257 8 5MB
German Pages 45 Year 1972
DES BUNDESINSTITUTS FÜR OSTWISSENSCHAFTLICHE U N D INTERNATIONALE STUDIEN DIE KONTAKTAUFNAmiE
BONW-PEKINS
Erik von
IN
Sye
INTERNATIONALEN
eling
K.ULN LINDENBORNSTRASSE 22
KRAFTESPIEL
INHALT
Seite
Teil I I.
Überlegungen zum chinesischen Standort
.......
2
II.
Der deutsche Standort
10
III.
Zu den Gesprächen Dr. Gerhard Schröders in Peking
13
IV.
Das Verhalten der Regierungskoalition
l8
Teil II Das Antwortverhalten der sozialistischen Staaten Europas.....
22 23 28 30 32 33 34 35 3&
Anmerkungen und Quellenhinweise.
39
- September 1972 -
Die Meinungen, die in den vom BUNDESINSTITUT F Ü R O S T WISSENSCHAFTLICHE U N D INTERNATIONALE STUDD3N herausgegebenen Berichten geäußert werden, geben ausschließlich die Auffassung des Autors wieder. Abdruck - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe und vorheriger Genehmigung des Bundesinstituts gestattet.
Einleitende Bemerkungen
Die Reise Dr. Gerhard Schröders nach Peking und die dort geführten Gespräche mit den Planem der chinesischen Außenpolitik haben in der Bundesrepublik Deutschland eine Diskussion wiederbelebt, die insbesondere seit Entstehung der sozialliberalen Regierungskoalition und dem Anlaufen ihrer Ostpolitik verstummt war: Die Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur VR China. Seit Bekanntwerden der chinesischen Einladung an Schröder ist diese Thematik (nicht nur in der Bundesrepublik) intensiv diskutiert worden und gelangte, noch bevor Schröder seine Reise als "überparteilich" bezeichnete, in den Bereich der bereits von allen Parteien geführten Wahlkampfvorbereitungen.
Es wird daher in der vorliegenden Untersuchung um eine Reihe von Themenkomplexen gehen: Da ist zunächst die Frage nach dem internationalen politischen Rahmen, in dem sich die Anbahnung von Beziehungen zwischen Bonn und Peking abspielt. Im Kapitel 1 des ersten Teils wird daher das Gewicht auf die Politik und die außenpolitischen Zielvorstellungen der VR China gelegt, wohingegen im Kapitel 2 der deutsche Standort beschrieben werden soll. Kapitel 3 und 4 behandeln Schröders Gespräche, ihre Ergebnisse und die dadurch ausgelöste Diskussion in der Bundesrepublik sowie den Fortgang der Überlegungen zur Aufnahme von direkten Verhandlungen.
Im Teil II dieser Studie wird das Antwortverhalten der Partei- und Staatsführungen der sozialistischen Staatengemeinschaft untersucht. Im Mittelpunkt des Interesses steht bei allem aber doch die Frage nach den internationalen Zusammenhängen. Es soll am Beispiel der Reise Gerhard Schröders gezeigt werden, in welchem Umfang (bewirkt durch die mannigfachen Interdependenzen in der internationalen Politik) diese Pekinger Gespräche auf die deutsche und die internationale Politik gewirkt haben.
- 2 -
I. Überlegungen zum chinesischen Standort
Seit dem Ende der Kulturrevolution in China (1966 - 1969) hat die chinesische Führung außenpolitisch einen relativ undogmatisch-pragmatischen Kurs verfolgt. Sie wurde in allen Teilen der Welt wieder politisch aktiv und ließ dabei ein Verhalten erkennen, das fast überall auf Wohlwollen und Kontaktbereitschaft stieß, weil China seiner brüskierend radikalen Außenpolitik der külturrevolutionären Jahre damit deutlich den Rücken kehrte. Erstmals geigten die Chinesen auch echte Gesprächsbereitschaft gegenüber den Vereinigten Staaten, wohingegen man einen Ausgleich mit der UdSSR bislang nicht als erwägenswerte Alternative (oder Ergänzung) anzusehen scheint. Chinas "Rückkehr zur traditionellen Diplomatie"
ist sicherlich u.a. darauf zurückzufüh-
ren, daß der isolationistische Kurs früherer Jahre zahlreiche außenpolitische Rückschläge zur Folge hatte. Darüber hinaus wird man auch Glaubitz anstimmen müssen, der die Ansicht vertrat, daß Isolation, wie immer sie innenpolitisch motiviert sein mag, gerade für ein solches Land keinen Dauerzustand abgeben kann, das in seiner Ideologie 2 die Forderung auf Umgestaltung der Welt erhoben hat.
Als sich die chinesische Regierung dazu entschloß, unterbrochene Beziehungen wiederherzustellen und neue Verbindungen anzuknüpfen, ließ sie sich offenbar von folgenden Überlegungen leiteng
1. Unter Berücksichtigung langfristiger chinesischer Ziele begann Peking, sich intensiv um einen Platz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu bemühen. Auf der einen Seite wollte man damit einen Durchbruch auf dem Wege zu der angestrebten Isolierung der Republik China auf Taiwan erzielen, zum anderen wünschte Peking einen solchen Sitz, um in Zukunft auch in New York als Wortführer der Staaten der "Dritten Welt" auftreten zu können^
2. Der im Jahre 1968 erfolgte Einmarsch der Warschauer Pakt-Streitkräfte (der UdSSR, Polens, der DDR, Ungarns und Bulgariens) in die CSSR und insbesondere die in diesem Zusammenhang formulierte (Breshnew-)Doktrin von der begrenzten Souveränität sozialistischer
- 3 -
Länder
stellten für China eine Bedrohung dar^ Dies gilt auch künftig,
obgleich es die Bündnispartner der Sowjetunion bisher abgelehnt haben, öffentlich dem sowjetischen Wunsch zu entsprechen und zu erklären, daß sie gewillt seien, das Bündnis im Konfliktsfall gemeinsam gegen die VR China anzuwenden.
3. Der dritte Grund für die neuen außenpolitischen Initiativen ergibt sieh einerseits aus dem fortgesetzten Streben der Sowjetführung nach Einberufung einer gegen die VR China gerichteten Sicherheitskonferenz der asiatischen Staaten^ andererseits aus den Konsequenzen, die man in Peking aus der praktischen Anwendung des sowjetisch-indischen Vertrags vom August 1971 ziehen mußte?
Dieser Vertrag war im Frühwintef 1971 von der indischen Regierung (mit sowjetischer Rückendeckung) zum Angriff auf Ostpakistan, zur Zerschlagung der pakistanischen Streitkräfte im Ostteil des Landes und zur Schaffung des neuen Staates Bangla Desh genutzt worden. Während die Inder militärisch und politisch eine Neuordnung des Subkontinents erzwangen, blockierten die Sowjets alle Initiativen von Drittländern (z„B. seitens der USA oder der VR China) und Vorschläge der UNO zur Einstellung der Kriegshandlungen. China und die USA, obgleich in der UNO vereint unter den Abstimmungssiegem, erlitten im indisch-pakistanischen Krieg faktisch eine machtpolitische Niederlage.
6
Es zeigte sich überdies, daß das sowjetisch-indische Vertragswerk für die Sowjetführung mehr ist als nur ein bilaterales Abkommen unter vielen anderen. Es ist ein Modellvertrag. Breshnew bemüht sich bekanntlich seit Jahren um die Zustimmung asiatischer Regierungen zu seinem Projekt eines kollektiven Sicherheitssystems für Asien. Sowjetisches Anliegen ist dabei erstens die Verdrängung amerikanischen Potentials aus dem pazifischen Raum, zweitens die Eindämmung möglicher chinesischer Einflußpolitik und drittens die Ausdehnung des sowjetischen Mitspracherechts auf alle bedeutsamen Fragen, die Asien betreffen. Mit penetranter Beharrlichkeit wird von sowjetischer Seite immer wieder betont, daß zwei Drittel sowjetischen Territoriums in Asien liegen. Bisher sind jedoch alle sowjetischen Bemühungen um ein solches Sicherheitssystem im Sande verlaufen.
-4-
Mit ihrer Haltung vor und während des indisch-pakistanischen Kriegs hat die Sowjetführung nunmehr klar zu erkennen gegeben, daß sie zunächst auch bereit sei, alternativ bilaterale Verträge mit asiatischen Staaten abzuschließen* Die Wirksamkeit eines solchen Vertragswerks wurde möglichen Partnerstaaten spätestens im Dezember 1971 vor Augen geführt. Schließlich gaben Sowjets und Inder den Chinesen in konzertierter Aktion zu verstehen, daß eine chinesische Einflußpolitik mit Stoßrichtung Südasien keinerlei Chancen haben würde. Daraus aber müßte Peking folgern,daß Moskau für den Fall eines allmählichen Rückzugs der Amerikaner aus dem Pazifischen Raum bestrebt ist, deren bisherige Rolle als einflußreiche "Ordnungsmacht" in wichtigen Teilbereichen zu übernehmen.
Schon bei Ende des indisch-pakistanischen Kriegs war deshalb die Prognose möglich, daß die amerikanische Politik eines Rückzugs unter neuen Bedingungen von neuem durchdacht werden würde. Auch die chinesische Führung müßte Überlegungen darüber anstellen, ob ein beschleunigter amerikanischer Abzug im Interesse Chinas läge oder nicht. So schrieb der Verfasser im Dezember 1971, daß die amerikanische Regierung den Abbau ihres militärischen und politischen Engagements in Asien möglicherweise hinausschieben werde, um Moskau die Möglichkeit zu verbauen, das asiatische Kräfteverhältnis zu seinen Gunsten zu verschieben^ Es könne sogar sein, daß Washington dies mit Pekings stillschweigendem Einverständnis zu tun vermag^
Dafür, daß diese These seinerzeit nicht aus der Luft gegriffen war, gibt es heute einen konkreten Anhaltspunkt, Die Fraktionsvorsitzenden der beiden amerikanischen Parteien im Repräsentantenhaus, Boggs und Ford, erklärten nach ihrer Rückkehr von Gesprächen mit der chinesischen Regierung in Peking, man habe ihnen deutlich zu verstehen gegeben, daß China keineswegs einen totalen amerikanischen Rückzug aus dem pazifischen Raum oder anderen Teilen der Welt wünsche. Eine amerikanische Präsenz diene heute und auch künftig der Stabilität. Wenngleich diese ungeschickte Indiskretion Ministerpräsident Chou En-lai zu einem Dementi nötigte, so läßt sich ni&ht abstreiten, daß die von Boggs und Ford überlieferte Ansicht der Chinesen den Reali-
- 5-
täten des sowjetischen Einflußstrebens in Asien und der chinesischen
9
Schwäche, ihm machtpolitisch zu begegnen, Rechnung trägt.
Es läßt sich folglich #chon jetzt sagen, daß die während der zweiten Hälfte der sechziger Jahre stagnierende Politik asiatischer Staaten nicht etwa durch die Ankündigung der Nixon-Reise nach Peking in Fluß geriet, sondern bereits erheblich früher: Während sich auf der einen Seite die Sowjetführung bemühte, über den Vorschlag zur Schaffung eines kollektiven Sicherheitssystems für Asien (Juni 1969) Einfluß zu gewinnen, wurde die Guam-Dotrin bereits in Nixons Regierungserklärung von Anfang 1969 angedeutet. Auf Grund außenpolitische?* Kursänderungen der beiden Weltmächte USA und UdSSR zeichnete sich für die VR China eine neue außenpolitische Konstellation ab, auf die man sich einzustellen hatte. Die Gesprächsbereitschaft der Chinesen gegenüber den Amerikanern war daher folgerichtig. Im Sicherheitsdenken der Chinesen war die "amerikanische Gefahr" (trotz des fortdauernden Vietnamkriegs) im Abnehmen begriffen, während sich andererseits Moskau anschickte, seinen Einfluß auch auf jenen Raum auszudehnen, in dem China langfristig zunehmenden Einfluß auszuüben wünscht.
Vor dem Hintergrund dieser Vorgänge kommt auch einzelnen bilateralen Beziehungen eine große Bedeutung zu. Dies betrifft u.a. das sowjetischindische Verhältnis, von dem schon die Rede war; langfristig wichtiger ist aber die Entwicklung des chinesisch-japanischen und des japanischsowjetischen Verhältnisses. Hatte man bis Anfang 1972 berechtigterweise den Eindruck, als gingen alle Initiativen zur Normalisierung der chinesisch-japanischen Beziehungen von Tokio aus, so hat sich dies im Laufe der letzten Monate geändert. Es hat heute vielmehr den Anschein, als dränge Peking nun auf Verhandlungen. Zwar hat der Machtwechsel von Ministerpräsident Sato zu Tanaka im Juli 1972 den Weg für unbefangenere Gespräche auf höchster Ebene freigemacht, doch haben die sowjetisch-japanischen Gespräche über einen Friedensvertrag und über sowjetisch-japanische Kooperation (unter Einschluß amerikanischer Firmen) bei der Erschließung des sibirischen Raums bereits Fortschritte gemacht, was in Peking sicherlich mit Unbehagen zur Kenntnis genommen wurde. Die chinesische Führung drängt daher seit
-6-
eineinhalb Monaten auf das Zustandekommen von Gesprächen mit Tanaka, von dem man erheblich mehr Konzessionsbereitschaft gegenüber chinesichen Vorleistungswünscbm und überdies auch ein schnelleres Verhandlungstempo erwartet.
Peking erwartet von diesen Verhandlungen, von der Aufnahme diplomatischer Beziehungen einmal abgesehen, fünf konkrete Ergebnisse; Erstens die von Chou En-lai geforderte Isolierung der Republik China, der mit der Aufkündigung der japanisch-taiwanesischen Beziehungen ein entscheidender Schlag zugefügt werden soll. Zweitens liegt Peking daran, das japanisch-sowjetische Verhältnis zu stören und drittens dafür zu sorgen, daß sich das japanisch-amerikanische Verhältnis weiter abkühlt. Viertens wird es darum gehen, in Japan liberal-sozialistische Kräfte zu stützen, um den militanten rechtsorientierten Kräften in Japan entgegenzuwirken. Fünftens liegt Peking daran, die japanische Politik stärker als bisher zu beeinflussen, damit auf die wirtschaftliche Expansion der Japaner in Asien nicht eine politische folgt.
4* Der vierte Aspekt führt zunächst aus dem asiatischen Raum nach Europas China fühlt sich überall direkt betroffen, wo es um Abrüstungs- und Entspannungsfragen sowie um das Zustandekommen der von den Sowjets geforderten Sicherheitskonferenzen geht. Aus aktuellem Anlaß blickt Peking mit besonderem Argwohn auf die Vorbereitungen für die "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (hinfortsKSZE). Dies bedeutet nicht (wie die sowjetische Presse beständig glauben machen möchte), daß Peking an einer Veränderung des Status quo interessiert wäre. Im Gegenteil, die Chinesen wünschen aus eigenen Interessen eine möglichst rasche und möglichst gründliehe Entspannung, d.h. die Konsolidierung des Status quo^ Der Unterschied zwischen der sowjetischen und der chinesischen Auffassung liegt vielmehr darin, daß Peking zu der Überzeugung gelangt ist, die Sowjetunion strebe im Hinblick auf Asien erst noch gewisse Veränderungen an, die sie sodann, nach Erreichung ihrer Ziele, zum "Status quo" erklären und verteidigen wolle. Als Beweis für die Richtigkeit ihrer These führen die Chinesen die Teilung Pakistans durch Indien und die UdSSR an.
Das heißt aber, daß es den Chinesen in erster Linie um ihre eigene Sicherheit und nationale Integrität geht, Peking befürchtet anscheinend langfristig Konsequenzen für Asien im allgemeinen und für die VR China im besonderen, wenn es zu .?mw kollektiven Sicherheitssystem in Europa und zu einer etwaigen einseitigen Abrüstung der Amerikaner käme.
In diesem Sinne argumentierten die Chinesen auch gegenüber Boggs und Ford und ließen durchblicken, daß die HdSS,{ bei weiteren amerikanischen Abrüstungsanstrengungen "zur mächtigsten Supermacht" werden könnte. Aus dieser Argumentation ergibt sich, daß die chinesische Führung meint, Moskau könne als Ergebnis der KSZE eine Chance erhalten, sowjetische Truppen, die heute noch an den '.estgrenzen des Sowjetblocks gebunden sind, an die chinesische Grenze zu verlegen.
Hier scheint sich der Kreis zunächst zu schließen: Die chinesische Führung befürchtet wegen des permanent gespannten Verhältnisses zur UdSSR, die Sowjetführung wolle erstens die cninesische Einflußpolitik in Asien (z.B. mit Verbündeten ine .sndien)^ eindämmen, zweitens freie Hand gegen China als Ergebnis gesamteuropäischer Entspannung gewinnen, drittens die USA zu stärkerer Abrüstung ermuntern,um schließlich viertens jenen Vorwand ^u finden, der nötig wäre, um die Breshnew-Doktrin gegen die V^ China :.,ur .juvendung zu bringen,
sVenngleich dieses chinesische Bild von f-er sowjetischen Strategie und Taktik bislang nur hypothetischen Charakter besitzt, so bieten doch Chinas historische Erfahrungen nit der Politik sowjetischer Führungsgruppen, wie auch Moskaus aktuelle Politik genügend Anhaltspunkte für die Annahme, daß aus diesen Konjekturen zu gegebener Zeit bittere Realitäten werden könnten. Daher ist Chinas Interesse an globaler Entspannung (das sich mit einem ganz ähnlich gelagerten Interesse der USA deckt) folgerichtig, Die Bewahrung des Status quo würde Veränderungen des Besitzstandes nur noch schrittweise und im Gleichschritt mit anderen Kräften oder Kräftegruppierungen ermöglichen. Dies aber böte China einen Vorteil. Kräftemäßig ist die ;t China heute noch weit davon entfernt, ein emstzunehmender rdva^e
der beiden Weltmächte zu sein, es kann also nicht selbständig verändern. Wollten aber andere das Kräfteverhältnis verschieben, so böten sich China viele Möglichkeit, seinen Einfluß geltend zu machen, weil sich die USA und die UdSSR normalerweise gegenseitig ausbalancieren.
Abgesehen davon, daß China generell auch weiterhin bestrebt ist, das Gewicht des Sowjetblocks durch Aufsplitterungsversuche zu reduzieren, so hat seit einiger Zeit ein anderer Gesichtspunkt die chinesischen Prioritäten verschoben, Peking hat offenbar erkannt, daß es Moskau gelungen ist, die osteuropäischen Parteiführungen auf einen einheitlichen außenpolitischen Kurs festzulegen, mindestens insoweit als deren Deutschland- und EWG-Pelitik betroffen ist sowie die Frage der KSZE. Daß Moskau dies gelang, mag zwar für die Chinesen enttäuschend gewesen sein. Es spricht andererseits für die Flexibilität der Politik Chou En-lais, daß sich die Chinesen rasch auf die neue Priorität Westeuropas einstellten,
Peking hatte zunächst versucht, den Vertrag zwischen Bonn und Moskau sowie das Viermächteabkommen über Berlin als Verrat an der DDR zu brandmarken, um mögliche Gegensätze zwischen Ostberlin und Moskau zu vertiefen, Da sich die SED aber nicht gegen Moskaus Druck behaupten konnte, gab Peking es auf, in dieser Richtung weiterzuoperieren. Man wandte sich verstärkt den Staaten Westeuropas, der EWG und schließlich auch Bonn zu. In der außenpolitischen Konzeption Pekings kommt diesem Raum deshalb besondere Bedeutung zu, weil die Chinesen meinen, daß ein über die EWG vereinigtes Westeuropa ein starkes Gegengewicht sowohl gegenüber der UdSSR wie auch gegenüber den USA bilden könnte Dabei hat es den Anschein, als sehe Peking in der Hundesrepublik einen Faktor, der die fortschreitende Einigung Europas forcieren könnte, stärker jedenfalls als Frankreich,
Darüber hinaus hat die VR China aber auch wirtschaftliches Interesse an der EWG im allgemeinen und an der BRD im besonderen
Da ist zu-
nächst das Bestreben, mit Hilfe der hochentwickelten Industrie una Technik den eigenen Aufbau zu beschleunigen. Dies bedeutet nicht, daß die Chinesen von ihrer Devise, es aus eigener Kraft schaffen -u
- 9-
wollen, abgegangen wären. Es bedeutet lediglich, stärker als bisher die Möglichkeiten internationaler Kooperation zu eigenem Nutzen einzusetzen. Für die Chinesen wäre daher ein Abkommen mit der EWG von großem Wert.
Andererseits wird man aber ein eher politisch motiviertes Interesse an der EWG nicht übersehen dürfen: Japan, schon heute stärkster Handelspartner der VR China, scheint bestrebt, den japanisch-chinesischen Handel nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Peking beträchtlich ausweiten zu wollen. Die Erwartung, von den Bedürfnissen wie von der Aufnahmefähigkeit des gigantischen chinesischen Marktes (700 Millionen Verbraucher) profitieren zu können, scheint einer der wesentlichsten Gründe dafür gewesen zu sein, daß die japanische Industrie-Lobby schon seit Jahren einer Normalisierung der japanischchinesischen Beziehungen das Wort redete. Es ist jedoch gerade diese handelspolitische Entwicklung, von der Peking befürchten könnte, daß sie sich langfristig in einem Abhängigkeitsverhältnis niederschlagen werde. Es wird ein wichtiges Anliegen der Chinesen bei kommenden Verhandlungen mit den japanischen Regierungs- und Industrievertretem sein, dies zu vermeiden. In der Praxis muß Peking aber schon heute an Alternativen und an eine Ausbalancierung in seinen Außenwirtschaftsbeziehungen denken. Als Alternativen bieten sich hier die EWG im allgemeinen und die BRD im besonderen an.
Vor dem Hintergrund dieser weltpolitischen Konstellationen und der darin eingebetteten chinesischen außen- und sicherheitspolitischen Konzeption wird man Schritte in Richtung auf die Herstellung von Beziehungen zwischen Bonn und Peking sehen müssen.
Bisher war jedoch insbesondere von den Zielen, Interessen und Erwartungen der chinesischen Führung die Rede. Um dieses Bild zu vervollständigen, soll im Folgenden der deutsche Standort geschildert werden.
-lu-
ll, Der deutsche Standort
Während chinesische Vorstellungen und Ziele relativ eindeutig umrissen werden können, wird man bei dem Versuch, die deutschen Überlegungen zu analysieren, zwischen Regierung und Opposition unterscheiden müssen
Die sozialliberale Koalition hat in ihrer Regierungserklärung davon gesprochen, daß sie an freundschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten interessiert sei. Sie hat aber auch ganz klar zu erkennen gegeben, daß sie - gestützt auf die feste Verankerung in der EWG und dem NATO-Bündnis - ihrer Ostpolitik ganz eindeutig Präferenz gegenüber neuen außenpolitischen Initiativen einräumen würde, Dies galt mit Sicherheit für eine etwaige deutsche China-Politik, Angesichts des sowjetisch-chinesischen Konflikts lag der SPD/FDP-Koalition
daran, alles zu unterlas-
sen, was bei den osteuropäischen Gesprächspartnern die Ostpolitik Bonns hätte diskreditieren können? Deutsche Schritte zur Normalisierung des deutsch-chinesischen Verhältnisses hätten möglicherweise als Vorwand herhalten müssen, um der sozialliberalen Koalition eine Einkreisungsabsicht zu unterstellen. Mag man sich in Peking angesichts derartiger Rücksichtnahme auch brüskiert gefühlt haben, so konnten die Pianer der chinesischen Außenpolitik vorerst nichts anderes unternehmen, als aen Fortgang der ostpolitischen Operationen Bonns zu beobachten und den Präferenzkatalog der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.
Nach der Ratifizierung der Ostverträge durch den Deutschen Bundestag dürfte Peking allerdings mit einer deutschen Initiative gerechne? haben. Als diese ausblieb, erging die Einladung an Dr^ Gerhard Schröder (CDU), den Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses öe$ Deutschen Bundestags, der sich bereits 1964 als Befürworter der Anfnatnne diplomatischer Beziehungen zur VR China profiliert hatte.
derhard Schröder hat sich zwar damit bei den Chinesen einen ^uter, Namen gemacht, er hat sich aber auch als besonders scharfer Kritik?!* der Ostverträge zu erkennen gegeben. Es liegt daher nahe, Schröder und seiner Partei zu unterstellen, es ginge ihnen darum, eine gegen Moskau und gegen die Ostpolitik der Bundesregierung gerichtete A^se
- n-
Bonn-Peking ins Leben zu rufen t, Eine svdd;-e argumentativ': ents^i : t durchaus einer heute üblichen (wennglercii simplifizi,erenti leichtfertigen) Einstufung bestiamrter Politiker r.zw. Parteien in "pseude-pol^tologische Kategorien, die dann g-enab manhait zur Bewertung aller Aussagen oder praktischen Schritte von .mzel'iersoren oder Gruppen verwendet %verden, ' So leicht wollen
.r t^i . ns d,,er rn. *.r nicht ma-
chen?
oberstes Ziel deutscher Außenpolitik ist die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und die dahrung ihrer Interessen im Ausland, Daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur VR China im Interesse der Bundesrepublik liegt, ist bisher von niemandem schlüssig bestritten worden, Anders verhält es sich da mit Rem Sicherheitsaspekt.
Die Vorstellung, daß die VR China für die rdmdesrepnblik eine Art von Partnerrolle als Gegengewicht gegen &3e UdSS;i spielen könnte,, ist aus vielerlei Gründen unrealistisch, der mit dem dedanken kokettiert, daß sich die VR China auf Veranlassung Bonns sozusagen beliebig zu einer gegen die Russen gerichteten Aktion bewegen iieße^ kennt die Realität nicht, Tatsache ist, daß die Bundesrepublik als militärisch vollintegriertes NATO-Mitglied nicht absolut selbständig handeln kann und daß sie für Alleingänge auch nicht das nötige n.: Titanische oder politische Gewicht hättes Umgekehrt betrachtet hat Peking sehr konkrete Vorstellungen von dem, was hinsichtlich: der -ewjetunion militdristh möglich ist. Für das sowjetische Militärpotential stellt Ch-na. neuie und auch in absehbarer Zukunft keinerlei f:edredung dar- d m ün^%*%K.udieroares Risiko wird China folglich nicht einzugenen bereit sein^
** lo":.;***
sich folglich nichts solchen Lberlegunsren - wenngleich sie **oa* ,—----weise auch in der Bundesrepublik an Stammtischen angestellt worden sind - weiter nachzugehen.
Anders verhält es sich jedoch, wenn man den Tatbestand der ^cwiftisch-chinesischen Feindschaft im Sinne der SicherheitspoditiK de' Bundesrepublik sachlich in Rechnung stellt, ^ddieflich han^d:!; --. sich hier voraussichtlich um einen v.'ejt*^ '* ^-^.-i
-.-