Unrecht des räuberischen Diebstahls gegenüber anderen Delikten begründen. Entscheidend ist jedoch, dass der Gesetzgeber den zeitlichen Rahmen des räuberischen Diebstahls beschränken musste, um die Unvereinbarkeit mit dem Zivilrecht zu vermeiden. 324 Das Selbsthilferecht des Besitzers war bereits im römischen Recht anerkannt 325 und auch im A.L.R. 326 niedergelegt. Der Widerspruch, dass das Zivilrecht dem Täter die Besitzwehr mit Gewalt nach § 859 Abs. 2 BGB gestattet, diese jedoch bei einem nicht zugleich durch das Merkmal der Tatfrische 327 eingeschränkten Tatbestand des räuberischen Diebstahls besonders sanktionierte, wurde – offenbar zugunsten dieses althergebrachten Rechts – dadurch vermieden, dass der Tatbestand des § 252 StGB spätestens zu dem Zeitpunkt nicht mehr einschlägig sein sollte, in dem die Rechte des Diebes zur Besitzwehr entstehen. Die zeitliche Beschränkung überzeugt auch vor dem Hintergrund der Konzeption von Raub und räuberischem Diebstahl, nach der die Tatbestände die Durchsetzung der Zueignung durch qualifizierte Nötigungsmittel erfassen sollen. In dem Erfordernis der Tatfrische kann die Beschreibung einer Situation gesehen werden, in der in jedem Fall die Beendigung des Diebstahls oder Raubes noch nicht eingetreten ist, 328 und eine von der des Raubes kaum unterscheidbare Situation andauert. 329 Das Erfordernis der Tatfrische aus § 252 StGB lässt sich somit einerseits darauf stützen, dass es erst die Vergleichbarkeit mit dem Raub hergestellt, anderseits auf die Besonderheiten der Situation, die der räuberische Diebstahl erfassen soll. Aus dem Merkmal lassen sich keinerlei Einschränkungen für den räumlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des Raubtatbestands ableiten. 2. Raub als lex specialis zur Nötigung Weiterhin ist der Raub Spezialtatbestand zur Nötigung. Mit letzterer verknüpfte Begrenzungen könnten daher auf den Tatbestand des § 249 Abs. 1 StGB 324
So auch Kohlheyer, S. 28 ff. Vgl. z. B. Julianus, Corpus Iurus Civilis, D 43, 16, 17. 326 7. Abschnitt §§ 142, 142. 327 Er hätte den zeitlichen Anwendungsbereich des räuberischen Diebstahls auch auf die Phase der Verfolgung ausdehnen können, hat sich wohl aus den genannten historischen Argumenten jedoch dagegen entschieden. 328 Vgl. LK-Vogel, § 252 Rn. 34; MK-Sander, § 252 Rn. 7; BGHSt 28, 224 (229). 329 So auch Perron, GA 1989, 145 (166). 325
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
durchschlagen. In der Rechtsprechung des BGH findet sich allein eine Entscheidung, die auf das Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Nötigungshandlung und Erfolg hindeuten könnte: Eine Sitzblockade mit dem Ziel, Fahrzeuge zum Anhalten zu zwingen, erfüllt danach auch dann den Tatbestand der vollendeten Nötigung, wenn die Polizei die Fahrzeugführer, deren Nötigung beabsichtigt war, in unmittelbarem örtlich-zeitlichen Zusammenhang anhält. 330 Dieses polizeiliche Eingreifen war eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf. Im unmittelbaren Kontext finden sich Ausführungen dazu, dass ein solches Vorgehen von den Tätern zu erwarten war. Offenbar sollte über die Feststellung des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs die Unbeachtlichkeit dieser Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten begründet und keine verallgemeinerungsfähige Feststellung zu den räumlichen und zeitlichen Grenzen der Nötigung getroffen werden. Die Literatur zum Nötigungstatbestand schweigt sich dazu aus, ob der Nötigungserfolg in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Nötigungshandlung eintreten muss, sieht also ebenso wie der BGH eine solche Beschränkung offenbar nicht vor. 3. Sexuelle Nötigung Für den Tatbestand der sexuellen Nötigung finden sich ebenfalls keine Aussagen zur äußeren zeitlichen Grenze, sondern lediglich zu der inneren, nämlich dazu, dass Einsatz des Nötigungsmittels und Nötigungsziel zusammenfallen können. Diskutiert wird in diesem Rahmen, ob § 177 StGB ein einaktiges oder ein zweiaktiges Delikt ist. 331 Vielmehr scheint die Rechtsprechung ein solches Erfordernis abzulehnen. 332 Lediglich in den Fällen, in denen eine vorherige, nicht zu dem Zweck der Wegnahme vorgenommene Nötigungshandlung als konkludente Drohung fortwirkt, wird dem Bestehen eines engen zeitlichen Zusammenhangs Bedeutung beigemessen. 333 In den Zweipersonenkonstellationen der sexuellen Nötigung stellt sich diese Frage auch weniger dringlich, setzt der Sexualkontakt mit dem Nötigenden schließlich zwingend seine Anwesenheit voraus. Hat der Täter in größerem zeitlichen Abstand Gewalt angewendet oder gedroht, so wird in den meisten Fällen zumindest eine konkludente Drohung vorliegen. Praktisch relevant wird die Frage nach dem Erfordernis eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs daher in den Fällen, in denen das Opfer bewusstlos wird oder in denen der Sexualkontakt zu einem Dritten hergestellt werden soll. Die Einwirkung auf das Opfer kann entweder weit vorher oder mit räumlicher Distanz erfolgen. Man 330
BGHSt 37, 350. Darstellung bei SK-Wolters / Horn, § 177 Rn. 3. 332 BGH NStZ 1981, 344; 1986, 409. 333 s. etwa BGHSt 42, 107 (111); BGH NStZ 1986, 409; NStZ 2003, 424 (425); LK-Hörnle, § 177 Rn. 68. 331
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denke an den Zuhälter, der sein Opfer gefügig gemacht hat, bei der Aufnahme des Sexualkontaktes zu einem Dritten jedoch nicht anwesend ist. Für die räuberische Erpressung und die sexuelle Nötigung, durch die das Opfer zur Vornahme einer sexuellen Handlung gezwungen wird, ist eine solche Begrenzung schon vor dem Hintergrund allgemeiner Grundsätze nicht überzeugend. Bei dem selbstschädigenden Verhalten des Opfers handelt es sich um einen Erfolg, und das Erfordernis zeitlicher und räumlicher Nähe von Erfolgen wird im Rahmen der Grundsätze zum Verhältnis von Handlungen und ihren Erfolgen allgemein abgelehnt. 334 Aber auch für die sexuelle Nötigung in der Duldungsvariante, den sexuellen Raub, wird eine zeitliche und räumliche Begrenzung nicht verlangt. Auf der Grundlage der Arbeitshypothese überzeugt es daher nicht, eine solche Begrenzung für den Raubtatbestand zu verlangen. 4. Systematik der Rechtfertigungsgründe Wie beim räuberischen Diebstahl werden auch beim Raub die Rechtfertigungsgründe für eine zeitliche und räumliche Einschränkung des Tatbestandes herangezogen, gestützt auf den Gedanken, dass die §§ 249, 252 StGB auch dem Schutz der Verteidigungsrechte, §§ 32, 34 StGB, § 859 BGB, § 127 Abs. 1 StPO, dienen sollen, die auf den Zeitraum der Gegenwärtigkeit oder des Betreffens oder Verfolgens auf frischer Tat begrenzt sind. Wie die Einräumung besonderer Befugnisse zeige, sei der Angegriffene nach Wertung des Gesetzgebers in den zeitlichen Grenzen der Rechtfertigungsgründe besonders schützenswert. 335 Nach dieser Argumentation soll die Missachtung dieser besonderen Schutzwürdigkeit offenbar das Raubunrecht mitkonstituieren; vorausgesetzt wird weiterhin, dass dies nur bei einer durchgehend bestehenden Gegenrechtslage der Fall ist, die ausschließlich bei einer räumlichen und zeitlichen Nähe der Einzelakte gegeben sei. Bereits aufgezeigt wurde, dass die Regelung der Selbsthilferechte des Besitzers aus § 859 BGB nicht Ausfluss einer besonderen Schutzwürdigkeit des Opfers verbotener Eigenmacht ist, sondern vielmehr durch ihre abschreckende Wirkung den Rechtsfrieden schützen soll. Die Rechtfertigungsgründe betreffen nicht allein die Konstellation von Diebstahl, Raub und räuberischem Diebstahl. § 249 Abs. 1 StGB enthält nicht mehr Anhaltspunkte für die besondere Schutzwürdigkeit des unmittelbar gefährdeten Gewahrsams, als jedes sonstige Delikt Hinweise 334 Diskutiert wird lediglich, ob ein extremes zeitliches Auseinanderfallen von tatbestandlicher Handlung und Erfolg den Zurechnungszusammenhang unterbricht, s. etwa Wolters / Beckschäfer, Herzberg-FS, 140 ff. Solche Fälle dürften bei den Delikten des Raubes, der räuberischen Erpressung und der sexuellen Nötigung wohl kaum relevant sein, da bei Ablauf der für maßgeblich erachteten Zeitspannen der Nötigungsdruck auf das Opfer wohl nicht mehr bestehen wird. 335 Vgl. Brandts, S. 162 ff.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
auf die besondere Schutzwürdigkeit seines Rechtsgutes enthält. Der Gedanke der Missachtung der Schutzrechte, etwa des § 127 Abs. 1 StPO, müsste jedem Delikt zugrunde liegen und wäre keine Besonderheit des Raubunrechts. Anderes könnte dann gelten, wenn der Tatbestand in seinem Wortlaut tatsächlich zeitlich auf die Phase der Gegenwärtigkeit zugespitzt wäre, wie etwa der Tatbestand des räuberischen Diebstahls. Aber auch dessen zeitliche Begrenzung ist, wie aufgezeigt, kein Ausdruck der besonderen Schutzbedürftigkeit des frisch entwendeten Besitzes. Es mag daher bereits bezweifelt werden, ob Aufgabe des Raubtatbestandes der Schutz des Opfers eines gerade andauernden Gewahrsamsangriffs ist. Um jedoch in dem Rahmen der genannten Argumentation zu verbleiben: Auch ein räumlich und zeitlich gestreckter Raubtatbestand könnte mit der Systematik der die Gegenwärtigkeit verlangenden Rechtfertigungsgründe vereinbar sein. Zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung und der Wegnahme ist der jeweilige Angriff gegenwärtig. Fällt der Einsatz des Nötigungsmittels mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme zusammen, dauert ab Raubversuchsbeginn bis Beendigung der Wegnahme zu jedem Zeitpunkt ein Angriff an oder steht zumindest bevor. Damit ist zu jeder Zeit eine Gegenrechtslage gegeben. Wenn nun aber ein größerer Abstand zwischen den Teilakten liegt, so ist zu fragen, wie die Gegenwärtigkeit für diese Dauer zu beurteilen ist und ob sich das eventuelle Bestehen einer Zwischenlage mit der Dogmatik der Rechtfertigungsgründe verträgt. Eine vergleichbare Problematik wurde heftig für den Tatbestand der Erpressung diskutiert; namentlich die Fälle der Chantage sind wegen der weiteren Probleme der Rechtfertigung besonders beleuchtet worden. An dieser Stelle ist von Bedeutung, ob die Erpressung einen einheitlichen Angriff oder zwei Angriffe beinhaltet, ob eine Drohung einen Angriff darstellt, und, sofern man zwei Angriffe zugrunde legt, wann der Angriff auf die Willensbetätigungsfreiheit beendet ist und der auf das Vermögen beginnt. Zusammenfassend lassen sich im Groben vier Lösungswege festhalten. 1. Es wird von dem Vorliegen nur eines Angriffs ausgegangen, sei es a), dass in der Drohung noch kein gegenwärtiger Angriff gesehen 336, sei es b), dass insgesamt nur ein einheitlicher Angriff angenommen wird 337. 2. Es wird von dem Vorliegen zweier Angriffe ausgegangen, a) von denen derjenige auf die Willensfreiheit bis zu dem auf das Vermögen gegenwärtig sein soll 338 oder der auf das Vermögen bereits mit dem auf die Willensfreiheit beginnt 339, oder b) das Vorliegen einer Schwebesitua336 Frister, 16. Kap. Rn. 16 f.; Jakobs, AT, 12. Abschn. Fn. 49; H. E. Müller, NStZ 1993, 366 (368); derselbe, Schroeder-FS, 323 (331 ff.): ein gegenwärtiger Angriff i. S. d. § 32 StGB sei nur gegeben, wenn das angedrohte Verhalten selbst rechtswidrig und gegenwärtig ist. 337 So etwa Amelung, GA 1982, 381 (384); Eggert, NStZ 2001, 225 (226); wohl auch Haug, MDR 1964, 548 (551), der einerseits von einem Angriff spricht, aber auch die einzelnen erpresserischen Teilakte als Angriff ansieht; ausdrückliche Kritik bei Arzt, MDR 1965, 344 f.; derselbe, JZ 2001, 1052 (1053 Fn. 7).
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tion zwischen den beiden Akten wird nicht als problematisch erachtet 340. Eine vollständige Lösung des Problems kann für diese Arbeit dahinstehen. Entweder besteht keine Schwebelage oder sie ist jedenfalls mit der Gesetzeskonzeption vereinbar. Dies lässt sich auf den Raubtatbestand übertragen. Entweder liegt ein einheitlicher Angriff auf Willensbildungsfreiheit und Eigentum oder es liegen zwei Angriffe, Nötigung und Wegnahme, vor, und das Fehlen einer einheitlichen Gegenrechtslage schadet nicht. Unabhängig davon, welche Lösung die richtige ist, folgt aus den Rechtfertigungsgründen nicht zwingend das Erfordernis eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs. Die behauptete Schutzaufgabe kann § 249 Abs. 1 StGB auch dann erfüllen, nämlich indem er die Missachtung der Notrechte dort erfasst, wo sie tatsächlich bestehen und das Opfer damit besonders schützenswert ist. 5. Konkurrenzen Schließlich wird das Erfordernis des räumlich-zeitlichen Näheverhältnisses auf die Konkurrenzlehre gestützt. Die einzelnen Elemente des Raubes als klassischer Fall tatbestandlicher Handlungseinheit müssten in Idealkonkurrenz zueinander stehen, da der Gesetzgeber sonst die für die juristische Handlungseinheit anerkannten Grundsätze verließe und eine nicht zu erwartende außergewöhnliche Regelung getroffen hätte. 341 Dieser Schluss von der Konkurrenzlehre auf die tatbestandliche Ausgestaltung des § 249 Abs. 1 StGB überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Das Argument der ungewöhnlichen Regelung ist zirkulär. Wenn das Gesetz zulässt, dass zwischen den Einzelakten des Raubes ein größerer Abstand liegt und dies – nach der hier vertretenen Auffassung – zumindest auch auf die sexuelle Nötigung zu übertragen ist, dann handelt es sich eben nicht um eine außergewöhnliche Regelung, sondern eine, die alle dieser Vergleichsgruppe zuzuordnenden mehraktigen Delikte betrifft. Gerade die Ausgestaltung als mehraktiges Delikt ermöglicht die Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Handlungen. 338
Amelung, GA 1982, 381 (384 ff.); SK-Günther, § 32 Rn. 76; NK-Herzog, § 32 Rn. 33; Morbach S. 51 ff.; Novoselec, NStZ 1997, 218 (219); Roxin, ATI, § 15 Rn. 29; Schönke / Schröder-Perron, § 32 Rn. 18; so auch Eggert, NStZ 2001, 225 (226), der jedoch bereits von einem einheitlichen Angriff ausgeht und diesen Gedanken daher nicht als tragend ansieht: Der Angriff auf die Willensfreiheit dauere an, bis das Opfer dem Nötigungsdruck nachgegeben habe; a. A. Arzt, MDR 1965, 344: mit dem Ausspruch der Drohung sei der Angriff auf die Willensfreiheit verwirklicht; alles Nachfolgende könne nur eine neue Drohung und damit ein neuer Angriff oder die Verwirklichung der Drohung sein. 339 Morbach, S. 55; Novosolec, NStZ 1997, 218 (219); angedeutet auch bei Arzt, MDR 1965, 344 (345); a. A.: H. E. Müller, Schroeder-FS, 323 (328). 340 Baumann, MDR 1965, 346 f. 341 Brandts, S. 161.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
Aber auch außerhalb der Gruppe mehraktiger Delikte ist der Konkurrenzlehre gerade bei der Figur der tatbestandlichen Handlungseinheit eine Zusammenfassung von räumlich und zeitlich getrennten Handlungen nicht fremd. Der Begriff der tatbestandlichen bzw. juristischen Handlungseinheit bezeichnet die sich aus Sinn und Zweck des jeweiligen Tatbestandes erschließende Zusammenfassung mehrerer Willensbetätigungen zu einer Handlung. 342 Ein Beispiel dafür ist die konkurrenzrechtliche Behandlung von Dauerdelikten. Dauerdelikte sind Delikte, deren Unrechtsgehalt nicht allein in der Herbeiführung, sondern auch in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustands besteht. 343 Zu nennen sind etwa die Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB oder der Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB. Sämtliche Akte, ob Handlungen oder Unterlassen, die der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands dienen, stehen in Handlungseinheit. 344 Auf das Bestehen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs wird dabei nicht abgestellt. Dieser Gedanke wird auf die tatbestandliche Handlungseinheit im weiten Sinne bzw. die Bewertungseinheit ausgeweitet. Von einer solchen wird gesprochen, wenn Tatbestände ganze Handlungskomplexe als eine Tat beschreiben, indem sie mehrere Einzelakte pauschal zu einem tatbestandlichen Verhaltenstypus zusammenfassen. 345 Für die Annahme von Handlungseinheit müssen diese Einzelakte gerade nicht in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. 346 Beispiele sind hier die Staatsschutzdelikte, etwa § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB 347, die Organisationsdelikte, etwa § 84 StGB 348 oder § 20 Abs. 1 Nr. 1-3 VereinsG 349, und die Mitgliedschaft in einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung, §§ 129, 129a StGB. 350 Auch der Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, stellt eine solche Bewertungseinheit dar, die Erwerb, Einfuhr und Veräußerung dieser Güter zu einer Handlungseinheit zusammenfasst, wenn sich die Aktivitäten auf ein und dieselbe Rauschgiftmenge bezie342
MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 24. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 28; SK-Samson / Günther, Vor § 52 Rn. 49. 344 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 28; Kühl, AT, § 21 Rn. 24; SK-Samson / Günther, Vor § 52 Rn. 49; Schönke / Schröder-Stree / Sternberg-Lieben, Vor § 52 ff. Rn. 91. 345 Kühl, AT, § 21 Rn. 23; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 23 f.; differenzierend Schönke / Schröder-Stree / Sternberg-Lieben, Vor § 52 Rn. 15 ff., der bei dem Fehlen eines zeitlichen Zusammenhangs jedoch etwa eine verstärkte subjektive Verbindung zwischen den Einzelakten verlangt; ein solcher ist im Raubtatbestand durch das Erfordernis eines Finalzusammenhangs ohnehin gegeben. 346 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 39; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 23. 347 BGHSt 28, 169; 42, 215 (217); Schönke / Schröder-Sternberg-Lieben, § 99 Rn. 2. 348 Lackner / Kühl, § 84 Rn. 6; MK-Steinmetz, § 84 Rn. 27. 349 BGHSt 43, 312. 350 BGHSt 15, 262; 33, 16 (17); NStZ 2004, 385; SK-Rudolphi / Stein, § 129 Rn. 31 sehen diese als ein Dauerdelikt und begründen auf diesem Wege die tatbestandliche Handlungseinheit. 343
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hen. 351 Ebenfalls hierzu gehört der Tatbestand des Völkermordes nach § 6 VStGB, dessen konkurrenzrechtliche Behandlung der BGH näher zu erörtern hatte. 352 Er begründet die Handlungseinheit der einzelnen Akte mit dem Gedanken der Bewertungseinheit, da der Tatbestand „ein mehrfaches Handeln zum Nachteil derselben (Teil-)Gruppe umfasst und beschreibt und deshalb zu den Tatbeständen zählt, die in erster Linie auf die über den Einzelfall hinausreichende mehrfache Tatbestandsverwirklichung abzielen, deren rechtliche Zusammenfassung geboten erscheint, um das verwirklichte Unrecht und die Schuld des Täters sachgerecht erfassen zu können.“ 353 Zugleich stellt er jedoch auf die subjektive Gestaltung des Delikts ab. Wesentlich sei eine die völkerrechtliche Wertordnung missachtende Absicht des Täters, die betroffene Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Einer solchen tatbestandsspezifischen Absicht komme bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung entscheidende Bedeutung zu; sie verbinde die zur Verwirklichung der tatbestandsmäßigen Absicht begangenen Handlungen zu einer Tat im Rechtssinne. 354 Damit beruft sich der BGH auf eine andere Konstruktion tatbestandlicher Handlungseinheit: ein Delikt mit überschießender Innentendenz soll in Tateinheit stehen zur den Handlungen, durch welche diese Innentendenz realisiert werden soll. 355 Auf einen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang wird auch hierbei nicht abgestellt. Ähnliches zeigt sich etwa bei der konkurrenzrechtlichen Behandlung der Urkundenfälschung. Alle drei Modalitäten des § 267 StGB setzen in subjektiver Hinsicht die Absicht zur Täuschung des Rechtsverkehrs voraus. Zum Zeitpunkt der Fälschung stellt der spätere Gebrauch der Urkunde ein notwendiges Zwischenziel zu der Täuschung dar und dient damit der Umsetzung der zum Zeitpunkt der Herstellung bereits bestehenden Täuschungsabsicht. 356 Bei einheitlicher Zwecksetzung stellen die Fälschung und der spätere Gebrauch daher nur eine Urkundenfälschung dar. 357 Gleiches gilt für die verschiedenen Varianten des Geldfälschens nach § 146 StGB. 358 Eine weitere, wenn auch in der Literatur stark kritisierte 359 Zusammenfassung räumlich und zeitlich distanzierter Akte zur Handlungseinheit ist die sog. Ver351
BGHSt 30, 28 ff.; 31, 163 ff.; MK-Rahlf, § 29 BtMG Rn. 383 ff.; Schönke / SchröderStree / Sternberg-Lieben, Vor §§ 52 ff. Rn. 17. 352 BGHSt 45, 64 (82 ff.). 353 BGHSt 45, 64 (86 f.). 354 BGHSt 45, 64 (86). 355 BGHSt 26, 24 (27 f.); LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 21; SK-Samson / Günther, § 52 Rn. 12; Schönke / Schröder-Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 11-13. 356 Ähnlich auch Freund, JuS 1994, 125 (128). 357 BGHSt 5, 291 (293); 40, 136 (164); Schönke / Schröder-Cramer / Heine, § 267 Rn. 79; MK-Erb, § 267 Rn. 217. 358 MK-Erb, § 146 Rn. 49. 359 Etwa NK-Puppe, § 52 Rn. 41 ff.; Jakobs, AT, 33. Abschn. Rn. 11 f.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
klammerung mehrerer Delikte. Verklammernde Delikte können all solche sein, die bereits mehrere Handlungen in ihrem Tatbestand vereinen und damit eine tatbestandliche Handlungseinheit bilden. 360 Sind deren Ausführungshandlungen teilidentisch mit denen anderer Delikte, so stehen auch diese anderen Delikte zueinander in Tateinheit. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen dem verklammernden Delikt und den verklammerten Delikten annähernde Wertgleichheit besteht. 361 Dies ist im Falle des Raubtatbestandes nicht anders. Der Raub wiegt im Unrecht wesentlich schwerer als die enthaltenen Delikte Nötigung, Diebstahl und eventuell Körperverletzung. Auch eine Qualifikation der Körperverletzung stünde nicht entgegen, da es hinreichen soll, wenn zumindest eines der verklammerten Delikte nicht schwerer wiegt als das verklammernde. 362 Das Vorliegen eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Handlungen ist gerade nicht Voraussetzung für eine solche Verklammerung. 363 Es gibt demnach keinen Grundsatz der juristischen oder tatbestandlichen Handlungseinheit, dass diese einen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang der einzelnen Handlungen voraussetze. Offenbar genügt die Verbindung der einzelnen Handlungen durch die Wertung des Gesetzes. Anders als bei der natürlichen Handlungseinheit 364 kann damit auf eine weitere Verknüpfung verzichtet werden. Eine Argumentation auf der Grundlage der Konkurrenzen erhält jedoch dann eine gewisse Berechtigung, wenn sie entscheidend ergänzt wird. Der Raub verklammert die Nötigung und den Diebstahl zur Handlungs- und damit Tateinheit, die bei größerer Distanz in Tatmehrheit stünden. Grundsätzlich ist dies unproblematisch, da der Raubstrafrahmen keine Obergrenze enthält und der Strafrahmen für den einfachen Diebstahl und für die Nötigung niedrig angesetzt ist, bei der Nötigung Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe und bei dem Diebstahl Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Werden jedoch schwerere Delikte, die wiederum in Tateinheit zu der Nötigung oder zum Diebstahl stehen, mitverklammert, könnte der Täter bei einer solchen Zusammenfassung durch die Einheitsstrafenbildung nach § 52 StGB privilegiert werden, da die Verklammerung durch einen mehraktigen Tatbestand keine „Korrektur“ durch 360
BGHSt 45, 64 (89ff); Schönke / Schröder-Stree / Sternberg-Lieben, Vor § 52 Rn. 20; Schönke / Schröder-Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 15. 361 St. Rspr. des BGH, etwa BGHSt 1, 67 (86) (dort Verklammerung durch eine fortgesetzte Tat); 33, 4 (6); 45, 64 (89 f.); Schönke / Schröder-Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 17. 362 BGHSt 31, 29. 363 s. z. B. BGH NStZ 2000, 25: eine sich über 4 Jahre erstreckende Körperverletzung, begangen durch Nachstellungen und Bedrohungen des Opfers, soll danach die zugleich verwirklichten Delikte zu einer Tat i. S. d. § 52 Abs. 1 StGB zusammenfassen; BGH NStZ-RR 1998, 234 f.: eine Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 2 StGB a.F. verklammert über einen Zeitraum vom einem Monat begangene sexuelle Nötigungen zur Tateinheit. 364 Vgl. die Gegenüberstellung der Voraussetzungen bei BGH NStZ 2005, 262 (263).
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das Kriterium der annähernden Wertgleichheit zulässt wie die Verklammerung durch ein Dauerdelikt. Eine Lösung über das Erfordernis eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs scheint nahezuliegen, allerdings nur vor dem Hintergrund der bisherigen allgemeinen Auffassung. Betrachtet man den Gesetzeswortlaut ganz unbefangen und ohne jegliche Vorprägung durch dieses Merkmal, ist zu bezweifeln, ob Unstimmigkeiten im Rahmen der Konkurrenzen zu Einschränkungen auf Tatbestandsebene führen können. Hinzu kommt, dass die Bestimmung der Tatbestandselemente und die Bestimmung der Konkurrenzen strikt voneinander zu trennen sind. Während sich erstere mit der Strafbarkeitsbegründung befasst, geht es bei letzterer allein um die Strafzumessung. Das etwaige Problem ist daher allein auf Konkurrenzebene zu lösen, wie dies auch bei den Organisationsdelikten geschieht, deren Begehung ebenfalls mehrere Handlungen erfassen kann und deren Ausgestaltung auf eine mehraktige Begehung angelegt ist. Sollte dies nicht möglich sein, sind die Vorgaben de lege lata hinzunehmen. III. Strafwürdigkeit In Anbetracht der starken Erhöhung des Strafrahmens gegenüber der Nötigung, der Körperverletzung und dem Diebstahl könnte der Raubtatbestand jedoch in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu reduzieren sein, wenn das Geschehen bei größerer Distanz in seinem Unrechtsgehalt so stark gemindert wäre, dass eine Bestrafung aus dem erhöhten Strafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB nicht mehr gerechtfertigt wäre. So zieht Brandts für das „Heranrücken der Nötigung an die deliktische Kernzone der Wegnahme“ ausdrücklich die Argumente heran, die bei der Begründung der Versuchsstrafbarkeit zum Tragen kämen. 365 Die Nötigung erschüttere den Rechtsfrieden auch im Hinblick auf den Diebstahl, wenn die Wegnahme in engem Abstand auf den Eingriff in die Willensfreiheit folge. Erst durch die zusammengedrängte Ausführung beider Tatteile erhalte „die ganze Handlung ein der hohen Raubstrafe entsprechendes massives und konzentriertes Aussehen“. 366 Je näher die Nötigung an die eigentliche Wegnahme rücke, desto größer sei die Gefährdung des Gewahrsams; je weiter die Wegnahme zeitlich entfernt sei, desto mehr wüchsen die Chancen der Gewahrsamsstabilisierung. Unbegründet bleibt, warum nur ein massives und konzentriertes Aussehen und eine direkte Konfrontation die Raubstrafe rechtfertigen sollen. Schließlich wird bei der sexuellen Nötigung und der räuberischen Erpressung Derartiges nicht verlangt, obwohl die Strafrahmen identisch sind. Unrechtsgehalt und Intensität des Angriffs könnten bei räumlicher und zeitlicher Streckung gar umso 365 366
Brandts, S. 160. Brandts, S. 160 in Anlehnung an Vogt, S. 108.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
größer sein. In solchen Fällen liegt es doch gerade nahe, dass der Täter besonders aggressiv vorgeht, um einen möglichst starken und damit andauernden Eindruck bei dem Opfer zu hinterlassen und die von Brandts angesprochenen Stabilisierungsmöglichkeiten zu umgehen. Er wird besonders massive und damit nachhaltige Drohungen aussprechen oder die Gewaltanwendung auf anhaltende Folgen wie einen längeren Krankenhausaufenthalt anlegen. Die Lebensführung des unter Nötigungsdruck stehenden Opfers wird für einen längeren Zeitraum beeinträchtigt, ohne dass die Nötigungshandlung weicher ausfiele. Eine durch Zueignungsabsicht motivierte Aggression ist unabhängig davon gegeben, ob die Gewaltanwendung oder Drohung in engem räumlich-zeitlichen Zusammenhang zur Wegnahme steht oder nicht, solange sie vor und zu dem Zwecke der Wegnahme und Zueignung erfolgte. Es wäre mit dem Strafgrund des Raubes nicht vereinbar, gerade diese Fälle erhöhter Aggressivität aus dem Tatbestand auszuscheiden. Weitere Lücken tun sich in den Fällen der Gewalt gegen vom Gewahrsamsinhaber verschiedene gewahrsamsschutzbereite Personen auf. Es kann sich für den Täter anbieten, etwaigen Widerstand dieser Personen gegen die Wegnahme recht frühzeitig und an einem anderen Ort durch Gewalt oder Drohungen auszuschließen. So könnte der Täter vorsorglich etwa die Haushaltshilfe des im Urlaub weilenden Wegnahmeopfers in ihrer Wohnung aufsuchen und durch Gewalt derart verletzen, dass sie ihrer Tätigkeit nicht nachgehen und ihn bei der Entwendung von Gegenständen aus dem verlassenen Haus nicht stören wird. Diese Aggression wäre dem Strafgrund entgegen nicht erfasst. Die übrige Argumentation Brandts, nur bei engem räumlichen und zeitlichem Zusammenhang werde durch die Nötigungshandlung auch der Rechtsfrieden im Hinblick auf den Diebstahl erschüttert und der Gewahrsam in hinreichendem Grade gefährdet, spricht nicht zwingend für die Notwendigkeit eines räumlichzeitlichen Zusammenhangs. Sie dient vielmehr einer genaueren Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens zum Raubversuch bei räumlicher und zeitlicher Streckung der Tatbegehung. Es wäre zu überlegen, ob danach das unmittelbare Ansetzen zur Nötigungshandlung nur dann die Schwelle zum Raubversuch übertritt, wenn die Wegnahme in einem den Kriterien des unmittelbaren Ansetzens genügenden Zusammenhang nachfolgt. Auch Mitsch und Rengier verlangen unter Rückgriff auf das Tatbild des Raubes eine raubtypische Einheit, die eine direkte Konfrontation voraussetze. 367 Die Prämisse, der Raubtypik bzw. dem Tatbild sei entscheidende Bedeutung beizumessen, ist fraglich. Ein Abweichen vom Bild der Allgemeinheit erfolgt im Strafrecht vielerorts: Juristische Laien bezeichnen Totschlag häufig als Mord, den Diebstahl einer verlorenen Sache in fremder Gewahrsamssphäre als Fundunterschlagung; unter „gehören“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch eignen verstanden, in § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB hingegen die Beweisführungsberechti367
Mitsch, § 1 Rn. 44; Rengier, JuS 1981, 654 (655); ders., BTI, § 7 Rn. 14a.
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gung. 368 Darin zeigt sich, dass das allgemeine Bild und Verständnis zu unpräzise und daher kein geeigneter Maßstab für juristische Abgrenzungen sind. 369 Hinzu kommt, dass der Raub ein althergebrachtes Delikt ist, während die juristische Formulierung im 19. Jahrhundert einem Wandel unterlag. Es mag also durchaus sein, dass sich das allgemeine und das juristische Verständnis auseinander entwickelt haben. Das Tatbild ist daher kein für die Auslegung entscheidendes Kriterium. IV. Unbestimmtheit Stattdessen lassen die Ausführungen zu den Grenzen dieses Merkmals Bedenken im Hinblick auf seine Bestimmtheit aufkommen. 370 Deutlich wird dies in dem zu Beginn angeführten Zitat, wonach dem Tatrichter die Festlegung der Grenzen des Tatbestandes überlassen sein soll. Die Diskussion hat gezeigt, dass keine einheitliche Linie besteht bei der Beurteilung, wann die räumlichen und zeitlichen Grenzen gewahrt sind. Dies mag hingenommen werden, weil ein solches Erfordernis gegenüber dem Verzicht auf dieses dem Täter günstig ist: Anstatt jedenfalls strafbar zu sein hat er Anlass zur Hoffnung, dass der Tatrichter in seinem Fall das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs und damit eine Strafbarkeit wegen Raubes verneinen wird. Die willkürliche Festlegung dieser Grenzen führt jedoch zu zufälligen, ungleichen Ergebnissen. Auch Schlehofer bemängelt, dass das Kriterium Konzession an das Tatbild des Raubes sei und die durch Präzisierung des Wegnahmebegriffs gewonnene Abgrenzungssicherheit geopfert werde, da verlässliche Richtpunkte, die den Rahmen des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs abzustecken geeignet wären, fehlten. 371 Diese Abgrenzung sei willkürlich und der Unrechtsgehalt bliebe der gleiche. 372 Ein in Rechtsprechung und Literatur konkretisiertes Abgrenzungskriterium bietet die von ihm vorgeschlagene Grenze des unmittelbaren Ansetzens zum Versuch. Diese versuchsorientierte Auslegung findet jedoch, ebenso wie das Merkmal räumlicher und zeitlicher Nähe, keine Stütze im Gesetz. Damit ist die Grenze des Versuchsbeginns zwar nicht so unscharf, wie es die sonstigen Festlegungen zur räumlichen und zeitlichen Nähe sind; beliebig ist an Schlehofers Vorschlag jedoch die Heranziehung des Maßstabs – die offenbar allein deswegen erfolgt, weil sie eine halbwegs klare Grenzziehung ermöglicht. Gleiches gilt für 368 MK-Freund, § 274 Rn. 17; weitere Beispiele bei Herzberg, JuS 2005, 1 (2) und Schlehofer, JuS 1992, 572 (574). 369 Brandts, S. 159; Lund, S. 160; Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 67; im Allgemeinen dazu Herzberg, JuS 2005, 1 (2 f.). 370 So auch Biletzki, JA 1997, 385 (388); LK-Vogel, § 249 Rn. 35. 371 Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 71. 372 Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 71.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
das Abgrenzungskriterium Vogels, die Grenzen der natürlichen Handlungseinheit. Ein Tatbestand kann gerade auch solche Handlungen zusammenfassen, die nicht den räumlichen und zeitlichen Grenzen der natürlichen Handlungseinheit unterfallen.
C. Ergebnis Das Merkmal des räumlich-örtlichen Zusammenhangs ist damit zu diffus und beliebig, um eine Grenze des Tatbestandes bilden zu können, und birgt die Gefahr ungleicher, willkürlicher Urteile. Da die Einschränkung weder durch den Wortlaut geboten, noch mit dem Telos des Raubtatbestands vereinbar ist, besteht kein Anlass, den Tatbestand durch ein derart unbestimmtes Merkmal einzuschränken. 373
373 So i. E. auch Allfeld / Meyer, S. 455; LK-Baldus, 9. Auflage, § 249 Rn. 11; Biletzki, JA 1997, 385 (388); Lund, S. 171 f.
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„[N]icht aber kann ein Zwang, welcher den Willen des Andern gänzlich aufhebt, und ihm die Vornahme einer beabsichtigten Handlung physisch unmöglich macht, als ein Nöthigen zu einem Dulden oder Unterlassen im Sinne des § 240 StGB angesehen werden.“ 374
6. Kapitel
Erfordernis eines raubspezifischen Zusammenhangs Eng verknüpft mit der Diskussion um das Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der beiden Raubakte ist – wie bereits angedeutet – diejenige um dessen Unmittelbarkeit. Unter diesem Begriff wird erörtert, ob es genügt, wenn der Einsatz der Nötigungsmittel lediglich dazu dient, Zugangsmöglichkeiten zu der fremden Sache zu erlangen, Informationen oder Hilfsmittel. Allgemeiner ist zu fragen, ob, wenn schon in den meisten Fällen von Finalität zugleich Kausalität gegeben ist, ein jeglicher oder nur ein raubspezifischer Kausal- und Finalkonnex genügt, was also taugliches oder gar zwingendes Glied dieses Kausal- und Finalzusammenhangs ist. Gewiss kann bei der abgenötigten Wegnahme eines sachlichen Hilfsmittels bereits ein Raub an ebendiesem gegeben sein, nämlich dann, wenn sich die Zueignungsabsicht auf das Hilfsmittel selbst erstreckt. Entwendet der Täter durch den Einsatz eines Nötigungsmittels den notwendigen Tresorschlüssel, ist der objektive Tatbestand des Raubes erfüllt. Will er den Schlüssel nutzen und nimmt die Nichtrückerlangung durch das Opfer mindestens in Kauf, handelt er auch in Zueignungsabsicht. 375 Damit liegt ein Raub an dem Schlüssel vor. Ist dessen Nutzung zugleich notwendige Bedingung der Wegnahme an den Schmuckstücken im Tresor, könnte zudem ein Raub am Schmuck gegeben sein. Soll das Opfer den Schlüssel zurückerlangen, kommt sogar nur ein Raub an den Schmuckstücken in Betracht, ebenso in den Fällen, in denen der Täter durch die Nötigung nichtsachliche Hilfsmittel erlangt, etwa die Kenntnis eines Tresorcodes. Die Frage nach der Strafbarkeit als Raub stellt sich umso mehr, als nach der hier vertretenen Auffassung eine räumliche und zeitliche Nähe zwischen den beiden Elementen des Raubes gerade nicht bestehen muss – ein Kriterium, über welches die herrschende Auffassung einen großen Teil solcher Fälle bereits aus dem Tatbestand ausscheiden kann. 374 Entscheidung des preußischen Obertribunals vom 11. Dezember 1873, in: Oppenhoff, Rechtsprechung, Band 14, 797 (798). 375 Vgl. dazu BGH, MDR 1960, 689.
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Nach einer Auslegung geht darin das Merkmal der Unmittelbarkeit bereits vollständig auf. Es genüge, wenn der Täter Mittel oder Informationen erlangt und in unmittelbarem Anschluss zur Wegnahme schreitet. Anderenfalls müsse der Zwang auf das Opfer auf Dauer angelegt sein und tatplangemäß bis zur Wegnahme aufrechterhalten werden. 376 Die Gegenauffassung 377 stellt zusätzlich spezifische Anforderungen an die Zwischenglieder des Kausalzusammenhangs. Die Nötigung dürfe nicht der Ermöglichung eines der Wegnahme noch vorgeschalteten Aktes dienen, der wiederum – in der Tätervorstellung – notwendige Bedingung der Wegnahme ist. Abgenötigt müsse die Duldung der Wegnahme an derjenigen Sache sein, bezüglich derer Raub in Frage steht. Ein Raub an den Schmuckstücken käme demnach erst dann in Betracht, wenn die Gewaltanwendung nicht nur die Duldung der Schlüsselwegnahme, sondern auch die Duldung der in engem Anschluss erfolgenden Schmuckwegnahme verursacht und verursachen soll. Baldus 378 hingegen stellt allein auf eine solche Unvermitteltheit der Beziehung ab. Ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang sei nicht zu fordern. Der Strafgrund des Raubes verlangt eine Einschränkung nach den vorgenannten Kriterien nicht. In all den Fällen, in denen der Täter gezielt durch den Einsatz des Nötigungsmittels eine notwendige Bedingung für die Wegnahme zu setzen bezweckt, ist er durch Zueignungsabsicht zur Nötigung motiviert, ob er die Preisgabe eines Versteckes erzwingen oder aber einen Taxifahrer nötigen will, ihn zum Ort der Wegnahme zu befördern, weil er selbst über kein Fahrzeug verfügt. Ist die Information oder die Beförderung notwendige Bedingung der Wegnahme, so ist deren Abnötigung als notwendiges Zwischenziel zur Zueignung von der darauf bezogenen Absicht erfasst. Ohne Bedeutung ist dafür, wie die Kausalund Finalkette zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme ausgestaltet ist. Sogar die qualifizierte Nötigung eines Diebes zur Diebstahlsbegehung wäre der erste Akt eines Raubes in Mit- oder mittelbarer Täterschaft; denn ohne die Nötigung wäre es nicht zur Wegnahme gekommen, und ebendiese hat der Nötigende bezweckt. Die Diskussion um das Kausalitätserfordernis hat jedoch gezeigt, dass anders als bei § 252 StGB dieser subjektive Strafgrund nicht genügt, sondern der Tatbestand im Objektiven zumindest durch das Kausalitätskriterium einzuschränken ist. Für die Ausgestaltung der Kausalkette selbst könnte Entsprechendes gelten. 376
Rengier, BTI, § 7 Rn. 14a; SK-Sinn, § 249 Rn. 32. Vogt, S. 109; ebenso BGH bei Herlan, MDR 1955, 17; Brandts, S. 158; Schönke / Schröder-Eser, § 249 Rn. 7; auch BGH bei Holtz MDR 1984, 276 liegt auf dieser Linie, da dort nicht der Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel zur Erlangung des Schlüssels und der Informationen für maßgeblich gehalten wurde, sondern das anschließende Fortdauern der Gewaltanwendung zum Zwecke der Wegnahmeermöglichung; wohl auch Fischer, § 249 Rn. 3; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 15; Hillenkamp, JuS 1990, 454 (456). 378 LK-Baldus, 9. Aufl., § 249 Rn. 11. 377
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Begründet werden die Einbeziehung oder der – vor dem Strafgrund des Raubes wohl begründungsbedürftigere – Ausschluss dieser Fälle jedoch nicht.
A. Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft als Nötigungserfolg Einschränkend ist jedenfalls zu fordern, dass die Kausalverbindung über ein vom Täter bezwecktes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Nötigungsopfers vermittelt wird. Der Raub ist Spezialtatbestand zur Nötigung, deren Erfolg in einem von der Duldung des Nötigungsmittels trennbaren Opferverhalten besteht. Die vollendete Nötigung ist das Bindeglied der Delikte im 20. Abschnitt. Zugrunde gelegt wird dabei das herrschende Verständnis des Nötigungstatbestandes, dem zufolge das Nötigungsmittel der Gewalt auch in der Anwendung von vis absoluta und der Nötigungserfolg auch in einem nichtwillentlichen Opferverhalten liegen kann. 379 Es folgt aber ebenso aus der Gesetzessystematik durch den Vergleich mit den Tatbeständen der Erpressung und der sexuellen Nötigung. Auch sie verlangen ihrem Wortlaut nach das Bestehen eines Nötigungszusammenhangs zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und dem Enderfolg der Tat. Schließlich verläuft beim Betrugstatbestand der erforderliche Kausalverlauf über ein Opferverhalten, die Vermögensverfügung. Bei allen sonstigen Delikten, die sich aus einer Überwindung oder Umgehung des Opferwillens und einem Angriff auf ein weiteres Rechtsgut zusammensetzen, muss demnach ein Opferverhalten als Erfolg der Willensbeeinflussung Teil des Kausalund Finalzusammenhanges sein. Lediglich der Tatbestand des räuberischen Diebstahls weicht insoweit davon ab, als dort eine lediglich versuchte Nötigung genügt und ein vom Täter bezwecktes Opferverhalten nicht eintreten muss; doch ist diese ungewöhnliche Ausgestaltung allein Folge des stärker subjektivierten Wortlauts des § 252 StGB. Daher mangelt es dort an einem raubspezifischen Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme, wo ein solches Opferverhalten weder objektiv noch nach der Tätervorstellung notwendiges Zwischenziel zur Gewahrsamsneubegründung und Zueignung ist. Vollendeter Raub ist zu verneinen, wenn die Kausalverknüpfung allein über die Täterpsyche verläuft, ohne dass es auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen durch das Nötigungsopfers ankäme – etwa dann, wenn der Täter es irrigerweise für erforderlich hält (dann Raubversuch) oder wenn er sich selbst den Einsatz des Nötigungsmittels als Bedingung der Wegnahme setzt. Denn in dem ersten Fall ist das Opferverhalten lediglich Ge379
So etwa Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 4 und 12; SK-Horn / Wolters, § 240 Rn. 23; a. A. MK-Gropp / Sinn, § 240 Rn. 59, 96, 38, 101; Hruschka, JZ 1995, 737 ff.; Köhler, Leferenz-FS, 511 (518 f.); derselbe, NJW 1983, 10, 12; Sinn, S. 195 ff.
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genstand des Vorsatzes und des Finalzusammenhangs, in dem zweiten Fall nicht einmal letzteres. I. Bisherige Prämisse: Duldung der Wegnahme als Nötigungserfolg Ganz selbstverständlich wird dieses Opferverhalten bei § 249 Abs. 1 StGB als Duldung der Wegnahme spezifiziert; dort, wo sich nähere Ausführungen zur Gestalt des tatsächlichen oder vorgestellten Kausalzusammenhangs finden, wird immer diese als Bindeglied genannt. 380 So ist die Diskussion um das Kausalitätserfordernis von Fallbeispielen geprägt, in denen der Widerstand des Nötigungsopfers gegen die Wegnahme oder dessen Erfolg ungewiss sind. 381 Gleiches findet sich bei der Auseinandersetzung um das Erfordernis einer Vermögensverfügung im Tatbestand der Erpressung: Als Gegenstück zu dieser wird lediglich die Duldung der Wegnahme genannt, 382 alternative Verläufe werden nicht erwogen. Ähnliches ist überdies in § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB angedeutet. Tatbestandsmäßig ist das Beisichführen eines Mittels, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Dass sich der Widerstand gegen die Wegnahme richten muss, ist in der Raubsituation das Nächstliegende. § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB wird daher so verstanden, dass der Täter ebendessen Beseitigung bezwecken muss. 383 Dafür spricht auch, dass § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB eine gleich lautende Qualifikation für den Diebstahl enthält. Bezugspunkt des Widerstandes kann hier von vornherein nur die Wegnahme sein – oder deren Beendigung, wenn man die Qualifizierung eines Delikts in seiner Beendigungsphase genügen lässt. Es werden erneut damit nur Fälle bedacht, in denen der Kausalverlauf über die Duldung der und Überwindung des Widerstands gegen die Wegnahme verläuft.
380 Etwa bei BGH bei Herlan, MDR 1955, 17; wohl auch BGHSt 4, 210, wonach das Wegtragen eines besinnungslosen Opfers als Gewalt im Sinne des § 249 Abs. 1 verstanden wird, weil die Täter Störungen durch Dritte verhindern und Hilferufe des Opfers, als Widerstand gegen die Wegnahme zu verstehen, aussichtslos machen wollten; Eser, NJW 1965, 377 (378); NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 13; MK-Sander, § 253 Rn. 16; zurückhaltender, jedoch ohne Gegenbeispiel Fischer, § 249 Rn. 6: „Im Regelfall des Raubs besteht die Wirkung des Nötigungsmittels darin, dass körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und dass hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam an der Sache zu brechen.“ 381 Vgl. Eser, NJW 1965, 377 (378); Geilen, JURA 1979, 165 (166); Müller-Dietz / Backmann, JuS 1971, 412 (418). 382 Etwa BGHSt 14, 386 (390); MK-Sander, § 253 Rn. 16; SK-Sinn, Vor § 249 Rn. 9. 383 SK-Sinn, § 250 Rn. 26; zur identisch ausgestalteten Diebstahlsqualifikation § 244 Abs. 1 Nr. 1 b) SK-Hoyer, § 244 Rn. 26; NK-Kindhäuser, § 244 Rn. 31.
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II. Tödlicher Einsatz des Nötigungsmittels als Problemfall Zweifelhaft ist jedoch, ob das Erfordernis einer Wegnahmeduldung mit den Fällen vereinbar ist, in denen der Einsatz des Nötigungsmittels zum sofortigen Tod des Opfers führt. Nach der ursprünglichen Rechtsprechung des RG sollten die Fälle eines Nötigungsmitteleinsatzes, der noch vor dem Gewahrsamswechsel zum Tod des Opfers führte, auch gar kein Raub sein – freilich aus anderen Gründen als dem hier angesprochenen. In Frage stand bereits das Vorliegen einer Wegnahme und nicht erst das eines tauglichen Zusammenhangs zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und dieser. Der Tod lasse den Gewahrsam an der Sache entfallen, sein Bruch sei nicht mehr möglich. Eine Wegnahme könne daher nur dann vorliegen, wenn der Gewahrsamswechsel spätestens mit dem Tod des Opfers einhergeht. 384 Der Tod wurde damit grundsätzlich nicht als Gewahrsamsbruch eingeordnet. Er sei u.U. lediglich als „Beginn eines auf Aneignung der Beute und Erlangung des Besitzes abzielenden Handelns“ in Betracht zu ziehen, da ein Anfang des Gewahrsamsbruchs und damit der Wegnahme bereits in der Gefährdung des Gewahrsams durch Beseitigung eines entgegenstehenden Hindernisses liegen könne. 385 Wenn der vorzeitige Todeseintritt dem Täterwillen entsprach, schiede außerdem eine Strafbarkeit wegen Raubversuchs aus. 386 In seinen späteren Urteilen hielt das RG zwar an dem Gedanken der Gewahrsamsgefährdung fest, beurteilte jedoch das Vorliegen eines Gewahrsamsbruchs gegensätzlich: Die Tötung des Opfers selbst sei jedenfalls Gewahrsamsbruch, aber auch Vollendung der Wegnahme, wenn der Täter sich zugleich in eine Lage bringe, die ihm die Ausübung der alleinigen Herrschaft über die Sachen des Toten ermöglichte. Die spätere Ergreifung – von den älteren Entscheidungen noch als Wegnahme eingeordnet – sei eine Handlung „ohne eigenen rechtlichen Gehalt“. 387 Dem RG folgend bewerteten auch der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone und der BGH die Tötung des Opfers als Gewahrsamsbruch. 388 Für diese geänderte Rechtsprechung findet sich jedoch teilweise der Hinweis, 384
RGSt 56, 23 (24). RGSt 59, 273 (275). 386 RGSt 59, 273 (275). 387 RGSt 60, 51 (51); zustimmend RGSt 60, 163 (165f); 63, 101 (105); ähnlich Frank, § 249 VII 2, der zwar ebenfalls verlangt, dass das Opfer im Zeitpunkt der Wegnahme noch lebt, jedoch in der Tötung des Gewahrsamsinhabers bereits den Gewahrsamsbruch sieht. Ob darin zugleich eine Gewahrsamsneubegründung liege, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Nur wenn diese vor dem Tod des Opfers erfolge, liege vollendeter Raub vor. Frank betont damit stärker das zweite Element der Wegnahme, das der Gewahrsamsneubegründung. Das Opfer muss auch noch zu deren Zeitpunkt leben. 388 OGHSt 1, 81 (86); 1, 110 (112), 1, 133 (134); BGHSt 9, 135 (136). 385
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dass eine enge räumliche und zeitliche Nähe zwischen dem Tod und dem Gewahrsamsbruch 389, der Wegnahme 390 oder der Gewahrsamsneubegründung 391 erforderlich sei. Dabei kann allenfalls die letzte Formulierung überzeugen. Ist die Tötung des Opfers bereits der Gewahrsamsbruch selbst, kann es nur um die zeitliche Distanz der Wegnahmevollendung, der Gewahrsamsneubegründung, gehen. Möglicherweise sind die ersten beiden Formulierungen auf eine tätigkeitsspezifische, und nicht erfolgsorientierte Auslegung des Wegnahmebegriffs zurückzuführen. Dieser würde danach als eine von dem Einsatz des Nötigungsmittels zu unterscheidende Wegnahmehandlung im bildlichen Sinne verstanden – etwa das Ergreifen des Gegenstandes. 392 Fasst man hingegen, wie ganz herrschend, unter das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme jedes den Gewahrsamswechsel verursachende Verhalten und den Diebstahl unter die reinen Erfolgsdelikte, 393 so ist jedenfalls bei dem Einsatz eines zum sofortigen Tod des Opfers führenden Nötigungsmittels eine Trennung von ebendiesem und dem Beginn der Wegnahme nicht möglich. Die Tötung des Opfers bricht seinen Gewahrsam, unabhängig von einer zeitlichen Streckung des weiteren Tatgeschehens. Handelt der Täter dabei mit entsprechendem Vorsatz, so ist für eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung, ob mangels Tatbestandsmäßigkeit oder wegen Verdrängung auf Konkurrenzebene, kein Raum. Letztendlich ist die Einschränkung wohl dem aufzugebenden Kriterium eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme geschuldet 394 und damit kein besonderes Merkmal eines sofort tödlichen Nötigungsmitteleinsatzes. Auch in den Fällen räumlicher und zeitlicher Streckung sind damit ein Mord und ein Raub in Tateinheit gegeben. Die alte Rechtsprechung des RG entspricht damit der wohl herrschenden Auffassung zu einem tödlichen Einsatz des Nötigungsmittels bei der sexuellen Nötigung: Eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 StGB soll nur dann vorliegen, wenn das Opfer bei Herstellung des Sexualkontaktes noch lebt; verstirbt das Opfer zuvor, wird lediglich ein Versuch der sexuellen Nötigung angenommen. 395 Allerdings unterscheiden sich Raub und sexuelle Nötigung in zwei für die Beurteilung dieser Fälle relevanten Punkten. Erstens besteht ein konstruktiver Unterschied 389
NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 8. LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 17 a.E. 391 RGSt 60, 163 (165). 392 So wohl Rotsch, GA 2008, 65 ff; ders., ZJS 2008, 132 (135). 393 Ausdrücklich SK-Hoyer, Vor § 242 Rn. 10; MK-Sander, § 242 Rn. 15; im Übrigen zeigt sich diese Klassifizierung daran, dass eine Begehung in mittelbarer Täterschaft für möglich gehalten wird, etwa RGSt 24, 86 (87); 53, 180 (181); Schönke / Schröder-Eser, § 242 Rn. 70; zum Raub: MK-Sander, § 249 Rn. 37. 394 Vgl. etwa der Verweis bei LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 17 a.E. auf Rn. 15 zu diesem Zusammenhang. 395 BGH bei Dallinger MDR 1971, 363; LK-Hörnle, § 177 Rn. 6; Schönke / SchröderPerron / Eisele, § 178 Rn. 2; MK-Renzikowski, § 178 Rn. 13; SK-Wolters, § 178 Rn. 4. 390
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darin, dass bei dem Raubtatbestand der Einsatz des tödlichen Nötigungsmittels bereits den ersten, das Opfer berührenden Teil des zweiten Raubaktes darstellt. Entsprechendes wird man, die Fälle sadistischer Täter ausgenommen, bei der sexuellen Nötigung nicht finden. Dem Einsatz des Nötigungsmittels fehlt es – von der Intention des Täters abgesehen – an jeglichem sexuellen Bezug; der Angriff auf die Willensfreiheit ist im Hinblick auf das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung objektiv neutral. Zwar ist durch die Tötung des Opfers seine Dispositionsfreiheit vollumfänglich und damit auch in sexueller Hinsicht aufgehoben. Das Schutzgut der sexuellen Integrität wäre jedoch erst verletzt, wenn der Täter zu der Vornahme der sexuellen Handlung schreitet. Zweitens ist der besondere Unwertgehalt der sexuellen Nötigung nur dann gegeben, wenn das Opfer zum Zeitpunkt des Sexualkontaktes lebt. Anderenfalls fehlt es an der Herabwürdigung des Opfers und die Vornahme der sexuellen Handlung berührt allein das Pietätsempfinden. Der Einsatz des Nötigungsmittels wäre als Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs strafbar. Die sexuelle Nötigung entspricht damit in ihrer Struktur einem engeren Verständnis der Nötigung, dem zufolge das Nötigungsunrecht in der spezifischen Herabsetzung der Person durch ihre Instrumentalisierung gegen sich selbst liegt. 396 Die unterschiedliche Behandlung von Raub und sexueller Nötigung in den Fällen eines zum sofortigen Tod des Opfers führenden Nötigungsmittels ist daher gerechtfertigt. Bereits die Duldung des Gewahrsamsbruchs wäre ein hinreichender Nötigungserfolg, um das Spezialitätsverhältnis des Raubes gegenüber der vollendeten Nötigung aufrechtzuerhalten. Ein Dulden der Gewahrsamsneubegründung ist hingegen nicht zu verlangen, zumal nur der Gewahrsamsbruch das Opfer tatsächlich berührt. Es ist also zu fragen, ob nicht zumindest für einen Moment der Gewahrsamsbruch dem Tod vorausgeht. Dass allein die Bewusstlosigkeit nicht ausreicht, ist nahezu allgemeine Meinung. 397 Nach einer durch eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts begründeten Auffassung soll dies jedoch dann nicht gelten, wenn der Zustand der Unfähigkeit, einen Willen zu bilden und zu äußern, nicht vorübergehend ist, sondern bis zum Tod des Opfers andauert. In einem solchen Fall trete der Gewahrsamsverlust zugleich mit dem Zustand dieser Unfähigkeit ein. 398 Geht man nun davon aus, dass auch bei Bewusstlosigkeit ein Nötigungserfolg gegeben 396 Köhler, Leferenz-FS, 511 (517); derselbe, NJW 1983, 10 (12); zustimmend wohl Kargl, Roxin-FS, 905 (911). 397 Statt vieler Schönke / Schröder-Eser, § 242 Rn. 30; Zopfs, ZJS 2009, 506 (508). 398 BayObLG NJW 1961, 978; zustimmend Lackner bis 6. Auflage, § 242 3a aa; i. E. auch Seelmann / Pfohl, JuS 1987, 199 (202), die sich jedoch auf normative Erwägungen stützen. Entscheidend sei für den Gewahrsam u. a. eine Nutzungsmöglichkeit, an der es wie im Fall des Verlusts der Sache dann fehle, wenn der Beherrschungswille nicht mehr aktuell werden kann, so dass in den Fällen einer bis zum Tod andauernden Bewusstlosigkeit der Gewahrsam mit deren Eintritt entfalle; ausdrücklich ablehnend: BGH NJW
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ist, so würde das Opfer jedenfalls in solchen Fällen den Gewahrsamsbruch noch erleben. Im Übrigen ließe sich der Gedanke auf den Sterbeprozess übertragen, in dem für einen kurzen Moment ein Zustand der Willensbildungsunfähigkeit des Opfers eintritt, bevor es verstirbt. Allerdings wird die Auffassung des BayObLG überwiegend abgelehnt. So hielt der BGH als unvereinbar mit den Gesetzen der Logik, dass zwischen dem Eintritt der Bewusstlosigkeit und dem Tod ein Schwebezustand bestehe und das Gewahrsamsverhältnis rückwirkend entfalle; es sei nach den Umständen im Tatzeitpunkt und nicht der späteren Entwicklung zu entscheiden, ob die Tat als Diebstahl oder Unterschlagung zu werten sei. 399 Die Kritik geht jedoch fehl. Die Ausführungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts lassen sich auch so verstehen, dass gar kein Schwebezustand bestehen, sondern vielmehr der Gewahrsam mit Eintritt der Willensbildungsunfähigkeit entfallen soll; allein die Beurteilung sei nur durch eine Rückschau möglich. 400 Auch ist nicht ungewöhnlich, dass eine Tat durch nachher eintretende Umstände noch verändert wird, etwa wenn die Todesfolge des Raubes wesentlich später eintritt. 401 Gegen die Entscheidung spricht vielmehr, dass der Mensch bis zum Zeitpunkt des Todeseintritts Rechtspersönlichkeit ist und damit Gewahrsam behält, ob man dies nun über die Verkehrsanschauung auf Grundlage des faktischen 402 oder über Wertungen im Rahmen des sozialen oder normativen 403 Gewahrsamsbegriffs begründet. Wenn also der Gewahrsam immer erst mit dem Eintritt des Todes endet, so ist es nicht möglich, auch nur eine noch so geringe Zeitspanne zwischen dem Gewahrsamsbruch und dem Todeseintritt anzunehmen. Tritt der Gewahrsamsbruch in solchen Fällen zwingend erst mit dem Tod des Gewahrsamsinhabers ein, so bleibt auf den ersten Blick ausschließlich der Weg, dass auch das Untätigbleiben eines Toten als Dulden oder Unterlassen bezeichnet werden kann. Nach herrschender Auffassung erfasst der Begriff der Gewalt im Nötigungstatbestand die vis absoluta 404 und diese wiederum die Tötung des Opfers, ebenso wie der Begriff des Duldens oder Unterlassens den Zustand der Bewusstlosigkeit erfasst, obwohl das Opfer zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig einen Willen bilden kann wie im Tod. Als Nötigungserfolg kommt damit auch ein nichtwillentliches Verhalten in Betracht. Dementsprechend wird er als Handlung, Duldung oder Unterlassung in einem „untechnischen, hypothetischen Sinne“ bezeichnet, denn derjenige, dessen Arm geführt wird, handele nicht und der Eingesperrte unterlasse und dulde nicht; 405 eine Handlung im Rechtssinne sei nicht 1985, 1911; Schönke / Schröder-Eser, § 242 Rn. 30; Lampe, JR 1986, 294 ff.; H. Schröder, JR 1961, 189 f. 399 BGH NJW 1985, 1911 unter Bezugnahme auf H. Schröder, JR 1961, 189. 400 Ähnlich Lampe, JR 1986, 294 (295). 401 So auch Lampe, JR 1986, 294 (295). 402 So H. Schröder, JR 1961, 189. 403 So Lampe, JR 1986, 294 (295). 404 Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 4; Lackner / Kühl, § 240 Rn. 5.
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erforderlich. 406 Sicherlich kann ein totes Opfer keine Gegenwehrmaßnahmen ergreifen und ist gezwungen, jegliches Täterhandeln „hinzunehmen“. Das kann aber auch ein Bewusstloser nicht. Allein die Tatsache, dass er noch lebt, macht für die Frage nach der tatsächlichen Beschränkung der persönlichen Freiheit keinen Unterschied. Wenn damit das Totsein ein Nötigungserfolg wäre, dann läge zugleich in vielen Fällen des Mordes in Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht eine Nötigung vor; ein Gedanke, auf den nicht eingegangen wird, vermutlich da die Nötigung in diesen Fällen kein selbstständiges Unrecht enthält. Ferner wird in den Fällen des Raubmordes nur auf das Mordmerkmal der Habgier eingegangen, obwohl in diesen Fällen zusätzlich das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht, bezogen auf den Diebstahl, gegeben ist. Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Problematik nicht geäußert, desgleichen finden sich lediglich vereinzelte Aussagen in der Literatur. So schreibt etwa Eser bei der Kommentierung der Konkurrenzen zu § 240 StGB, dass nicht in jeder Tötung oder Körperverletzung gleichzeitig eine Nötigung liege, obwohl diese Tatbestände in der Regel durch Gewalt begangen werden; 407 ähnlich führen Gropp und Sinn aus, dass die Nötigung zu Delikten, die typischerweise mit Gewalt begangen werden, wie Tötungen oder Körperverletzungen, i. d. R. das allgemeine Delikt sei. 408 Darauf folgen jedoch in beiden Kommentierungen Ausführungen zu den Fällen, in denen die Nötigungshandlung zugleich Körperverletzung oder in denen der Nötigungserfolg die Duldung der Körperverletzung oder Tötung ist. 409 Man muss daher bezweifeln, dass die erstgenannten Ausführungen auch die Fälle einbeziehen sollen, in denen die Tötung das Nötigungsmittel ist. Allein Toepel spricht den Fall des zum sofortigen Tod des Opfers führenden Nötigungsmitteleinsatzes beim Raub an und sieht in diesem einen Fall der vollendeten Nötigung. Zwar müsse das Opfer während der Tat noch leben, da ein Toter nichts mehr dulde; 410 es reiche aber aus, dass das Opfer zu Beginn des Versuchsstadiums noch lebt, wenn es durch die vis absoluta zu Tode gebracht wird. 411 Unbegründet bleibt jedoch, weshalb der Versuchsbeginn in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, und ungeklärt, worin der Gegenstand der Duldung liegen soll. Die Fälle eines sofort tödlichen Gewalteinsatzes sind daher mit dem Erfordernis einer Wegnahmeduldung allenfalls schwer vereinbar. Damit wäre prima vista einer der allgemein anerkannten Grundsätze aufzugeben: entweder erfasste der Raubtatbestand nicht die Fälle eines zum sofortigen Tod des Opfers füh405 SK-Horn / Wolters, § 240 Rn. 60; Schönke / Schröder-Eisele / Eser, Vorbemerkungen zu den §§ 234 bis 241a, § 13: „uneigentlichen“ und „Quasi-Handlungen“. 406 Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 12. 407 Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 40. 408 MK-Gropp / Sinn, § 240 Rn. 163. 409 Schönke / Schröder-Eser, § 240 Rn. 40; MK-Gropp / Sinn, § 240 Rn. 164. 410 Dagegen auch Hruschka, NJW 1996, 160 (162) und zustimmend Sinn, S. 83. 411 NK-Toepel, § 240 Rn. 132.
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renden Einsatzes des Nötigungsmittels oder er wäre kein Spezialtatbestand zur einfachen Nötigung. Eine Auflösung erscheint jedoch durch eine andere Bestimmung des Nötigungserfolges als Zwischenglied der Kausal- und Finalkette möglich, nämlich wenn er in einer Weise definiert werden kann, dass er noch zu Lebzeiten des Opfers eintritt. III. Begriffliche Präzisierung Letztendlich geht es darum, dass das Opfer der Wegnahme nichts entgegensetzen kann und will, ob aus Gründen der Willensbeugung, -ausschaltung oder des Todes, und damit um eine nötigungsbedingte Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das tatbestandlich umschriebene Rechtsgutsobjekt. Auf die Spezifika des Raubes – Sachverschiebungs- und Fremdschädigungsdelikt – bezogen bedeutet dies nichts anderes als die Schwächung der Fähigkeit oder Bereitschaft, die zuzueignende Sache zu verteidigen. Diese Begrifflichkeit verdeutlicht, dass es ausschließlich um die Hinnahme der fremdschädigenden Handlung geht, ohne dass ein Einverständnis mit dieser vorhanden ist. Sie ähnelt dem vermeintlichen subjektiven Anteil des Gewaltbegriffs, der Absicht, tatsächlichen oder erwarteten Widerstand auszuschalten oder zu überwinden, ist inhaltlich jedoch auf den Erfolg des Raubtatbestandes bezogen. Bei einem zum sofortigen Tod des Opfers führenden Gewalteinsatz setzt mit der Verletzung des Opfers die Schwächung seiner Verteidigungsfähigkeit hinsichtlich der in seinem Gewahrsam befindlichen Sachen ein und sich während des Sterbeprozesses fort. Stellt man damit nicht auf das punktuelle Ereignis des Gewahrsamsbruchs, sondern den Prozess der Aufhebung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft ab, so ist das noch lebende Opfer gezwungen, diesen aufgrund von vis absoluta hinzunehmen. Selbst bei einem tödlichen Kopfschuss ginge zumindest für einen kurzen Moment eine Schwächung der Verteidigungsfähigkeit ihrer vollständigen Aufhebung voraus. Das ist der Erfolg der im Raubtatbestand enthaltenen Nötigung. Auch wenn der Einsatz des Nötigungsmittels noch vor dem Gewahrsamswechsel das Opfer tötet, ist bei einer Definition des Erfolges der im Raub enthaltenen Nötigung als Hinnahme der Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder bereitschaft im Raub zugleich eine vollendete Nötigung enthalten. Die These vom Spezialitätsverhältnis des Raubes zu dieser kann daher aufrechterhalten werden, auch wenn der Nötigungserfolg zu Lebzeiten des Opfers eintreten muss. Zugleich unterscheidet sich der Bedeutungsgehalt zu dem allgemein anerkannten Merkmal der Wegnahmeduldung kaum, im Ergebnis wohl überhaupt nicht. Der Raub wäre damit, wie gemeinhin angenommen, ein aus einer vollendeten Nötigung und einem Diebstahl zusammengesetztes Delikt. Damit ist jedoch allein das allgemeine Bild vom Raub nachgezeichnet und präzisiert, ohne begründet zu sein.
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IV. Herleitung 1. Gesetzgebungsgeschichte In der Gesetzgebungsgeschichte wurde stets ein auf die Wegnahme bezogener Nötigungserfolg zugrundegelegt, indem die Duldung der oder die Schwächung von Widerstand gegen die Wegnahme als Bindeglied angesehen wurde. Dieses Verständnis hat sich zunächst in § 22 der Verordnung wegen Bestrafung der Diebstähle und ähnlicher Verbrechen aus dem Jahre 1799 niedergeschlagen. 412 Zweck der Gewaltanwendung musste sein, das Opfer von einer Gegenwehr gegen die beabsichtigte Wegnahme oder von einer Bemächtigung des Täters abzuhalten. Ähnlich ausdrückliche Ausführungen finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien der preußischen Gesetzesrevision und zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund: die Gewalt müsse das Mittel gewesen sein, „durch welches der Täter den Andern dazu nöthigte, die Wegnahme der Sache geschehen zu lassen“; sie müsse geeignet sein und dazu eingesetzt werden, „den geleisteten oder zu erwartenden Widerstand des Inhabers der Sache zu beseitigen“, 413 um den Besitzer „abzuhalten, sich der Wegnahme einer Sache zu widersetzen oder, um ihn zur Herausgabe von Sachen zu bestimmen“; 414 sie müsse eine solche sein, „welche den Zwang oder die Nöthigung in sich schließt, die Wegnahme der Sache zu dulden, [...] also entweder einen gegen die Wegnahme gerichteten Widerstand überwinden, oder diesen von vorn herein unmöglich machen.“ 415 Wird der Nötigungserfolg der Wegnahmeduldung nicht ausdrücklich auf die tatbestandlich umschriebene fremde bewegliche Sache beschränkt und könnte sie demnach insoweit auch der Erlangung eines sachlichen Hilfsmittels dienen, so macht dies keinen inhaltlichen Unterschied. Denn gemeint kann – zumindest ohne Klarstellung – nur diejenige Wegnahme sein, die § 249 Abs. 1 als tatbestandliche Handlung nennt. Sie muss zugleich diejenige Sache betreffen, die der Täter sich oder einem Dritten zuzueignen beabsichtigt. Der Gesetzgeber des Raubes sah damit die Duldung der tatbestandlichen Wegnahme, hier präzisiert als die Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft, als ein notwendiges Zwischenglied der Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme. Entgegen der weiteren Fassung des Wortlautes wollte er den Tatbestand auf solche Fälle beschränken, in denen die Wegnahme unter dem spezifischen Nötigungsdruck der qualifizierten Nötigungsmittel stand. Entsprechend wurde der Tatbestand in der Literatur ausgelegt. 416 Daher sah der Gesetzgeber wohl kein 412
Vgl. 3. Kap. B. III. 1. Motive zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, S. 76. 414 Motive zum revidierten Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, Berlin 1833, S. 308; für den zweiten Fall sei Erpressung in Erwägung zu ziehen. 415 Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 230 Nr. 1. 413
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
Bedürfnis, den Tatbestand enger zu fassen, und konnte sich mit der Regelung einer reinen Kausalverknüpfung begnügen. Diese Deutung des Raubtatbestandes hat sich offensichtlich in der Ausgestaltung des räuberischen Diebstahls niedergeschlagen. Der Unrechtsgehalt des § 252 StGB ist darin begründet, dass der Täter die durch den Vortatdiebstahl frisch erlangte Sache mit gewaltsamen Mitteln zu verteidigen, seinen Gewahrsam an dieser zu festigen sucht und zu diesem Zweck den diesbezüglichen Gewahrsamswiederherstellungswillen des Opfers zu brechen beabsichtigt. Dies kommt in der Formulierung des Tatbestandes, „des gestohlenen Gutes“, zum Ausdruck. Wurde im Tatbestand des räuberischen Diebstahls nicht viel Anderes gesehen als „invertierter“ 417 Raub, zeigt dies, dass der Gesetzgeber den Unrechtsgehalt des Raubes entsprechend verstanden hat, als Gewahrsamserlangung an dem Objekt der Wegnahme über das notwendige Zwischenziel der Schwächung des Gewahrsamsverteidigungswillen des Tatopfers. 2. Systematik a) Räuberischer Diebstahl Die Ausgestaltung des räuberischen Diebstahls kann erneut auch als systematisches Argument herangezogen werden. § 252 StGB poenalisiert die durch Gewahrsamserhaltungsabsicht motivierte Anwendung qualifizierter Nötigungsmittel. Vorausgesetzt wird der Wille des Nötigungsopfers, den soeben entzogenen eigenen oder fremden Gewahrsam wiederherzustellen, wenn auch aufgrund der Subjektivierung allein in der Vorstellung des Täters. Das Motivationsunrecht liegt demnach in der Absicht des Täters, diesen Willen durch den Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel zu beeinflussen und so die Wiedererlangungsfähigkeit oder -bereitschaft des Nötigungsopfers hinsichtlich des Objekts der Vortat zu schwächen. An der stets vorausgesetzten und behaupteten Parallelität und Unrechtsäquivalenz von Raub und räuberischem Diebstahl kann lediglich dann festgehalten werden, wenn das Unrecht des Raubes weitestmöglich identisch ausgestaltet ist. Nur betrifft dieses, anders als beim räuberischen Diebstahl, die objektive Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme und damit das Geschehensunrecht. Im Zeitpunkt der Wegnahmevollendung wird die Situation gespiegelt: Zuvor besteht eine Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers, die der Täter durch seine Ersterlangungsfähigkeit und -bereitschaft schwächt; nachher besteht eine – vom Täter vorgestellte – Wiedererlangungsfähigkeit oder 416 Zum RStGB: Allfeld / Meyer, S. 455; Frank, § 249 II Nr. 1; von Holtzendorff-Geyer, S. 717; Olshausen, § 249 Nr. 5; Rubo, S. 853; Schwartz, S. 560; Schwarze, RStGB, S. 632; Villnow, S. 8; zum Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund Oppenhoff, Strafgesetzbuch,§ 249 Nr. 6; zu den deutschen Partikulargesetzen Heffter, S. 538. 417 Vgl. Weigend, GA 2007, 374 (375).
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-bereitschaft des Nötigungsopfers, die der Täter durch seine Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft zu brechen sucht. b) Sexuelle Nötigung Der Wortlaut des § 177 Abs. 1 StGB ist diesbezüglich ebenso eindeutig. Der Täter muss das Opfer zur Duldung oder Vornahme der das zweite Rechtsgut schädigenden sexuellen Handlung nötigen. Daher ist es nur konsequent, wenn als Telos der Schutz der spezifischen Dispositionsfreiheit über das eigene Sexualverhalten vor der Beeinträchtigung durch qualifizierte Nötigungsmittel angesehen wird. Gerade der Gleichlauf mit der Duldungsvariante legt nahe, dass auch der Raub die Nötigung zu einem auf das weitere Rechtsgut bezogenen Verhalten voraussetzt – dies nicht nur wegen des identischen Strafrahmens, der eine parallele Ausgestaltung des Zusammenhangs zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Duldung des fremdschädigenden Verhaltens verlangt, sondern auch vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention, den Schutz der sexuellen Integrität dem des Eigentums zumindest anzugleichen. Wäre der Raubtatbestand in der Gestaltung der Kausalverknüpfung wesentlich weiter gefasst, würde dieses Ziel verfehlt. c) Räuberische Erpressung Der Wortlaut der §§ 253, 255 StGB ist hingegen weiter gefasst und lässt als Nötigungserfolg ganz allgemein ein Handeln, Dulden oder Unterlassen genügen. Zwar muss dieses zu einem Vermögensschaden führen; dies bedeutet jedoch nichts anderes als die ohnehin vorausgesetzte Ursachenverknüpfung zwischen Tathandlung und Erfolg. Insbesondere auf der Grundlage der konkretisierenden Äquivalenztheorie bildet das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs jedoch kaum einen Filter. Dem Wortlaut nach wäre jede Nötigung, die irgendwann für eine Vermögensschädigung in ihrer konkreten Gestalt ursächlich wird, objektiv Erpressung. Aber auch vor dem abstrakten Kausalitätsverständnis wäre der objektive Erpressungstatbestand etwa dann erfüllt, wenn der Täter das Opfer zunächst zur Entgegennahme eines Vermögenswertes nötigt, und das Opfer diesen an den Täter zurückreicht. Allgemeine Auffassung ist allerdings, dass das abgenötigte Opferverhalten vermögensrelevant und vermögensmindernd sein muss; 418 umstritten ist lediglich, 418 BGHSt 7, 252 (254); 25, 224 (228); BGH NStZ 1999, 350 (351); SK-Günther, § 253 Rn. 16; LK-Vogel, § 253 Rn. 13; Mitsch, § 6 Rn. 37, demzufolge jedoch der Begriff der Vermögensminderung das Erfordernis des Kausalzusammenhangs zwischen Opferverhalten umschreibt; er versteht den Begriff damit anders als der BGH, vgl. das angeführte Zitat. Zuzugeben ist daher, dass der Begriff der Vermögensminderung unglücklich ist, weil er ebenfalls nichts anderes benennt als die ohnehin erforderliche Kausalverknüpfung.
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ob dieses Verhalten eine Vermögensverfügung darstellen muss, definiert als ein Verhalten des Genötigten, durch welches dieser willentlich auf das Vermögen unmittelbar einwirkt. 419 „Der Tatbestand der Erpressung schützt sowohl das Vermögen als auch die Willensfreiheit [...]. Obwohl vom Wortlaut der Norm gedeckt, reicht es hierfür jedoch nicht aus, daß zwischen der abgenötigten Handlung, Duldung oder Unterlassung und dem bei einem Dritten eintretenden Vermögensschaden überhaupt eine kausale Verknüpfung besteht [...]; vielmehr bedarf der weit gefaßte Tatbestand der Erpressung insoweit einer einschränkenden Auslegung unter Rückgriff auf den Wesensgehalt der Norm. Erpressung bedeutet die erzwungene Preisgabe von eigenen oder fremden Vermögenswerten, deren Schutz der Genötigte wahrnehmen kann und will.“ 420 Dieses Verständnis herrschte auch in der Gesetzgebungsgeschichte vor. Das Allgemeine Landrecht 421 und die ersten Entwürfe der preußischen Gesetzesrevision aus den Jahren 1828 422, 1830 423 beschränkten den Erfolg auf spezifische vermögensschädigende Handlungen. Die Entwürfe von 1833 und 1836 424 ver419
s. die Nachweise in Fn. 166; auch hier geht Mitsch, § 6 Rn. 37 von anderen Begrifflichkeiten aus: jedes abgenötigte Verhalten könne bei Ursächlichkeit für den Vermögensschaden als Vermögensverfügung bezeichnet werden; die Abgrenzung zur herrschenden Lehre erfolge über das Merkmal der Unmittelbarkeit des vermögensschädigenden Opferverhaltens. Hier geht es jedoch lediglich um Begrifflichkeiten; auch kann bei einer reinen Duldung kaum von einer Verfügung ausgegangen werden. 420 BGHSt 41, 123 (125). 421 A.L.T. Th. II Tit. 20 §. 1254: „Wer durch Concussionen einen Andern zu einem nachtheiligen Vertrage nöthiget, hat eine willkührliche Geld- oder Gefängnißstrafe verwirkt.“ §. 1255. „Ist jemand durch Concussion genöthiget worden, Gelder oder Sachen ohne Vergeltung zu geben: so ist eine dergleichen Erpressung, nach Maßgabe der dazu gebrauchten Mittel, gleich einem Diebstahle oder Raube zu bestrafen.“ 422 § 61 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1828 „Wer durch Bedrohung mit einem künftigen Uebel jemanden nöthigt, ihm bewegliche Sachen zu überlassen, Rechte einzuräumen, Rechten zu entsagen, oder Verbindlichkeiten zu erlassen, um dadurch rechtswidrigen Vorteil zu erlangen, soll mit Arbeitshausstrafe belegt werden.“ 423 § 377 des Entwurfs des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, 1830 „Wer durch thätliche Mißhandlung, oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr Jemanden nöthigt, ihm Rechte einzuräumen, oder denselben zu entsagen, um rechtswidrigen Vorteil zu erlangen, ist dem Räuber gleich (§§. 367 bis 371.) zu bestrafen.“ 424 § 464 des Revidierten Entwurfs des Strafgesetzbuchs für die königl. Preußischen Staaten, 1833, und § 588 des Revidierten Entwurfs des Strafgesetzbuchs für die königlichPreußischen Staaten, 1836 „Wer mit der Absicht, sich oder Andern einen unrechtmäßigen Gewinn zu verschaffen und um Jemanden zu bestimmen, zu Gunsten seiner oder eines Andern Schuldscheine, Cessions-Urkunden oder Quittungen auszustellen oder zu unterschreiben oder auf andere
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kürzten den objektiven Tatbestand auf die versuchte Nötigung, behielten die vormaligen Nötigungserfolge jedoch als Gegenstand der überschießenden Innentendenz bei. Durch Beschluss des über den Entwurf von 1836 beratenden Staatsraths wurde der Nötigungserfolg wieder als objektives Merkmal aufgenommen und – dem heutigen Gesetzesstand entsprechend – auf eine Handlung, Duldung oder Unterlassung erweitert. 425 Die Gründe der Änderung sind nicht ersichtlich, könnten jedoch allein auf das Bestreben zurückzuführen sein, eine Kasuistik im Tatbestand und dementsprechende Strafbarkeitslücken zu vermeiden; sie kann zudem als Anlehnung an die ebenso gefassten Tatbestände anderer Partikularstrafgesetzbücher 426 verstanden werden. Jedenfalls wurde ganz herrschend weiterhin als Kennzeichen des Tatbestandes die Abnötigung eines Vermögensvorteils gesehen. 427 Es muss demnach eine besondere, über Kausalität hinausgehende Verknüpfung von Nötigung und Vermögensschädigung bestehen. Das Nötigungsmittel muss funktional zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Dispositionen eingesetzt werden. 428 Schutzgut ist nicht die Freiheit der Willensbildung an sich, sondern der Ausschnitt wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit, 429 und zwar hinsichtlich desjenigen Gutes, dessen Vorteil der Täter erlangen will. Ob der Nötigungserfolg als Abnötigung einer Vermögensbeschädigung oder Abnötigung eines Vermögensvorteils definiert wird, macht keinen Unterschied in der Sache. Es handelt sich dabei um die negative Beschreibung ein- und desselben Vorgangs. Denn die vom Täter erstrebte Bereicherung muss Kehrseite der Vermögensschädigung, Vermögensnachteil und beabsichtigte Bereicherung müssen stoffgleich sein. 430 Weise Vermögensrechte einzuräumen oder Vermögensrechten zu entsagen, an dem Inhaber des Rechts, an Angehörigen desselben oder an Personen aus seiner Umgebung Gewalt verübt oder unter gegenwärtiger Gefahr androhet, ist der Erpressung schuldig und dem Räuber (§. 448 bis §. 452.) Entwurf 1833 / (§. 572. Bis §. 576) Entwurf 1836 gleich zu strafen.“ 425 Vgl. § 442 des Entwurfs des Strafgesetzbuchs für Preußische Staaten nach den Beschlüssen des königlichen Staatsraths: „Wer außer dem Falle des Raubes durch Gewalt oder Drohungen Jemanden zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, um sich oder Andern einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen, macht sich der Erpressung schuldig.“ 426 Vgl. etwa Art. 335 des Hannoverschen Criminalgesetzbuchs von 1840, Art. 166 des Sächsischen Criminalgesetzbuches von 1838, Art. 314 des Württembergischen Strafgesetzbuches von 1839. 427 Für Preußen: vgl. Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, § 234 Nr. 2; Temme, S. 961; zum RStGB: von Holtzendorff-Geyer, S. 728. 730; v. Wächter, GS 27, 161 (169); a. A: Olshausen§ 253 Nr. 7a: die abgenötigte Handlung müsse den Vorteil nicht unmittelbar gewähren, es genügt auch die Nötigung eines Dritte, einen anderen zur Vorteilsgewährung zu bestimmen. 428 Vgl. H. Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (94f.). 429 Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 1; LK-Herdegen, 11. Auflage, § 253 Rn. 1. 430 Statt vieler RGSt 67, 200 (201); Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 20; SK-Günther, § 253 Rn. 24; MK-Sander, § 253 Rn. 34.
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Erfolg der erpresserischen Nötigung in der Verschiebung desjenigen Vermögensgutes liegen muss, dass in § 253 StGB durch das Merkmal der Schädigung und als Gegenstand der Bereicherungsabsicht beschrieben ist. Eine Verletzung der Dispositionsfreiheit hinsichtlich eines anderen Vermögensgutes, die der Vermögensschädigung vorausgeht und diese auf anderem Wege ermöglicht, kann allenfalls als einfache Nötigung strafbar sein. Ist der Erfolg der erpresserischen Nötigung demnach auf die Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit über das tatbestandlich umschriebene Rechtsgutsobjekt beschränkt und ist die Erpressung zugleich Auffangtatbestand zum Raub, dann kann bei diesem nicht jegliche Kausalverknüpfung und jeglicher Nötigungserfolg tatbestandsmäßig sein. Der Erfolg der räuberischen Nötigung muss zwingend ebenfalls in einer Einschränkung der Dispositionsfreiheit über das eigene oder fremde Vermögen liegen und die Verschiebung des in dem Gewahrsam an der fremden Sache liegenden Vermögenswertes abgenötigt sein. 431 Wenn man hingegen Raub und räuberische Erpressung in einem Exklusivitätsverhältnis sieht, dann sind es wieder die systematischen Erwägungen, die das Erfordernis eines dem Vermögensbezug entsprechenden Wegnahmebezugs des Nötigungserfolges rechtfertigen. Ist das Geschehensunrecht der Erpressung durch eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit des Genötigten an dem Vermögensgut gekennzeichnet, so muss auch das Geschehensunrecht des Raubes in einer Beeinträchtigung der gegenständlichen Dispositionsfreiheit liegen, genauer der Freiheit zu entscheiden, einen körperlichen Gegenstand nicht durch Fremdschädigung zu verlieren. Durch den Vergleich zur sexuellen Nötigung tritt noch deutlicher hervor, dass nur solche Kausalverbindungen unrechtsäquivalent sind, die das Opfer in seiner Freiheit beschränken, über das jeweils geschützte Rechtsgutsobjekt frei von Zwang zu disponieren, es nicht wegzugeben und es sich nicht wegnehmen zu lassen.
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Unstimmigkeiten ergeben sich in den Fällen des Raubes wertloser Sachen; zwar wird die Dispositionsfreiheit hinsichtlich eines Gewahrsams-, nicht jedoch hinsichtlich eines Vermögensgutes verletzt. Dies ist in der unterschiedlichen Schutzrichtung der Delikte begründet: der Raub ist Eigentumsdelikt, die Erpressung Vermögensdelikt im engen Sinne. Während die Vertreter des Selbstschädigungscharakters der Erpressung daraus schließen, dass die Erpressung gar kein Auffangtatbestand zum Raub sein könne (etwa Rengier, JuS 1981, 654, 659), ist die Gegenauffassung gezwungen, ihre These vom Spezialitätsverhältnis zumindest aufzuweichen, vgl. Schünemann, JA 1980, 486 (488): „§ 249 ist deshalb keine,logisch reine‘ lex specialis zu § 253, sondern wirkt nur unter pragmatischen Aspekten in den allermeisten Fällen wie eine Spezialvorschrift.“
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d) Betrug Diese These lässt sich mit Blick auf den Betrugstatbestand noch erweitern. Dort wird die Kausalverknüpfung durch die Verfügung über denjenigen Vermögensgegenstand vermittelt, dessen Vorteil der Täter erstrebt. Die Schwächung der Dispositionsfreiheit ergibt sich aus dem Irrtum, der dem Getäuschten eine unbeeinflusste Entscheidung unmöglich macht. Verbindet ein Delikt den Einsatz eines Mittels der Willensbrechung oder -umgehung mit einem Angriff auf ein weiteres Rechtsgut, muss die Kausalverknüpfung über eine Schwächung der Dispositionsfreiheit hinsichtlich des verschobenen Rechtgutsobjekts und damit ein auf das weitere Rechtsgutsobjekt bezogenes Opfer-„verhalten“ vermittelt sein. e) Zwischenergebnis Damit steht fest, dass, wie allgemein angenommen, der Nötigungserfolg der im Raub enthaltenen Nötigung Gewahrsamsrelevanz aufweisen muss. Er besteht in der Hinnahme der Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft hinsichtlich der fremden beweglichen Sache, die ein Zwischenglied der Kausalkette zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme bildet. Damit schützt der Raubtatbestand nicht die Willensfreiheit im Allgemeinen, sondern den Ausschnitt der Freiheit der Disposition über die im eigenen Gewahrsam befindlichen Gegenstände vor der Beeinträchtigung durch qualifizierte Nötigungsmittel. Lediglich eine einfache Nötigung und einen Diebstahl, ggf. in mittelbarer Täterschaft, begeht, wer den Dieb zur Diebstahlsbegehung oder einen Dritten zu einem nicht wegnahmebezogenen Verhalten, etwa der Taxifahrt, nötigt. Gleiches gilt für solche Fälle der psychischen Kausalität, in denen der Täter zwar ein Opferverhalten, jedoch nicht die Ausschaltung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers als notwendige Bedingung seines Wegnahmeentschlusses gesetzt hat. Die übrigen Fälle, in denen dieser Nötigungserfolg erst Grundlage der psychischen Kausalität ist, sind – jedenfalls auf Grundlage der herrschenden konkretisierten Äquivalenztheorie – wohl rein theoretischer Natur, ist doch kaum denkbar, dass der Nötigungserfolg die Wegnahme in ihrer konkreten Gestalt nicht ermöglicht und der Täter dies nicht in Kauf nimmt. Nach dem abstrakten Kausalitätsverständnis läge wohl immer zumindest Raubversuch vor; denn der Täter wird in derartigen Fällen immer eine Ermöglichung der Wegnahme, und sei es auch nur ihrer Beschleunigung, für möglich halten. Bei der Abnötigung von sachlichen Hilfsmitteln wie auch von Informationen ist zu differenzieren. Beide lassen sich danach kategorisieren, ob eine Preisgabe beabsichtigten Gewahrsamsschutz schwächt oder nicht. Zur Veranschaulichung sei dies mit Beispielen unterlegt. Das Opfer kann sich sachlicher Hilfsmittel zum Schutz seines Gewahrsams bedienen – zu denken ist dabei an die Schutzvorrich-
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tung gegen Wegnahme i. S. d. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB –, und auf diese seine Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft übertragen, sie in diesen institutionalisieren. Das Gesetz bringt die besondere Strafwürdigkeit der Überwindung sachlicher Schutzvorrichtungen zum Zwecke der Wegnahmevollendung in dem genannten Regelbeispiel zum Ausdruck und es ist nicht ersichtlich, weshalb der Raubtatbestand auf die Überwindung rein körperlicher Verteidigung beschränkt sein sollte. Da das gewahrsamsschutzrelevante Mittel mit den qualifizierten Nötigungsmitteln abgenötigt werden muss, wird auf das Opfer der raubspezifische Nötigungsdruck ausgeübt, den es möglicherweise gerade durch den Gebrauch der Schutzvorrichtung vermeiden wollte. Weder die erhöhte Aggression des Täters noch die Gefährlichkeit und die Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Opfers sind eine andere. Verschafft das Opfer dem Täter in Folge der Nötigung sachliche Hilfsmittel, wie Schlüssel, oder Informationen, beispielsweise den Tresorcode oder die Zugangsmöglichkeit zu einem Versteck, um diese Schutzvorkehrungen auszuschalten oder zu umgehen, so schwächt es seine in diesen institutionalisierte Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft, und zwar gerade im Hinblick auf die besonders geschützte Sache, deren Zueignung der Täter beabsichtigt. Nicht anders zu bewerten sind die Fälle, in denen der Täter das Opfer dazu nötigt, den Schutzmechanismus aufzuheben, um dann selbst die Wegnahme auszuführen. Bei der Abnötigung von gewahrsamsschutzrelevanten sachlichen Hilfsmitteln tritt eine Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft hinsichtlich ebendieses Hilfsmittels hinzu, die jedoch tatbestandlich irrelevant ist. Es würde an der Strafbarkeit des Täters also nichts ändern, wenn ihm das Hilfsmittel nicht fremd wäre. Auch bei der sexuellen Nötigung ist eine Schwächung einer institutionalisierten Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft denkbar, aber seit dem Ende des Zeitalters von Keuschheitsgürteln praktisch kaum mehr relevant. 432 Davon abzugrenzen sind die Fälle, in denen das sachliche Hilfsmittel oder die Information zwar die Vollendung der Wegnahme, aber nicht die Ausschaltung einer Schutzvorkehrung ermöglicht. Beispielhaft sind hier die Angabe des dem Täter unbekannten Aufbewahrungsortes der Sache oder die Verschaffung eines Transportmittels, um die große, sperrige Sache aus der Sphäre des bisherigen Gewahrsamsinhabers zu schaffen. Auch wenn die abgenötigte Handlung die Chancen der Gewahrsamserhaltung schwächt und die Wegnahme der Sache erst ermöglicht, verfügt das Opfer nicht über seine Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft an ebendieser. Allein die Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft hinsichtlich des Hilfsmittels ist durch dessen Abnötigung geschwächt. Die Abnö432 Zu denken wäre noch an die Abnötigung von Mitteln zur Verteidigung der Person, etwa einer Pfefferspray-Sprühdose, mit dem das Opfer seine sexuelle Integrität zu schützen sucht. In den meisten Fällen wird es jedoch eine solche vorgelagerte Schwächung der Verteidigungsbereitschaft nicht ankommen, wird der Täter doch Gewalt zur Überwindung des rein körperlichen Widerstandes des Opfers anwenden oder zumindest konkludent drohen.
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tigung solcher gewahrsamschutzirrelevanter Informationen oder Hilfsmittel ist nicht tatbestandsmäßig, sei es, weil der Nötigungserfolg nicht in einer Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft liegt, sei es, weil diese nicht das Tatobjekt betrifft. Abgesehen von den Fällen des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB ist eine Abgrenzung von gewahrsamsschutzrelevanten und -irrelevanten Hilfsmitteln und Informationen sicherlich schwierig. So dient das Wohnungsschloss wohl primär dem Zweck, unbefugtes Eindringen und unbefugten Aufenthalt in der Wohnung zu verhindern, aber auch, die in der Wohnung enthaltenen Sachen vor Zugriff von außen zu schützen. 433 Der Aufbewahrungsort einer Sache kann einfach Aufbewahrungsort oder Schutzvorrichtung gegen Luft, Licht und sonstige nicht deliktische Einflüsse sein, aber auch Versteck, um eine Wegnahme zu verhindern. Die Abgrenzung hat anhand der inneren Willensrichtung des Gewahrsamsinhabers zu erfolgen, ebenso wie die Verteidigungsbereitschaft des Opfers ein subjektives Element ist. Denn bei den Schutzvorrichtungen handelt es sich letztendlich um nichts anderes als den verlängerten Arm des Gewahrsamsinhabers. Entscheidend ist die vorherige Widmung einer bestimmten Vorrichtung durch ihn zum Schutz vor nicht gewollter Wegnahme. Die Nutzung einer klassischen Schutzvorrichtung i. S. d. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB ist ein starkes Indiz für eine solche Zwecksetzung des sich der Schutzvorrichtung Bedienenden. Ist sie ansonsten nicht zu ermitteln, so verbleibt es beim Raubversuch, wenn der Täter eine solche Widmung zumindest in Kauf nimmt und die Überwindung des Schutzes bezweckt. Letztendlich muss das Erfordernis einer Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft auch die Begründung dafür sein, den Kreis der möglichen, vom Gewahrsamsinhaber verschiedenen Nötigungsopfer zu beschränken. Nach allgemeiner Auffassung erfasst dieser beim Raubtatbestand nur solche Personen, die – auf Grundlage einer auf einen Kausalverknüpfung verzichtenden Theorie: in der Tätervorstellung – verpflichtet oder bereit sind, den Gewahrsam an der fremden Sache zu schützen. 434 In den Fällen der Dreieckserpressung soll nach h.A. maßgeblich sein, ob der Genötigte in einer Nähebeziehung zu dem geschädigten Vermögen 435 oder – damit oft gleichgesetzt 436 – zu seinem Inhaber steht. 437 433 Insofern können auch Fälle des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB als Raub erfasst werden, wenn z. B. der Schlüssel qualifiziert abgenötigt wird. 434 RGSt 67, 183 (186); 69, 327 (330); BGHSt 3, 297 (299); 41, 123 (126); LK-Herdegen, 11. Auflage, § 249 Rn. 3; MK-Sander, § 249 Rn. 17; a. A.: LK-Vogel, § 249 Rn. 23: es reiche aus, wenn der Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittel die Wegnahme objektiv gefördert habe. 435 Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 6; Rengier, JZ 1985, 565 (568); MK-Sander, § 253 Rn. 23; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (98). 436 Vgl. etwa Schönke / Schröder-Eser, § 253 Rn. 6: „Vielmehr kann die Verfügung des genötigten Dritten dem Geschädigten nur dann zugerechnet werden, wenn zwi-
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Eine Einschränkung ist unerlässlich, um die Erpressung vom Diebstahl in mittelbarer Täterschaft abzugrenzen. Bei der sexuellen Nötigung bestehen solche Schwierigkeiten hingegen nicht, da nach dem Gesetzeswortlaut das Opfer der Nötigung und das des Sexualkontaktes personengleich sein müssen, „Wer eine andere Person [...] nötigt, [...] an sich zu dulden oder [...] vorzunehmen. 438 Denkbar ist danach allein die hier nicht relevante Dreieckskonstellation, in der das Opfer des Sexualkontaktes das gegen einen Dritten eingesetzte Nötigungsmittel selbst als Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel empfindet, Opfer der Nötigung und des Sexualkontaktes demnach übereinstimmen. 439 Entscheidend muss sein, ob bei der Nötigung einer dritten Person der raubbzw. erpressungsspezifische Zusammenhang zwischen der Nötigungshandlung und dem Erfolg gegeben und damit das tatbestandliche Rechtsgut der Willensfreiheit im Sinne der Dispositionsfreiheit verletzt ist. 440 Zu fragen ist also danach, ob die qualifizierten Nötigungsmittel objektiv und in der Tätervorstellung die Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft einer vom Gewahrsamsinhaber verschiedenen Person hinsichtlich des zweiten Rechtsgutsobjektes geschwächt bzw. seine Dispositionsfreiheit eingeschränkt haben. Dies führt zu einer hinreichenden Beschränkung und Abgrenzungsmöglichkeit der Tatbestände, so dass ein Rückgriff auf ein irgendein abstraktes Zurechnungskriterium 441 entbehrlich ist.
schen dem Genötigten und dem Geschädigten ein spezifisches Näheverhältnis besteht [...].Jedoch kann auch eine faktische Sonderbeziehung zum Vermögen des Geschädigten genügen[...].“; MK-Sander, § 253 Rn. 23 Fn. 66. 437 BGHSt 41, 123. 438 Fischer, § 177 Rn. 10; MK-Renzikowski, § 177 Rn. 26; Reuter-Stracke, S. 137 ff.; Satzer / Schmitt / Widmaier-Wolters, § 177 Rn. 15; nach der Gegenauffassung (BGHSt 42, 378; bei Dallinger, MDR 1966, 893; Lackner / Kühl, § 177 Rn. 4; Wolters, NStZ 1985, 251) soll entweder – parallel zum Raub (so ausdrücklich BGH bei Dallinger, MDR 1966, 893) – die Nötigung einer aus Tätersicht schutzbereiten oder – parallel zur Erpressung – einer dem Opfer nahestehenden Person tatbestandsmäßig sein oder das Opfer des Sexualkontaktes denselben Zwangswirkungen wie den Genötigten aussetzen; weitergehend wohl LK-Hörnle, § 177 Rn. 51. 439 Dabei ist allerdings – auch bei den Delikten des Raubes und der räuberischen Erpressung – zu erwägen, ob allein dies genügt, oder ob nicht der Genötigte selbst qualifizierte Gewalt oder qualifizierte Drohungen erleiden muss, d. h. ob die Strafrahmenerhöhung gegenüber der Nötigung (in einem besonders schweren Fall) oder der Erpressung allein in der Anwendung der qualifizierten Nötigungsmittel begründet ist, und nicht auch darin, dass der zu Nötigende dem erhöhten Nötigungsdruck ausgesetzt ist (in diese Richtung auch Zaczyk, JZ 1985, 1059 (1061) zur räuberischen Erpressung). 440 Vgl. RGSt 71, 291 (292): „Zu dem Tatbestande der Erpressung gehört zunächst, dass sich die Drohung und damit die Nötigung gegen die Person richtet, von deren Willen es abhängt, den Vorteil zu gewähren.“ 441 So aber Rengier, JZ 1985, 565 ff.
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B. Unmittelbarkeit Maßgeblicher Gegenstand der Diskussion ist schließlich noch, ob die Verknüpfung der beiden Raubakte auch unmittelbar sein muss, verstanden i. S. d. Unmittelbarkeit der Vermögensverfügung bei Betrug 442 und – nach wohl noch herrschender Literatur – bei der Erpressung oder auch i. S. d. Unmittelbarkeit des Ansetzens zum Versuchsbeginn auf Grundlage des Teil- bzw. Zwischenaktsgedankens. 443 Ist nach dem bisherigen Ergebnis ausreichend, dass der Täter durch den Einsatz des Nötigungsmittels gewahrsamsschutzrelevante Hilfsmittel oder Informationen abnötigt, scheidet Raub danach dennoch aus, wenn die Vornahme einer wesentlichen Handlung – etwa die Ausschaltung der Schutzvorkehrung – den raubspezifischen Zusammenhang zwischen Gewaltanwendung oder Drohung und Wegnahmevollendung unterbricht. Ebenso wenig wie der Wortlaut des § 249 Abs. 1 StGB das Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs begründet, verlangt er das Erfordernis einer solchen Unvermitteltheit des Zusammenhangs zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme; vielmehr lässt sich aus ihm als objektive Verknüpfung allein Kausalität ableiten. Die Gesetzgebungsgeschichte ist diesbezüglich nicht ergiebig. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber derartige Fälle nicht mitbedacht hat, sondern von typischen Raubfällen ausgegangen ist. Dass ein solches Tatbild nicht maßgeblich sein kann, wurde jedoch bereits nachgewiesen. Zwar mag dies etwa beim Tatbestand des Betruges Grund für die Forderung nach dem ungeschriebenen Merkmal der Vermögensverfügung als unmittelbar vermögensschädigendes Verhalten des Nötigungsopfers sein, da dieses Delikt als klassisches Selbstschädigungsdelikt verstanden wird. Dort geht es aber auch lediglich um die Abgrenzung zum Diebstahl mit einem identischen Strafrahmen. Auch die Gesetzessystematik vermag das Erfordernis einer unmittelbaren Verknüpfung nicht zu begründen. Selbst wenn die Besitzerhaltungsabsicht aus dem Tatbestand des räuberischen Diebstahls, wie teilweise gefordert, 444 darauf gerichtet sein muss, eine gegenwärtige oder unmittelbare bevorstehende Entziehung 442 BGHSt 14, 170 (171); OLG Düsseldorf, NJW 1974, 1833 (1834); OLG Celle, NJW 1975, 2218; s. Nachweise bei SK-Hoyer, § 263 Rn. 158 ff.; LK-Tiedemann, § 263 Rn. 98; Maurach / Schroeder / Maiwald, § 41 Rn. 75. 443 Begründet von Maurach, AT, 4. Auflage 1971, § 41 I B 4 zu § 43 StGB a.F.; außerdem (teilweise in Kombination mit anderen Kriterien zur Bestimmung des Versuchsbeginns) Baumann / Weber / Mitsch, § 26 Rn. 54; Jescheck / Weigend, S. 516, 519; Kühl, AT, § 15 Rn. 58; Maurach / Gössel / Zipf, § 40 Rn. 48; Roxin, ATII, § 29 Rn. 139ff.; SK-Rudolphi, § 22 Rn. 9; ähnlich Jakobs, AT, 25. Abschn. Rn. 64. 444 So etwa die Rspr, BGHSt 9, 162 (163 f.); 13, 64, (65); 28, 224 (231); Fischer, § 252 Rn. 9; MK-Sander, § 252 Rn. 15; a. A: Geilen, JURA 1980, 43 (44 f.); LK-Vogel, § 252 Rn. 65; Schünemann, JA 1980, 393 (399); SK-Sinn, § 252 Rn. 22.
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2. Teil: Die Struktur des Raubtatbestandes
der Sache zu verhindern, ist denkbar, dass der Täter zu diesem Zwecke Gegenstände oder Informationen benötigt. Beispiele wären hier die Abnötigung eines Werkzeugs, um ein Sicherungsetikett als institutionalisierte Wiedererlangungsfähigkeit und -bereitschaft zu entfernen, oder des auch zum Verlassen des Tresorraums erforderlichen Codes, um eine Alarmierung von Sicherheitspersonal zu verhindern. Der Täter ist zur Nötigung durch die Absicht, sich in dem Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten motiviert, so dass weder Wortlaut noch Strafgrund des § 252 StGB ein engeres Verständnis gebieten. Es folgt auch nicht aus den Tatbeständen der Erpressung und des Betruges, die – bei der Erpressung zumindest nach h. Lit. – eine Unmittelbarkeit zwischen dem Opferverhalten und dem Schaden voraussetzen. Vergleicht man die Struktur der Delikte, zeigt sich das Folgende: Gleichzusetzen sind die Nötigungshandlung als Mittel der Willensbeugung mit der Täuschung als Mittel der Willensumgehung. Die Wegnahme als Fremdschädigung ist das Gegenstück zur Vermögensverfügung als Selbstschädigung. Dem Verbindungsglied der Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft beim Fremdschädigungsdelikt des Raubes entspricht bei der Erpressung als Selbstschädigungsdelikt die Schwächung der Fähigkeit und Bereitschaft, nicht über das Vermögen zu verfügen, beim Betrug der Irrtum. Denn diese schränken das Opfer in seiner Möglichkeit ein, frei von Zwang bzw. in Kenntnis aller Umstände über seine Vermögensgüter zu disponieren. Vergleichsmaßstab ist daher nicht die Beziehung von Vermögensverfügung und Schaden, sondern die Beziehung zwischen Täuschung bzw. Nötigungshandlung und Schaden, die über die Beschränkung der Dispositionsfreiheit vermittelt wird. Weder bei dem Tatbestand des Betruges noch bei dem der Erpressung wird aber auch eine Unmittelbarkeit zwischen Täuschung respektive Nötigungshandlung und diesem Zwischenglied verlangt. Verschafft sich der Räuber durch die Nötigungshandlung sachliche Hilfsmittel oder Informationen, um mit diesen eine institutionalisierte Verteidigungsbereitschaft auszuschließen, so ist die Beziehung der Nötigungshandlung zum Bruch des Gewahrsams keine unvermittelte, aber die Beziehung der Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft zu letzterem ist es, was für einen Gleichlauf der Delikte ausreicht. Auch der Tatbestand der sexuellen Nötigung verlangt eine solche Unmittelbarkeit zwischen Nötigungshandlung und endgültiger Rechtsgutsverletzung nicht. Damit enthält keiner der in die Vergleichsgruppe einzubeziehenden Tatbestände ein einschränkendes Kriterium, das aus Gründen der Strukturgleichheit oder Unrechtsäquivalenz auf den Raub als Unmittelbarkeit der Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme zu übertragen wäre. Entweder enthalten die Tatbestände ein solches Kriterium erst gar nicht oder dieses betrifft nur einen Teil der Verknüpfung. Wie auch bei dem – damit oft verknüpften – Erfordernis eines räumlichzeitlichen Zusammenhangs lässt sich dementsprechend das einer Unmittelbarkeit der Verknüpfung der Raubakte nicht begründen, während gegen eine solche
6. Kap.: Erfordernis eines raubspezifischen Zusammenhangs
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Einschränkung der Strafgrund streitet. Einen Raub begeht daher auch derjenige, der zwischen der Abnötigung des Tresorschlüssels und der Wegnahme der im Tresor befindlichen Sachen als wesentlichen Zwischenschritt den Tresor noch öffnen, oder wer das vom Opfer unter Nötigungsdruck preisgegebene Versteck noch aufsuchen muss.
C. Ergebnis Der Raubtatbestand verlangt das Bestehen eines objektiven raubspezifischen Zusammenhangs zwischen den beiden Raubakten. Dieser ist nicht schon bei einer reinen Ursachenverknüpfung zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme und dem Abnötigen eines jeglichen Handelns, Duldens oder Unterlassens gegeben. Vielmehr ist zwingendes Zwischenglied der Kausalkette die Schwächung der – körperlichen oder institutionalisierten – Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers bezüglich der fremden, beweglichen Sache als Nötigungserfolg. Unmittelbarkeit im Sinne einer Unvermitteltheit der Verknüpfung von Nötigungsmittel, Schwächung der Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft und Wegnahme ist hingegen nicht erforderlich. Letzteres bedeutet jedoch nicht, dass, wie in der Diskussion stets angenommen, jegliche Abnötigung von Hilfsmitteln oder Informationen tatbestandsmäßig wäre. Nur wenn diese gewahrsamsschutzrelevant sind und ihre Erlangung daher zugleich die körperliche oder institutionalisierte Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers schwächt, ist der raubspezifische Zusammenhang gegeben.
„Physische Gewalt als Medium der Kommunikation ist deswegen im Staat monopolisiert und individuell pönalisiert, weil es sich um eine Interaktionsbeziehung handelt, die sich durch einen hohen Grad der Freiheit und Gefährdung von jenen rechtlichen wie sozialstrukturellen Vermittlungen auszeichnet, die die normale Kommunikation gewährleisten.“ 1
3. Teil
Schluss A. Zusammenfassung Die Struktur des Raubtatbestandes ist in objektiver Hinsicht durch einen raubspezifischen Kausal-, in subjektiver Hinsicht durch einen Finalzusammenhang gekennzeichnet. Der Täter muss durch den Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel die Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Nötigungsopfers hinsichtlich der fremden beweglichen Sache schwächen, so die Wegnahme ermöglichen und ebendies bezwecken. Das Erfordernis eines Finalzusammenhangs ist bereits im Wortlaut angedeutet und wird durch die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt. In dieser hat sich gezeigt, dass der Raubtatbestand einen finalen Einsatz des Nötigungsmittels voraussetzt. Damit lässt sich auch die These vom Strafgrund des Raubes bestätigen, der in der durch Eigen- oder Drittzueignungsabsicht motivierten Aggression des Täters liegt. Der Finalzusammenhang wird als subjektives Kriterium verstanden und ist letztlich nichts anderes als ein auf den Kausalzusammenhang gerichteten dolus directus ersten Grades. Dennoch kann entgegen der herrschenden Auffassung auf das Erfordernis einer Kausalverknüpfung zwischen den beiden Einzelakten nicht verzichtet werden. Das folgt nicht nur aus der Formulierung „mit Gewalt“, sondern auch aus historischen und systematischen Erwägungen auf Grundlage der Tatbestände der einfachen und der sexuellen Nötigung und der einfachen und räuberischen Erpressung, die einen durchlaufenden Ursachenzusammenhang voraussetzen. Die Delikte des Raubes, der sexuellen Nötigung und der räuberischen Erpressung weisen in ihrer tatbestandlichen Ausgestaltung und der sonstigen Behandlung im Gesetz starke Gemeinsamkeiten auf. Trotz unterschiedlichen Wortlautes stimmen 1
Callies, Der Begriff der Gewalt, S. 13.
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3. Teil: Schluss
die Nötigungsmittel in ihrem Gehalt überein. Der Ausgestaltung der sexuellen Nötigung kann des Weiteren die Wertung des Gesetzgebers entnommen werden, es sei für den Unrechtsgehalt eines speziellen Nötigungsdeliktes ohne Bedeutung, ob der Täter das Opfer zu der Hinnahme eines fremd- oder zu der Vornahme eines selbstschädigenden Verhaltens zwingt. Damit bleibt als Unrechtsvariable allein der Zusammenhang zwischen den beiden Einzelakten der Tatbestände. Wie sich an dem identischen Strafrahmen und Qualifikationssystem zeigt, hält der Gesetzgeber die Delikte im Unrecht für vergleichbar, was auch kriminologischen Erkenntnissen entspricht. Dies erlaubt und gebietet es, wechselseitig systematische Erwägungen zu der Verknüpfung der Einzelakte und damit auch die Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs zu übertragen. Da der Finalzusammenhang deckungsgleich ist mit dolus directus ersten Grades hinsichtlich der Kausalität des Nötigungsmittels für die Wegnahme, wirkt sich das Festhalten am Kausalitätserfordernis weniger gravierend aus als in der Diskussion zumeist vorausgesetzt. Ursächlichkeit des Nötigungsmittels für den Enderfolg der Gewahrsamsneubegründung ist – insbesondere auf Grundlage der herrschenden, konkretisierenden Äquivalenztheorie – in wesentlich mehr Fällen gegeben als bisher offenbar angenommen. Fehlt es an ihr, so scheidet in nahezu allen Fällen zugleich Finalität aus. Damit geht es bei dem Streit zwischen objektiver und subjektiver Theorie grundsätzlich nur um die Entscheidung zwischen Raubversuch und -vollendung und damit die Möglichkeit einer Strafmilderung. In den Fällen fehlender Kausalität kann die Versuchsstrafe das überschießende Motivationsunrecht erfassen. Der Raub fügt sich dadurch ein in die Reihe derjenigen Delikte, die eine Kombination von Willensbeugung oder -umgehung und einen Angriff auf ein weiteres Rechtsgut beinhalten. Die Fälle, in denen ein Verzicht auf das Kausalitätserfordernis zur Strafbarkeit, ein Festhalten daran zur Straflosigkeit führen würde, sind praktisch kaum relevant und damit zu vernachlässigen. Ein Glied der Kausalkette liegt zwingend in der Schwächung der körperlichen oder institutionalisierten Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Nötigungsopfers hinsichtlich der fremden beweglichen Sache. Nur so werden der Charakter des Raubes als Nötigungsdelikt und das Unrechtsgleichgewicht zu den Tatbeständen des räuberischen Diebstahls, der (räuberischen) Erpressung und der sexuellen Nötigung aufrechterhalten. Die Abnötigung von sachlichen Hilfsmitteln und Informationen ist daher nur dann tatbestandsmäßig, wenn diese gewahrsamsschutzrelevant sind, und die Nötigung Dritter, wenn diese über eine Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft hinsichtlich der fremden, beweglichen Sache verfügen, die durch die Nötigungshandlung geschwächt wird. Einer Unvermitteltheit des Ursachenzusammenhangs zwischen den einzelnen Raubakten bedarf es hingegen nicht. Aufzugeben ist ebenso das Erfordernis einer engen räumlichen und zeitlichen Verknüpfung der Raubakte. Ein solches ist weder durch den Wortlaut noch
3. Teil: Schluss
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durch die Historie und Gesetzessystematik geboten, so dass eine dem Strafgrund entgegenstehende Beschränkung des Tatbestandes nicht gerechtfertigt ist. Damit sind, von Unschärfen im Bereich der Unmittelbarkeit abgesehen, weiterhin die Fälle als Raub – bei fehlender Kausalität zumindest als Raubversuch – einzuordnen, die auch nach allgemeiner Auffassung als Raub angesehen werden. Hinzu treten die Fälle einer räumlich und zeitlich gestreckten Tatbegehung. Der Raub nach § 249 Abs. 1 StGB ist damit nicht vollkommen deckungsgleich mit der Vorstellung als Gewaltwegnahme oder Gewaltdrohung, sondern weiter gefasst.
B. Ausblick Wurde in dieser Arbeit lediglich von der Struktur der sexuellen Nötigung und der räuberischen Erpressung auf die des Raubes geschlossen, so hat dies auch umgekehrt zu erfolgen. Die zahlreichen Parallelen zwischen Raub, räuberischer Erpressung und sexueller Nötigung, die sonst und nur zum Teil zum räuberischen Diebstahl gezogen werden können, lassen den Schluss auf eine einheitliche Konzeption der Delikte zu. Die Erlangung von Eigentum, Vermögen und sexuellem Kontakt setzt im sozialen Miteinander einen Aufwand voraus, sei es finanzielle Investition, sei es soziale Interaktion. Gemeinsamkeit der Tatbestände der §§ 249, 255, 177 StGB könnte daher sein, dass der Täter diesen Aufwand nicht erbringt und das erstrebte Gut nicht durch Kommunikation und Handel mit dem Gegenüber gewinnt, sondern sich durch aggressive Mittel durch- und über die jeweilige Dispositionsbefugnis hinweg setzt. Strafgrund der räuberischen Erpressung und der sexuellen Nötigung wäre, parallel zu dem des Raubes, dass der Täter die Erlangung von Vermögen oder einem Sexualkontakt für sich oder einen Dritten erstrebt und die Nötigungsmittel zur Erreichung seiner Zwecke instrumentalisiert. In den §§ 253, 255 StGB wird dies durch das Merkmal der Bereicherungsabsicht nahegelegt. Aus der überschießenden Innentendenz ergibt sich das Finalitätserfordernis hinsichtlich des Nötigungserfolges, da der Nötigungserfolg des Handelns, Duldens oder Unterlassens bzw. der Vermögensverfügung notwendiges Zwischenziel zur erstrebten Bereicherung ist. Bei dem Tatbestand der sexuellen Nötigung bleibt für eine solche Innentendenz kein Raum; allerdings kann das Finalitätserfordernis auf den Begriff des Nötigens und systematische Erwägungen gestützt werden. Als einheitlicher Strafgrund der Delikte kommt daher, angelehnt an das vorangestellte Zitat Callies, die durch – materielle oder sexuelle – Vorteilsabsicht motivierte Anwendung sozial unerträglicher, jegliche sonstige Kommunikation ausschließender Mittel in Betracht. Ein solches einheitliches Verständnis der Delikte wird den Erkenntnissen der Kriminologie und den Regelungszielen des Gesetzgebers gerecht und ermöglicht es, de lege lata Auslegungsergebnisse in dem engen Zusammenhang der
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3. Teil: Schluss
Delikte auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und wechselseitig zu übertragen. Besonderes Augenmerk könnte dabei auf den Versuchsbeginn der Delikte gelegt werden. Durch die Aufgabe des engen räumlichen und zeitlichen Rahmens des Raubtatbestandes könnte es erforderlich sein, den Beginn des Raubversuchs neu zu bestimmen. Die wohl noch herrschende Auffassung lässt das unmittelbare Ansetzen zum ersten Raubakt 2 oder dessen Vornahme 3 ausreichen; die Gegenauffassung verlangt ein unmittelbares Ansetzen zu beiden Akten. 4 Beginnt der Täter mit der Wegnahme und setzt das Nötigungsmittel allein zu ihrer Vollendung ein, ist die Unmittelbarkeit des Ansetzens zu beiden Akten nach beiden Ansichten zu bejahen. Verlangt man einen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang der beiden Raubakte, so werden auch bei umgekehrter Reihenfolge der Raubakte die Auffassungen selten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen – oder nie, wenn man die Grenzen des Zusammenhangs nach den Kriterien der Unmittelbarkeit des Ansetzens zum Versuch bestimmt, wie Schlehofer es tut. Wenn denn aber ein solcher überhaupt nicht erforderlich ist, muss anhand der Versuchsdogmatik erörtert werden, ob bei räumlich und zeitlich gestreckter Tatbegehung ein unmittelbares Ansetzen zur Nötigungshandlung tatsächlich genügt. Parallel wäre der Versuchsbeginn bei der sexuellen Nötigung in der Duldungsvariante zu bestimmen. Anderes könnte hingegen i. d. R. für die Erpressung und die sexuelle Nötigung in der Handlungsvariante gelten: da diese durch eine einzige Täterhandlung begangen werden können, kommt auch nur diese als Ansatzpunkt des unmittelbaren Ansetzens in Betracht. Der Versuchsbeginn wäre bei den unterschiedlichen Begehungsvarianten der sexuellen Nötigung unterschiedlich zu bestimmen. Zudem stellt sich bei räumlicher und zeitlicher Streckung der Tatbegehung deutlicher die Frage, ob bei einem Wegfall des Unrechts der qualifizierten Gewaltanwendung oder Drohung wegen Raubes zu bestrafen ist. Sie betrifft maßgeblich zwei Fälle, den Strafklageverbrauch hinsichtlich der Nötigungshandlung und deren Rechtfertigung. Bei großer zeitlicher Streckung ist durchaus denkbar, dass allein die Nötigungshandlung angeklagt und abgeurteilt wird, ob die Wegnahme zuvor vorgenommen und von den Strafverfolgungsbehörden nicht mehr 2
RGSt 62, 422 (424); 69, 327 (329); LK-Baldus, 9. Auflage, § 249 Rn. 12; Becher, S. 120 f.; Frank, § 43 II 2 a); Gössel, JR 1976, 249; Kühl, JuS 1980, 506 (509); derselbe, § 15 Rn. 48; Lund, S. 272; wohl auch BGHSt 26, 201 (203); zum unmittelbaren Ansetzen zu mehraktigen Delikten allgemein: Jescheck / Weigend, S. 520; Kühl, § 15 Rn. 48; Meyer, D., JuS 1977, 19 (22); wohl auch Stree, Peters-FS, 179 (186 f.); differenzierend NK-Zaczyk, § 22 Rn. 52. 3 RGSt 62, 422 (424); Meyer, M.-K., GA 2002, 367 (369); differenzierend LK-Vogler, 10. Aufl., § 22 Rn. 52, 84. 4 Schönke / Schroeder-Eser, § 249 Rn. 10; Satzer / Schmitt / Widmaier-Kudlich, § 249 Rn. 21; LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 126; SK-Samson, Stand September 1986, § 249 Rn. 28; Küper, JZ 1992, 338 (347 Fn. 60); NK-Kindhäuser, § 249 Rn. 28; wohl auch LK-Vogel, § 249 Rn. 58.
3. Teil: Schluss
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als dieselbe Tat betrachtet wurde oder der Täter die Tat erst nach Rechtskraft der Entscheidung vollendet. Bei der Verfolgung der Wegnahmehandlung ist dann zu fragen, ob Strafklageverbrauch nicht allein hinsichtlich der Körperverletzung, Bedrohung oder Nötigung eingetreten ist, sondern dieser auch die Raubstrafbarkeit erfasst. Ebenso ist eher möglich, dass allein die Nötigungshandlung objektiv gerechtfertigt ist, die Wegnahme jedoch nicht. Lässt man schon die Kenntnis der rechtfertigenden Umstände oder eine untergeordnete Abwehrmotivation genügen, oder verzichtet gar gänzlich auf ein subjektives Rechtfertigungselement, so kann das Unrecht der Nötigungshandlung auch dann kompensiert sein, wenn der Täter mit ihrer Vornahme hauptsächlich die Ermöglichung der Wegnahme bezweckt. In beiden Fällen entfällt damit das Unrecht der Nötigungshandlung, sei es bereits abgegolten, sei es kompensiert. Es wäre daher zu überprüfen, ob die reine Zweckbestimmung zur Ermöglichung der Wegnahme und ihre spätere Vornahme vollumfänglich Raubunrecht begründen. Im Hinblick auf den Strafgrund des Raubes wäre dies wohl zu bejahen. Die Unrechtssteigerung gegenüber dem verbleibenden Diebstahl läge dann jedoch allein in der Absicht des Täters, er würde allein seiner Gesinnung wegen bestraft.
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Sachwortverzeichnis Absichtsbegriff 44 actio libera in causa 98 Allgemeines Landrecht 51 ff., 113, 138
– gegen eine Person 18 f.
Bande 39 Besitzschutzrechte 111 ff. Betrug 80 f., 127, 141, 146
Kausalität
Crimen vis 44, 50, 61
– in § 177 StGB 19 ff. Gewalttätigkeit 46 f.
– abstrakte Erfolgsbestimmung 92, 96 f. – Condicio-sine-qua-non-Formel 84 ff. – Formel der gesetzmäßigen Bedingung 85
Drittbereicherungsabsicht 36, 59 f. Drittzueignungsabsicht 36, 67 f., 81 Drohung 26 ff. – mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben 28 ff. – unter Anwendung von ~en 48 f.
– hypothetische ~ 89 f., 94 ff.
Erpressung 16, 107, 116 – räuberische siehe räuberische Erpressung
Nötigung 21ff., 30, 38, 57 ff., 79, 113 f., 127, 132
Finalzusammenhang 43 ff. – Begriff 44 f., 103 – Gehalt 72 ff. Gefahr 28 – gegenwärtige 28 – Lebens~ 29 – Leibes~ 29 ff. Gemeinschaftlichkeit 39 Gewalt 16 ff., 46 f. – Absichtselement 46 ff. – einfacher ~begriff 17 f., 132 – einheitlicher ~begriff 16 f.
– konkretisierte Äquivalenztheorie 73 f., 90 ff., 95 – psychische ~ 87 ff., 97 ff., 141 Kausalzusammenhang 75 ff. Konkurrenzen 117 ff.
– Absichtserfordernis 57 ff. – in einem besonders schweren Fall 21 ff. – ~ Dritter 143 f. – sexuelle siehe ~sexuelle Nötigung Preußische Gesetzesrevision 52 ff., 138 f. Preußisches Strafgesetzbuch 135, 138 f.
54, 107 f.,
Qualifikationstatbestände 38 ff. Raub – Gesetzgebungsgeschichte 81 f., 135 ff. – Kriminologie 40 f.
50 ff., 71,
168
Sachwortverzeichnis
– Qualifikationstatbestände 38 ff.
Sexuelle Nötigung 40, 59 ff., 114, 127
– Schutzgut 35
– Kriminologie 40 f.
– Strafgrund 44, 69 f., 76, 80, 111, 121 f., 150
– Nötigungsmittel 19 ff., 28 ff.
– Tatbild 122 f., 145
– Schutzgut 35, 60, 131
Räuberische Erpressung 59 f., 79 f., 127, 137 ff., 146
– Strafgrund 60 f.
– Gesetzgebungsgeschichte 138 f.
Simultaneitätsprinzip 49
77 f., 107 f.,
– Nötigungsmittel 16, 18 – Qualifikationstatbestände 38 ff. – Schutzgut 35, 139 f. Räuberischer Diebstahl 55 f., 61 ff., 108, 127, 136 f., 145 – Besitzerhaltungsabsicht 136, 145 f.
55 f., 66 ff.,
– Gesetzgebungsgeschichte 55 f., 67 – Strafgrund 66 ff., 136 – Tatfrischemerkmal 108 ff. – Unrechtsdefizit zum Raub 63 ff. – Verwandtschaft zum Raub 62 f.
– Qualifikationstatbestände 38 ff.
– Verhältnis zu § 240 StGB 21 ff., Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund 54, 66, 107 f., 135 Strafklageverbrauch 152 f. Unmittelbarkeit 103, 125 ff., 145 ff. Versuch 78, 81, 93 f., 97 f., 99, 100, 103 f., 121 f., 127, 133, 143, 152 Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft – Dritter 143 f. – Institutionalisierte ~ 141 ff. – Schwächung der ~ 134 ff. Vis haud ingrata 19 f., 22
Räumlicher und zeitlicher Zusammenhang 102 ff.
Wegnahme 50 ff., 63 ff., 129 ff.
Rechtfertigungsgründe 111 ff., 115 ff.
Zueignungsabsicht 45, 50 ff., 66 ff., 71 f.