Die Kirche der Jünger Christi (Disciples): Progressiver amerikanischer Protestantismus in Geschichte und Gegenwart 9783110831047, 9783771501808


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German Pages 261 [264] Year 1977

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Table of contents :
Vorwort
Kapitel I. Wer sind die Jünger Christi (Disciples)?
I. Ihre kurze Geschichte
A. Schöpferischer Beginn: 1804-1866
B. Scholastische Periode: 1866-1917
C. Pragmatischer Liberalismus: 1917-1957
D. Wiederentdeckung der Autorität und Empörung gegen jedwede Autorität: 1957-1972
II. Das Wesender Kirche der Jünger Christi
A. Die alte Kirche
B. Die Reformation
C. Der britische Puritanismus
D. Die Aufklärung
E. Die Romantik
Kapitel II. Die Rolle der Theologie in der Kirche der Jünger Christi
A. Die Zeit der Gründer
B. Die Zeit der Jünger-Scholastik
C. Liberaler Neubeginn
D. Neoorthodoxie und Erneuerung der Theologie
Kapitel III
Gottesdienstliches Leben in der Kirche der Jünger Christi
I. Das Wesen des Gottesdienstes in der Kirche der Jünger Christi
II. Beschreibung eines typischen Jünger-Gottesdienstes
Kapitel IV
Kapitel IV. Die Struktur der Kirche der Jünger Christi in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
I. Die Zeit der Entwicklung der Kirchenverfassung der Jünger Christi
II. Die Frage der Kirchenverfassung in der ,, Christlichen Bewegung“ vor 1832
III. Die Kirchenverfassung der Bewegung der Jünger Christi vor 1832
IV. Die Kirchenverfassung in der vereinigten Bewegung bis zum Jahre 1849
V. Die Verfassung der Kirchen der Jünger Christi bis zum Jahre 1917
VI. Die Umstrukturierung der Kirchen der Jünger Christi
VII. Aus den Erfahrungen der Jünger abgeleitete allgemeine Prinzipien
Kapitel V. Die Ortsgemeinde - Seelsorge und missionarische Verkündigung
Kapitel VI. Die Ortsgemeinde - Predigt und Gemeindedienst
I. Die Predigt
II. Sonstige Kommunikationsverfahren
Kapitel VII. Die Ortsgemeinde - Sozialpolitisches Engagement
I. Der Glaube der Gemeinde und ihr soziales Engagement
II. Strategien des sozialen Handelns
III. Organisatorische Maßnahmen zur Durchführung sozialer Aktionen
IV. Sozialtätigkeit der Gemeinde und der allgemeinen Kircheninstanzen
1. Aktionen der Generalversammlung
2. Die Arbeit der Friedensgemeinschaft der Jünger
3. Das nationale Versöhnungsprogramm
4. Die Arbeit ökumenischer Körperschaften
V. Beispiele ortsgemeindlicher Sozialaktionen
Kapitel VIII. Die Kirche der Jünger Christi und das höhere Bildungswesen
Kapitel IX. Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Ubersee
Kapitel X. Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen Bewegung
I. Ökumenische Ursprünge
II. Zusammenarbeit, Konziliarismus und Ökumenismus
III. Auf dem Weg zur Kirchenunion
A. Unionsversuche in den Vereinigten Staaten
1. Union der „Christen“ und, Jünger“
2. Der Philadelphia-Plan
3. Amerikanische Baptisten
4. Der Greenwicher Plan
5. United Church of Christ
6. Die Kirchenunionskonferenz
B. Laufende Unionsgespräche außerhalb der Vereinigten Staaten
1. Kongo-Kinshasa
2. Nordindien und Pakistan
3. Neuseeland
4. Jamaika
5. Kanada
6. England
7. Argentinien, Paraguay, Uruguay
8. Malawi
9. Südafrika
IV. Woher und wohin?
Kapitel XI. Das Schrifttum der Kirche der Jünger Christi
I. Allgemeine historische Darstellungen
II. Zeitschriften
III. Literaturverzeichnisse
IV. Soziologische Analysen
V. Lebensbeschreibungen
VI. Zeitschriftendes 19.Jahrhunderts
VII. Gelehrte Zeitschriften
VIII. Werke über einzelne Regionen der Kirche
IX. Interpretationen
Kapitel XIII. Statistische Überschau über die Kirche der Jünger Christi
Kapitel XIII. Ein Blick in die Zukunft der Kirche der Jünger Christi
A. Die Glaubenskrise
B. Kirchenunion
C. Parochialismus
D. Das Verhältnis zu den Minderheiten
E. Reorganisation
F. Das Verhältnis zur Kultur
G. Die Krise des geistlichen Amtes
H. Die theologische Verwirrung
J. Jünger in anderen Ländern
K. Zusammenfassung
Anhang : Die Mitarbeiter
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Die Kirche der Jünger Christi (Disciples): Progressiver amerikanischer Protestantismus in Geschichte und Gegenwart
 9783110831047, 9783771501808

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DIE KIRCHEN DER WELT

BAND XVI

DIE KIRCHE DER JÜNGER CHRISTI (DISCIPLES)

DIE KIRCHEN DER WELT BAND XVI

Herausgeber D. HANS HEINRICH HARMS D. DR. HANFRIED KRÜGER DR. GÜNTER WAGNER D. DR. HANS-HEINRICH WOLF

DIE KIRCHE DER JÜNGER CHRISTI (DISCIPLES) Progressiver amerikanischer Protestantismus in Geschichte und Gegenwart

Herausgegeben von GEORGE G. BEAZLEY D. J.

EVANGELISCHES VERLAGSWERK STUTTGART

Ubersetzung aus dem Englischen: Gerhard Raabe Redaktion und Lektorat: Walter Schmidt

I S B N 3 7715 0180 6 Erschienen 1977 im Evangelischen Verlagswerk Stuttgart © Alle Rechte, einschließlich d e m der U b e r s e t z u n g , vorbehalten Bindearbeiten: G r o ß b u c h b i n d e r e i Riethmüller, Stuttgart

INHALT

Vorwort

Kapitel I George G. Beazley d. J . Wer sind die Jünger Christi (Disciples)? I. Ihre kurze Geschichte A. Schöpferischer Beginn: 1804-1866 B. Scholastische Periode: 1866-1917 C . Pragmatischer Liberalismus: 1917-1957 D. Wiederentdeckung der Autorität und Empörung gegen jedwede Autorität: 1957-1972 II. Das Wesen der Kirche der Jünger Christi A. Die alte Kirche B. Die Reformation C . Der britische Puritanismus D. Die Aufklärung E. Die Romantik

Kapitel II Ronald E. Osborn Die Rolle der Theologie in der Kirche der Jünger Christi A. Die Zeit der Gründer B. Die Zeit der Jünger-Scholastik C. Liberaler Neubeginn D. Neoorthodoxie und Erneuerung der Theologie

Kapitel III William Barnett Blakemore Gottesdienstliches Leben in der Kirche der Jünger Christi I. Das Wesen des Gottesdienstes in der Kirche der Jünger Christi II. Beschreibungeines typischen Jünger-Gottesdienstes

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6 Kapitel IV A. Dale Fiers Die Struktur der Kirche der Jünger Christi in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft I. Die Zeit der Entwicklung der Kirchenverfassung der Jünger Christi II. Die Frage der Kirchenverfassung in der „Christlichen Bewegung" vor 1832 III. Die Kirchenverfassung der Bewegung der Jünger Christi vor 1832 IV. Die Kirchenverfassung in der vereinigten Bewegung bis zum Jahre 1849 V. Die Verfassung der Kirchen der Jünger Christi bis zum Jahre 1917 VI. Die Umstrukturierung der Kirchen der Jünger Christi VII. Aus den Erfahrungen der Jünger abgeleitete allgemeine Prinzipien

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Kapitel V Paul S. Stauffer Die Ortsgemeinde - Seelsorge und missionarische Verkündigung

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Kapitel VI William Jackson Jarman Die Ortsgemeinde-Predigt und Gemeindedienst I. Die Predigt II. Sonstige Kommunikationsverfahren

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Kapitel VII Albert M. Pennybacker Die Ortsgemeinde-Sozialpolitisches Engagement I. Der Glaube der Gemeinde und ihr soziales Engagement II. Strategien des sozialen Handelns III. Organisatorische Maßnahmen zur Durchführung sozialer Aktionen IV. Sozialtätigkeit der Gemeinde und der allgemeinen Kircheninstanzen 1. Aktionen der Generalversammlung 2. Die Arbeit der Friedensgemeinschaft der Jünger

143 144 147 149 152 153 154

7 3. Das nationale Versöhnungsprogramm 4. Die Arbeit ökumenischer Körperschaften V. Beispiele ortsgemeindlicher Sozialaktionen

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Kapitel VIII Harold E. Fey (unter Mitwirkung von William L. Miller) Die Kirche der Jünger Christi und das höhere Bildungswesen

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Kapitel IX J . Edward Moseley (unter Mitwirkung von Virgil A. Sly) Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Ubersee

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Kapitel X Paul A. Crow d. J . Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen Bewegung I. ökumenische Ursprünge II. Zusammenarbeit, Konziliarismus und Ökumenismus III. Auf dem Weg zur Kirchenunion A. Unionsversuche in den Vereinigten Staaten 1. Union der, .Christen" und, J ü n g e r " 2. Der Philadelphia-Plan 3. Amerikanische Baptisten 4. Der GreenwicherPlan 5. United Church of Christ 6. Die Kirchenunionskonferenz B. Laufende Unionsgespräche außerhalb der Vereinigten Staaten 1. Kongo-Kinshasa 2. Nordindien und Pakistan 3. Neuseeland 4. Jamaika 5. Kanada 6. England 7. Argentinien, Paraguay, Uruguay 8. Malawi 9. Südafrika IV. Woher und wohin?

183 184 191 198 198 198 199 200 201 203 204 206 206 208 208 208 209 209 210 211 211 212

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Kapitel X I Howard E. Short Das Schrifttum der Kirche der Jünger Christi I. Allgemeine historische Darstellungen II. Zeitschriften III. Literaturverzeichnisse IV. Soziologische Analysen V. Lebensbeschreibungen VI. Zeitschriftendes 19.Jahrhunderts VII. Gelehrte Zeitschriften VIII. Werke über einzelne Regionen der Kirche I X . Interpretationen

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Kapitel X I I I Howard E. Dentier Statistische Uberschau über die Kirche der Jünger Christi

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Kapitel X I I I George G. Beazley d. J . Ein Blick in die Zukunft der Kirche der Jünger Christi A. Die Glaubenskrise B. Kirchenunion C. Parochialismus D . Das Verhältnis zu den Minderheiten E. Reorganisation F. Das Verhältnis zur Kultur G . Die Krise des geistlichen Amtes H. Die theologische Verwirrung J . Jünger in anderen Ländern K. Zusammenfassung

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Anhang: Die Mitarbeiter

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9 VORWORT

Die Kirchengeschichte kennt mancherlei Varianten von Spaltung und Wiedervereinigung. Die Bewegung, die in diesem Band vorgestellt wird, suchte der Spaltung der Christenheit dadurch zu begegnen, daß sie nichts anderes sein wollte als eine Gemeinschaft der „Jünger Christi". Um das Ziel der Einheit aller Christen und der Missionierung der Welt zu erreichen, suchte sie die Freiheit der Kirche nicht nur von staatlichem Zwang, sondern auch von Klerus und Dogma zu verwirklichen. Am Neuen Testament sollten sich der Glaube des einzelnen und das gemeinsame Leben der Christen ausrichten. Tragik und Verheißung liegen in dieser Bewegung eng beieinander. Der Versuch, ,,nur" Jünger Christi zu sein, hat die Bildung einer neuen Denomination nicht verhindern können, auch Spaltungen innerhalb der Bewegung konnten nicht vermieden werden - und doch hat das Streben nach einem urchristlichen kirchlichen Ethos die führenden Kräfte dieser Gemeinschaft mit einem ökumenischen Drang ausgestattet, der sich auch zu Zeiten der Gegenströmungen in den eigenen Reihen den Bemühungen um die Einheit aller Christen nie versagen konnte, vielmehr ökumenische Anstrengungen in mannigfacher Weise unterstützt hat. Wie kaum eine andere Kirche haben die,,Disciples" die ökumenische Bewegung durch Veröffentlichungen, zwischenkirchliche Hilfe, ökumenische Institutionen und Mitarbeiter gefördert. Es ist ein faszinierender Weg und ein den Leser gefangennehmendes geistliches Ringen von dem kläglich gescheiterten Versuch der Missionsgesellschaft der „Disäples", „schriftgemäß" in Jerusalem zu beginnen (Apostelgeschichte 1,8) bis hin zur führenden Mitarbeit beim bisher größten Einigungsversuch der Kirchen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der vorliegende Band ist nicht nur die jüngste Darstellung der Kirche der Jünger Christi, sie ist die erste umfassende Selbstdarstellung dieser Kirche für den deutschen Leser. Für ihn dürfte es aufschlußreich sein zu verfolgen, wie sich eine genuine amerikanische Freikirche entwickelt hat, die nicht von Europa nach Amerika exportiert worden ist, zu deren Mitgliedern aber auch heute noch eine beträchtliche Minderheit mit deutschen Namen gehört. Darüber hinaus hat die Auseinandersetzung dieser Kirche mit dem urchristlichen Erbe, mit anderen Konfessionen und nicht zuletzt mit der eigenen Geschichte exemplarische Bedeutung. Die für die Reihe „Die Kirchen der Welt" verfaßten Originalbeiträge, die der äußerst aktive ökumenische Streiter Dr. George G. Beazley d. J. gesammelt, ζ. T. selbst geschrieben und redigiert hat, liegen bereits in einem

10 englischen Bande vor (The Christian Church (Disciples of Christ): An Interpretative Examination in the Cultural Context, edited by George G. Beazley jr., St. Louis/Mo., The Bethany Press). Für den deutschen Leser sind einige Kürzungen vorgenommen worden, besonders im ersten und letzten Kapitel. Dr. Beazley starb am 7. Oktober 1973 auf einer ökumenischen Tagung in Moskau. An seiner Stelle hat der emeritierte Herausgeber des,,Christian Board of Publication", Howard E. Short, Ph. D., LL. D., Litt. D., den deutschen Herausgeber in dankenswerterweise beraten, eine Reihe von statistischen Angaben auf den neuesten Stand gebracht und wertvolle Hinweise auf jüngste Entwicklungen beigetragen. Cambridge/Massachusetts April 1977

Günter Wagner

11 KAPITEL I WER SIND DIE JUNGER CHRISTI (DISCIPLES)?

GEORGE G . BEAZLEY D. J . *

I Ihre kurze

Geschichte

Im Unterschied zu den meisten Teilen der universalen Kirche Christi kann die Kirche der Jünger Christi (Disciples) nur auf eine verhältnismäßig kurze Geschichte zurückblicken. Sie zählt in der Tat zu den „jüngeren Kirchen", wenn sie auch nicht von einer europäischen oder nordamerikanischen Gemeinschaft in einer nichtchristlichen Umwelt errichtet wurde. Ihre geistigen Wurzeln liegen weit weniger in der Reformation als vielmehr in der Urkirche und in der Aufklärung. Dieser Tatsache sowie seiner fast ausschließlich amerikanischen Umwelt verdankt dieser Kirchenkörper einige seiner einzigartigen Charakteristika. Andere solche einzigartigen Charakteristika resultieren daraus, daß diese Kirche aus zwei Bewegungen, die die Einheit der Christenheit erstrebten, entstand. Diese Bewegungen mußten gezwungenermaßen als gesonderte Kirchen ins Dasein treten, weil die damaligen Zeitumstände derartigen Bestrebungen weit weniger günstig waren als die Jetztzeit und weil der presbyterianische Kirchenkörper, innerhalb dessen sie entstanden, sie ebenso ausschloß wie die Baptisten, denen sich die eine der beiden für siebzehn Jahre anschloß. Der ein wenig merkwürdige Name dieses Teils des Leibes Christi erklärt sich daraus, daß jede dieser beiden Bewegungen für die Einheit der Christenheit sich einen durch das Erbe des Konfessionalismus unbefleckten Namen zu geben suchte und daß die Entscheidung über einen gemeinsamen Namen im Jahre 1832, als die beiden Bewegungen sich zusammenschlossen, noch nicht gefallen war. Die Bewegung in Kentucky, die sich dann in Barton W. Stone (1772-1844) verkörperte, bezeichnete sich als christliche, wozu Stone bemerkte:,, Wir sind nicht die einzigen Christen, aber wir wolRev. Dr. George Beazley war Präsident des Rats für die Einheit der Christen der „Disciples" und Vertreter dieser Kirche im Weltrat der Kirchen. Er starb am 7. Oktober 1973.

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George G. Beazley d. J.

len nur Christen sein." Die Bewegung in Westpennsylvanien und Ohio, an deren Spitze Thomas Campbell (1763-1854), Alexander Campbell (1788-1866) und Walter Scott (1796-1861) standen, nannte sich „Jünger Christi", weil Campbell das Wort „Christen" als Anmaßung empfand. Es ist daran zu erinnern, daß jede eine Einigung der gesamten Kirche erstrebte und sich einen diesem Ziel entsprechenden Namen gab.

A. Schöpfenscher Beginn: 1804-1866 Der erste Abschnitt der Geschichte der Kirche der Jünger Christi wird als schöpferischer Beginn bezeichnet und von 1804 bis 1866 datiert. In dem erstgenannten Jahr erschien eine halb humoristische, aber durchaus ernstgemeinte Schrift mit dem Titel „Letzter Wille und Testament des Presbyteriums Springfield" {„The Last Will and Testament of the Springfield Presbytery").1 Darin lösten sechs Geistliche der presbyterianischen Kirche, die bei ihren Bemühungen um die Evangelisierung des Grenzlandes die strenge calvinistische Lehre vernachlässigt hatten und infolgedessen von ihrem Presbyterium zurechtgewiesen worden waren, das neue Presbyterium, das sie gebildet hatten, auf, sagten sich von jeglicher übergemeindlichen kirchlichen Autorität los, erklärten die Bibel für das allein notwendige Lehr- und Verfassungsbuch und gaben ihre Absicht kund, sich ohne Konfessionsbezeichnung „in den Körper Christi zu versenken". Das zuletzt genannte Jahr, 1866, ist das Todesjahr von Alexander Campbell, dem letzten der vier herausragenden Führer. Dieser Zeitabschnitt ist durch ein schöpferisches neues Amalgam gekennzeichnet, das durch drei zentrale, miteinander in schöpferischer Spannung stehende Anliegen geschaffen wurde. Ein erstes solches Element war der leidenschaftliche Wille, die erlösende Botschaft von Jesus Christus in das Missionsgebiet an der amerikanischen Siedlungsgrenze zu tragen. Zu jener Zeit waren nur fünf Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten Glieder irgendeiner christlichen Körperschaft, und an der Grenze, wo es viele der Einrichtungen einer mehr seßhaften Gesellschaft nicht gab, wurde diese Zahl wahrscheinlich noch unterschritten. Es ist daran zu erinnern, daß, während einige der Staaten an der Ostküste der USA noch Staatskirchen hatten, die ihnen aus der Kolonialzeit überkommen waren, der erste Zusatz zur amerikanischen Verfassung, der fast unmittelbar im Anschluß an die Ratifizierung der Konstitution angenommen wurde, die Trennung von Staat und Kirche bestimmte. Die westlich des Alleghenygebirges gelegenen Staaten hatten diese Trennung als wünschenswert akzeptiert, und es war dort infolgedessen dazu gekommen, daß sich eine stattliche Anzahl von Kirchen einen Wettstreit um die vielen Men-

Wer sind die Jünger Chrìsti (Disciples)?

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sehen, die keiner Kirche angehörten, lieferten. Zudem hatte die Einstellung der Gründerväter der Vereinigten Staaten, wie z. B. Benjamin Franklins (1706-1790) und Thomas Jeffersons (1743-1826), bewirkt, daß viele denkende Amerikaner zu einem gemäßigten Deismus oder Unitarismus tendierten. Der Zeitgeist begünstigte den Widerstand gegen jegliche Autorität und ließ die Menschen leidenschaftlich nach neuen Antworten auf die alten Fragen suchen. Die Erfahrungen, die die Führer der Jünger jüngst in ihren Kirchen mit der Autorität gemacht hatten, wie auch die allgemeine Geisteshaltung ihrer Umwelt machte diesen Geistlichen, die die neue Gelegenheit, für das Evangelium zu zeugen, zu benutzen gedachten, Vorschriften, die ihrer Arbeit im Wege zu stehen schienen, zuwider. Sie stellten nur eine unter den vielen ganzen oder halben Abspaltungen dar, die aus dem Verlangen nach Evangelisation der amerikanischen Siedlungsgrenze erwuchsen. Ein zweites Element in ihrer Botschaft war ihrer Bewegung eigentümlich. Es war dies der Versuch, die Einheit der miteinander wetteifernden Kirchen zustande zu bringen. Obschon dieses Element im „Letzten Willen und Testament des Presbyteriums Springfield" nicht hervortrat, beherrschte es doch die Denkweise von Barton W. Stone und seinem jüngeren Gefährten in der Bewegung, David Purviance (1766-1847). Von den sechs Unterzeichnern dieser Urkunde blieben allein diese beiden ihren Grundsätzen treu; von den anderen kehrten zwei in den Schoß der presbyterianischen Kirche zurück, während sich zwei einer chiliastischen, Eheenthaltung übenden Sekte anschlossen, die damals in Kentucky Anhänger gewann und im Volksmund,, The Shakers" („Schüttler") genannt wurde. Im Jahre 1801 hatte Stone in seiner Gemeinde Cane Ridge an einer großen Erweckungsversammlung teilgenommen, zu der 20000 Grenzer herbeigeeilt waren. Er wurde dort Zeuge der gemeinsamen Bemühungen von presbyterianischen, methodistischen und baptistischen Geistlichen, das Evangelium denen zu predigen, die Christus nicht gehorsam und nicht zu einem Teil seines Leibes geworden waren. Dieses Einheitserlebnis hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt, und er widmete sein weiteres Leben dem Bemühen um die Art von Einheit, die er damals erleben durfte, und dem Versuch, sämtliche Hürden, die sich ihrer Verwirklichung in den Weg stellten, hinwegzuräumen. Eine wahrhaft liebenswerte und liebevolle Natur, war er von einem tiefen Mitgefühl für seine Mitmenschen durchdrungen und prägte diese Eigenschaft der von ihm geführten Bewegung auf. 2 Thomas Campbell legte die Grundsätze der Bewegung in Westpennsylvanien in einer bemerkenswerten Schrift mit dem Titel „Erklärung und Denkschrift" (,,Declaration and Adress")3 dar. Als presbyterianischer Pastor an der Siedlungsgrenze eingesetzt, hatte er Presbyterianer anderer Kir-

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chengemeinschaften zum Tisch des Herrn eingeladen und war von seiner Synode deswegen gemaßregelt worden. Aus seinem Ringen mit den Problemen in einer geteilten Kirche heraus, einer Tätigkeit, die er in seiner irischen Heimat begonnen und nach seiner Einwanderung in die Vereinigten Staaten im Jahre 1807 weiterbetrieben hatte, faßte er in Form von Vorschlägen, als eine Reihe von Grundsätzen für eine neue Gesellschaft innerhalb der Kirche, die er und die ihm Nahestehenden bildeten, seine Anweisung zur Erreichung der Einheit der Christen ab. Er ging von dem Grundsatz aus, daß „die Kirche Christi auf Erden ihrem Wesen, ihrer Bestimmung und ihrer Verfassung nach eine Einheit bildet und sich aus allen denen an allen Orten zusammensetzt, die ihren Glauben an Christus und Gehorsam gegen Ihn in allen Dingen nach den Schriften bekennen und dafür durch ihre Selbstbeherrschung und ihr Verhalten zeugen und aus niemand sonst, kann doch sonst keiner wahrhaft und eigentlich für einen Christen gelten". 4 Er wies dann darauf hin, daß sich die Kirche bereits in wesentlichen Dingen einig sei und diese Einigkeit bekunden müsse, denn: „Die Spaltung unter den Christen ist ein schreckliches Übel, aus dem viele neue Übel erwachsen. Sie ist antichristlich, denn sie zernichtet die sichtbare Einheit des Leibes Christi." 5 Im weiteren führte er dann aus, wie diese verlorengegangene sichtbare Einheit wiederhergestellt werden könne. Das dritte Element, das diese Bewegungen kennzeichnete, war das Bemühen um Wiederherstellung der neutestamentlichen Kirche. Diese Wiederherstellung galt ihnen als das Mittel, mit dem die Einheit herbeizuführen sei. Der Weg zur Einheit lag in der Abwendung von den theologischen Systemen, die man konstruiert hatte und die in ihrem Wettstreit miteinander durch die Formulierung von Bekenntnissen die Spaltungen herbeigeführt hatten. Der Weg zur Einheit lag in der Ube'rwindung der auf diese Weise bewirkten Gespaltenheit und in der Rückkehr zu den einfachen Grundwahrheiten, die die Einheit der Urkirche zustande gebracht hatten und der Kirche aufs neue die Einheit zu bringen vermochten. Von diesem Neuen Testament, das allen getrennten Christen gemeinsam war, sprach Thomas Campbell, wenn er auf die „konstitutionelle Einheit" der Kirche hinwies. Das Neue Testament war für ihn im wörtlichen Sinne Gottes Wort und galt ihm als die vollkommene Kirchenverfassung. Er hielt dafür, die Kirche solle von den Christen nichts anderes fordern „als das, was im Worte Gottes unmißverständlich gelehrt und ihnen anbefohlen wird... entweder ausdrücklich oder durch allgemein anerkannte Präzedenzien". 6 Thomas Campbell glaubte daran, daß, wenn das Neue Testament dergestalt aufgefaßt werde, Gottes Absichten mit seiner Kirche und seiner Welt ohne jegliche Beimischung menschlicher Anschauungen gefunden werden könnten. Er war von dem Gefühl durchdrungen, daß der redliche Wille hierzu

Wer sind die Jünger Christi (Disciples)?

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notwendig Ergebnisse zeitigen müsse, die die verlorene Einheit der Kirche wiederherstellen würden. Thomas Campbeils Sohn, Alexander, der sich um die Zeit der Vollendung der „Erklärung und Denkschrift" in Westpennsylvanien zu ihm gesellte, übernahm dann die Aufgabe, die Gestalt dieser neutestamentlichen Kirche zu beschreiben und die Irrtümer aufzuzeigen, die sich in den existierenden Kirchen infolge ihrer Abwendung von dieser göttlichen Verfassung eingeschlichen hatten. Die Tatsache, daß er alle Kirchen als „Sekten" bezeichnete, zeugt dafür, daß er keine sehr konziliante Natur war. Ein scharfsinniger, logisch denkender, in der Lockeschen Philosophie verwurzelter Kopf und mit einer gründlichen Kenntnis der Hl. Schrift in den Ursprachen ausgestattet, schuf Alexander Campbell eine systematische Ekklesiologie und Kirchenverfassung, die zur halb offiziellen, halb inoffiziellen Lehre der Kirche der Jünger Christi wurde. 7 Halb offiziell, halb inoffiziell nennen wir sie deshalb, weil die Jünger gemäß ihrer Anschauung, daß Bekenntnisse und Bekenntnisschriften nur Spaltung bewirken, allein das Bekenntnis Jesu als Christus und Gottes Sohn zum Prüfstein der Gemeinsamkeit machten und niemanden aus „theologischen" Gründen aus der Kirche ausschließen wollten. Trotzdem wurden Alexander Campbells Anschauungen für alle „Christen" weithin kennzeichnend. Jedwede Abweichung von seinem System in der Taufpraxis und im Wesen der Kirchenverfassung hatte einen moralischen Druck zur Folge, der für gewöhnlich zum Übertritt in eine andere Kirche führte. Dennoch galt (und gilt) eine beträchtliche Variationsbreite in dem, was man gemeinhin Theologie nennt, als zulässig. Dieses Fehlen eines ausführlichen Glaubensbekenntnisses machte Experimente in stärkerem Ausmaß als in anderen Kirchen möglich, und diese Einstellung hat der Denkweise der Jünger Flexibilität verliehen und sie instand gesetzt, nach neuen, den Denkformen einer neuen Zeit stärker angepaßten Formulierungen zu suchen. Obwohl von manchen einer unerträglichen Duldsamkeit geziehen, legten die Jünger eine bemerkenswerte Schriftkenntnis an den Tag. Ihr Gehorsam gegen die Autorität des Neuen Testaments bewahrte sie davor, säkularisierenden Tendenzen anheimzufallen. In diesem ersten Zeitabschnitt war die eingehende Kenntnis der Schrift für die Laien nicht weniger kennzeichnend als für diejenigen, die die geistliche Führung dieser neuen Kirche innehatten. Während Alexander Campbell „die ursprüngliche Ordnung der Dinge" zu erforschen trachtete, untersuchte sein Freund und Amtsbruder Walter Scott die Hl. Schrift in dem Bemühen um die „Wiederherstellung" des Evangeliums. 8 Nach ihm, der sich hauptsächlich auf sein intensives Studium der Bekehrungen in der Apostelgeschichte und seine Erfahrungen als Prediger im nordöstlichen Ohio stützte, setzte sich dieses „Urevangelium"

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George G. Beazley d. J.

aus drei Dingen, die der Mensch tun müsse, und aus drei darauffolgenden Handlungen Gottes zusammen. Dies alles setzte voraus, daß Gott schon für den Menschen und für seine Erlösung in Jesus Christus in der in den Evangelien beschriebenen Weise gehandelt hatte. Vom Menschen forderte Gott Glauben (aufgefaßt als der Glaube daran, daß Jesus nach den Schriften der Christus ist), Bekenntnis und Taufe (aufgefaßt als allein die Untertauchung eines bußfertigen Gläubigen). Gott gewährte sodann Sündenvergebung, die Gabe des Heiligen Geistes und ein ewiges Leben. Da Scott ein ebenso überzeugter Anhänger der Philosophie John Lockes (1632-1704) war wie die beiden Campbeils, fußte sein gesamtes Denken auf der Lockeschen Psychologie. Scotts Vorstellung von der Kirche als einer (zum wenigsten in ihrer sichtbaren Gestalt) durch einen Sozialkontrakt miteinander verbundenen, durch ihren Glauben, ihr Bekenntnis und ihren Gehorsam gegen Christus in der Taufe erlösten Gemeinschaft von Christen war eine ekklesiologische Erscheinungsform von Lockes „Zweiter Abhandlung über die Regierung". Wie ein Fachmann der Geschichte der Jünger gern formuliert, ist John Locke für ihre klassische Theologie das, was Aristoteles für den Aquinaten ist. Da das Land an der damaligen amerikanischen Siedlungsgrenze (Kentucky, Tennessee, Ohio, Indiana, Illinois und Missouri) ein Gebiet war, in dem die Jeffersonsche politische Philosophie dominierte, und da Jeffersons Anschauungen sich auf John Locke gründeten, war die Mehrzahl seiner Bewohner in den Lehren dieses englischen Philosophen aufgewachsen, wenngleich viele von ihnen seinen Namen vielleicht nie gehört und andere keine Zeile von ihm gelesen hatten. Die klassische Jünger-Forderung nach Uberwindung der Gespaltenheit der Christenheit sagte ihnen zu. Sie erschien ihnen als natürlich und vom gesunden Menschenverstand geboten. Die Folge war, daß die Jünger sich in diesen Staaten gleich einem Präriebrand ausbreiteten. Hier, am Oberlauf des Mississippi, und in Gebieten, wo sich Ansiedler aus den genannten Staaten seßhaft machten, sind sie noch immer am zahlreichsten vertreten. Die Annahme des „wiederhergestellten" Evangeliums des Walter Scott durch Alexander Campbell bestimmte die Schriftpredigt und Soteriologie der Jünger im gleichen Maße wie Campbeils „ursprüngliche Ordnung" ihre Ekklesiologie. Alexander Campbell faßte beide in einem Band, betitelt „Das christliche System", zusammen, der, im Jahre 1835 erstmals erschienen, seine weiteste Verbreitung in der Ausgabe von 1839 erlangte. 9 Campbeils Buch stellt immer noch die beste Einführung in die klassische Denkweise der Jünger dar. Es zeigt eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit John Lockes „The Reasonableness of Christianity" („Die Vernünftigkeit des Christentums"). 1 0 Um ein umfassendes Bild von der Frühzeit der Jünger

Wer sind die Jünger Christi (Disciples)?

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zu gewinnen, sollte man jedoch neben „Das christliche System" auch die beiden oben genannten Einführungsschriften „Letzter Wille und Testament des Presbyteriums Springfield" und „Erklärung und Denkschrift" sowie die Selbstbiographie von Barton W. Stone lesen. In dem letztgenannten Buch, in dem der Autor die ersten 37 Jahre der Bewegung, zu deren Führern er zählte, schildert, tritt uns ein weniger dem Lockeschen Rationalismus mit seinem Denken in Theoremen verpflichteter als vielmehr durch den Pietismus der Zweiten Erweckung beeinflußter Geist entgegen. Dieser Band macht den Leser auch in einer Weise mit dem Leben an der amerikanischen Siedlungsgrenze bekannt, wie es nur wenige andere tun. Während dies alles vor sich ging, hatten sich die Jünger in dem Bemühen, ihre Einigungsbestrebungen in die Tat umzusetzen, im Jahre 1813 den Baptisten angeschlossen, von denen sie indessen 1830 wieder ausgeschlossen wurden. Diese Zeit im Schoß der Baptistenkirche wie auch die Ähnlichkeiten hinsichtlich des Taufalters und der Taufpraxis wie der Kirchenverfassung haben zur Folge gehabt, daß viele Außenstehende und sogar manche Jünger selbst in dieser Kirche eine Abart der baptistischen sehen wollen. Eine solche Gleichsetzung erschwert jedoch in hohem Maße das Verständnis der Jünger, die sich von den Baptisten stark unterscheiden. In mancher Weise ähneln sie mehr den Episkopalisten. Sie feiern allwöchentlich das Abendmahl und sehen in ihm den Mittelpunkt ihres Gottesdienstes. Was die Theologie angeht, so treten sie für ein breites Meinungsspektrum ein. In der Urkirche suchen sie Anweisungen für Glauben und Kirchenverfassung. In seiner Theologie war ihr System der klassischen Zeit in starkem Ausmaß reformiert, wenngleich es in seiner Auffassung vom Menschen dem Arminianismus zuneigte. Der Nachdruck, den die Kirche der Jünger Christi auf die Einigung legt, hat sie eine von der vieler baptistischer Gemeinschaften sehr verschiedene Stellung zur ökumenischen Bewegung einnehmen lassen. Nach ihrer Trennung von den Baptisten im Jahre 1830 vereinigte sich die von den Campbeils und Scott geleitete Bewegung am 1. Januar 1832 zu Lexington/Kentucky mit der von Stone geführten. Wenig später versuchte Stone, die den Jüngern a l s , , Christian Connection of the East" bekannte Religionsgemeinschaft in diese Union hineinzubringen. Ein Streit zwischen Alexander Campbell und Joseph Badger, dem einflußreichen Leiter dieser Bewegung, über die Taufe und das Wirken des Heiligen Geistes machte seine Bemühungen zunichte. Die ,,Christian Connection" vereinigte sich im Jahre 1931 mit den kongregationalistischen Kirchen.

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George G. Beazley d. ].

Β. Scholastische Periode:

1866-1917

Der Zeitabschnitt von 1866 bis 1917 war für die Jünger zwar in mancher Weise eine sehr schöpferische Periode, doch kam diese ihre Kreativität damals in der Hauptsache auf dem Gebiet der Verkündigung und in der Heidenmission zum Ausdruck. Abgesehen von den letzten Jahrzehnten dieses Zeitabschnitts, in denen einige außergewöhnliche Männer den Grund zu dem neuen schöpferischen Aufschwung der folgenden Zeit zu legen begannen, bewegte sich das Denken der Jünger damals weiterhin in den Bahnen, die Alexander Campbell und Walter Scott ihnen gewiesen hatten. Wie es in einer Periode, die auf einen großen schöpferischen Aufschwung folgt, zu gehen pflegt, verfestigten sich die Anschauungen der Gründerväter nach und nach zu einer starren Gesetzlichkeit, und es herrschte damals bei den Jüngern ein scholastischer Geist. Diese Scholastik baute Scotts „wiederhergestelltes Evangelium" und Campbells „ursprüngliche Ordnung der Dinge" zu einem ungeschriebenen Bekenntnis aus, wobei die Taufe des bußfertigen Gläubigen, die eigenständige Ortsgemeinde und der Grundsatz der genauen Wiederherstellung der urkirchlichen Verhältnisse, wie ihn die Gründerväter vertraten, zu Prüfsteinen des Glaubens wurden, über die unablässig neue Streitigkeiten mit anderen Religionsgemeinschaften wie auch unter den Jüngern selber ausbrachen. Die Einheit der Christen im Sinne von Thomas Campbell und Barton W. Stone geriet darüber nur allzuoft in Vergessenheit. Statt dessen zielte man auf eine Einheit auf dem Wege der Aufsaugung aller übrigen Kirchen, deren Glieder es davon zu überzeugen galt, daß allein die Wiederherstellung, so wie die Jünger sie verstanden, das richtige Verständnis der Schrift beinhalte. Es war eine Einheit der Christen, die durch die Annahme des „wiederhergestellten Evangeliums" von Walter Scott herbeizuführen war, als des einzigen Weges, auf dem man ein wahrer Christ zu werden vermochte. In seinen Ausführungen über das Wesen der Taufe und die zu ihrem Empfang erforderlichen Eigenschaften schien Alexander Campbell oftmals einem Dogmatismus zuzuneigen, der denen die wahre Zugehörigkeit zum Leibe Christi versagte, die nicht im Anschluß an ihr Bekenntnis untergetaucht worden waren. Dennoch: in einem Brief 11 an eine Frau, die diese Ansicht in einem Briefwechsel mit seiner einflußreichen Zeitschrift ,,The Millennial Harbinger" vertrat, hatte Campbell klar herausgestellt, daß seine Auffassung vom Wesen der Kirche eine weit weniger enge war, obschon ihn seine individualistische Vorstellung von der Erlösung offenbar daran hinderte, aus den von ihm aufgestellten Grundsätzen die logischen Folgerungen zu ziehen. Leider gingen einige Kirchenführer in diesem scho-

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Wer sind die Jünger Christi (Disciples) f

lastischen Zeitabschnitt so weit, in ihrer Bewegung die einzige wirkliche Kirche und in deren Gliedern die einzigen wirklichen Christen zu sehen. Glücklicherweise traten liberale Geistliche wie Isaac Errett ( 1 8 2 0 - 1 8 8 8 ) und J . H . Garrison ( 1 8 4 2 - 1 9 3 1 ) diesen Anschauungen entgegen, bewahrten die Einsichten der Gründerväter v o r einer solchen legalistischen Verfälschung und widersetzten sich allen Bewegungen, die auf die Einfrierung des Status quo mit seiner A n n a h m e , daß alles, was im N e u e n Testament nicht erwähnt sei, eo ipso als verboten zu gelten habe, bedacht waren. In diesem Zeitabschnitt verloren die Jünger ihre Verbindung mit der K u l turwelt und die Sicherheit, die diese verleiht. I m vorigen Abschnitt wurde dargelegt, wie aufgeschlossen die Begründer der Bewegung für alle Geistesrichtungen gewesen waren. Als amerikanische G r e n z b e w o h n e r der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren sie zwar für die geistigen Strömungen in Europa nur selten so empfänglich wie die Transzendentalisten der N e u England-Staaten noch auch verfolgten sie die Entwicklung der Bibelwissenschaft mit der gleichen Aufmerksamkeit, aber ihre T h e o l o g i e war dem besten philosophischen Gedankengut verpflichtet, von dem sie Kenntnis hatten. In der Frühzeit der scholastischen Periode der Jünger waren die von ihren Führern vertretenen Anschauungen dagegen oftmals durch U n w i s senheit und engstirnigen Provinzialismus gekennzeichnet. D a s beste Beispiel hierfür bietet ein Vergleich zwischen Alexander C a m p beils , , C h r i s t i a n System" of Redemption".

12

und R o b e r t Milligans (1814—1875) ,,Tbe

Scheme

O b w o h l im Jahre 1868, rund dreißig J a h r e nach C a m p -

beils Schrift, veröffentlicht, bringt diese systematische Darstellung des klassischen Gedankenguts der Jünger mit größerer Ausführlichkeit fast genau das gleiche vor, was Campbell dreißig J a h r e zuvor dargelegt hatte. D i e Stellung zur Schrift ist nicht mehr die eines begeisterten Entdeckers. D i e Wahrheit ist entdeckt, es bleibt nur noch übrig, sie mit weiteren beweiskräftigen Texten abzustützen und noch ausführlicher darzulegen. C a m p bell hatte sein W e r k mit einem kurzen Blick auf das Universum eingeleitet und sein System fest auf die N e w t o n s c h e Physik und die L o c k e s c h e Philosophie gegründet, ohne sich direkt auf seine Lehrmeister zu beziehen, ging er doch davon aus, daß jeder vernünftige Mensch seiner Zeit ebenfalls in diesen Anschauungen verwurzelt war. Milligan scheint sich der N o t w e n digkeit, den H o r i z o n t seiner Schriftstellerei zu erweitern, gar nicht bewußt zu sein. W e n n J . W . M c G a r v e y ( 1 8 2 9 - 1 9 1 1 ) wenig spater seinen

Commentary ty"14

on Acts of Apostles"13

und seine ,, Evidences of

„New

Christiani-

verfaßt, hat sich diese Gleichgültigkeit in Feindseligkeit gewandelt.

U n d der A u t o r widmet einen großen Teil seiner Ausführungen der Widerlegung derjenigen Anschauungen, die während der nächsten fünfzig J a h r e in der christlichen Theologie vorherrschen sollten.

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George G. Beazley ä. J.

Dieser theologische Konservatismus wurde verstärkt durch einen Provinzialismus, der sich jeglichem Wandel widersetzte. Die Jünger waren an der Siedlungsgrenze aufgewachsen und lebten großenteils nach wie vor in ländlichen Gebieten und in den Kleinstädten, die diese versorgten. Für die Vereinigten Staaten war die Zeit von 1866 bis 1917 eine Epoche rapider Expansion, in der der Bau von transkontinentalen Eisenbahnen das Ende der alten abgelegenen Siedlungsgrenze und der darauffolgenden ländlichen Provinzstädte mit sich brachte. Die industrielle Umwälzung führte zum Entstehen von Großstädten mit all ihren Problemen wie Elendsviertel, Arbeitskämpfe, Konzerne und das Entstehen großer Vermögen in den Händen skrupelloser und häufig ungebildeter Begründer von Wirtschaftsimperien. Der Bürgerkrieg hatte die Aufmerksamkeit der Amerikaner auf ihre innenpolitischen Probleme gelenkt. Solange der erste Weltkrieg sie noch nicht in die schwierigen Fragen der Weltpolitik verwickelt hatte, waren sie zum größten Teil mit sich selber beschäftigt gewesen. Einige wenige hatten Kenntnis von den Zeitströmungen in der übrigen Welt, doch lebten sie in der Mehrzahl an der Ostküste. Für das ländliche und kleinstädtische Amerika, in dem die Jünger lebten, war dies eine Epoche wachsender Prosperität, die bisweilen Probleme aufwarf, ihrer bewährten Tugenden aber stets gewiß blieb. Alle Probleme konnte man der Großstadt als etwas Fremdartigem, für das man keine Verantwortung trug, zur Last legen. Die Jünger, deren Glieder immer englischer und schottischer und zu einem geringen Teil auch deutscher Abkunft gewesen waren, konnte kein rechtes Verhältnis zu den römisch-katholischen Iren und Italienern finden, die ins Land strömten. Ihre sehr britisch-amerikanische Auffassung von der Schrift hatte bei den deutschen Einwanderern der 1840er Jahre, die in der Mehrzahl Lutheraner, Reformierte oder Pietisten waren, wenig Anklang gefunden. Einige von ihnen, die sich im Mittelwesten seßhaft machten, wurden Jünger. In Indiana schlossen sich viele Kirchen der deutschen ,,Dunkers" 1 5 diesem neuen amerikanischen Kirchenkörper an, der ähnlich taufte wie sie selber und so großen Wert auf die Freiheit des einzelnen legte, die sie so leidenschaftlich ersehnten. Im ganzen findet man indes im Mitgliederverzeichnis einer Jünger-Gemeinde auch heute noch hauptsächlich typisch britische Namen, eine beträchtliche Minderheit von deutschen, aber nur eine kleine Minderheit von südeuropäischen oder solchen des Balkans. Manche der konservativen Führer dieser Zeit widersetzten sich den Wandlungen, die eine Periode kreisstädtischen, durch größere Verfeinerung gekennzeichneten Lebens herbeigeführt hatte, mit der Begründung, sie verletzten die neutestamentliche Verfassung. So bekämpfte man die Verwendung von Musikinstrumenten in der Kirche, lehnte besoldete Pastoren anstelle der Ortsältesten ab und wandte sich gegen Missionsgesellschaften. Zu

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dieser Zeit und noch einige Zeit danach handelte es sich bei diesen Gesellschaften lediglich um zu irgendeinem christlichen Zweck gegründete Zusammenschlüsse von Einzelpersonen. Aus allen diesen Kämpfen ging eine neue, von den Kirchen der Jünger Christi abgespaltene Körperschaft hervor, die sich „Churches of Christ" nannte. Als Zeitpunkt ihrer formellen Separation gilt das Jahr 1906; der damalige Zensus wies sie erstmals als eigenständige Körperschaft aus. Als kongregationalistische Kirche waren die Jünger nicht in der Lage, dies Problem zu bewältigen. Hinzu kam, daß sie aufgrund ihres leidenschaftlichen Engagements für die Einheit der Christen Spaltungserscheinungen nicht gerne zugaben. Die Kirchen Christi fuhren fort, die Richtung der Jünger-Scholastik zu verkündigen, auf die sie sich gründeten, und sind eine große Kirche geworden, deren genauer Umfang aber in Ermangelung verläßlicher Statistiken schwer zu bestimmen ist. 16 Sie haben in den ländlichen Gebieten des Südens großen Zulauf und in vielen Großstadtvororten Gemeinden. Letztere setzen sich gewöhnlich aus ländlich gebliebenen Menschen zusammen, die sich allen Versuchen, sie in die moderne großstädtische Gesellschaft zu integrieren, widersetzen. Diese Haltung findet man zwar in erster Linie in solchen Kirchen wie den Kirchen Christi, doch gehört im heutigen Amerika die Sehnsucht nach der Religion der vorigen Zeiten, die ein in die Kompliziertheit des Großstadtlebens geworfenes, aber nach der Einfachheit des Daseins an der Siedlungsgrenze und in der Kleinstadt dürstendes Volk empfindet, zu den Hauptproblemen einer jeden protestantischen Kirche älterer Prägung. Diese Sehnsucht ist es, an die Evangelisten wie Billy Graham appellieren. Diese Einstellung ist es, die für Angriffe auf den Nationalrat und den ökumenischen Rat der Kirchen empfänglich macht. Diese Weltanschauung ist es, die die Kirchen daran gehindert hat, dem neuzeitlichen Säkularismus selbstbewußt und wirksam entgegenzutreten. Vier Umstände haben die Kirche der Jünger Christi davor bewahrt, der während dieses Zeitabschnitts gepflegten Scholastik völlig zu erliegen und zu einer kleinen Sekte herabzusinken, die sich im Alleinbesitz der Wahrheit wähnt und die Irrlehren aller anderen Kirchenkörper verdammt. Der erste war ihre neue Missionstätigkeit. Im Jahre 1849 hatten die Jünger di e Amencan Christian Missionary Society ins Leben gerufen. Da sie schriftgemäß vorgehen wollten, hatten sie ,,in Jerusalem begonnen", waren damit indes kläglich gescheitert. Ein befreiter Sklave wurde ausgebildet und nach Liberia entsandt, wo er bald nach seiner Ankunft starb. Um das Jahr 1875 wurden jedoch mehrere bedeutende Missionsgesellschaften gegründet, die in nichtchristlichen Ländern Missionsanstalten einzurichten und Heiden zum christlichen Glauben zu bekehren begannen. Diese Missionsstationen in Ubersee wurden zwar von Männern gefördert,

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die in der Jünger-Scholastik verwurzelt waren und die Missionsarbeit entsprechend aufbauten, und die Missionare faßten ebenso wie diejenigen, die die Verwaltungsaufgaben wahrnahmen, ihre Predigt und ihren Dienst im Sinne von Scotts „Wiederherstellung des Evangeliums" und Campbeils „ursprünglicher Ordnung der Dinge" auf, aber diese Bestrebungen bewirkten eine Erweiterung des Aktionsbereichs der Kirche und brachten die Jünger mit Kräften in Berührung, die sie sonst wohl übersehen hätten. Ebenso wie die Missionsarbeit der Gesamtkirche die Kirche zum Ökumenismus führte, leitete die Missionstätigkeit der Kirche der Jünger Christi diese zu dem Nachdruck auf der Einheit der Christen zurück, der sie ins Dasein gerufen hatte. Darüber hinaus bewirkte sie, daß ihre Führer viele der Prämissen der Jünger-Scholastik in Frage zu stellen begannen. Das mußte naturgemäß die inneren Spannungen erhöhen, während es die Spannungen mit anderen Kirchen verminderte. Im ganzen waren die Auswirkungen ebenso unvermeidlich wie heilsam. Die inneren Spannungen legten indes den Keim für die zweite Abspaltung von der Kirche, die im dritten Zeitabschnitt erfolgte. Trotzdem: ohne diese mehr ökumenische Einstellung wären die Jünger bloß eine streitsüchtige Sekte geworden, die sich ausschließlich mit ihren eigenen Traditionen befaßt hätte und außerstande gewesen wäre, sich in einer komplizierter gewordenen Epoche eine realistische Einstellung zur Frage der christlichen Einheit zu bewahren, die ihren Gründervätern so sehr am Herzen lag. In den ersten Jahrzehnten dieser Periode gehörte die Zusammenarbeit zweier Herausgeber, Isaac Errett, Herausgeber des „Christian Standard",17 und J. H. Garrison, Herausgeber des,,Christian Evangelist",18 zu den Kräften, die die nachteiligen Auswirkungen der Jünger-Scholastik milderten. Man muß wissen, daß diese Herausgeber aufgrund der Tatsache, daß ihre Zeitschriften nicht die offiziellen Organe der Gesamtkirche, sondern in Privatbesitz befindliche Periodika waren, die von vielen gelesen wurden und Einfluß auf ihr Denken übten, sich nicht an gemeinsame Beschlüsse gebunden fühlten, sondern mehr Freiheit besaßen, ihren eigenen Ansichten über alles, was in ihrer Kirche geschah, Ausdruck zu geben. Keiner dieser Herausgeber stellte jemals die von den Gründervätern der Jünger geschaffenen Grundvoraussetzungen in Frage. Sie milderten jedoch die Auswirkungen der Jünger-Scholastik, indem sie für die fortschrittlicheren Bewegungen innerhalb der Kirche eintraten, die Grundvoraussetzungen mit einem neuen Geist erfüllten, der dem von Thomas Campbell und Barton W. Stone ähnlich war, und die engherzige Gesetzlichkeit der konservativen Kirchenleitung verwarfen. In mancher Weise entschieden sich die Jünger dieser Zeit eher gefühlsmäßig für offene Gemeinschaft, Missionstätigkeit und größere Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, als daß

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sie gedanklich Grundprinzipien erarbeiteten, mit denen sich diese neueren Einstellungen abstützen ließen. Für die Schaffung dieser neuen Atmosphäre war nichts von größerer Bedeutung als diese enge Ubereinstimmung zwischen den Herausgebern der beiden größten unter den vielen Zeitschriften der Jünger. Gegen Ende dieses Zeitabschnitts kam es dann aber leider dazu, daß eine dieser Zeitschriften, der,, Christian Standard", zum Sprachrohr der konservativsten Richtung der Jünger-Scholastik wurde und die Abspaltung, die in der dritten Periode erfolgte, dadurch unvermeidlich machte, daß sie die nicht enden wollenden Meinungsverschiedenheiten noch verschärfte. Solange die Richtung dieser Zeitschriften jedoch von J. H. Garrison und Isaac Errett bestimmt wurde, führte ihr Eintreten für eine offene Haltung die Jünger aus dem Sektierertum heraus und zur vollen Teilnahme am Leben der Gesamtkirche. In den letzten Jahrzehnten dieses Zeitabschnitts trat eine neue Kraft auf den Plan, welche die Jünger zu der Position führen sollte, die sich in ihrer dritten Periode als besonders schöpferisch erwies. In der ersten Periode waren die Geistlichen und Lehrer der Jünger in allgemeinbildenden Colleges ausgebildet worden und hatten sich dann mit dem „wiederhergestellten Evangelium", „der ursprünglichen Ordnung der Dinge" und der Wiederherstellungsmethode vertraut gemacht. Dieses Studium hatte oft kein sehr hohes Niveau, doch galt das gleiche von der Umwelt an der Siedlungsgrenze, in der sie als geistliche Führer wirkten. Es war daher den Gemeinden, die sie übernahmen, angemessen und als durchaus fortschrittlich zu bezeichnen. In der Frühzeit der zweiten Periode wurden Ausbildungsstätten gegründet, die die kirchlichen Führer mit den Grundsätzen der Jünger-Scholastik vertraut machten. Das ,,College of the Bible" in Lexington/Kentucky (später in „Lexington Theological Seminary" umbenannt) war sowohl die erste dieser Ausbildungsstätten - es wurde im Jahr 1865 gegründet - wie auch die einflußreichste. Die beherrschende Gestalt war dort viele Jahre hindurch J . W. McGarvey, und seine Vorzüge und Nachteile waren die dieser führenden Persönlichkeit, die über eine Bibelkenntnis verfügte, die den Neid aller erregte, deren Schriftauffassung jedoch durch die Grundvoraussetzungen der Jünger-Scholastik bestimmt war. Am Ausgang des 19. Jahrhunderts absolvierten manche der begabteren Jünger-Kandidaten nach ihrer theologischen Ausbildung noch ein Studium an einer größeren Universität, in den meisten Fällen an der Universität Yale oder der neugegründeten Universität Chicago. Sie machten sich dort mit neuen bibelwissenschaftlichen Verfahren, mit den philosophischen Begriffen einer neuen Epoche und mit einer Kirchenhistorie vertraut, die die Geschichte der Jünger in eine weitere Perspektive rückte. Ihre Studien setzten

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diese Männer instand, Prämissen zu entwickeln, die mit den Grund zu der in der unmittelbar darauffolgenden Periode maßgebenden Anschauung legten. Die Tatsache, daß viele von denen, die Universitätslehrer oder Journalisten waren, sich in Chicago niederließen, machte diese Stadt zu einem Mittelpunkt der neuen Denkweise. Die Namen Herbert Willett (1864-1944), Edward Scribner Ames (1870-1958), W. E. Garrison (1874-1969) und Charles Clayton Morrison (1874-1966) bekamen in der folgenden Periode einen vertrauten Klang. Als Vereinigung der graduierten Akademiker unter der Geistlichkeit wurde das Campbell-Institute geschaffen und nahm einen großen Teil der Aufgaben der später so genannten Fort- und Weiterbildung des geistlichen Dienstes wahr. Seine Diskussionsveranstaltungen hielten einen hochbedeutsamen Dialog in Gang, der zweifellos die neue Denkweise der Jünger mitgestaltete. Der letzte dieser vier Einflüsse, die die Kirche der Jünger Christi von ihrer Scholastik befreite, war das Wiederaufleben des Interesses für die Einheit der Christen. Während die „großen Vier" von Chicago auf diesem Feld Einfluß ausüben sollten, ging der Anstoß hierzu von Peter Ainslie, einer charismatischen Persönlichkeit, aus. Als Ergebnis der Ansprache, die er als Präsident des Konvents von 1910 hielt, wurde bei dieser Zusammenkunft der Council on Christian Union gebildet. Diese Organisation, die sich später ,¡Association for the Promotion of Christian Unity" nannte, begann als Versuch, die Anteilnahme der Jünger an diesem Grundprinzip ihres Erbes zu wecken. Anfangs nach den Grundsätzen der Jünger-Scholastik konzipiert, wurde diese freie Vereinigung unter dem Einfluß der neuen ö k u m e nischen Bewegung und der sich rasch wandelnden Anschauungen ihres Begründers und Präsidenten Peter Ainslie zu einer in ihrer Wirkung kaum zu überschätzenden Kraft und im Jahre 1954 schließlich unter der Bezeichnung ,,Council on Christian Unity" eines der Bundesgremien der Kirche. Bisher haben wir in unserer Uberschau ausschließlich von der Entwicklung in den Vereinigten Staaten gehandelt. Eine ähnliche Bewegung trat in Großbritannien (1798) und in den britischen Besitzungen Kanada (1818), Neuseeland (1843) und Australien (1845) ins Dasein. Im Jahre 1825 ließ sich die kanadische Bewegung stark durch die in den Vereinigten Staaten befruchten, zumal durch die Schriften ihres anerkannten Führers, Alexander Campbell. Die britische Bewegung entdeckte Campbell zum ersten Mal im Jahre 1834 und wurde durch sein Werk zugleich angezogen und abgestoßen, da es ihre Grundannahmen teils bestätigte, teils in Frage stellte. Einen ähnlichen Einfluß hatte das Gedankengut der amerikanischen Jünger in den 1860er Jahren in Neuseeland, als amerikanische Evangelisten einzutreffen begannen, und um das Jahr 1867 in Australien. Alexander Camp-

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bells Schriften hatten hier wie dort schon vor dieser Zeit Verbreitung gefunden. Die Bewegungen in Großbritannien und in den britischen Besitzungen unterschieden sich auf mannigfache Weise von der amerikanischen Bewegung. Vor allem standen erstere in engerer Beziehung zu den schottischen Baptisten. 19 Das bedeutete, daß sie sich ausschließlicher auf die Wiederherstellung der neutestamentlichen Kirche konzentrierten und daß im Unterschied zu der amerikanischen Bewegung in Großbritannien und in den britischen Besitzungen 20 diesem Interesse nicht das an der Verkündigung im Grenzland und an der Einheit der Christen die Waage hielt. Natürlich gab es in Großbritannien, einem Land, dessen Bewohner in der Mehrzahl bereits der Staatskirche angehörten, keine nicht kirchlich gebundene Masse wie an der amerikanischen Siedlungsgrenze, die sich von der rasch wachsenden Kirche der Jünger Christi bekehren ließ. Mehr noch: die Verhältnisse in Großbritannien, wo es eine dominierende Kirche sowohl in Schottland wie in England gab, ließen die Notwendigkeit der Einheit der Christen nicht im gleichen Maße offenbar werden, wie es an der amerikanischen Siedlungsgrenze der Fall war, wo es keine Staatskirche, sondern viele miteinander wetteifernde Kirchen gab. In Australien und Neuseeland war die Lage zwar anders als in Großbritannien, wies aber in der frühesten Zeit wenig Parallelen zu der in den Vereinigten Staaten auf. Kanada hatte wie die Vereinigten Staaten eine Siedlungsgrenze, war aber weniger vom Geist der Empörung erfaßt, und die Anglikaner genossen dort eine bevorrechtete Stellung, während sie in den Vereinigten Staaten nach der Amerikanischen Revolution mehrere Jahrzehnte lang auf Ablehnung stießen. Die schottischen Baptisten vermachten der Church of Christ in Großbritannien und Australien auch einen entschiedeneren Antiklerikalismus als er für die amerikanische Siedlungsgrenze charakteristisch war. In allen diesen Bewegungen spielten Laien, wie die meisten Kirchenmänner des 20. Jahrhunderts sie nennen würden, eine wesentliche Rolle. In den Bewegungen von Stone und Campbell hegte man jedoch keinerlei prinzipielle Feindschaft gegen den Klerus. Viele ihrer ersten Führer waren vor dem Beginn der Bewegung ordinierte Geistliche der presbyterianischen Kirchen gewesen; sie waren daher diesbezüglich von eingewurzelten Vorurteilen frei, außer insofern, als ihre theologische Ausbildung Hindernisse gegen die Wiedervereinigung der Kirche Christi schuf. Die amerikanische Denkweise ist seit jeher eine wesentlich pragmatische, und als die Bewegung zu einem Teil der Kirche Christi wurde, den Außenstehende eine „Denomination" genannt hätten, 21 erkannten ihre Glieder bald, daß gebildete und ortsansässige Geistliche ihrem Wachstum förderlich sein würden. Da Campbell in seinem,,Christian System" einen Klerus, bestehend aus Evan-

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gelisten, Bischöfen oder Ältesten und Diakonen gefordert und in Bethany eine Ausbildungsstätte für Geistliche geschaffen hatte, lag es auf der Hand, daß er von seiner scharfen Kritik der „geistlichen Mietlinge", die seine anfängliche Position gekennzeichnet hatte, abgerückt und zu der Auffassung gelangt war, daß der neue Kirchenkörper, dessen einflußreichster Führer er war, einen Klerus gleich dem anderer Teile des Leibes Christi haben müsse, dieser indes derart auszubilden sei, daß er der spaltenden Wirkung theologischer Systeme, die sich zu obligatorischen konfessionellen Bekenntnissen verfestigt hatten, nicht ausgesetzt werde. Auf der anderen Seite waren die Kirchen von Großbritannien und den britischen Besitzungen, ehe sie mit dem Gedankengut Alexander Campbells in Fühlung kamen und bis zu einem gewissen Grade auch noch danach, aufgrund ihres schottisch-baptistischen Erbes entschieden antiklerikal eingestellt. 22 Sie traten für das „gemeinsame Predigtamt", wie sie es nannten, ein, d. h. für die Teilnahme an den Erkenntnissen der Glieder über Schriftstellen als Teil des Gottesdienstes, im Unterschied zu der Predigt eines dafür eigens bestellten Mannes mit besonderer Ausbildung in der Hl. Schrift. Als die Churches of Christ in Großbritannien und den britischen Besitzungen (nicht zu verwechseln mit den Churches of Christ in Amerika, die sich im Jahre 1906 von der Bewegung trennten) mit Campbells Auffassung bekannt wurden, bekämpften viele sie ebenso wie Campbells Forderung, andere Christen „vom Tisch des Herrn", wie er von diesem Teil des Leibes Christi bereitet wurde, „weder auszuschließen noch dazu einzuladen". 2 3 Diese Kirchen Christi vertraten die Ansicht, daß, wenn eine Kirchengemeinschaft allein die Untertauchung eines einwilligenden Gläubigen als apostolische Taufe anerkenne, es nicht angehe, Menschen am Tisch des Herrn zu empfangen, die diese Auffassung von der Taufe nicht angenommen hatten. Sie übten aus diesem Grunde die „geschlossene Kommunion". Diese konservativere Haltung hatte sich in Großbritannien stärker ausgeprägt als in Neuseeland und Australien, wo die Neuansiedlung und die Anwesenheit einer größeren Anzahl amerikanischer Evangelisten, die dort gastweise wirkten und deren Erfolge sich zahlenmäßig nachweisen ließen, eine größere Offenheit bewirkten. Der Nachdruck auf dem „gemeinsamen Predigtamt" und der „geschlossenen Kommunion" blieb indes bestehen und ging mit einem geringeren Interesse an der Verkündigung und der Einheit der Christen einher, bis im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts die Anwesenheit bedeutender fortschrittlicher Führer in mindestens zwei Gebieten im Verein mit dem Aufkommen der modernen ökumenischen Bewegung eine Anschauung förderte, die der der nordamerikanischen Kirche der Jünger Christi nahestand. Die Zusammenarbeit der organisierten Kirchenkörper in Kanada und den

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Vereinigten Staaten begann im Jahre 1853. Seit jener Zeit ist die gegenseitige Beeinflussung die Regel, obschon zweifellos die Kirche der Jünger Christi in den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit einen gewichtigen Einfluß in Kanada ausgeübt hat. C. Pragmatischer

Liberalismus:

1917-1957

Das Jahr 1917 wurde in mancher Weise zu einem Meilenstein in der Geschichte der Kirche der Jünger Christi. In diesem Jahr wurde im College of the Bible zu Lexington/Kentucky ein heftiger und bisweilen abgeschmackter Kampf darum ausgefochten, ob die neue Bibelwissenschaft Einzug in unsere Seminarien halten oder die Jünger-Scholastik dort weiterhin tonangebend bleiben sollte. Aus ihm gingen A. W. Fortune (1873-1950), E. E. Snoddy (1863-1936) und William Clayton Bower (geb. 1878), die in den in Chicago gepflegten liberaleren Anschauungen erzogen worden waren, 24 als Sieger hervor. Obgleich der Kampf in verschiedenen Seminarien während des größten Teils dieses Zeitabschnitts weiterging und manche Ortsgemeinden sich der Entwicklung entgegenstemmten, ließ der Fall der Hochburg der Jünger-Scholastik doch erkennen, daß die Kirche der Jünger Christi nicht zu einer querulatorischen Sekte absinken würde. Der Kampf verhärtete indes die Überbleibsel der Jünger-Scholastik, und in dem Maße, wie die bedeutendsten Ausbildungsstätten eine nach der anderen ihre Lehrpläne erweiterten und die Glanzleistungen der zeitgenössischen Bibelwissenschaft darin Platz fanden, wurde eine Reihe von „Bibelschulen" ins Leben gerufen, die ihre Zöglinge gegen die neuen ökumenischen Bestrebungen und gegen die liberale Theologie abschirmten. In diesen Schulen kam allein die engherzigste Richtung der Jünger-Scholastik zu Wort. In einigen von ihnen - ihr akademisches Niveau genügte höheren Ansprüchen nur selten - erhielt sie noch Verstärkung durch den amerikanischen Fundamentalismus. Heute stehen sie im gewissen Umfang unter dem Einfluß der derzeitigen konservativ-evangelikalen Bewegung, doch sind sie im allgemeinen zu sektiererisch, um zu einer wirklichen Zusammenarbeit auch nur unter konservativen Auspizien imstande zu sein. 2S Im Jahre 1917 bildeten die Jünger den „Internationalen Konvent" („International Convention"). Zunächst als Vereinigung eigenständiger Ortsgemeinden geplant und nur in der Lage, mittels Ratschlägen auf sie einzuwirken, wurde er allmählich zum Zentrum des Lebens der Jünger, durch das verschiedene kooperative Gesellschaften und Gremien ihren Wahlkörpern Bericht erstatteten, das die Zusammenarbeit dieser Gremien bei der Durchführung der Beschlüsse des Konvents organisierte und die Beteiligung der Jünger an der ökumenischen Bewegung initiierte.

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Obwohl der „Internationale Konvent" bis zum Jahre 1948 keine hauptamtlichen Mitarbeiter und keinen offiziellen Stauts als Koordinierungsinstanz hatte, ist der Einfluß, den diese Körperschaft und die ihr Bericht erstattenden Gremien auf das Denken der Führer der Ortskirchen, der Geistlichen sowohl wie der Laien, ausübten, kaum zu überschätzen. Ein anderer Faktor, der diesem Zeitabschnitt ebenfalls das Gepräge gab, war die Schaffung der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" (,, United Christian Missionary Soàety") im Jahre 1920. Ursprünglich zu dem Zweck ins Leben gerufen, die führenden Gremien zu einer einzigen Einheit zusammenzufassen, erzielte diese Organisation dabei nur einen partiellen Erfolg. Es gelang ihr indes, die führenden Volks- und Heidenmissionsgesellschaften zusammenzuschließen und eine Koordinierung zustande zu bringen, durch die ein Programm entwickelt und an die Gemeinden weitergegeben werden konnte. Sie wurde sogleich von den Scholastikern ihrer fortschrittlicheren Führung wegen angegriffen und von ihnen beschuldigt, die Prinzipien der Jünger-Scholastik zu verraten, entwickelte indes ein Haushalterschaftsverfahren und ein Arbeitsprogramm, die die Gemeinden zu einer Körperschaft zusammenschlossen, welche all die Tätigkeiten wirksam zu fördern vermochte, denen sich die Gemeinden nicht einzeln widmen konnten. Die Jünger-Scholastiker versuchten, den Konvent zu majorisieren und die Angestellten dieses neuen, zum Zweck der Zusammenarbeit geschaffenen Gremiums Gesinnungsprüfungen zu unterziehen. Nachdem es im Jahre 1925 so ausgesehen hatte, als hätten sie mit ihren Bemühungen Erfolg, zeigte sich im folgenden Jahr, daß dem doch nicht so war. Verbittert und zornerfüllt sonderte sich diese konservative Gruppe ab und beschloß die Bildung eines „Nordamerikanischen Konvents" („North-American Convention"), den sie als Forum für ihre unablässige Verkündigung der Grundsätze der Jünger-Scholastik und für ihre Angriffe auf den „Internationalen Konvent" und die ihm Bericht erstattenden Gremien benutzte. Nach und nach gelang es dem „Nordamerikanischen Konvent" und dem Organ seiner Anhänger, dem,, Christian Standard", eine Anzahl Gemeinden zu sich herüberzuziehen und zu einem lockeren Bund zur Bewahrung der Grundsätze dieser konservativen Minderheit zusammenzuschließen. Diese Gruppe erhielt die Bezeichnung „Unabhängige („Independents"),,, Churches of Christ (Christian)", „Church of Christ II" und noch einige andere. Obwohl unablässig von inneren Kämpfen zerrissen, besteht sie bis heute fort. Sie kann nicht mehr als zur Kirche der Jünger Christi gehörig gelten, und nach der Annahme des vorläufigen Plans zur Umstrukturierung der Brüderschaft im Jahre 1968 hat sie den zu dieser Gemeinschaft von Jünger-Scholastikern zusammengeschlossenen Kirchen nahegelegt, die Na-

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men ihrer Gemeinden aus der offiziellen Liste der Kirche der Jünger Christi tilgen zu lassen. Sie hat neuerdings um gesonderte Aufführung im,, Yearbook of American Churches" nachgesucht, was wohl die formellste Separation darstellt, die eine solche Gruppe, die, obschon klar erkennbar, kaum als Körperschaft gelten kann, zu erreichen vermag. Heute bezeichnen sich die meisten Ortsgemeinden entweder offen als „Unabhängige" oder als Teil der Kirche der Jünger Christi, wenngleich einige Romantiker, die des sorgfältigen Nachdenkens über ekklesiologische Fragen ungewohnt sind, nach wie vor glauben, daß die Abspaltung nicht notwendig und der Bruch rückgängig zu machen sei. Sie übersehen dabei, daß die Kirche der Jünger Christi ihr ökumenisches Engagement und ihre Beteiligung am Nationalrat der Kirchen, am ökumenischen Rat der Kirchen sowie an der Kirchenunionskonferenz 26 aufgeben müßte, wollte sie das Klima schaffen, das notwendig wäre, um die „Unabhängigen" zur Rückkehr zu bewegen. Tatsache ist, daß die Kirche der Jünger Christi und die „Unabhängigen" sich aufgrund einer theologischen Meinungsverschiedenheit getrennt haben, obschon sich diese oftmals absichtlich oder unabsichtlich hinter symptomatischen Fragen wie Förderung gemeinsamer Anliegen, freundschaftliches Einverständnis, offene Mitgliedschaft, Bibelwissenschaft und Teilnahme an der ökumenischen Bewegung durch Mitgliedschaft in den Kirchenräten verbarg. Im Grunde haben die „Unabhängigen" oder ,.Churches of Christ (Christian)" stets in sich selber die einzige wahre Kirche gesehen und in allen anderen Denominationen Ketzer, die den wahren neutestamentlichen Glauben verdorben haben, worunter sie die in den Grundvoraussetzungen der Jünger-Scholastik zum Ausdruck kommenden Anschauungen verstehen. Aus diesem Grunde sind sie außerstande, auch nur in begrenztem Umfang die Legitimität der anderen Kirchen dadurch anzuerkennen, daß sie in der ökumenischen Bewegung mitarbeiten. Mit anderen Gruppen wollen sie sich nur auf Debatten, aber keinesfalls auf einen Dialog einlassen.27 Die zur Zusammenarbeit bereite Kirche der Jünger Christi hat dagegen in sich selber im Grunde immer nur einen von vielen Teilen des Leibes Christi gesehen. Obschon die Jünger in ihrem Bestreben, die Trennung zu überwinden, den Gebrauch des Wortes „Denomination" als Selbstbezeichnung vermeiden und sich lieber „Brüderschaft" oder „Kirche" nennen, akzeptieren sie als Realisten die Tatsache, daß sie nur einen Teil der Gesamtkirche darstellen, und bemühen sich, in diesem Rahmen verantwortungsbewußt zu handeln. Sie gehörten dem Federal Council of Churches an und sind Mitglieder seines umfassenderen Nachfolgers, des National Council of Churches, sowie des ökumenischen Rates der Kirchen. In allen diesen Räten hat die Kirche der Jünger Christi an führender Stelle mitgewirkt und pflegt den

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Dialog als einen Weg zur Förderung der Einheit der Christen. Aus ihrer Sorge um die Einheit der Kirche Christi heraus wollte sie nicht die formelle Ausschließung der „Unabhängigen" betreiben und hat sich bisweilen, um versöhnlich zu erscheinen, in Grundfragen nachgiebig gezeigt, jedoch den Jünger-Scholastikern zu keiner Zeit gestattet, daß diese sie an der Beteiligung an der heutigen Weltkirche hinderten oder ihnen die Anteilnahme an zeitgenössischen Geistesströmungen verwehrten. Die Umstrukturierung, die im Jahre 1968 ihren Gipfelpunkt erreichte, wandelte den „Internationalen Konvent der Kirchen" der Jünger Christi in eine mehr demokratisch strukturierte und repräsentativere Körperschaft, die Kirche der Jünger Christi (Disciples). Als es zur Entscheidung kam, drängten gewisse Führer der „Unabhängigen" die Ortsgemeinden, ihre Streichung aus der amtlichen Liste der Gemeinden zu betreiben. Sie versicherten ihnen feierlich, täten sie das nicht, würden sie bestimmter Freiheiten, so zum Beispiel der vollen Verfügungsgewalt über ihr Eigentum, auf immer verlustig gehen. Alle diese Rechte waren ihnen zuverlässig garantiert worden. Trotzdem erklärten viele der angesprochenen Gemeinden ihren Austritt. Die meisten von ihnen hatten sich seit Jahrzehnten nicht mehr am Gemeinschaftsleben der Kirche der Jünger Christi beteiligt, waren aber, da keine Gemeinde ausgeschlossen worden war, in der amtlichen Liste weiterhin aufgeführt worden. Dies alles bewirkte einen beträchtlichen Wandel in der amtlichen Statistik der Kirche der Jünger Christi. Daß es sich um einen zum großen Teil statistischen, nicht aber faktischen Rückgang handelte, geht daraus hervor, daß die jährlichen Spenden für das Gemeinschaftsprogramm der Kirche der Jünger Christi nur um etwa 100 000 Dollar, d. h. um ein Prozent, bei einem Gesamtaufkommen von zehn Millionen Dollar, sanken. Vielleicht wird es eines Tages dahin kommen, daß die Kirche der Jünger Christi oder eine vereinigte Kirche, der sie möglicherweise beitreten wird, Gespräche mit irgendeiner aus den „Unabhängigen" hervorgegangenen Körperschaft oder mit Körperschaften der Jünger-Scholastik beginnen und mit denselben über ihre gemeinsame Geschichte und ihr gemeinschaftliches Erbe reden kann. Sicher ist indessen, daß aus der zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstandenen Erneuerungsbewegung jetzt drei Teile des Leibes Christi hervorgegangen sind. Es sind dies: 1. die Christian Church (Disciples of Christ) in den Vereinigten Staaten und in Kanada mit den Churches of Christ in Großbritannien, Neuseeland, Australien und der Südafrikanischen Union 28 sowie mit den Kirchen in denjenigen Ländern, in welchen diese Gruppe früher Mission getrieben hat und wo diese Kirchen noch nicht vereinigten Kirchen beigetreten sind; 2. die „Unabhängigen" oder Churches of Christ (Christian), die in der einen oder anderen Form an der Jün-

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ger-Scholastik festhalten, die für den Zeitabschnitt 1866-1917 kennzeichnend war, mit den von ihnen begründeten Missionskirchen, die sich zwischen 1925 und 1968 von der Christian Church (Disciples of Christ) trennten; 3. die radikalkonservativen Churches of Christ mit ihren Missionen, die sich im Jahre 1906 von dem Hauptstrom absonderten. Genaue Zahlen über die beiden letztgenannten Gruppen sind schwer zu erhalten, doch besagt eine Schätzung, daß die ,,unabhängigen" Churches of Christ (Christian) anderthalb Millionen und die Churches of Christ zwei Millionen Glieder zählen. Vorliegender Band enthält, von den soeben gemachten Hinweisen abgesehen, eine Darstellung der Kirche der Jünger Christi (Disciples) und wurde von einigen Mitgliedern der Kirchenleitung verfaßt. Der Zeitabschnitt von 1917 bis 1957 trägt Züge eines pragmatischen Liberalismus. In dieser Periode wandten sich die Jünger heftig gegen die Scholastik des zweiten Abschnitts ihrer Geschichte, ohne jedoch das Interesse an vielen Besonderheiten ihrer Kirche zu verlieren. Im Laufe dieser Jahre ließen ihre Bemühungen um eine Wiederherstellung der „alten Ordnung der Dinge" beträchtlich nach, wenn sie auch nach wie vor in sich selber ein neutestamentliches Volk sahen. Die neuere Bibelwissenschaft lehrte sie, in der HI. Schrift die literarische Schatzkammer der Kirche zu sehen und ihr ihre Grundprinzipien zu entnehmen oder sie als Buch der Handlungen Gottes zu betrachten, räumte indes mit der Anschauung auf, daß sie eine gesetzliche Konstitution darstellte, der eine detaillierte, in sich geschlossene und göttlich gebotene Kirchenverfassung zu entnehmen sei. Desgleichen begann das „Urevangelium" in dem Maße, wie man Kenntnis von den Evangelienquellen und der Entstehung der Episteln gewann, Scotts ziemlich formalistischem Modell immer unähnlicher zu werden. Die Enge der biblischen Gesetzlichkeit hatte sie abgestoßen, und in ihrer Reaktion dagegen neigten die Jünger dazu, Fragen der Kirchenorganisation zumeist nach eher pragmatischen als biblischen Gesichtspunkten zu entscheiden und funktionelle Gesichtspunkte vor theologischen zu bevorzugen. Damit folgten sie mehr oder weniger den allgemeinen Tendenzen der amerikanischen Christenheit. Zwar fiel es vielen schwer, sich von dem Provinzialismus der Jünger-Scholastik zu lösen, doch diejenigen, die es vermochten, fanden rasch Zugang zu dem neuen Liberalismus. Dieser sah in William James (1842-1910) und John Dewey (1859-1952) zwei der führenden Philosophen Amerikas, und die neue Einstellung gründete sich zu einem großen Teil auf ihre philosophischen Grundannahmen. Da sich die Anschauungen dieser beiden Philosophen unmittelbar von den Ideen John Lockes und der Aufklärung herleiteten, fiel dieser Ubergang denjenigen Jüngern, die mit dem klassischen

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Gedankengut ihrer Kirche vertraut waren, nicht schwer. Jünger-Theologen wie Edward Scribner Ames und E. E. Snoddy29 waren loyale Anhänger von James und Dewey, wenn ihnen auch, wie E. E. Snoddy, manche ihrer Ausflüge ins Gebiet der Religion wie z.B. John Deweys ,,A Common Faith"30 nicht sonderlich sympathisch waren. Diese Kirchenführer versuchten auf den von James und Dewey geschaffenen philosophischen Grundlagen vernünftigere, dem biblischen Gedankengut stärker verhaftete Konklusionen aufzubauen. Deweys pädagogische Prinzipien beherrschten das amerikanische Erziehungswesen mehrere Jahrzehnte lang, und die Mehrzahl derer, die von William Clayton Bower, seinen Kollegen und seinen Schülern in Religionspädagogik ausgebildet wurden, pflegten den Nachdruck auf Freiheit, funktionales Denken, Arbeitsunterricht und auf den Schüler zentrierte Verfahren zu legen. Als eine diesen Anschauungen verpflichtete Generation die Leitung der Kirche übernahm, wurden ihre Probleme zumeist unter diesem Blickwinkel betrachtet und für die meisten Fragen der Kirchenverfassung pragmatische Lösungen vorgeschlagen und angenommen. Die Kirche war von dem Gefühl durchdrungen, aus dem Neuen Testament den Inhalt des Evangeliums, das sie predigte, zu kennen. Sie hatte sich davon überzeugt, daß das Neue Testament keine bindenden Vorschriften bezüglich der Kirchenverfassung enthielt. Sie sah sich einer großen, diffusen Schar von Christen gegenüber, die sich der missionarischen Herausforderung ihrer Zeit stellen wollten und gewillt waren, sich den Notwendigkeiten der neuen Gesellschaft, die im Entstehen begriffen war, anzupassen. Die Jünger versuchten, Lösungen zu finden, die, ohne die Freiheit der Ortsgemeinden unnötig einzuschränken, möglichst zweckdienlich und pragmatisch waren, und in einer Weise vorzugehen, die dem Evangelium nicht widerstritt. Indem sie bei der Ausdeutung der Schrift den neuen Tendenzen in der Bibelwissenschaft, die damals in Amerika an Boden gewannen, folgte, die Anschauungen der Jünger-Scholastik (die an sich die Hl. Schrift gewöhnlich verzerrte) verwarf und alle ihre Probleme mit der für den Amerikaner typischen Bevorzugung pragmatischer Verfahren anging, büßte die Kirche im Laufe der Jahre ihr Vertrauen auf die Autorität der Bibel, das sie zuvor gekennzeichnet hatte, großenteils ein. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Kirche der Jünger Christi in diesem Zeitabschnitt vielerlei Bereicherung erfuhr. Erstens befreiten die Jünger sich von dem Provinzialismus ihrer unmittelbaren Vergangenheit, kamen in engere Berührung mit den biblischen und historischen Quellen, die die neue Epoche ins Leben gerufen hatten, und waren imstande, an den erregenden ökumenischen Bewegungen jener Zeit teilzunehmen. Zweitens setzte die Aufgliederung der Ortskirche in eine Reihe funktioneller Aus-

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schüsse, deren jeder sich mit einem bestimmten Aspekt der inneren Angelegenheiten und des größeren Auftrags der Kirche befaßte, die Kirche instand, eine größere Anzahl ihrer Laien auf gemeindlicher, regionaler und nationaler Ebene mit ihrem Leben in Kontakt zu bringen, und machte Energien und Geldmittel für die Durchführung der christlichen Mission an die Welt nutzbar. Drittens wurde sich die Kirche der Jünger Christi in dieser weiteren Umwelt in höherem Grade des Erbes bewußt, das sie mit allen Christen teilte, und konzentrierte sich weniger auf ihre Besonderheiten. Diesen Fortschritten standen jedoch gewisse Einbußen gegenüber. Die Jünger neigten zusammen mit der übrigen amerikanischen Kirche jener Zeit dazu, in ihrem Denken der Theologie einen geringeren Stellenwert beizumessen, aus dem religiösen Leben eine Suche nach persönlicher Integration unter Christus zu machen - bei gleichzeitigem Verlust des Sinns für die gemeinschaftliche Existenz als der Leib Christi und als das Volk Gottes - und derjenigen biblischen Einsichten verlustig zu gehen, die sich nicht zur amerikanischen Lebensform fügen wollten. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß für alle amerikanischen Kirchenkörper zu dieser Zeit eine ständig zunehmende Akkulturation kennzeichnend war. Die Vertreter des „social gospel" bekämpften einige eingewurzelte soziale Übel, waren aber oft eher auf eine Art christlichen Humanismus ausgerichtet als in folgerichtigem theologischen Denken verwurzelt. 31 In der Freude über ihre Befreiung von der beengenden Gesetzlichkeit der Vergangenheit unterschätzten die Jünger häufig die Bedeutung dieser Irrtümer, während sie sich die Vorteile zunutze machten, die ihnen die neue Freiheit beschert hatte.

D. Wiederentdeckung der Autorität und Empörung gegen jedwede Autorität: 1957-1972 Sehr vieles deutet darauf hin, daß die Kirche der Jünger Christi derzeit in eine neue Periode eintritt. Lassen wir sie mit dem Jahre 1957 beginnen. In jenem Jahr wurde in ihrem Rat für die Einheit der Christen eine Abteilung für ökumenische Studien eingerichtet, in der Jünger Christi Forschungen in biblischer Theologie, Missionstheologie und auf dem Gebiet der Verantwortung der Christen in durch rasche soziale Umschichtungen gekennzeichneten Bereichen betrieben. Mit diesen Kommissionen arbeiteten einschlägige Departments und Abteilungen der Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft zusammen. Im selben Jahr berief die Abteilung für Arbeit und Leben der Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft und der Ausschuß für das höhere Bildungswesen der Christian Church eine Gelehrtenkommission, deren Arbeiten schließlich in drei Bänden, betitelt ,,The Re-

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formation of Tradition", herausgegeben von Ronald E. Osborn (geb. 1917), „The Reconstruction of Theology", herausgegeben von Ralph G. Wilburn (geb. 1909) und „The Revival of the Churches", herausgegeben von W. B. Blakemore (geb. 1912), gesammelt wurden. Die Gesamtreihe wurde von W. B. Blakemore herausgegeben und „The Renewal of Church" betitelt. 32 Im selben Jahr, 1957, einigten sich die Congregational Christian Churches und die Evangelical and. Reformed Church über eine Unionsgrundlage und schufen einen neuen Kirchenkörper, die United Church of Christ, die alsbald mit dem Ziel einer weiteren möglichen Union in Gespräche mit der Kirche der Jünger Christi eintrat. Nur ein Jahr später legte Willard M. Wickizer (geb. 1899) dem Gremienrat der Kirche der Jünger Christi eine Denkschrift vor, die schließlich dazu führte, daß die Kommission für die Umstrukturierung der Brüderschaft beauftragt wurde, die Organisationen der Jünger erneut zu überprüfen und zu vereinheitlichen. Im Rahmen dieser unter der Leitung von A. Dale Fiers (geb. 1906) und Kenneth Teegarden (geb. 1921) und unter dem Vorsitz von Granville T. Walker (geb. 1908) durchgeführten Untersuchung wurde die Grundlage des kirchlichen Lebens einer theologischen Prüfung unterzogen und der Versuch gemacht, die Organisation zu einem geschlossenen Ganzen zusammenzufassen. Im Jahre 1960 hielt Eugene Carson Blake (geb. 1906) in der Gnadenkathedrale zu San Franzisco eine Predigt, durch die er die Kirchenunionskonferenz ins Leben rief, den derzeit größtangelegten, die alten Trennungslinien am entschiedensten durchschneidenden Versuch, eine Kirchenunion zustande zu bringen. Durch ihre Gespräche mit der Vereinigten Kirche Christi 33 gelangten die Jünger im Jahre 1962 in die Konferenz und sind heute zusammen mit acht anderen Kirchen ein geschätztes, vollberechtigtes Mitglied derselben. Wie es bei solchen ernsthaften Diskussionen zu geschehen pflegt, haben die Jünger viele in Vergessenheit geratene oder vernachlässigte Seiten ihres Erbes wiederentdeckt, insbesondere ihre Katholizität. Bei ökumenischen Gesprächen konstatieren die Anglikanische Kirche (hier in ihrem amerikanischen Teil, der Episkopalkirche) und die Kirche der Jünger Christi ihre vielen Gemeinsamkeiten. Die Beteiligung von drei vorwiegend schwarzen Kirchen an der Kirchenunionskonferenz und die seit 1966 besonders intensive Beschäftigung der Konferenz mit Fragen wie z.B. der Rassentrennung, der unterschiedlichen Bestimmung der Mission (ob in erster Linie als Verkündigung oder vor allem als Präsenz) und der unterschiedlichen Stellung zur Gegenkultur haben der Kirche der Jünger Christi manche neuen Perspektiven eröffnet. Eine ausführliche Darstellung der Kirchenunionskonferenz, in den Augen vieler die schöpferischste Bewegung im amerikani-

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sehen Kirchentum in den 1960er und 1970er Jahren, aus der Feder ihres Generalsekretärs, Paul A. C r o w (geb. 1931), eines Jüngers, findet der Leser im zehnten Kapitel dieses Buches. Alle diese Ereignisse haben die Jünger Christi zu einer Neubewertung ihres Erbes und zur Suche nach biblischer sowohl wie theologischer Autorität veranlaßt. Darüber hinaus bemühen sie sich erneut um die Schaffung von verantwortlichen Strukturen. Ihre Selbstprüfung hat die Kirche veranlaßt, viele Grundannahmen des vorangehenden Geschichtsabschnitts in Frage zu stellen, ohne doch aufzuhören, dankbar zu sein für das Geschenk der Befreiung von der Gesetzlichkeit, die diese Periode mit sich brachte, wie auch für den institutionellen Fortschritt, der aus ihrem Bestreben erwuchs, die gesamte Kirche in den Dienst ihrer Gemeinschaftsaufgaben zu stellen. Diejenigen Jünger, die in den letzten Jahren ihre Ausbildung an den Seminarien ihrer eigenen Kirche und an den großen interdenominationellen Seminarien abgeschlossen haben, wie auch diejenigen, die sich durch Lektüre einen Uberblick über den derzeitigen Stand der bibelwissenschaftlichen und theologischen Forschung verschafft haben, haben sich eine neue Einstellung zu ihrem Erbe erarbeitet. Sie sehen in den Anfängen ihrer Kirche viele Werte, deren die Jetztzeit dringend bedarf: einen ausgeprägten Sinn f ü r die Autorität der Bibel, leidenschaftliches Verlangen nach der Einheit der Christen, Ausrichtung auf die in der Welt vorherrschende Auffassung vom notwendigen Kontext theologischen Denkens und Anteilnahme an der Bezeugung des Evangeliums in der Welt. Dennoch sind sie bereit, sich vieler Besonderheiten des vorigen Zeitabschnitts zu entledigen. Ihr differenzierteres Studium der H l . Schrift hat sie davon überzeugt, daß Walter Scotts „Urevangelium" und Alexander Campbells „ursprüngliche O r d nung der Dinge" nur in groben Umrissen, nicht aber in allen Einzelheiten gültig sind. Sie neigen eher dazu, zu den Grundsätzen der früheren Führer der Bewegung, Barton W. Stone und Thomas Campbell, zurückzukehren. Das Prinzip der genauen Wiederherstellung der neutestamentlichen Kirche ist nur vereinzelt hier und da noch kennzeichnend geblieben, w o man einen stagnierenden Status quo vor dem anstrengenderen Bemühen um schöpferisches Denken bevorzugt. Dieses unmögliche und in der Tat fragwürdige Ideal übt keinerlei Einfluß mehr auf die Führer der Kirche der Jünger Christi aus und wird in den kirchlichen Seminarien nicht mehr gelehrt. Statt dessen prägt sich der echte Eifer, ein Volk Gottes zu sein, das fest auf dem Boden der Schrift steht, in dem Bemühen aus, die Aufgabe der Kirche in der Missionierung zu sehen und der Welt die Botschaft der Versöhnung zu bringen. Die Kirche ist der Uberzeugung, daß sie ihre Struktur so ausgestalten muß, daß sie dieser Aufgabe gerecht zu werden vermag. Sie bestrebt sich, ihr Verständnis des Evangeliums in Formen zum Ausdruck zu brin-

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gen, die der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenso angemessen sind wie das auf der Grundlage der Lockeschen Philosophie ausgedeutete Evangelium der amerikanischen Siedlungsgrenze in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angemessen war. Für die Kirche der Jünger Christi ist dies keine leichte Aufgabe gewesen. Die Erlangung einer ausgewogenen Einstellung zur Autorität der Bibel und eines schriftgemäßeren Kirchenverständnisses ist ihr um so schwerer gefallen, als sie sich die Einsichten des Neuprotestantismus und der ökumenischen Theologie, die aus den Vollversammlungen des Weltkirchenrates in Edinburg (1937), Lund (1952) und Montreal (1963) erwuchsen, nur sehr langsam zu eigen gemacht hat und nun plötzlich in eine Periode hineingeschleudert sieht, in der viele Gesichtspunkte, auf die man in der liberalen Periode den Nachdruck legte, im Kontext einer Zeit wiederbelebt werden, in der sich Amerika offenbar anschickt, die christliche Grundlage zu verlassen, auf der die Denkweise der Mehrzahl seiner Bürger beruht hat. Manche neigen daher dazu, in den Theologien, die aus den Schriften von Dietrich Bonhoeffer und aus dem Aufstand gegen Karl Barth erwachsen sind, eine Bekräftigung des liberalen Pragmatismus zu sehen, dem sie die Befreiung von der Jünger-Scholastik verdanken. Viele von diesen haben die vom ökumenischen Rat der Kirchen im Jahre 1967 herausgegebene Studie über die missionarische Struktur der Gemeinde, 34 die Schriften von Colin Williams (geb. 1921)35 und seinen Anhängern und den Nachdruck, den Hans-Ruedi Weber (geb. 1923) auf den kirchlichen Dienst als nebenberufliche Tätigkeit legt, 36 so aufgefaßt, als seien sie nicht in dem sehr viel formaleren Kontext der europäischen Zustände verfaßt, sondern in dem des Jünger-Erbes chaotisch lockerer Strukturen und der langdauernden Herausstellung der Rechte der Laien und der Ortsgemeinde. Dies alles hat zu großen, aber offenbar keineswegs überbordenden Spannungen innerhalb der Kirche der Jünger Christi geführt, die sich in ihrem Falle zu einem anregenden Dialog gestalten lassen, hat sie doch viele von den Versuchen, die der Kirche derzeit anempfohlen werden (Dominanz der Laien, kirchlicher Dienst als nebenberufliche Tätigkeit, Parochialismus) bereits ausprobiert und festgestellt, daß sie katastrophale Auswirkungen haben können, sofern sie nicht durch eine hohe Auffassung von der Autorität der Bibel, der Kirche und des geistlichen Amtes abgesichert sind. Es muß festgestellt werden, daß sich die theologischen Führer der Kirche der Jünger Christi entsprechend ihrer Abneigung gegen jeglichen Extremismus den tiefsten Einsichten des Neuprotestantismus wie der ökumenischen Theologie der 1950er Jahre nach wie vor verpflichtet wissen, natürlich modifiziert durch die Erkenntnisse der neuen Theologie und die unaufgebbaren Werte der klassischen Grundhaltung der Jünger. Sie haben immer be-

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tont, daß die Kirche kein schwacher Abklatsch des Säkularismus sei, sondern eben die Kirche, obschon sie die für manche reformierten Theologen kennzeichnende ablehnende Haltung zur menschlichen Kultur nie geteilt haben. Diese Stellung ist es, die die Kirche der Jünger Christi zu einer Zeit, da viele amerikanische Kirchen zu neuen Ufern aufbrechen, sich indes oft von romantischen Vorstellungen von der Natur des Menschen leiten lassen, manchen ihrer Schwesterkirchen im Nationalrat der Kirchen in den Vereinigten Staaten als hoffnungslos veraltet erscheinen läßt. Die Kirchen Christi in Großbritannien, Neuseeland und Australien sagten sich von einer noch abgestandeneren Jünger-Scholastik los, als es die der Kirche der Jünger Christi in den Vereinigten Staaten und Kanada war, um sich, ohne Zwischenhalt bei dem pragmatischen Liberalismus, der für die Kirchen in den Vereinigten Staaten kennzeichnend war, sogleich der neuprotestantischen Theologie und der ökumenischen Theologie des Weltkirchenrates während der ersten 25 Jahre seines Bestehens (1938-1963) anzuschließen. Das hatte zwei Gründe. Einmal hatte der Jünger-Konservatismus dort länger Bestand, und obwohl es zu einer Abspaltung kam, war diese bei weitem nicht so ausgeprägt wie in den Vereinigten Staaten. Die Jünger-Scholastik dürfte daher im Hauptkörper heute noch eine größere Rolle spielen als in den Vereinigten Staaten. In manchen Gebieten wie ζ. B. Neu-Südwales und Queensland in Australien sind diese Anschauungen noch vorherrschend. Dort sind nur wenige ökumenische Aktivitäten zu verzeichnen; die „Unabhängigen" in den Vereinigten Staaten sind daher bestrebt, diese Kirchen zum Beharren bei der Jünger-Scholastik zu ermuntern, und haben sie aufgefordert, sie bei ihren Angriffen auf die fortschrittlichen Kräfte zu unterstützen. Zum zweiten wurde diese Annäherung an die ökumenische Theologie damals in zwei Gebieten jeweils von einem geistigen Führer betrieben, der zwar gemäßigte Anschauungen vertrat, sich aber von der scholastischen Position eindeutig distanzierte und als maßgeblich an der Ausbildung der Geistlichen Beteiligter auf viele der derzeit führenden Pastoren großen Einfluß hatte. In Großbritannien war dies der langjährige Leiter des Overdale College in Birmingham, William Robinson. Im Gebiet von Neuseeland war dies A. L. Haddon, der, obwohl gebürtiger Australier, die meiste Zeit seines Lebens als Direktor von Glenn Leith zu Dunedin in Neuseeland wirkte. Natürlich vermag ein einzelner nicht ganz allein einen solchen Wandel zu bewirken, doch spielten diese beiden Männer in diesen Kirchen Christi die Rolle, die in den Vereinigten Staaten die Chicagoer Schule, die Führer zu Lexington und die gegenwärtige Generation von Jünger-Theologen gespielt haben. William Robinson (1888-1963) übte auch beträchtlichen Ein-

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fluß auf das Geschehen in Amerika aus, und zwar durch seine Bücher37 wie aufgrund der Tatsache, daß er von 1951 bis 1956 als Professor für christliche Lehre und Theologie an der Butler School of Religion, dem heutigen Christian Theological Seminary, in Indianapolis wirkte. Er erleichterte manchem Theologen den Ubergang vom pragmatischen Liberalismus der Jünger zum Neuprotestantismus. Gegenwärtig ist ein recht lebendiger Gedankenaustausch zwischen den Kirchen Christi in Großbritannien, Neuseeland und Australien und der nordamerikanischen Kirche der Jünger Christi zu verzeichnen, zum Teil durch den Rat für die Einheit der Christen, da mehrere als Teilnehmer oder Beobachter an Unionsgesprächen beteiligt sind und da ein Austausch von Zeitschriften und Schrifttum stattfindet. 38 Der Weltkonvent der Kirchen Christi stellt ebenfalls mancherlei Kontakte her; da er indes auf der Verbindung der „Unabhängigen" und der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten mit den mehr ökumenisch ausgerichteten Körperschaften besteht, begegnet seine Fähigkeit, klare und sachbezogene Feststellungen zu treffen, starkem Zweifel.

II Das Wesen der Kirche der Jünger Christi Für diejenigen, die die Kirche der Jünger Christi nicht kennen (wie auch für diejenigen, die so eng mit ihr verbunden sind, daß es ihnen schwerfällt, sie aus irgendeiner Perspektive zu betrachten), ist es im allgemeinen hilfreich, diese christliche Körperschaft im Vergleich und Gegensatz zu den Hauptzweigen der Gesamtkirche zu betrachten. Die Jünger sollen daher im folgenden aus dem Blickpunkt der alten Kirche, der Reformation, des britischen Puritanismus, der Aufklärung und der Romantik beleuchtet werden.

A. Die alte Kirche Den Jüngern ist in mancher Weise ein starkes katholisches Element eigen. Dem liegt keinerlei Absicht zugrunde. Alexander Campbell hatte starke Vorbehalte gegen die Grundannahmen des Katholizismus und machte daraus bei seiner Diskussion mit Erzbischof Purcell in Cincinnati im Jahre 1837 kein Hehl. Seine freiheitliche Grenzereinstellung und seine Verwurzelung in der Lockeschen Psychologie und Ontologie ließen ihn viele Elemente des katholischen Denkens als absurd verwerfen. Mit der apostoli-

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sehen Sukzession vermochte er nichts anzufangen; sie erschien ihm als ein geschichtlicher Mythos. E r war von dem Gefühl durchdrungen, daß jegliche Art von Autoritarismus die demokratische Freiheit beeinträchtige, für die jeder vernünftige Mensch zu kämpfen bereit sein müsse. D a er das Neue Testament als eine von Gott gegebene Verfassung eher denn als einen Bericht über eine Glaubensgemeinschaft auffaßte - in dem, wenn man die U r kunden in chronologischer Reihenfolge las, die darauffolgenden Zeitabschnitte prägende Strömungen bereits tendenziell vorhanden waren - , sah Alexander Campbell in der Theologie der frühen und späteren Kirchenväter eine Verfälschung der reinen und einfachen Botschaft des Evangeliums. Als begabter Debattierer verstand er es, seine Ansichten mit bestechender Logik darzulegen, und er war in der Lage, sie mit einer genauen Kenntnis der neutestamentlichen Texte zu untermauern. Die Tatsache, daß seine Grundannahmen die damals gängigen waren und daß er mit einem römisch-katholischen Erzbischof zu einer Zeit debattierte, da dessen Kirche jedweden Umsturz auf das heftigste bekämpfte, sicherte seinen Worten eine große Wirkung. Bis vor kurzem sahen sich die meisten Jünger nicht veranlaßt, seine Anschauungen in Frage zu stellen, obschon sie ihre Auffassung wohl nicht so dezidiert und mit einer weniger gründlichen Kenntnis der neutestamentlichen Texte zum Ausdruck gebracht hätten. Heute, unter dem Einfluß einer umfassenderen Kenntnis der Kirchengeschichte und angesichts einer größeren Aufgeschlossenheit für von der ihrigen abweichende Traditionen, würden die führenden Jünger wohl in der Mehrzahl meinen, daß diese Fragen erneut gestellt und geprüft werden sollten. Ihr Kampf mit „unabhängigen" Geistlichen, die ihre Gemeinden in die „Ketzerei" der Jünger-Scholastik mit ihrer Geringschätzung der Ganzheit der Kirche geführt und oft durch bösartige Angriffe auf die Einrichtungen und die Kirchenleitung der Jünger Christi aufgehetzt haben, hat bei den Jüngern eine größere Aufgeschlossenheit für die Probleme, welche die Kirche im zweiten Jahrhundert zu bewältigen hatte, hervorgerufen. Aufgrund ihres Bestrebens, verantwortungsbewußte Geistliche heranzubilden und sicherzustellen, daß diese ihrer Gemeinde gegenüber Verantwortungsgefühl bewähren, sind die Jünger mehr an ordnungsgemäßen Berufungs- und Einstellungsverfahren interessiert und fürchten, daß ein rein charismatisches Verfahren chaotische Zustände schaffen könnte. Manche Kirchenführer sind bei ihren Bemühungen, ein Volk zu leiten, das der genauen Schriftkenntnis, wie sie seine Ahnen besaßen, ermangelt (und offenbar nicht dazu zu bringen ist, sie sich anzueignen), zu der Uberzeugung gelangt, daß Bekenntnissen und Bekenntnisschriften ein Wert eignet, der ihnen in der Zeit des Pragmatismus abgesprochen wurde. Im allgemeinen vermeiden sie jedoch auch weiterhin die Benutzung solcher Bekennt-

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nisse und Bekenntnisschriften und widersetzen sich entschieden allen Versuchen, sie auf eine Weise zu verwenden, die trennend wirken muß. Die neuen Bewegungen in der römisch-katholischen Kirche, die sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entfalteten, wie auch die neue Bekanntschaft der Jünger mit den Ostkirchen, durch die gemeinsame Arbeit in den Kirchenräten, und mit der Anglikanischen Kirche, durch ihre Beteiligung, zusammen mit der Episkopalkirche, an den Kirchenunionsgesprächen, veranlassen die Jünger derzeit, manche Elemente im Bau des Katholizismus mit anderen Augen zu sehen, und bringen ihnen die Tatsache zum Bewußtsein, daß sie katholischer sind, als sie aufgrund ihres dem Katholizismus feindlichen Erbes zu sein vermeinten. Bei ihren Versuchen, die neutestamentliche Kirche wiederherzustellen, fügten die Gründerväter der Kirche der Jünger Christi mehr katholische Elemente in ihren Bau ein, als ihnen bewußt war. Zuerst einmal bauten sie in den kirchlichen Gottesdienst als ein Hauptelement die wöchentliche Feier des Herrenmahls ein. Als Anhänger der Lockeschen Psychologie war es ihnen unmöglich, das Herrenmahl in den Begriffen einer wahrhaft neutestamentlichen Theologie zu interpretieren; im Unterschied zur paulinischen Auffassung stellten sie vielmehr seinen Gedächtnis- und „symbolischen" Charakter (in dem Sinne, den Tillich ein „Zeichen" nennt) heraus. Gleichwohl brachten das wöchentliche Brotbrechen und die Darreichung des Kelches ein starkes katholisches Element in ihren Gottesdienst ein, was ihrer Kirchenleitung in dem Augenblick bewußt wurde, als sie sich auf den Dialog im Rahmen der ökumenischen Bewegung einließ. Nachdem sie in diesem Sakrament allwöchentlich ein Mysterium erfahren hatten, dessen Größe ihre Theologie nicht gerecht zu werden vermochte, waren diese Kirchenführer bereit, es auf eine dem neutestamentlichen Denken gemäßere Weise aufzufassen. Obschon der Liberalismus des dritten Geschichtsabschnitts der Jünger dieser Haltung widerstritt, hat sie sich doch überall dort durchgesetzt, wo echte christliche Erfahrung über ontologische Prämissen zu triumphieren vermochte. Das Problem einer solchen allwöchentlichen Feier an der amerikanischen Siedlungsgrenze, wo ausgebildete Geistliche selten waren, lösten die Jünger dadurch, daß sie örtliche Kirchenführer zu Ältesten ernannten und ermächtigten, das Brot zu segnen und den Kelch darzureichen. Sie taten diesen Schritt jedoch nicht allein aus Zweckmäßigkeitsgründen, sondern auch aufgrund ihrer Überzeugung, daß alle Christen vor Gott gleich und die geistlichen Handlungen zu vollziehen befugt sind. Sie meinten, damit das Werk der protestantischen Reformation, die das allgemeine Priestertum der Gläubigen klar herausgestellt hatte, zu vervollständigen. Die Campbellsche „ursprüngliche Ordnung" sah die Wahl dieser Ältesten durch das Volk

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Gottes vor, das sie zu seinen Vertretern bei dieser geistlichen Handlung ordinierte. Die Ordnung verlangte, daß im Normalfall allein sie am Tisch den Vorsitz führten. Im dritten Zeitabschnitt, in dem funktionelles Denken vorherrschte und der Autorität der Bibel ein geringerer Stellenwert beige-messen wurde, setzte sich in einigen Gemeinden allmählich die Auffassung durch, daß es besser sei, nur ausgebildete Geistliche zu ordinieren. Der Sinn für die geistlichen Qualitäten der Ältesten ging dadurch verloren. Eine Anzahl Gemeinden haben indes die ursprüngliche Regelung beibehalten, und die Arbeitsgruppe für den geistlichen Dienst der Kommission für die Umstrukturierung der Brüderschaft hat sich bemüht, ein mehr theologisches Verständnis der Stellung des Ältesten in der Gesamtkirche zu erarbeiten. Ein weiteres katholisches Element war von Anbeginn an aufgrund des Anteils, den die Kirche der Jünger Christi an der Einheit der Christen nahm, gegeben. Aus dem ersten Satz seiner „Erklärung und Denkschrift": „Die Kirche Christi auf Erden bildet ihrem Wesen, ihrer Bestimmung und ihrer Verfassung nach eine Einheit" geht hervor, daß Thomas Campbell von dem Gefühl durchdrungen war, daß die Kirche von Gott durch Jesus Christus die Einheit als Teil ihrer Wesenheit empfangen habe. Die übrigen Teile der „Erklärung und Denkschrift" machen offenbar, daß ihm die heiligen, katholischen und apostolischen Elemente gleichermaßen am Herzen lagen. Ja, wenn man bedenkt, daß er von den orthodoxen Kirchen so gut wie gar nichts wußte, ist es erstaunlich, wie sehr seine Anschauung der der frühen Kirchenväter glich. Am stärksten wich er von der katholischen Tradition indes in der Art und Weise ab, wie er die Kontinuität mit der apostolischen Kirche herzustellen hoffte. Und zwar wollte er durch radikale Diskontinuität mit allem, was dazwischen lag, mittels „Wiederherstellung" die Kontinuität mit der neutestamendichen Kirche herstellen. 1700 Jahre Kirchengeschichte wurden als Abfall von der Einfachheit des Anfangs aufgefaßt. Alexander Campbell und Walter Scott verurteilten diese Abschnitte der Kirchengeschichte in den denkbar schärfsten Ausdrücken und sahen darin nur korrupte, ehrgeizige, machtbesessene Kleriker am Werk. Sie waren ehrlich davon überzeugt und erklärten rundheraus, daß sie erstmals seit dem Ende der neutestamentlichen Zeit gleich den Aposteln einwilligende Gläubige dem Christentum zugeführt hätten. Während manche Glieder und einige wenige Führer der Kirche der Jünger Christi nach wie vor diese Auffassung vertreten, haben eine gründlichere Kenntnis der Kirchengeschichte, Erfahrungen mit einigen Problemen institutionellen Verhaltens und intensivere Kontakte mit anderen Teilen des Leibes Christi in Gestalt von Gesprächen im Rahmen der ökumenischen

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Bewegung - darunter eine Reihe bilateraler Unterhaltungen mit Vertretern der römisch-katholischen Kirche - viele Kirchenführer davon überzeugt, daß Kontinuität zu den Kennzeichen der Kirche gehört und die Jünger nunmehr den Nachdruck auf sie legen sollten.

B. Die Reformation Die frühen Jünger sahen in sich selbst Reformer. Sie empfanden hohe Achtung vor den Führern der Reformation, obschon sie oft das Gefühl hatten, die Umstände hätten diese daran gehindert, aus den von ihnen verkündeten Prinzipien die logischen Folgerungen zu ziehen. Die beiden Grundsätze, die sie besonders hochhielten, waren die Notwendigkeit einer schriftgemäßen Reformation der Kirche und das allgemeine Priestertum der Gläubigen. Die vier Gründerväter waren sämtlich aus der presbyterianischen Kirche hervorgegangen. Zwei von ihnen, Thomas Campbell und Barton W. Stone, waren zu presbyterianischen Geistlichen ordiniert worden. Walter Scott, der ursprünglich der Kirche von Schottland angehört hatte, aber schottischer Baptist (Glasit) geworden war, zeigte ebensoviel Eifer für eine Reformation unter Gottes Wort. Sie alle verwarfen zwar die starre Prädestinationslehre des Calvinismus des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts und betonten, daß Christus für alle Menschen gestorben sei und daß allein die Leugnung der selbstevidenten Wahrheit und der Gnade des Evangeliums einen Menschen aus dem Reiche Gottes ausschließen könne, hielten aber an den meisten Grundelementen des reformierten Glaubens fest. Mißtrauisch gegen Glaubensbekenntnisse, in denen sie Werkzeuge der Spaltung sahen, verwarfen sie den Gebrauch dieser Zusammenfassungen des Glaubens, erachteten aber viele solcher Artikel als selbstevidente Wahrheiten, obschon sie gesagt haben würden, es sei besser, sie den lebendigen Offenbarungen der Hl. Schrift zu entnehmen und in biblischen Wendungen zu formulieren. Ihr Lieblingsschlachtruf lautete: ,,Kein Glaubensbekenntnis, allein Christus; kein Buch, allein die Bibel!" Die vier Gründerväter und viele ihrer Mitarbeiter in der Wiederherstellungsbewegung besaßen ebenso wie die meisten Geistlichen an der Siedlungsgrenze eine gediegene Bildung. Sie bemühten sich von allem Anfang an, allgemeinbildende Colleges im Grenzland einzurichten, waren sie doch von der Notwendigkeit eines geistig hochstehenden Pfarrerstandes überzeugt. Für ein theologisches Studium hatten sie nur Verachtung übrig, denn sie glaubten, die Seminarien seien Zufluchtsorte und Brutstätten des Sektierertums. In ihren eigenen theologischen Systemen sahen sie nichts anderes

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als die einfache und unverfälschte Übermittlung des offenbaren Sinnes des Bibeltextes. Niemals argwöhnten sie, daß ihre Anschauungen, die jetzt zu Prüfsteinen gemacht wurden, in wachsendem Maße zu eben den Spaltern der Kirche werden sollten, die ihnen in den Systemen anderer so zuwider waren. In dem Zeitabschnitt 1866-1917 war die Ausbildung der Geistlichen nur allzu häufig lückenhaft und unzulänglich, wenn den Kandidaten auch eine gründliche Bibelkenntnis vermittelt wurde, die vielen später ausgebildeten Geistlichen gut anstehen würde. Bevor die Jünger sich anschickten, sich von ihren beengenden Vorurteilen frei zu machen und eine Ausbildung in den größeren Ausbildungsstätten anzustreben, hatten sie nur wenige umfassend gebildete Kirchenführer. Seither haben sie sich ständig um die Hebung des Niveaus des theologischen Studiums bemüht und das Ziel verfolgt, den Interpreten der Hl. Schrift zu einem gelehrten Pastor zu machen, wie er den Reformatoren vorschwebte. Unter den Jüngern wurde der Nachdruck, den die Reformatoren auf die Rechtfertigung durch den Glauben legten, abgeschwächt durch ihr auf Locke fußendes Verständnis des Glaubens als Fürwahrhalten der Zeugnisse, daß der historische Jesus der Christus, der Sohn Gottes, sei. Das Element des Vertrauens ging ebenfalls in ihr Glaubensverständnis ein, doch wenngleich sie diese Formulierung der „Rechtfertigung durch den Glauben" mit Begeisterung angenommen hätten, neigten sie dazu, sich die tiefe paulinische und lutherische Bedeutung dieses Losungswortes der Reformation entgehen zu lassen. Scotts „wiederhergestelltem Evangelium" wohnte die Tendenz inne, aus Glauben, Reue und Taufe Werke zu machen, durch die der Mensch seine Erlösung ermöglichte, doch legte man keinerlei Nachdruck auf „Werke" im katholischen Sinne, als ein Gnadenmittel. Die Geisteshaltung der Jünger neigt sehr viel mehr dem Lockeschen Rationalismus, dem Liberalismus des 20. Jahrhunderts, der Social-Gospel-Bewegung und der Tillichschen Achtung vor der Welt zu als der Barthschen Anschauung. Die Jünger entfalteten sich in Gebieten, die von den Mittelpunkten des nordamerikanischen Luthertums weit entfernt lagen. Der deutsche Einwanderer, dem der Jünger von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts begegnete, war im allgemeinen eher ein Pietist als ein ausgeprägter Lutheraner. Von denjenigen, die in der ökumenischen Bewegung mitarbeiten, abgesehen, kommen die Jünger immer noch kaum mit Lutheranern in Berührung, da Jünger und Lutheraner nur in seltenen Fällen dieselben theologischen Ausbildungsstätten besuchen und da die beiden Bewegungen niemals Unionsgespräche, weder miteinander noch im Rahmen der Kirchenunionskonferenz, geführt haben.

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Diese ihre Distanz zum Luthertum hat es den Jüngern, in Verbindung mit ihrem Grenzerpragmatismus, schwergemacht, lutherische Positionen, wie z . B . das „¡ola gratia", zu würdigen. Jüngere Kirchenführer der Jünger und diejenigen unter ihnen, die die Entwicklung der zeitgenössischen Theologie verfolgt haben, haben sich mit der Wiederentdeckung Lutherscher Gedanken und der Rückkehr zu den Grundprinzipien der Reformation auseinandergesetzt. Viele Jünger haben die Gnadenlehre indessen eher bei Tillich als bei Luther entdeckt. Tillichs Predigt „Dennoch bejaht" 39 gehört zu den am häufigsten zitierten Äußerungen eines modernen Theologen. Die meisten Jünger sehen in sich selber überzeugte Protestanten; ihre Distanz zum Luthertum wird durch ein enges Verhältnis zur reformierten Uberlieferung bei den Campbeils wie bei Stone wettgemacht. 40 Auf einem Gebiet theologischen Denkens wichen die Gründerväter der Jünger, Stone, die Campbells und Scott, sowohl vom reformierten Gedankengut wie vom Luthertum ab, nämlich auf dem des Verhältnisses von Christentum und Kultur. Unglücklicherweise teilten die Jünger mit der reformierten Tradition einen Argwohn gegen die schönen Künste. Sie forderten nicht nur Gottesdiensträume ohne jeden überflüssigen Schmuck, der den Sinn der Gläubigen von der Verkündigung des Wortes Gottes abzulenken drohe, sondern waren auch in der Mehrzahl der Ansicht, die Lektüre von Romanen sei der strengen Sittlichkeit, der sie sich zu befleißigen trachten, wenig förderlich. Obwohl sie vermutlich gleich den Puritanern im Unterbewußtsein die literarischen Qualitäten der Hl. Schrift genossen und sich bei ihrer Lektüre wie beim Anhören der Predigt durch die Schönheit der Sprache angesprochen fühlten, waren sie fest davon überzeugt, daß ihr Zweck darin bestehe, die Gläubigen zu belehren, ihnen Kenntnisse zu vermitteln und Gottes Heilsplan für die Menschheit darzulegen, und nicht darin, die Sinne und die Phantasie anzuregen. Der Sinn der Anglikaner und Lutheraner für die ästhetischen Qualitäten des Gottesdienstes oder ihr Gefühl für die Notwendigkeit einer schönen und plastischen Kultsprache ging ihnen ab. Glücklicherweise haben viele heutige Jünger diesen Mangel ihres klassischen Erbes erkannt und beseitigt, wenngleich der künstlerische Geschmack auch heute noch bei ihnen längst nicht so ausgeprägt ist wie bei den Lutheranern und Anglikanern. Dennoch ist die Stellung der Jünger zum Verhältnis von Kirche und Kultur in ihren geistigen und politischen Ausprägungen von jeher eine viel unbefangenere und positivere gewesen als die der reformierten Tradition, aus der ihre Gründerväter hervorgingen. Die aufklärerischen Elemente in ihrem Grundannahmengeflecht ließen sie auf der Trennung von Kirche und Staat, was die gesetzlichen Formen und die Institutionalisierungen betraf,

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bestehen, doch wäre es ihnen niemals in den Sinn gekommen, einem religiös indifferenten Pluralismus das Wort zu reden. Jegliche Vereinigung von Kirche und Staat, wie sie im Genf Calvins, im England Cromwells oder im Neu-England der Mathers 4 1 stattfand, war ihnen zutiefst zuwider, doch hätten sie die Scheidung zwischen dem Einzelmenschen und der Verantwortung für ihn als politisches und religiöses Wesen, wie sie in der lutherischen Tradition vorherrschend wurde, ebenso abgelehnt. Wohl sollten Kirche und Staat frei sein und sich jeglicher wechselseitigen Einmischung enthalten, aber die Gründerväter hatten keinen Zweifel, daß das politische Experiment, das die Vereinigten Staaten darstellten, auf denselben Idealen fußte, die die „Reformationsbewegung des 19. Jahrhunderts" 4 2 beseelten, welche die Jünger zu schaffen im Begriff standen. Sowohl ihr Verhältnis zur Gesellschaft, zu dem sie durch die Lektüre der neutestamentlichen Texte und vielleicht aufgrund eines ihnen unbewußten Hervorbrechens ihres katholischen Erbes gelangt waren, wie auch die neue Haltung zum Verhältnis von Kirche und Staat, die John Locke in seinem ,,Brief über die Toleranz" 4 3 dargelegt hatte, bewirkten, daß die Jünger sich in ihrer Kultur äußerst heimisch fühlten und sie bewunderten, wenn sie sie auch nicht vergötterten. 4 4 Da sie niemals einer Verfolgung seitens des Staates ausgesetzt gewesen sind, wie sie die britischen reformierten Kirchen im 16. und 17. Jahrhundert erduldeten, noch in eine ernsthafte Konfrontation mit ihm eintreten mußten, wie ζ. B. die lutherische und reformierte Kirche mit Hitler, ähnelt die Stellung der Jünger zu dieser Frage mehr der des Anglikanismus, besonders des Anglikanismus, der aufgehört hat, Staatskirche zu sein. Sie haben niemals eine staatskirchliche Stellung angestrebt, in den Vereinigten Staaten aber oft ihre Übereinstimmung mit der amerikanischen Kultur, zum wenigsten in ihrer idealen und theoretischen Gestalt, betont, indem sie die Öffentlichkeit darauf hinwiesen, daß sie eine amerikanische religiöse Bewegung sind. Dieser Faktor bildet einen der Hauptunterschiede zu den britischen Churches of Christ, die immer eine kleine Minderheit gewesen sind und einer Staatskirche oder zumindest einer kulturell allgemein akzeptierten Kirche gegenübergestanden haben. Dieser Faktor ist es zweifellos, der derzeit einige innere Spannungen bei den Jüngern im Blick auf die Probleme und das Klima hervorruft, die die Gegenkultur und ihre Theologie der Revolution geschaffen haben. Die aus der reformierten Tradition hervorgegangenen amerikanischen Kirchen vermögen sich leichter in die Gegenkultur einzufühlen als die meisten Glieder der Kirche der Jünger Christi. Es ist von Interesse zu bemerken, daß die lutherischen Kirchen in den Vereinigten Staaten, die ja den Konflikt mit dem Dritten Reich nicht zu bestehen hatten, und die Kirche der Jünger Christi feststellen konnten, daß sie bei der Konfrontation mit den Proble-

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men, die aus dem Angriff auf das amerikanische System durch die in der Gegenkultur zusammengeschlossenen Kräfte erwuchsen, manches miteinander gemein haben.

C. Der britische Puritanismus Den Jüngern eignen sicherlich noch manche Besonderheiten derjenigen Entwicklung der Reformationstheologie, die als britischer Puritanismus bekannt ist. Sie teilen dessen starkes Interesse an der Kirchenverfassung und seine tief eingewurzelte Abneigung gegen Bischöfe, desgleichen seine eifervolle Begeisterung für die Demokratie und seine panische Furcht vor der Tyrannis geistlicher Herren über menschliche Seelen. In Hinsicht der Kirchenverfassung neigten die Jünger dazu, sich eher auf die Seite der Kongregationalisten und Baptisten zu schlagen als auf die der Presbyterianer. Sie vertraten häufig eine strenge Moral und tendierten zuweilen zu der sektiererischen Anschauung von einer gesammelten Kirche. Diese Elemente waren von Anbeginn in beiden Bewegungen, die zusammen die Kirche der Jünger Christi bildeten, vorhanden, wurden jedoch in der Anfangszeit in Pennsylvanien und Ohio durch eine siebzehn Jahre währende, doch eher disharmonische Eingliederung in Baptistenvereinigungen und durch die eher baptistische Auffassung von Bekehrung, wie sie Walter Scott vertrat, noch verstärkt. Die Weltkirche neigt zwar zumeist dazu, die Kirche der Jünger Christi wegen ihrer Taufweise, ihrer kongregationalistischen Ordnung und ihres kompromißlosen Bestehens auf der Trennung von Kirche und Staat der baptistischen Religionsfamilie zuzurechnen, und viele Jünger stimmen ihr darin zu, doch ist eine solche Einordnung falsch und bewirkt nur, daß den Jüngern viele Dinge zugeschrieben werden, denen sie sich widersetzt haben. In Wirklichkeit haben drei Elemente ihres Erbes sie daran gehindert, zu einer Art baptistischer Separation zu werden. Es sind dieselben, an denen alle ihre bilateralen Unionsgespräche mit den amerikanischen Baptisten gescheitert sind. Das erste davon war die Lehre der Jünger, daß die Taufe einen wesentlichen Teil des Erlösungsvorgangs bilde. In der Zeit des Pragmatismus neigten zwar einige ihrer Kirchenführer dazu, in der Taufe ein entbehrliches Symbol zu sehen, und andere faßten sie lediglich als sichtbares Zeichen von etwas auf, das schon im Bekenntnis stattgefunden hatte, doch die meisten Jünger waren zu sehr in der Hl. Schrift verwurzelt, als daß sie die Taufe nicht als Vorschrift, der Gehorsam geschuldet war, und als Akt der Einpflanzung in den Leib Christi aufgefaßt hätten. Ihre rationalistische

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Grundeinstellung machte sie auch gegen Berichte von Bekehrungserlebnissen argwöhnisch, und für Bekundungen darüber, daß jemand wahrhaft erlöst sei, hatten diese freiheitsstolzen Grenzer nur Verachtung übrig. Sie konnten sich daher nicht entschließen, die Idee einer gesammelten Kirche, wie sie die Wiedertäufer und Pietisten vertraten, anzunehmen, obgleich solche Gedankengänge bisweilen von ihren Erweckungspredigern vorgetragen wurden. Die nüchterne, realistische Einstellung der Jünger verlangte objektivierbare Geschehnisse, die weder von der subjektiven Erfahrung des einzelnen noch von dem subjektiven Urteil einer „gesammelten" Gemeinde abhingen. Hier wurde bei ihnen vermittels der Aufklärungsidee ein katholischer Zug offenbar. Eng verknüpft hiermit war ein zweites: Barton W. Stones Weigerung, die Taufe durch Untertauchung zu einem Prüfstein der Gemeinschaft zu machen, und die anhaltende Bereitschaft seiner „Christen" und ihrer geistlichen Nachfahren in der vereinigten Körperschaft, auch die auf andere Weise vollzogene Taufe als gültig anzusehen. Die Jünger waren zu einer Taufe durch Untertauchung der darin einwilligenden Gläubigen nicht aufgrund einer Lehre von der Kirche als einer gesammelten Gemeinschaft gelangt, sondern durch ihre Bemühungen um Wiederherstellung dessen, was sie für die offenkundige neutestamentliche Praxis hielten. Während der Zeit der Jünger-Scholastik war die Zahl derer, die die Taufe in anderen Religionsgemeinschaften akzeptierten, zwar auf ganz wenige zusammengeschrumpft, doch als die Kontakte mit der Weltchristenheit häufiger wurden und die offene Kommunion sich durchsetzte, begannen viele Glieder der Kirche der Jünger Christi auf die Stonesche Übung zurückzugreifen und sich zu weigern, das Taufalter und -verfahren zum Prüfstein der Gemeinschaft zu machen. Diese Einstellung hat sich seither immer mehr verfestigt. Ein drittes Element, durch das sich die Jünger deutlich von den Baptisten unterschieden, war die Auffassung von der Kirche, die ihrer Anteilnahme an der Einheit der Christen und der Einigung der Kirchen zugrundelag. Dieses Element in ihrer Tradition geriet in der Zeit der Jünger-Scholastik mehr oder minder in Vergessenheit, erfuhr aber in dem Maße, wie sie mit anderen Kirchen auf dem Gebiet des Bildungswesens und in der ökumenischen Bewegung Kontakt aufnahmen, eine Wiederbelebung und erstarkte. Wenn man die Kirche ihrem Wesen nach als Einheit auffaßt, so wird eine „gesammelte" Kirche ein schwer zu fassender Gedanke. Man muß dann entweder die Mitgliedschaft vieler getaufter Christen verneinen und sich mit weniger objektiven Zeichen einer Mitgliedschaft begnügen, oder aber die Einheit der Christen als einen geistlichen Zusammenhalt auffassen, der nur im Eschaton offenbar werden kann. Zu bemerken ist, daß Thomas Campbell die Ansicht vertrat,, ,die Kirche Christi auf Erden" bilde,,ihrem

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Wesen, ihrer Bestimmung und ihrer Verfassung nach eine Einheit". Als amerikanische Grenzer in der Philosophie des gesunden Menschenverstandes verwurzelt, forderten die Jünger objektive Beweise für die Einpflanzung in den Leib Christi. Sie meinten, dieselben in der Hl. Schrift zu finden. Thomas Campbell war Anglikaner, sein Vater römisch-katholischer Konfession gewesen. Möglich, daß er dadurch ein Gefühl für die katholischen Anschauungen mitbekam. Wie dem auch sei, der Gedanke der essentiellen Einheit der Kirche fügt sich nicht leicht zu dem einer gesammelten Kirche oder zur Wiedertaufe. Dieses Element in ihrem Erbe hat die Jünger daran gehindert, die baptistische Theologie anzunehmen. Es hat sie in den letzten Jahrzehnten veranlaßt, die von der Jünger-Scholastik befürwortete Wiedertaufe in Frage zu stellen.

D. Die Aufklärung Unsere früheren Ausführungen über die Aufklärungselemente, die in die klassische Lehre der Jünger eingingen, mögen hier genügen. In der Tat verleiht die großzügige Aufnahme dieser Elemente bei ihrer Verschmelzung im Jahre 1832 wie bei ihrer Entstehung als zwei Bewegungen für die Einheit der Christen der Kirche der Jünger Christi ihr einzigartiges und erkennbares Gepräge, wenn man diesen Teil des Leibes Christi neben seine anderen Teile stellt. Die Jünger sind im Ökumenischen Rat der Kirchen die einzige Kirche, die in diesem Zeitabschnitt und aufgrund der Konvergenz dieser Faktoren ins Dasein trat. 45 In Amerika gingen die Unitarier aus der Aufklärungsphilosophie hervor. In seiner Frühzeit wurde Barton W. Stone wegen seines Rationalismus, seiner Infragestellung der orthodoxen Anschauungen von der Dreieinigkeit und seiner Gegnerschaft gegen den strengen Calvinismus oft mit dieser Gruppe verwechselt. Die Unitarier waren jedoch nicht im gleichen Maße wie die Kirche der Jünger Christi an der katholischen Bestimmung der Einheit der Kirche interessiert, und ihr ursprüngliches Interesse an der Hl. Schrift schwächte sich bald ab. Bei den Jüngern wurde der Rationalismus und Universalismus der Aufklärung durch eine reformierte Achtung vor der Autorität der Bibel und ein katholisches Eintreten für die wesenhafte Einheit der Kirche ausgeglichen. Dies bewahrte sie davor, in eine Art theistischen Humanismus oder in synkretistische Freigeisterei zu verfallen. In den Jahren 1917-1957, in denen sich die Autorität der Bibel in manchen Kreisen abschwächte, begannen solche Einstellungen nach und nach offenbar zu werden. Leider gibt es heute etliche Kreise, die durch „Humanismus" oder „Freigeisterei" gekennzeichnet sind. Das Hauptcharakteristi-

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kum des im Jahre 1957 beginnenden Zeitabschnitts ist das Bemühen, zwischen den drei Elementen Rationalismus, Universalismus und Autorität der Bibel eine schöpferische Spannung aufrechtzuerhalten. N u r die Zukunft kann erweisen, ob diesem Versuch Erfolg beschieden sein wird, doch möchte Schreiber dieser Zeilen meinen, daß allein ein solches Gleichgewicht die Jünger instand zu setzen vermag, einen konstruktiven Beitrag zur Weltkirche zu leisten und sich an Zusammenschlüssen zu beteiligen. Die Jünger haben nun einmal ein Erbe, daß eine amerikanische Mischung von Lockescher Philosophie und einer ernsten Bibelgläubigkeit darstellt. Diese Mischung bestimmt auch heute noch viele ihrer Positionen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Jünger durch ein demütigeres Ergreifen dieses Erbes zu einer schöpferischen Kraft in einer Gesellschaft zu werden vermögen, in der der Säkularismus, der das Kind der Aufklärungsphilosophie ist, sich über die ganze Welt ausbreitet und in der die Kirche verzweifelt nach einer Wechselbeziehung Ausschau hält, mit deren Hilfe sie das Evangelium dem neuen, mündig gewordenen Menschen auf schöpferische Weise nahezubringen vermag.

E. Die

Romantik

Aus der Zeit der Frühromantik sind den Jüngern zwei Einflüsse überkommen, über deren Wert man streiten mag. Einer dieser Einflüsse ist eine romantische Auffassung vom Menschen, die die Menschennatur für im Grunde gut hält, sofern sie nicht durch den Intellektualismus einer kraftlosen und zynischen Kultur verdorben ist. Der andere ist eine pietistische Grundeinstellung, die den Nachdruck auf die Bekehrung des einzelnen legt und eine Verhaltensnorm aufstellt, die den einzelnen zu vervollkommnen trachtet, aber nur wenig Anteil an den gesellschaftlichen Strukturen nimmt. Einer unserer großen Kirchengeschichtler, W. E. Garrison, hat erzählt, er habe von einem Vorfahren ein Exemplar von Rousseaus „Gesellschaftsvertrag" {„Contrat social") geerbt, das dieser zu derZeit gelesen habe, als Barton W. Stone in Kentucky predigte, und zweifellos habe sein Ahne die beiden miteinander in Verbindung gebracht, wozu er sicherlich durch Stones Stellung zum Calvinismus angeregt worden sei. Am Beginn des 19. Jahrhunderts sahen ja viele Europäer und noch mehr Amerikaner in den Vereinigten Staaten eine Art Garten Eden, in dem sich dem natürlichen Menschen fern von den in der Vergangenheit wurzelnden, korrumpierenden Kulturen endlich die Gelegenheit biete, die ihm von Gott verliehenen Gaben zu entfalten. Diese Anschauung prägt sich in den Schriften und Predigten damaliger Jünger deutlich aus. Die paulinische Auffassung von der

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Menschennatur war in Vergessenheit geraten, und die Hl. Schrift mußte sich zu der damaligen philosophischen Einstellung der Jünger fügen. Die heutigen Jünger - die inmitten einer nunmehr alternden Kultur leben und sich bewußt sind, daß viele der Übel, die diese für vermeidlich hielt, bloß die natürlichen Ergebnisse sündhaft-menschlichen Tuns in Gestalt des Aufbaus einer habgierigen, zweideutigen, städtischen Oberflußgesellschaft sind - sind durch ihr Verständnis der Welt und der Mission der Kirche an sie dazu gekommen, den Wert dieses Teils ihres Erbes in Frage zu stellen. Manche halten indes an ihm fest und möchten die paulinische und Bardische Auffassung als desillusionierten Pessimismus verwerfen. Selbst diejenigen Jünger, die der Auffassung des 19. Jahrhunderts von der Menschennatur kritisch gegenüberstehen, sind der Ansicht, daß die Anthropologie der Gründerväter zwar allzu optimistisch gewesen sei, unser Glaube an die Gnade Gottes und an die ursprüngliche Güte seiner Schöpfung den Menschen aber vor der Verzweiflung bewahren und mutig die Veränderungen in Angriff nehmen lassen sollte, die er zu bewirken vermag, jedoch im Bewußtsein, daß der Mensch auch im besten Falle immer noch der radikalen Vergebung bedarf. Es ist zu bemerken, daß die klassische Position der Jünger zwar die Tendenz zeigte, die damals vorherrschende, den strengen Calvinismus charakterisierende Auffassung von der Menschennatur zu modifizieren, aber viel zu sehr auf die Bibel ausgerichtet war, als daß sie Rousseaus naiven Optimismus voll und ganz zu akzeptieren vermocht hätte. Es war der Optimismus der 1920er Jahre, in denen sich der Sinn für die Autorität der Bibel abgeschwächt hatte, der die Freiheit zu einem Fetisch machte und jegliche Hinweise auf die biblische Auffassung, mochten sie noch so gemäßigt sein, verwarf. Es gehört zu den Ironien der Jetztzeit, daß, während die Führung der Jünger unter dem Einfluß von Reinhold Niebuhr und Karl Barth zu einer mehr realistischen, paulinischen Menschenauffassung zu gelangen versucht, viele der führenden Theologen in ihren Schwesterkirchen und einige Kirchenmänner in ihren eigenen Reihen sich unter dem Einfluß der „neuen" Theologie abermals zu dieser optimistischen Auffassung von der Menschennatur bekennen. 46 Angesichts der traditionellen Isoliertheit der Amerikaner und ihres ständig wachsenden Lebensstandards, an dem die meisten, wenn auch keineswegs alle Bürger teilhaben, liegt es gewiß sehr nahe, sich aufs neue den Rousseauschen Glauben an die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen zu eigen zu machen und entweder über die Sündhaftigkeit hinwegzusehen, die allen Gesellschaften inhärent ist, oder aber sie klar zu erkennen, zornerfüllt zu verdammen und zu postulieren, daß sie durch eine Systemänderung oder einen Appell an das christliche Gewissen aus der Welt zu schaffen sei. Diese Tendenzen haben sich infolge der heftigen Reaktionen

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von Minderheiten auf die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft und durch das Schuldbewußtsein, das viele amerikanische Kirchenführer daraufhin an den Tag legten, noch verschärft. Eine weitere Verschärfung haben sie durch die Neigung vieler Reformer erfahren, den Menschen aus einer an Karl Marx gemahnenden Perspektive zu betrachten (wonach er schuldig oder rein ist, je nachdem ob er ökonomisch zu den Unterdrückern oder zu den Unterdrückten gehört), wie auch durch jene Art von Leugnung des Wesens von Gesellschaften und des historischen Prozesses, wie sie für die sogenannte Neue Theologie und die Hier-und-jetzt-Generation 47 mit ihrer Gleichgültigkeit gegenüber der menschlichen Geschichte als einem Wegweiser zum Möglichen in der Gesellschaft typisch ist. Die Erweckungsbewegung in Amerika, aus der Barton W. Stones Christen hervorgingen und die in dem Zeitabschnitt 1866-1917 bei den Jüngern dominierte, war eine religiöse Erscheinungsform derjenigen Strömung in Kunst, Literatur und Philosophie, die man als Romantik bezeichnet. Sie war ein zweifelhaftes Geschenk. Auf der einen Seite tendierten die der Erweckungsbewegung innewohnenden individualistischen Strebungen dahin, dem kirchlichen Gemeinschaftsleben eine untergeordnete Rolle zuzuweisen. Die Bewegung tendierte überdies dahin, Empfindsamkeit und Subjektivität bis zu einem Punkt voranzutreiben, wo das vernunftgemäße Denken über den christlichen Glauben nichts mehr galt, Objektivität und sakramentale Frömmigkeit verlorengingen und es bei der Taufe oder während des Herrenmahls allein auf die Gefühle des Gläubigen ankam. In der frühesten Zeit geriet die Bewegung Barton W. Stones in den Strudel dieser innigen Anteilnahme an der Welt, und in Walter Scotts Predigten waren derlei Regungen nicht selten. Doch der standfeste Rationalismus und die Bibelgläubigkeit der Jünger bewahrten sie davor, dieser Erweckungsbewegung im gleichen Maße zu erliegen, wie es die Methodisten und Baptisten (die nicht im gleichen Maße Kinder der Aufklärung waren) taten. In dem Geschichtsabschnitt 1866 bis 1917 geriet die philosophische Grundeinstellung der Gründerväter der Jünger indes in Vergessenheit oder wurde nur als verschüttetes Erbe bewahrt. Das Wachstum der Kirche vollzog sich in einem unwahrscheinlichen Tempo. In den dreißiger Jahren von 1830 bis 1860 verneunfachte sich die Mitgliederzahl der Kirche der Jünger Christi. Dieses rapide Wachstum überzeugte viele Jünger von der Richtigkeit ihrer Position und bewirkte eine Stärkung des in ihrer theologischen Einstellung und ihrer kulturellen Umwelt bereits vorhandenen Individualismus. In dem folgenden Zeitabschnitt, in dem die Autorität der Bibel an Einfluß einbüßte, wurde ihre Denkweise in einer Weise von Subjektivismus beherrscht, die uns allein die neue Suche nach Autorität offenbar gemacht hat. Man muß anerkennen, daß die Erweckungsbewegung ungeachtet ihrer vie-

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len bedenklichen Seiten in Amerika auch manches Gute bewirkte. Durch sie wurden viele Menschen genötigt, über die Notwendigkeit der Herrschaft Christi in ihrem Leben nachzudenken. Obschon zuzugestehen ist, daß bei den Bekehrungen und in dem christlichen Lebenswandel, den sie bei den Bekehrten bewirkten, oftmals eine Art Selbstgerechtigkeit wenig schöne Resultate zeitigte, waren die, die diesen Vorgang an sich erlebten, gewöhnlich doch von einer tiefen Anteilnahme an den Seelen ihrer Mitmenschen erfüllt. Diese äußerte sich nicht nur in dem Bemühen, den Nächsten von der Notwendigkeit eines innigen Verhältnisses zu Christus zu überzeugen, sondern erzeugte auch die Dynamik, die in alle Weltgegenden Missionare mit der Botschaft des Evangeliums entsandte. Den Jüngern war sowohl die Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit in bezug auf ihre eigene Erlösung wie auch die Anteilnahme an der Welt eigen, durch die sich - was in Europa nicht unbekannt war - die übrige amerikanische Christenheit kennzeichnete. Das Erlebnis dieser Missionstätigkeit wurde dann eine der Kräfte, die die Jünger von ihrer provinziellen Enge befreiten und zur Begegnung mit anderen in der ökumenischen Bewegung führten. Gleichwie bei den amerikanischen Episkopalen war bei ihnen die Anschauung vom Wesen der Kirche und der Nachdruck auf der Einheit der Christen eine weitere mächtige Kraft, die ihre Befreiung vom Pietismus vorantrieb. Es war kein Zufall, daß der ursprüngliche Antrieb zur Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung den Bemühungen zweier amerikanischer Episkopaler und einem Angehörigen der Kirche der Jünger Christi zu verdanken war. Im vorliegenden Kapitel haben wir versucht, die Positionen darzulegen, zu denen sich die Kirche der Jünger Christi heute angesichts der gegenwärtigen theologischen, soziologischen und kulturellen Verwirrung des Westlers durchgerungen hat. In den folgenden Kapiteln, in denen diese Kirche unter verschiedenen Kategorien behandelt werden wird, werden sie noch des öfteren zur Sprache kommen und mit größerer Ausführlichkeit im Schlußkapitel, das die Zukunft der Kirche der Jünger Christi erörtert.

ANMERKUNGEN 1

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Declaration and Address by Thomas Campbell, Last Will and Testament of the Springfield Presbytery by Barton W. Stone and Others, St. Louis (The Bethany Press) 1955, S. 17-22. Ausführlicher Bericht über seine Erlebnisse in: Rhodes Thompson (Hg.), The Biography of Elder Barton Warren Stone Written by Himself, St. Louis (The Bethany Press) 1954, S. 29-137.

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a.a.O., S. 23-109. ebda., S. 44. ebda., S. 47. ebda., S. 45. In diesem Kapitel wird der gegenwärtige Name der Kirche benutzt, wenn von diesem Teil des Leibes Christi die Rede ist, obschon er erst 1968 offiziell in Gebrauch kam. Vorher hatte sich die „Christian Church (Disciples of Christ)" zu verschiedenen Zeiten wie folgt genannt: „Christian Churches,,,Restoration Movement", „Disciples of Christ", „Christian Churches (Disciples of Christ)". Außerhalb der Vereinigten Staaten ist der Name „ Churches of Christ" üblich, obschon die Tatsache Verwirrung schafft, daß eine Abspaltung im Jahre 1906 ihn für eine die Orgel als Instrument des Gottesdienstes ablehnende, fundamentalistische Gruppe wählte, die ihre derzeitige Mitgliederzahl mit zwei Millionen angibt. Dies war Walter Scotts Ausdruck für das nach seiner Uberzeugung schriftgemäße Verfahren, wie der Mensch zu Christus in Beziehung trat und ein Teil seiner Kirche wurde. Alexander Campbell, The Christian System, Cincinnati/Ohio (The Standard Publishing Company) o. J. John Locke, The Reasonableness of Christianity, London (Adam and Charles Black) 1958 (Vernünftigkeit des biblischen Christentums, Gießen 1914). Die Anfrage dieser „frommen Dame" und Alexander Campbells Antwort wurden in seiner Zeitschrift „The Millennial Harbinger" veröffentlicht (1837, S. 411 f., 414, 506 f.). Robert Milligan, The Divine Scheme of Redemption, St. Louis (The Bethany Press) 1957. J. W. McGarvey, New Commentary on Acts of Apostles, Cincinnati (Standard Publishing Company) 1892. J. W. McGarvey, Evidences of Christianity, Nashville (Gospel Advocate Company) 1956. Vgl. Henry K. Shaw, Hoosier Disciples, St. Louis (Bethany Press) 1966. Ihre Mitgliederzahl wird von den Kirchen Christi gewöhnlich mit zwei Millionen angegeben. „The Christian Standard" besteht seit dem Jahre 1866. „The Christian-Evangelist" ging im Jahre 1882 aus der Verschmelzung von zwei früheren Zeitschriften hervor und besteht unter dem Titel „The Christian" noch heute. Die schottischen Baptisten oder Glasiten waren ein Teil des Leibes Christi, der unter der Führung von John Glas (1695-1773) und seinem Schwiegersohn Robert Sandeman (1718-1771) ins Dasein getreten war. Ihre Bekehrten entstammten zum großen Teil der Kirche von Schottland. Die Glasiten feierten allwöchentlich das Abendmahl, setzten in jeder Gemeinde mehrere Ältesten, Pastoren oder Bischöfe ein, übten die Fußwaschung und wechselseitige Ermahnung, strebten die Trennung von Kirche und Staat an und wollten das Urchristentum wiederherstellen. In Neuseeland wurden Alexander Campbeils Schriften unmittelbar nach ihrem Erscheinen eingehend studiert, so daß die schottischen Baptisten auf ihre An-

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schauungen keinen sehr starken Einfluß ausübten. Der Widerstand gegen den hauptberuflichen geistlichen Dienst war in Neuseeland nicht so stark wie in den anderen britischen Gebieten. Die Führer der Kirche der Jünger Christi vermieden bei der Bezeichnung ihres Teils des Leibes Christi den Ausdruck „Denomination". Sie bevorzugten den Ausdruck „Bewegung" noch lange Zeit, nachdem sie eine gesonderte Körperschaft geworden waren. In Neuseeland war dies weniger der Fall. Als Alexander Campbell in Abweichung von seiner früheren Haltung zur Abendmahlsfrage, die dem nicht Untergetauchten das Sakrament verweigerte, eine der offenen Kommunion nahekommende Position bezog, überließ er es der Entscheidung des einzelnen, ob jemand die Elemente empfangen solle oder nicht. Er sagte: „Wir laden niemand ein und schließen niemand aus." Heute laden die meisten Geistlichen der Kirche der Jünger Christi alle getauften Christen zur Teilnahme ein. Die neuen Ideen der liberalen Theologie waren zuerst durch eine Reihe von Jünger-Wissenschaftlern, die an der im Jahre 1892 gegründeten neuen Universität Chicago wirkten, in die Kirche der Jünger Christi eingedrungen. Die Professoren Herbert L. Willet (1864-1944), Edward Scribner Ames (1870-1958) und W. E. Garrison (1874-1969) sowie Charles Clayton Morrison, Begründer und Herausgeber der einflußreichsten überkonfessionellen Zeitschrift Amerikas, „The Christian Century", begannen, die Denkweise der Jünger-Scholastik in Frage zu stellen und die von J. H. Garrison, dem Vater von W. E. Garrison, sowie von Isaac Errett vertretenen fortschrittlicheren Anschauungen in noch kühnerer Form zu verfechten. Sie versuchten auch, durch Werke wie Alexander Campbells„Theology", St. Louis (Christian Publishing Company) 1900, die Stellung der Jünger in der Kulturwelt festzulegen. Solange diese Anschauungen auf einen kleinen Kreis von Intellektuellen beschränkt blieben, die keine Lehrtätigkeit in den Jünger-Seminarien ausübten, konnten die Vertreter der Jünger-Scholastik sie jedoch als die einer radikalen Randgruppe abtun. Als sie die Hochburg der Jünger-Scholastik, das College of the Bible, eroberten, entstand eine gänzlich andere Lage. Die Chicagoer Schule der Jünger wird in den folgenden Kapiteln mit größerer Ausführlichkeit besprochen werden. Natürlich gibt es in dieser Gruppe einzelne, die diese Anschauungen nicht vertreten. Wie alle anderen Gruppen haben auch die „Unabhängigen" „Liberale" in ihren Reihen. Das ist indes eine allgemeine Feststellung über eine alltägliche Erscheinung. Die Kirchenunionskonferenz (Consultation on Church Union) stellt derzeit den größten Versuch dar, in den Vereinigten Staaten zu einer Kirchenunion zu gelangen. Sie wird weiter unten in diesem Kapitel noch ausführlicher besprochen werden. Das gilt ganz allgemein von den „Unabhängigen". Natürlich vertritt nicht jedes Mitglied dieser Bewegung diese Auffassung, und es existiert keine dahingehende amtliche „Erklärung".

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Die Kirchen in Südafrika stehen derzeit im Begriff, sich mit den Kongregationalisten zu vereinigen.

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Obwohl Ε. E. Snoddy (1863-1936) nur sehr wenig veröffentlicht hat, übte er doch großen Einfluß auf das Denken der Jünger aus. Ein sokratischerTyp, half er vielen Jünger-Studenten und -Pastoren - er wirkte von 1914 bis zu seinem Tode im Jahre 1936 am Transylvania College und am College of the Bible in Lexington über geistige Krisen hinweg. Er besaß eine umfassende Kenntnis der griechischen Klassiker - er war zuvor Griechischlehrer gewesen - und der Hl. Schrift. Im Grenzgebiet von Dakota aufgewachsen, war er sehr pragmatisch eingestellt, und John Locke und John Dewey lieferten ihm die philosophischen Prämissen, auf die er sein Schriftverständnis aufbaute. Er war maßgeblich an der Abkehr von der Jünger-Scholastik und der Hinwendung zu einer liberalen Theologie beteiligt. Eine Würdigung seiner Arbeit aus der Feder von Alonzo W. Fortune erschien im Jahre 1940 (Thinking Things Through With E. E. Snoddy, St. Louis, The Bethany Press). Eine Darstellung seines Kampfes für Geistesfreiheit gegen die Jünger-Scholastik gibt Dwight E. Stevenson in: Lexington Theological Seminary 1865-196S, St. Louis (The Bethany Press) 1964.

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John Dewey, A Common Faith, N e w Haven (Yale University Press) 1934. In seinem ersten Buch gibt W. A. Visser 't H o o f t eine eingehende Darstellung dieser Bewegung: The Background of the Social Gospel in America, St. Louis (The Bethany Press) 1928. I, The Reformation of Tradition, hg. v. Ronald E. Osborn, St. Louis (The Bethany Press) 1963; II, The Reconstruction of Theology, hg. ν. Ralph Wilburn, St. Louis (The Bethany Press) 1963; III, The Revival of the Churches, hg. v. W. Β. Balkemore, St. Louis (The Bethany Press) 1963. Einigungsverhandlungen zwischen der Kirche der Jünger Christi und der Vereinigten Kirche Christi wurden im Jahre 1961 eingeleitet. Sie wurden bis 1966 aktiv fortgeführt. In jenem Jahr kamen die Delegationen beider Kirchen überein, sie der Kirchenunionskonferenz unterzuordnen, an der beide teilnehmen.

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Die Kirche für andere, Genf (ökumenischer Rat der Kirchen) 1967. Colin W. Williams, Where in the World, N e w York (National Council of Churches) 1963; What in the World, N e w York (National Council of Churches) 1964; und For the World, New York (National Council of Churches) 1965. Salty Christians, New York (The Seabury Press) 1963. Das einflußreichste hiervon war The Biblical Dottrine of the Church, St. Louis (The Bethany Press) 1955. Die meisten zu diesem Erbe gehörigen nationalen Kirchen führen derzeit Unionsgespräche. Die Kirche der Jünger Christi ist Mitglied der im vorliegenden Kapitel besprochenen Kirchenunionskonferenz. Die Kirche der Jünger Christi in Kanada führt ein Unionsgespräch, an dem die Anglikanische Kirche von Kanada, die Vereinigte Kirche Christi in Kanada und sie selber beteiligt sind. Die britischen Kirchen Christi haben jüngst beschlossen, in Unionsgespräche mit der Vereinigten Reformierten Kirche in England einzutreten und eine Stellungnahme zu dem im Jahre 1972 veröffentlichten Zwischenbericht des Multilateralen Kirchengesprächs in Schottland auszuarbeiten. Außerdem genehmigte ihre Konferenz die ökumeni-

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George G. Beazley d. J.

sehe Mitgliedschaft in den Gemeinden (die Aufnahme von nicht durch Untertauchung Getauften als Vollmitglieder), überließ die endgültige Entscheidung allerdings den Ortsgemeinden. Die Vereinigten Kirchen Christi in Neuseeland haben den Vorschlag zur Einigung der Vereinigten Kirchen Christi in Neuseeland, der Kirche der Provinz Neuseeland (gewöhnlich Anglikanische Kirche genannt), der Kongregationalistischen Union von Neuseeland, der Methodistischen Kirche von Neuseeland und der Presbyterianischen Kirche von Neuseeland auf der Basis des Unionsplans von 1971 gebilligt. Die Kirchen Christi in Australien sind lediglich Beobachter der Einigungsbestrebungen der Presbyterianer, Kongregationalisten und Methodisten. 39

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Paul Tillich, The Shaking of the Foundations, New York (Charles Scribner's Son) 1948, S. 153 (/η der Tiefe ist Wahrheit, Stuttgart [Ev. Verlagswerk] 1952, S. 144). Für diese Erkenntnis über das Verhältnis der Jünger zu Luther ist der Verfasser seinem Kollegen Robert H. Voyte zu Dank verpflichtet. Die Geistlichen Cotton und Increase Mather spielten eine beherrschende Rolle im Puritanismus Neu-Englands. Derart bezeichneten sie ihren Versuch. John Locke, Λ Letter Concerning Toleration, New York (Liberal Arts Press) 1951 (Brief über die Toleranz, Hamburg 1957). Es ist immer wieder daran zu erinnern, daß die Gründerväter der Kirche der Jünger Christi zwar das Alte Testament als Hintergrund des Neuen Bundes wie seiner historischen Einsichten wegen sorgfältig studierten, indes die Ansicht vertraten, daß Lehre und Verfassung der Kirche allein dem Neuen Testament zu entnehmen seien, in dem sie eine ebenso vollkommene „Konstitution" für die christliche Kirche erblickten, wie es das Alte Testament für das Israel des Alten Bundes gewesen war. Bisweilen trug ihnen das den unberechtigten Vorwurf ein, sie seien Marcionisten. Das Verhältnis von Kirche und Staat und von Kirche und Kultur sind in diesen beiden Bünden, die die Gründerväter oft die Alte und die Neue Ordnung nannten, völlig verschieden. In seiner Monographie über John Wesley hat Albert Outler auf die aufklärerischen Elemente bei ihm hingewiesen. In den Vereinigten Staaten traten diese Elemente jedoch im Methodismus niemals besondes hervor. Vgl. Albert Outler (Hg.), John Wesley, New York (Oxford University Press) 1964, bes. S. 3-33. Mit diesem Ausdruck wird die aus der derzeitigen Empörung wider Karl Barth erwachsene Theologie - die Gott-ist-tot-Theologie von Gabriel Vahanian, Paul van Buren, William Hamilton und Thomas Altizer - sowie die optimistische Auffassung des Säkularismus in den Schriften von Colin Williams und Harvey Cox bezeichnet. Mit dem Ausdruck „Hier-und-jetzt-Generation" bezeichnet man diejenigen, die den Wandel romantisieren und die Auffassung vertreten, unsere Epoche sei von jeder vorangegangenen derart grundlegend verschieden, daß die Historie für das Verständnis des modernen Menschen völlig wertlos sei.

57 K A P I T E L II DIE ROLLE DER THEOLOGIE IN DER DER JÜNGER

KIRCHE

CHRISTI

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,,Vernunftbestimmt, empiristisch, pragmatisch" - so hat einer ihrer zeitgenössischen Theologen die Geisteshaltung der Jünger Christi gekennzeichnet.1 Diese Epitheta bezeichnen die Einstellung, aus der heraus noch jede Generation in dieser Bewegung ihre theologische Arbeit betrieben hat. Man könnte noch ein Weiteres hinzufügen: volkstümlich, und zwar in dem Sinne, daß sie größtenteils auf die Laienwelt eher denn auf die Metaphysiker ausgerichtet ist. Die ersten Führer der Bewegung nahmen ihre Aufgabe, den Heilsplan Christi in der Sprache des Volkes darzulegen, so ernst und widersetzten sich allen menschlichen Spekulationen und Einfallen derart heftig, daß das bloße Wort „Theologie" lange Zeit hindurch Abscheu erregte. In der Gründungsurkunde des Bethany College bestimmte Alexander Campbell im Jahre 1840, daß „keine seiner Satzungen jemals in der Weise ausgelegt werden darf, daß sie die Errichtung einer Professur für Theologie ermöglicht".2 Unter Theologie verstanden die Jünger alle jene „durch nichts gerechtfertigten menschlichen Traditionen", die lange Zeit hindurch Verwirrung unter den treuen Christen angerichtet und die Kirche gespalten hatten. Auch noch nachdem spätere Geschlechter sich systematisch in die Geschichte und die Probleme der Theologie zu vertiefen begonnen hatten, bezeichneten sie ihre Arbeit euphemistisch als „christliches Denken". Nach meiner Erinnerung wurde im Jahre 1952 zum ersten Mal eine Gelehrtengruppe der Jünger öffentlich als „Theologen" bezeichnet,3 und erst im Jahre 1958 wurde zum ersten Mal eine unserer Ausbildungsstätten für Geistliche als „theologisches Seminar" bezeichnet.4 Dennoch haben die Jünger in der Regel nie eine antiintellektualistische Haltung eingenommen, und es hat ihnen auch nicht an einem wohlgeordneten religiösen Denkgefüge gemangelt. Vielmehr faßten sie ihre Geschichte als Versuch auf, die Unfruchtbarkeit so vieler religiöser Spekulationen und die spaltende Wirkung, die von einer übermäßigen Herausstellung menschli» Rev. Dr. Ronald E. Osborn ist Professor für Kirchengeschichte am Christian Theological Seminary in Indianapolis/Indiana.

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eher Auffassungen ausgeht, zu vermeiden. Bis vor kurzem behaupteten sie, keine Theologie zu haben, doch hielten sie unentwegt an der „biblischen Lehre" als der Grundlage der Einheit der Christen fest. Den Epitheta, die ihre Geisteshaltung charakterisieren - vernunftbestimmt, empiristisch, pragmatisch, volkstümlich - , gilt es mithin eines hinzuzufügen, das für die Bestimmung ihrer Substanz von entscheidender Wichtigkeit ist: „biblisch". Das biblische Fundament ihrer Denkweise verlieh ihnen zu Beginn eine feste Apostolizität und Katholizität und hat in den letzten Dezennien einer Wiedergeburt ökumenischen Theologisierens den Weg geebnet, obschon es sie nicht vor Spaltungen bewahrt hat. Die Entwicklung des christlichen Denkens in der Kirche der Jünger Christi durchläuft bis zur Jetztzeit vier deutlich voneinander geschiedene Zeitabschnitte.

A. Die Zeit der Gründer Die vier Männer, die am Beginn die Geisteshaltung der Jünger prägten, hatten ihre Wurzeln im Calvinismus. Ihre weltanschauliche Perspektive war die der Aufklärung - nicht in ihren umstürzlerischsten Äußerungsformen, sondern eher, wie sie die Gepflogenheiten und Grundvorstellungen vernunftbestimmter Männer prägte, die dem nach Newton, Locke und Rousseau vorherrschenden allgemeinen Weltbild verhaftet waren. Ihre neuzeitliche Weltauffassung hatte in ihnen keinerlei bewußte Abkehr vom biblischen Glauben noch auch von ihrem Vertrauen auf die Autorität der Bibel hervorgerufen, sie jedoch im Verein mit ihren politischen Neigungen in der Tradition der Madison, Jefferson und Jackson zu Selbstdenkern gemacht. Sie gingen daher mit rückhaltloser Offenheit an die Bibel heran und mit der Bereitschaft, kraft ihrer Autorität jedwedes Dogma der theologischen Uberlieferung, das der Vernunft zuwiderlief oder die Freiheit der Christen beschränkte, in Frage zu stellen. Was ihre Bildung anlangt, so machten sie sich all das zu eigen, was für einen aufstrebenden Studenten damals verfügbar war. Doch hatte keiner von ihnen die Möglichkeit, nach dem Examen noch weiter zu studieren, keiner hatte promoviert und keiner hatte die Möglichkeit zu kontinuierlicher geistiger Arbeit, wie sie eine Universitätsprofessur bietet. Drei von ihnen hatten jedoch an schottischen Universitäten studiert und der vierte an einem von den leistungsfähigeren Colleges an der Siedlungsgrenze. Alle vier waren als Prediger, Lehrer, Herausgeber und Schriftsteller tätig. Und Alexander Campbell besaß einen überragenden und kraftvollen Geist, der ihm die Achtung der führenden Bürger seiner Zeit sicherte.

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Barton W. Stone (1772-1844) rang mit den schwierigen Fragen, mit denen ein glaubensstarrer Calvinismus einen Grenzer konfrontierte. Der in einem Blockhaus-College im Gebirgsland von North Carolina Erzogene widersetzte sich der harschen Prädestinations- und Bußlehre und empfand die orthodoxe Dreieinigkeitslehre stets als nicht in allen Stücken glaubwürdig. Zäh auf seiner eigenen geistigen Redlichkeit beharrend, bekundete er gleichwohl eine friedfertige und weitherzige Einstellung, die die Einigung aller anstrebte, die „die Bibel als den einzigen sicheren Weg zum Himmel anzunehmen bereit waren". 5 Wenn andere Bücher Ärgernis erregten, so warf man sie am besten ins Feuer. Gleich den anderen Gründervätern war Stone ein überaus fruchtbarer Autor, dessen bedeutendste Schriften seine Selbstbiographie und seine Beiträge zu der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „The Christian Messenger" (1826-1845) waren.6 Thomas Campbell ( 1763-1854) wirkte nach Abschluß seiner Studien an der Universität Glasgow und der Ausbildungsstätte der burgherfeindlichen Seceders einige Jahre in Nordirland als Prediger und Schullehrer, ehe er im Jahre 1807 in die Vereinigten Staaten auswanderte. In seiner „Erklärung und Denkschrift" (1809) legte er seine Position einer „genauen Ubereinstimmung mit der göttlichen Norm" dar, die seine geistlichen Weggenossen und Nachfahren dann in allen für wesentlich erachteten Punkten zu behaupten versuchten. In derselben Schrift formulierte er ferner jenes katholische (umfassende) Ziel, das gleichfalls zum Kennzeichen der Jünger geworden ist: „Die Wiederherstellung der Einheit, Friedfertigkeit und Reinheit der gesamten Kirche Gottes." Ungeachtet seiner Toleranz im Hinblick auf die Einzelheiten der interkonfessionellen Diskussion unter den Presbyterianern, seiner Berufung auf die Bibel zur Abstützung seiner Infragestellung bestimmter untergeordneter Lehrpunkte seiner Kirche und seiner späteren Annahme der Erwachsenentaufe dachte Thomas Campbell im Grunde stets calvinistisch. Sein Sohn Alexander, der dann die Theologie der Jünger schuf, empfing seine Ausbildung zu einem großen Teil von seinem Vater. 7 Ein Schiffbruch unweit der schottischen Küste im Herbst 1808 zwang Thomas Campbeils Familie, als sie im Begriff stand, ihm nach Amerika zu folgen, den Winter in Glasgow zu verbringen. In jenem Jahr nahm Alexander Campbell (1788-1866) das Studium an der dortigen Universität und darüber hinaus Kontakt mit dem Haldanean Seminary auf, um sich nach seiner Ankunft in Pennsylvanien im folgenden Sommer autodidaktisch weiterzubilden. Er eignete sich die Kenntnis der biblischen und klassischen Sprachen an und studierte die maßgeblichen philosophischen, literarischen und theologischen Texte. Er schuf sich eine reichhaltige Bibliothek und gelangte durch seine verlegerische Tätigkeit zu Wohlstand; an der Siedlungs-

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grenze fand niemand etwas dabei, daß ein Mann, der im wesentlichen Autodidakt war, sich zu einer führenden Persönlichkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Bildungswesens entwickelte und ein College errichtete. Campbell ließ sich während seines ganzen Lebens aus Großbritannien Bücher schicken und erwarb sich ein beträchtliches Wissen; als unabhängiger Kopf ging er indes die religiösen und politischen Probleme Amerikas, insbesondere des amerikanischen Westens, vom Standpunkt der Lockeschen Philosophie und der für das schottische Denken des 18. Jahrhunderts kennzeichnenden Richtschnuren an und weniger unter dem Blickwinkel der neuen Fragen, die zu seiner Zeit von der Bibelwissenschaft und Theologie des europäischen Kontinents aufgeworfen wurden. Er legte seine theologische Position in fünf Debatten dar, die weithin Aufsehen erregten - zumindest drei seiner Opponenten waren damals weithin bekannte Intellektuelle - , sowie in Hunderten von Aufsätzen und Leitartikeln, die er während mehr als vier Jahrzehnten für seine Zeitschriften verfaßte. Die beste Zusammenfassung seiner Gedanken stellt „The Christian System"8 dar, das bei den Jüngern Christi mehr als hundert Jahre lang als biblisches Lehrbuch in Gebrauch war. Der vierte der Gründer war Walter Scott (1796-1861). Der geborene Schotte kam nach seinem Studium an der Universität Edinburgh im Jahre 1819 nach Pittsburgh. Dort lernte er einen Lehrer kennen, der gleichzeitig als Pastor einer Haldanischen Ortsgemeinde wirkte, deren Glieder vom Volksmund „Küssende Baptisten" genannt wurde. Nach dem frühen Tod seines Freundes wurde ihm die Leitung dieser Gemeinde übertragen. Bald darauf lernte er Alexander Campbell kennen, und im Jahre 1827 willigte er in seine Ernennung zum Evangelisten für die Mahoning Baptist Association ein. Als Prediger des „wiederhergestellten Evangeliums" führte Scott der Bewegung Tausende von Bekehrten zu. An den fünf Fingern seiner Hand zählte er die Erlösungsvoraussetzungen auf: Glaube, Buße, Taufe, Sündenvergebung, Gabe des Heiligen Geistes. In der Geschichte der Jünger hat sich nichts ihrem Denken und Handeln so tief aufgeprägt wie diese Formel, die Generationen lang von Tausenden von Predigern wiederholt wurde. Scott gab auch eine Zeitschrift, „The Evangelist" (1832-1844), an deren Stelle später „The Protestant Unionist" (1844-1848) trat, heraus und legte seine Untersuchung der biblischen Lehre in einer Anzahl einflußstarker Bücher dar. 9 Alle vier Gründerväter waren in demselben geistigen Klima aufgewachsen. Die Philosophie John Lockes beeinflußte sowohl ihre Erkenntnistheorie wie ihre Auffassung von gesellschaftlicher, politischer sowohl wie religiöser, Organisation. Ebenso stark wirkte auf sie der Vernunftkult der Aufklärung, wie er sich in bibelgläubigen Christen ausprägte: obschon ihnen die

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Autorität der Hl. Schrift als unumstößlich galt, gingen sie doch mit einer Unabhängigkeit des Urteils und einem Verlangen nach Klarheit an sie heran, dem es vor allem um Einfachheit ging und das auf das kunstvolle Theologisieren ihrer Vorgänger ohne Bedauern verzichtete. Der romantische Primitivismus Rousseaus und seiner Jünger, der Drang jener Zeit, „die Geschichte abzuschaffen", färbte ebenfalls auf ihr Denken ab. Diese Grundannahmen teilten die „Gründer" mit den Demokraten des Grenzlandes, unter denen sie wirkten: Männern, denen ihre persönliche und geistige Unabhängigkeit über alles ging und die nach den Grundsätzen Thomas Jeffersons und zumal Andrew Jacksons lebten, welch letzterer der Vorherrschaft der Patrizier ein Ende machte und der erste,, Volkspräsident' ' der Vereinigten Staaten wurde. Man versteht, daß ihr Appell in einer solchen Umwelt eine starke Wirkung haben mußte: ,,Wir erachten die Bibel, die ganze Bibel und nichts als die Bibel für die Grundlage aller christlichen Einigung und Gemeinschaft. "10 Hier war eine allgemein anerkannte Autorität (die allein der hin und wieder anzutreffende Ungläubige oder der fast ebenso seltene Deist in Frage stellte), die allen zugänglich und frei von den Haarspaltereien der Universitätstheologie war. Ihr Appell an die Hl. Schrift, so dogmatisch und gesetzlich er einem späteren Geschlecht vorkommen mag, sollte und konnte eine befreiende Wirkung ausüben, weil er dazu diente, die Menschen von willkürlichen menschlichen Instanzen ebenso wie von den einander widersprechenden, Zwietracht bewirkenden Theologien frei zu machen.11 Nie zuvor hatten so viele verschiedene religiöse Richtungen derart lauthals auf offenem Markte miteinander gewetteifert wie in der neuen amerikanischen Nation, deren Verfassung die Religionsfreiheit und mithin den religiösen Pluralismus garantierte. Der Appell der Jünger war von bemerkenswerter Uberzeugungskraft und mußte jedermann einleuchten: sie wollten im Rahmen dieser neugewonnenen Freiheit die Einheit dadurch herbeiführen, daß „wir Gottes Wort allein zur Richtschnur nehmen".12 Nicht daß Campbell ein bloßer Buchstabengläubiger oder Beweisstellenanführer gewesen wäre. Im Gegenteil: für die Ausdeutung einer Bibelstelle legte er eine Anzahl Regeln fest, die nahezu gleichlautend mit den von Erasmus aufgestellten waren.13 Er bestand ferner darauf, daß kein Lehrpunkt auf einen einzelnen, gesonderten Text gegründet werden dürfe, sondern daß alle auf eine bestimmte Frage bezüglichen Bibelstellen analysiert und in ihrem Verhältnis zueinander betrachtet werden müßten.14 Zwar gingen er und seine Amtsbrüder von der ungeprüften Voraussetzung der Gleichförmigkeit oder zumindest Ubereinstimmung der Verfasser der biblischen Schriften aus, die sie für die Verschiedenheiten der neutestamentlichen Praxis und für die Entwicklung in den durch die kanonischen Urkunden repräsentierten

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Jahrzehnten blind machte, doch versuchten sie nichtsdestoweniger, an die Hl. Schrift mit einer synoptischen Betrachtungsweise heranzugehen. U m der Glaubwürdigkeit sowohl wie der Einfachheit willen stellten sie das Schlagwort „für biblische Gegenstände biblische Namen" heraus und verwarfen das gesamte Vokabular der theologischen Präzisierung und Spekulation, das im Laufe der Geschichte des Christentums entwickelt worden war. So weigerte Campbell sich, Wörter wie Dreifaltigkeit, Wesenseinheit, Ausströmen u. ä. zu benutzen, nicht weil er den hohen Auffassungen, die darin zum Ausdruck kamen, ablehnend gegenüberstand, sondern weil er in ihnen von Menschen erfundene, nicht von Gott geoffenbarte Termina sah, die nicht der Vermittlung biblischer Lehren, sondern menschlicher Ansichten dienten. Seine Ablehnung aller Glaubensbekenntnisse leitete sich von seiner Herausstellung der alleinigen Autorität der Hl. Schrift her: sie gebrauchten Worte, die man in der Bibel nicht fand, maßten sich Befugnisse an, die allein der Bibel gebührten und dienten dazu, die Christen zu spalten, während die Bibel dazu diente, sie zu einen. Campbeils Lehre von Gott war so orthodox, wie das eine Lehre, die die Sprache von Nicäa und Chalcedon mied, nur sein konnte. E r hielt dafür, daß „Vater, Sohn und Heiliger Geist in gleichem Maße göttlich, obschon persönlich voneinander geschieden sind. Es gibt in Wahrheit nur einen Gott, einen Herrn, einen Heiligen Geist, denen jedoch gleichermaßen ein und dieselbe göttliche Natur eigen i s t . " 1 5 Barton W . Stone hatte dagegen zeitlebens Schwierigkeiten mit dem Dogma von der Dreifaltigkeit und der darin zum Ausdruck kommenden Christologie und war der Ansicht, daß es der Hl. Schrift widerstreite. Er wandte sich ferner gegen die Lehre vom stellvertretenden Sühnopfer Christi. In ihren Zeitschriften debattierten Campbell und Stone nicht ohne Schärfe über diese Fragen. Campbell suchte jeden Anschein, er sei Unitarier, zu vermeiden, und seine Ansichten waren im allgemeinen unter den Jüngern vorherrschend, wenngleich nicht ausschließlich. In Hinsicht des Menschen vertraten die Gründer eine Art abgeschwächten Calvinismus. Er galt ihnen als infolge des Sündenfalls entartet, aber fähig, das Zeugnis des Evangeliums gläubig anzunehmen. In der Missionssituation, in der sie sich befanden, einer Situation, für die es in der bisherigen Geschichte keinerlei Parallelen gab - die Masse der Bevölkerung war ungetauft, aber für die christliche Religion aufgeschlossen - , galt ihnen die in der Apostelgeschichte geschilderte Situation als maßgeblich. Daher ihr Nachdruck auf dem Glauben, auf dem öffentlichen Bekenntnis Jesu als des Christus und auf der Gläubigentaufe. 17 Sie trugen das Evangelium rational, mit biblischen Beweisen vor und mieden die Appelle an das Gefühl, wie sie für die Erweckungsbewegung kennzeichnend waren. Sie vertraten eine bibli-

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sehe Ethik, die der der puritanischen Tradition glich; während sie um die Säuberung des öffentlichen Lebens bemüht waren, suchten sie mit ihrem Biblizismus ihre duldsame Einstellung zur Sklaverei zu rechtfertigen. 18 Von den sie umgebenden „Sekten" unterschieden sich die Jünger durch ihre Lehre von der Kirche; diese gab ihnen auch ihr Sendungsbewußtsein. Sowohl Stone wie Thomas Campbell vollzogen den Bruch mit ihren Kirchenbehörden vor allem deshalb, weil ihnen die Einheit der Christen am Herzen lag, und alle vier Gründer kamen in ihren Schriften und Predigten immer wieder auf das Thema der Einheit zurück. In einem eben erst besiedelten Land ohne Staatsreligion, in dem die Mehrzahl der Bevölkerung keiner Kirche angehörte und dem Widerstreit vieler um sie werbender Denominationen, die zumeist aus Europa stammten, ausgesetzt war, schien ihr Vorgehen das gegebene. Die Jünger stritten lediglich für die Auflösung der trennenden Kirchengebilde, den Verzicht auf unbiblische Bezeichnungen und die Einheit der Christen aller Schattierungen auf der Grundlage des „ursprünglichen Glaubens und der ursprünglichen Ordnung im Antagonismus zu allen Entartungen von fünfzehn Jahrhunderten". 19 Sie wollten „dort beginnen, wo die Apostel aufgehört hatten" 2 0 und derart alle historischen Streitpunkte, die die Christen voneinander trennten, umgehen. Campbell sprach von der Bewegung als von einer neuen Reformation, doch Walter Scott setzte den Ausdruck Wiederherstellung durch - der sich leider als zweideutig erwies, denn er brachte einerseits die Katholizität ihrer ursprünglichen Zielsetzung zum Ausdruck, legte andererseits aber auch den Grund zu sektiererischer Gesetzlichkeit. In den Schriften der Gründer waren beide Tendenzen vorhanden, indes nicht deutlich voneinander geschieden und nicht einmal erkannt. Der Antagonismus zwischen dem katholischen (umfassenden) Entwurf und einem sektiererischen Ethos zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Jünger. Stone sowohl wie die beiden Campbeils nahmen die Untertauchung der Glaubenden als die biblische Form der Taufe und Bedingung der Erlösung an. Stone bestand nicht auf der Untertauchung von Christen, die vorher auf irgendeine andere Weise getauft worden waren, die Campbeils dagegen taten es, und Scott führte dies Verfahren dann ein, indem er in seinen Predigten den „schriftgemäßen Heilsplan" darlegte. Hauptsächlich durch diese Übung sonderten sich die Jünger von der Mehrzahl der Christen, die sie zu einigen trachteten, ab und sahen sich genötigt, gesonderte Gemeinden zu gründen. Im Mittelpunkt des christlichen Gottesdienstes stand für sie das „Brotbrechen" und die allwöchentliche Abendmahlsfeier. 21 Sie galt ihnen gewöhnlich als Gedächtnisfeier, doch faßte Campbell sie auch als Darstellung und Offenbarung der göttlichen Liebe auf. Ihre liturgische Ausgestaltung war

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durch Einfachheit, Anspruchslosigkeit, Innigkeit und tiefe Andacht gekennzeichnet. Die Lehre vom geistlichen Amt hatte auf das Brotbrechen Bezug. Eine jede Gemeinde wählte aus ihrer Mitte qualifizierte Männer aus und ordinierte sie zu Ältesten oder Bischöfen, die die Aufgabe hatten, beim Brechen des Brotes den Vorsitz zu führen, Unterricht zu erteilen und als Seelsorger tätig zu sein. 22 In der Regel verdienten sich diese Männer ihren Lebensunterhalt in weltlichen Berufen: viele hatten keine theologische Ausbildung. Doch dieser bibelgemäße geistliche Dienst versorgte die verstreut liegenden Frontier-Gemeinden. Die Gemeinden ordinierten ferner Diakone, die in ihrem Namen verschiedene Aufgaben zu erfüllen hatten. Darüber hinaus bereisten Evangelisten die ländlichen Gebiete, predigten das Evangelium, sammelten die Bekehrten in den Kirchen und übten eine Art Oberaufsicht aus, die mehr auf persönlichen Einfluß als auf verfassungsgemäße Autorität begründet war. Die Ausübung der Vollmachten, sich zum Gottesdienst zu versammeln und ihre Geistlichen (Älteste und Diakone) zu ordinieren, die das Neue Testament nach dem Glauben der Gründer den Ortsgemeinden einräumte, begründete im Grenzland den Sieg der kongregationalistischen Kirchenverfassung. In diesem Falle hielten sie sich nicht an die Lehre Alexander Campbells, der für Formen der Vereinigung und Zusammenarbeit eintrat, die dem presbyterianischen System ähnelten. 23 Die Grundprinzipien der Grenzlanddemokratie wie auch der Biblizismus, auf dem die Bewegung fußte (Campbell konnte die organisatorischen Strukturen, die der Kirche nach seinem Dafürhalten nottaten, nie mit Bibelstellen begründen), bewirkten, daß sich ihr einflußreichster Gründer in der Frage der Kirchenverfassung nicht durchsetzen konnte. Diese Entwicklung war ein Hinweis auf die Zukunft. Während Campbeils „wahrer Bibelglaube" 24 ihm und seinen Zeitgenossen, die ihre einfachen und vernünftigen Erklärungen der biblischen Lehre ausarbeiteten, Befreiung brachte, wurden in den Händen seiner Nachfolger dennoch Gesetzlichkeit und Traditionsgebundenheit daraus.

B. Die Zeit der Jünger-Scholastik In der zweiten und dritten Generation vollzog sich bei den Jüngern ein vorhersehbarer soziologischer Wandel. In dem Maße, wie sie immer mehr Erfolge errangen - ihre Zahl stieg von 225 000 im Jahre 1860 auf 1 120 000 im Jahre 1900 an - , gewannen sie allgemeine Anerkennung und rückten vielerorts in führende Stellungen auf. Sie waren nicht mehr so sehr darauf

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bedacht, sich als ein „auserwähltes V o l k " darzustellen, und die Mitglieder und viele ihrer Geistlichen strebten nach gesellschaftlicher Anerkennung. „Seit den 1870er Jahren sprachen und verhielten sich die Abkömmlinge der Campbell-Stone-Bewegung mehr wie die Glieder einer Denomination und weniger wie die Angehörigen einer Sekte." 2 5 In der kirchlichen Praxis war der auffälligste Wandel, der mit diesem Vorgang Hand in Hand ging, die allmähliche Annahme der offenen Kommunion. Ungeachtet der Tatsache, daß Stone und die „Christen" von allem Anfang an die offene Kommunion geübt hatten und daß Thomas Campbell mit den presbyterianischen Behörden in Pennsylvanien wegen seiner Weigerung, „den Abendmahlstisch zu schützen", Schwierigkeiten bekommen hatte, waren die Jünger in der Zeit ihrer Vereinigung mit den Baptisten (1813-1830) dazu übergegangen, die Teilnahme am Brotbrechen auf Glieder ihrer eigenen Kirchen zu beschränken. In den 1860er Jahren hatten viele begonnen, einen solchen Ausschluß als unpassend zu empfinden, und es wurde die Forderung nach Offenheit laut. Vielleicht war die Logik auf Seiten der Traditionalisten, nach deren Dafürhalten allein untergetauchte Gläubige gültig getauft und nur solche zur Teilnahme am Tisch des Herrn berechtigt waren. Doch die Nächstenliebe trug den Sieg über die Logik davon, und die liberal Eingestellten fanden eine Bibelstelle, mit der sie ihre Auffassung begründeten: „ E i n Mensch prüfe sich aber." Eine einfache Formel: „ W i r laden nicht ein, schließen aber auch nicht aus", bot sich an, und die offene Kommunion wurde allmählich allgemein geübt. 2 6 Heute ist sie bei den amerikanischen und kanadischen Jüngern überall die Regel, und viele haben ihr einen positiven theologischen Wert zuerkannt als einem der Hauptpunkte bei ihrer Zeugenschaft für die Einheit aller Christen. Eine ebenso einschneidende Änderung, die durch die Reaktion der Jünger auf die neuen Verhältnisse in der amerikanischen Gesellschaft wie auch durch ihre allgemein anerkannte Rolle in derselben herbeigeführt wurde, erfolgte in Hinsicht des geistlichen Amtes. In dem Maße, wie die Stadtgemeinden größer wurden, gingen sie dazu über, gleichwie die großen Denominationen qualifizierte Prediger mit dem Pastorenamt zu betrauen. D e r Pastor wirkte als Prediger, amtierte bei Trauungen und Beerdigungen und übernahm zunehmend Führungsaufgaben. Gleichwohl teilten sich die Ältesten mit ihm in die seelsorgerlichen Pflichten und fuhren fort, den Vorsitz beim Abendmahl zu führen. Der Ubergang zum „Einmannsystem" löste eine heftige Kontroverse aus, zumal niemand eine überzeugende Rechtfertigung dafür in der H l . Schrift finden konnte. 2 7 Die Pragmatik behielt indes die Oberhand, und das neue System setzte sich schließlich durch, ausgenommen in den kleinen Kirchen auf dem Lande. Viele der Pastoren waren graduierte Akademiker, ebenso viele jedoch nicht. Der

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Grad wurde erst im 20. Jahrhundert zur Mindestanforderung für die Ordination. Nach dem Hinscheiden der Gründer (Alexander Campbell starb als der letzte der vier im Jahre 1866) rückte kein einzelner mehr zum anerkannten Führer der Christian Churches auf. Die Prediger, Herausgeber und Collegelehrer, die die geistige Führung der Jünger im zweiten Abschnitt ihrer Geschichte innehatten, unterschieden sich von den Gründern in einer wichtigen Hinsicht: sie waren keine „Theologen". Die vier Gründerväter hatten sich von der Kompliziertheit und den Widersprüchen der einseitigen konfessionellen Theologie fort, zu der katholischen Einfachheit des Neuen Testaments hingewandt. Die Doktrinäre der zweiten Generation verfügten, sofern sie überhaupt eine höhere Bildungsanstalt besucht hatten, nur über philosophisches und literarisches Wissen und über die Kenntnis der Bibel selber, die sie gemäß der von den Gründern in knappen Umrissen ausgearbeiteten biblischen Lehre ausdeuteten. Etliche waren in ihrer Jugend durch die Predigt der Wiederherstellungslehre bekehrt worden; sie wußten von ihrer früheren Glaubensgemeinschaft her manches von deren Dogma, das sie später als ungenügend empfanden, aber nur wenig von systematischer Theologie. Ihre geistigen Interessen waren durch die Horizonte des kulturellen Lebens im ländlichen und kleinstädtischen Mittelwesten begrenzt. Obwohl sie Unterricht in Mathematik, Naturwissenschaft oder in den klassischen Sprachen erteilten, nahmen sie an den geistigen Bewegungen, die der Ideengeschichtler heute als für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts repräsentativ bezeichnen würde, nicht teil. Diejenigen unter ihnen, die höhere Bildung besaßen, waren auf den kleinen Colleges oder Akademien des amerikanischen Westens gewesen; die meisten auf Campbells Bethany College oder auf Schulen, an denen Graduierte desselben unterrichteten. Seltene Kontakte mit Geistlichen anderer christlicher Glaubensgemeinschaften endeten meist mit Streitigkeiten; allerdings machte sich gegen Ende des Jahrhunderts eine gewisse Auflockerung bemerkbar. In einer solchen geistigen Isolierung arbeiteten die Männer, die nach den Gründern kamen, die Lehrpositionen aus, die von den meisten Predigern der Jünger bis zum Ersten Weltkrieg und von vielen noch bis zum Zweiten Weltkrieg verkündet wurden. Robert Richardson (1806-1876), Arzt, Chemieprofessor am Bethany College und Biograph von Alexander Campbell, verfaßte eine mehr existentiell als legalistisch ausgerichtete Uberschau über die Theologie der Jünger 28 und eine Studie über den Heiligen Geist. 29 Andere waren indes dogmatischer. Benjamin Franklin (1812-1878), ein Zimmermann ohne Schulbildung, wurde Prediger, zog als Evangelist durch das Land, gewann als Zeit-

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schriftenherausgeber Einfluß und leitete seine jüngeren Amtsbrüder als Verfasser volkstümlicher Traktate, eines ,,Shorter Catechism" und einer zweibändigen Predigtsammlung mit dem Titel ,,The Gospel Preacher", an. Robert Milligan (1814-1875) wirkte an verschiedenen Colleges und Universitäten als Mathematiklehrer, bevor er im Jahre 1865 zum Leiter des College of the Bible ernannt wurde; er verfaßte eine Schrift über Vernunft und Offenbarung 30 und erweiterte die bisherigen Bibel-Handbücher der Jünger zu einem gewichtigen Lehrbuch mit dem Titel „The Scheme of Redemption".31 Der durch eigene Kraft zum ölmagnaten aufgestiegene Thomas W. Phillips (1835-1913), Kongreßabgeordneter und Philanthrop, verfaßte ein unter dem Titel,, The Church of Christ" ursprünglich anonym veröffentlichtes Handbuch über das Leben der Kirche, das zum Bestseller wurde. Die Grundeinstellung aller dieser Männer legte John S. Sweeney (1832-1908), ein langjähriger Schullehrer, Postmeister, Evangelist und Debattierer in einer Predigt über die „Aufrichtigkeit gegen Christus" (2. Kor. 11,3) dar. 32 Auf solch ein „einfaches Evangelium", das jedem bibelgläubigen Christen zur Verfügung stand, hatten sich die Führer dieses Zeitabschnittes festgelegt. Als ihr Prototyp ragte unter ihnen J. W. McGarvey (1829-1911) hervor, der von 1865 bis zu seinem Tode als Professor am College of the Bible zu Lexington wirkte und bei seinen Lebzeiten als der eigentliche Exponent und Repräsentant des Jünger-Denkens galt. Nach Absolvierung des Bethany College prägte er sich die englische Bibelübersetzung ein und forderte später von seinen Studenten eine ähnliche Beherrschung derselben, während er den geisteswissenschaftlichen Fächern eine nur werkzeugliche, doch nicht unerläßliche Rolle für den Prediger zuerkennen wollte. 33 Während des Bürgerkrieges arbeitete er unablässig an der Vollendung seines Kommentars zur Apostelgeschichte, der im Jahre 1863 erschien. Sein Werk ,,Evidences of Christianity" handelte von der Glaubwürdigkeit und Inspiration der Hl. Schrift, und er wandte einen großen Teil seiner Schaffenskraft an die Widerlegung der historischen Bibelkritik. Die Frucht seiner unermüdlichen Schriftstellerei über diesen Gegenstand war ein Buch über die Verfasserschaft des Deuteronomiums. Selbstverständlich veröffentlichte er auch Predigten. Die öffentliche Laufbahn aller dieser Männer wurde durch den amerikanischen Bürgerkrieg, durch die Parteileidenschaften, die ihn auslösten, und durch die Bitterkeit, die auf ihn folgte, durchschnitten. Die Jünger glaubten, daß ihnen durch ihre Treue zur Bibel in Glaubensfragen und dadurch, daß sie politische Probleme der freien Entscheidung des einzelnen überließen, während dieser Zeit ein Schisma erspart blieb; ihre kongregationalisti-

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sehe Kirchenverfassung erschwerte überdies eine Spaltung. Dennoch war die Atmosphäre von Enttäuschung und Argwohn erfüllt, und eine Reihe von inneren Kontroversen machte den Jüngern zu schaffen - über die Pflichten des Christen gegenüber der Regierung (falls es solche gab), Pazifismus, die Verwendung von Musikinstrumenten im christlichen Gottesdienst, die Rechtmäßigkeit freiwilliger Gesellschaften für Missions- und Liebestätigkeit, offene oder geschlossene Kommunion, kollegiales Pastorenamt der Ältesten oder „Einmannsystem". Die oben erwähnten Männer gaben sich ebenso wie ihre Zeitgenossen unendliche Mühe, um solche Fragen einer Lösung zuzuführen, doch führten sie schließlich die Spaltung zwischen den (konservativen) Churches of Christ und den (progressiven) Disciples of Christ herbei. Die erstgenannte Gruppe verharrte bei dem streng-wörtlichen Bibelglauben des früheren Zeitabschnitts. Die Jünger nahmen jedoch eine zwiespältige Haltung ein. Einige von ihnen glaubten, die von ihnen gebilligten sogenannten Neuerungen (Musikinstrumente, Missionsgesellschaft) ließen sich aus dem Neuen Testament, das sie nach ihrer Aussage wörtlich verstanden, beweisen oder zumindest ableiten. Andere bemühten sich nicht um einen solchen Beweis, sondern betonten, sie fühlten sich zwar an spezifische Anweisungen der Hl. Schrift gebunden, bestünden aber auf Freizügigkeit in Gebieten, die in den apostolischen Schriften nicht besonders behandelt seien. Die Einbettung dieser beiden konträren Standpunkte, von denen der eine scharfsinnig, aber buchstabengläubig, der andere flexibler und undogmatisch war, in die fortwirkende Uberlieferung der Jünger befähigte sie, die Mehrzahl der Kirchen auf ihre Seite zu ziehen. Der innere Konflikt, den das Schisma zurückließ, hat indes in ihrem Leben eine bis heute andauernde Polarisierung herbeigeführt. Das zweite Schisma in ihrer Geschichte, das zwischen den „unabhängigen" Christian Churches und der „kooperativen" Körperschaft, die im Jahre 1968 die Kirche der Jünger Christi bildete, folgte aus dieser Polarisierung. Die Zeit der Jünger-Scholastik war, wie nicht anders zu erwarten, in theologischer Hinsicht unfruchtbar. Die geistige Isolierung, das Festhalten an den von den Gründern festgelegten Positionen, die vorwiegende Beschäftigung mit inneren Streitigkeiten über Nebensächlichkeiten, denen übermäßige Bedeutung beigemessen wurde, die Festlegung auf einen streng-wörtlichen Bibelglauben und sogar eine biblische Gesetzlichkeit - dies alles verzerrte die Einstellung, die die Gemeinden als befreiend empfunden hatten, zu einer starren Position, an der ihre Söhne unbedingt festhalten zu müssen meinten. Obwohl die Jünger in den neuen Staaten und Territorien des Westens an Zahl gewaltig zunahmen, hatten sie die Fühlung mit den geistigen Bewegungen ihrer Zeit verloren. Ihre Theologie war erstarrt.

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Nicht jedoch in jedem Falle. Zwei Jünger, die eine bedeutende Rolle im öffentlichen Leben spielten und deren Bildung weit über die in den geistig isolierten Jünger-Colleges vermittelte hinausreichte, begannen, sich mit den Geistesströmungen ihrer Epoche auseinanderzusetzen und den Gesichtskreis ihrer Brüder zu erweitern. James A. Garfield (1831-1881) war in seiner Jugend Jünger-Prediger. Der Absolvent des Williams College in Massachusetts bekundete eine wachsende Aufgeschlossenheit für die neue naturwissenschaftliche Grundeinstellung seiner Zeit. Durch seine Erfahrungen im höheren Bildungswesen, im Bürgerkrieg (er rückte bis zum Brigadegeneral auf) und in der Politik (er war Kongreßabgeordneter und wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt) vielseitig geworden, war er um die Erweiterung des geistigen Horizonts seines Volkes bemüht. 34 B.A. Hinsdale (1837-1900) studierte nicht nur an der Ausbildungsstätte der Jünger zu Hiram/Ohio, sondern auch am Oberlin College. Nach Unterrichtstätigkeit in Hiram und am Alliance College, einer weiteren Ausbildungsstätte der Jünger, wurde er Schulinspektor in Cleveland/Ohio und danach Professor der Pädagogik an der Universität von Michigan. Hinsdale war ein sehr produktiver Autor; er verfaßte Schriften über das öffentliche Bildungswesen, über Staatslehre, über die historische Methode und über Religion und bewies damit die Aufgeschlossenheit des Bibelglaubens für die großen Fragen des öffentlichen Lebens. Um die Uberwindung der geistigen Isolierung der Glieder der Kirche der Jünger Christi bemühten sich außerdem drei Zeitschriftenherausgeber: Isaac Errett (1820-1888) vom ,,Christian Standard", James H . Garrison (1842-1931) vom „Christian Evangelist" und W. T. Moore (1832-1926) vom ,,Christian Quarterly". Während der inneren Streitigkeiten der 1860er Jahre traten sie auf die Seite der Liberalen; Garrison öffnete seine Spalten später Vertretern der historischen Bibelkritik und befürwortete die Teilnahme der Jünger an „Föderationen" oder Kirchenräten, der damals aufkommenden Form von ökumenischer Zusammenarbeit. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gab er ein wichtiges Sammelwerk heraus, dessen Beiträger zumeist Traditionalisten waren, sich aber der neuen Lage stellen wollten. 35 Er veröffentlichte ferner zwei historische Arbeiten über die Kirche der Jünger Christi und ein Werk über die Einheit der Christen. 36 Durch umfängliche Artikel in seinem „ Quarterly" wie auch durch zahlreiche Bücher37 brachte Moore das Urteil eines aufrichtigen und wohlunterrichteten Geistes in die Erörterung neuer Fragen und sich wandelnder Verhältnisse ein. Zwei andere Führer des mittleren Zeitabschnitts, deren Formulierungen auf der biblischen Lehre der Gründer fußen, repräsentieren die Reaktion der Jünger auf die neue Weltlage und die neuen Entwicklungen im Säkula-

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rismus. Archibald McLean (1850-1920) wurde der erste Sekretär der Foreign Christian Missionary Society und war im Jahre 1895 der erste Jünger, der eine Reise um die Erde unternahm. Er schrieb mehrere ökumenisch konzipierte Bücher über die Geschichte der Missionen und öffnete den Jüngern mit die Augen dafür, daß im Neuen Testament bedeutsamere Fragen angesprochen sind, als es die stereotype Uberlieferung der von den Gründervätern erarbeiteten Lehre nahezulegen schien.38 Ely Vaughn Zollars (1857-1916), nacheinander Präsident von drei Colleges der Jünger, veröffentlichte zahlreiche gediegene, doch der (vorkritischen) Tradition verhaftete Bücher über biblische Themen. Seine,, The Commission Executed" (1912) betitelte Sammlung von Predigten behandelt alle im Neuen Testament vorkommenden Bekehrungen und weist auf den tiefen Einfluß, den Walter Scotts Verkündigungsplan auf die nachfolgenden Generationen ausübte. In „The Great Salvation" (1895)39 legt Zollars mit großer evangelikaler Begeisterung und mit Sympathie für die neue, auf Zusammenarbeit gerichtete Bewegung im amerikanischen religiösen Leben die herkömmlichen Anschauungen über die biblische Lehre dar; das Sektiererethos, das im 19. Jahrhundert für viele Jünger kennzeichnend war, ist hier überwunden. Seine Predigt über den „Glauben, der keiner Revision bedarf" ist zwar methodisch veraltet, legt jedoch mit großer Beredsamkeit die Hingabe des Christen an die Person Christi eher denn an vorgefaßte Lehrmeinungen dar und nimmt dergestalt den Geist des evangelikalen Liberalismus vorweg, der die folgende Periode kennzeichnen sollte.

C. Liberaler Neubeginn Im Jahre 1896 trat eine Gruppe von Jüngern, die aus der Yale Divinity School hervorgegangen waren, als Kern für die Schaffung des Campbell Institute in Erscheinung, einer Vereinigung, die sich der Wissenschaft, einem Leben im Geist und der theologischen Forschungsarbeit zu widmen beschlossen hatte. Sie setzte sich aus fortschrittlich gesinnten Geistlichen und Professoren zusammen und galt als ziemlich exklusiv, da sie nur graduierte Akademiker aufnahm! Das Institut wurde zu einem Forum für eine neue Generation von Jünger-Intellektuellen, die dankbar für ihre Verwurzelung in der Tradition der Gründerväter waren, sich aber den neuen Fragen, die im religiösen Denken aufkamen, stellen wollten. Den Mittelpunkt dieser Gruppe bildeten vier Männer, die über ungewöhnliche geistige Fähigkeiten, eine gediegene Bildung und einen theologischen Einfluß verfügten, der weit über die Kirche der Jünger Christi hinausreich-

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te. Seit Alexander Campbell selbst hatte niemand mehr die Christenheit als Ganzes angesprochen. Drei von ihnen studierten Theologie an der Yale-Universität und promovierten an der Universität Chicago. Herbert L. Willett (1864-1944) leitete eine neue Epoche der Ausbildung für das geistliche Amt ein, indem er im Jahre 1894 an der Universität Chicago das Disciples Divinity House gründete, in dem Theologiestudenten der Universität Aufnahme und geistige Anleitung fanden. Willett, der außer in Yale und Chicago auch in Deutschland studiert und von 1896 bis 1929 an der Universität Chicago als Professor für semitische und orientalische Sprachen und Literaturen wirkte, war bei seiner Ernennung zum Dekan des Divinity House bereits eine hochgeachtete Persönlichkeit. Er wurde unter den Jüngern der führende Verfechter der „höheren Kritik" (higher critiasm), die er mit großer Uberzeugungskraft in Vorträgen, Aufsätzen und Büchern darlegte.40 Während der großen Kontroverse (er und McGarvey führten in der Kirchenpresse eine lebhafte Debatte) trat er für den religiösen Liberalismus ein und wurde zu einem überzeugenden Wortführer der neuen Anschauungen in der Theologie. Sein Kollege Edward Scribner Ames (1870-1958) war Leiter des Fachbereichs Philosophie an der Universität Chicago und zugleich Pfarrer an der Universitätskirche der Jünger. Ein Schüler John Deweys, machte er sich durch zahlreiche Veröffentlichungen auf dem neuen Feld der Religionspsychologie wie auch als Religionsphilosoph einen Namen. In radikaler Abwendung von der Sprache der herkömmlichen Frömmigkeit schockierte Ames viele seiner Brüder mit einem berühmt gewordenen Aufsatz über „meine Auffassung von Gott" als „die Idee des personifizierten, idealisierten Ganzen der Wirklichkeit". 41 Obwohl viele Jünger seinen Pragmatismus als ketzerisch ansahen, blieb er ihnen doch stets in äußerster Hingebung verbunden und erwies sich als einer ihrer bedeutendsten Köpfe und beredsamsten Lehrer. Das dritte Mitglied dieser Gruppe von drei Gelehrten, Winfred Ernest Garrison (1874-1969), war Kirchenhistoriker. Er hatte gleichwie Willett in Yale und Chicago studiert und folgte ihm im Amt des Dekans des Divinity House an der letztgenannten Universität nach. Als Verfasser bedeutender Werke über das amerikanische Christentum, 42 die Religionsfreiheit43 und die Geschichte der Jünger 44 vereinigte er mit der wissenschaftlichen Diszipliniertheit des Historiographen einen liberalen Geist und einen literarischen Stil von hohem Reiz. Als langjähriger Herausgeber des,,Christian Century" befleißigte er sich einer bemerkenswerten Vorurteilslosigkeit. In seiner späteren Zeit vertrat er die Jünger auf ökumenischen Tagungen und verfaßte gewichtige Abhandlungen über Fragen des Glaubens und der Kirchenverfassung.45

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Der vierte in diesem Bunde war nicht Hochschullehrer, sondern Redakteur. Im Jahre 1908 übernahm Charles Clayton Morrison (1874-1966) eine kleine Jünger-Zeitschrift, betitelt ,,The Christian Century", und machte sie zum Sprachrohr des - theologischen sowohl wie sozialen - Liberalismus innerhalb der Denomination. Nach 1920 wandelte er sie in eine „überkonfessionelle religiöse Zeitschrift" um, mit der er, wie auch mit seinen Büchern, bedeutsamen Einfluß auf den amerikanischen Protestantismus ausübte. In seiner 1914 veröffentlichten Schrift über die Bedeutung der Taufe richtete er einen scharfen Angriff gegen die von den Jüngern geübte „Wiedertaufe" und nahm auf eine mehr pragmatische Weise die späteren Erklärungen der Abteilung für Glauben und Kirchenverfassung über die „eine Taufe" vorweg. 46 In anderen Schriften befaßte er sich mit dem Social Gospel47 und mit der Einheit der Christen. 48 Jeder dieser Männer wurde zu einem Hauptstimmführer des amerikanischen religiösen Denkens. Durch ihre und ihrer Schüler Lehrtätigkeit und Schriften machten sie die Jünger, die allzu lange von den zeitgenössischen Geistesströmungen isoliert gewesen waren, mit der ganzen vorwärtsdrängenden Kraft des Liberalismus bekannt. Eine Autoritätskrise war die Folge dieses Schocks. Aus der Sicht der sogenannten , .höheren Kritik" besaß die Bibel nicht mehr die autoritative Absolutheit, die ihr die Gründerväter zugesprochen hatten. (Die Konservativen erkannten die Gefahr; McGarvey, Zollars und viele andere widersetzten sich der neuen Sehweise mit allen Kräften.) Die Grundlage der Wiederherstellungslehre war brüchig geworden. Der Liberalismus fand jedoch immer mehr Anhänger unter den Jüngern, machte er doch den Versuch einer ehrlichen Stellungnahme zu den Fragen, mit denen die Naturwissenschaft den modernen Menschen konfrontiert hatte und denen niemand mehr ausweichen konnte. Er war aufgeschlossen für das Social Gospel und für das Bemühen, die großen Probleme der modernen Gesellschaft anzugehen. Er brachte nicht die Geduld auf, sich mit den Anliegen der sektiererisch Eingestellten zu befassen, zumal sich immer mehr Jünger von ihnen abgewandt hatten. Indem er sich den brennendsten Problemen des religiösen Denkens und der Gesellschaftsordnung zuwandte, bot er einen neuen Zugang zur Einheit der Christen. Alle vier Genannten bewahrten den Jüngern die Treue. Willett hielt im Jahre 1894 die erste Vorlesung über die Geschichte der Jünger. Sie alle glaubten daran, daß das Erbe ihrer eigenen Gemeinschaft, wenn es vom Biblizismus und von der Gesetzlichkeit befreit werde, den Werten, denen sich der Liberalismus verschrieben hatte, Ausdruck gab. Durch ihre Tätigkeit und die zahlreicher Kollegen kam es zu einer Neuformulierung der Position der Jünger im liberalen Sinne.

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Der Nachdruck lag dabei auf der Freiheitlichkeit des Jünger-Erbes, wie es in der Gegnerschaft gegen Glaubensbekenntnisse und dem Widerstand gegen kirchliche Autorität zum Ausdruck kam. Im Mittelpunkt stand der persönliche eher denn lehrsatzmäßige Charakter des Glaubens an Jesus Christus. Man war stolz auf seine Vernünftigkeit und Ablehnung jeglichen religiösen Emotionalismus. Die traditionelle Hingabe der Jünger an die Einheit aller Christen durch das Herunterspielen der konfessionellen Unterschiede wurde herausgestellt. Man rühmte die Verpflichtung zur Einfachheit und den Verzicht auf die herkömmlichen Spekulationen und berief sich auf die Autorität der Gründer, die bereits die Lehre vom Dreieinigen Gott und die Sprache der chalkedonischen Christologie verworfen hatten. Man gefiel sich sogar darin, die Theologie als solche herabzusetzen. Die Wiederherstellungslehre wurde uminterpretiert: anstelle eines absoluten Modells für die Kirche suchte man im Neuen Testament den Geist der apostolischen Gemeinschaft aufzufinden. Die Gläubigentaufe deutete man als einen Akt des Sichbindens an die Herrschaft Christi. Doch wie stand es mit den Christen, die die Kindertaufe empfangen hatten oder auf irgendeine andere Weise als durch Untertauchen getauft waren? Das war für die Jünger die Frage aller Fragen. Doch ist an dieser Stelle auch eines anderen Kirchenführers aus jenem Zeitabschnitt zu gedenken. Peter Ainslie (1867-1934) war der Sohn und Enkel von Jünger-Geistlichen und wirkte als Pfarrer am Christian Temple in Baltimore. Im Jahre 1909 wählten ihn die Jünger auf ihrem Zentenarkonvent für das folgende Jahr zum Präsidenten. Nach langen Betrachtungen über das religiöse Erbe der Jünger forderte er sie in seiner Ansprache als neuer Präsident zu einer erneuten Festlegung auf das Streben der Gründer nach einer vereinigten Kirche auf und rief den Council on Christian Union (später Association for Promotion of Christian Unity und heute Council on Christian Unity genannt) ins Leben. Er war maßgeblich am Zustandekommen der ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung beteiligt. Er begründete das „ Christian Union Quarterly" (es wurde nach seinem Tode von C. C. Morrison als „Christendom" fortgeführt und im Jahre 1948 mit der „Ecumenical Review" vereinigt). In vielen amerikanischen Großstädten veranstaltete er Konferenzen über die Einheit der Christen. Und als er konstatieren mußte, daß die kirchlichen Körperschaften auf seine Bemühungen kaum reagierten, forderte er die einzelnen Christen auf, einen „Versöhnungspakt" zu schließen und sich zu verpflichten, ,,alles daranzusetzen, daß die Gesetze und Gebräuche unserer verschiedenen Gemeinschaften mit diesem Grundsatz [der Gleichheit aller Christen vor Gott] in Ubereinstimmung gebracht werden, so daß keinem Christen die Mitgliedschaft in irgendeiner unserer Kirchen noch auch das Vorrecht der Teilnahme am

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Abendmahl verwehrt wird und daß keinem christlichen Geistlichen aufgrund von Unterschieden im Ordinationsverfahren das Recht der Wortverkündigung auf unseren Kanzeln versagt wird." 49 Für Ainslie bedeutete dies die Praktizierung der offenen Mitgliedschaft.50 Obwohl Ainslies allgemeine theologische Position der Tradition verhaftet blieb, rückte ihn sein Eintreten für die offene Mitgliedschaft nach Ansicht der konservativen Jünger an die Seite der Liberalen, verwarfen doch beide das ausdrückliche Gebot des Herrn, zu taufen, d.h. die Gläubigentaufe durch Untertauchung. Uber die offene Mitgliedschaft kam es in den 1920er Jahren zu heftigen Auseinandersetzungen. Scharfe Angriffe richteten sich gegen die Vereinigte Christliche Missionsgesellschaft; im Jahre 1927 wurde ein Gegenkonvent ins Leben gerufen; neue Colleges wurden gegründet; neue „unabhängige" Missionen traten ins Dasein sowie eine ganze Reihe von Institutionen, die angeblich ,,dem Anliegen der Jünger die Treue hielten". Nach Ansicht der Konservativen kennzeichneten sich die Verfechter der offenen Mitgliedschaft als Ketzer, und nur verhältnismäßig wenige wagten es, öffentlich für sie einzutreten. Die Theologie der Liberalen und die Katholizität Ainslies (die beide die offene Mitgliedschaft verfochten) beschworen also für die Jünger, die sich bemühten, sich in einer Zeit zunehmender ökumenischer Bestrebungen in die Welt des neuzeitlichen Denkens einzufügen, eine neue Kontrovers-Epoche herauf. Damals wurde der Grund zu einem zweiten großen Schisma zwischen den „unabhängigen" christlichen Kirchen und den zur Zusammenarbeit bereiten Jüngern gelegt, dem nunmehr anscheinend auch formelle Anerkennung zuteil wird. 51 Die herkömmliche Position der Jünger verfochten nicht allein bekannte Pastoren, sondern auch Männer, die beträchtliches Ansehen als Theologen genossen. Frederick D. Kershner (1875-1953), ein Mann von irenischer Gesinnung ünd großer Aufgeschlossenheit, trat mit beträchtlichem Aufwand an Gelehrsamkeit für die Gläubigentaufe 52 und für die Wiederherstellungslehre53 ein. Dekan E. Walker (geb. 1898), ein durch profunde Kenntnisse ausgezeichneter Historiker der Jünger, legte ihre traditionelle Position in den Kategorien der zeitgenössischen Theologie dar. S4 Ungeachtet der Last der Tradition und des Eifers derjenigen, die an den Anliegen der Gründerväter festhielten, gewannen die liberalen Neuerer in jedem Dezennium neue Anhänger. Immer mehr Geistliche absolvierten ein theologisches Studium, viele davon in interdenominationellen Ausbildungsstätten; an den Seminarien der Jünger lehrten jetzt Graduierte der größeren Universitäten, und ihre Studenten lasen die Werke allgemein anerkannter Gelehrter, nicht bloß von Männern ihrer eigenen Tradition. Zudem kamen die Jünger gleich ihren Mitchristen in anderen Religionsge-

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meinschaften unvermeidlich mit modernen Gedankengängen in Berührung, denen sich der Liberalismus aus einem christlichen Blickwinkel heraus zu stellen versuchte. Den Jüngern drohten bei alledem zweierlei Gefahren. Sie riskierten nicht nur, daß sie, wie die Liberalen ganz allgemein, allzusehr in Abhängigkeit von der Kultur gerieten und den Standpunkt des christlichen Glaubens aus dem Auge verloren, sondern liefen auch Gefahr, ihres biblischen Fundaments verlustig zu gehen. Und zwar war es nicht so sehr die liberale Stellung zur Bibel, von der her ihnen Gefahr drohte, als vielmehr ihre Unfähigkeit, dem Biblizismus theologisch entgegenzutreten. In ihrem Antagonismus gegen den Obskurantismus und die Gesetzlichkeit, mit der die „ U n abhängigen" die ererbten Lehren verfochten, neigten viele Liberale dazu, die letzteren gänzlich fallenzulassen und eine Religion der Vernünftigkeit und des guten Willens zu predigen. Außerstande, an den veralteten Formulierungen der biblischen Lehren festzuhalten, waren sie auf dem besten Wege, zu Christen ohne jede Theologie zu werden.

D. Neoorthodoxie und Erneuerung der Theologie Als die Neoorthodoxie ins Dasein trat (d.h. die mit den Namen von Barth, Brunner, den Brüdern Niebuhr u. a. verbundene Richtung in der Theologie), machte sie zunächst nur wenig Eindruck auf die Jünger. Sie erkannten zunächst nicht, daß sie sich von dem Fundamentalismus und Biblizismus, von dem sich die Liberalen losgesagt hatten, unterschied. Ihre, so schien es ihnen, übermäßige Betonung der Sündhaftigkeit des Menschen und seiner völligen Hilflosigkeit behagte ihnen nicht. Die Schriften dieser Theologen zeigten nicht die Einfachheit, für die die Jünger stets eingetreten waren. Die erneute Herausstellung der Fragen, mit denen sich die Theologen der Reformationszeit und die frühen ökumenischen Konzile abgegeben hatten, war der pragmatischen Haltung der in erster Linie an den Zeitströmungen interessierten Jünger zuwider. So stieß ζ. B. die neue theologische Grundeinstellung, die im Jahre 1937 auf der Weltkonferenz des ökumenischen Rats für Praktisches Christentum in Oxford und 1938 auf der Weltmissionskonferenz in Madras vorherrschte, bei den daran teilnehmenden Jüngern weitgehend auf Unverständnis. Von den Hauptvertretern der altliberalen Richtung war C. C. Morrison der einzige, der die Neoorthodoxie ernst nahm und eine gewisse Sympathie für sie empfand. In einer Reihe bemerkenswerter Artikel im,, Chñstian Century" stellte er klar heraus, daß die amerikanischen Christen unmöglich länger bei den allzu simplen Grundannahmen des früheren Liberalismus ver-

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harren könnten und sich des spezifischen Charakters des biblischen Glaubens bewußt werden müßten. ss Der einzige Jünger-Theologe, der während diess Zeitabschnitts allgemeine Anerkennung fand, war der Engländer William Robinson (1888-1963), der im Jahre 1947 zu einer Vortragsreise nach Amerika kam und 1951 als Professor für Christliche Lehre an das Christian Theological Seminary in Indianapolis berufen wurde. 56 Als geistiger Führer der britischen Kirchen Christi hatte Robinson seit 1920 aktiv an den großen ökumenischen Tagungen und den anschließenden Diskussionen teilgenommen. Er überblickte nicht nur die zeitgenössische Bibelwissenschaft und Theologie, sondern kannte die Wissenschaftler persönlich und arbeitete mit an der Aufgabe der Befreiung des Christentums von einem allzu seichten Liberalismus. Seine Stärke war die biblische Theologie, und er war der Ansicht, daß die Gründerväter der Jünger (ihre ersten Führer in Großbritannien eingeschlossen) wertvolle Arbeit geleistet hätten, obschon er als durchaus moderner Mensch und anspruchsvoller Exeget hier und da Kritik an ihren Schlußfolgerungen auf dem Gebiet der biblischen Lehre übte. Durch seine Lehrtätigkeit, seine zahlreichen Vortragsreisen und seine Bücher 57 half er den amerikanischen Jüngern nicht nur bei der Wiederentdeckung ihres Erbes, sondern machte sie auch mit dem Stand der theologischen Forschung bekannt. Andere Gelehrte, wie insbesondere Ralph G. Wilburn, 58 Walter W. Sikes, Robert Tobias und Glenn Routt, die bei den großen Vertretern der Neoorthodoxie studiert hatten, halfen ihm dabei. Von besonderer Bedeutung für die theologische Ausrichtung der Jünger war ihre Teilnahme an den Weltkonferenzen der Ökumenischen Bewegung. Seit der Amsterdamer Konferenz des Jahres 1948 hat ihr Rat für die Einheit der Christen jeweils eine ernstzunehmende Stellungnahme zu der Botschaft und den Dokumenten einer jeden größeren Tagung veröffentlicht. Das,,Response to Amsterdam" und das „Response to Lund" spiegelten die herkömmliche Denkweise der Jünger, gereinigt durch die Perspektive des liberalen Neubeginns, aber gleichwohl so formuliert, daß sie für weithin repräsentativ galten konnten. Doch der Nachdruck auf der biblischen Theologie, der für Lund so bezeichnend war, verfehlte nicht seine Wirkung auf das Denken der Jünger, wie in dem,,Response to Evanston" und dem,,Response to Oberlin" deutlich wird. Inzwischen hatten sich auch die Organe ihres Rates für die Einheit der Christen 59 und die an zwei Seminarien herausgegebenen theologischen Zeitschriften, „The College of the Bible Quarterly" (1966 in,,Lexington Theological Quarterly" umbenannt) und „Encounter" (herausgegeben vom Christian Theological Seminary), in die laufende theologische Diskussion eingeschaltet; in diesen Periodika befaßte sich eine wachsende Zahl von Jüngern vom Standpunkt der biblischen

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Theologie und der Neoorthodoxie eher denn aus dem Blickwinkel eines verfestigten Liberalismus mit ökumenisch bedeutsamen Fragen. Im Jahre 1963 gelangten die Jünger mit der Veröffentlichung der Berichte ihrer Gelehrtenkommission gewissermaßen an eine theologische Wasserscheide.60 Diese Kommission war eine repräsentative Gruppe von fünfzehn Jüngern, die 1956 eingesetzt wurde, um „den Jüngern Christi durch die wissenschaftliche Uberprüfung ihrer Glaubenssätze und Lehren eine neue Gewißheit und Klarheit des Denkens zu vermitteln". 61 Die der Kommission angehörenden Historiker, Theologen, Bibelwissenschaftler und Pastoren arbeiteten eine große Anzahl von Stellungnahmen zu den Positionen der Gründer und ihrer Nachfolger und zu brennenden Fragen der Gegenwart aus. Nach ausgedehnten Besprechungen und eingehender Kritik wurden hiervon 41 veröffentlicht. Obschon es keine offiziellen Verlautbarungen waren, stellten diese Stellungnahmen doch eine nach anderthalb Jahrhunderten von Männern, die mit den zeitgenössischen geisteswissenschaftlichen Disziplinen vertraut waren, erstellte verantwortliche Neubewertung dar. Ein Rezensent hielt dafür, ihr Standort sei der eines gemäßigten Liberalismus eher denn der der zur Zeit dominierenden Neoorthodoxie. Jedenfalls bewirkte das Gesamtwerk eine Befreiung der Jünger von gewissen Positionen der Vergangenheit (von der Idee der Wiederherstellung, der Furcht vor formulierten Glaubensbekenntnissen und der Verwerfung kirchlicher Strukturen), während es gleichwohl eine biblisch begründete Christologie, Ekklesiologie und Sakramentenlehre darlegte und in zeitgenössischer Sprache bekräftigte. Als die biblische Theologie, zumal wie sie in dem Schrifttum über Glauben und Kirchenverfassung zum Ausdruck kam, erstmals in das Bewußtsein der Jünger drang, regte sich bei ihnen die Hoffnung, sie eröffne die Möglichkeit einer Annäherung zwischen den „Unabhängigen" und den „Kooperationswilligen". Unter den letztgenannten schienen jetzt etliche entschlossen, Kirche und Sakramente aus dem Blickwinkel der biblischen Lehre eher denn aus der Perspektive des Liberalismus zu diskutieren. Am Beginn von Robinsons Tätigkeit in Amerika hegten beispielsweise die „Unabhängigen" die Hoffnung, er werde sich für ihre Anschauungen einsetzen. Doch die Veröffentlichung der Berichte der Gelehrtenkommission machte deutlich, daß die zeitgenössische biblische Theologie nicht lediglich ein Abklatsch der Aussagen der Gründer aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war, daß die Neoorthodoxie (in dem Maße, wie sie in den Berichten aufschien) kein Fundamentalismus war und daß die „Wissenschaftler" den von den „Unabhängigen" vertretenen Traditionalismus heftig attakkiert hatten. Die letzteren nahmen besonders daran Anstoß, daß den Verfechtern der „Wiederherstellung" eine unbiblische Haltung bescheinigt

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wurde. Es wurde nunmehr offenbar, daß die „Unabhängigen" und die , ,Kooperations willigen" nicht die gleiche Sprache sprachen und daß die bereits weit fortgeschrittene institutionelle Trennung fortdauern würde. 62 Die von der Gelehrtenkommission vertretene Tendenz lebt in der Arbeit zweier anderer Gruppen fort: in der Association of Disciples for Theological Discussion und der Commission on Theology and Christian Unity. Die erstere setzt sich aus Berufstheologen und Bibelwissenschaftlern zusammen, die alljährlich zusammenkommen, um sich über Abhandlungen über derzeitige Strömungen im religiösen Denken zu unterhalten. Unter ihren Auspizien wurden zwei Buchreihen ins Leben gerufen, von denen die eine ekklesiologische Fragen behandelt, 63 während die andere Interpretationen der Werke bedeutender zeitgenössischer Theologen bringt. 64 Die Commission on Theology and Christian Unity ist eine Studienkommission des Rates für die Einheit der Christen, der die Aufgabe übertragen wurde, wichtige Fragen der christlichen Ökumene zu erforschen. Sie hat eine Reihe von Abhandlungen über die Sakramente fertiggestellt, die im allgemeinen eine biblische Einstellung erkennen lassen, die der der Gründer nicht widerstreitet, indes ihren Dogmatismus und ihre absolute Stellung zur Gläubigentaufe verwirft. Letzthin hat sie eine Studie über formulierte Glaubensbekenntnisse und ihren Platz im Leben einer vereinigten Kirche abgeschlossen und zu Anfang des Jahres 1972 eine Antwort auf den von der Kirchenunionskonferenz herausgegebenen Unionsplan (,,A Plan of Union") abgefaßt. Unter den Auspizien der Historischen Gesellschaft der Kirche der Jünger Christi hat jüngst eine von Forrest F. Reed begründete alljährliche Vorlesungsreihe eine Uberprüfung des Erbes und eine historische Perspektive auf die Probleme der Gegenwart eingeleitet. In den bisherigen Vorlesungen wurden die Lehre der Kirche, 65 das Verhältnis der Jünger zur ganzen Kirche Christi 66 und die Lehre vom geistlichen Amt behandelt. 67 Und nun ist „die kurze Laufbahn der Neo-Orthodoxie" 6 8 bereits an ihrem Ende angelangt. Die radikale Theologie ist in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, und sollte im Verlauf der 70er Jahre eine dem traditionellen Christentum etwas mehr ähnelnde Richtung die Oberhand gewinnen, so dürfte es sich um eine Art Neoliberalismus handeln. Ein solcher könnte den Jüngern im ganzen in mancher Weise mehr liegen als seinerzeit die Neoorthodoxie, die selbst in Gestalt der biblischen Theologie den Großteil der Jünger niemals wirklich zu fesseln vermochte. Während des ganzen Zeitalters der ökumenischen biblischen Theologie fuhren die meisten von ihnen fort, sich zur liberalen Neuformulierung auf der Grundlage der Tradition eher denn der kritischen Neubewertung zu bekennen. Wegen dieser fortlebenden Grundtendenz und Denkweise 69 mag es sehr wohl sein, daß die

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Jünger auf die theologische Entwicklung der nächsten zwei Jahrzehnte mehr Einfluß nehmen werden, als sie es seit langem getan haben. Für die Fragen aber, die die radikalen Theologen jetzt zum Mittelpunkt der Diskussion gemacht haben, ist die besondere Position der Jünger oder irgendeiner anderen Denomination kaum bedeutsam. Die Bestimmung des Rahmens, in dem die Lehre von Gott, die Auffassung vom Menschen, die Lehre von der Erlösung und von der Hoffnung ausgearbeitet werden, bleibt dem mündig gewordenen Menschen und einer von Auslöschung bedrohten Zivilisation überlassen. Die Jünger wären vermessen, wollten sie behaupten, irgendwelcher besonderen Einsichten in derlei Fragen teilhaftig zu sein, und nur ein T o r würde mit Lesern rechnen, die einem denominationeilen Standpunkt Interesse entgegenbringen. Innerhalb ihrer Kirche haben die Jünger indes sorgfältig über ihre Gepflogenheiten als eine Körperschaft von Gläubigen nachgedacht. Sie haben sich intensiv mit ihrer Lehre von der Kirche 7 0 und vom geistlichen Amt beschäftigt. Sie haben sich intensiv mit der Bedeutung des Glaubens 7 1 und der Sakramente befaßt 7 2 und sich über das Wesen des Gottesdienstes 73 und seine Erneuerung im Blick auf den heutigen Menschen Gedanken gemacht. 7 4 Alle diese theologische Arbeit hat die Jünger befähigt, eine konstruktive Rolle bei den Beratungen der Kirchenunionskonferenz zu spielen. Jünger-Theologen haben grundlegende historische und theologische Abhandlungen für sie ausgearbeitet (keine Darstellungen der Position der Kirche der Jünger Christi), und ihre Vertreter haben in großem Umfang an dem Entwurf und der Erörterung der,, Principles of Church Union" mitgewirkt. Zwei von ihnen, George G . Beazley und Oliver Schroeder, waren Mitglieder des Ausschusses, der den Unionsplan der Konferenz ausgearbeitet hat. Nach sorgfältiger Vorbereitung arbeiteten sieben Jünger eine Analyse aus, die vom Gesamtausschuß der Kirche als ihre Stellungnahme zu diesem Plan angenommen wurde. 7 5 Die theologische Erneuerungsbewegung der vorigen Generation wie auch eine bemerkenswerte Wiedergeburt der Theologie in ihrer eigenen Kirche haben die Jünger veranlaßt, die Grundlage für ihre eigene kirchliche U m strukturierung als Kirche der Jünger Christi zu erarbeiten und ferner eine sinnvolle Lehre von der Kirche und den Sakramenten für die Jetztzeit sowie ein Verständnis ihres Erbes zu gewinnen, das sie hoffentlich befähigen wird, eines Tages in der größeren Gemeinschaft einer vereinigten Kirche ihren Platz einzunehmen.

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ANMERKUNGEN 1

W. Β. Blakemore, Reasonable, Empirical, Pragmatic: The Mind of Disciples of Christ, in: Ronald E. Osborn, The Reformation of Tradition, The Panel Reports, I, St. Louis (The Bethany Press) 1963, S. 161-183.

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Zitiert von Granville T. Walker, Preaching in the Thought of Alexander Camphell, St. Louis (The Bethany Press) 1954, S. 217. Campbell schrieb von der Schule: ,.Bethany College ist, soweit mir bekannt, in der Kulturwelt das einzige College, das auf die Bibel begründet ist. Es ist weder eine auf menschliche Theologie begründete Theologenschule noch eine auf die Bibel begründete Religionsschule, sondern eine literarische und wissenschaftliche Institution, die auf die Bibel als die Grundlage aller wahren Wissenschaft und aller wahren Gelehrsamkeit begründet wurde" {„Millennial Harbinger", VII, Nr. 5, Mai 1850, S. 291).

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Als Präsidentin des in Chicago tagenden Internationalen Konvents der Jünger Christi bezeichnete Mrs. Mossie Wyker unsere Delegierten für die dritte Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lund (Schweden) als „Theologen". In jenem Jahr wurde die School of Religion an der Butler-Universität in Indianapolis/Indiana als Christian Theological Seminary neu gegründet. Im Jahre 1963 beschlossen die Treuhänder des College of the Bible in Lexington/Kentucky seine Umbenennung in Lexington Theological Seminary. Last Will and Testament of the Springfield Presbytery, 1804. Für Stones Theologie siehe William Garrett West, Barton Warren Stone, Early American Advocate of Christian Unity, Nashville/Tennessee (The Disciples of Christ Historical Society) 1954. Eine sehr informative Biographie verfaßte Charles Crossfield Ware, Barton Warren Stone, Pathfinder of Christian Union: A Story of His Life and Times, St. Louis (The Bethany Press) 1932. Die grundlegende Biographie ist Lester G. McAllister, Thomas Campbell: Man of the Book, St. Louis (The Bethany Press) 1954. Die zweite (Standard-)Auflage erschien im Jahre 1839 und wurde die ganzen Jahrzehnte hindurch von dem Christian Board of Publication in St. Louis aufs neue in Druck gegeben. Eine wertvolle Ergänzung bildet Royal Humbert (Hg.), A Compend of Alexander Campbell's Theology, with commentary in the form of critical and historical footnotes, St. Louis (The Bethany Press) 1961. Siehe auch Winfred Ernest Garrison, Alexander Campbell's Theology: Its Sources and Historical Setting, St. Louis (Christian Publishing Company) 1900; Robert Frederick West, Alexander Campbell and Natural Religion, New Haven (Yale University Press) 1948; S. Morris Eames, The Philosophy of Alexander Campbell, Bethany/West Virginia (Bethany College) 1966. Die Standardbiographie von Alexander Campbell, in der auch ausführlich auf die Quellen seines Denkens eingegangen wird, verfaßte sein langjähriger Amtsbruder Robert Richardson, Memoirs of Alexander Campbell, embraàng a view.of the origin, progress and principles of the religious reformation which he advocated, 2 Bde., Philadelphia (J. B. Lippincott & Co.) 1871. Auf weitere Monographien wird mit Bezug auf besondere Themen hingewiesen werden.

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Die wichtigsten waren: The Gospel Restored (1836), The Union of Christians on Christian Principles (1852), und The Messiahship (1859). A. Campbell, The Christian System in Reference to the Union of Christians and Restoration of Primitive Christianity as Plead by the Current Reformation, St. Louis (Christian Board of Publication), Reprint der 2. Aufl. von 1839, S. 12. In dem Jahrzehnt, das dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorausging, gelang es Missionaren der amerikanischen Kirchen Christi - der Gruppe, die die Lehren Campbells und der anderen Gründer nahezu unverändert vertritt - in ungewöhnlichem Ausmaß, katholische Priester in Italien zu „bekehren". Der Autorität der Bibel eignet eine Majestät, die der des Papstes gleichkommt, sie schien aber auch mehr Freiheit zu verheißen. Thomas Campbell, Declaration and Address (Faksimileausgabe), Indianapolis (International Convention of Disàples of Christ) 1949, S. 4. ebda., S. 16-19. Vgl. (fürErasmus' Interpretationsregeln) Frederic Seebohm, The Oxford Reformers, New York (E. P. Dutton and Co.) 1914, S. 204f. Siehe Cecil Κ. Thomas, Alexander Campbell and His New Version, St. Louis (The Bethany Press) 1958, S. 146f. A.Campbell, a.a.O., S.21. Für die verschiedenen theologischen Gegenstände siehe A.T. DeGroot, Disciples Thought: A History, Fort Worth/Texas (Verf.) 1965. Siehe West, Barton Warren Stone, S. 157-162, 183-188. Der Ausdruck „Gläubigen taufe" dient hier zur Bezeichnung der Immersion einer Person, die das Zustimmungsalter erreicht hat. All die Anschauungen vom Wesen der Kirche, die die Baptisten und Wiedertäufer damit verbinden, sind darin nicht impliziert. Vgl. Kap. I [A. d. Hg.]. Siehe Harold L. Lunger, The Political ethics of Alexander Campbell, St. Louis (The Bethany Press) 1954; David Edwin Harrell, Jr., Quest for a Christian America: The Disciples of Christ and American Society to 1866 (A Social History of the Disciples of Christ, I), Nashville/Tennessee (The Disciples of Christ Historical Society) 1966. A. Campbell, a.a.O., S. 10. T. Campbell, a.a.O., S. 16. A. Campbell, a.a.O., S. 321-354. Vgl. Keith Watkins, TheBreakingof Bread: An Approach to "Worship for the Christian Churches (Disciples of Christ), St. Louis (The Bethany Press) 1966. Siehe Ronald E. Osborn,,, The Eldership Among Disciples of Christ: A Historical Case-Study in a ,Tent-Making Ministry'", in: „Mid-Stream", VI, 2 (Winter 1967), S. 74-112. Siehe Eva Jean Wrather, Creative Freedom in Action: Alexander Campbell on the Structure of the Church, St. Louis (The Bethany Press) 1968; D. Ray Lindley, Apostles of Freedom, St. Louis (The Bethany Press) 1957. A. Campbell, a.a.O., S. 88. Oliver Read Whitley, Trumpet Call of Reformation, St. Louis (The Bethany Press) 1959, S. 154. Verf. wendet die Troeltschsche Typenlehre auf die Jünger an und belegt in seinem Buch ihre Entwicklung von einer Sekte zu einer Denomination an Hand ihrer Geschichte.

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Ronald E. Osborn Für eine Darstellung dieser Kontroverse siehe Winfred Ernest Garrison und Alfred T. DeGroot, The Disciples of Christ: A History, St. Louis (Christian Board of Publication), 1948, S. 348-350. Die am sorgfältigsten ausgearbeitete Lehre vom geistlichen Amt, die das neue System auf der Basis biblischer Prinzipien eher denn besonderer Präzedenzien oder Beweisstellen begründete und ihm Anleitung gab, war Thomas Munnell, The Care of All the Churches: Being a Scriptural Statement of the Character, Qualifications, Ordination, and Relative Duties of the Christian Ministry, Evangelists, Bishops and Deacons, St. Louis (Christian Publishing Co.) 1888. Roben Richardson, The Principles and Objects of the Religious Reformation Urged by A. Campbell and Others, Briefly Stated and Explained, Bethany {A. Campbell) 1853. Robert Richardson, A Scriptural View of the Office of the Holy Spirit, Cincinnati (Chase) 1872. Robert Milligan, Reason and Revelation; or, the Province of Reason in Matters pertaining to Divine Revelation Defined and Illustrated; and the Paramount Authority of the Holy Scriptures Vindicated, Cincinnati (R. W. Carroll & Co.) 1868. Robert Milligan, An Exposition and Defense of the Scheme of Redemption as It Is Revealed and Taught in the Holy Scriptures, Cincinnati (Carroll) 1869. John S. Sweeney, Sweeney's Sermons, Nashville (Gospel Advocate Publishing Company) 1892. Dwight E. Stevenson, Lexington Theological Seminary, 1865-1965: The College of the Bible Century, St. Louis (The Bethany Press) 1954, S. 17-21. Siehe W . W . Wasson James A. Garfield: His Religion and Education, A Study in the Religious and Educational Thought and Activity of an American Statesman, Nashville (Tennessee Book Company) 1952. J . H. Garrison, The Old Faith Restated, being a Restatement, by Representative Men, ob the Fundamental Thruths and Essential Doctrines of Christianity, as Held and Advocated by the Disciples of Christ, in the Light of Experience and of Biblical Research, St. Louis (Christian Publishing Company) 1891. J . H. Garrison, Christian Union: A Historical Study, St. Louis (Christian Publishing Company) 1906. Siehe besonders W. T. Moore, The Plea of the Disciples of Christ, or the Principles and Aims of a Religious Movement Newly Stated and Critically Examined, Chicago (Christian Century Company) 1906. Siehe besonders Archibald McLean, Where the Book Speaks, or Mission Studies in the Bible, New York (Revell) 1907. Zollars' Bücher wurden von der Standard Publishing Company, Cincinnati/Ohio, veröffentlicht. Siehe besonders Herbert L. Willett, Our Plea for Union and the Present Crisis, Chicago (The Christian Century Company) 1901; Basic Truths of the Christian Faith, 1903; The Call of Christ, New York (Fleming H. Revell Company) 1912. Siehe Joseph Fort Newton (Hg.), My Idea of God: A Symposium of Faith, Boston (Little, Brown, and Company) 1926, S. 237-250. Siehe auch die folgenden Bücher von Edward Scribner Ames: The Psychology of Religious Experience, Boston

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(Houghton, Mifflin Co. ) 1910; Religion, New York (Henry Holt and Co. ) 1929; Van Meter Ames (Hg.), Beyond Theology: The Autobiography of Edward Scribner Ames, Chicago (The University of Chicago Press) 1959. Siehe Winfred Ernest Garrison, The March of Faith, the Story of Religion in America since 1865, New York (Harper & Brothers) 1933. Siehe Winfred Ernest Garrison, Catholicism and the American Mind, Chicago (Willett, Clark, and Colby) 1928; Intolerance, New York (Round Table Press) 1934. Siehe Winfred Ernest Garrison, Religion Follows the Frontier, A History of Disciples of Christ, New York (Harper & Brothers) 1931 ; Christian Unity and Disciples of Christ, St. Louis (The Bethany Press) 1955; Heritage and Destiny: An American Religious Movement Looks Ahead, St. Louis (The Bethany Press) 1961. Siehe Winfred Ernest Garrison, The Quest and Character of a United Church, New York (Abingdon Press) 1957. Siehe Charles Clayton Morrison, The Meaning of Baptism, Chicago (Disciples Publication Society) 1914. Charles Clayton Morrison, The Outlawry of War, A Constructive Policy for World Peace, Chicago (Willett, Clark & Colby) 1927; The Social Gospel and the Christian Cultus, New York (Harper & Brothers) 1933. Siehe Charles Clayton Morrison, What is Christianity? Chicago (Willett, Clark & Co.) 1930; The Unfinished Reformation, New York (Harper & Brothers) 1953. Siehe Peter Ainslie, The Equality of All Christians before God: A Record of the New York Conference of the Christian Unity League Held at St. George's Church, New York City, New York (The Macmillan Company) 1930, S. 12. Von Ainslies Hauptwerken seien genannt: The Message of the Disciples for the Union of the Church, Including Their Origin and History, New York (Fleming H. Revell Company) 1913; The Scandal of Christianity, Chicago (Willett, Clark and Co.) 1929; Some Experiments in Living, New York (Association Press) 1933. Siehe auch Finis S. Idleman, Peter Ainslie: Ambassador of Good Will, Chicago (Willett, Clark & Co.) 1941. Unter „offener Mitgliedschaft" verstehen die Gemeinden der Kirche der Jünger Christi die uneingeschränkte Aufnahme von Personen, die unmittelbar nach ihrer Geburt und/oder nicht durch Immersion getauft worden sind. Dieses wirkliche Schisma wurde von vielen Gemeinden formell vollzogen, die zur Zeit der Annahme des „Vorläufigen Plans" im Jahre 1968 ihre Streichung aus dem ,, Year Book" (dem Verzeichnis der Jünger-Kirchen und -Geistlichen) verlangten. Frederick D . Kershner, Christian Baptism, Baltimore (Commission on Christian Union of the Disciples of Christ) 1912. Frederick D . Kershner, Christian Union Overture, An Interpretation of the Declaration and Address by Thomas Campbell, St. Louis (The Bethany Press) 1923. Siehe auch seine volkstümlichen Handbücher: The Restoration Handbook; Studies in the History and Principles of the Movement to Restore New Testament Christianity, 4 Bde., Cincinnati (The Standard Publishing Co.) o . J . (ca. 1918-1920). Dean E. Walker, Adventuring for Christian Unity: A Survey of the History of

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Ronald E. Osborn Churches of Christ (Disciples), Birmingham (The Berean Press) 1935; The Traditional Christ, Milligan College/Tennessee (Milligan College Press) o. J.

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Charles Clayton Morrison,,, The Liberalism of Neo-Orthodoxy", in: „ The Christian Century", LXVII (7., 14., 21. Juni 1950), S. 697ff. 56 Bis zum Jahre 1958 trug diese Ausbildungsstätte die Bezeichnung „School of Religion, Butler University". "Siehe besonders William Robinson, The Biblical Doctrine of the Church, St. Louis (The Bethany Press) 1948. Wichtig sind ferner: Essays on Christian Unity, London (James Clarke) 1922; The Shattered Cross, Birmingham (Berean Press) 1945; und Completing the Reformation: The Doctrine of the Priesthood of All Believers, Lexington/Kentucky (The College of the Bible) 1955. 58 Siehe Ralph G . Wilburn, The Prophetic Voice in Protestant Christianity, St. Louis (The Bethany Press) 1956. 59 Sie wurden von 1955 bis 1960 in unregelmäßiger Folge unter dem Titel Ecumenical Studies Series veröffentlicht und erscheinen seit 1961 regelmäßig als Mid-Stream. 60 W. B. Blakemore (Hg.), The Renewal of Church: The Panel Reports, 3 Bde., St. Louis (The Bethany Press) 1963:1, Ronald E. Osborn (Hg.), The Reformation of Tradition; II, Ralph G. Wilburn (Hg.), The Reconstruction of Theology; III, Wm. Barnett Blakemore (Hg.), The Revival of the Churches. 61 ebda., I, S. 8. 62 Für einen Bericht über das sich anbahnende Schisma siehe Α. T. DeGroot, New Possibilities for Disciples and Independents, With a History of the Independents Church of Christ Number Two, St. Louis (The Bethany Press) 1963. 63 Herausgeber dieser von der Bethany Press in St. Louis veröffentlichten Reihe ist H . Jackson Forstman. Bisher sind folgende Titel erschienen : Forstman, Christian Faith and the Church, 1965; J. Daniel Joyce, The Place of the Sacraments in Worship, 1967; Ronald E. Osborn, In Christ's Place: Christian Ministry in Today's World, 1967. 64 Diese ebenfalls von der Bethany Press veröffentlichte Reihe wurde von dem verstorbenen Walter W. Sikes als „The Library of Contemporary Theology" ins Leben gerufen. Folgende Bände sind erschienen: Eugene H . Peters, The Creative Advance: An Introduction to Process Philosophy as a Context for Christian Faith, 1966; Guyton B. Hammond, The Power of Self-Transcendence: An Introduction to the Philosophical Theology of Paul Tillich, 1966; Walter W. Sikes, On Becoming the Truth: An Introduction to the Life and Thought of Sören Kierkegaard, 1968. 65 Wm. Barnett Blakemore, The Discovery of the Church: A History of Disciple Ecclesiology, The Reed Lectures for 1965, Nashville/Tennessee (Ree and Company) 1966. 66 Robert O . Fife, David Edwin Harrell, Jr. und Ronald E. Osborn, Disciples and the Church Universal, The Reed Lectures for 1966, Nashville/Tennessee (The Disciples of Christ Historical Society) 1967. In den drei Vorträgen kommen Wortführer der drei Hauptgruppen, in die sich die Bewegung von Campbell und Stone verzweigt hat, zu Wort. R. O . Fife vertritt die „unabhängigen" „Christlichen

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Kirchen", D . E. Harreil die „konservativen" „Kirchen Christi" und R. E. Osborn den mit dem Internationalen Konvent assoziierten Kirchenkörper, der im Jahre 1968 als Generalversammlung der „Kirche der Jünger Christi (Disciples)" neu konstituiert wurde. 67

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William Martin Smith, Servants without Hire: Emerging Concepts of the Christian Ministry in the Campbell-Stone Movement, The Reed Lectures fort 1967, Nashville/Tennessee (The Disciples of Christ Historical Society) 1968. Diese Wendung stammt von Dekan Roger Shinn vom Union Theological Seminary. Beispielsweise Ralph G. Wilburn vom Lexington Theological Seminary, F. Eugene Peters vomHiram College, Clark M. Williamson vom Christian Theological Seminary, W. Daniel Cobb vom Eureka College, Robert Simpson von der Phillips Universität und John Sibley vom Bethany College.

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Siehe A. T. DeGroot, The Nature of the Church, Fort Worth/Texas (Verf.) 1961 ; Ronald E. Osborn, Restructure... Toward the Christian Church (Disciples of Christ), St. Louis (Christian Board of Publication) 1964; Ronald E. Osborn, A Church for These Times, Abingdon Press 1965, und die Interpretation der Probleme, die die für eine wahrhaft katholische, wahrhaft evangelische und wahrhaft reformierte Kirche eintretende Kirchenunionskonferenz aufgeworfen hat.

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Außer den in diesem Abschnitt bereits erwähnten Titeln siehe auch Lin D . Cartwright, The Great Commitment: The Meaning of the Confession of Faith, St. Louis (The Bethany Press) 1962. Siehe W. Robinson, Holy Baptism and Holy Communion: Being a Brief Course of Scriptural Instruction of Jesus Christ, Birmingham (Berean Press) 1943; Harold E. Fey, The Lord's Supper: Seven Meanings, New York (Harper & Brothers) 1948; Stephen J. England, The One Baptism: Baptism and Christian Unity, with Special Reference to Disciples of Christ, St. Louis (The Bethany Press) 1960; ferner die Studien der Kommission für Theologie und Christliche Einheit in der Zeitschrift „Mid-Stream".

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Siehe Keith Watkins, The Breaking of Bread, a.a.O.; ferner G . Edwin Osborn, The Glory of Christian Worship, Indianapolis (Christian Theological Seminary Press) 1960. Siehe Keith Watkins, Liturgies When Cities Burn, New York (Abingdon Press) 1969. Der Verfasser des vorliegenden Kapitels, Ronald E. Osborn, war Mitglied dieser Gruppe und maßgeblich an der Abfassung des Wortlauts beteiligt. Er hat noch viele andere Unterlagen für die Kirchenunionskonferenz abgefaßt. [A. d. Hg.]

87 K A P I T E L III GOTTESDIENSTLICHES LEBEN IN DER KIRCHE DER J Ü N G E R CHRISTI

WILLIAM BARNETT BLAKEMORE*

I Das Wesen des Gottesdienstes in der Kirche der Jünger

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Die ersten Führer der Kirche der Jünger Christi waren Presbyterianer gewesen, ehe sie den Schritt taten, der zur Bildung ihres besonderen Teils des Leibes Christi im Jahre 1832 führen sollte. Wie alle Reformer waren sie sich ihrer Diskontinuität mit der Vergangenheit stärker bewußt als ihrer Kontinuität. Sie sahen sich niemals vor die Notwendigkeit gestellt, das, was sie von ihren früheren Glaubensanschauungen und Gepflogenheiten beibehielten, verteidigen zu müssen; sie mußten vielmehr ihre Abweichung von dem bisherigen Glaubensgut und den bisherigen Gebräuchen und all das, was neu war, rechtfertigen. Die Folge war, daß die ersten Jüngergenerationen gleich allen neuen Gemeinschaften ihre Eigenständigkeit herausstellten und ihre fortdauernden Gemeinsamkeiten mit den reformierten Traditionen von Calvin und Knox und dem Protestantismus ganz allgemein fast gänzlich aus den Augen verloren. Die gegenwärtige Führung der Jünger hat erkannt, daß die Grundschicht ihres Gottesdienstes im presbyterianischen Kultus an der Siedlungsgrenze liegt. Dieser Kultus war aus den Gottesdienstordnungen von Genf und Edinburgh erwachsen, hatte aber zu der Zeit, als die Gründerväter der Kirche der Jünger Christi geboren wurden, bereits eine Abänderung erfahren. Diese Abänderung war auf zumindest dreierlei Weise erfolgt: 1. Die ursprünglichen Hymnen des Presbyterianismus hatten sich auf Psalmenparaphrasen beschränkt. Zu ihnen war bereits ein englisches Hymnar hinzugetreten, das durch reichere Musikalität und eine poetischere Sprache charakterisiert war, wie sie sich besonders im Werk von Isaac Watts ausprägten. 2. Der Predigtstil der Presbyterianer war um die Mitte des 18. Jahrhunderts durch die inbrünstige Erweckungspredigt modifiziert worden, wie sie für * Rev. D r . William Barnett Blakemore war Dekan des Disciples Divinity Chicago. Er starb am 2. Mai 1975.

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die sogenannte „Erste Große Erweckung" (1735-50) in Amerika kennzeichnend war. Letztere fand längs der Atlantikküste statt. Die „Zweite Erweckung" ( 1800-1806), mit der die Anfänge der Kirche der Jünger Christi verknüpft sind, begab sich im Westen der Appalachen. 3. Die dritte Änderung des presbyterianischen Gottesdienstes, die vor der Entstehung der Kirche der Jünger Christi erfolgte, war durch das Leben an der Siedlungsgrenze bedingt. Die Grenzansiedler konnten an kulturellem Erbe nur soviel mitbringen, wie in einigen wenigen Büchern und in ihren eigenen Köpfen Platz hatte. Die Bibel war häufig das einzige Buch, das eine Grenzansiedlerfamilie besaß. Gebetbücher waren knapp. Mehr als anderswo war man an der Siedlungsgrenze auf die Bibel angewiesen. Auch hinsichtlich des Wortlauts der Gebete, mit denen man seiner Andacht und seinen Anliegen Ausdruck gab, wie auch der Worte, mit denen man die Hl. Schrift auslegte, war man mehr auf sich selber angewiesen. Die langjährigen „Grenz"-Erfahrungen schufen eine amerikanische Religion, die sowohl biblischer als auch weniger akademisch als das europäische Christentum des gleichen Zeitabschnitts war. Dieser modifizierte reformierte Gottesdienst wurde von den ersten Führern der Jünger-Bewegung noch weiter abgeändert. Ihre Neuerungen wiesen zwei Hauptelemente auf: Biblizismus und Vernunftmäßigkeit. Die ersten Jünger waren ganz entschieden der Auffassung, der Protestantismus habe zwar seit 1517 am christlichen Gottesdienst bedeutsame bibelgemäße Korrekturen vorgenommen, sei indes in der Anwendung biblischer Grundsätze noch nicht weit genug gegangen. Sie schlugen daher eine umwälzende Neuordnung des christlichen Gottesdienstes allein auf der Grundlage neutestamentlicher Gepflogenheiten und Prinzipien vor. Es versteht sich, daß diese frühen Jünger noch stark unter dem Einfluß des englischen puritanischen Biblizismus standen. Sie strebten die Wiederherstellung der „ursprünglichen alten Ordnung" an, wie der Titel einer Reihe von insgesamt 24 Aufsätzen über den Gottesdienst lautete, die Alexander Campbell von 1824 bis 1828 für seine Zeitschrift ,,Tbe Christian Baptist" (Band II, III und IV) verfaßte. Von jenem Zeitpunkt bis zum Ende des 19. Jahrhunderts glaubten viele Jünger aufrichtig daran, daß es ihnen gelungen sei, die urchristliche Gottesdienstordnung und die „ursprüngliche alte Ordnung" wiederherzustellen. Heute sind sich die Theologen der Kirche der Jünger Christi darüber klar, daß ihre Gründerväter keine solche völlige Repristination zustande brachten. Die heutigen Jünger bestreiten nicht, daß der urchristliche Gottesdienst kerygmatische sowohl wie eucharistische Elemente enthielt, bezweifeln indes, daß es eine einzige Form des Gottesdienstes gab, die man als die urchristliche Gottesdienstform bezeichnen kann. Überdies räumen sie ein, daß, selbst wenn das möglich

Gottesdienstliches Leben in der Kirche der Jünger

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wäre, die Dynamik von Geschichte und Gesellschaft jedwede vollständige Wiederherstellung unmöglich machen müsse. Aus demselben Grund sind sie sich darüber klar, daß man keine besondere Gottesdienstform unverändert beibehalten kann. Ja, jede starr beibehaltene Gottesdienstform würde sich bald als Anachronismus erweisen. Ohne eiiiem historischen Relativismus das Wort zu reden, erkennen sie an, daß der Gottesdienst im Blick auf die rechte Predigt des Wortes Gottes und die rechte Verwaltung der Sakramente sowohl unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung wie auch unter dem der Intentionen der Gründerväter zu betrachten ist. Ja, man kann sagen, daß die Jünger, indem sie ihr starres Festhalten am Gedanken der „Wiederherstellung" zugunsten eines historischen Verständnisses der Entwicklung aufgaben, sich den ursprünglichen Nachdruck des Protestantismus auf Wort und Sakrament im Hinblick auf den Gottesdienst erneut zu eigen gemacht haben. Wenn die Jünger auch nicht mehr starr an der Forderung nach,, Wiederherstellung" festhalten, so erklärt der Nachdruck, den ihre Gründer auf die biblischen Normen legten, doch gewisse eingewurzelte Geflogenheiten in ihrer Gottesdiensttradition, zumal in Hinsicht der Austeilung des Abendmahls und des Vollzugs der Taufe. Wir werden darauf noch zurückkommen, nachdem wir den zweiten neuen Hauptpunkt behandelt haben, den die frühen Jünger im Hinblick auf den Gottesdienst herausstellten. Während sich die Gründerväter der Tatsache, daß sie den Nachdruck auf die Bibel legten, sehr wohl bewußt waren, war das zweite Element, das sie neu herausstellten, so sehr eine Sache alltäglicher geistiger Gewohnheiten, daß es nicht immer mit Bewußtsein wahrgenommen wurde. Dies zweite Element war der große Einfluß, den die Aufklärung auf die amerikanische Mentalität im allgemeinen ausübte. Der Zug der Aufklärung, der auf die ersten Führer der Kirche der Jünger Christi einwirkte, war nicht der Rationalismus und Deismus, sondern die etwas frühere Vernunftmäßigkeit und Demokratie John Lockes. Lockes politische Philosophie war für die amerikanische Revolution derart bedeutungsvoll gewesen, daß seine Ausdrücke und Wendungen in die Umgangssprache und die Mentalität des Durchschnittsamerikaners eingegangen waren. Dieser Durchschnittsamerikaner wußte in der Regel natürlich nicht, daß viele für ihn selbstverständliche Anschauungen ihren Ursprung in der Philosophie John Lockes hatten. 1 Von Lockes Einfluß auf die Denkweise der Kirche der Jünger Christi war schon in den beiden vorangegangenen Kapiteln die Rede. Auf den Gottesdienst der Jünger wirkte Locke in der Weise ein, daß er die darin vorherrschende Stimmung und Haltung vernünftiger Einsicht bestimmte, die die Kirche der Jünger Christi davor bewahrt hat, in Extreme zu verfallen. Diese gelassene Einstellung, die aber keineswegs Flexibilität vermissen läßt,

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hat zur Folge gehabt, daß der Pietismus nicht zu einem beherrschenden Element im Gottesdienst der Jünger geworden ist. Aus dem gleichen Grund hat sich die Kirche der Jünger Christi ungeachtet des ungeheuren Drucks der Erweckungsbewegung allen Bestrebungen widersetzt, deren gottesdienstliche Formen als für Christen maßgeblich anzunehmen. Darüber hinaus haben die Jünger zwar auf einer festen Gottesdienstordnung bestanden, sich aber jedwedem Formalismus widersetzt. Zugleich erkennen die Glieder der Kirche der Jünger Christi heute die Forderung der „liturgischen Renaissance" nach einer agendarisch geordneten Liturgie an. Reformiert, biblisch und vernunftbetont sind drei Epitheta, mit denen man die Hauptkennzeichen des Jünger-Gottesdienstes in der Vergangenheit sowohl wie in der Gegenwart umreißen kann. Die Tatsache, daß die Kirche der Jünger Christi tief in der Uberlieferung der reformatorischen Kirchen verwurzelt ist, besagt, daß ihr Gottesdienst mit den beiden anderen Haupttraditionen des christlichen Gottesdienstes weniger eng verbunden ist. 1. Auf den Gottesdienst der Jünger hat die Tradition der lateinischen Messe, die für den römischen Katholizismus kennzeichnend ist und das dem anglikanischen und lutherischen Gottesdienst zugrunde liegende Ritual bildete, keinen sehr starken Einfluß ausgeübt. Sehr viel mehr als der lateinischen Messe verdankt der Gottesdienst der Jünger den Gottesdienstordnungen von Genf und Edinburgh. 2. Auf der anderen Seite hat der durch „Geisterlebnisse" charakterisierte Gottesdienst etlicher Wiedertäufer-, Heiligungs- und Pfingstgemeinschaften kaum auf den Gottesdienst der Jünger eingewirkt. In der Mitte der Woche oder bei besonderen Gelegenheiten stattfindende Zusammenkünfte von Gemeinden der Kirche der Jünger Christi haben gelegentlich einen so zwanglosen Charakter, daß dabei eine Gottesdienstordnung improvisiert wird, doch im Sonntagmorgengottesdienst geschieht das nie. Die Jünger haben niemals solche „geistlichen" Übungen betrieben wie langanhaltende Gebete. Gefühlsausbrücke, Zungenreden, „Schütteln", „Trancen" und andere körperliche Manifestationen geistlicher Erregung. Derartige Dinge kamen wohl während der „Ersten" und „Zweiten Erweckung" vor, fanden aber nie Eingang in das reguläre Gemeindeleben der Kirche der Jünger Christi. 2 Für ihre Gottesdienste am Sonntagmorgen hat die Kirche der Jünger Christi von jeher eine feste Ordnung gehabt. Wie wir sogleich darlegen werden, war diese Gottesdienstordnung nicht in allen Gemeinden die gleiche. Im 19. Jahrhundert gab es keine Agenden, doch wußten die Gemeindeglieder in der Regel überall, wie der Gottesdienst bei ihnen ablaufen würde, noch auch fühlte sich ein Jünger beim Besuch einer anderen Gemeinde fremd.

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Die Abweichungen in der Gottesdienstordnung wurden zwar besonders herausgestellt, waren aber in Wirklichkeit nicht sehr beträchtlich. Zudem waren, wenn auch nicht der Ablauf, so doch die einzelnen Bestandteile des Gottesdienstes allen vertraut, und überall herrschte mehr oder weniger der gleiche Stil, die gleiche gelassene, vernunftmäßige und anheimelnde Atmosphäre. Die Gemeinden der Jünger Christi verfügen auch heute noch weder über allgemein verbindliche Agenden noch über Gebetbücher. Seit 1900 sind jedoch in allen Gemeinden sonntägliche Merkblätter in Gebrauch, auf denen die jeweilige Gottesdienstordnung, gemeinsame Gebete oder Schriftlesungen und die Nummern der Choräle angegeben sind wie auch in der Regel die in der darauffolgenden Woche stattfindenden Gemeindeveranstaltungen. Eine jede Gemeinde hat somit eine wohlgeordnete, aber in den Einzelheiten und in der Abfolge von Gemeinde zu Gemeinde verschiedene Liturgie. Eine für die gesamte Denomination bindende Gottesdienstordnung gibt es nicht. Das versteht die Kirche der Jünger Christi unter einem „freien" Kultus. Unter „frei" verstehen die Jünger nicht einen spontanen, verworrenen oder ungeordneten Gottesdienst, sondern nur, daß eine jede Gemeinde in dem allgemeinen Rahmen eines gemeinsamen Verständnisses dessen, was für einen christlichen Gottesdienst angemessen ist, die Einzelheiten ihrer eigenen Gottesdienstordnung selber festlegen kann. Der weitverbreitete Gebrauch solcher Merkblätter hat in den Jüngern eine größere Bereitschaft geweckt, als sie noch vor fünfzig Jahren bestand, den Gedanken einer agendarisch geordneten Liturgie anzunehmen und bestimmte Gebetsformeln zu gebrauchen, d.h. gedruckte Gebete, die teils von der Gemeinde vom Merkblatt, teils von dem Geistlichen aus einer Sammlung von Gebeten und anderen Materialien zum gottesdienstlichen Gebrauch abgelesen werden. Bei den Gemeinden der Kirche der Jünger Christi leitet der Geistliche die Liturgie nicht nur, sondern schafft sie Woche für Woche. Die überwiegende Mehrzahl der Geistlichen bleibt dabei innerhalb fest umschriebener Grenzen und begrüßt zwar die Möglichkeit der Abweichung in Einzelheiten, hat diese Freiheit indessen selten mißbraucht. Mißbräuche sind zwar vorgekommen, aber periphere Erscheinungen geblieben und nicht zu einem Teil der gottesdienstlichen Tradition der Jünger geworden. Die Kirche der Jünger Christi erwartet, daß der Pfarrer das Hauptgebet des Gottesdienstes am Sonntagmorgen (das sogenannte Pastoralgebet) extemporiert oder, falls er es abliest, jeweils für den betreffenden Gottesdienst verfaßt hat. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Jünger auf ihre Freiheit bei der Ausgestaltung des Gottesdienstes stets derart großen Wert legten, daß sie vor

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1966 niemals irgendeine Art von offizieller Kommission für Fragen des Gottesdienstes einsetzten. In jenem Jahr gründeten sie eine solche Kommission, die sich aber lediglich mit dem Studium der Geschichte und der Prinzipien ihres Gottesdienstes befaßt. Sie kann zwar einige Empfehlungen herausgeben, ist aber keineswegs befugt, Agenden auszuarbeiten. Die Kirche der Jünger Christi ist Mitglied der „Kirchenunionskonferenz"; in dieser gibt es eine Liturgiekommission, in welcher sie vertreten ist. Jeder Teilnehmer am Sonntagsgottes dienst einer beliebigen Gemeinde der Kirche der Jünger Christi wird feststellen, daß allsonntäglich im Gottesdienst das Hl. Abendmahl gefeiert wird. Es ist dies einer der beiden Schwerpunkte ihres Ritus, die aus dem großen Einfluß der Bibel auf die Tradition der Jünger erwachsen sind. Um die Zeit des Beginns der Kirche der Jünger Christi am Anfang des 19. Jahrhunderts war die Feier des Abendmahls zu einem seltenen, wenn nicht untergeordneten Element des protestantischen Gottesdienstes geworden. In der Anglikanischen Kirche war die heilige Kommunion ursprünglich der Hauptgottesdienst am Sonntagmorgen gewesen. Um 1800 wurde die heilige Kommunion überall in der Anglikanischen Kirche in die frühen Morgenstunden gelegt, und der morgendliche Gebetsgottesdienst nach dem „Book of Common Prayer" wurde zum Hauptgottesdienst. In den reformatorischen Kirchen wurde das Abendmahl trotz Calvins Empfehlung, es jeden Sonntag zu feiern, nur gelegentlich abgehalten, in der Regel alle drei oder vier Monate einmal. Auf Grund ihres Bibelstudiums beschlossen die ersten Führer der Kirche der Jünger Christi, das Abendmahl jeden Sonntag als zentrale Handlung des Gemeindegottesdienstes zu feiern. Da das Abendmahl den Mittelpunkt des christlichen Gottesdienstes bilde, solle kein Sonntag vergehen, an dem die Gemeinde sich nicht zu seiner Feier versammele. Zudem konnte das Abendmahl selbst dann noch gefeiert werden, wenn keine Predigt gehalten wurde, weil kein ausgebildeter Geistlicher zur Verfügung stand. Das Abendmahl konnte von „Ältesten", die von der Ortsgemeinde ernannt und ordiniert waren, abgehalten werden. Die Wahl solcher Ältesten hatte gemäß den im ersten Brief an Timotheus (3,2-7) aufgeführten Bestimmungen zu erfolgen. Da diese Bibelstelle keinerlei akademische Qualifikationen verzeichnete, ermöglichte sie die Lösung eines Problems, dem man sich im gesamten Grenzland gegenüber sah. Dort bestanden Tausende von Gemeinschaften und Gemeinden, für die keine studierten Männer verfügbar waren. Zudem waren die bereits bestehenden Kirchenkörper außerstande, mit der rapiden Ausdehnung der Siedlungsgrenze Schritt zu halten. Es war ihnen unmöglich, im Grenzland Seminarien und Universitäten zu errichten, und die Entsendung vorgebildeter Männer war

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nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch die religiösen Bedürfnisse der Menschen, die Lebensvorgänge der Geburt, des Glaubens, der Liebe, der Ehe und des Todes warten nicht so lange, bis die Zivilisation kommt und graduierte Akademiker zur Verfügung stellt. Was es im Grenzland aber gab, das waren Männer von großem praktischen Verstand und christlicher Gesinnung, die allen in den Pastoralbriefen aufgeführten Anforderungen genügten. Die Gemeinden hielten sich für berechtigt, diese Männer zu „Ältesten" (Presbytern) zu wählen und zu ordinieren und sie mit der Abhaltung der Abendmahlsfeiern zu betrauen. Sie ernannten außerdem „Diakone", die ihnen dabei assistierten. Solche Männer getrauten sich vielleicht nicht, die Kanzel zu besteigen, doch auch wenn einer Gemeinde kein Prediger zur Verfügung stand, konnte sie ihren Gottesdienst durch Liedersingen, Schriftlesungen und Gebete ausgestalten und das Abendmahl in den Mittelpunkt stellen. An Sonntagen, an denen gerade ein Wanderevangelist eingekehrt war, konnte eine Predigt hinzukommen, oder vielleicht erbot sich ein Evangelist, eine Gemeinde regelmäßig, etwa einmal im Monat, zu besuchen. Vielleicht kam sie dann schließlich in die Lage, einen hauptberuflichen Geistlichen einzustellen, der jeden Sonntag predigte. In den meisten Fällen pflegte dieser dann auch den Vorsitz beim Abendmahl zu übernehmen, obschon bei den Jüngern die „Ältestengebete" und das Rezitieren der „Einsetzungsworte" fast überall als hinreichende Erfordernisse für die Abhaltung des Abendmahls gelten. Es ist wichtig, zu wissen, daß die ersten Führer der Kirche der Jünger Christi auf Grund ihrer Bibelstudien das Abendmahl nicht als „Sakrament" bezeichnen wollten. Sie zogen es vor, „für biblische Gegenstände biblische Namen zu verwenden", und da sie das Wort „Sakrament" im Neuen Testament nicht finden konnten, mieden sie es. Statt dessen sprachen sie vom Abendmahl und von der Taufe als den vom Herrn erlassenen „Vorschriften". Der Ausdruck „Vorschrift" hat sich jedoch als zweideutig erwiesen, denn die Jünger können nicht leugnen, daß, obwohl sie nur zwei solche Vorschriften anerkennen, es andere Herrenworte gibt, die sich sehr wohl als Gebote deuten lassen und daher für Christen verbindlich sein sollten. Der Ausdruck „Vorschrift" hat viele Jünger dann verleitet, eine streng gesetzliche Haltung einzunehmen, zumal in bezug auf die Taufe. Aus diesem Grunde sind viele Jünger heute im Begriff, sich wieder an die Mehrzahl der Christen anzuschließen und den Ausdruck „Sakrament" zu akzeptieren, wenn sie auch meinen, daß das Wort „Vorschrift" zwar der Gesetzlichkeit Vorschub leistet, „Sakrament" aber der Magie. Die Jünger sehen sich heute daher genötigt, die Bedeutung des Abendmahls und der Taufe erneut zu überdenken. Der biblische Charakter des gottesdienstlichen Lebens der Jünger wurde

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einmal durch die allwöchentliche Abendmahlsfeier bestimmt und zum anderen durch die Annahme der Gläubigentaufe durch Immersion. Die Kirche der Jünger Christi hatte ursprünglich beschlossen, daß das Glaubensbekenntnis der Taufe voranzugehen habe. Die Taufe konnte daher nicht eher vollzogen werden, als bis der Täufling selber seinen Glauben, daß „Jesus der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist", zu bekennen imstande war. Dieses kurze, auf Matthäus 16,3 fußende „gute Bekenntnis" haben die Jünger-Gemeinden immer für ausreichend erachtet und für die Taufe weder ein weiteres Bekenntnis noch eine katechetische Vorbereitung gefordert. Die Taufe wurde in der Regel durch Untertauchung im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen. In der Anfangszeit wurde die Taufzeremonie häufig im fließenden Wasser eines Flusses durchgeführt. Heutzutage findet sie fast immer in einem Baptisterium statt, das sich innerhalb des Kirchengebäudes befindet. Auf die Taufe mit vorangehendem Glaubensbekenntnis folgt die Aufnahme in die Kirche und der erstmalige Empfang des Abendmahls. Die Jünger haben zeitweilig ausnahmslos auf der Immersionstaufe bestanden. Heute tun das nicht mehr alle. Viele Gemeinden der Kirche der Jünger Christi lassen jetzt auch Personen zur Mitgliedschaft zu, die die Taufe nicht durch Untertauchung empfangen haben, vorausgesetzt, daß die Betreffenden aufrichtig daran glauben, daß ihre Taufe eine wirkliche christliche Taufe war und „konfirmiert" worden sind. Die Zulassung solcher Personen zur Mitgliedschaft in der Kirche der Jünger Christi ist als „offene Mitgliedschaft" bekannt. Doch wird auch heute noch in allen Gemeinden der Kirche der Jünger Christi niemand getauft, der noch zu jung ist, um sein eigenes Glaubensbekenntnis zu sprechen, und in allen ihren Kirchen wird die Taufe nur durch Untertauchung vollzogen. Die Kinder von Gemeindegliedern der Kirche der Jünger Christi legen in der Regel im Alter von etwa zwölf Jahren das „gute Bekenntnis" ab und empfangen die Taufe, d.h. in einem Alter, in dem viele andere protestantische Kinder als „Konfirmanden" den Taufbund bestätigen. Die Annahme der Immersionstaufe gleich zu Beginn der Geschichte der Kirche der Jünger Christi führte zu einer Episode in derselben, die eine Quelle häufiger Mißverständnisse ist. Die Immersion ist ein derart auffälliges Verfahren, daß die ersten Jünger sogleich bemerkten, daß sie in dieser Beziehung den Baptisten glichen. Sie überwerteten die Bedeutung dieses einen Wesenszuges, den sie mit den Baptisten gemein hatten, und wurden im Jahre 1813 Mitglieder der baptistischen Religionsgemeinschaft. Sie blieben siebzehn Jahre darin, in deren Verlauf sich immer mehr herausstellte, daß zwischen den Jüngern Christi und den Baptisten starke Unterschiede bestanden. Im Jahre 1830 sagten sich die Jünger Christi von den Baptisten

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los, um kurz darauf, im Jahre 1832, eine Union mit den Christian Churches einzugehen. Obwohl in der Folge mehrmals Unionsgespräche mit den Baptisten stattgefunden haben, bestehen die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen fort. Der größte Unterschied zwischen den Baptisten und der Kirche der Jünger Christi betrifft die Lehre von der Kirche. Die Kirche der Jünger Christi legt den Nachdruck auf die dem einzelnen Christen übergeordnete organische Natur der Kirche. Die Taufe bezeichnet den Eintritt in die Gemeinschaft der Christen, und die Bekundung der Einheit der Kirche ist allen Christen zur Pflicht gemacht. Die Baptisten betonen demgegenüber den Vorrang des einzelnen, halten dafür, daß sich allein auf der Basis des Individuums Erlösung vollzieht, sehen in der Kirche die Versammlung der Erlösten und Getauften und fühlen anscheinend keinen Drang, die Einheit der Christen als nichts Geringeres denn ihre offenkundige organisatorische Einheit zu begreifen. Mit anderen Worten: insoweit die Baptisten ihre Wurzeln im Wiedertäufertum haben und die Kirche der Jünger Christi in der reformatorischen Tradition, stehen zwischen den Jüngern und den Baptisten auch heute noch die Fragen, die die Wiedertäufer und die reformatorischen Kirchen spalteten. Zu diesem Verständnis der in Rede stehenden Unterschiede sind die Jünger erst in unserem Jahrhundert gelangt, in dem es ihnen gelang, sich von dem Gedanken zu lösen, daß die gleiche Taufpraxis notwendig auf weitere große Bereiche weist, in denen ebenfalls Ubereinstimmung herrscht. Letzthin ist die Kirche der Jünger Christi jedoch zu der Erkenntnis gekommen, daß sie mit den Baptisten nicht so viel gemeinsam hat wie mit den Presbyterianern und den Kongregationalisten. Es gibt zwar viele Lehrpunkte, in denen die Jünger auch von Johannes Calvin bzw. John Knox abweichen, dennoch haben die Denkweise und Praxis der Jünger viele ihrer tiefsten Wurzeln in der reformatorischen Tradition.

II Beschreibung eines typischen

Jünger-Gottesdienstes

Ein jeder Sonntagmorgengottesdienst einer Gemeinde der Kirche der Jünger Christi setzt sich bei ihnen allen aus denselben Bestandteilen zusammen, doch ist die Abfolge, in der diese im Gottesdienst aufscheinen, von Gemeinde zu Gemeinde verschieden. Diese Bestandteile sind bei allen Jüngern „der Apostel Lehre und Gemeinschaft, das Brotbrechen und die Gebete" (Apg. 2,42). Unter „der Apostel Lehre" verstehen sie Schrifdesung und Predigt, falls ein Prediger zur Verfügung steht. Unter „der Gemeinschaft der Apostel" (koinOnia) verstehen sie eine Opfergabe, denn sie sind

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der Auffassung, daß koinönia mit „Sammlung" oder einem ähnlichen Wort zu übersetzen sei (s. Rom. 15,26). Unter dem „Brotbrechen" verstehen sie die Feier des Abendmahls. Unter „Gebeten" verstehen sie nicht nur gesprochene Gebete im engeren Sinn, sondern auch Anbetung und Lobpreis, gesprochen oder gesungen, Sündenbekenntnisse und Glaubensbekräftigungen, Bitten und Fürbittengebete, Hymnen zur Lobpreisung Gottes und seiner Macht und Herrlichkeit sowie Segnungen. Im folgenden wird ein typischer Sonntagmorgengottesdienst einer Gemeinde der Kirche der Jünger Christi beschrieben. Der Gottesdienst beginnt gegen elf Uhr. O f t sind ihm „Religionsstunden" für Angehörige sämtlicher Altersklassen, vom Kindergarten bis zum Senium, vorausgegangen. Unterricht an Erwachsene wird heute allerdings nicht mehr so häufig erteilt. Der Unterricht hat in der Regel nicht im Gotteshaus stattgefunden, sondern in einem angrenzenden „Unterrichts"-Gebäude. Beim Betreten der Kirche wird der Gottesdienstbesucher von einem Platzanweiser begrüßt, der ihm die Gottesdienstordnung überreicht und einen Platz zuweist. Während sich die Gemeinde versammelt, spielt der Organist ein Präludium. Sie ist andächtig gestimmt oder auch nicht, obschon es jetzt zunehmend üblich wird, daß sie den Beginn des Gottesdienstes schweigend erwartet. Das Gotteshaus kann in einem beliebigen Stil errichtet sein, ist jedoch zumeist ein neugotisches, georgianisches oder „modernes" Gebäude. Die Baustile der Romanik und Renaissance sind nur hin und wieder verwandt worden. Eine Zeitlang errichtete die Christian Church ihre Gotteshäuser im neoklassizistischen Stil. Hinsichtlich ihrer Bauweisen sind die Jünger immer den im amerikanischen Kirchenbau vorherrschenden Trends gefolgt. Das Kircheninnere ist bei den Jüngern in der Regel ein rechteckiger Saal mit einem Mittelgang entlang der Längsachse und Sitzreihen zu beiden Seiten derselben. Der Gang führt zu einem Chor, der gewöhnlich nicht sehr hoch abgesetzt ist. Am Eingang zum Chor befindet sich auf der einen Seite ein Lesepult und auf der anderen eine Kanzel, welche ebenfalls sehr viel niedriger ist als die Kanzeln der meisten europäischen Kirchen und auch amerikanischer der Kolonialzeit. Die verhältnismäßig geringe Erhöhung der Podien, Chöre und Kanzeln spiegelt die demokratischen und vernunftmäßigen Elemente der Jünger-Tradition: Das Kreuz darf hoch aufragen - aber nicht der Klerus. In der Mitte des Chors steht gewöhnlich der Abendmahlstisch und in der Kirche der Jünger Christi ist dies von jeher ein Tisch, nie ein Altar gewesen. 3 Hinter dem Tisch stehen gewöhnlich Stühle für die an der Austeilung des Abendmahls beteiligten Amtsträger. Der Kirchenchor sitzt

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vermutlich an einer oder vielleicht auch zu beiden Seiten des Chors. Es ist ein besonderes Kennzeichen der Jünger-Kirche, daß das Baptisterium oft in die Rückwand des Chors eingebaut ist. Es ist dies eine mit Fliesen ausgelegte Taufkapelle, die groß genug für die Immersion von Erwachsenen ist. Sie liegt hoch genug, so daß sie, wenn man sie öffnet, nicht hinter dem Abendmahlstisch und den Stühlen verborgen bleibt. Die Taufkapelle befindet sich zwischen der Chorwand und der Außenmauer der Kirche, dort, w o andere Kirchen ein Retabel aufweisen. Eine Retabelwirkung wird jedoch durch einen einem Dorsale ähnelnden Samt- oder Damastvorhang vor dem Baptisterium, der von einem Giebel oder einem Quervolant herabhängt, oder auch durch dekorative Falttüren erzielt. Während eines Taufgottesdienstes wird der Vorhang zur Seite geschoben, obwohl er normalerweise eine andere Funktion hat, da er oft mit einem Kreuz bestickt ist oder ein solches, vielleicht mit Kerzen zu beiden Seiten, davor steht und sich deutlich gegen seine kompakte und gewöhnlich kräftige Farbe abhebt. D e r Teil des Baptisteriums, auf den die Gemeinde blickt, dient als eine Art Retabel, außer wenn seine Draperie zur Seite geschoben werden muß, um den Blick auf den Taufgottesdienst freizugeben. Hat der Gottesdienstbesucher seinen Platz eingenommen, so bemerkt er vielleicht, daß, während das Orgelvorspiel ausklingt, die Amtsträger und der Chor entweder hereinkommen und ihre Plätze einnehmen oder auch warten, um während des ersten Liedes in feierlicher Prozession einzuziehen. D e r erste Teil des Gottesdienstes ist ein Lobpreis, wahrscheinlich zentriert auf ein Lied. D e m Lied geht oft eine „Aufforderung zur Anbetung" voraus, d. h. Bibelstellen, die vom Geistlichen und von der Gemeinde abwechselnd vorgelesen werden, oder ein Introitus (responsoriale Stellen, die vom Geistlichen und vom Chor gesungen werden, oder eine vom Chor allein gesungene Stelle) oder ein vom Geistlichen gesprochenes Fürbittengebet. Das Eingangslied trägt gewöhnlich einen erhabenen Charakter; ihm folgt eine Invokation, falls eine solche nicht schon gesprochen worden ist, oder ein Sündenbekenntnis und Zuspruch der Vergebung. Solche Gebete sind erst in allerjüngster Zeit im Gottesdienst der Kirche der Jünger Christi aufgetaucht. Viele Jünger haben dabei das Gefühl, daß sie der protestantischen Auffassung, wonach man seine Sünden allein Gott bekennen soll, widerstreiten. Oft wird dieser erste Teil des Gottesdienstes mit dem Vaterunser abgeschlossen. Natürlich gibt es etliche Möglichkeiten, bereits zu Beginn des Gottesdienstes mancherlei Variationen vorzunehmen und ihn durch Kontraste zu beleben, von denen vielerorts bewußt Gebrauch gemacht wird. Beispielsweise beginnt in einer Gemeinde, die normalerweise vom Geistlichen und

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der Gemeinde antiphonisch verlesene Bibelstellen an den Anfang ihres Gottesdienstes stellt, dieser an einem Festtag wie Ostern mit einem von einer Trompetenfanfare begleiteten Choral, in dem der Chor verkündet, daß „Christus auferstanden ist". Viele andere Abwandlungen sind möglich. Auf den auf den Lobpreis zentrierten Eröffnungsteil folgt vermutlich der „die Lehre der Apostel" exemplifizierende Teil. Schriftlesungen bilden seine Brennpunkte. In vielen Gemeinden wird nur ein einziger Abschnitt aus der Hl. Schrift verlesen. Während im 19. Jahrhundert zwei oder mehr Lektionen üblich waren, war gegen den Anfang des 20. Jahrhunderts fast überall eine einzige zur Regel geworden. Unter dem Einfluß der liturgischen Bewegung sind neuerdings mehrere Lektionen für den Kultus mancher Gemeinden kennzeichnend geworden. Auch in diesen Gemeinden werden sämtliche Lektionen für den betreffenden Tag von dem Geistlichen ausgewählt. Die Gemeinden der Kirche der Jünger Christi benutzen in der Regel keine Lektionare. 4 Früher war es üblich, daß ausgesonderte Laien hervortraten, um die Lektionen zu verlesen. Auch diese Gepflogenheit war faktisch außer Gebrauch gekommen, wird jedoch derzeit von einigen Gemeinden wiederbelebt. Die Jünger-Gemeinden bleiben während sämtlicher Lesungen sitzen. Zwischen den Lesungen singt die Gemeinde vielleicht ein Lied oder der Chor eine Hymne oder einen Psalm. An irgendeinem Punkt des Gottesdienstes, oft im Anechluß an seinen zweiten Teil, wird das Pastoralgebet gesprochen. Es bildet das Hauptgebet des Gottesdienstes und ist auf das Leben der Gemeinde, für welche der Pastor es spricht, zugeschnitten. Es beginnt gewöhnlich mit einem Lobpreis Gottes, doch seinen Hauptinhalt machen die Bitten und Fürbitten der Gemeinde aus, die ihr Pastor für sie spricht. Manchmal herrscht danach eine Zeitlang Stille für stumme Gebete. Während des 19. Jahrhunderts waren anstelle des Pastoralgebets „Gemeindegebete" üblich. Damals pflegten mehrere Gemeindeglieder nacheinander laut zu beten, bis ein dazu ausgesonderter Gottesdienstteilnehmer diesen Teil des Gottesdienstes mit seinem Gebet abschloß. Da es oft vorkam, daß solche Gebete zu lange dauerten, nicht immer deutlich artikuliert wurden und die persönlichen Anliegen der Beter in den Vordergrund stellten, gaben sie allmählich dem Pastoralgebet für alle Raum. Letzteres enthält zwar oftauch Danksagungselemente, aber dem eigentlichen eucharistischen Dank sind zwei Gebete vorbehalten, von denen weiter unten die Rede sein wird. An irgendeinem Punkt des Gottesdienstes wird eine Spende erbeten. Obwohl bei den Jüngern an jedem Sonntag eine Abendmahlsfeier stattfindet, haben sie in ihrem Gottesdienst der Spende nicht wieder den Platz zugewiesen, den sie traditionsgemäß in der Messe hat, nämlich als Einleitung zur Abendmahlsfeier. 5 Sie ist bei ihnen nicht mit dem Tisch des Herrn ver-

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knüpft, sondern wie in weiten Teilen des Protestantismus ein sehr beweglicher Bestandteil des Gottesdienstes geblieben. Ihrer Einsammlung gehen gewöhnlich entsprechende Sätze und Gebete voraus, und nach Abschluß derselben wird sie in einer Prozession nach vorn gebracht, während welcher ein Lobgesang angestimmt wird. Diese Art der Spendenübergabe stellt einen Akt der Bekräftigung und Verpflichtung dar, der in vielen anderen Denominationen durch das Sprechen des Glaubensbekenntnisses gebildet wird. Zwei andere Bestandteile, beides Hauptbestandteile, sind noch zu besprechen: das Abendmahl und die Predigt. Im Unterschied zur Abendmahlsgestaltung fast aller anderen protestantischen Gemeinschaften wird das Abendmahl in den meisten Jünger-Kirchen vor der Predigt gefeiert. Aus einer jüngst veröffentlichten Ubersicht geht hervor, daß dies in ca. 65 Prozent der Gemeinden der Kirche der Jünger Christi Brauch ist; die übrigen hören die Predigt vor dem Abendmahl. Die Abendmahlsgestaltung der Mehrzahl der Gemeinden dürfte sich daraus erklären, daß das Abendmahl an der Frontier jeden Sonntag gefeiert und eine Predigt nur hin und wieder gehalten wurde. In den anderen protestantischen Glaubensgemeinschaften wurde in jedem Sonntagsgottesdienst eine Predigt gehalten und das Abendmahl nur an bestimmten Sonntagen gefeiert. Anscheinend führte man in jedem Fall zuerst das durch, was man immer machte. Was man weniger häufig zu tun pflegte, wurde dann zu der häufigsten Gottesdienstordnung hinzugefügt. Die Jünger-Kirchen weisen ausnahmslos keine Altäre, sondern Abendmahlstische auf. In der Regel werden vor dem Gottesdienst Platten mit Brot und Tabletts mit kleinen Einzelkelchen durch Frauen bereitgestellt. Der in letzteren befindliche Trank „vom Gewächs des Weinstocks" ist jedoch kein Wein, sondern unvergorener Traubensaft. Nur ganz versuchsweise kehren die Jünger Christi zum Gebrauch eines einzigen Kelches und zum Wein zurück. 6 Die Platten und Tabletts sind vor dem Beginn des Gottesdienstes auf den Abendmahlstisch gestellt und mit einem weißen Leintuch bedeckt worden. Letzteres ist seit der jüngst erfolgten Einführung von Abendmahlsgeräten mit eigener Uberdeckung nicht mehr notwendig. Diese Abendmahlsgeräte sind gewöhnlich aus Messing, rostfreiem Stahl oder Silber. Ist im Gottesdienst die Zeit für die Abendmahlsfeier herangekommen, so singt die Gemeinde ohne Begleitung einen passenden Choral. Während des Gesangs nehmen der Geistliche und zwei Älteste hinter dem Abendmahlstisch Platz. Bisweilen setzt sich der Geistliche nicht zu den Ältesten; auf jeden Fall ist er es, der den einen oder anderen der Berichte der Hl. Schrift über die Einsetzung des Abendmahls verliest. Diese „Einsetzungsworte" werden von den meisten Jüngern als für die Abhaltung des

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Abendmahlsgottesdienstes unerläßlich angesehen. Zuweilen, wenngleich immer seltener, beginnt der Geistliche die Abendmahlsfeier mit einer kurzen Betrachtung, einer kleinen Homilie. Während des Liedes hat eine Anzahl Diakone unweit des Abendmahlstischs, jedoch an seiner Seite oder davor, Platz genommen. Die Ältesten haben die Uberdeckung vom Brot und Wein entfernt. Darauf spricht einer der Ältesten ein Dankgebet für das Brot. Die Ältesten übergeben sodann den Diakonen die Platten mit dem Brot, die diese zu den Sitzreihen bringen, wo sie von den Gemeindegliedern weitergereicht werden. Zuweilen wird das Brot sogleich verzehrt, zuweilen erst wenn alle ein Stück bekommen haben, worauf der Geistliche einen Bibelvers verliest, um anzuzeigen, daß alle es gleichzeitig verzehren sollen. Dieses gemeinsame Verzehren ist eine verhältnismäßig neue Sitte. Die Abendmahlsfeier wird gewöhnlich ohne oder manchmal mit leiser Orgelbegleitung abgehalten. Die Diakone kehren sodann an den Tisch zurück, und der zweite Älteste spricht das Dankgebet für den Kelch. Beide Ältesten haben, falls überhaupt, vom Brot und vom Kelch vermutlich als den „Emblemen" gesprochen, nicht als von dem „Sakrament". Die meisten Jünger nahmen anfangs die Lehre Zwingiis an, daß Brot und Wein „Symbole" des Leibes und Blutes Jesu Christi seien. Heute würden nur noch wenige Jünger Christi eine streng symbolische Auslegung vertreten. Andererseits würden sie auch keine andere Lehre vom Wesen des geweihten Brotes und Weines als Dogma verfechten. Dennoch gebrauchen die Jünger im Hinblick auf das Mahl des Herren nach wie vor den Ausdruck „Emblem". Nach dem Gebet für den Kelch bekommt die Gemeinde die Tabletts gereicht. Gegen Ende der Abendmahlsfeier ist Zeit für eine stille Meditation, und zu ihrem Abschluß wird vielleicht ein kurzes Lied gesungen. Besucher der Jünger-Kirchen sind gewöhnlich überrascht über die Kürze dieses Teils des Sonntagmorgengottesdienstes. Jedes Gemeindeglied hat kommuniziert, aber durch den Einsatz mehrerer Diakone zur Austeilung der Embleme hat die Feier nur ganz wenig Zeit beansprucht. Auch Liturgie und Ritual sind durch Kürze gekennzeichnet. Wohl wird die gebotene Feierlichkeit beobachtet, doch trägt die Abendmahlsfeier bei den Jüngern keinen Bußcharakter. Sie haben vielmehr an der diesbezüglichen reformierten und presbyterianischen Tradition oft Kritik geübt und ihr vorgeworfen, aus einem freudigen Gedenken an das Leben Christi eine düstere Angelegenheit gemacht zu haben, die allzusehr auf die Sündhaftigkeit des Menschen zentriert sei. Es trifft gewiß zu, daß alle Jünger das Mahl des Herrn als Gedenkfeier für Unseren Herrn auffassen. Gewiß hat es für sie auch noch andere Bedeutungen - insbesondere die eines Opfermahls und die der Gemeinschaft mit Gott und den Mitchristen - , doch feiern die Disdples es

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in allererster Linie um des Herrn zu gedenken, entsprechend den Worten: „ D a s tut zu meinem Gedächtnis". Ist das Abendmahl der Predigt vorausgegangen, so wird durch eine Chorhymne, ein Gemeindelied oder auch durch den Empfang der Spende ein Übergang zu ihr geschaffen. In den Gemeinden der Kirche der Jünger Christi wird heute dem Predigtteil, der Darbietung des Wortes, dasselbe Gewicht beigemessen wie dem Mahl des Herrn - ja, in einigen Gemeinden gilt die Predigt immer noch als der bedeutsamste Teil. Ebenso wie die Jünger kein Lektionar benutzen, 7 ist der Geistliche auch nicht verpflichtet, in seiner Predigt einen für den betreffenden Tag bestimmten Text zu behandeln. J a , er braucht überhaupt keinen Bibeltext zu benutzen, wenn von ihm auch eine nach Gehalt und Bezugspunkten schriftgemäße Predigt erwartet wird. Nahezu alle Jünger würden meinen, wenn man darauf bestehe, daß die Predigt die Auslegung eines Bibeltextes zum Inhalt haben müsse, so enge man sie auf eine einzige Form ein und hemme derart die Verkündigung des Evangeliums. Die Glieder der Kirche der Jünger Christi meinen, daß Predigten auf Gegenstände zentriert sein dürfen, die von unmittelbarem Interesse für die Gemeinde sind, daß sie irgendeinen Lehrpunkt in den Mittelpunkt stellen oder jede beliebige Gestalt annehmen können, die nachweislich bewirkt, daß die Wahrheit des christlichen Evangeliums den Hörern nahegebracht wird. Aufgrund des historischen Interesses der Jünger Christi an der Bibel ist in ihrer Kirche die Predigt ausgesprochen biblisch geblieben, wenn auch kürzlich durchgeführte Analysen ergeben haben, daß Jesus Christus am häufigsten im Brennpunkt ihrer Predigten steht. Die Predigt nimmt in einem typischen Gottesdienst etwa 20 bis 25 Minuten in Anspruch. In vielen Gemeinden endigt sie gewöhnlich mit der sogenannten „Einladung". Die Mehrzahl der Jünger glaubt, daß ebenso wie der Tisch des Herrn an jedem Tag des Herrn bereitet wird, jeder christliche Gottesdienst, jedermann, der den Wunsch dazu hat, Gelegenheit geben sollte, das „gute Bekenntnis" abzulegen und derart den Schritt zu tun, der die Voraussetzung für die Taufe und die Gliedschaft in der Kirche bildet. A m Ende seiner Predigt lädt der Geistliche mithin üblicherweise zum Eintritt in die Kirche ein. Während der unmittelbar darauffolgende Choral gesungen wird, kann jeder, der möchte, nach vorn kommen, um das „gute Bekenntnis" abzulegen. Dies geschieht nach der Beendigung des Chorais in der Form, daß der Geistliche die einfache Frage stellt: „Glaubst du, daß J e sus Christus der Sohn des lebendigen Gottes ist?", und darauf einfach mit „ J a " geantwortet wird. 8 Heutzutage dürften nur in sehr großen Kirchen in sehr volkreichen Gegenden an vielen Sonntagen im Jahr Mitglieder auf diese Weise aufgenommen werden. Im Normalfall wird das „gute Be-

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kenntnis" vielmehr um Weihnachten und Ostern herum abgelegt, und zwar oft nach dem Abschluß von Unterrichtskursen, zumal für Kinder im Alter von etwa zwölf Jahren. Gleichgültig, ob an einem bestimmten Tag „Zuwachs" zu verzeichnen war oder nicht, wird der Gottesdienst nunmehr mit einem kurzen Segensspruch beendet, dem möglicherweise ein vom Chor gesungenes Amen folgt oder ein Orgelnachspiel, während dessen die Gemeinde auseinandergeht. Es ist für die amerikanischen protestantischen Gemeinden typisch, daß ihre Gottesdienste als Gelegenheit zu einem gemütlichen Beisammensein, vor allem nach Abschluß der gottesdienstlichen Feier, wahrgenommen werden. Die Kirche der Jünger Christi bildet da keine Ausnahme. Zu früherer Zeit, als Amerika noch ein sehr viel ländlicheres Gemeinwesen war, pflegten die Frauen in der schönen Jahreszeit unter den Bäumen ein Essen anzurichten und die Gemeindeglieder erst nach einigen Stunden angeregter Unterhaltung in ihre Farmhäuser zurückzukehren. Als Amerika verstädterte, pflegten die Gläubigen noch eine Zeitlang in der Kirche zu verweilen, um dann zu Hause das ,,Sonntagsessen", zu dem oft Gäste geladen wurden, einzunehmen. Heute, wo die Familien kleiner geworden sind und ein Sonntagsessen eine weniger feierliche Angelegenheit ist, haben viele Gemeinden den Brauch angenommen, nach dem Gottesdienst vom Gotteshaus in einen klubzimmerartigen Raum überzuwechseln, wo Kaffee und Erfrischungen angeboten werden. Ehe sie sich auf den Nachhauseweg begeben, plaudern die Gemeindeglieder dort für etwa eine halbe Stunde miteinander. Diese „Kaffeestunden" erfreuen sich besonderer Beliebtheit bei all denen, die in Kleinstfamilien in großstädtischen Mietshäusern leben, und zweifellos bedeuten sie eine sehr heilsame Erweiterung des Geistes christlicher Anbetung.

ANMERKUNGEN 1

Der Einfluß von John Locke auf das Denken der Jünger wurde in den beiden vorangehenden Kapiteln mit einiger Ausführlichkeit dargestellt. [A. d. Hg.]

2

Letzthin haben einige wenige Gemeinden im Zeichen der modernen „charismatischen Bewegung" unter der Leitung ihrer Geistlichen derartige Aktivitäten wiederbelebt, doch ist eine allgemeine Bewegung für ihre Wiedereinführung nicht zustande gekommen. [A. d. Hg.]

3

Ungeachtet der Tatsache, daß man ihn „Tisch" und nicht „Altar" nannte, weist dieser Tisch in einigen Kirchen die sarkophagartige Form des Altars und nicht die eines Tisches mit Beinen auf. [A. d. Hg.]

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Bei den Kirchen Christi in Großbritannien, Neuseeland und Australien ist es üblicher, daß die Jahreskonvente Lektionare zum Gebrauch in den Gemeinden herausgeben. Letzthin hat eine größere Anzahl von Gemeinden dies getan, vielleicht unter dem Einfluß des „Order of Worship for the Proclamation of the Word of God and the Celebration of the Lord's Supper" der ,,Kirchenunionskonferenz" (Cincinnati [Forward Movement Publications] 1968). [A. d. Hg.] Unter dem Einfluß der ökumenischen Bewegung wird stellenweise wieder Wein verwandt, doch ist das noch recht unüblich. Bei den Jüngern wurde solange Wein verwandt, bis die Abstinenzbewegung im späten 19. Jahrhundert, zumal der Abstinenzverein Christlicher Frauen die Ältestenausschüsse derart unter Druck setzte, daß diese schließlich nachgaben. [A. d. Hg.] Seit der Abfassung dieses Kapitels werden in den Gemeinden der Kirche der Jünger Christi zunehmend Lektionare in Gebrauch genommen. Seit mehreren Jahren veröffentlicht die Vierteljahrsschrift für Gemeindeleiter Vanguard (Indianapolis [The Division of Homeland Ministries] 1969 ff.) ein Lektionar, das in wachsendem Maße benutzt wird. Es handelt sich um ein von den römischen Katholiken und der amerikanischen Sektion der reformierten Glaubensfamilie angenommenes Lektionar. [A. d. Hg.] In den meisten Gemeinden der Kirche der Jünger Christi ist es üblich, daß diejenigen, die ihre Mitgliedschaft (von einer anderen Jünger-Gemeinde oder einem anderen Teil des Leibes Christi) auf diese besondere Gemeinde übertragen wollen, diese Absicht kundtun, indem sie, oft nach vorheriger Absprache mit dem Pastor, während dieses Chorais vortreten. Der Pastor heißt dann den Betreffenden oder die betreffende Familie im Namen der Gemeindeglieder willkommen. [A. d. Hg.]

105 KAPITEL IV DIE STRUKTUR DER KIRCHE DER JÜNGER CHRISTI IN VERGANGENHEIT, GEGENWART UND ZUKUNFT

A . D A L E FIERS*·

I Die Zeit der Entwicklung der Kirchenverfassung der Jünger Christi Die Verfassungen von Kirchen sind immer von der Form der Regierung geprägt, unter der sie ins Dasein treten. Die Auswirkungen der politischen Spaltungen in der römischen Kaiserzeit auf die Entwicklung der Kirchenverfassung der Frühzeit sind ein von jedem Kirchenhistoriker anerkanntes Faktum. Der Feudalismus des Mittelalters und die damit Hand in Hand gehende Erweiterung der Macht des päpstlichen Roms bestimmte die Gestalt der Kirche im Abendland vom 6. bis zum 13. Jahrhundert. Das England Cromwells stand im Zeichen der Wechselbeziehung zwischen der presbyterianischen Kirchenverfassung und den politischen Institutionen der republikanischen Regierungszeit. Aus dem kongregationalistischen NeuEngland stammten einige der Staatstheoretiker der amerikanischen Revolution, und dort wurden spezifische kirchliche Beschlußfassungsverfahren geschaffen. Die Kirchen der Jünger Christi, die im amerikanischen Grenzland ins Dasein traten und deren Glieder auch heute noch zu 85 Prozent in den Vereinigten Staaten leben, entstanden in der Zeit der Jeffersonschen Demokratie. Dieser Geschichtsabschnitt gab ihrer Verfassung das charakteristische Gepräge. Wären die Jünger zwei Jahrzehnte früher ins Leben getreten, als eine chaotische Zeit eine stärkere Zentralisation nahelegte, oder drei bis vier 0

Rev. Dr. A. Dale Fiers war bis rum Jahre 1973 General Minister und Präsident der Kirche der Jünger Christi. Er schuf die Grundlage des vorliegenden Kapitels durch eine Tonbandaufnahme einer langen Unterhaltung mit dem Herausgeber, in deren Verlauf er seine Anschauungen über diesen Bereich des Denkens der Jünger darlegte, in welchem er so maßgeblich an der Gestaltung der derzeitigen Verfassung beteiligt gewesen ist. Der Herausgeber brachte sodann Fiers' Gedanken zu Papier und versuchte gleichzeitig, sie zum kulturellen Gesamtkontext in Beziehung zu setzen. Dr. Fiers las das Manuskript, brachte die ihm notwendig erscheinenden Korrekturen an, schrieb manches um und machte eine Anzahl Zusätze.

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Jahrzehnte später, als die Polarisierungen, die den Bürgerkrieg auslösten, entstanden, so hätte ihre Kirchenverfassung zweifellos eine andere Gestalt angenommen. Auch ihr geographischer Standort hat auf letztere eingewirkt. An der Siedlungsgrenze entstanden, ist die Kirche der Jünger Christi auch heute noch in den Grenzlandstaaten, dem mittleren und südlichen Westen, zahlenmäßig am stärksten vertreten und nach wie vor durch die Lebenseinstellung des amerikanischen Herzlandes gekennzeichnet und nicht durch den Intellektualismus des stärker verstädterten Nordostens oder durch die Polarisierungen des heutigen Kaliforniens. Obwohl die Kirchenunionskonferenz bei der Abfassung ihres Unionsplanes nur von vier Kirchenverfassungen innerhalb ihrer Mitgliederschaft ausging - nämlich von der kongregationalistischen, der presbyterianischen, der episkopalistischen und der methodistischen - , haben die Jünger doch in den 165 Jahren ihres Bestehens eine einzigartige eigene Kirchenverfassung entwickelt, in der Elemente aller vier genannten Verfassungen eine Verbindung eingegangen sind. Die Theorie und Praxis der Kirchenorganisation hat in den Kirchen der Jünger Christi fünf Perioden durchlaufen. Der erste Abschnitt, von der Vereinigung bis zur Kirche als Gemeinde, dauerte nur kurze Zeit: von 1809 bis 1811. Der zweite, von der Kirche als Gemeinde zur Kirche als Gemeinschaft von Gemeinschaften, währte von 1811 bis 1849. Mit dem Scheitern des Campbellschen Ideals einer mehr kirchlichen Körperschaft und der Entscheidung für D. S. Burnets Gesellschafts-System gelangten die Jünger in den dritten Zeitabschnitt (1849-1917), in dem sie jenseits der Ebene der Ortsgemeinde als Kirche allein in zur Wahrnehmung bestimmter Funktionen gegründeten Gesellschaften von Einzelgliedern in Erscheinung traten. Auf diese Epoche folgte eine vierte Periode, in der auf der Grundlage eines Kompromisses zwischen der Idee einer „Gemeinschaft von Gemeinschaften" und der Konzeption von „Gesellschaften von einzelnen" der Internationale Konvent der Jünger Christi ins Dasein trat, der dann das Medium wurde, durch das die Gremien den Gemeinden Bericht erstatteten und miteinander in Verbindung blieben. Von 1917 bis 1958 war diese Ordnung durch zunehmende Koordinierungsversuche ebenso gekennzeichnet wie durch die wachsende Enttäuschung über die Fähigkeit einer solchen Organisation, die Probleme zu bewältigen, die das 20. Jahrhundert diesem lokker organisierten Bund aufzwang. In den Jahren 1958-68 machten sich dann der Internationale Konvent der Kirchen der Jünger Christi und die ihm angegliederten Körperschaften endlich an die Durchführung der notwendigen Forschungen, Diskussionen und Auseinandersetzungen und begannen, die Kirchenverfassung der Jünger kritisch zu überdenken und die Errichtung einer Verfassung ins Auge

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zu fassen, die in stärkerem Maße kirchlich sein, Campbeils Vision einer „Gemeinschaft von Gemeinschaften" näherkommen und überdies insofern, als sie keinen allzu scharfen Bruch mit den Gepflogenheiten und Grundvoraussetzungen der Vergangenheit darstellte, politisch machbar sein sollte.

II Die Frage der Kirchenverfassung in der „ Christlichen Bewegung" vor 1832 Wie im ersten Kapitel ausgeführt wurde, ist die Kirche der Jünger Christi das Ergebnis der Union von zwei Bewegungen, die sich im Jahre 1832 zusammenschlossen. Die erste davon war die als „The Christians" bekannte Bewegung, in der Barton W. Stone die Führung innehatte. Ihre Gründungsurkunde war ein halb humoristisches, aber durchaus ernstgemeintes Dokument mit dem Titel „Der letzte Wille und das Testament des Preshyteriums Springfield". Es war von sechs jungen Männern unterzeichnet, die sich bei ihren Missionsversuchen an der Siedlungsgrenze, für die sie die Form einer theologisch freieren Verkündigung gewählt hatten, durch das Bestehen der Presbyterien auf theologischer Korrektheit behindert fühlten und daher beschlossen, alle Bande mit der Kirche, der sie entstammten, zu lösen und ihre eigene, einfache Gemeinschaft ins Leben zu rufen. Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts empfindet niemand ihre Handlungsweise als ungewöhnlich. Die Revolution ist nicht immer so neu, wie sie selber zu sein vermeint. „Der letzte Wille und das Testament", worin jede Vereinigung jenseits der Ortsgemeinde der Auflösung anheimfiel, empfahl eine fest umschriebene Kirchenverfassung. Eins seiner „Items" lautete: „Wir wollen, daß unsere Befugnis, Gesetze für die Leitung der Kirche zu erlassen und diese von Bevollmächtigten ausführen zu lassen, für immer ein Ende habe, daß das Volk freien Zugang zur Bibel bekomme und das Gesetz des lebendigen Geistes in Jesus Christus annehme.1,1 Die örtliche Gemeinde oder Vereinigung der „Christen" wurde die für die Mission allein erforderliche Einheit. Die Beweggründe für die Handlungsweise dieser sechs geistlichen Empörer waren ihr Abscheu gegen die das theologische Bekenntnis und den geistlichen Dienst betreffenden einengenden Gesetze. Dies geht aus dem abschließenden Satz dieses „Items" und aus einem anderen „Item" hervor, wo es folgendermaßen heißt: „"Ψιτ wollen, daß die Kirche Christi ihr eingeborenes Recht auf Selbstver-

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waltung zurückerlangt - ihre Kandidaten des Predigtamts nach ihrer Gläubigkeit, ihrer Vertrautheit mit experimenteller Religion, ihrer Würde und Lehrbefähigung auswählt und keinerlei anderen Beweis ihrer Autorität zuläßt, als da£ Christus aus ihnen spricht."2 Auch dies kommt allen jenen vertraut vor, die mit der sogenannten „Untergrundkirche" Bekanntschaft gemacht haben. Von den fünf Männern, die diese Bewegung ins Leben riefen, und den sechs, die den vorstehenden Text unterzeichneten, kehrten außer zweien alle im Lauf der folgenden neun Jahre in den Schoß einer straffer organisierten Kirche zurück. Zwei schlossen sich in ebendem Jahr, in dem ,JDer letzte Wille und das Testament" verfaßt wurde, den Shakers an. Dies war eine straff organisierte zölibatäre Pfingstgemeinschaft, die eine Zeitlang in Kentucky blühte.3 Zwei ließen sich im Jahre 1812 wieder in die presbyterianische Kirche aufnehmen und wollten von ihrem einstigen Empörertum nichts mehr wissen. Die resdichen zwei blieben Führer der neuen Bewegung und brachten schließlich im Jahre 1832 die Union zustande. Barton W. Stone, der Theologe und Theoretiker der „Christen", war an Fragen der Kirchenverfassung nicht sonderlich interessiert. Wie die meisten Grenzansiedler war er ein freiheitsliebender Mann und wollte sich von anderen nicht sein Recht beschneiden lassen, das Evangelium zu predigen und sich mit seinen Mitchristen zusammenzutun. Einige Historiker der Kirchen der Jünger Christi haben vermutet, daß Richard McNemar, der sich später den Shakers anschloß, der Verfasser des von diesen Sechs unterzeichneten „Letzten Willen und Testaments" war. Stone mag in den oben zitierten,,Items" nicht mehr gesehen haben als ein Verfahren, das ihn befähigen würde, sich freizumachen für eine liberale Theologie, eine weniger eingeengte Verkündigung und die Möglichkeit, seinem „Leitstern", der Einheit der Christen, zu folgen. Möglich, daß er aufgrund seiner Erfahrungen in Cane Ridge zu einer Auffassung gelangte, die der „funktionellen Einheit" der heutigen Empörer wider die kirchlichen Strukturen nicht unähnlich war. Jedenfalls versuchten spätere Jünger oft, dieses „Item" zum Eckstein einer voll ausgearbeiteten Kirchenverfassung zu machen, die jedwede Organisation, die über die Ortsgemeinde hinausgeht, als nicht schriftgemäß verdammte.

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III

Die Kirchenverfassmg der Bewegung der Jünger Christi vor 1832 Die andere Strömung, die im Jahre 1832 in die Union ihrer Gemeinden mit denen der „Christen" Barton W. Stones einwilligte, nahm in der Frage der Kirchenverfassung eine sehr viel philosophischere Haltung ein, wenn sie auch in ebenso starkem Ausmaß durch die von Jefferson geprägte Umwelt, in der sie ins Dasein trat, beeinflußt war. Nachdem Thomas Campbell es aufgrund seiner Versuche, die für die Abendmahlsgemeinschaft festgelegten Grenzen zu erweitern, mit den höheren Gerichten seiner Kirche zu tun bekommen hatte, schloß er seine Freunde und Anhänger zu einem Kreis, wie man heute sagen würde, zusammen, der sich als „Christliche Vereinigung von Washington" bezeichnete. Sie wollten in ihren Kirchen verbleiben und in deren Rahmen sich ihrer wechselseitigen Aufgabe widmen. In der ,,Erklärung und Denkschrift",4 die in der Hauptsache von der Sünde des Schismas und der Notwendigkeit der Einheit handelte, vertraten sie die Auffassung, der christliche Glaube sei durch die Hl. Schrift als die „Konstitution", die die Einheit der Christen bewirkte, geordnet, nahmen indes den Gedanken der Existenz des schriftgemäßen Organisationsplans, den ihr puritanisches Erbe ihnen in Hinsicht der Kirchenverfassung nahelegte, nicht an. Der Paragraph 13 lautete: „Sollte über irgendwelche Umstände, die zur Einhaltung göttlicher Gebote unbedingt erforderlich sind, in der Offenbarung nichts zu finden sein, so sind diejenigen, und zwar allein diejenigen, die für den betreffenden Zweck unerläßlich sind, unter der Bezeichnung menschliche Aushilfen anzunehmen, ohne jede Vorspiegelung eines heiligeren Ursprungs derselben, damit jegliche spätere Änderung oder unterschiedliche Beobachtung dieser Dinge nicht zu Streitigkeiten oder gar zu einer Spaltung in der Kirche führt." 5 Historisch betrachtet, scheint dieser abschließende Satz voller Ironie. Die Christen- sowohl wie die Jünger-Bewegung teilte die optimistische Auffassung vom gemeinen Mann, wie sie die Jeffersonsche Demokratie vertrat. In einer Weise, die an die heutigen,,jungen Nationen" gemahnt, waren sie fest davon überzeugt, daß der Mensch unter der Voraussetzung vervollkommnungsfähig sei, daß es gelinge, ihn von den verknöcherten Institutionen Europas freizumachen. Wie so viele unserer Zeitgenossen setzten sie sich über die in den paulinischen Briefen dargelegte Menschenauffassung - die in unserer Zeit von den neuprotestantischen Theologen wie z.B. Reinhold Niebuhr erneut bekräftigt wurde - hinweg und lasen in die Lehren der synopti-

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sehen Evangelien eine Auffassung von der menschlichen Natur hinein, die eher den romantischen Vorstellungen von Jean Jacques Rousseau entsprach. Es ist daran zu erinnern, daß Thomas Campbell zur Zeit der Niederschrift seiner,,Erklärung und Denkschrift" 46 Jahre alt war und innerhalb seiner eigenen konfessionellen Gruppe eine kleine Union hatte bilden wollen, die zunächst nicht zustande kam, wenn sie auch später ins Dasein trat. In demselben Jahr, 1809, stieß sein damals 21 jähriger Sohn zu ihm, der sich gleichfalls wider ihre Kirche empört hatte. Alexander Campbell schloß sich den Auffassungen seines Vaters mit großer Begeisterung, aber geringerer Erfahrung an und wurde auf vielen Gebieten, darunter auch die Kirchenverfassung, der Hauptwortführer der Jünger Christi-Bewegung. Die neue Brush Run-Kirche versuchte sich dem Hauptzweig der presbyterianischen Kirche zu nähern, die aber zu wenig flexibel war, um ihre „experimentelle Gemeinde" aufzunehmen, und schloß sich im Jahre 1813 der Redstone Baptist Association an, die zu dem Schluß gekommen war, sie könne eine derart freie Gemeinde aufnehmen. Darin sollten sich die Baptisten aber getäuscht haben. Thomas Campbeils glänzend begabter Sohn, Alexander, machte sich voll Eifer an das Studium der Heiligen Schrift. Er verfügte über eine für jene Zeit und Gegend einigermaßen befriedigende Bildung, die beherrscht war von der Liebe zum Neuen Testament und der Annahme der philosophischen und religiösen Prämissen John Lockes, den der Vater dem Sohn als den christlichen Philosophenpdr excellence nahegebracht hatte. Eine solche Geisteshaltung fügte sich unschwer zu dem Jeffersonismus der Grenzer. Wie so mancher junge Mann vor und nach ihm, der sich mit den schwierigen Problemen der Führung einer Gemeinschaft von der Geburt zur Reife nicht zu befassen brauchte, verwandte Alexander Campbell einen großen Teil seiner Zeit darauf, die theologischen und organisatorischen Grundprinzipien der Baptistenkirchen in Frage zu stellen wie auch in einer Reihe von Debatten diejenigen Bereiche ihrer Theologie und Kirchenverfassung zu verteidigen, die seine Zustimmung fanden. Als Forum zur Behandlung solcher Fragen schuf er die Zeitschrift, „The Christian Baptist", deren Herausgeber er von 1823 bis 1830 war. Alexander Campbeils Stellungnahmen zur Kirchenverfassung unterschieden sich während dieser Jahre nicht sehr stark von denjenigen, die die Christliche Bewegung eingenommen hatte. Er scheint jedoch im stillen an dem oben zitierten Punkt 13 der „Erklärung und Denkschrift" festgehalten zu haben und vertrat nicht oft die Auffassung, daß die Einzelgemeinde die einzige erlaubte Struktur der Kirche darstellte, obschon er an den baptistischen Strukturen kein gutes Haar ließ. Es ging ihm mehr darum, die ,,ur-

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sprüngliche Ordnung der Dinge" in der Kirchenverfassung wiederherzustellen und in Glaubensdingen das „Urevangelium" zu verfechten, das sein Mitstreiter Walter Scott wiederentdeckt zu haben behauptete. Gegen das Jahr 1830 war offenbar geworden, daß die Jünger die Gemeinschaft mit den Baptisten nicht aufrechterhalten konnten, und sie trennten sich von ihnen. Dadurch sahen sie sich vor gewisse organisatorische Probleme gestellt, auf die früher getroffene pragmatische Entscheidungen, so schien es, einiges Licht geworfen hatten. Ehe sie noch Gelegenheit hatten, diese neuen Probleme in Angriff zu nehmen, traf einer ihrer Führer, „Raccoon" John Smith, mit Stone zusammen und legte das Modell fest, nach dem der Zusammenschluß der beiden Bewegungen erfolgen sollte. Er kam dadurch zustande, daß eine jede „Boten" aussandte, die die Ortsgemeinden aufforderten, sich zu vereinigen. Diese Handlungsweise bezeugt, daß die Einzelgemeinde den Eckstein ihrer weniger theoretisch fundierten als pragmatischen Kirchenverfassung bildete. Die Tatsache jedoch, daß die beiden Gruppen solche „Boten" zu ernennen und zu finanzieren imstande waren, zeigte, daß sie ihre Kirchenverfassung aus dem Blickpunkt der Zweckdienlichkeit sahen, wie Punkt 13 der „Erklärung und Denkschrift" ihn dargelegt hatte.

IV Die Kirchemierfassung in der vereinigten Bewegung bis zum Jahre 1849 Von der im Jahre 1832 erfolgten Union bis zur Bildung eines Nationalkonvents im Jahre 1849 oblagen die Kirchen der Jünger Christi eifrig ihrer Mission an den neuen Gemeinschaften an der amerikanischen Siedlungsgrenze. Sie arbeiteten ferner an der Verfeinerung der Auffassung von der Gestalt einer neutestamentlichen Kirche im 19. Jahrhundert und rangen mit der Bedeutung ihrer Mission für die Kirchenverfassung. Der Empörer Alexander Campbell, der mit solchem Elan seinen Angriff auf die baptistischen Anschauungen von der Kirchenverfassung vorgetragen hatte, mußte jetzt eine Verfassung schaffen, die die Freiheiten, welche alle Mitglieder der Bewegung hochhielten, schützte und gleichwohl eine rapide anwachsende Bewegung, die eine katholische Auffassung von einer in dem Herrn gegebenen Einheit vertrat, befähigte, die Mission, welche das Evangelium ihr auferlegte, durchzuführen. Nach dem Bruch mit den Baptisten hatte Alexander Campbell seine Tätigkeit als Herausgeber der,, The Millennian Harbinger" betitelten Zeitschrift

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fortgesetzt. In den Jahren 1835 und 18396 hatte er sein Verständnis des neutestamentlichen Christentums in einem Buch mit dem Titel „The Christian System" dargelegt.7 Hierin sowohl wie in seiner Zeitschrift begann er mit der Frage zu ringen, welches die rechte Kirchenverfassung für ein Volk sei, das sich jeglicher Einschränkung seiner Freiheiten heftig widersetzte. Einer seiner interessantesten Versuchsballons zu diesem Thema ist ein im Jahre 1843 erschienener Aufsatz mit dem Titel „Kirchenorganisation - Nr. XII" und dem Untertitel „Entwurf eines schriftgemäßen Systems der Kirchenorganisation und Zusammenarbeit". Dieser „Entwurf" geht von einer Insel Guernsey aus, der ein Evangelist8 das Christentum bringt, indem er dort sechs Kirchen begründet. Der Aufsatz legt dann dar, wie diese Kirchen bei der Durchführung der ihnen von Christus übertragenen Mission zusammenarbeiten könnten. Zwei Hauptpunkte schälen sich sogleich heraus. Der eine ist die Vorstellung eines Neubeginns „ohne Vorgabe". Hier führt die Verschmelzung des amerikanischen Gedankens eines „Neubeginns" mit der Erfahrung des Apostels Paulus im heidnischen Europa zu der für die frühen Jünger typischen Überzeugung, daß sich die Kontinuität mit den Aposteln durch einen radikalen Bruch mit der unmittelbaren Vergangenheit herstellen lasse, eine Auffassung, die in vielen Erneuerungsbewegungen unserer Tage eine mächtige Wiederbelebung erfahren hat. Campbell vermag nur deshalb damit durchzudrängen, weil er im amerikanischen Grenzgebiet wirkt und weil er die Beziehung, in der er und die Mehrzahl seiner Bekehrten zum Christentum des 19. Jahrhunderts und der vorangegangenen Jahrhunderte standen, ignoriert. In seinem „Entwurf" entwickelt er seine Auffassung von der Kirche als einer „Gemeinschaft von Gemeinschaften". Seine theologischen Grundvoraussetzungen fußen auf der Vorstellung seines Vaters, „daß die Kirche Christi auf Erden ihrem Wesen, ihrer Bestimmung und ihrer Verfassung nach eine Einheit bildet und sich aus allen denen an allen Orten zusammensetzt, die ihren Glauben an Christus und Gehorsam gegen Ihn in allen Dingen nach den Schriften bekennen und dafür durch ihre Selbstbeherrschung und ihr Verhalten zeugen...", 9 die er folgendermaßen umformuliert: „daß alle christlichen Gemeinschaften auf Erden, wie zahlreich sie auch sein mögen, nur eine einzige Kirche Christi bilden". Daraus folgt bei ihm eine zweite These: „Daß die Gemeinschaften eines beliebigen Staates [hier der Insel Guernsey]10 die Kirche desselben seien, als sei er die ganze Welt, und daß sie, in Hinsicht ihrer Sprache und politischen Grundlagen durch die göttliche Vorsehung denselben Bedingungen unterworfen (Campbell war ein überzeugter Anhänger des amerikanischen Prinzips der Trennung von Kirche

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und Staat),10 in bezug auf jenen Staat sich so zu verhalten hätten, als stelle er die ganze Welt dar, oder wie die gesamte Kirche Christi sich gegenüber der ganzen Welt verhalten sollte." 11 Hier tritt uns seine „Gemeinschaft von Gemeinschäften" entgegen. Es schwingt darin etwas von der Ganzheit einer jeden Manifestation der Kirche mit, das an die katholische (umfassende) Auffassung der Ostkirche gemahnt, obgleich Campbell sicherlich nicht mit deren Gedankengut vertraut war. Als die Jünger im Jahre 1849 ihren ersten Generalkonvent einberiefen, schlug Alexander Campbell vor, er solle sich aus „Boten" (offensichtlich „Abgeordneten") der Kirchen zusammensetzen oder, wo dies nicht möglich sei, aus Abgeordneten von Kirchengruppen oder von Bezirken. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Kirchen der Jünger Christi, daß bei diesem Kirchengebilde Bezirke, Diözesen oder Presbyterien als organisierte Strukturen nicht vor dem nationalen Kirchenkörper und seinen Gremien in Erscheinung traten, obwohl es in einer neuen Nation, an einer Grenze entstand. Beide traten ungefähr gleichzeitig ins Dasein. Vermutlich erklärt sich dies aus den traurigen Erfahrungen, die die Gründerväter mit Presbyterien gemacht hatten und aus dem nationalpolitischen Nachdruck auf der Unionsgewalt in den Gebieten, in denen die Jünger stark waren. Es ist sicherlich kein Zufall, daß diejenigen, die sich schließlich von dem die Organisation betreibenden nationalen Kirchenkörper lossagten, in der Mehrzahl im tieferen Süden ansässig waren, wo man am eifrigsten die Rechte der Einzelstaaten verfocht, oder in Gebieten, in denen politischer und theologischer Konservatismus eine enge Verbindung eingegangen waren. Campbeils Konzeption einer Gemeinschaft von Gemeinschaften setzte sich bei der Bildung des neuen Konvents nicht durch. Es dauerte noch hundert Jahre, bis zur Umstrukturierung der Brüderschaft der Jahre 1958/68, ehe die Jünger eine nationale Delegiertenversammlung mit von den Gemeinden und den regionalen Organen der Kirche gewählten, stimmberechtigten Mitgliedern annahmen. Statt dessen trug der Gesellschaftsgedanke von D . S . Burnet den Sieg davon, vermutlich infolge des Einflusses, den die im,,Letzten Willen und Testament" und von Campbell in seiner bilderstürmerischen Zeitschrift „The Christian Baptist" dargelegten Anschauungen ausübten. Auch die bisweilen in Willkür ausartende Freiheitsstimmung und der Partikularismus, den die föderalistischen Staatstheorien förderten, dürfte eine Rolle gespielt haben. In diesem und dem folgenden Zeitabschnitt spalteten sich zwei Kirchenkörper mit einer abweichenden Organisationstheorie von den Kirchen der

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Jünger Christi ab. Zuerst taten dies die Kirchen Christi, die sich im Jahre 1906 in aller Form absonderten, aber schon im Verlauf einer zunehmenden Polarisierung, die um das Jahr 1849 einsetzte, als eine Partei aufgetreten waren. 12 Die zweite Separation führte zwar erst 1967/68 zu der formellen Streichung vieler Gemeinden aus den amtlichen Gemeindeverzeichnissen, doch war die Polarisierung, die sie herbeiführte, so weit fortgeschritten, daß es nach 1926 zwei unterschiedliche Kirchenverfassungen gab, die immer stärker in Antagonismus zueinander gerieten. Der sich absondernde Kirchenkörper wurde von den Kirchen der Jünger Christi gewöhnlich, ,die Unabhängigen" genannt, bezeichnete sich selber indessen oft als die überdenominationelle Gemeinschaft der „Christlichen Kirchen" und der „Kirchen Christi". Bei beiden Schismen lag den verfochtenen Kirchenverfassungen eine Theologie des Wesens der Kirche zugrunde. Obwohl sie gewöhnlich nicht zur Sprache kamen, sondern nur stillschweigend vorausgesetzt waren, ließen sich diese beiden Auffassungen vom Wesen der Kirche nicht miteinander vereinbaren. Der in diesem Band dargestellte Kirchenkörper hielt an dem von Thomas Campbell dargelegten und von Alexander Campbell in seinem „Insel-Guernsey"-Entwurf bekräftigten katholischen Kirchenverständnis fest. Die heute als Kirche der Jünger Christi bekannte Kirche verstand sich mithin als einen Teil des Leibes Christi, der, um ein Ganzes zu sein, der Union mit den anderen Teilen bedurfte. Die andere Gruppe, „die Unabhängigen" genannt, legte hingegen gemäß den Prinzipien der Jünger-Scholastik den Nachdruck auf die genaue Wiederherstellung der neutestamentlichen Kirche, die für sie den Vorrang vor Thomas und Alexander Campbells Verständnis vom Wesen der Kirche hatte. Sie sah in sich die einzige wahre Kirche Christi, von der sich alle anderen christlichen Kirchenkörper mehr oder minder entfernt hatten. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es die Einstellung, die diese beiden Separationen herbeiführte, die die Verwirklichung des Plans Alexander Campbeils unmöglich machte. Der Kompromißversuch gewährleistete den Erfolg der von D . S . Burnet ausgearbeiteten Konzeption von Gesellschaften von einzelnen und setzte diese neue Manifestation des Gottesvolks in den Stand, die missionarische Aufgabe zu erfüllen, die ihr ihr Studium des Neuen Testaments zur Pflicht machte. Das ausgeprägte Unabhängigkeitsstreben, das die Grenzer jener Zeit auszeichnete, verstärkte diese Tendenz. Mit seinem katholischen Verständnis vom Wesen der Kirche, wie es sein Vater im Jahre 1809 mit den Worten: „Die Kirche Christi auf Erden stellt ihrem Wesen, ihrer Bestimmung und ihrer Verfassung nach eine Einheit dar", umschrieben hatte, konnte sich Alexander Campbell mit der später von den Gründern der „Kirchen Christi" vertretenen Auffassung, daß die einzige irdische Manifestation der Kirche die Ortsgemeinde sei, nicht zu-

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frieden geben. Ihrer Ansicht, daß die Kirche 13 anderen Organisationen die Aufgaben, die Christus ihr zugewiesen habe, nicht übertragen solle, hätte er indes beigepflichtet. Alexander Campbell war der Ansicht, daß man zwar nicht über Fragen der Kirchenverfassung, aber über organisatorische Fragen mit sich reden lassen könne, und daher Realist genug, um sich mit einem halben Laib zufrieden zu geben, wenn er einen ganzen nicht bekommen konnte. So ließ er sich zum Präsidentender „Amerikanischen Christlichen Missionsgesellschaft" wählen (einer Gesellschaft von Einzelpersonen, die Glieder von Ortsgemeinden waren), und die Kirchen der Jünger Christi hielten bis 1917 am Gesellschaftsmodell fest, in welchem Jahr der Internationale Konvent an die Stelle des Generalkonvents als Koordinierungsinstanz trat.

V Verfassung der Kirchen der Jünger bis zum Jahre 1917

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Kurz nach Alexander Campbells Tod im Jahre 1866 wurde der Versuch gemacht, seinen Gedanken eines aus „Boten" der Ortsgemeinden bestehenden Konvents zu verwirklichen, doch brachte einer der Verfechter der Ortsgemeinde als einziger Manifestation der Kirche, J . W. McGarvey, eine Resolution ein, die Handlungen des Konvents auf Ratschläge beschränkte und der Kirche die Leitung der Gremien entzog, womit aus dem Louisviller Plan von 1869 das Kernstück herausgebrochen war. Allein die rasche Zunahme gesellschaftlicher Gremien, welche für eine nationale „Brüderschaft" unerläßliche Arbeiten zu erledigen hatte, mit denen man eine Einzelgemeinde nicht betrauen konnte, erzwang schließlich einen Kompromiß. Gremien, die auf nationaler Ebene wirkten, erstatteten nunmehr dem Internationalen Konvent Bericht. Diese Körperschaft stellte eine Massenversammlung dar, in der jeder registrierte Jünger abzustimmen befugt war, doch ist sein Empfehlungsausschuß, der alle Verhandlungen in Gang setzt und lenkt, seit 1946 eine Körperschaft, die sich aus von den bundesstaatlichen und Bezirksorganisationen auf gesamtmitgliedschaftlicher Basis gewählten Vertretern zusammensetzt. Mit diesem Verfahren ging das Bemühen einher, die verschiedenen als gesellschaftliche Körperschaften von einzelnen geschaffenen Gremien zusammenzufassen, die die Arbeit der Kirche auf den Gebieten innere und äußere Mission, Bildungswesen, Wohltätigkeit, Altersversorgung der Pf ar-

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rer, Förderung der Einheit der Christen u. a. m. leisteten und jetzt den Gemeinden durch den Internationalen Konvent Bericht erstatteten. Der erste solche Versuch war die Bildung der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" in den Jahren 1919-20. Diese Gesellschaft faßte die größeren Gesellschaften zusammen. Gegen 1930 hatten sich unter dem Druck der Wirtschaftskrise drei dieser Gesellschaften aus der Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft zurückgezogen, und der Einigungsversuch war nur teilweise erfolgreich. Koordinierende Zwischeninstanzen förderten in den 30er, 40er und 50er Jahren diesen Trend zur Vereinigung. Gleichzeitig erzwangen „die Unabhängigen" zuerst Kompromißlösungen, um sich dann zurückzuziehen, als offenbar wurde, daß die im Internationalen Konvent Vertretenen eine mehr kirchliche Struktur anstrebten. Bei alledem hatten die Kirchen der Jünger Christi an Größe zugenommen, Kirchen in Ubersee gegründet - die in vielen Fällen autonom geworden sind und sich an nationale unierte Kirchen angeschlossen haben - und waren zu einem geschätzten Vollmitglied des Nationalrats der Kirchen wie des ökumenischen Rats der Kirchen geworden.

VI Die Umstrukturierung der Kirchen der Jünger

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Die Mitgliederschaft der Kirchen der Jünger Christi sehnte sich mehr und mehr nach einer mehr kirchlichen Struktur, die ihre Organisationen auf einzelstaatlicher und Bezirksebene, ihre nationalen Gremien und einige in den Ortsgemeinden verwurzelte Repräsentativorgane zu einem harmonischen und zusammenhängenden Ganzen verweben sollte. Dieses Verlangen fand schließlich seine Erfüllung in der Neukonstituierung der „International Convention of Christian Churches (Disciples of Christ)" und der ihr angegliederten Körperschaften als ,,Christian Church (Disciples of Christ)". Die „International Convention" wurde im Jahre 1917 in Kansas City/Missouri gebildet. 51 Jahre später, im Jahr 1968,.wurde diese Körperschaft in derselben Stadt als „Kirche" neu konstituiert. Die Bedeutung dieses Schrittes kommt in der Präambel des „Vorläufigen Plans für die Kirche der Jünger Christi" zum Ausdruck.14 Sie lautet: PRÄAMBEL 1. Als Glieder der Christlichen Kirche bekennen wir, daß Jesus der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist, und verkündigen ihn als Herrn und Hei-

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land der Welt. In seinem Namen und durch seine Gnade nehmen wir unsere Mission des Zeugnisses und des Dienstes an der Menschheit an. In Gott, der Erde und Himmel gemacht hat, erkennen wir freudig unseren Vater, der uns durch seinen Liebesbund mit sich vereint hat. Durch die Taufe treten wir in ein neues Leben ein und werden eins mit dem ganzen Volk Gottes. In der Gemeinschaft des Heiligen Geistes sind wir einander in Brüderlichkeit und im Gehorsam gegen Christus verbunden. Am Tisch des Herrn feiern wir mit Danksagung seine Heilsuten und seine Gegenwart. Innerhalb der universalen Kirche Christi empfangen wir die Gabe des geistlichen Dienstes und das Licht der Heiligen Schrift. In den Banden des christlichen Glaubens geben wir uns Gott anheim, auf daß wir ihm dienen, dessen Reich kein Ende hat. Ihm sei Segen, Ruhm und Ehre in alle Ewigkeit. Amen. 2. Innerhalb der gesamten Familie Gottes auf Erden tritt die Kirche überall dort in Erscheinung, wo die an Jesus Christus Glaubenden in seinem Namen versammelt sind. Alle trennenden Schranken innerhalb der Menschheitsfamilie wie zum Beispiel die der Rasse und Kultur hinter sich lassend, tritt die Kirche in wohlgeordneten, zur Anbetung, Gemeinschaft und zum Dienst zusammengeschlossenen Jüngergemeinden sowie in verschiedenen der Mission, dem Zeugnis, der wechselseitigen Zucht, der Förderung und Erneuerung ihrer Glieder dienenden Organisationen in Erscheinung. Das Wesen der Kirche, das ihr von Christus aufgeprägt wurde, bleibt von Geschlecht zu Geschlecht gleich, doch fährt sie getreu ihrer Mission fort, ihre Strukturen den Notwendigkeiten und Gesetzmäßigkeiten einer sich wandelnden Welt anzupassen. Jedwede Herrschaft in der Kirche gehört Jesus Christus, ihrem Herrn und Haupt, und jedwede Ausübung von Autorität in der Kirche auf Erden ist seinem Richterspruch unterworfen. 3. Innerhalb des universalen Leibes Christi tritt die Kirche der Jünger Christi organisatorisch in Gestalt von freien und freiwilligen Beziehungen auf gemeindlicher, regionaler und allgemeiner Ebene in Erscheinung. Jede ihrer Erscheinungsformen kennzeichnet sich in Hinsicht der Funktion, für die sie einzig und allein verantwortlich ist, durch ihre Ganzheit, Selbstverwaltung, Autorität, ihre Rechte und Verantwortlichkeit. In den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada ist die Kirche der Jünger Christi," im folgenden die „Christliche Kirche" genannt, an ihrer Tradition, ihrem Namen, ihren Einrichtungen und Beziehungen erkenntlich. Die Christliche Kirche bekennt Jesus Christus als Herrn und sucht beständig bei allen ihren Handlungen seiner Autorität gehorsam zu sein. 4. Damit die Christliche Kirche Christi Wirksamkeit, wie sie uns durch die Heilige Schrift verkündet worden ist, durch freie und freiwillige Beziehungen gläubig zum Ausdruck bringen möge, ihr Zeugnis, ihre Mission und ihren Dienst umfassend gestalten möge, Mittel und Wege finden möge, durch die die Gemeinden ihre Aufgaben als treue christliche Haushalter wahrzunehmen vermögen, Einheit sowohl wie Mannigfaltigkeit gewährleisten möge und Gottes Bund getreu verantwortliche ökumenische Beziehungen fördern möge, binden wir uns aneinander, indem wir diesen „vorläufigen Plan" für die Christliche Kirche (im folgenden „dieser Plan" genannt) annehmen. Gemäß diesem Plan wird die Kirche der Jünger Christi eine Generalversammlung, einen Hauptausschuß und ein Verwaltungskomitee des Hauptausschusses einrichten; die erforderlichen Verwaltungseinheiten schaffen; regionale Organisationen (im folgenden „Regionen" genannt) ins Leben rufen und darin

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A. Dale Fiers und durch sie wirken; Gemeinden errichten, aufnehmen und fördern; Richtschnuren für die Ordnung ihres geistlichen Dienstes festlegen; neuartige geistliche Ämter für die Mission, Erziehung und den Dienst entwickeln oder anerkennen ; die Voraussetzungen für zweckdienliche Beratungs- und interimistische Verfahren schaffen, mittels deren die vorhandenen kirchlichen Organisationen jedwede im Rahmen dieses Plans erforderlich werdende Übergangsregelung treffen können sowie die Voraussetzungen für eine anhaltende Erneuerung und Reformation zu schaffen suchen.

Derzeit ist die Kirche der Jünger Christi mit der Durchführung dieser Aufgaben beschäftigt und hat die erste Phase - die Errichtung repräsentativer Körperschaften, durch die die Kirche auf lokaler, regionaler und territorialer (USA und Kanada) Ebene in Erscheinung zu treten vermag - erfolgreich abgeschlossen. Jede dieser drei Ebenen wird als eine wirkliche Gemeinschaft aufgefaßt, die in ihrem Bereich tätig ist, wie die ganze Kirche in der ganzen Welt tätig ist. Da die derzeitige Lage einer in gesonderte Teile denominationellen Charakters gespaltenen Kirche der Verwirklichung dieser Vision im Wege steht, mußte die Umstrukturierung innerhalb dieses denominationeilen Rahmens erfolgen. Die Kommission für die Umstrukturierung der Brüderschaft, die den vorläufigen Plan entwarf, blieb sich jedoch der Notwendigkeit, diese Beschränkung zu beseitigen, bewußt. U n ter ihren Mitgliedern wie in ihrem Zentralausschuß befand sich eine Anzahl Jünger, die unserer Delegation zu der Kirchenunionskonferenz angehörten. Die Umstrukturierung war zwar in der Hauptsache ein Versuch, die Kirche der Jünger Christi zu befähigen, ihre Mission in der Gegenwart zu erfüllen, indem sie organisatorisch zu der von Campbell ins Auge gefaßten „Gemeinschaft von Gemeinschaften" wurde, doch blieb sich die Kommission dessen bewußt, daß in einer Welt, die zu einem „die ganze Erde umspannenden D o r f " geworden ist, kein einzelner Teil des Leibes Christi dieser Mission anders als auf ökumenische Art und Weise gerecht zu werden vermag. Ebenso wie die Gründerväter der Vereinigten Staaten erkannten, daß ein Staatenbund zu locker organisiert sei, um die Aufgaben einer neuen Nation wahrzunehmen, gelangte die Kirche der Jünger Christi durch lange, schmerzliche Erfahrungen zu der Einsicht, daß sich ihre Aufgaben unmöglich allein mit Ortsgemeinden, Vereinen und Arbeitsgruppen durchführen lassen. In einem derart lockeren Gefüge scheitern wichtige Aufgaben daran, daß entweder für ihre Planung, Projektierung und Durchführung nicht genügend Geldmittel und Personal zur Verfügung stehen, oder daß es an der Ermächtigung fehlt, die ihre Verantwortlichkeit gegenüber den sie finanzierenden Wahlkörpern begründet. Bisweilen kann auch beides der Fall sein.

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Gemäß dem vorläufigen Plan sind gewöhnlich 4000 Abgeordnete der Kirche in einer Massenversammlung, an der bisweilen bis zu 11000, im Normalfall indes etwa 8000 Personen teilnehmen, stimmberechtigt. Diese alle zwei Jahre tagende Generalversammlung kommt denen, die an kleine, kompakte Synoden oder Generalversammlungen gewöhnt sind, chaotisch vor, ist aber durchführbar, weil alle Angelegenheiten von einer kleineren Körperschaft von 280 Personen, dem Hauptausschuß, bearbeitet werden, der der Generalversammlung alle Punkte lediglich zur Genehmigung, Ablehnung oder Zurückverweisung an den Hauptausschuß oder eine Einheit der Kirche zum Zweck der Revision vorlegt. Dieser Hauptausschuß tritt alljährlich zusammen. Er setzt sich zur einen Hälfte aus Delegierten zusammen, die die Generalversammlung aus den Reihen ihrer Mitglieder wählt, und zur anderen aus von den Regionen gewählten Abgeordneten. Die Aufstellungskomitees geben sich die größte Mühe, um sicherzustellen, daß sämtliche Wahlkörper vertreten sind. Ein jedes regionale und nationale Gremium der Kirche (heute Einheit genannt) ist im Hauptausschuß durch seinen Hauptgeschäftsführer vertreten. Dieser darf zwar das Wort ergreifen, ist aber nicht stimmberechtigt. Der Hauptausschuß wählt aus den Reihen seiner Mitglieder ein Verwaltungskomitee von 40 stimmberechtigten Personen, das zweimal im Jahr gemeinsam mit 20 Hauptgeschäftsführern der wichtigsten Einheiten der Kirche zusammentritt und die Entscheidungen des Hauptausschusses vorbereitet. Dieses System gestattet eine breite Mitwirkung bei den Entscheidungen, reduziert aber die Anzahl der von den größeren Gruppen zu treffenden Entscheidungen auf ein vertretbares Maß. Der gesamte Vorgang vollzieht sich unter dem Vorsitz eines Moderators und wird von einem „General Minister" und Präsidenten geleitet, der der Hauptgeschäftsführer ist. Letzterer wird von der Generalversammlung jeweils für sechs Jahre gewählt. Er sammelt ein,¡General Cabinet" um sich, das aus den Hauptgeschäftsführern der (aus den früheren Gremien zusammengefügten) Haupteinheiten besteht und ihn bei der Vorbereitung eines nationalen Programms berät. Derzeit (1972) bemüht sich ein vom Hauptausschuß ernanntes „Strukturund Funktionskomitee" darum, Beziehungen zwischen den Einheiten auf nationaler und regionaler Ebene eine praktikablere Form zu geben und eine Verfassung für die Kirche der Jünger Christi zu entwerfen. In der Zwischenzeit arbeitet die Kirche auf der Grundlage des vorläufigen Plans. [Es ist bedeutsam, daß die Kirchenleitung im Jahre 1976 beschlossen hat, der Generalversammlung, die vom 21.-26. Oktober 1977 in Kansas City stattfinden soll, zu empfehlen, daß die Kirche auch weiterhin auf dieser Grundlage arbeiten soll. Das ist keine Sprachregelung, die verschleiern könnte, daß ein vorläufiger Plan inzwischen zu einer effektiven Verfassung

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geworden ist; vielmehr ist es ein Hinweis darauf, daß die,,Disaples" immer noch mehr Freiheit lieben, als eine wirkliche Verfassung bieten könnte. A. d. Hg.] VII Aus den Erfahrungen der Jünger abgeleitete allgemeine Prinzipien Uberall in der Welt stellt man heute die Einrichtungen der Kirche sowohl wie der Gesellschaft in Frage. In einer Welt des Wandels, von der man kaum behaupten kann, daß sie sich dem Evangelium anpaßt, mag dies unvermeidlich und nur gesund sein. In der Kirche wie in der Welt meinen etliche, die Übel des Menschen seien vor allem die Folge von Sünden der Vergangenheit, die derart in alle Institutionen eingegangen seien, daß diese dämonischen Kräfte allein durch die Zerschlagung der existierenden Einrichtungen und die Schaffung neuer aus ihren Trümmern gebannt werden könnten. Andere halten eine solche Art von radikaler Diskontinuität für unmöglich und bevorzugen eine durchgreifende Reform der meisten Institutionen in verfassungsgemäßem Rahmen. Sie räumen ein, daß manche Formen derart starr werden, daß man sie nur noch zerschlagen kann, meinen aber, daß dies extreme und seltene Fälle seien. Diese zweite Reformergruppe hält dafür, daß die gegenwärtigen und individuellen Sünden des Menschen den gleichen dämonischen Charakter tragen wie die institutionellen Sünden der Vergangenheit und sich sowohl innerhalb der sogenannten erneuerten Strukturen wie auch in den revolutionären Bewegungen, die die alten Dämonen zu beschwören versuchen, in einem erschreckenden Ausmaß manifestieren. Abseits von diesen beiden Gruppen steht eine dritte: Es sind dies diejenigen, die mit dem Status quo zufrieden sind oder sich damit abgefunden haben, die Hoffnungen auf größere Verbesserungen nicht mehr zu teilen vermögen und ihre egoistischen oder auch humanen Ziele innerhalb des Systems verwirklichen möchten und sich jedem Wandel der Spielregeln widersetzen. Diese drei Gruppen scheinen sich in wachsendem Maße voneinander abzusondern und nur noch Streitigkeiten austragen zu können. Die Kunst des Dialogs, der zu einem größeren Verständnis des eigenen Selbst wie der anderen führt, wird offenbar von niemandem mehr beherrscht. Keine Erfahrung der Vergangenheit bietet eine absolute Richtschnur für die Gegenwart, doch vermag die Vergangenheit sehr wohl neues Licht auf eine etwas andersartige Problematik zu werfen. Begibt man sich dieser Möglichkeit, so läßt sich die Gegenwart des Menschen allein durch eine bildhaft vorgestellte Zukunft bestimmen. Die bildhaft vorgestellte Zukunft als

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alleinige Gestalterin menschlicher Entscheidungen hat indes den Nachteil, daß man die Menschen damit jeglichen kritischen Urteils mittels auch nur partiell objektiver Kriterien beraubt. In der heutigen Zeit, da viele Kirchen, die den Nachdruck auf die Kontinuität gelegt haben, der Starrheit überdrüssig zu werden beginnen, die eine in der Hauptsache an der Vergangenheit orientierte Haltung leicht hervorrufen kann, und viele meinen, Diskontinuität könne dem Menschen und seinen christlichen Institutionen eine freiere Zukunft bieten, mag es für sie nützlich sein, von den Erfahrungen einer Kirche von leichter Struktur zu hören, die mit dem Versuch der Errichtung einer wahrhaft apostolischen und missionarischen Bewegung begann, und zu erfahren, welche Lehren ihr diese ihre Haltung aufgezwungen hat. Die Menschheit scheint das Schiff ihrer theologischen und institutionellen Ubereinkünfte in den Wind des Wandels zu steuern, welcher ihr stets aus der Zukunft entgegenweht, der sie entgegenfährt. Sie muß dabei beständig Kurswechsel vornehmen und sich im Zickzack bewegen. Oft verliert sie dabei an Tempo, weil sie jeden Kurs unnötigerweise ins Extrem umschlagen läßt - in dem Bemühen um Uberwindung der Folgen des vorhergehenden extremen Kurses, dem sie nun mißtraut, weil er sie ihrem Ziel nicht näherbrachte. In solch einer Zeit sollte man sich an die Aufschrift des Apollo-Tempels in Delphi: „Erkenne Dich selbst" erinnern und nach Erfahrungen der Vergangenheit Ausschau halten, die einige Parallelen zu dem von uns eingeschlagenen Kurs aufzuweisen hat. Nach einer solchen Betrachtung mag es uns eher gelingen, den zweiten Ratschlag des griechischen Orakels zu befolgen: „Das Maß ist das Beste." Jesu ausgewogene Gleichnisse waren anscheinend oft den Zwölfen eine Hilfe, diese Neigung zu Extremen zu überwinden. Vielleicht war es das, was er meinte, als er uns ermahnte, wir sollten „klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben" sein.

ANMERKUNGEN 1

Rhodes Thompson, Voices from Cane Ridge, St. Louis (The Bethany Press) 1954, S. 81-82.

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ebda., S. 82.

3

Die wichtigsten Bücher über diese Sekte sind: Edward Deming Andrews, The People Called Shakers, New York (Dover Publications) 1953; Thomas D. Clark und F. Gerald Ham, Pleasant Hill and Its Shakers, Pleasant Hill/Kentucky (Shakertown Press) 1968; Henri Desroche, The American Shakers from

Neo-Christia-

nity to Presocialism, Amherst (The University of Massachusetts Press) 1971; Daniel Mac-Hir Hutton, Old Shakertown and the Shakers, Harrodsburg/Kentucky

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(Harrodsburg Herald Press) 1936; Flo Morse, Yankee Communes, Another rican Way, N e w York (Harcourt Brace Jovanovich) 1971. 4 5

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9 10 11

Ame-

Thomas Campbell, Declaration and Address, St. Louis (The Bethany Press) 1963. ebda., S. 48. In seinem Buch The Christian Churches and Their Work, St. Louis (The Bethany Press) 1963, hat Loren E. Lair auf die die Kirchenverfassung betreffenden Passagen in der,,Erklärung und Denkschrift" und im letzten Willen und Testament des Preshyteriums" Springfield hingewiesen. Zumeist wurde die zweite Auflage benutzt. Alexander Campbell, The Christian System, St. Louis (Christian Board of Publication), neuer Abdruck der 2. Aufl. von 1839. Alexander Campbell plante aufgrund seiner Lektüre des Neuen Testaments einen aus den drei Amtern des Evangelisten, Bischofs oder Altesten und Diakons bestehenden geistlichen Dienst. Der Evangelist war ein Wanderprediger, der Bekehrte machte, sie zu einer Gemeinschaft Zusammenschloß und sie veranlaßte, örtliche Amtsträger, Älteste oder Bischöfe und Diakone, zu wählen. Danach zog er weiter. Declaration and Address, St. Louis (The Bethany Press) 1955, S. 44. A. d. Vf. „The Millennial Harbinger", Bethany/W. Va. (Alexander Campbell) 1843, S. 82-86.

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Der Leser wird bemerken, daß sich die Zeitabschnitte des ersten Kapitels etwas von den Perioden des vorliegenden Kapitels unterscheiden. In der Geschichte der Jünger hielt die Kirchenverfassung nicht mit dem theologischen Denken Schritt, und zwar großenteils, weil sich Alexander Campbells Idee der Kirche als einer „Gemeinschaft von Gemeinschaften" nicht durchsetzte.

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Alexander Campbell maß zwar der Ortsgemeinde große Bedeutung bei, erkannte indes auch die Daseinsberechtigung und die Arbeit anderer Manifestationen des kirchlichen Lebens an.

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Der Generalversammlung der Kirche wurde auf Empfehlung des Generalausschusses empfohlen, im Oktober 1977 in Kansas die Vorläufigkeit des Plans (der Präambel) zu bestätigen. Dies ist nicht reine Semantik, um durch den provisorischen Arbeitsplan zu einer tatsächlichen Konstitution zu werden, sondern vielmehr eine feine Andeutung dafür, daß die Disciples immer noch mehr Freiheit lieben als eine tatsächliche Konstitution möglicherweise vorsieht. Die Christlichen Kirchen in Kanada und den Vereinigten Staaten sind seit langem über die Grenzen ihrer Länder hinweg durch eine besonders herzliche Zusammenarbeit miteinander verbunden, und die Geschichte dieser Beziehungen bestätigt die vorangehende Feststellung. Die Beziehungen der Kirche der Jünger Christi in Kanada zur Generalversammlung werden sowohl durch ihre Gemeinden wie auch durch ihren Nationalausschuß wahrgenommen werden. Die Christliche Kirche in Kanada wird möglicherweise in der Frage der Beziehungen zu jedweden kanadischen und internationalen ökumenischen und interdenominationellen Körperschaften initiativ werden.

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KAPITEL V DIE ORTSGEMEINDE - SEELSORGE MISSIONARISCHE

UND

VERKÜNDIGUNG

PAUL S . STAUFFER*

Die Ortsgemeinden der Christian Church suchen beständig nach Mitteln und Wegen, wie sie Christi Botschaft verkünden und seinen Liebesdienst der Welt vermitteln können. Als Teil des umfassenderen Lebens der Kirche hat sich die Einzelgemeinde in wachsendem Maße bestrebt, ein wirksamer Teil der Mission Christi an die Welt zu werden. Während Aufgabe und Botschaft der Kirche die gleichen bleiben, ändern sich die Zeiten, und die Aufgabe und die Botschaft müssen zunehmend der Zeit und der Lage angepaßt werden, in der sich die Kirche befindet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die Gemeinden neue Formen des geistlichen Dienstes und schöpferische Verfahren entdeckt, mit denen sie im Namen Christi wirken. In einer Ortsgemeinde hat der Geistliche die Aufgabe, ihre Glieder zur Mission zu befähigen. Ungeachtet der Tatsache, daß die Kirche der Jünger Christi in ihrer Geschichte ein antiklerikales Element aufweist, ist der Geistliche bei ihr im 20. Jahrhundert in wachsendem Maße wichtig geworden als derjenige, der dazu ausgebildet und ausgesondert ist, die Gemeinde bei der Erfüllung ihrer Mission anzuleiten. In schroffem Gegensatz ^u der Frühzeit gibt es viele, die von der falschen Voraussetzung ausgehen, daß dem Geistlichen als Vertreter der Gemeinde die Durchführung der Mission Christi obliegt, doch wird zunehmend erkannt, daß dies die Rolle des gesamten Gottesvolkes ist und daß der Geistliche lediglich die Aufgabe hat, zur Mission zu befähigen. Der Geistliche ist in dieser Hinsicht für vieles verantwortlich und hat vielerlei Aufgaben wahrzunehmen: beispielsweise muß er den Vorsitz in einem Kuratorium führen, öffentliche Gottesdienste abhalten oder einen jungen Mann bei der Berufswahl beraten. Er tritt zu vielen einzelnen engagierten Christen in Beziehung, leitet zugleich aber auch zahlreiche Gruppen oder Ausschüsse, die dazu dienen, den Gemeindegliedern die Erfüllung ihrer * Rev. Dr. Paul S. Stauffer ist Hauptpastor an der Northwood Christian Church in Indianapolis/Indiana. Während der Umstrukturierung war er Vorsitzender der Kommission für den geistlichen Dienst.

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geistlichen Aufgaben zu ermöglichen. Er ist nicht nur der Dienstträger einer besonderen Gemeinde, sondern hat auch die Aufgabe, die ihm Anvertrauten mit der universalen Kirche, einschließlich seiner eigenen Denomination, und mit ökumenischen Anliegen in Verbindung zu bringen. Draußen in der Wohngemeinde vertritt er seine Kirchengemeinde in ihren geistlichen Bestrebungen auf den Gebieten der Verwaltung, des Bildungswesens, des Geschäftslebens und der Sozialtätigkeit. Er hat in zahlreichen Eigenschaften als Vertreter der Kirchengemeinde zu fungieren. Der Geistliche ist somit durch eine Vielzahl verschiedener Aktivitäten in die Mission Christi eingespannt, doch immer ist er der Geistliche einer besonderen Gemeinde, die er bei der Erfüllung ihrer Mission als Gottesvolk zu leiten hat. In einer kongregationalistisch ausgerichteten Kirche ist der Geistliche bei all diesen Tätigkeiten mit den ihm anvertrauten Menschen notwendigerweise aufs engste verbunden. Diese Verbundenheit beginnt bereits bei der Berufung eines neuen Gemeindepfarrers. Die Verantwortung für die Berufung eines Geistlichen liegt im Grunde bei der ganzen Gemeinde. Zur Beschleunigung des Vorgangs wird ein Kanzelausschuß gebildet, der gewöhnlich aus zehn oder zwölf Vertretern der Gemeinde besteht. Dieser Kanzelausschuß läßt sich von dem Bezirksgeistlichen beraten, 1 der qualifizierte Personen in Vorschlag bringt. Nach einem Gebet und eingehenden Überlegungen stellt man fest, wer allein in Frage kommt, und teilt seinen Namen der Gemeinde mit. Der Ruf an ihn ergeht im Namen der ganzen Gemeinde auf Empfehlung des Kanzelausschusses. Der Geistliche ist somit von Anbeginn an mit der gesamten Gemeinde verbunden und ist der Geistliche aller ihrer Glieder. Wie bereits erwähnt, besteht die Aufgabe des Geisdichen darin, die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Mission zu befähigen. Damit wird ihm sogleich eine zweifache Verantwortung auferlegt. Einmal liegt es ihm ob, den geistlichen Dienst der Kirche vermittels der ihm überkommenen institutionellen Formen zu versehen. Zum zweiten soll er bei der Schaffung neuer Formen des geistlichen Dienstes vorangehen, welche die Gemeinde instand setzen, der Herausforderung der sich wandelnden Zeiten zu begegnen. Der Geistliche ist für eine lebendige und dynamische Führung verantwortlich, die die Gemeinde dazu befähigt, Christi Auftrag wirksam zu erfüllen. In einer auf die Einzelgemeinde zentrierten Kirche ist der Geistliche mit einem breiten Spektrum gemeindlichen Lebens und gemeindlicher Tätigkeiten verflochten. Die notwendigen Entscheidungen werden von einem in den meisten Fällen aus Ältesten, Diakonen und Diakoninnen zusammengesetzten Ausschuß getroffen, der die Mission leitet. Um Christi Auftrag zu erfüllen, haben die Gemeinden Abteilungen für bestimmte Aufgabenberei-

Die Ortsgemeinde - Seelsorge und missionarische Verkündigung che eingerichtet. Diese Abteilungen befassen sich traditionsgemäß mit folgenden Gebieten: christliche Erziehung, Verkündigung, Anbetung, Mitgliederwerbung, soziales Handeln, weltliche Belange, Kirchenbesitz und Finanzen. Für gewöhnlich werden diese Abteilungen, deren Umfang dem jeweiligen Aufgabenkreis entspricht, von den Mitgliedern des obengenannten Ausschusses zusammen mit anderen engagierten Gemeindegliedern eingesetzt. Aufgrund der Planung der Abteilungen werden alljährlich die Programme und Aktivitäten festgelegt und ein Kalender erstellt. Die Programme der Kirche werden von den Männer-, Frauen- und Jugendgruppen durchgeführt wie auch von der Kirchenschule, die den Bildungszweig der Kirche darstellt. Der Pfarrer gilt bei dem allem als der geistliche Führer der Gemeinde. Aufgrund seiner Ausbildung, Verpflichtung und seines Engagements ist er derjenige, von dem die Gemeinde Anleitung erwartet und von dem sie erfährt, ob sie ihre Mission erfüllt. Als Leiter ihrer Gottesdienste und Prediger des Wortes obliegt ihm die geistliche Führung, durch die Gottes Wille und Absichten der Gemeinde erläutert werden. Von jeher unterliegt die Kanzel keinerlei Zwang, und der Geistliche darf so sprechen, wie es ihm vom Geist eingegeben wird. Da sich die Gemeinden der Kirche der Jünger Christi selbst verwalten, ist der Geistliche seinen Gemeindegliedern unmittelbar verantwortlich, doch hat er im ganzen die Freiheit, so prophetisch zu sein, wie es das Evangelium verlangt. Als geistlicher Führer und „Dolmetscher" bestimmt der Geistliche in starkem Ausmaß den Ton des gemeindlichen Lebens und Zeugnisses. In den Gemeinden der Jünger wird man sich in wachsendem Maße dessen bewußt, daß die Kirche die Mission Christi nur unzulänglich erfüllt. Von einem großen Teil des Lebens und der Aktivitäten der kirchlichen Organisationen heißt es, sie seien allzusehr auf die jeweilige Institution zentriert. Die Annahme der Mission Christi an die Welt erfordert eine Kirche, die das Wort „gehen" ebenso nachdrücklich hervorhebt wie das Wort „kommen" . Heute erkennt man, daß ein allzu großer Teil des kirchlichen Lebens auf sie selbst und auf die Aufrechterhaltung ihrer Einrichtungen zentriert ist. Die Geistlichen und Gemeinden haben daher in wachsendem Maße nach Wegen gesucht, wie man die Kirche instand setzen kann, sich im Zeugnis und Dienst der Welt zu stellen. Sie haben Arbeitsausschüsse für den christlichen Dienst am Nächsten in der Nachbarschaft, im Stadtkern, in den Spitälern und Strafanstalten gebildet. Neue Formen des geistlichen Dienstes wurden für den Einsatz in der Industrie und bei Neubauprojekten geschaffen. Dem geistlichen Dienst obliegt es, bei der Erneuerung und Reform der Mission der Kirche voranzugehen. Wie hat die Kirche der Jünger Christi diese so vollständig engagierte Form

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des geistlichen Dienstes zustandegebracht? Sie unterscheidet sich grundlegend von dem geistlichen Dienst der religiösen Bewegung, die an der Wende zum 19. Jahrhundert an der amerikanischen Grenze ins Dasein trat. Einer ihrer frühesten Prediger war John Smith, der den klangvollen Beinamen „Raccoon" („Waschbär") trug. 2 Smith war ein robuster, mit einem praktischen Pionierverstand ausgestatteter Mann. Das in der Entwicklung befindliche Grenzland war der Boden, in dem die neue Kirche aufsproß, und das wirkte sich auf ihren Lebensstil, insbesondere in Hinsicht des geistlichen Dienstes aus. Das Selbstvertrauen, das den frühen Ansiedlern eignete, ließ sie dem Klerus gegenüber auf ihre Unabhängigkeit pochen und machte sie mißtrauisch gegen ihn. Alexander Campbell, einer der Gründerväter der neuen Bewegung, gab seinen Entschluß kund, sich seinen eigenen Lebensunterhalt außerhalb der Kirche zu verdienen. Ein weiteres Phänomen der Grenze war eine evangelistische Leidenschaft. Religiöse Erweckungen in Gestalt großer Lagerversammlungen waren sehr verbreitet. Von der sogenannten Cane Ridge-Versammlung, zu der über 20000 Menschen zusammenströmten, war bereits zuvor die Rede. Die Menschen dürsteten nach religiösem Glauben. Das Ergebnis war, daß die geistlichen Führer des Grenzlandes als predigende Evangelisten auftraten, die von Gemeinde zu Gemeinde zogen, um Gottes Wahrheit in Jesus Christus zu verkündigen. Diese umherziehenden Evangelisten gründeten und unterhielten in jener Frühzeit die Kirche. Trotz des soziologischen Einflusses der „Grenze" entwickelte die Kirche der Jünger Christi schon ziemlich früh eine Lehre vom geistlichen Dienst, die bestimmte eigentümliche Züge aufwies. Im Einklang mit dem, was sie dem Neuen Testament entnahm, forderte sie einen drei Ämter umfassenden geistlichen Dienst, bestehend aus Evangelisten, Bischöfen (Ältesten) und Diakonen. 3 Wenngleich die Exegese, durch die man diesen geistlichen Dienst aus dem Neuen Testament herleitete, umstritten ist, handelte es sich doch um einen Versuch, getreu demselben zu verfahren. Alexander Campbeils diesbezügliche Erörterung in seinem,, Christian System" ist eindeutig und klar. Diese Forderung nach einem drei Ämter umfassenden geistlichen Dienst ist zwar ihrer Natur nach katholisch und vernachlässigte nicht das Bischofsamt, stellte indes den Schriftkanon über die apostolische Sukzession. Somit hatte die biblische Orientierung dieser jungen Kirche großen Einfluß auf ihre Konzeption und ihr Verständnis des geistlichen Dienstes. Da es in dieser dünnbesiedelten Gegend nur wenig Gemeinden gab und da das Hauptbeförderungsmittel das Pferd war, ist es verständlich, daß der von Gemeinde zu Gemeinde ziehende Evangelist bald zum geistlichen Aufseher über das Leben der jungen Kirche wurde. Der Evangelist wurde ausgesandt, um so lange das Evangelium zu verkündigen und neue Gemeinden

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zu betreuen, wie in denselben noch keine ordentliche schriftgemäße Führung in Gestalt von Ältesten und Diakonen existierte. War eine solche eingesetzt, so trat der Evangelist etwas in den Hintergrund, und die Gemeinde galt als fähig, ihre Angelegenheiten selber zu regeln. Tatsächlich bestand die Beziehung des Evangelisten zur Gemeinde noch einige Zeit fort, repräsentierte er doch den ,,geistlichen Dienst" der jungen Kirche. Die Natur der Grenze und das Fehlen einer ihn bei seiner Aufgabe unterstützenden Kirchenstruktur hatten indes zur Folge, daß sich der Einfluß des Evangelisten allmählich verringerte. Die Gemeinde galt als „ordnungsgemäß errichtet", wenn sie über zwei mit „qualifizierten" Personen besetzte schriftgemäße Ämter verfügte. Diese rein lokalen Ämter waren das des Ältesten (bisweilen Bischof genannt) und des Diakons. Die Ältesten (für die Bildung einer Gemeinde waren zwei nötig) waren Ortsgeistliche, die mit der Auslegung der Hl. Schrift betraut waren und der Gemeinde ein Beispiel geben sollten. Die Diakone, die ebenfalls zum geistlichen Dienst gehörten, hatten sich um die weltlichen Angelegenheiten der Gemeinde zu kümmern. Die Kirche verfügte somit von Anbeginn an selbst in abgelegenen ländlichen Gebieten über einen ausgesonderten geistlichen Dienst des Wortes und des Sakraments. Die Ältesten und Diakone waren in der Pionierzeit zwar keine hauptberuflichen Geistlichen mit akademischer Bildung, galten aber trotzdem für mehr als „bloße Laien". Sie waren zum geistlichen Dienst der Kirche ausgesonderte Männer. Die Ausbildung und Erziehung der Geistlichen war eins der Probleme der Kirche in ihrer Frühzeit. Es war dies eine Zeit, in der die meisten höheren Bildungsanstalten der jungen amerikanischen Nation im Ostteil des Landes entlang der Atlantikküste lagen. Es versteht sich, daß eine solche Situation sehr frühzeitig die Errichtung von Ausbildungsstätten für die Geistlichkeit erforderlich machte. Die ersten Bildungsanstalten westlich des Alleghenygebirges wurden von der jungen Kirche errichtet. Viele von ihnen entwikkelten sich zu allgemeinbildenden Colleges, aus denen dann die Seminarien hervorgingen, in denen die heutigen Geistlichen ihre Ausbildung empfangen. Die Seminarausbildung erfolgt von jeher in enger Verbindung mit den Kirchen. Aus ihr ist ein Programm erwachsen, das Seminaristen die Möglichkeit gibt, ihre Ausbildung durch praktische Tätigkeit in einer Ortsgemeinde abzurunden. Während des 19. Jahrhunderts vollzogen sich in raschem Tempo umwälzende Veränderungen in den sozialen Verhältnissen. Die junge amerikanische Nation wandelte sich in unglaublich kurzer Zeit von einer ländlichagrarischen Gesellschaft in ein blühendes städtisch-industrielles Gemeinwesen Dieser Vorgang währte nicht einmal hundert Jahre. Während dieses

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Zeitabschnitts dehnte die Nation ihre Grenzen aus, bis sie das gesamte Gebiet zwischen den beiden Ozeanen besaß, und robuste Pioniere fuhren fort, die Grenzgebiete urbar zu machen und zu kultivieren. Dieser Prozeß wurde noch im 19. Jahrhundert zum Abschluß gebracht, und die Verstädterung und Industrialisierung machte gewaltige Fortschritte. Mit dem Entstehen von Städten und Großstädten änderte sich die Lage für die junge amerikanische Kirche sehr rasch. Größere Gemeinden entstanden, die die Einrichtung eines festen geistlichen Dienstes erforderlich machten, dessen Angehörige hinreichend vorgebildet sein mußten, um mit der sich wandelnden Lage fertig zu werden. Der umherziehende Evangelist als episkopaler Oberaufseher über die jungen Kirchen war der neuen Situation nicht mehr gewachsen. Zur Zeit des Ausbruchs des Bürgerkriegs wurde daher dër ortsansässige Pastor, der auf einem der Bibel-Colleges und Seminarien, die damals als Ausbildungsstätten für Geistliche gegründet wurden, gewesen war, zur anerkannten Norm. Seine Aufgabe war es, die kleineren Gemeinden in der Umgebung zu beaufsichtigen und zu leiten und einmal im Jahr Erweckungsversammlungen abzuhalten. Tatsächlich wurde die Versorgung der kleineren ländlichen Gemeinden mit Geistlichen mit der Zeit für die Kirche zu einem Hauptproblem. In dem Maße, wie die besser fundierten Gemeinden nach einem gründlicher vorgebildeten Leiter verlangten und der Pastor einen größeren Teil seiner Zeit dem Gemeindeleben widmen mußte, trat das Episkopalprinzip des Kirchspielgeistlichen allmählich in den Hintergrund. Das hatte zur Folge, daß die kleineren Gemeinden ohne rechte Führung und Oberaufsicht blieben. Die ortsansässigen Geistlichen stellten die junge Kirche vor ein neues Problem, wußten sie doch nicht, wo der Gemeindepfarrer im Hinblick auf ihre Lehre vom geistlichen Dienst eigentlich hingehöre. In einer kongregationalistisch organisierten Kirche zählte er zusammen mit den Laienältesten zu den Ältesten.4 In der Frühzeit war man der Ansicht, daß er als Evangelist nicht allzu lange in einer Gemeinde bleiben solle. Die gewandelten sozialen Verhältnisse schufen allmählich ein Ubergangsstadium, bis dann die Amtsdauer der erfolgreicheren geistlichen Ämter auf zehn, zwanzig oder mehr Jahre ausgedehnt wurde. Die Rolle des Pfarrers blieb indes unklar. Welches war sein Verhältnis zu dem Laienältesten und dem Diakon, die auch geistliche Führer der Gemeinde blieben? In Ermangelung einer festumschriebenen Ordnung dès geistlichen Dienstes bestand diese Verwirrung bei der Kirche der Jünger Christi noch einige Zeit fort. Das Ergebnis war, daß der Laienälteste in dem Maße, wie die Führung des akademisch vorgebildeten Pfarrers an Wirksamkeit und Bedeutung zunahm, allmählich in den Hintergrund trat. Wie schon erwähnt, galt der Laienälteste von jeher als geistlicher Dienstträger und war oft durch Hand-

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auflegung in sein Amt eingesetzt worden. Allmählich wurden ihm seine Führungsaufgaben jedoch entzogen, und er wurde zusammen mit dem Diakon Mitglied des Kirchenausschusses. Er fuhr jedoch während dieser ganzen Zeit fort, bei der Verwaltung des Sakraments des Abendmahls zu assistieren oder, in Abwesenheit eines ortsansässigen Pastors, mit ihr betraut zu werden. Das Ergebnis ist, daß sich die Kirche der Jünger Christi nach mehr als 125 Jahren amerikanischer Geschichte der Notwendigkeit einer Vervollständigung ihrer Lebensordnung bewußt wurde, einschließlich eines neuen Verständnisses der Ordnung ihres geistlichen Dienstes. Die zeitgenössische Praxis war über die Anschauung der Kirche von der Rolle des geistlichen Dienstes und ihre Erklärung derselben längst hinweggeschritten, hatte doch eine aus dem Antiklerikalismus und einer Betonung des Laienamtes erwachsene Kirche schon vor langer Zeit eine akademisch vorgebildete Geistlichkeit gefordert und inzwischen geschaffen. Wohl gab es Stimmen, die diese Tatsache beklagten, doch das Leben der Kirche machte sie zu einer Realität. In den 1960er Jahren kam es daher dazu, daß die zur Umstrukturierung ihres gesamten Lebens entschlossene Kirche die Rolle ihres geistlichen Dienstes kritisch überdachte. Bei dieser Umstrukturierung lag der Nachdruck auf dem Selbstverständnis der Jünger als Kirche in ihrer Fülle und Einheit. Man sprach daher von gesonderten Gemeinden nicht mehr als von Kirchen, sondern legte den Nachdruck auf die Kirche der Jünger Christi. Man stellte auf die Einheit und Einheitlichkeit der Kirche in ihrem geistlichen Dienst wie in ihrer Mission ab. Die als „Umstrukturierung" bezeichnete Reorganisation hat der Kirche der Jünger Christi Gelegenheit gegeben, die Rolle ihres geistlichen Dienstes zu überdenken und ihn in seiner biblischen Fülle zu sehen. Die von ihrer Versammlung angenommene Erklärung anerkennt, daß „das grundlegende geistliche Amt das Jesu Christi ist. Er ruft seine Kirche zur Teilnahme an diesem Dienst auf". 5 Die Erklärung erkannte ferner an, daß „jeder Christ kraft seiner Mitgliedschaft in der Kirche in den gemeinsamen geistlichen Dienst des Gottesvolkes eintritt. Innerhalb desselben nimmt ein jeder Christ seinen eigenen Beruf als ein Diener Christi, der in die Welt gesandt ist, für Ihn zu wirken, wahr" . 6 Die Erklärung fährt dann jedoch fort - und kommt hiermit auf den eigentlich wichtigen Punkt - , daß „die Kirche darüber hinaus einen unter Gott eigens ausgesonderten oder ordinierten geistlichen Dienst anerkennt, der das ganze Volk befähigen soll, seinen gemeinsamen Dienst zu leisten". 7 Daher „setzt die Kirche in den geistlichen Dienst Männer und Frauen ein, die folgende Amter innehaben: a) Das Amt des ordinierten Geistlichen, das diesem durch Ordination übertragen wird; darunter fallen Pfarrer, Hilfsprediger, Vikare, Religionslehrer und Missio-

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nare, zum geistlichen Dienst ordinierte Lehrer, Verwalter und Geistliche, die der Christlichen Kirche außerhalb des Rahmens der Ortsgemeinde und in der Ökumene dienen". 8 Die Erklärung führte ferner das Amt des bevollmächtigten Amtsträgers auf, d. i. : Studenten, Personen, die für die Ordination nicht hinreichend vorgebildet sind, sowie andere, die hauptberuflich irgendein besonderes kirchliches Amt versehen. Im Lichte der oben erwähnten historischen Gegebenheiten ist die Tatsache von Interesse, daß den Laienämtern der Ältesten, Diakone und Diakoninnen ein örtlicher Charakter zugesprochen wird und daß sie von den Gemeinden eingerichtet werden. Es heißt dort: ,,a) Ein Ältester oder eine Älteste ist befugt, innerhalb der Gemeinde, die ihn oder sie wählt, die von ihr festgelegten geistlichen Funktionen auszuüben, z. 6 . an der Taufhandlung, der Austeilung des Abendmahls, der Abhaltung des Gottesdienstes teilzunehmen und sich an der Seelsorge und der geistlichen Führung der Gemeinde zu beteiligen. Das Ältestenamt ist ein freiwilliges, und jede Gemeinde wählt mehrere Ältesten, b) Ein Diakon oder eine Diakonin ist befugt, der Gemeinde, die ihn oder sie für eine von ihr festzulegende Zeit wählt, zu dienen, indem er oder sie zusammen mit anderen Diakonen (Diakoninnen) bei der Taufhandlung und der Austeilung des Abendmahls, bei der Abhaltung des Gottesdienstes sowie bei der Seelsorge und der geistlichen Führung der Gemeinde assistiert. Diese Ämter sind gleichfalls freiwillige·" 9 Die Kirche der Jünger Christi hat somit durch ihre Umstrukturierung zum ersten Mal in aller Form ihre Lehre vom geistlichen Dienst dargelegt und ihre Ämter geordnet. Die Bedeutung dieses Schrittes liegt darin, daß die episkopale Oberaufsicht über die Gemeinden zum ersten Mal in mehr als hundert Jahren durch die Einsetzung von regionalen und territorialen geistlichen Ämtern gewährleistet wird. Nach wie vor gibt es Kirchenmitglieder, die diese Entwicklung des geistlichen Dienstes für nicht schriftgemäß halten. Dennoch geht die Tendenz in der gesamten Kirche dahin, die Führung von Bezirksgeistlichen anzuerkennen, die man nach biblischer Terminologie sehr wohl als Bischöfe bezeichnen könnte. Darüber hinaus hat die Kirche der Jünger Christi im Zuge ihrer Umstrukturierung die Stelle eines „ General Minister" (Präsidenten) geschaffen, der die gesamte Kirche führt und beaufsichtigt. Der Nachdruck liegt bei allen diesen zuletzt genannten regionalen und territorialen Ämtern auf dem geistlichen Charakter ihrer Träger, wenn sie Pastoren von Pastoren werden. Allgemein wird die Ansicht vertreten, daß diese ihre pastorale Rolle den Vorrang vor der administrativen haben sollte. Die Zukunft wird lehren, welche Rolle sich als die vorrangige erweisen wird. Die Herausstellung des Episkopats stellt zwar eine neuere Entwicklung im

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Leben der Kirche dar, steht indes im Einklang mit ihrem früheren katholischen Verständnis des geistlichen Dienstes. Im „Millennial Harbinger" stellte Alexander Campbell, der geistige u n d geistliche Begründer eines Zweiges der Kirche, im Jahre 1835 fest: „ D a s Episkopat ist kein Diskussionsgegenstand . . . Wir sind uns alle einig, daß die christlichen Gemeinschaften notwendigerweise u n d kraft göttlicher Autorität einem Episkopat, einer Oberaufsicht unterstehen und daß eine jede wohlorganisierte christliche Gemeinschaft ihre Aufseher, Präsidenten oder Bischöfe haben sollte."10 Diese Aussage harmonierte durchaus mit dem katholischen Kirchenverständnis Alexander Campbeils u n d seines Vaters Thomas, wie es aus der Wiederherstellung der neutestamentlichen O r d n u n g erwuchs, die das D e n k e n des Sohnes beherrschte. Als die Kirche der Jünger Christi eine episkopale Oberaufsicht u n d ein geistliches A m t f ü r die Gesamtkirche schuf, befand sie sich mithin im Einklang mit dieser ihrer frühesten Tradition. H e u t e , da die Kirche in einen neuen Abschnitt ihrer Geschichte und E n t wicklung eintritt und Unionsgespräche mit anderen christlichen Gemeinschaften f ü h r t , k o m m t dem allem erstrangige Bedeutung zu. Die Kirche der Jünger Christi nimmt zusammen mit sieben anderen protestantischen u n d anglikanischen Kirchen in den Vereinigten Staaten an der Kirchenunionskonferenz teil. Eins der H a u p t t h e m e n bei diesen Unionsgesprächen bildet die Erarbeitung einer f ü r die neue, vereinigte Kirche gültigen Konzeption des geistlichen Dienstes. M a n stimmt allgemein darin überein, daß das historische Episkopat als wesentlich f ü r das Leben einer vereinigten Kirche zu gelten hat. Das bedeutet, daß es in ihr die drei Ämter des Bischofs, Presbyters (Ältesten) und Diakons geben wird. Die Konferenz ist der Auffassung, daß das A m t des Bischofs dienenden Charakter haben u n d in der Verfassung entsprechend definiert werden wird. Dies alles steht im Einklang mit den geschichtlichen Wurzeln der Kirche der Jünger Christi u n d mit der gegenwärtigen Entwicklung ihres Denkens wie ihrer Praxis. Einer der Lehrpunkte, in denen die Kirche der Jünger Christi auf die Kirchenunionskonferenz Einfluß ausgeübt hat, ist die A n n a h m e von Laienältesten. Damit leistet diese amerikanische religiöse Bewegung einen einzigartigen, biblisch fundierten Beitrag. Der geistliche Dienst der Laien ist im heutigen Leben wie für die künftige Entwicklung der Kirche, der katholischen sowohl wie der protestantischen, von Bedeutung. D e r Jünger-Laienälteste, der f ü r örtliche geistliche Handlungen ausgesondert ist und dem akademisch gebildeten Klerus zur Seite steht, ist möglicherweise der Schlüssel, der die T ü r zur Wirksamkeit der Kirche in der Jetztzeit öffnet. Einer der wichtigen Bereiche des geistlichen Dienstes, der im Leben der

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modernen Kirche noch der Überlegung und Erforschung bedarf, ist die Rolle des Diakons. Die Kirchenunionskonferenz ist sich über die Unzulänglichkeit des Diakonats in den meisten Kirchen im klaren. Oft ist er lediglich ein Schritt auf dem Weg zum Amt des Presbyters. In der Kirche der Jünger Christi hat der Diakon eine allzu untergeordnete und weldiche Rolle gespielt und hat sich großenteils auf alltägliche Gemeindeangelegenheiten beschränken müssen. Heute ist man zu der Erkenntnis gelangt, daß der Diakonat im Neuen Testament in sehr viel bedeutsamerer Weise mit Sonderdiensten der Kirche verflochten war und daß ihm etwas von dieser seiner Würde und Ehre wiedergegeben werden sollte. Die Jünger würden sich an einer derartigen Wiederherstellung mit Freuden beteiligen. Es ist ein langer Weg von dem geistlichen Dienst an der Siedlungsgrenze in der Frühzeit der Jünger-Kirche zu der gegenwärtigen Entwicklung im Leben dieser religiösen Bewegung. Dennoch: betrachtet man die sozialen und religiösen Tendenzen des 20. Jahrhunderts, so stellt man fest, daß sich die Kirche der Jünger Christi in den Strömungen und Fluten, von denen die Kirche in der heutigen Welt erfaßt wird, zu behaupten weiß. Die Gemeinden haben es in wachsendem Maße verstanden, den Herausforderungen der verstädterten, industrialisierten Gesellschaft des 20. Jahrhunderts zu begegnen. Die eine Gemeinde hat eine Kommission für die Erneuerung der Kirche eingesetzt und die Struktur und Tätigkeit der Kirche unter dem Gesichtspunkt ihrer Mission in Christus kritisch überdacht. Eine andere Gemeinde hat einen Ausschuß für Zukunftsplanung zu dem Zweck ins Leben gerufen, das Wesen der Kirche erneut zu erforschen und ihre Glieder aufs neue auf die Aufgaben des Zeugnisses, der Fürsorge und Erziehung zu verpflichten. Das geistliche Amt wird mehr und mehr als Dienst an der Welt im Namen Christi aufgefaßt. Es erfordert Anteilnahme am Menschen, da die Liebe Christi in den Bereichen, die das menschliche Leben am meisten betreffen, sichtbar wird. Das bedeutet, daß es der Kirche um Gerechtigkeit und Chancengleichheit für alle geht und um die Änderung sozialer Strukturen, die manche Menschen daran hindern, ein wahrhaft menschenwürdiges Leben zu führen. Die Kirche fährt mithin heute fort, einen geistlichen Dienst anzustreben, der ihrem biblischen Erbe die Treue bewahrt und gleichzeitig Bezug auf die Welt hat, in welcher sie lebt. Das erfordert oft einen dynamischen Wandel unter der Führung des Hl. Geistes in dem Maße, wie Gott fortfährt, die Kirche in ihrer Mission und in ihrem geisdichen Dienst zu führen und zu formen.

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ANMERKUNGEN In der Kirche der Jünger Christi nimmt der „Bezirksgeistliche" diejenigen pastoralen und administrativen Aufgaben wahr, die in vielen Kirchen normalerweise dem Bischof obliegen. [A. d. Hg.] Diesen Beinamen gab man ihm, weil er sich einmal im Hinblick auf die Tatsache, daß er einen sehr verbreiteten Namen trug, als den John Smith, der aus dem Lande der Waschbären komme, bezeichnet hatte. Der Waschbär war eine an der Frontier beheimatete Tierart, deren Gepflogenheiten die Phantasie der Grenzlandbewohner stark beschäftigte. [A.d.Hg.] Alexander Campbell, The Christian System, Cincinnati (The Standard Publishing Co.) O.J., S. 60-67. Die sogenannten Laienältesten waren ,,Laien" in dem Sinne, daß sie keine theologische Ausbildung empfangen hatten und von der Kirche nicht besoldet wurden. Angehörige des „Klerus" waren sie insofern, als ihre geisdichen und persönlichen Qualifikationen für den geistlichen Dienst sorgfältig geprüft und sie für denselben ausgesondert und häufig (in Campbells „System" immer) ordiniert worden waren. [A.d.Hg.] Provisional Design: Amended Articles of Incorporation and Generel Rules and Policies of the Christian Church (Disciples of Christ), Indianapolis (The Christian Church) Juni 1972, S. 16. ebda., S. 17. ebda., S. 17. ebda., S. 17. ebda., S. 17. „The Millennial Harbinger", Bethany/Virginia 1835, S. 230.

135 Kapitel VI DIE ORTSGEMEINDE - PREDIGT UND GEMEINDEDIENST WILLIAM JACKSON J A R M A N *

I Die Predigt Ungeachtet ihrer Herausstellung der wöchentlichen Abendmahlsfeier trifft es gleichwohl zu, daß sich die Gemeinden der Kirche der Jünger Christi in starkem Maße auf die Kanzel zentrieren. Obwohl ihre Geistlichen neuerdings gewöhnlich eine gediegene Ausbildung genossen haben, ist es immer noch nicht unüblich, daß einer von den ordinierten Laienältesten die Predigt hält, daß eine Gemeinde gelegentlich Predigten von Frauen, jungen Leuten und ordinierten Laien zu hören bekommt. Von jedem Geistlichen wird erwartet, daß er auch ein guter Prediger ist, und nach Aussage der für die Vermittlung von Pastoren zuständigen Kirchenbeamten legen die Kanzelausschüsse bei der Suche nach einem neuen Pastor fast immer in erster Linie Wert darauf, daß er „ein guter Prediger ist". Es ist dies ein weiteres Beispiel für disFrontier-Erbt, das weit mehr Nachdruck darauf legte, daß ein Bewerber imstande war, sich klar und einfach auszudrücken, als daß er über gründliche und umfassende wissenschaftliche Kenntnisse verfügte. Zu diesem Erbe gehört auch, daß der Hauptzweck der Predigt nicht in der Vermittlung von Kenntnissen und Bildung lag, sondern im Überreden und Uberzeugen. So kann man oft hören, eine Predigt sei „ein Plädoyer". Bei den Jüngern ist es nahezu überall noch üblich, daß am Ende der Predigt jeder, der seinen Glauben an Jesus Christus bekennen und Ihn als Herrn und Erlöser annehmen möchte, aufgefordert wird, während die Gemeinde im Anschluß an die Predigt einen Choral anstimmt, nach vorne zu kommen. Diese Gepflogenheit hat die Predigten der Jünger-Geistlichen - oft ohne daß sie sich dessen bewußt wurden - so stark geformt, daß viele der Predigtweisen und -stile, denen man in anderen Kirchen begegnet, bei ihnen unbekannt geblieben sind. Sie hat ihren Predigten * Rev. Dr. William Jackson Jarman ist Hauptpastor an der Park Avenue Christian Church in New York. Seine Gemeinde befindet sich im Zentrum von Manhattan, einem Bezirk der größten Stadt der Vereinigten Staaten, und er hat mit all den Problemen zu kämpfen, die die Verweltlichung der Kirche aufgebürdet hat.

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ein ausgesprochen evangelistisches Gepräge gegeben und der Forderung Nachdruck verliehen, daß jeder einzelne im Blick auf Jesus Christus eine endgültige Entscheidung treffen muß. Die Gründerväter der Kirche besaßen zwar zumeist eine gediegene Bildung und eine für die damalige Zeit beträchtliche Belesenheit, doch auch ihre Predigten waren auf die Frontier berechnet und zeichneten sich durch Unmittelbarkeit, Einfachheit und Uberzeugungskraft aus. Typisch für jene Zeit war Walter Scott, der als Evangelist durch das Land zu reisen pflegte und dabei oft an eine Dorfschule kam, wo die Kinder gerade im Begriff waren, nach Hause zu gehen. Er rief sie dann herbei, hob, während sie sich um ihn scharten, seine rechte Hand mit ausgestreckten Fingern in die Höhe und fragte sie: „Was seht ihr da?" Riefen die Kinder dann im Chor: „Deine Hand!", so pflegte er ihnen zu sagen: „Geht nach Hause und sagteuren Eltern, wenn sie heute Abend ins Schulhaus kommen, mache ich ihnen das Evangelium so klar wie diese Hand." Fand sich dann abends die Gemeinde ein, so hielt Walter Scott seine Predigt über die fünf Voraussetzungen der Erlösung: glaube, tue Buße, bekenne, laß dich taufen und empfange die Gewißheit des Geistes für ein ewiges Leben. In der Frühzeit hielt man die Jünger jedoch nicht für besonders gefühlsbetonte Prediger. Sie waren nicht so eifervoll wie ihre methodistischen Brüder, denen es darum ging, ein Bekehrungserlebnis herbeizuführen. Auch interessierten sie sich nicht so sehr für die Feinheiten der christlichen Lehre, wie es ihre presbyterianischen Vorfahren getan hatten. Sie zeichneten sich vielmehr durch Verständigkeit und gesunden Wirklichkeitssinn aus. Eine Erzählung berichtet von einem Mann, der in der Frühzeit eine Straße in Kentucky entlangging und dabei auf eine Lagerversammlung der Methodisten stieß. Mehrere Prediger ermahnten die Menge und forderten sie auf, an den Altar zu treten. Einige Teilnehmer waren niedergekniet; sie beteten, schrien, winselten und riefen, der Geist möge zu. ihnen kommen. Der Fremde trat auf einen von ihnen zu, kniete neben ihm nieder und flüsterte ihm ins Ohr: „Glaube an den Herrn Jesus Christus, und du wirst gerettet werden." Worauf der Betreffende aufsprang und schrie: „Ein Campbellist ist im Lager!" Dies Verhalten war nämlich für die „campbellistischen" Prediger typisch, hatte Alexander Campbell doch betont, Glaube sei die Zustimmung zu dem Satz, daß Jesus der Messias ist. In allen protestantischen Kirchen der Vereinigten Staaten vollzog sich nach dem Bürgerkrieg ein Wandel. Bei den Jüngern Christi kennzeichnete er sich durch eine Periode strenger Gesetzlichkeit. Die Predigten wurden einerseits in wachsendem Maße didaktisch und andererseits gefühlsbetonter. Die Erweckungsbewegung, die nach dem Kriege aufkam, blieb nicht ohne Einfluß auf die Jünger, und die evangelistischen Elementé traten noch mehr

Die Ortsgemeinde - Predigt und Gemeinde dienst

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in den Vordergrund. Es hieß oft, die Kirche halte Gottesdienst am Morgen, aber das wirkliche Predigen finde abends statt. Damit meinte man, daß man beim morgendlichen Gottesdienst das Abendmahl nahm, was einen ernüchternden und heilsamen Einfluß hatte. Während des Abendgottesdienstes fand jedoch keine Herrenmahlsfeier statt, und er wurde immer mehr nach Art einer Erweckungsversammlung gestaltet, mit sogenannten Gospel-Songs, öffendichen Glaubenszeugnissen und einer sehr viel überschäumenderen und gefühlsbetonteren Predigtweise. Diese Bewegung setzte sich bis zu der Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg fort, doch schufen die Erfahrungen des Krieges ein neues soziales Klima, das sich unvermeidlich auch auf die Kirche auswirkte. Einmal hörten die Vereinigten Staaten auf, eine vorwiegend ländliche Nation zu sein, und verstädterten immer mehr. Mit der Verstädterung ging ein Umbruch im Denken, eine wachsende Intellektualisierung und ein höheres Bildungsniveau einher, so daß das „Grenz"-Verfahren nicht mehr anwendbar war. Ein zweiter Faktor war der, daß der Erste Weltkrieg in den Vereinigten Staaten ebenso wie in Europa eine geistige Neuorientierung und allgemeine Infragestellung in Gang setzte. Der Erste Weltkrieg versetzte dem amerikanischen Volk, das in dem naiven Glauben an die Güte der menschlichen Natur und den Fortschritt der Menschheit erzogen worden war, einen schweren moralischen Schock. Ein Geistlicher sah sich damals gezwungen, seinen Glauben kritisch zu überdenken und seinen tieferen Sinn auf eine ihm ungewohnte Weise zu ergründen. Das erste Ergebnis dieser neuen Lage war eine Art von Liberalismus, der sich um absolute Ehrlichkeit in seiner religiösen Haltung bemühte. Obwohl viele Prediger und Laien dadurch in Verwirrung gerieten, hatte er doch den Vorzug der Treue zur Wahrheit und der Bereitschaft, sie anzunehmen, wo immer man sie fand. Eifer für soziale Reformen und den Weltfrieden, für rassische Gleichberechtigung und eine gerechtere Wirtschaftsordnung gingen damit gleichfalls Hand in Hand. Da die meisten Geistlichen und Gemeinden nicht wußten, welche Stellung sie zur Bibelkritik einnehmen sollten, gingen die Predigten immer weniger von der Bibel aus. Statt dessen herrschten in ihnen aktuelle Themen vor, und die tieferen und schwierigeren Elemente der Theologie wurden sorgfältig gemieden. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges kam bei den Jüngern eine neue Predigtweise auf. Sie hatte vor Kriegsausbruch begonnen und ging auf den Einfluß von Reinhold Niebuhr, Paul Tillich und Karl Barth zurück. Die Seminaristen der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre wurden mit den Folgerungen aus den Lehren dieser Männer konfrontiert, und unter den jüngeren Geistlichen begann sich eine neureformatorische Theologie auszubreiten, die die Alteren allerdings heftig ablehnten und kritisierten. Nach dem Krieg

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verstärkte sich diese Tendenz, zumal unter den Absolventen der größeren Seminarien. Die Wiederkehr der Reformationstheologie bewirkte eine Rückwendung zum biblischen Predigen. Unsere Uberschau über die Entwicklung des Predigtwesens bei den Jüngern Christi konnte nur kurz und skizzenhaft sein, doch ist zu sagen, daß es gewisse Züge aufweist, die von Anfang an darin fortlebten und noch heute vorhanden sind. Einer davon ist der, daß in der Kirche stets Mannigfaltigkeit geherrscht hat. Obwohl man generell konstatieren könnte, daß die Jünger von je eine bestimmte Predigtweise pflegten, trifft man doch in jedem Abschnitt der Geschichte der Kirche der Jünger Christi auf große Verschiedenheiten in bezug auf Technik, Gewichtung und Stil. Immer hat es in ihr Prediger gegeben, die die Gesetzlichkeit in den Vordergrund stellten. Immer hat es in ihr Prediger gegeben, die Sinn für Mystik und Poesie hatten, und ihre Predigten waren oft in eine Sprache gekleidet, die sich der logischen Analyse entzieht, aber dennoch eine starke Wirkung auf die Zuhörer auszuüben vermag. Immer hat es in ihr Prediger gegeben, die vorwiegend auf Aktualität abstellten und sich bemühten, auf eine grundsätzliche Frage, mit der sich die Gemeindeglieder konfrontiert sahen, zu antworten. Und schließlich hat es in ihr auch stets Prediger gegeben, die vor allem Werbung betrieben und die Menschen dazu bringen wollten, sich der Institutionen der Kirche anzunehmen. Im Rahmen dieser Mannigfaltigkeit wurde vor allem ein Thema immer wieder angeschlagen: von Anbeginn an haben sich die Prediger der Jünger stets die Einheit der Kirche angelegen sein lassen und beständig darüber gepredigt. Bisweilen war ihr Ausgangspunkt der, daß die Kirche geeinigt werden könne, wenn nur alle das einfache Rezept befolgten, das sie ihnen darboten. Manchmal war ihr Ausgangspunkt fast der, daß sie selber die einzigen Christen seien. Bisweilen war er eine Vision der Großen Kirche und der Tatsache, daß ihr durch Gottes Gnade alle angehören. Aber in allen Zeitabschnitten und in allen Teilen der Kirche war stets dieser beständige Nachdruck auf der Einigung aller Christen zu einem sichtbaren Leib vorhanden. Ein weiterer Zug, der in der Geschichte der Jünger immer wiederkehrt, ist der, daß ihr Predigtwesen von je fast gänzlich auf dem Neuen Testament beruht hat. Noch heute kommt es selten vor, daß Glieder der Kirche der Jünger Christi eine Predigt hören, die auf irgendeinem Teil des Alten Testaments fußt, vielleicht mit Ausnahme des Psalters. In vielen Kirchen wird das Alte Testament kaum jemals gelesen. In der Einstellung, daß wir unter dem neuen Bund leben und nicht unter dem alten, liegt der Grund für diese fast ausschließliche Beschäftigung mit dem Wort des Neuen Testaments.

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Letzthin haben jüngere Prediger, die der neureformatorischen Theologie zuneigen, gelegentlich das Alte Testament herangezogen, doch kommt das den meisten immer noch etwas seltsam vor. Das heißt übrigens nicht, daß jeder Prediger jedesmal über einen bestimmten Text predigt oder auch nur das Neue Testament als Ausgangspunkt für seine Predigt benutzt. Leider predigen viele, ohne überhaupt auf die Hl. Schrift Bezug zu nehmen. Der Sinn der Predigt besteht nach ihrer Auffassung darin, daß sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Gedanken zu verschiedenen Gegenständen zu entwickeln. Um die Verkündigung einer Erlösung in Christus geht es ihnen weniger. Uber Wesen und Zweck des Predigens wird unter den Geistlichen derzeit lebhaft gestritten. Die neureformatorische Theologie hat sich noch nicht auf die gesamte Geistlichkeit ausgewirkt und ganz gewiß noch nicht auf alle Predigten. Die heutigen Geistlichen stehen in sehr starkem Ausmaß unter dem Einfluß der Psychologie. In den Sonntagspredigten werden in der Hauptsache Themen von psychologischem Interesse behandelt, wobei die Bibel zur Veranschaulichung herangezogen wird und als Hintergrund für die Erörterung dient. Häufige Predigtthemen sind: „Wie man neuen Mut schöpft", „ W o kann ich Hilfe finden?", „Was tun im Falle einer Depression?", „Wie werde ich wieder begeisterungsfähig?", „Nie mehr ängstlich sein" u. ä. Häufig, wenn auch nicht bei allen Predigern und nicht überall, sind heutzutage auch Predigten über soziale und ethische Themen: über den Weltfrieden, rassische Gleichberechtigung, die Gesellschaft und all die sozialen Aspekte des Evangeliums. Bisweilen erfordert dies beträchtlichen Mut auf Seiten des Predigers, sind doch viele dieser Themen bei den Laien nicht nur unbeliebt, sondern unerwünscht. In den letzten Jahren hat es zahlreiche Fälle gegeben, wo Geistliche ihrer Stellung verlustig gegangen sind, weil sie darauf bestanden, soziale Fragen zur Sprache zu bringen. Dies gilt zwar besonders von einigen Südstaaten, wo sich das Problem der rassischen Gleichberechtigung stellt, trifft aber auch für alle anderen Gegenden des Landes zu. Die Laien haben die Kanzel indes nicht zum Schweigen zu bringen vermocht. Das einzige Problem, das ehedem in aller Ausführlichkeit von der Kanzel herab erörtert wurde und über das heute nur noch selten gepredigt wird, ist das des Alkohols und der Abstinenz vom Alkoholgenuß. Dazu ist es nicht aufgrund einer Forderung der Laien gekommen, sondern weil ein Teil der Geistlichkeit heute eine andere Haltung zur Alkoholfrage einnimmt. Man muß auch zugeben, daß die Einrichtungen der Kirche in den Predigten immer noch einen beträchtlichen Raum einnehmen. Die Werbung, die in einer amerikanischen Kirche zu dem Zweck der Erhaltung und Förderung

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ihrer eigenen Einrichtungen betrieben wird, ist eine ungeheuere. Auf jeden Pfarrer wird beständig Druck ausgeübt, er möge durch seine Predigt darauf hinwirken, daß die Spenden reichlicher fließen, daß sich ihre Glieder an dem Programm der Kirche beteiligen, daß die Pläne der einzelnen denomi nationellen Gremien zur Durchführung gelangen. Für viele dieser Anliegen sind im Kirchenkalender besondere Tage angesetzt, und da die Kirche der Jünger Christi über keinen anderen liturgischen Kalender als das Minimum an religiösen Festtagen wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten verfügt, vermag der Geistliche dem Verlangen, solche Sonderanliegen herauszustellen, oft nicht zu widerstehen und gibt der Versuchung, für die kirchlichen Einrichtungen die Werbetrommel zu rühren, nach. Trotzdem gibt es eine wachsende Zahl von Geistlichen, die von dem Geist der Erneuerung und Reformation, der die Große Kirche erfaßt hat, beseelt sind und ihre Predigten entsprechend gestalten. Ihre Predigten befassen sich nicht so sehr mit sozialen Fragen, psychologischen Problemen oder der Werbung für die kirchlichen Einrichtungen, sondern mit einer neuartigen Darlegung der frohen Botschaft, und zwar dergestalt, daß der Zuhörer davon gepackt wird und das neue Leben findet, das ihn befähigt, auf eine neue und schöpferische Art und Weise am ganzen Leben teilzunehmen. Einem solchen Prediger geht es nicht minder wie seinen Amtsbrüdern darum, dem einzelnen bei der Lösung seiner Probleme zur Seite zu stehen. Die soziale Gerechtigkeit liegt ihm nicht weniger am Herzen als ihrem glühendsten Verfechter. Er anerkennt die Notwendigkeit lebenskräftiger Institutionen. Sein Hauptinteresse gilt jedoch nicht diesen Anliegen, sondern dem Hören auf Gottes Wort und seiner Vermittlung an andere. O b diese Auffassung von der Predigt in der nächsten Generation vorherrschen wird, ist die Frage. Gleichwie ihre Altersgenossen nehmen viele der Studenten, die derzeit die Seminarien besuchen, nur sehr wenig Interesse an der Theologie und an den Institutionen, doch ist es möglich, daß sie die ihnen zuteil gewordene Ausbildung dazu verwenden, für sich selber das Vorrecht und die Freude zu entdecken, die die auf dem lebendigen Wort gründende Predigt mit sich bringt.

II Sonstige

Kommunikationsverfahren

Eine der Eigentümlichkeiten des kirchlichen Lebens in Amerika, von der man in Europa offenbar kaum etwas weiß, ist das Ausmaß an Kommunikation, das in einer Gemeinde durch die Veröffentlichung einer Gemeindezei-

Die Ortsgemeinde - Predigt und Gemeindedienst

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tung ermöglicht wird. Nahezu jede größere Kirche gibt eine Gemeindezeitung heraus. Mag sein, daß es sich um nicht mehr als ein hektographiertes Blatt handelt, doch kommt es sehr selten vor, daß eine Kirche mit einem hauptamtlichen Pastor nicht zumindest über ein solches verfügt. Manche Kirchenzeitungen erscheinen wöchentlich, manche alle vierzehn Tage und einige wenige nur einmal im Monat. Fast immer wird die Zeitung einer jeden der Kirche angehörigen Familie zugesandt wie auch Personen, die für die Mitgliedschaft in der Kirche in Frage kommen. Der Pfarrer der Kirche fungiert gewöhnlich als Herausgeber, und die Zeitung spiegelt seine eigenen Interessen und Ansichten wider. Viele dieser Periodika sind wenig mehr als Abkündigungsblätter, die all die verschiedenen Aktivitäten einer amerikanischen Kirchengemeinde aufführen. Gewöhnlich enthalten sie die Predigtthemen für mindestens den nächsten Sonntag, einen Bericht über die kranken Gemeindeglieder, verzeichnen die letzthin stattgefundenen Trauungen, Trauergottesdienste und Beerdigungen, bringen ferner kirchliche Nachrichten über Gemeindeglieder und ihre Aktivitäten, Aufforderungen zur Teilnahme an irgendeiner Zusammenkunft, Spendenaufrufe oder Tätigkeitsberichte von Ausschüssen oder Abteilungen der Kirche. In manchen Gemeindeblättern findet sich jedesmal ein Artikel aus der Feder des Pfarrers über ein ihm am Herzen liegendes Thema. Etlichen Pfarrern bietet dieser eine willkommene Gelegenheit zu schriftstellerischer Betätigung, andere weisen auf irgendeinen besonderen Notstand oder ein Vorhaben hin. Wieder andere benutzen das Blatt, um ihren Gemeindegliedern Kenntnisse zu vermitteln über die Kirche, die Denomination, das Leben der Gesamtkirche, Wesen und Inhalt der Bibel, ethische Fragen und Anliegen und was immer ihnen sonst noch am Herzen liegen mag. Natürlich kann auch die Kirchenzeitung minderwertig sein und die Mühe, sie zu lesen oder zu veröffentlichen, nicht verlohnen, doch Planung und Nachdenken vorausgesetzt, läßt sie sich zu einem wirkungsvollen Bildungs- und Informationsmittel ausgestalten. Da sie durch die Post versandt wird, erreicht sie auch Leute, die nicht zur Kirche kommen. Da ihr eine dauerhaftere Form als dem gesprochenen Wort eignet, kann sie eingehend studiert und durchdacht werden. Wenn die Gelegenheit besteht, Fotos darin zu veröffentlichen, kann sie das gegenseitige Kennenlernen in einer großen Gemeinde fördern. Die meisten Pastoren halten die Veröffentlichung einer Kirchenzeitung für nahezu unumgänglich. Im Rahmen des Gemeindedienstes hält der Pfarrer auch in wachsendem Maße Sonderkurse und Seminare ab, in welchen bestimmte Fragen erörtert und genauer erforscht werden. Oft sind sie derart organisiert, daß sich das Kirchenmitglied zur Teilnahme verpflichten, vielleicht sogar eine Gebühr

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entrichten, ein Lehrbuch kaufen und eine Lektion durcharbeiten muß. Wenn die Anzahl der Personen in einer Gemeinde, die an einem solchen Kurs teilnehmen, vielleicht auch nicht sehr groß ist, so reicht sein Einfluß gewöhnlich doch weit über die Teilnehmer hinaus, da er auf ihre Familien einwirkt. Durch die Vermittlung gründlicherer Kenntnisse schafft er überdies in einer Kerngruppe ein andersartiges Verständnis und eine besondere Atmosphäre, die dann andere Gemeindeglieder beeinflußt. Die Pfarrer wenden der ganzen Frage des Gemeindedienstes immer mehr Beachtung zu, und es wird auf diesem Gebiet viel experimentiert. Zweifellos wird das zur Entwicklung neuer Verfahren zur Bewältigung des Problems führen, wie man den Christen dabei helfen kann, ihren Glauben und ihr Verhältnis zueinander zu begreifen. Die Kirche der Jünger Christi nimmt daran tätigen Anteil.

143 K A P I T E L VII DIE ORTSGEMEINDE - SOZIALPOLITISCHES E N G A G E M E N T ALBERT M . PENNYBACKER*

Im Rahmen der allgemeinen Bewegung unter den amerikanischen Kirchen haben Gemeinden der Kirche der Jünger Christi in wachsendem Maße Mittel und Wege gefunden, sich aktiv mit sozialen Fragen zu befassen, zumal in den 1960er Jahren. Das Spektrum ihrer diesbezüglichen Aktivitäten ist recht weitgespannt: von der unmittelbaren Beteiligung an umstrittenen sozialen Reformprogrammen bis zu mehr mittelbaren und unterstützenden Tätigkeiten, die der Verbesserung der Wirksamkeit überkommener Sozialeinrichtungen dienten. Einzelne haben sich hier, den Forderungen ihres christlichen Glaubens gehorsam, ebenso engagiert wie die offiziellen krichlichen Körperschaften und die leitenden Gremien der Ortsgemeinden. „Prophetische" Predigten von den Kanzeln der Einzelgemeinden herab wurden ebenso in den Dienst der Sache gestellt wie öffentliche Kundgebungen. Zeitweise haben Einzelgemeinden eine bedeutsame Rolle bei der Förderung und Ermöglichung größerer sozialer Vorhaben der Denomination gespielt. Häufig haben sich Jünger-Gemeinden in ihrer Wohngemeinde mit anderen Denominationen zu ökumenischen Unternehmungen im sozialen und politischen Bereich zusammengeschlossen. Als besonders gut gelungen waren diese Aktionen immer dann zu bezeichnen, wenn sie die Fähigkeit der Gemeinde erwiesen, auf eine Art und Weise zu handeln, die eine aus ihren Verpflichtungen als Christen erwachsene Sensibilität für die Nöte aller Menschen erkennen ließ und nicht bloß der Förderung der institutionellen oder gemeindlichen Bedürfnisse der Kirchen diente. Das soll indes nicht heißen, daß sich sämtliche Ortsgemeinden aktiv an sozialen Aktionen beteiligt haben. Viele haben im Grunde am herkömmlichen kirchlichen Lebensstil festgehalten, der darin besteht, daß die Gemeinde ihre Anstrengungen vor allem auf die Durchführung eines Programms innergemeindlicher christlicher Seelsorge und Erziehung richtet. Obwohl fast jede Gemeinde irgendein Sozialfürsorgeprojekt durchführt * Rev. Dr. Albert M. Pennybacker war Hauptpastor an der Heights Christian Church in Shaker Heights/Ohio. Seine ehemalige Gemeinde liegt in einem von Angehörigen der Oberschicht bewohnten Vorort von Cleveland/Ohio. Gemeinsam mit Schwesterkirchen hat sie versuchsweise eine ökumenische Gemeinde eingerichtet. Seit April 1974 ist Dr. Pennybacker Pastor der University

Christian

Church,

Fort Worth, Texas.

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(zum Beispiel Armenfürsorge, Bereitstellung von Lebensrnitteln und Kleidung für in Not geratene Familien, Spendensammlungen für besondere Anliegen und Katastrophenfälle, Bereitstellung von Freiwilligen für bestimmte Vorhaben, insbesondere von Frauen für die Pflege von Patienten in Spitälern und Privatkliniken und ähnliche Liebesdienste), handelt es sich dabei oft nur um Nebenerscheinungen des Gemeindelebens, die seinem Hauptbrennpunkt untergeordnet sind. Man sieht in ihnen Fürsorgeprojekte, die zwar durchaus gut, aber für die Integrität der Gemeinde nicht von ausschlaggebender Bedeutung sind. Im Laufe des letzten Jahrzehnts haben jedoch etwa 1500 bis 2000 Ortsgemeinden ihre Organisationen um einen besonderen Ausschuß oder eine Abteilung für soziale Aktionen vermehrt. Diese Zahl hat in dem Maße zugenommen, wie die destruktive Rolle sozialer Kräfte im heutigen Leben Nordamerikas zunehmend ins allgemeine Bewußtsein gedrungen ist. Mehr und mehr wurde offenbar, daß menschliche Wesen durch soziale und politische Maßnahmen verletzt werden, und die Gemeinden haben sich daraufhin bemüht, die Einsichten und Hilfskräfte des Christentums diesen Faktoren gegenüber zur Geltung zu bringen. In den letzten Jahrzehnten ist man sich in erhöhtem Maße der Bedeutung solcher für die Gesellschaft besonders gefährlicher Phänomene wie Rassismus, Krieg, wirtschaftliche Ausbeutung, Hunger, Arbeitslosigkeit, Drogenmißbrauch, schlechte Wohnverhältnisse und Verweigerung von Bürgerrechten bewußt geworden. Die Gemeinden haben ihnen mit unterschiedlichem Engagement und Erfolg zu wehren versucht. Im Normalfall hat man versucht, pragmatische Änderungen und wirksamere Resultate innerhalb des bestehenden sozialen und politischen Systems herbeizuführen. Nur selten haben Gemeinden grundlegende und philosophisch fundierte Fragen bezüglich der sozialen Angemessenheit des amerikanischen demokratisch-kapitalistischen Systems aufgeworfen.

I Der Glaube der Gemeinde und ihr soziales Engagement Das theologische Erbe, über das die Gemeinden der Kirche der Jünger Christi verfügen, ermöglicht eine beträchtliche Mannigfaltigkeit innerhalb derselben. Es wäre einigermaßen ungewöhnlich, wollte eine Ortsgemeinde in einer theologischen Erklärung die Grundlagen ihres sozialen Engagements darlegen. Typischer ist eine unausgesprochene Sensibilität für ein biblisches Erbe, das soziales Verantwortungsgefühl nahelegt. Erwachsen ist

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sie aus den Predigten, aus dem Unterricht in der Kirchenschule, aus einem echten christlichen Glauben und dem Mitempfinden, das er erzeugt, einem zunehmenden Bewußtsein der allgemeinen sozialen Verhältnisse sowie aus der Führungsrolle der christlichen Stimmen im ganzen Land. Die Fragen, die die Gemeinden oft zu praktischer Sozialtätigkeit veranlassen, sind gewöhnlich selber praktischer eher denn philosophischer Natur: „Was können wir zur Beseitigung der Elendsviertel in den Großstädten tun? Warum hat jene Familie nicht genug zu essen? Wie können wir auf die Volksvertreter einwirken, damit sie eine andere Sozialpolitik betreiben? Wo können wir an einem öffentlichen Zeugnis für den Frieden teilnehmen?" Diese pragmatischen Fragen erwachsen aus einer theologischen Haltung, die das Leben der Jetztzeit und seine Bedeutung für den einzelnen sehr ernst nimmt. Es ist dies eine unartikulierte Inkarnationstheologie, ein Empfinden, daß der rechte Glaube fordert, daß das Wort weiterhin Fleisch wird. Manche Gemeindeglieder sind sich der theologischen Verbindung zwischen Glauben und Leben in viel stärkerem Maße bewußt, doch auch diejenigen, denen dieses bewußte Begreifen abgeht, sind oft bereit, an der Sozialtätigkeit ihrer Gemeinden aktiven Anteil zu nehmen. Die Ortsgemeinden sind diesbezüglich auch in ernsthafte interne Debatten unter ihren Mitgliedern, zwischen dem Pfarrer und den Laien, zwischen den Leitern der Gemeinde und den nominellen oder indifferenten Kirchengliedern, verstrickt worden. Obwohl die Jünger im allgemeinen einen surren Biblizismus mit seinen Folgeerscheinungen, wie mangelnde Anteilnahme an sozialen Fragen und sozialen Veränderungen und jenseitsgerichteter Pietismus, nie gekannt haben, gibt es doch in jeder Jünger-Gemeinde Buchstabengläubige und eine beträchtliche Anzahl von Mitgliedern, die einem überfrommen und pietistischen Christentum verhaftet sind. Das bedeutet, daß in fast jeder Gemeinde von jeher eine Gruppe von Mitgliedern existiert, die der Sozialtätigkeit der Kirche auf jedweder Ebene - der gemeindlichen, denominationellen und ökumenischen - mißtrauisch gegenübersteht. Auf der anderen Seite sind eine Anzahl Kirchenglieder letzthin zu der Uberzeugung gelangt, daß ihr Glaube sie zu einer ganz spezifischen, unmittelbaren und bisweilen umstrittenen Sozialtätigkeit aufruft. Sie begreifen dieses ihr Engagement als unmittelbaren Ausdruck ihrer tiefsten christlichen Uberzeugungen. Sie empfinden Dankbarkeit für die Einsichten und die Förderung, die ihnen durch prophetisches christliches Predigen zuteil wird. Sie erstreben und unterstützen Entschlüsse der Gemeindegremien zur Durchführung sozialer Aktionen. Häufig jünger und von Natur aus sensibel, stellen sie im Gemeindeleben eine kleine, aber an Zahl wachsende Gruppe dar.

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Dieses unterschiedliche Verständnis der Bedeutung des christlichen Glaubens mußte zwangsläufig in den Ortsgemeinden Kontroversen auslösen. Gewöhnlich haben ganz bestimmte Fragen diese innere Spannung in den Gemeinden mehr oder weniger plötzlich offenbar gemacht. Beispielsweise sind mehrere Gemeinden - die Mehrzahl der Gemeinden ist rassisch homogen - für die Trennung ihrer weißen und farbigen Glieder eingetreten. Im Zuge der Veränderungen, von denen das Leben in Amerika betroffen wurde, haben Angehörige anderer Rassengruppen, zumal schwarze Familien in zuvor ausschließlich weißen Gemeinden, die Mitgliedschaft beantragt. Dies hat zu (vielleicht unausgesprochenen) inneren Spannungen geführt, die dahin tendierten, die Gemeinden zu zersplittern. Oder ein „weißer Rassismus" tritt gelegentlich einer öffentlichen Streitfrage in Erscheinung, wie z. B. Wohnviertel „nur für Weiße" oder Busfahrten von Schulkindern zur Durchsetzung der rassischen Gleichberechtigung im öffentlichen Schulwesen als notwendige Voraussetzung einer guten, sozial angemessenen Erziehung. Ein anderes Problem, das seinerzeit sehr starke Spannungen in den Gemeinden hervorrief, war die amerikanische Südostasienpolitik. Die Befürworter und Kritiker dieser Politik haben häufig eine Polarisierung in den Ortsgemeinden ausgelöst. Eine andere Seite dieser Spannungen war die, daß der Pfarrer als Brennpunkt der sozialen und politischen Kontroversen angesehen wurde. Man begehrt von ihm zu wissen, warum er mit dieser Spaltung nicht fertig zu werden vermag, und bittet ihn, durch seine Predigttätigkeit oder seine öffentliche Anteilnahme sicherzustellen, daß er selber keine ernsthaften inneren Spannungen erzeugt. Der Pfarrer sieht sich oft mit einer Anschauung vom kirchlichen Leben konfrontiert, die alle sozialen Fragen umgehen und die Gemeinde als eine Gemeinschaft aufgefaßt wissen möchte, in der es keinerlei Meinungsverschiedenheiten gibt. Mancher Pfarrer wurde vor Situationen gestellt, in denen ihm keine andere Wahl blieb, als sein Amt zur Verfügung zu stellen. Andere Pfarrerhaben es, als man ihnen ihre Austreibung androhte, vorgezogen, zu schweigen oder sich großenteils auf psychologische Beratung zu beschränken. Etliche haben ihre Stellung ebenso wie ihre Integrität als Pastoren zu bewahren vermocht, sich indes einem starken und unablässigen Druck aus Kreisen innerhalb ihrer Gemeinde ausgesetzt gesehen. Diese inneren Streitigkeiten haben für die Gemeinden eine bedrohliche Verringerung ihres Finanzaufkommens und einen Rückgang ihrer Mitgliederzahl zur Folge gehabt. Da die Mitgliedschaft freiwillig ist, ist es nicht ungewöhnlich, daß diejenigen, die jegliche Sozialtätigkeit ablehnen, aus einer Gemeinde austreten und in eine andere eintreten, die nur geringe oder

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gar keine Sozialtätigkeit ausübt. Auf der anderen Seite gibt es Mitglieder, die sich mit ihrer Gemeinde so stark verbunden fühlen, daß sie den Bruch nicht vollziehen möchten, und die daher angesichts sozialer Aktionen, die ihnen zuwider sind, einfach inaktiv werden. Eine unmittelbare Folge solcher Handlungsweise ist die Weigerung von Mitgliedern gewesen, weiterhin finanzielle Beträge zu leisten, und eine Verringerung der für gemeindliche und denominationelle Vorhaben verfügbaren Gelder. Viel Kritik ist wegen ihres sozialen Zeugnisses an den ökumenischen Institutionen, vor allem an den „Kirchenräten", geübt worden. Ein positives Ergebnis war indes ebenfalls zu verzeichnen. Viele Gemeinden haben sich genötigt gesehen, sich erneut mit dem Wesen des Glaubens selber auseinanderzusetzen. Das soziale Engagement hat eine neue Art von theologischer Fragestellung aufgeworfen. Entscheidungen von großer Bedeutung für das gemeindliche Leben und Zeugnis sind gefällt worden, die von beträchtlichem Mut des Pastors wie der Gemeindeglieder zeugen. Man ist sich auf eine neuartige Weise dessen bewußt geworden, daß die ökumenischen Beziehungen notwendig sind, wenn die Kirche ihre heutige soziale Mission erfüllen will. Durch besondere Programmgestaltung sowohl wie durch Mitgliederwerbung hat man sich um die Überwindung der Rassenschranken bemüht. Diese Bemühungen spiegeln mehr oder weniger den ernsthaften Versuch der Gemeinden, Glaube und Leben auf dynamische Weise miteinander in Beziehung zu setzen. Ganz allgemein kann man sagen, daß diejenigen Gemeinden, die soziale Aktionen durchgeführt haben, eine Befreiung von mancherlei Verhärtungen der Vergangenheit erfuhren vom Biblizismus sowohl wie vom Kult der Institutionen - und nunmehr bereit sind, der Bedeutung des christlichen Glaubens als um Redlichkeit Bemühte erneut innezuwerden und soziale Verantwortung zu übernehmen.

II Strategien des sozialen

Handelns

Die an sozialen Aktionen interessierten Ortsgemeinden haben viele verschiedenartige Konzeptionen, Strategien und Verfahren entwickelt. Z . B . stimmen viele Gemeinden der Auffassung, daß ihr Prediger die uneingeschränkte Freiheit haben muß, über die soziale Bedeutung des christlichen Glaubens zu sprechen, durchaus zu; beteiligt er sich indes an umstrittenen sozialen Bewegungen, so bezweifeln manche die Angemessenheit seiner

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Handlungsweise. Oder ein anderes Beispiel: viele Gemeinden sind sehr dafür, daß die Kirche einzelne zur Beteiligung an nichtkirchlichen Bewegungen, in der Hauptsache solchen für Veränderungen im sozialen Bereich, auffordert, aber die Mitglieder dieser Gemeinden sind dagegen, daß sich die Gemeinde selber geschlossen hinter solche Bewegungen stellt oder gemeinsam mit nichtkirchlichen Bewegungen soziale Aktionen durchführt. Natürlich gibt es aber auch Gemeinden, wenngleich nur verhältnismäßig wenige, die durchaus zu einem geschlossenen Vorgehen angesichts menschlicher Notstände in ihrer Umgebung bereit sind. Das typischste gemeindliche Verhalten dürfte die Ausarbeitung einer Strategie sein, die den plötzlich auftretenden besonderen Problemen angemessen ist. Beispielsweise sieht sich eine Gemeinschaft vor die Notwendigkeit der Beseitigung von Maßnahmen zur Rassentrennung im öffentlichen Bildungswesen gestellt. Man kommt vielleicht zu dem Schluß, die Gemeinde könne am wirkungsvollsten eingreifen, indem sie einzelne, zumal Eltern, deren Kinder öffentliche Schulen besuchen, zur Beteiligung an Schulgruppen, die mit diesem Problem ringen, auffordert. Dieselbe Gemeinde mag indes das Gefühl haben, daß es ihr nicht zukomme, sich für einen Plan zur Beseitigung rassischer Unausgewogenheit einzusetzen. Oder eine Gemeinde ist vielleicht bereit, einzelne zu fördern, die sich um die Durchführung öffentlicher Wohlfahrtsprogramme kümmern möchten, aber nicht willens, in aller Form eine Änderung der Sozialfürsorgepolitik zu fordern. Die Strategien des sozialen Engagements von Gemeinden werfen eine grundlegende Frage auf: sollen sich die Gemeinden für Programme und Aktivitäten einsetzen, die mit Versuchen zur Herbeiführung fundamentaler sozialer Veränderungen einhergehen? Oder sollen sie sich für Sozialtätigkeit zugunsten von einzelnen und Gruppen entscheiden, die unter einer unveränderten gesellschaftlichen Ordnung leiden? Ein Soziologe würde hier vielleicht von einer beständigen Spannung zwischen dem Streben nach Systemveränderung und dem nach Beibehaltung der bestehenden Ordnung sprechen. Die mehr herkömmliche Kirchensprache würde den Unterschied herausstellen zwischen karitativer Sozialtätigkeit und Aktivitäten, die durch gesellschaftliche Veränderungen die Lösung derart fundamentaler Fragen wie Rassismus, wirtschaftliche Ausbeutung und unzulängliche Politik anstreben. Diese ungelöste Frage steht im Hintergrund vieler gemeindlicher Diskussionen über die Strategien des sozialen Engagements. Die traditionsgebundenen Gemeinden beteiligen sich im allgemeinen am liebsten an Wohlfahrtsaktionen. Sie sind für diese Art von sozialem Engagement weit aufgeschlossener als für den fundamentaleren Einsatz für direktere sozialreformerische Bestrebungen. Die Gemeinden tendieren fer-

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ner dahin, sich gegen ihre allzu uneingeschränkte Gleichsetzung mit nichtkirchlichen Sozialreformplänen oder radikalen Bewegungen zu wehren. Auf der anderen Seite sind diese beiden Strategien nicht so grundverschieden voneinander, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wer sich an der Wohlfahrtspflege beteiligt, sieht sich schon bald vor Fragen nach den Ursachen von Notständen gestellt : , .Warum verfügt diese Familie angesichts der derzeitigen sozialen Verhältnisse nicht über genügend Subsistenzmittel? Warum kann dieser Schwarze keine Beschäftigung finden? Warum erhalten diese Kinder keine angemessene Schulbildung?" Solche Fragen bewirken eine Sensibilisierung der an sozialen Aktionen Beteiligten. Diese wachsende Sensibilisierung und das Nachdenken über die Bedeutung des christlichen Glaubens, das daraus erwächst, sind erfreuliche Folgen des sozialen Engagements der Gemeinden, gleichgültig, nach welchen Methoden diese verfahren.

III Organisatorische Maßnahmen zur Durchführung sozialer

Aktionen

Gemeinden der Kirche der Jünger Christi haben verschiedene Organisationsmodelle erarbeitet, die als Vermittlungswege dienen, durch die sich die Laienglieder miteinander beraten und an sozialen Aktionen teilnehmen können. Wenn man von zeitweiligen Organisationsmodellen zur Uberbrückung plötzlich auftretender besonderer Notstände absieht, so schält sich vor allem ein Modell gemeindlicher Organisation für soziale Aktionen heraus. Zugrunde liegt diesen Organisationsmodellen der Nachdruck auf der Beteiligung der Laien, der für die Jünger von Anbeginn an kennzeichnend gewesen ist. Unter den von den Gemeinden eingerichteten Abteilungen befindet sich in der Regel auch eine, die die Bezeichnung „Department of Church in Society" trägt und sich mit der Sozialtätigkeit der betreffenden Gemeinde befaßt. Ihr gehören je nach der Größe der Gemeinde bis zu vierzig Laienmitglieder (mindestens zehn) an. Ihr Vorsitzender ist gewöhnlich ein Laienmitglied, das über besondere Fähigkeiten, berufliche oder sonstige, auf sozialem Gebiet verfügt. Oft hat die Abteilung Unterausschüsse, die sich mit spezifischen Fragen wie Gleichberechtigung der Farbigen, Altenfürsorge, Friedensinitiativen, Wohlfahrtsangelegenheiten u.ä. befaßt. Ein solches Department hat den Auftrag, Erkundigungen einzuholen, Strategien zu entwerfen und ein Sonderprogramm aufzustellen. Beispielsweise

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mag ein Komitee das Problem des Drogenmißbrauchs unter den Obferschülern der Ortsgemeinde erforschen. Es wird dann Ärzte und Apotheker, Polizeibeamte, Eltern und die Schulleiter um Rat fragen. Es wird sich Informationen über den Drogenhandel verschaffen. Darauf wird es den Mitgliedern des Department of Church in Society einen ausführlichen Bericht vorlegen. Letzteres wird sodann die Bedeutung der von dem Ausschuß getroffenen Feststellungen und die von der Ortsgemeinde durchzuführenden Maßnahmen erörtern und möglicherweise das Komitee anweisen, spezifische Aktionsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Drogenproblems zu erkunden. Das Komitee wird sich dann der Ausarbeitung einer Strategie widmen und bestimmte Gruppen in der Wohngemeinde namhaft machen, mit denen sich die Gemeinde vielleicht zum Zweck gemeinsamen Vorgehens zusammentun könnte. Dabei wird es sich wiederum um eine Empfehlung des Komitees handeln, die allen Mitgliedern des Departments vorgelegt wird. Hat das Department die Empfehlung bestimmter Maßnahmen beschlossen, so wird es die Angelegenheit dem Gemeinderat zwecks Beratung und Billigung vorlegen. Hat derselbe das Programm gutgeheißen und die zu seiner Durchführung erforderlichen Mittel bereitgestellt, so wird er gewöhnlich das Department ermächtigen, die vorgeschlagenen Maßnahmen, das Drogenproblem betreffend, durchzuführen. Auf diese Weise findet die in Rede stehende Aktion unter den Auspizien der Gemeinde statt, obwohl vielleicht nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Laienmitgliedern unmittelbar daran beteiligt ist. Das Sonderprogramm sieht gewöhnlich außer äußeren Aktivitäten auch ein Ausdeutungsprogramm innerhalb der Gemeinde vor. Beispielsweise wird das Department of Church in Society beauftragt, Ausmaß und Bedeutung des Drogenproblems innerhalb der eigenen Bildungseinrichtungen der Gemeinde darzulegen. Es wird dann vielleicht ein Essen veranstaltet, zu dem Experten aus der Wohngemeinde eingeladen werden, die bei der Gelegenheit über das Drogenproblem referieren. Die Kirchenschule erhält Unterlagen und Untersuchungen über Drogen für ihren sonntäglichen Jugend- und Erwachsenenunterricht. Das Department wird sich auch außerhalb der Gemeinde betätigen: beispielsweise mit Gruppen in der Wohngemeinde zusammenarbeiten, um einen Beratungsdienst für drogengefährdete Jugendliche ins Leben zu rufen, mit Ärzten, um die medizinische Betreuung der Drogenabhängigen sicherzustellen und mit den Polizeibehörden, um sie auf Möglichkeiten einer wirksamen Bekämpfung des Drogenmißbrauchs aufmerksam zu machen. Des weiteren würde es vielleicht versuchen, auf Regierungsbehörden mit dem Ziel der Änderung der Drogengesetze einzuwirken. Oft bemüht man sich um Anschluß an Parallelaktionen anderer Denominationen in der Wohngemeinde, um die betreffende

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Tätigkeit als ökumenisches Anliegen betreiben zu können. Das steigert ihre Wirksamkeit und ermöglicht der Gemeinde eine Breite der Teilnahme, die die Kräfte einer einzelnen Gemeinde übersteigt. Dies ist zwar eine typische Art und Weise des Herangehens an ein bestimmtes soziales Problem, doch richten sich viele Gemeinden nach anderen Handlungsschemen, wenn irgendwelche Fragen auftauchen. Erfordert ein Problem rasches Handeln, so ist es vielleicht nicht möglich, sich an das in der Gemeinde übliche Beschlußfassungsverfahren zu halten, ohne daß ebendies Verfahren selber die für ein angemessenes und wirksames christliches Zeugnis zur Verfügung stehende Zeit beansprucht. Es kommt oft vor, daß Gemeinden ein Verfahren entwickelt haben, mittels dessen eine kleinere Gruppe rasch zu regieren vermag, obschon dieselbe vielleicht außerstande ist, die Gemeinde zur Billigung ihrer Aktionen zu veranlassen. Das würde dann bedeuten, daß sich der Vorsitzende des Department of Church in Soaety zusammen mit dem Pfarrer und einigen Mitgliedern des Department für befugt hält, selbständig zu handeln, andere Gemeindemitglieder zur Mitwirkung bei einer Aktion heranzuziehen und kurzfristig Mittel der Gemeinde für einen besonderen Notstand flüssig zu machen. Gewöhnlich wird eine solche Gruppe später dann den Beschlußorganen der Gemeinde Bericht erstatten und sie um ihre Zustimmung ersuchen. Eine andere Organisationsform ist die, .Arbeitsgruppe". Es ist dies oft eine Gruppe von Mitgliedern, die gebeten wird, sich zur Lösung einer bestimmten Frage zusammenzutun. Beispielsweise gründet eine Gemeinde eine Arbeitsgruppe für den Weltfrieden. Ihre Mitgliederschaft würde sich nicht auf die Angehörigen des Department of Church in Society beschränken, sondern aus der gesamten Gemeinde kommen. Ihre Unternehmungen würden nicht die offizielle Billigung der Gemeinde haben, aber ohne Einschränkung die mit der Suche nach dem Frieden in der Welt verknüpften Fragen innerhalb der Gemeinde erforschen und ausdeuten und Kontakte zu der kirchlichen und weltlichen Friedensbewegung in der Wohngemeinde knüpfen können. Eine solche Arbeitsgruppe bietet jenen Einzelpersonen innerhalb der Gemeinde, die an einem bestimmten Problem besonderen Anteil nehmen, ein Betätigungsfeld. Einen dritten gemeindlichen Organisationstyp stellt eine Struktur dar, die das Herangehen an ein sehr wichtiges, umfassendes Problem ermöglicht. Dies wäre ein eigens geschaffenes, gewöhnlich vom Kirchengemeinderat eingesetztes Komitee, das sich nicht auf einen besonderen Vermittlungsweg innerhalb der Gemeinde beschränkt. Beispielsweise sind viele amerikanische Großstädte von schweren Rassenunruhen betroffen worden. Damit die Gemeinde von ihren Hilfsmitteln einen möglichst umfassenden Gebrauch machen kann, wird vielleicht ein Sonderkomitee des Gemeinderats

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ins Leben gerufen, das die Reaktion der Gemeinde auf eine schwere Krisensituation zu lenken beauftragt wird. Ein solches Komitee würde die Leiter der verschiedenen gemeindlichen Programme zusammenfassen. Es würde dann unter Umständen in erster Linie Unterkünfte und Lebensmittel für Obdachlose zu beschaffen versuchen. Die Frauengruppe einer Ortsgemeinde würde vielleicht gebeten werden, Nahrungsmittel und Kleidungsstücke zu sammeln. Die Jugendgruppe würde möglicherweise aufgefordert werden, sich der Halbwüchsigen anzunehmen, und die im Geschäftsleben tätigen Gemeindemitglieder, sich um die Beschäftigungslosen zü kümmern. Die Gemeindemitglieder würden vielleicht gebeten werden, Blut zu spenden, und die Gemeindekassenverwaltung, Geldmittel zur Befriedigung dringender menschlicher Bedürfnisse zur Verfügung zu stellen. Das Department of Church in Society würde vielleicht vom Komitee aufgefordert, polizeiliche und juristische Fragen zu klären. Ein solches, aus den fähigsten Führerpersönlichkeiten bestehendes spezielles Organisationskomitee würde die Gemeinde instand setzen, als Ganzes an die Bewältigung einer besonderen größeren Krisensituation heranzugehen.

IV Sozialtätigkeit der Gemeinde und der allgemeinen Kircheninstanzen Bei sozialen Aktionen erfolgt eine ständige Wechselwirkung zwischen der Gemeinde und übergemeindlichen Kircheninstanzen. Die Ortsgemeinden beteiligen sich an von der Kirche als Denomination auf nationaler Ebene geplanten sozialen Aktionsprogrammen. Die Kirche der Jünger Christi ist ein aktives Mitglied ökumenischer Körperschaften wie des Nationalrats der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten und des ökumenischen Rats der Kirchen. Es handelt sich dabei eher um eine gegenseitige Beeinflussung als um eine unmittelbare Beteiligung, da die Ortsgemeinde die Unterstützung dieser allgemeinen Programme und Maßnahmen stets auch ablehnen kann. Sie übt dieses Recht durch ihre gewählten Vertreter bei der Formulierung denominationeller und ökumenischer Programme wie durch ihre finanzielle Beteiligung an diesen Bestrebungen aus. Sie kann sich anschließen, wenn die Denomination den Nachdruck auf Sozialtätigkeit zu legen beschließt, oder sie kann sich ausdrücklich davon distanzieren. In beiden Fällen zwingen die allgemeinen Instanzen der Kirche die Ortsgemeinde jedoch zu einem Beschlußfassungsprozeß, der das Medium für die fortdauernde

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Wechselwirkung zwischen dem örtlichen und dem allgemeinen kirchlichen Leben im Bereich der Sozialtätigkeit darstellt. Eine Anzahl charakteristischer Beispiele mag diese fortdauernde Wechselwirkung veranschaulichen. Und zwar handelt es sich dabei um: 1. von der Generalversammlung der Kirche der Jünger Christi und den Instanzen, an deren Stelle sie getreten ist, initiierte Aktionen; 2. das Programm der Friedensgesellschaft der Jünger; 3. eine überdenominationelle Initiative angesichts der Krisensituation der Großstädte, Versöhnungsprogramm genannt, und 4. die Arbeit ökumenischer Körperschaften wie des Nationalrats der Kirchen und des ökumenischen Rats.

1. Aktionen der Generalversammlung Die Generalversammlung der Kirche der Jünger Christi und die nationalen Instanzen, an deren Stelle sie getreten ist, haben auf dem allgemeinen Feld der sozialen Fragen Erklärungen abgegeben und Aktionen durchgeführt. So verabschiedete die Generalversammlung beispielsweise im Jahre 1969 folgende allgemein gehaltenen Resolutionen: Ablehnung der Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, Aufforderung an die Regierung der Vereinigten Staaten zur Zurückstellung der Pläne für die Schaffung eines Raketenabwehrsystems, Aufforderung zur Förderung der weltwirtschaftlichen Entwicklung, Anteilnahme am Hungerproblem in Amerika, Unterstützung von 80 amerikanischen Kongreßmitgliedern bei ihrer Forderung nach Bildung einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen u. ä. Auf vorangegangenen Versammlungen der nationalen kirchlichen Körperschaften wurden ähnliche Resolutionen gefaßt: Befürwortung des Einsatzes von Geldinvestitionen zum Zweck der Bekämpfung der Apartheidpolitik in Südafrika, Befürwortung von Gesetzen zur Lizenzierung und Kontrolle des Waffenbesitzes, Aufforderung an die Regierung der Vereinigten Staaten, Personen, die den Einsatz in einem besonderen Krieg verweigern, gesetzlichen Status zu verleihen, sowie die Verurteilung von Aggressionshandlungen gegen die Tschechoslowakei. Diese und ähnliche Resolutionen bringen die Auffassung der Generalversammlung der Kirche der Jünger Christi zum Ausdruck. Sie richten sich an die Öffentlichkeit und an bestimmte Stellen, staatliche und andere, die über die Macht verfügen, auf angemessene Art und Weise dazu Stellung zu nehmen. Sie stellen indes auch Erklärungen der Generalversammlung der Kirche der Jünger Christi an die Ortsgemeinden und die kirchlichen Zwischeninstanzen dar. Diese Körperschaften, zumal die Ortsgemeinden, sind nicht verpflichtet, an diesen nationalen Aktionen mitzuwirken. Jedoch

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müssen die Ortsgemeinden diese Entschließungen ernsthaft in Erwägung ziehen. Oft fällt der für Sozialtätigkeit zuständigen örtlichen Instanz, zum Beispiel dem Department of Church in Society die Aufgabe zu, sich mit den nationalen Resolutionen zu befassen. Es ist dies ein Erziehungsversuch innerhalb der Ortsgemeinde, und die Ortsgemeinde kann sich auf die ihr angemessen erscheinende Weise dazu stellen. Zuweilen heißt die nationale Instanz Studienmaterial gut, das speziell für die Ortsgemeinden bestimmt ist. Oft handelt es sich dabei um Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Fragen, die aus der Arbeit des nationalen Department of Church in Society hervorgegangen sind. Die Kirchenschullehrer, Prediger, Laienführer und Laiengruppen greifen häufig auf solches Studienmaterial zurück, das zum Beispiel das Rassismusproblem behandelt, Kenntnisse über die kommunistische Ideologie vermittelt oder die Bedeutung der internationalen Politik der Regierung der Vereinigten Staaten darlegt. Solche Resolutionen der Generalversammlung werden gleichfalls zur Grundlage für Programm Schwerpunkte und Vorhaben nationaler kirchlicher Gremien, was wiederum dem Wechselverhältnis von gemeindlichem und nationalem Leben der Kirche förderlich ist. Der Ortsgemeinde steht es frei, sich für oder gegen die Mitwirkung an den von der Generalversammlung genehmigten nationalen Programmen zu entscheiden.

2. Die Arbeit der Friedensgemeinschaft

der Jünger

Die Friedensgemeinschaft der Jünger ist eine Vereinigung von Einzelpersonen auf nationaler Ebene, denen es um das Zeugnis von Christen für den Weltfrieden zu tun ist. Sie befaßt sich u.a. mit der Beratung und Unterstützung junger Männer der Kirche der Jünger Christi, die den Kriegsdienst verweigern. Sie stellt sowohl Druckschriften als auch Sprecher für regionale Friedenstagungen der Kirche zur Verfügung. Ortsgemeinden, die sich mit der Frage der Weltfriedenssicherung beschäftigen wollen, können von ihr Lehrpersonen und Materialien anfordern. Sie arbeitet eng mit dem nationalen Department of Church in Society und seinem Mitarbeiterstab zusammen. Sie stellt ein Beispiel für ein Unternehmen auf nationaler Ebene dar, das sich eine jede Ortsgemeinde zunutze machen kann. 3. Das nationale

Versöhnungsprogramm

Die Kirche der Jünger Christi hat letzthin den Versuch unternommen, durch die Aufstellung eines unter dem Namen „Versöhnung" bekannten

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nationalen Programms als Ganzes die Krise der amerikanischen Großstädte anzugehen. Dieses Programm, das von der Generalversammlung gebilligt worden ist und von einem Mitarbeiterstab und Büro geleitet wird, die mit dem General Minister und Präsidenten der Kirche der Jünger Christi in Verbindung stehen, ist ein umfassendes, das sämtliche Bereiche des Lebens der Kirche erfassen soll. Die Ortsgemeinden sind in großem Umfang daran beteiligt. Es begann als soziales Vierjahresprogramm und ist ein Versuch, Mittel der Kirche zur Unterstützung von Personen einzusetzen, die unter der Krise der Großstädte, Rassenvorurteilen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu leiden haben, um sie instand zu setzen, mit den Problemen ihres Lebens fertig zu werden. Die Kirche faßt es als wichtigen, fortdauernden, für ihr Leben dringend gebotenen Auftrag auf. Das Versöhnungsprogramm fordert die Ortsgemeinden auf, insgesamt vier Millionen Dollars aufzubringen, die von einem nationalen Ausschuß und entsprechenden einzelstaatlichen Versöhnungskomitees zur Beseitigung von Notständen in städtischen Gemeinden verwandt werden sollen. An die Gemeinden ergeht die Bitte, gegebenenfalls auch in Unternehmen zu investieren, die von Angehörigen von Minderheitsgruppen geleitet werden. Das Programm legt den Gemeinden nahe, bei der Einstellung von Arbeitskräften und Schaffung von Stabsstellen sich von jedweden Rassenvorurteilen frei zu machen. Es fordert dazu auf, 5 Prozent aller ortskirchlichen Mittel für Projekte zur Beseitigung von Notständen in Großstädten zu verwenden. Den Ortsgemeinden wird vorgeschlagen, Programme durchzuführen, die ihre Mitglieder dazu anregen, sich aktiv an den Anstrengungen zur Bewältigung der durch die Verstädterung hervorgerufenen Krisenlagen zu beteiligen. Viele Gemeinden haben daraufhin besondere Sammlungen für das nationale Versöhnungsprogramm veranstaltet. Viele haben eigene Versöhnungsausschüsse ins Leben gerufen, die Möglichkeiten zur Teilnahme an örtlichen, kirchlichen wie nichtkirchlichen, Bestrebungen zur Beseitigung städtischer Notstände erkunden. Es handelt sich dabei u.a. um die Schaffung von kirchlich geförderten Körperschaften, die die Sanierung von Altbauten und die Erstellung neuer Gebäude in den Zentren der Großstädte betreiben, um die Rekrutierung von Mitgliedern für Selbsthilfeprogramme von Minderheitsgruppen, die Gewährung von Studienbeihilfen für Angehörige von Minderheitsgruppen, die Unterstützung von Kandidaten für die örtlichen Schulausschüsse, denen die Verbesserung der Bildungseinrichtungen für die Angehörigen rassischer Minderheiten am Herzen liegt, die Beschaffung von Räumlichkeiten für kirchlich nicht gebundene Wohlfahrtsempfänger und rassische Minderheiten, die eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen anstreben.

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4. Die Arbeit ökumenischer Körperschaften ökumenische Körperschaften, insbesondere „Kirchenräte", haben von Ortsgemeinden der Jünger immer starke Unterstützung erfahren. Da Sozialaktionen häufig ökumenischen Charakter tragen, sind diese ökumenischen Körperschaften die Gremien gewesen, durch die die Kirche soziale Probleme am wirksamsten angehen konnte. Als Denomination hat die Kirche der Jünger Christi aktiven Anteil an der Arbeit sowohl des Nationalrats der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten wie des Weltkirchenrates genommen. Die Arbeit dieser beiden Körperschaften hat auf nationaler wie auf internationaler Ebene in starkem Ausmaß in sozialen Aktionen bestanden. Durch die Denomination sind die Ortsgemeinden mit diesen Bestrebungen identifiziert worden. Das hat zur Folge, daß Ortsgemeinden zum Brennpunkt des Widerstandes gegen die von ökumenischen Körperschaften initiierten sozialen Aktionen werden. Gemeindeglieder, die mit den öffentlichen Programmen und Erklärungen ökumenischer kirchlicher Körperschaften nicht einverstanden sind, wenden sich an die Ortsgemeinde als das Medium, durch das sie ihre ablehnende Haltung zum Ausdruck bringen können. Zuweilen geschieht das in der Form, daß die betreffenden Mitglieder der Gemeinde keine finanzielle Unterstützung mehr gewähren oder ihren Austritt aus derselben erklären, doch öfter bringen diejenigen, die den ökumenischen sozialen Aktionen kritisch gegenüber stehen, ihre Bedenken in den örtlichen Gemeindeausschüssen und Komitees vor. Die Führung der Ortsgemeinde sieht sich dann oft vor die Notwendigkeit gestellt, die Teilnahme derselben an örtlichen sowohl wie nationalen ökumenischen Gruppierungen rechtfertigen zu müssen. Sogar die internationale Position der Kirche, wie sie der Weltkirchenrat vertritt, führt zu Spannungen innerhalb der Ortsgemeinde. Doch schafft ebendiese Spannung die Möglichkeit eines Erziehungsprozesses in einer Ortsgemeinde, die sonst dort nicht gegeben wäre. Kontroversen und Debatten schärfen das Gewissen der Verfechter ökumenischer Sozialtätigkeit und bringen ihnen die soziale Bedeutung des christlichen Glaubens noch näher. Es ist nicht ungewöhnlich, daß einzelne Gemeindeglieder durch die Erfahrung dieser Art von Spannung, die durch die Arbeit und das Zeugnis ökumenischer Körperschaften in das Leben der Kirche hineingetragen wird, veranlaßt werden, noch mehr Verpflichtungen auf sich zu nehmen.

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V

Beispiele ortsgemeindlicher Sozialaktionen In einer größeren amerikanischen Stadt wurde vor mehreren Jahren offenbar, daß zum ersten Mal ein Neger die Chance haben könnte, zum Bürgermeister gewählt zu werden. Für die Ortsgemeinden bot sich hier ganz offensichtlich die Gelegenheit, Unterstützung zur Verwirklichung seiner Kandidatur zu mobilisieren. Dank der Bemühungen des örtlichen Kirchenrats und Dank finanzieller Unterstützung von national-kirchlicher Seite riefen die in Frage kommenden Ortsgemeinden eine Arbeitsgruppe ins Dasein. Eine Ortsgemeinde der Kirche der Jünger Christi stellte eine Anzahl ihrer Mitglieder zur Verfügung, die bereit waren, für diese Aktion Zeit zu opfern. Die Arbeitsgruppe kam zu dem Schluß, daß es vor allem notwendig sei, die Angehörigen der schwarzen Minderheit zu veranlassen, sich in die Wählerlisten eintragen zu lassen. Viele von ihnen hatten sich um die Wahlvorgänge und ihr Wahlrecht nicht gekümmert, weil sie sich davon nichts versprochen hatten. Ein größeres Projekt zur Erfassung und Registrierung der Wahlberechtigten wurde in Angriff genommen. Gemeindemitglieder opferten viel Zeit, um nicht in den Wählerlisten verzeichnete Schwarze ausfindig zu machen, die sie dann persönlich aufforderten, sich registrieren zu lassen, und am Wahltag zur Stimmabgabe veranlaßten. Wahlbeeinflussung wurde nicht versucht, doch nahm man an, daß ihre Stimmabgabe in den meisten Fällen zugunsten des schwarzen Bewerbers erfolgen würde. Im Laufe dieser Kampagne wurde Dr. Martin Luther King d . J . , damals der bekannteste amerikanische Vorkämpfer für die Bürgerrechte der Neger, in der Stadt willkommen geheißen und aufgefordert, auf einer Anzahl von Wählerregistrierungsversammlungen das Wort zu ergreifen. Mehrere Ortsgemeinden stellten ihm ihre Gebäude für Ansprachen zum Zweck der Rekrutierung von Freiwilligen und Beschaffung von Geldmitteln zur Verfügung. Das Ergebnis war, daß der schwarze Kandidat gewählt wurde. Die Ortsgemeinden spielten eine bedeutsame Rolle, und der neue Bürgermeister erklärte bei seiner Amtsübernahme, wenn sich die Kirchen der Stadt nicht so eingesetzt hätten, wäre er nicht gewählt worden. Ein anderes Beispiel betrifft das Verhältnis einer größtenteils weißen Vorortgemeinde zu einer größtenteils schwarzen Innenstadtgemeinde. Viele der zahlenmäßig besonders starken Gemeinden der Kirche der Jünger Christi befinden sich in den Vorortgebieten eines städtischen Großraums. Sie kommen daher mit den menschlichen Problemen, denen sich die im Herzen der Städte wohnenden, minder begüterten, einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten gegenübersehen, kaum in Berührung. Unter letzteren sind viele Schwarze. Eine Möglichkeit des Dienstes an diesen Men-

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sehen mit ihren vielerlei Problemen ist durch ein Programm von Gemeinde zu Gemeinde gegeben. Eine Anzahl von Vorortgemeinden hat sich um eine solche Verbindung von Kirche zu Kirche bemüht. Sie können auf diese Weise an einer bestimmten Stelle und mit bestimmten Menschen die CitySzenerie kennenlernen. Ihre Mittel werden jeweils auf einen begrenzten Bereich konzentriert, in dem sich Ergebnisse erzielen lassen. Solche Programm-Bande zwischen zwei Gemeinden umfassen: 1. Das Angebot von Rechtshilfe für Cii^-Bewohner durch Anwälte aus den Vororten und das Anerbieten von Unternehmern, Erwerbslose einzustellen; 2. direkte Hilfeleistungen für notleidende Familien, Bereitstellung von Sommerurlaubsplätzen und Campingaufenthalten für junge Leute aus den Stadtkernen; 3. Nachhilfeunterricht für diejenigen, die außerstande sind, von den öffentlichen Bildungseinrichtungen wirksamen Gebrauch zu machen; 4. Solidarisierung mit Bewohnern der Innenstädte, die sich nicht auf den Umgang mit großen öffentlichen Institutionen verstehen oder Ausübung eines wirksamen Druckes auf staatliche Behörden; 5. Gewährung von Beihilfen für das Kirchenprogramm einer City-Gemeinde, deren Mitglieder nur über beschränkte Geldmittel verfügen; 6. Uberbrückung dringender Notstände durch Bereitstellung von Lebensmitteln und Kleidungsstücken; 7. Entwicklung persönlicher Beziehungen zur Uberwindung der ökonomischen und Rassenschranken in der gegenwärtigen amerikanischen Gesellschaft. Die Vorortsgemeinde profitiert von solchen Programmen insofern, als sie dadurch mit den Problemen der Innenstädte auf eine ihr sonst nicht mögliche Art und Weise bekannt wird. Beispielsweise möchten manche mittelständischen Amerikaner, die Mitglieder einer Vorortsgemeinde sind, viele Fragen über das öffentliche Wohlfahrtswesen stellen, wissen jedoch nicht, wie sich dies System auf diejenigen auswirkt, die von ihm abhängig sind. Es wird zum großen Teil durch die Maßnahmen und das Vorgehen der Behörden gelenkt. Eine Gemeinde ging daran, das Fürsorgeproblem im einzelnen genau zu erforschen, und manche ihrer Mitglieder gewannen allmählich Einblick in die Beziehung zwischen den Entscheidungen der Legislative und deren Ergebnissen, wie sie sich in menschlichen Situationen niederschlagen. Die Mitglieder der in Rede stehenden Ortsgemeinde verfügten über genügend Einfluß und Geschick, um die örtlichen Gesetzgeber zusammenzurufen. Mitglieder der Vorortsgemeinde begleiteten Mitglieder der Ctty-Gemeinde zu einem Treffen mit den Gesetzgebern und versuchten, letzteren die Ansichten der City-Bewohner über Wohlfahrt und öffentliche Fürsorge nahezubringen. Die Gesetzgeber fühlten sich daraufhin bewogen, Änderungen im Fürsorgewesen zu befürworten, die den Fürsorgeempfängern mehr Bewegungsfreiheit und größere Möglichkeiten eröffneten.

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Ein drittes Beispiel betrifft die Art und Weise, wie eine Gemeinde ihre Einrichtungen dazu benutzt hat, um mit Studenten einer in der Nähe gelegenen Universität Fühlung zu bekommen. Die Studentenbewegung hat in Amerika letzthin an Dynamik gewonnen. Um mit ihr Kontakt zu bekommen, stellte eine Ortsgemeinde ihr Gebäude als Treffpunkt für Studenten und ihre Protestbewegungen zur Verfügung. Sie gab den Studenten überdies einen Raum, in dem sie die Aufsicht führen und Gelegenheit haben, in einem zwangloseren Rahmen zusammenzukommen und ihre Ansichten auszutauschen. Sie hat einen Mitarbeiter für die Zusammenarbeit mit den Studenten abgestellt. Als es zu scharfen Auseinandersetzungen auf dem Universitätsgelände kam, stand den Studentenführern für ihre Planungen allein das Kirchengebäude zur Verfügung. Der Stil ihres Gottesdienstes hat die wachsende Aufgeschlossenheit der Gemeinde für die Bedürfnisse junger Amerikaner widergespiegelt und sich von den mehr traditionsgebundenen Gottesdienstformen gelöst, um denjenigen Studenten, die das herkömmliche kirchliche Leben in Frage stellen, eine Möglichkeit zur Anbetung zu geben. Sie hat sich aktiv für Studenten eingesetzt, die Belästigungen und Anschuldigungen seitens staatlicher Stellen und dem Druck von Bürgern, die das Denken und Tun der Studenten überwachen möchten, ausgesetzt gewesen sind. Mit anderen Worten: die Gemeinde hat die Rolle eines Verfechters studentischer Interessen übernommen, wie das keine andere Institution getan hätte. Ein letztes Beispiel betrifft die Benutzung der Baulichkeiten einer Ortsgemeinde. In manchen Städten existieren große, solide gebaute Gebäude, die an kraftvolle Gemeinden einer vergangenen Epoche gemahnen. In unserer Zeit sind viele der Familien, die diesen Gemeinden einstmals angehörten, an die Ränder von Ballungsräumen gezogen und zu Vorortsbewohnern geworden. Neue Gemeinden wurden gebildet und die alten Gebäude geräumt. Dank dem Entgegenkommen einer nationalen und einer regionalen kirchlichen Instanz wurde eines dieser örtlichen Kirchengebäude zum Zentrum für die Aktivitäten von Minderheitsgruppen im Herzen einer amerikanischen Großstadt ausgestaltet. Eine Gemeinde der Kirche der Jünger Christi war darin nicht mehr untergebracht, aber das Gebäude gehörte immer noch der Kirche. Einige kirchliche Mitarbeiter wurden beauftragt, dort als Leiter und Hilfskräfte zu wirken, und der Bau wurde zur Benutzung durch die Gemeinschaft der nunmehr in seiner Umgebung Wohnenden freigegeben. Für seine Instandhaltung und Benutzung wurde ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt. Der Mitarbeiterstab war für alle Gemeinschaften und Minderheitsgruppen da. Eine aus Angehörigen einer Minderheitsgruppe bestehende baptistische Gemeinde machte sich das Anerbieten der Kirche der Jünger Christi zunutze. Desgleichen wohnte dort eine nichtreli-

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giöse schwarze Aktionsgruppe. Eine aus weißen Cify-Bewohnern bestehende fundamentalistische Gemeinde benutzte das Gebäude als Treffpunkt, und einem Gemeindeausschuß für soziale Aktionen diente es als Tagungsort. Eine andere Gruppe benutzte es als Medium, um ihrer Sorge über die Schulen der Gemeinde Ausdruck zu geben. Etliche Jugendgruppen wurden darin aufgenommen. Das Gebäude, das einstmals einer Ortsgemeinde gedient hatte, wurde derart zur Stätte für einen ganz besonderen geistlichen Dienst an einer neuen Gemeinschaft von Innenstadt-Bewohnern. Diese Beispiele ließen sich noch erweitern, und viele andere könnten hinzugefügt werden. Sie sollen lediglich dazu dienen, die Art und Weise zu veranschaulichen, wie sich Ortsgemeinden auf verantwortungsbewußte und wirkungsvolle Weise um ein soziales Engagement bemüht haben. Vieles von dem, was hier von Jünger-Gemeinden gesagt wurde, würde ebenso für die Ortsgemeinden anderer Denominationen gelten. Die Fähigkeit von Ortsgemeinden wie der Kirche der Jünger Christi als Ganzes, sich um ein wirkungsvolles Engagement im Bereich der sozialen Fragen und Kräfte zu bemühen und es zu finden, zeugt für die zunehmende Lebenskraft und den Vollbestand des christlichen Glaubens selber. Eine neue Reife im Sinne einer Humanisierung des Lebens für alle Menschen wird im Leben der Christen offenbar.

161 K A P I T E L VILI DIE KIRCHE DER J Ü N G E R CHRISTI DAS HÖHERE

U N D

BILDUNGSWESEN

HAROLD E . F E Y *

unter Mitwirkung von WILLIAM L. MILLER**

Die Kirchen waren die Wegbereiter im höheren Bildungswesen der Kolonien, aus denen später die Vereinigten Staaten hervorgingen. Puritaner gründeten im Jahre 1636 Harvard, Amerikas erste Hochschule. Sie war dem Immanuel-College der Universität Cambridge nachgebildet, und ihre Wahlsprüche lauteten „Christo et Ecclesiae" und „In Christi Gloriam". Ihre berühmte Absichtserklärung spiegelt die religiösen Ziele von Harvard, die von allen amerikanischen Schulen der Frühzeit geteilt wurden: „Nachdem Gott uns wohlbehalten nach Neu-England gebracht und wir unsere Häuser gebaut, für unseren Lebensunterhalt gesorgt, Gebäude zur Anbetung Gottes geschaffen und eine Regierung eingesetzt hatten, gehörte die Förderung der Wissenschaft und ihre Weitergabe an die nach uns Kommenden zu den Dingen, die wir als nächstes ersehnten und in Angriff nahmen, fürchteten wir doch, den Kirchen ungebildete Geistliche zu hinterlassen, wenn unsere derzeitigen Pfarrer dereinst wieder zu Staub geworden sein würden." 1 Diese Aussage spiegelt ferner die kulturellen Ziele der Begründer von Harvard, die von den anderen, später gegründeten Colleges geteilt wurden. Neun weitere traten vor der amerikanischen Revolution ins Dasein. Jedes der zehn wollte ,,die Wissenschaft fördern". Die Ausbildung der Geistlichen sollte auf breiter Grundlage erfolgen, und die Lehrkurse dienten nicht nur zur Heranbildung von Pfarrern, sondern auch von Führerpersönlichkeiten auf anderen Gebieten. Die Studienpläne trugen sämtlich ein religiöses Gepräge und waren auf die klassischen Sprachen ausgerichtet. Sie legten den Nachdruck auf die christliche Religion, aber auch auf die Sprachen und Literaturen der Griechen und Römer, auf Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaft. * Rev. Dr. Fey war früher Herausgeber der Zeitschrift „ T h e Christian Century". Er lebt jetzt im Ruhestand, hält jedoch noch Vorträge, arbeitet für die Kirchenunionskonferenz und hat Teil II der „Geschichte der ökumenischen Bewegung" herausgegeben. * * Rev. Dr. William L. Miller ist Präsident des Ausschusses für das höhere Bildungswesen der Kirche der Jünger Christi.

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Harold E. Fey

Aus diesen bescheidenen Anfängen ging im Laufe von drei Jahrhunderten ein umfassendes Bildungssystem hervor. Im Jahre 1972 gab es in den Vereinigten Staaten 2456 höhere Bildungsanstalten, die von insgesamt 7,1 Millionen Studenten besucht wurden. Es gab 1089 Anstalten, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden; an ihnen waren 5112 000 Studenten immatrikuliert. Die Zahl der privat getragenen Colleges und Universitäten belief sich auf 1467. An ihnen studierten 2024000 Personen. 2 Unter den privat getragenen Bildungsanstalten waren insgesamt 817 Colleges und Universitäten mit Kirchen verbunden. Diese mit Kirchen verbundenen Bildungsanstalten wurden von etwas mehr als einer Million Studenten besucht: von sieben Besuchern höherer Bildungsanstalten in den Vereinigten Staaten studierte also einer an einer solchen Anstalt. 3 Mithin empfingen fünf Siebtel aller Studenten eine staatlich kontrollierte höhere Bildung, ein Siebtel besuchte kirchlich gebundene Ausbildungsstätten und ein Siebtel andere privat getragene Institute. Im 19. Jahrhunden wurde die amerikanische Siedlungsgrenze in raschem Tempo nach Westen vorgeschoben. Von den mit der Kirche der Jünger Christi verbundenen achtzehn Colleges und Universitäten wurden vierzehn damals gegründet. Unter den Pionieren, die die neuen Gebiete besiedelten, waren Kirchenmänner, die häufig bei der Errichtung von höheren Bildungsanstalten in den neuen Gemeinden vorangingen. Aus Illinois wird über jene Zeit berichtet, daß „ein Siedler kaum sein Lager auf der Prärie aufschlagen konnte, ohne daß neben seinem Wagen ein College aus dem Boden schoß". Die Gründer vermuteten häufig, die von ihnen erhoffte Prosperität des Westens werde ihren aufstrebenden Anstalten zugute kommen. Doch viele der neuen Gemeinden sollten die Hoffnungen ihrer Gründer, daß ihre Colleges die Menschen anlocken und die Orte sich derart zu Großstädten entwickeln würden, enttäuschen; sehr viele Colleges gingen daher wieder ein. Gleichwohl wurde ein großer Teil der heute existierenden 817 kirchlich gebundenen Colleges im 19. Jahrhundert gegründet. Die Kirche der Jünger Christi steht in Hinsicht der Zahl der Colleges und Universitäten, mit denen sie in Verbindung steht, unter den amerikanischen Denominationen an neunter Stelle. An erster Stelle steht die römisch-katholische Kirche mit 339 Colleges und Universitäten. Die Methodistische Kirche ist mit 102, die beiden wichtigsten baptistischen Denominationen mit insgesamt 72, die beiden wichtigsten presbyterianischen Denominationen mit 71, die Vereinigte Kirche Christi mit 24, die Lutherische Kirche in Amerika mit 19 und die Christliche Kirche mit 18 verbunden. (Der Ausschuß für das höhere Bildungswesen der Christlichen Kirche unterhält insgesamt 32 Ausbildungsstätten - 1 8 Colleges und Universitäten, 4 theologische Seminarien, 3 durch Stiftungen unterhaltene Seminarhäuser

Die Kirche der Jünger Christi und das höhere

Bildungswesen

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an Universitäten, 6 Lehrstühle für Bibelwissenschaft [Schools of Religioη"] an Universitäten und ein Spezialinstitut.) Zwei andere lutherische Denominationen unterhalten insgesamt 25 Schulen. Die Siebenten-TagsAdventisten haben 12 Colleges und die Episkopalkirche und die Quäker je 11. Somit kommen auf 14 Denominationen 704 Bildungsanstalten; 50 kleinere Denominationen haben weitere 111. Im Jahre 1965 wurden die mit einer Kirche verbundenen höheren Bildungsanstalten im Durchschnitt von 1297 Schülern bzw. Studenten besucht. 4 Die Kirche der Jünger Christi und die Volksbildungsbewegung traten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Dasein und wirkten aufeinander ein. Als Alexander Campbell und Barton W. Stone die neuen Gemeinschaften des Mittelwestens zur Vereinigung ihres religiösen Lebens aufriefen, stand Horace Mann, der Leiter der staatlichen Schulbehörde von Massachusetts, im Begriff, den Grund zur Zusammenfassung der Bildungsanstrengungen in einem öffentlichen Schulwesen für alle zu legen. Viele der damals in den Mittelwesten Einwandernden kamen aus Neu-England, das zu jener Zeit die besten Bildungseinrichtungen - von einem System konnte freilich noch nicht die Rede sein - im ganzen Lande aufwies. Besonders zahlreich waren Neu-Engländer in der sogenannten „Western Reserve", einem Gebiet, das den Nordosten von Ohio und das westliche Pennsylvanien umfaßte, wo sich die erste Hochburg der Jünger Christi befand. Diese ,, Western Reserve" gehörte zum Nordwest-Territorium; im Jahre 1787 hieß es in einer Anordnung, die dieses Gebiet betraf: „ D a Religion, Sittlichkeit und Wissen die Voraussetzungen für eine gute Regierung und das Glück der Menschheit bilden, sind Schulen und Erziehungsmittel stets zu fördern." Das erste College, das die Kirche der Jünger Christi ins Leben rief, war das Bacon College in Kentucky. Es wurde im Jahre 1836 gegründet. Walter Scott, ein weithin bekannter Evangelist, wurde sein erster Präsident. Das Bacon College änderte mehrmals seinen Namen und Standort und ging schließlich in der heutigen Transylvania-Universität (im Jahre 1780 als College gegründet)5 auf. Vier Jahre nach der Eröffnung des Bacon College gründete Alexander Campbell unweit Pittsburgh im heutigen Staat West Virginia das Bethany College. Letzteres wird heute von 1150 Studenten besucht, die von achtzig Lehrpersonen unterrichtet werden. Die Transylvania-Universität hat fast ebenso viele Studenten und 66 Lehrpersonen. Die folgende kurze Uberschau über die mit der Kirche der Jünger Christi verbundenen höheren Bildungsanstalten erweist die starke und anhaltende Anteilnahme dieser Denomination an Bildung und Wissenschaft: 1. Atlantic Christian College in Wilson/North Carolina (gegr. 1902). 2. Butler University in Indianapolis (gegr. 1855).

164 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

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Chapman College in Orange/Kalifornien (gegr. 1861). Columbia College in Columbia/Missouri (gegr. 1851). Culver Stockton College in Canton/Missouri. Drake University in Des Moines/Iowa. Eureka College nahe Peoria/Illinois. Hiram College nahe Cleveland/Ohio (gegr. 1850). Jarvis Christian College in Hawkins/Texas. Lynchburg College in Lynchburg/Virginia (gegr. 1903). Midway College in Midway/Kentucky (gegr. 1847). Northwest Christian College in Eugene/Oregon (gegr. 1895). Philips University in Enid/Oklahoma (gegr. 1906). Texas Christian University in Fort Worth (gegr. 1873). Tougaloo College in Jackson/Mississippi (gegr. 1897). Transylvania University (s.o.). William Woods College in Fulton/Missouri (gegr. 1870).

Im höheren Bildungswesen empfängt die Kirche der Jünger Christi viel für wenig. Die Verbindung der Kirche mit den erwähnten Colleges kostet ihre Gemeinden nur 1065684 Dollar pro Jahr, bei jährlichen Ausgaben der Ausbildungsstätten in Höhe von insgesamt 69649275 Dollar. Die Anstalten werden teils durch Studiengebühren, teils durch die ihnen zugewendeten Einkünfte aus Stiftungsvermögen erhalten. Letztere machen insgesamt 8 760400 Dollar aus. Grund und Boden, Gebäude und andere Vermögensgegenstände stellten einen Wen von 304638800 Dollar dar.6 Uber ihre Verbindung mit Colleges und Universitäten hinaus nimmt die Kirche der Jünger Christi noch an drei anderen Kategorien des höheren Bildungswesens Anteil. Sie unterhält vier theologische Seminarien mit insgesamt 666 Studenten, darunter 406 Jüngern, die sich auf das geistliche Amt der Kirche der Jünger Christi und anderer Kirchen vorbereiten: 1. Brite Divinity School auf dem Gelände der Texas Christian University in Fort Worth. 2. Das Christian Theological Seminary in Indianapolis, unweit mehrerer Universitäten. 3. Das Graduate Seminary der Phillips-Universität in Enid/Oklahoma, ein integrierender Bestandteil der Phillips-Universität. 4. Das dem Theologischen Seminar der Universität von Kentucky benachbarte Lexington Theological Seminary. Als Ausbildungsstätterr für den geistlichen Dienst an den Jüngern Christi sind weiterhin drei durch Stiftungen unterhaltene Seminarhäuser von Bedeutung. Es sind dies Wohnheime in der Nähe einer anderen Universität oder eines anderen theologischen College. Im allgemeinen werden dort

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Christi und das höhere

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Lehrkurse in der Geschichte und Verfassung der Kirche der Jünger Christi abgehalten: 1. OÍS Disciples Divinity House an der Universität Chicago (gegr. 1894). 2. OÍS Disciples Divinity House an der Vanderbilt-Universität in Nashville/Tennessee. 3. Die der School of Theology in Claremont/Südkalifornien angegliederte Disciples Seminary Foundation. Beide sind mit den sechs vereinigten Colleges dieser südkalifornischen Stadt verbunden. 4. Die Missouri School of Religion auf dem Gelände der Universität von Missouri in Columbia. Sie ist die älteste „School of Religion", die einer staatlichen Universität angegliedert ist. Die vierte Kategorie von höheren Bildungsanstalten, die die Kirche der Jünger Christi ins Leben gerufen hat, trägt die Bezeichnung „Bibellehrstühle" und „Religionsschulen". Die Bahnbrecher für die Einrichtung dieser Institute für die Erteilung von Religionsunterricht an Staatsuniversitäten und einigen anderen Ausbildungsstätten waren die Frauen der Christian Church. Der erste „Bibellehrstuhl" in Amerika wurde im Jahre 1893 von dem Missionsausschuß Christlicher Frauen an der Universität von Michigan eingerichtet. Der Gedanke fand weithin Anklang, und heute werden mehrere solcher Institutionen von christlichen Kirchen gefördert: 1. Das Christian College of Georgia, eine Ausbildungsstätte und Betreuungsstelle in Zusammenarbeit mit der Universität von Georgia in Athens. 2. Die Nebraska School of Religion an der Universität von Nebraska in Lincoln. 3. Die Drury School of Religion in Springfield/Missouri. 4. Die School of Religion an der Universität von Kansas in Lawrence/ Kansas. 5. Die Illinois Disciples Foundation an der Universität von Illinois in Urbana. Die Glieder der Kirche der Jünger Christi, die etwa 0,5 Prozent der amerikanischen Bevölkerung ausmachen, unterhalten für etwa 0,5 Prozent der derzeit an Universitäten, Colleges und Seminarien Studierenden Ausbildungsstätten. Das ist durchaus nichts Außergewöhnliches, zeugt aber andererseits auch nicht von Gleichgültigkeit. Wahrscheinlich stehen die Kirchen in Hinsicht der direkten oder indirekten finanziellen Unterstützung, die sie dem höheren Bildungswesen angedeihen lassen, hinter der Nation zurück. Im Jahre 1972 verwandte die amerikanische Nation 8,2 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für das Bildungswesen, gegenüber 5,1 Prozent im Jahre 1960 und 3,4 Prozent im Jahre 1950. Das Verhältnis der oben aufgeführten Colleges, Universitäten und Semina-

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rien zur Kirche der Jünger Christi ist freiwillig. Die Denomination als solche ist nicht Eigentümerin dieser höheren Bildungsanstalten. Eine jede hat ihr eigenes Kuratorium, das die Besitzrechte zu eigen hat und gewöhnlich allgemeine Richtlinien erläßt. Oft gehören diesen Kuratorien Bezirks- oder Ortsgeistliche an, die jedoch, zusammen mit für Erziehungsfragen aufgeschlossenen Kirchengliedern, als Einzelpersonen ausgewählt werden. Vielen Verwaltungsräten gehören Personen an, die nicht Glieder der Kirche der Jünger Christi sind. Die Mitglieder dieser Verwaltungsräte üben ihre Tätigkeit im allgemeinen ehrenamtlich für eine bestimmte Anzahl von Jahren aus, und die Räte wählen ihre Nachfolger. Die auf Freiwilligkeit beruhende Verbindung zwischen den höheren Bildungsanstalten und der Kirche der Jünger Christi wird durch den Ausschuß für das höhere Bildungswesen aufrechterhalten, dessen Büros sich im Gebäude der Verlagsanstalt der Denomination in St. Louis befinden. Die Mitgliederschaft der Colleges und Universitäten in diesem Ausschuß ist freiwillig, doch gehören ihm sämtliche oben aufgeführten Ausbildungsstätten an. Der Ausschuß für das höhere Bildungswesen hat einen Mitarbeiterstab von elf Personen, darunter sieben Akademiker und vier Hilfskräfte. Seine Aufgabe ist ,,der Dienst an der Kirche der Jünger Christi durch christliche höhere Bildung". Er ist bestrebt, der Kirche die Anliegen und Probleme im höheren Bildungswesen darzulegen und, ,die Kirche um ihren Rat zu bitten, die Art und Weise betreffend, wie die Institutionen, mit denen sie zusammenarbeitet, zur Erfüllung ihrer Mission beitragen können". Er hilft zudem seinen „Mitgliedsinstitutionen bei der Erreichung und Aufrechterhaltung eines hohen akademischen Niveaus und fordert sie auf, bei ihren Beziehungen zu allen höheren Bildungsanstalten eine feste ethische Einstellung zu zeigen". Dem Ausschuß obliegt es, „über die Autonomie der Institutionen zu wachen und ihnen bei der Entwicklung für sie zweckdienlicher Programme zu assistieren". Im allgemeinen ist der Ausschuß bestrebt, die Kirche der Jünger Christi bei der Formulierung ihrer Ziele auf dem Gebiet des höheren Bildungswesens anzuleiten und „ein erstklassiges Programm in allen verwandten Bereichen des höheren Bildungswesens zu entwickeln und zu fördern". Der Ausschuß für das höhere Bildungswesen, der seit etwa sechzig Jahren besteht, weist fünf Departments auf. Eins davon ist für die finanzielle Unterstützung von Studenten zuständig. Ein anderes befaßt sich mit der Gewinnung und Förderung von Studenten und Seminaristen, die ein geistliches Amt anstreben. Ein drittes Arbeitsgebiet ist die Zusammenarbeit mit zehn Denominationen im Bereich des höheren Bildungswesens. Das vierte Department führt Listen von Jüngern, die im höheren Bildungswesen tätig sind, und stellt Ausschüssen, die Pädagogen oder Verwaltungsbeamte su-

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chen, Angaben über den Werdegang qualifizierter Personen zur Verfügung. Das fünfte Department ist mit Verwaltungs- und Forschungsaufgaben befaßt. Derzeit wird dort für die Denomination eine „Analyse der Ausbildung für den geistlichen Dienst in der Kirche der Jünger Christi" ausgearbeitet. Daß die Kirche der Jünger Christi keine sektiererische Sondergemeinschaft ist, sondern in den Hauptstrom des protestantischen Lebens in Amerika eingebettet ist, läßt sich auch an der Ausrichtung ihrer höheren Bildungsanstalten ablesen. In ihnen allen dominieren die der Kirche der Jünger Christi angehörenden Studenten und Lehrpersonen derzeit nicht mehr. Wohl kommen immer noch viele Studenten aus Familien der „Christlichen Kirche", doch die Mehrzahl kommt heute aus anderen Denominationen. Alle oder fast alle Schulen fühlen sich nach wie vor der Denomination bis zu einem gewissen Grade moralisch, wenn auch nicht rechtlich, verpflichtet, meinen aber auch, der Öffentlichkeit ihren Anteil an den Bildungsmöglichkeiten nicht vorenthalten zu dürfen. Der verstorbene Harlie L. Smith, ehedem Präsident des Ausschusses für das höhere Bildungswesen, war sich über diesen Trend im klaren und betonte, er sei mit der vollen Zustimmung der Kirchen zustande gekommen, ohne daß es zu den Spannungen gekommen sei, die in manchen anderen Denominationen zutage traten. 7 Als Folge dieses Wandels ist eine Zunahme der weltlichen Tendenzen in den kirchlichen Colleges und Universitäten zu verzeichnen. Eine Analyse der von einzelnen Colleges und Universitäten angegebenen Bildungsziele weist auf ein weites Spektrum, das sich von dezidiert christlichen bis zu mehr oder weniger freidenkerischen Zielen erstreckt und von einer auf der christlichen Lebensweise fußenden „Erziehungslehre" bis zu „ethischen und geistigen Werten, die der Selbstverwirklichung dienen" reicht. Es ist auch zu bemerken, daß das Erreichte nicht immer den proklamierten Zielen entspricht. Schwierig ist es vor allem, gebildete praktizierende Christen als Lehrpersonen zu gewinnen. Die Fakultäten der Kirchen-Colleges können solche Personen nicht in genügender Anzahl bekommen, doch ohne sie ist eine christliche Erziehung nicht denkbar. Wohlmeinende, doch großenteils uninformierte Kirchenmänner in einer Fakultät tendieren im allgemeinen dahin, Religion und Erziehung als zwei völlig verschiedene Aktivitäten anzusehen. Die sorgfältige Analyse der kirchlich geförderten höheren Bildungsanstalten in den Vereinigten Staaten, die kürzlich vom Amerikanischen Bildungsrat veröffentlicht wurde und der die oben zitierten Worte entnommen sind, faßt ihre Bewertung der religiösen Aspekte der mit einer Kirche in Verbindung stehenden Ausbildungsstätten wie folgt zusammen: „Wir sind der Ansicht, daß die Religion in den Lehrprogrammen dieser Bildungsanstalten

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nicht eine so große Rolle spielt, wie man es erwarten sollte. Tatsächlich spricht vieles dafür, daß die Kirchen-Colleges alles in allem mehr akademisch (im nichtreligiösen Sinne) als religiös ausgerichtet sind. Wir sind uns darüber klar, daß diese Schlußfolgerung einer in der Öffentlichkeit wie in den Lehrkörpern von Hochschulen weitverbreiteten Annahme widerspricht." Die Analyse bemerkt, dies sei „ein weiteres Beispiel für die Art und Weise, wie sich das, was in den Kirchen und in der Theologie vorgeht, auf die den Kirchen angegliederten Colleges und Universitäten auswirkt. Die jeweilige Bestimmung des Christentums bzw. Judentums beeinflußt die Rolle, die man der Religion in den kirchlich geförderten Bildungsanstalten zuweist, ja die Antwort auf die Frage, ob solche Institutionen überhaupt eine Daseinsberechtigung haben." 8 Eine ebenfalls vom Amerikanischen Bildungsrat geförderte Analyse aus dem Jahre 1968 über ,,Die Bildungsziele der Universitäten und die Macht der akademischen Ausbildungsstätten" läßt erkennen, daß die Lage der höheren Bildungsanstalten der Christian Church für das amerikanische Bildungswesen im allgemeinen kennzeichnend ist: „Obwohl man sich darüber einig ist, daß die moderne Universität zu den wichtigsten Einrichtungen unserer Gesellschaft zählt, läßt sich ein solcher Konsensus über ihre Rolle und ihren Zweck nicht konstatieren." Die Analyse stellt fest, daß den Lehrpersonen vor allem ihre akademische Freiheit am Herzen lag, die Frage „Freiheit wovon" und „Freiheit wozu" von ihnen jedoch völlig ausgeklammert wurde. 9 Ein in einem mit der Kirche der Jünger Christi verbundenen College lehrender Professor wies indes auf die Schwäche einer solchen Einstellung hin. Er bemerkte: „Offenheit und Liberalität zu zeigen, dürfte einem College heutzutage zumeist nicht schwer fallen, schwieriger dagegen die Erkenntnis, daß eine offene Gesellschaft nur solange stark ist, wie sich innerhalb ihres liberalen Rahmens starke Stimmen zur Geltung bringen. Die offene Gesellschaft und die College-Gemeinschaft sind nur lebensfähig, wenn die Menschen für etwas einstehen und sich Gehör zu verschaffen wissen. Es macht das Wesen einer freien Gesellschaft aus, daß man dem anderen zuhört und ihn achtet, doch gleich danach kommt das Aussprechen der eigenen Überzeugungen und ihre Geltendmachung. Hier, so scheint mir, fällt den kirchlich geförderten liberalen Colleges die bedeutsame Rolle zu, nicht nur den Pluralismus der Gesellschaft als Ganzes zu spiegeln, sondern einen dezidierten, auf ihr christliches Erbe und ihre christlichen Uberzeugungen gegründeten Standpunkt zu vertreten. Sonst wird der Anspruch, mit einer Kirche verbunden zu sein, heuchlerisch und führt dazu, das College in eine Grauzone zu rücken, wo es sich von den anderen nicht mehr unterscheidet. Wenn die kirchlich gehaltenen Colleges den Fehler begehen, daß

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sie ihre religiöse Perspektive zu stark herausstellen, so laufen die liberalen, einer Kirche angegliederten Anstalten derzeit Gefahr, überhaupt jegliche religiöse Orientierung einzubüßen. Das ist das Problem, vor dem wir heute stehen.. . " 1 0 Die höheren Bildungsanstalten der Kirche der Jünger Christi, einschließlich der theologischen Seminarien, sind zwangsläufig von der Glaubenskrise mit betroffen, die die amerikanische Gesellschaft derzeit durchmacht. Was die Kirchen angeht, so sind sie am meisten von der Heraufkunft der radikalen Theologie, der Bibelkritik und den Riesenfortschritten der Wissenschaft, vor allem auf biologischem Gebiet, betroffen. Die kirchlichen Schulen sind ferner von der Gewissenskrise betroffen, die die amerikanische Gesellschaft derzeit durchlebt. Angesichts der Realitäten der Gegenwart haben sich die hochtönenden Reden von amerikanischer Demokratie und von der christlichen Brüderlichkeit der Menschen unter Gott schließlich in nichts aufgelöst. Wir haben uns in dem Glauben gewiegt, der Schmelztiegel habe die verschiedenartigen Bestandteile unseres nationalen Lebens auf einen Nenner gebracht und sie vielleicht nicht egalisiert, aber doch Kommunikation zwischen ihnen ermöglicht. Die Ereignisse der letzten Jahre haben uns zum Bewußtsein gebracht, daß wir niemals aufgehört haben, die Indianer aus unserem nationalen Leben auszuschließen, und daß wir die Neger und Lateinamerikaner stets als zweitrangige Menschen behandelt haben. Die Technokratie hat riesige Mengen von Landleuten entwurzelt und in Städten zusammengepfercht, die auf diesen Ansturm in keiner Weise vorbereitet waren. Am schlimmsten war für uns die Entdeckung, daß die Regierung unserer Kontrolle in einem Ausmaß entglitten ist, daß die Bürger weder den Beginn von Kriegen verhindern noch diese beenden können, wenn sie erst einmal begonnen haben. Alles dies hat einen beispiellosen Verlust an Vertrauen auf die Institutionen Amerikas erzeugt, wie sie von jeher betrieben wurden, und das Verlangen, sie zu ändern. Was die höheren Bildungsanstalten betrifft, so stehen sie keineswegs im Begriff, vor den geistfeindlichen Elementen zurückzuweichen, die jeden Mangel im Schulwesen sogleich begierig aufgreifen. Es ist eher so, daß der Kampf um ein neues nationales Einheitsgefühl und um Ziele, die der heutigen, durch gegenseitige Abhängigkeit gekennzeichneten Welt angemessen sind, von Pädagogen angeführt wird, die in den mit einer Kirche verbundenen Schulen wirken. Die Anzahl der Schulen, die Darlehen für Studienaufenthalte im Ausland gewähren, ist ein Zeichen dafür. Die Teilnahme von Studenten und Lehrpersonen an Antikriegsdemonstrationen, die ständig wachsende Anteilnahme an ökologischen Problemen, der Widerstand gegen Verträge mit dem Verteidigungsministerium sind weitere Strohhalme

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im Wind des Wandels. Die Zukunft bietet sich uns völlig anders dar als unseren Vätern, doch vertraut man immer noch darauf, daß starke neue Glaubens· und Aktionsfundamente gelegt werden, daß eine Reform der amerikanischen Institutionen unumgänglich und möglich ist und daß die Vereinigten Staaten ihrer Verpflichtungen in der heraufkommenden Welt eingedenk bleiben werden. Dieses Vertrauen begegnet vor allem in unseren höheren Bildungsanstalten und gründet sich großenteils auf sie.

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171 KAPITEL IX DIE KIRCHE DER JÜNGER CHRISTI U N D DIE MISSIONSTÄTIGKEIT IN ÜBERSEE J . EDWARD MOSELEY*

unter Mitwirkung von

VIRGIL A . SLY**

Seit dem Jahre 1849 treibt die Kirche der Jünger Christi Mission in Ubersee. Da die Jahre 1804 („Letzter Wille und Testament des Presbyterìums Springfield") und 1809 („ Erklärung und Denkschrift") gewöhnlich als Beginn dieser Evangelisations- und Einheitsbewegung bezeichnet werden, nahm die Kirche also schon bald, nachdem sie ins Dasein getreten war, Anteil an der Verkündigung des Evangeliums an die Menschen in allen Ländern. Im Jahre 1849 organisierten sich die Jünger auf nationaler Ebene. Im selben Jahr trat auf derselben Tagung die „Amerikanische Christliche Missionsgesellschaft" ins Leben. Beide Ereignisse wurden als Teil derselben Aktion betrachtet. Von Anbeginn an war die Organisation der Kirche auf Mission angelegt. Alexander Campbell, der in ihr den meisten Einfluß ausübte, wurde sowohl zum Präsidenten des Generalkonvents der „Christlichen Kirchen der Vereinigten Staaten" wie zum Präsidenten der „Amerikanischen Christlichen Missionsgesellschaft" gewählt. Um die seiner Führung Unterstellten auf diesen Schritt vorzubereiten, schrieb Alexander Campbell im Jahre 1842 in seinem,,Millennial Harbinger": „1. Ohne Zusammenarbeit können wir vergleichsweise wenig zur Verbreitung der Bibel im Ausland tun. * Rev. Dr. J. Edward Moseley war als freier Schriftsteller für die Disciples of Christ

Historical

Society tätig, deren erster Präsident er war. Er starb am 30. Oktober 1973. ** Das vorliegende Kapitel wurde ursprünglich von Rev. D r . Virgil A. Sly erbeten als von demjenigen, der damals in erster Linie für die Gestaltung der Äußeren Mission der Kirche der Jünger Christi verantwortlich war. Da er als Präsident der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" sehr mit Arbeit überhäuft war, beauftragte er J. Edward Moseley, das Kapitel unter seiner Mitarbeit zu verfassen, was auch geschah. Die beträchtliche Zeitspanne, die seit der Abfassung verstrichen war, D r . Slys Pensionierung und der Wechsel in der Führung der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" wie auch die allgemeine Anlage des Buches veranlaßten den Herausgeber, nach Beratung mit Rev. D r . T. J. Liggett, dem gegenwärtigen Präsidenten der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft", und Rev. Dr. Robert A. Thomas, dem derzeitigen Geschäftsführer der „Abteilung für Missionstätigkeit in Ubersee", das Kapitel in stärkerem Ausmaß als normalerweise üblich zu revidieren.

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2. Auf dem riesigen Welt-Missionsfeld können wir ohne Zusammenarbeit weder im Inland noch im Ausland viel bewirken. 3. Ohne Zusammenarbeit können wir nur wenig oder gar nichts zur Verbesserung und Hebung des christlichen geistlichen Dienstes tun. 4. Ohne Zusammenarbeit können wir nur wenig zur Eindämmung und Beseitigung der Betrügereien und Täuschungen tun, denen unsere hilfsbereiten Brüder immer wieder zum Opfer fallen. 5. Wir können die Energien der Zehntausende Israels nicht zu irgendeiner großen christlichen Unternehmung zusammenfassen, es sei denn durch Zusammenwirken. 6. Ohne eine breitere, extensivere und durchgliedertere Kirchenorganisation können wir zu keiner wirksamen Zusammenarbeit gelangen." 1 Die jährlichen Tagungen der Gesellschaft konnten den darauf vertretenen Gemeinden keine Anweisungen erteilen. Sie war in Wirklichkeit ein freier Zusammenschluß einzelner Christen zu einem freiwilligen Verein und als solcher kennzeichnend für das 19. Jahrhundert. Der Grundsatz einer Delegiertenversammlung, der im Jahre 1849 für den die Gesellschaft begründenden Konvent vorgeschlagen wurde, wurde abgelehnt zugunsten einer Massenversammlung, weil nur verhältnismäßig wenig Anwesende von ihren Kirchen bevollmächtigt worden waren. Dennoch tendierten die Gesellschaften und ihre späteren Nachfolgerinnen tatsächlich dahin, die meisten Jünger zusammenzubringen und ebenso zu einer verantwortlichen Vertretung wie zu weiteren Missionsanliegen beizutragen. Der Name der neuen Organisation spiegelte die Idee, daß „die Sache der Mission eine einzige ist" ; dieser Gedanke ist bis auf den heutigen Tag für die Missionsorganisationen der Jünger kennzeichnend geblieben. Als erster Missionar wurde Dr. James Turner Barclay (1807-1874) ausgesandt. Nach dem Abschluß seines medizinischen Studiums an der Universität von Pennsylvanien studierte er an der Universität von Virginia alte Sprachen. Er vertrat den Gedanken, daß die Mission ,,in Jerusalem beginnen" müsse, um danach in andere Teile der Welt vorzudringen. Dr. Barclay traf am 8. Februar 1851 zum ersten Mal in Jerusalem ein. Entgegen seinen Erwartungen mußte er feststellen, daß dort bereits christliche Missionen und Missionare wirkten. Ungeachtet vieler Widerstände arbeitete er dort drei Jahre, ehe er wieder in die Vereinigten Staaten zurückkehrte. Er ging dann noch einmal nach Jerusalem, mußte seine Missionstätigkeit aber wegen unzureichender finanzieller Unterstützung im Jahre 1861 aufgeben. Der zweite Missionar, den die „Amerikanische Christliche Missionsgesellschaft" aussandte, war Alexander Cross (1811 ?—1854). Der ehemalige

Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Übersee

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Sklave ging im Jahre 1854 nach Liberia, wo er indes schon bald nach seiner Ankunft verstarb. Der nächste Versuch, äußere Mission zu treiben, führte dazu, daß sich Julius Oliver Beardsley (1814-1879) im Jahre 1858 nach Jamaika aufmachte. Die dortige Mission existierte bis zum Jahre 1866, in welchem sie, ebenfalls wegen unzureichender finanzieller Unterstützung, für eine Weile aufgegeben wurde. Die ersten drei Missionare der Jünger weisen auf ihren „Pluralismus" : Der in Virginia geborene Dr. Barclay war Sklavenhalter gewesen; Cross war Sklave gewesen, freigelassen und von Freunden ausgebildet worden; Beardsley war ein Verfechter der Sklavenbefreiungsidee. Es ist daran zu erinnern, daß diese Jahre, in denen die Jünger mit ihrer Missionsarbeit in Ubersee begannen, zu den schwierigsten der Vereinigten Staten überhaupt gehörten. Die Spannungen zwischen den Staaten, in denen die Sklaverei verboten war, und denjenigen, in denen schwarze Sklaven einen integrierenden Bestandteil der Volkswirtschaft bildeten, trieben damals dem Höhepunkt zu. Es kann nicht überraschen, daß ein kurz vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs begonnenes Missionsunternehmen aus Geldmangel eingestellt werden mußte und daß die Jünger ihre Missionstätigkeit in Ubersee erst im Jahre 1874 wieder aufnahmen, als die Kriegswunden allmählich zu vernarben begannen. Der erste Anstoß zu einem erneuten Interesse für eine Missionstätigkeit der Jünger in Ubersee ging von einer Gruppe von etwa 75 Frauen aus neun Staaten unter der Führung von Caroline Neville Pearre (1831-1910) aus. Diese Frauen schufen nicht nur eine Organisation, mit deren Hilfe Missionare ausgesandt werden konnten, sondern auch die Voraussetzungen für die Vorbereitung von Männern und Frauen für das Missionsfeld und für ihre Unterstützung bei ihrer Tätigkeit. Im Oktober 1874 wurde der „Missionsausschuß Christlicher Frauen" gebildet. Es war dies dasselbe Jahr, in dem der Abstinenzverein Christlicher Frauen ins Dasein trat. Zu Beginn desselben Jahres wurden in den Christian Churches von Des Moines und Iowa City/Iowa sowie von Indianapolis/Indiana örtliche Missionsgesellschaften gebildet. Auf die Errichtung des „Missionsausschusses Christlicher Frauen" folgte im nächsten Jahr, 1875, die Gründung der „Christlichen Gesellschaft für Äußere Mission". Die Arbeit des „Missionsausschusses Christlicher Frauen" setzte zu Anfang des Jahres 1876 mit der Wiederaufnahme der Mission in Jamaika ein, doch galt seine Tätigkeit nicht nur dem äußeren Missionsfeld, sondern auch dem inneren. Die „Christliche Gesellschaft für Äußere Mission" wurde zum Zweck der Missionsarbeit unter Nichtchristen gebildet, begann im

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Jahre 1876 aber auch in protestantischen Hochburgen wie England, Norwegen und Frankreich sowie in der Türkei zu wirken. Diese „Missionen" gründeten Gemeinden, die genau dem von den Gründervätern der Jünger erarbeiteten Modell entsprachen. Die „Christliche Gesellschaft für Äußere Mission" nahm erst im Jahre 1882 ihre Tätigkeit in Indien und später in Japan, China, Afrika und in anderen nichtchristlichen Ländern auf. Der „Missionsausschuß Christlicher Frauen" kam 1881 nach Indien, 1895 nach Mexiko und später in andere karibische und südamerikanische Länder. Während der Streit um die Errichtung ständiger Missionsanstalten durch Missionsausschüsse der Jünger seinen Fortgang nahm, verfestigte sich der Widerstand gegen die Gesellschaften. Es entstand eine sich ständig verbreiternde Kluft zwischen denjenigen, die lediglich die Wiederherstellung der „ursprünglichen Ordnung der Dinge" anstrebten, und den Förderern der Missionsgesellschaften. Diese Spaltung führte schließlich zur allmählichen Heraufkunft zweier religiöser Körperschaften, die im Jahre 1906 endgültig ins Dasein traten. Vor dem endgültigen Bruch hatten die „Kirchen Christi", die die Gesellschaft bekämpften, ihren ersten Heidenmissionar ausgesandt. Inzwischen gründeten die Jünger-Missionare im Dienst der Missionsausschüsse, von evangelistischem Eifer zur Bekehrung von Nichtchristen erfüllt, Gemeinden. Sie wirkten im allgemeinen in Gebieten, für die sie die Zuständigkeit übernommen hatten. Die Praxis des freundschaftlichen Einvernehmens2 wurde, als sie um die Jahrhundertwende aufkam, angenommen, und auf den verschiedenen Missionsfeldern entwickelte sich später eine erfreuliche Zusammenarbeit. Die Missionsstationen der Jünger wirkten durch Schriften, Schulen, medizinische Behandlungsstellen und Kinderheime. Ursprünglich waren diese dazu ausersehen, das Zeugnis der Jünger zu verstärken. Der Hauptstimmführer der Jünger auf dem äußeren Missionsfeld war viele Jahre hindurch Archibald McLean (1849-1920). Weithin als der „Missionsapostel" bekannt, war er von 1882 bis 1900 Sekretär der „Christlichen Gesellschaft für Äußere Mission" und danach bis zur Bildung der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" im Jahre 1920 ihr Präsident. Ohne Frage verstand McLean es, in den selbstzufriedenen Jünger-Gemeinden ein Gefühl der Verantwortung für die äußere Mission wachzurufen. Er wurde dadurch wie niemand sonst für sie zum Symbol dieses Anliegens. Kirchenhistoriker haben ihn „eine unvergeßliche Persönlichkeit" und „einen der hingebungsvollsten missionarischen Geister überhaupt" genannt. 3 Des weiteren hieß es, er bete täglich für jeden im Ausland tätigen Missionar, und keiner, der ihn kannte [wie ich es tat], wird daran zweifeln.4 Mc Lean vertrat die „Christliche Gesellschaft für Äußere Mission" auf der

Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Übersee

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ersten interdenominationellen Missionskonferenz in London im Jahre 1888. Später, im Jahre 1910, war er Vorsitzender der 23köpfigen JüngerDelegation zur Weltmissionskonferenz in Edingburgh. In der Zeit zwischen diesen Tagungen wandelte sich der strikte Anhänger der Wiederherstellung der neutestamentlichen Zustände augenscheinlich in einen realistischeren Verfechter der christlichen Einheit durch interdenominationelle Zusammenarbeit. Als er im Jahre 1895 eine Reise zu verschiedenen Missionsstationen in der ganzen Welt antrat, schrieb er beispielsweise: „Bei aller Anerkennung des Guten in anderen religiösen Gemeinschaften, müssen wir doch daran festhalten, daß sie in einigen wichtigen Dingen im dunkeln tappen. Uns obliegt es, die Wahrheit zu verbreiten, die Gott uns geoffenbart hat, bis alle sie erkennen." 5 Vermutlich trugen die Besuche, die er den Missionsstationen anderer Denominationen abstattete, und die Gespräche mit ihren Missionaren zu seinem Sinneswandel bei, schrieb er doch am Ende seiner Reise: „Die Evangelisation der Welt ist ein ungeheures Unterfangen. Es ist die gewaltigste Aufgabe, die jemals von Menschen in Angriff genommen wurde . . . Die Mission bringt die Christen einander näher . . . Sie empfinden die Notwendigkeit der Vereinigung, um dem Feind eine geschlossene Front darbieten zu können. Sie stehen sich hier näher als in der Heimat, ist doch ihre Predigt schriftgemäßer und einfacher." 6 Als im Jahre 1893 die „Äußere Missionskonferenz von Nordamerika" gegründet wurde, beteiligten sich die Jünger durch McLean daran. Der Missionsausschuß der Jünger ist seither mit ihr wie mit ihrer Nachfolgerin so gut wie identisch. Er nahm im Jahre 1916 an der Bildung des Komitees für Zusammenarbeit in Südamerika teil und stellte in der Person von Samuel Guy Inman (1877-1965) dessen ersten Exekutivsekretär. Der „Missionsausschuß Christlicher Frauen" errichtete in Indianapolis/Indiana in unmittelbarer Nachbarschaft der Butler-Universität eine einzigartige Ausbildungsstätte für Missionare. Dieses College of Missions, wie es genannt wurde, öffnete im Jahre 1910 seine Pforten und bestand bis zum Jahre 1927. Als erste Ausbildungsstätte für Missionare bot es einen vollständigen Lehrgang, der den Empfehlungen der Edinburgher Missionskonferenz des Jahres 1910 entsprach. Die Anstalt wurde im Jahre 1928 der Kennedy School of Missions der Hartford Seminary Foundation in Hartford/Connecticut angegliedert. Gegen das Jahr 1920 hatten sich die drei alten Missionsausschüsse - die im Jahre 1848 gegründete „Amerikanische Christliche Missionsgesellschaft", der im Jahre 1874 gebildete „Missionsausschuß Christlicher Frauen" und die „Gesellschaft für Äußere Mission" von 1875 - zusammen mit einigen anderen Gremien der Jünger zur „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" verschmolzen.

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]. Edward Moseley

Innerhalb dieser Organisation, die den ersten Versuch der Jünger Christi in den Vereinigten Staaten und Kanada darstellte, eine allgemeine Umstrukturierung vorzunehmen, und die die Mitgliederschaft des Internationalen Konvents auf einer eigens einberufenen Tagung dazu veranlaßte, ihre Aktionen zu billigen und ihren Verwaltungsausschuß zu wählen, trug die mit der Missionsarbeit in Ubersee befaßte Sektion die Bezeichnung,,Foreign Division". Die Organisationen, die ihr vorangegangen waren, waren seit 1876 in Jamaika, seit 1882 in Indien, seit 1883 in Japan, seit 1886 in China, seit 1899 in Afrika, seit 1903 in Tibet, seit 1906 in Argentinien, seit 1912 in Puerto Rico und seit 1919 in Mexiko tätig gewesen. Da die „Vereinigte Christliche Missionsgesellschaft" zu dem Zweck ins Leben gerufen worden war, die Tätigkeit der Gremien der Jünger Christi zu koordinieren, war ihr Arbeitsfeld ein sehr viel weiteres als das, was man damals als Heidenmission bezeichnete. Es war dies ein erfolgloser Versuch, die Arbeit auf nationaler Ebene zusammenzufassen, denn eine Anzahl Gremien zogen sich später zurück, und als sie ins Dasein trat, blieben einige Arbeitsbereiche ausgeschlossen. Dessenungeachtet beschränkte sich ihr Arbeitsfeld nicht auf die Missionstätigkeit in Ubersee : ihre andere Hauptabteilung, die verschiedene Namen trug, aber heute,,Division of Homeland Ministries" heißt, war für die wichtigen inneren Missionsgebiete der christlichen Erziehung, Inneren Mission, Programmgestaltung für die Ortsgemeinden und christlichen Sozialtätigkeit und Fürsorge zuständig. Im Jahre 1928 verlegte die „Vereinigte Christliche Missionsgesellschaft" ihren Sitz von St. Louis/Missouri nach Indianapolis/Indiana. Sie hatte damals zehn Arbeitsfelder und 314 in Ubersee wirkende Missionare. Die streng denominationeile Einstellung war damals schon im Schwinden begriffen. Tatsächlich bildete für die „Unabhängigen" vor allem die Bereitschaft der Missionare, andere Christen als gleichberechtigt anzusehen, einen Stein des Anstoßes (vgl. Kap. I). Im Jahre 1929 kam es in den Vereinigten Staaten zu einer Wirtschaftskrise, die beträchtliche Auswirkungen auf das Finanzaufkommen der Kirche hatte. Allen Schwierigkeiten zum Trotz wurde damals aber nur das Missionsfeld Tibet aufgegeben, wenn sich die Zahl der in Ubersee tätigen Missionare auch zwangsläufig verringerte. Die unablässigen Angriffe der Jünger-Scholastiker auf Maßnahmen, die eine langsame und überlegte Annahme der ökumenischen Prinzipien in der Äußeren Mission darstellten, verursachten viel Bitterkeit und bewirkten eine gewisse Schwächung. Diese „Unabhängigen" erhielten ihren Spottnamen großenteils aufgrund der Tatsache, daß sie ihre Missionare selbständig unterstützten und dies damit rechtfertigten, daß Gesellschaften von Einzelpersonen nicht die Missionsarbeit der Kirche leisten sollten. Natürlich hielten viele von ihnen dafür, daß die Ortsge-

Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Übersee

177

meinde die einzige Manifestation der Kirche sei, die sich auf das Neue Testament berufen könne. Durch ihren Rat für die Einheit der Christen - unter seinem neuen Namen „Vereinigung für die Förderung der Einheit der Christen" - und dann durch den „Internationalen Konvent", der im Jahre 1917 gebildet worden war, begann die Kirche der Jünger Christi in den von der ökumenischen Bewegung geschaffenen Organisationen mitzuarbeiten. Wie Joseph M. Smith (geb. 1912), derzeit Exekutivsekretär der Ostasienabteilung, im Jahre 1961 in seiner Dissertation,,^ Strategy of World Mission, The Theory and Practice of Mission as Seen in the Present World Mission Enterprise"7 betonte, gehen die Jünger solch ein Problem nur selten theoretisch und theologisch an. Sie neigen dazu, anderwärts entwickelte theologische Ideen aufzugreifen und zu verschmelzen, um sie dann als Rechtfertigung von Richtschnuren zu benutzen, zu denen sie in Wirklichkeit auf pragmatische Weise und intuitiv aufgrund ihres Verständnisses des christlichen Glaubens und des Wesens der Kirche gelangt waren. Joseph Smith glaubt, daß ,,A Strategy of World Mission" zur Rechtfertigung der ökumenischen Einstellung der Jünger sowohl wie ihrer Bestrebungen zur Vereinigung mit anderen Kirchen in Gebieten, wo sie Missionen unterhielten, in starkem Ausmaß Wendungen und Gedanken benutzte, die auf den verschiedenen Tagungen des Internationalen Missionsrates entwickelt worden waren. Die Führer der Jünger waren von der Richtigkeit dieser Grundsätze überzeugt, obwohl ihnen ihre theologische oder theoretische Begründung einigermaßen schwergefallen wäre. Ein solches Verfahren entsprach durchaus den Techniken, mittels deren die Jünger zu ihren tiefverwurzelten Uberzeugungen bezüglich der Einheit der Christen gelangten. Auf die gleiche Weise stimmte die Kirche der Jünger Christi mit den auf diesen Konferenzen zum Ausdruck gebrachten Ansichten überein, wonach die eingeborenen Kirchenführer maßgeblich an Entscheidungen zu beteiligen seien und die auf den Missionsfeldern entstehenden Kirchen sobald als möglich autonom werden müßten. Zweifelsohne lagen die Wurzeln dieses Verhaltens in der demokratisch-freiheitlichen Orientierung der Jünger. Die Autonomie der Ortseinheiten war das leicht faßbare theoretische Prinzip, das die Jünger-Gemeinden in Japan nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges befähigte, im Kyodan zu verbleiben. Gleichzeitig erhellte Smiths „Strategy of World Mission"8 die Motivierung, die den Missionsleitern die Entscheidung bestimmter Fragen, in denen es für sie zu handeln galt, erleichterte, und gab ihnen eine überzeugende Grundlage, von der aus sie dem Unbehagen, den Fragen oder gar Herausforderungen seitens der Jünger-Scholastiker zu begegnen vermochten, die die Aufgabe der Mission immer noch in der Verbreitung ihrer Spielart von neutestamentlichem Christentum in der

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Moseley

ganzen Welt sahen. Aufrichtige Anhänger setzte die Schrift überdies mit instand, einen Positionswechsel zu einer mehr ökumenischen Sehweise vorzunehmen. Die Richtlinien für die Äußere Mission, die anfangs 1959 in einer revidierten Form angenommen wurden, postulierten u. a. folgende sieben Grundsätze: 1. Weltweite Gemeinschaft, wobei eine jede Kirche aufgefordert bleibt, eine missionierende Gemeinschaft zu werden, und jeder Christ, ein Missionar zu werden. 2. Die Aufgabe der Kirche in einer im Umbruch befindlichen Welt besteht darin, daß ihre Vereinigte Missionsgesellschaft stets bestrebt bleibt, ungeachtet der sich auf allen Missionsfeldern in raschem Tempo vollziehenden gesellschaftlichen Umwandlungen allen Menschen das Evangelium nahezubringen. 3. Die älteren und die jüngeren Kirchen müssen zusammenarbeiten, um die Kirchen in Ubersee beständig stärker und größer zu machen. 4. Mission und Einheit, vermittels welcher die „Vereinigte Missionsgesellschaft" an jedem gutgeheißenen Gemeinschaftsunternehmen innerhalb der durch ihre finanziellen und personellen Beschränkungen gezogenen Grenzen mitwirkt. 5. Mobilität und Flexibilität der Programme. Sie erfordert gegebenenfalls die für eine Verbesserung des Zeugnisses und Dienstes notwendige Aufhebung unproduktiver Schulen, Spitäler und Evangelisationsprogramme sowie nötigenfalls zur Steigerung der Effektivität die Versetzung von Mitarbeitern. 6. Eine Mission und Evangelisation, die anerkennen, daß jeder Christ Zeugnis abzulegen hat, daß diese Pflicht nicht an jemand anders delegiert werden kann und daß stets Mitarbeiter zur Verfügung stehen müssen, um dort eingesetzt zu werden, wo die Gelegenheit zur Evangelisation am günstigsten ist. 7. Eine Verwaltung, die zunehmend von Vertretern der „Vereinigten Missionsgesellschaft" und den heranwachsenden Führern der heraufkommenden nationalen Kirchen gemeinsam ausgeübt wird. Diese ökumenisch ausgerichtete Strategie wurde im Jahre 1961 von der Abteilung für Weltmission gutgeheißen. Sie spiegelte die Entschlossenheit, für das Zeugnis und den Dienst der Jünger in der Welt in zunehmendem Maße die ökumenischen Grundlagen und das ökumenische Engagement zu verstärken. In der Tat brachte diese ihre ökumenische Einstellung die Weltmission der Jünger in den Hauptstrom des Lebens und Denkens der Weltkirche hinein. Die Jünger Christi ergriffen daher ökumenische Gelegenheiten zum Zeug-

Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Übersee

179

nis und Dienst nunmehr mit der gleichen Bereitwilligkeit, mit der sie von den Möglichkeiten für eigene Missionstätigkeit Gebrauch machten. So stellt ihre, .Abteilung für Missionstätigkeit in Ubersee" (später „Abteilung für Weltmission" genannt) von ihr besoldete Missionare auch für ökumenische Vorhaben zur Verfügung, bei denen die ökumenischen Organisationen die Programme festlegen. Sodann beinhaltete die neue Strategie auch die Förderung ökumenischer Vorhaben, die von „hinreichend ausgewiesenen ökumenischen Führerpersönlichkeiten" geleitet wurden. Darüber hinaus sollte die „Vereinigte Christliche Missionsgesellschaft" auch gemeinsam mit anderen religiösen Körperschaften Gemeinden und Institutionen einrichten, die den „Jüngern Christi als Konfession fernstehen" würden, und sie fördern. Schließlich legte die Gesellschaft den Jünger-Kirchen in Ubersee nahe, „die Möglichkeit zur Schaffung ökumenischer Gemeinschaften"9 zu erkunden, was aber nicht zu Streitigkeiten führen dürfe. Die „Abteilung für Weltmission" betonte bei der Vorlage ihrer Weltmissionsstrategie, daß diese nicht sakrosankt sei. „Sie muß mit der Zeit wachsen und sich mit ihr wandeln. Sie ist als Arbeitsgrundlage gedacht, und wo sie nicht funktioniert, müssen wir ihre Änderung betreiben, damit sie funktioniert. Auf der anderen Seite müssen wir uns gewissenhaft darum bemühen, der Strategie eine Chance zu geben." 10 Man hat endlich erkannt, schreibt ein Jünger-Historiker, daß „die Missionstätigkeit nicht die Aufgabe einiger weniger Christen ist, die sich außerhalb der Kirche zu einer weltlichen Körperschaft zusammengeschlossen haben, sondern die Aufgabe der Kirche". 11 Diese Strategie wurde durch die Arbeit einer von dem „ökumenischen Studiendepartement des Rates für die Einheit der Christen" und der „Weltmissionsabteilung" eingerichteten „Kommission für Weltmissionstheologie" gefördert und in Gang gesetzt. Diese Kommission setzte sich aus früheren und derzeitigen Missionaren, Professoren an Theologischen Seminarien, Ortsgeistlichen und Laien zusammen und stand unter dem Vorsitz von Joseph M. Smith, der damals dem Lehrkörper des Christian Theological Seminary angehörte. Sie nahm im Jahre 1958 ihre Tätigkeit auf und veröffentlichte im Jahre 1964 ihren Abschlußbericht; ihre Analysen erschienen in der „Ecumenical Studies Series"12 und im,, Mid-Stream".13 Sie erforschte aus der Jünger-Perspektive die philosophischen und theologischen Grundlagen der Missionstätigkeit und stellte die Konzeption der Mission auf sechs Kontinenten heraus. Sie betrachtete ferner aufs neue das Verhältnis von Christentum und Kultur und das Verhältnis des christlichen Glaubens zu den anderen großen Weltreligionen wie zu den verschiedenen Säkularismen der Jetztzeit.

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Die Kommission tendierte dahin, die Äußere Mission vor der Gefahr des Kolonialismus zu warnen und zu betonen, daß die von einem früheren Missionstyp gegründeten Kirchen instand zu setzen seien, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der finanziellen Unterstützung durch die begüterteren Jünger der westlichen Welt. Im großen und ganzen sahen die Analysen in dem Missionar auch einen brüderlichen Mitarbeiter einer eigenständigen Kirche mit eigenem Charakter, wenngleich eine Minderheit für die älteren Verfahren der Bekehrungstätigkeit in Ubersee eintrat. Der Wandel im Wesen der Missionstätigkeit in Ubersee begann Gestalt anzunehmen. Es wurde der Versuch gemacht, qualifizierte Personen für bestimmte, möglicherweise kurzfristige Aufgaben zu verpflichten, und weniger eine Verpflichtung zum Dienst in Ubersee auf Lebenszeit, gewöhnlich auf einem einzigen Tätigkeitsgebiet, zu fordern. Im Laufe der 1950er Jahre wurde die Kirche in Puerto Rico für ihre Führung und ihr Programm selber zuständig. Auf Veranlassung von Virgil A. Sly und Robert G. Nelson (geb. 1918) erlangte die Kirche Christi in der Kongo-Provinz Equateur Freiheit von auswärtiger Kontrolle. Die „Vereinigte Christliche Missionsgesellschaft" übereignete dieser neuen Kirche das gesamte Kirchengut im Kongo, und die kongolesischen Jünger beantragten die Mitgliedschaft im Ökumenischen Rat der Kirchen. Der Hauptgeschäftsführer dieser Kirche, Jean B. Bokeleale (geb. 1919), wurde im Jahre 1968 in das Zentralkomitee und in den Exekutivausschuß des Weltkirchenrates gewählt. Die Kirche wurde zu einem Teil der unierten Kirche in der Demokratischen Republik Kongo (der heutigen Republik Zaïre), doch haben die Kirchen, die diese Union eingingen, ihre gesonderte Mitgliedschaft im Weltkirchenrat beibehalten. Die Bedeutsamkeit dieser Vorgänge wird durch den Umstand erhellt, daß die Jünger von Zaïre die zweitgrößte Körperschaft in der Kirche der Jünger Christi darstellen. Obwohl ihre Mitgliederzahl im Vergleich zu der der Kirche in den Vereinigten Staaten noch klein ist, zählt sie doch mehr Mitglieder als die Jünger-Kirche in Großbritannien oder in irgendeinem anderen vorwiegend britischen Land. Die „Abteilung für Missionstätigkeit in Ubersee" hat sich mit ganzer Kraft für gemeinsame Missionsunternehmungen eingesetzt. Im Jahre 1966 betrauten die „Weltmissionsabteilung der Vereinigten Gesellschaft" und der „Vereinigte Kirchenausschuß für Weltmissionstätigkeit der Vereinigten Kirche Christi" Telfer Mook (geb. 1917) von der „Vereinigten Kirche Christi" mit der Leitung der Arbeit in Indien und Nepal. Eine ähnliche Aufgabe wurde William I. Nottingham (geb. 1927), einem Jünger, in Lateinamerika übertragen. 14 Überlegungen, die Vereinigung dieser beiden Missionseinheiten der „Vereinigten Kirche Christi" und der „Kirche der

Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Übersee

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Jünger Christi" betreffend, sind zwar angestellt worden und werden weiterhin angestellt, haben aber bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. Der Umstand, daß beide Kirchen an der umfassenderen Kirchenunionskonferenz teilnehmen, verleiht dieser eine sehr viel größere Perspektive und kompliziert solche kleineren Bestrebungen. Nach der Annahme des vorläufigen Umstrukturierungsplans hat die „ A b teilung für Missionstätigkeit in Ubersee" ihr Verhältnis zu der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" etwas gelockert und ist zu einer der nationalen Einheiten der Kirche der Jünger Christi geworden. Viele Jünger in den Ortsgemeinden vermögen den Wandel im Wesen der Missionstätigkeit in Ubersee, der sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat, nicht ganz zu begreifen. Andere sind an diesem Vorgang beteiligt gewesen oder haben sich aufgrund ihrer Lektüre des ökumenischen Schrifttums über die Auslandsmission an seiner Ausdeutung beteiligt. Sie alle haben fortgefahren, die Missionstätigkeit mit ihren Geldspenden, ihrer Anteilnahme und ihren Fürbittegebeten zu unterstützen, so daß sich die Kirche der Jünger Christi den neuen Situationen mit der gleichen Schnelligkeit wie jede beliebige andere amerikanische Kirche und mit geringerer Mühe als die meisten hat anpassen können.

ANMERKUNGEN 1 2

3

4 5

6 7

8

9 10 11

„The Millennial Harbinger", Bethany/Virginia 1842, S. 523. Man verstand darunter die Einteilung der nichtchristlichen Länder in Abschnitte und die Überantwortung eines bestimmten Abschnittes an eine einzige Kirche. Es war dies ein Versuch zur Lösung des Problems des konfessionellen Wettstreits. Winfred E. Garrison und Alfred T. DeGroot, The Disdples of Christ, A History, St. Louis (Bethany Press) 1958, S. 459. Garrison, a.a.O., S. 140. Archibald McLean, A Circuit of the Globe, St. Louis (Christian Publishing Co. ) 1897, S. 16. ebda., S. 372-373. Joseph Manin Smith, A Strategy of World Mission (Diss. Union Theological Seminary 1961), Reprintausgabe Ann Arbor/Michigan (University Microfilms) 1961. A Strategy of World Mission, Indianapolis (The United Christian Missionary Society) 1961 (vervielf.). ebda., S. 21. ebda., S. 29. Ronald E. Osbom, The Structure of Cooperation: Its Development in the History and Thought of Disciples of Christ (vervielf.), S. 17.

182 12

13

14

]. Edward

Moseley

„Ecumenical Study Seríes", Indianapolis (Council on Christian 1955-1960. ,,Mid-Stream" (Vierteljahrsschrift), Indianapolis (Council on Christian 1961. Dieser Arbeitsbereich wurde kürzlich aufgelöst.

Unity) Unity)

183 KAPITEL Χ DIE KIRCHE D E R J Ü N G E R CHRISTI IN DER ÖKUMENISCHEN BEWEGUNG PAUL A. CROW D . J . »

Die moderne ökumenische Bewegung hat alle christlichen Gemeinschaften der zweifachen Disziplin des Dialogs und der Neubesinnung unterworfen. Durch ihre Teilnahme hat jede Tradition innerhalb des Gesamtleibes Christi Einfluß auf die Bewegung und ihre Partner bei der Aussöhnung ausgeübt. Gleichzeitig ist eine jede Kirche selber durch ihre Beteiligung an dem ökumenischen Vorhaben beeinflußt und geformt worden. Keine Kirche hat die Bewegung beherrscht; keine Kirche hat die Erfahrung der Anbetung, des Dienstes und der Erforschung der Theologie gemeinsam mit anderen kirchlichen Traditionen unberührt gelassen. Alle sind dazu gekommen, ihre Gaben miteinander zu teilen, die Gaben ihrer Brüder in Christus zu empfangen und Gottes erneuernde Gnade sie alle neu machen zu lassen. Die Neubewertung einer jeden kirchlichen Tradition, die durch diese ökumenische Begegnung herbeigeführt wurde, erinnert uns daran, daß jede große christliche Uberlieferung ins Dasein trat, um für bestimmte wesentliche, aber außer acht gelassene Wahrheiten des Evangeliums zu zeugen. Dies gilt von den Lutheranern, Calvinisten, Methodisten, der Pfingstbewegung und von anderen, die alle bestrebt waren, entscheidende Lehrpunkte dem Herzen des kirchlichen Lebens wieder nahezubringen. Das gleiche gilt auch von der Kirche der Jünger Christi. In ihrem Fall war die in Vergessenheit geratene Glaubensanschauung, deren es sich erneut zu versichern galt, jedoch nicht die Rechtfertigung durch den Glauben, Gottes Oberherrschaft, Heiligung und Heiligkeit oder der Dienst an den Armen und Notleidenden. Alle diese Glaubensinhalte und andere sind in dem biblischen und historischen Glauben enthalten, den die Jünger mit der universalen Kirche Christi teilen. Die vernachlässigte Wahrheit, die die Jünger zu Beginn des 19. Jahrhunderts für alle verkündigten, ist die Einheit der Kirche Christi.

* Rev. Dr. Paul A. Crow d. J. war der Generalsekretär der „Kirchenunionskonferenz", des größten Unionsversuchs in den Vereinigten Staaten. Ihre Teilnehmerkirchen zählen insgesamt fünfundzwanzig Millionen Kommunikanten. Dr. Crow wurde Nachfolger von Dr. George G. Beazley als Präsident des Rats für die Einheit der Christen der

,,Disciples".

184

Paul A. Crow d. J.

Diese ihre ökumenische Berufung kommt in dem Titel eines Buches aus der Feder eines ihrer zeitgenössischen Gelehrten ( „ D i e Einheit der Christen ist unser Anliegen") auf die denkbar einfachste Weise zum Ausdruck. 1 An dem Tage, an dem sie ins Dasein trat, kennzeichnete Thomas Campbell diese christliche Gemeinschaft als „eine zu dem ausdrücklichen Zweck der Förderung der Einheit der Christen gebildete Gesellschaft". Dieses Selbstverständnis brachte auch einer ihrer irenischen Führer der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts zum Ausdruck: „ D i e einzige Besonderheit der Jünger, die ihnen geblieben ist, ist die, daß sie die einzige Gemeinschaft sind, die unablässig die Einheit durch den Einschluß ihrer aller erstrebt." 2 Mag sein, daß dieses Wort von Peter Ainslie im Licht der heutigen ökumenischen Revolution eine einzige Kirche überfordert, doch sagt es etwas Wesentliches über das Ethos der Kirche der Jünger Christi aus. Kraft Geburtsrechts und Berufung sind sie Menschen, die eine Leidenschaft - einezuweilen romantische Leidenschaft - für die volle Einheit aller Christen in einer einzigen Kirche haben. I

ökumenische

Ursprünge

Die beiden Bewegungen, die zusammen die Kirche der Jünger Christi konstituieren, werden gemeinhin mit dem Namen von Campbell und Stone gleichgesetzt. Ihre Ursprünge und Hauptlehrpunkte waren zwar verschieden, ergänzten einander aber. Beide waren Bewegungen des 19. Jahrhunderts, die wider Sektierertum und Spaltung stritten. Jegliches Schisma galt ihnen als Sünde; die Kirche sollte sichtbar

eine Einheit bilden. Im Jahre

1801 war Barton W . Stone (1772-1844), ein junger presbyterianischer Geistlicher zu Cane Ridge (Bourbon County/Kentucky), einer der Wortführer der Großen Erweckung des Westens, eines religiösen Aufbruchs an der amerikanischen Siedlungsgrenze. Weil er den antiökumenischen Geist und den doktrinären Starrsinn seiner presbyterianischen Brüder nicht gutheißen konnte, sagten Stone und vier weitere Geistliche sich von ihnen los und gründeten im Jahre 1804 eine eigene Organisation, das Presbyterium Springfield, die allen Christen offenstehen sollte. Fünf Monate darauf lösten sie nach weiteren Studien über die neutestamentliche Lehre von der Kirche das Presbyterium Springfield freiwillig auf und legten ihre Gründe hierfür in einer kurzen Erklärung mit dem Titel „ L e t z t e r 'Wille und ment des Preshyteriums

Springfield"

Testa-

dar. Die radikal-ökumenische Posi-

tion dieser Erklärung gemahnt an die Erklärung der Dritten Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen vom Jahre 1961 : „ W i r wollen,

Die Kirche der Jünger Chrìsti in der ökumenischen Bewegung

185

daß diese unsere Gemeinschaft absterbe, sich auflöse und mit dem Leibe Christi als Ganzem vereinige." 3 Seit jenem Tage erklärte Barton Stone unablässig: „Die Einheit der Christen ist mein Leitstern", und mit seinem Dienst legte er tapfer Zeugnis für dieses sein Anliegen ab. 4 Thomas Campbell (1763-1854) war ein presbyterianischer Pfarrer, der in Nordirland geboren und in Schottland erzogen worden war. Die Erfahrungen, die er in beiden Ländern machte, erfüllten ihn mit großer Traurigkeit über die Uneinigkeit unter den Kirchen und über die religiöse Intoleranz und Bigotterie. Der sektiererische und schismatische Geist des 18. Jahrhunderts hatte die Kirche in Schottland derart auseinandergerissen, daß ein Beobachter dem Land „eine Naturanlage zur Spaltung" zuschrieb. 5 Seit 1806 gab es in Schottland sieben verschiedene presbyterianische Kirchen, die sämtlich in Streitigkeiten und Kämpfe verwickelt waren. In seinem Geburtsland Irland waren verschiedener Lehren und Praktiken wegen ähnliche Abspaltungen eingetreten. Innerhalb dieses verwickelten Systems von Spaltungen war Thomas Campbell Geistlicher der konservativen Partei des burgherfeindlichen Teils der Seceders in der presbyterianischen Kirche in Irland. Campbell wanderte nach Amerika aus und siedelte sich als presbyterianischer Pfarrer in Westpennsylvanien, einem damals rasch aufblühenden Teil des amerikanischen Grenzlandes, an. Hier, in einem durch einen exzessiven Denominationalismus bestimmten Klima, wurde ihm die dringende Notwendigkeit der Einheit aller Christen offenbar, und er wurde zu einem dezidierten ökumeniker. Thomas Campbeils ökumenische Anschauungen, zumal seine Gewohnheit, Christen aus anderen Kirchen zur Teilnahme am Abendmahl einzuladen, machte ihn seinen Mitpresbyterianern und ihren Gerichtshöfen mit der Zeit verdächtig. Die Opposition gegen ihn wurde schließlich derart stark, daß er sich zum Rückzug genötigt sah. Im Jahre 1809 taten Campbell und eine Anzahl Christen aus verschiedenen Denominationen, die „der endlosen Streitigkeiten, Zänkereien und des Parteihaders" müde waren, einen aufsehenerregenden Schritt, indem sie die „Christliche Vereinigung von Washington/Pennsylvanien" bildeten und Thomas Campbeils Rechtfertigung, die „Erklärung und Denkschrift",6 herausgaben. Im gleichen Jahr traf Thomas' Sohn Alexander Campbell (1788-1866) aus Schottland ein und wurde zum Mitstreiter seines Vaters für die Sache der Versöhnung. Später wurde der Letztgenannte von seinem Arbeitszimmer zu Bethany/West Virginia aus der Hauptstimmführer der Jünger-Bewegung. Der Hauptinhalt von Thomas Campbeils „Erklärung und Denkschrift", die von Kirchenhistorikern als „einer der großen Meilensteine auf dem Wege zur Einheit der Christen in Amerika" bezeichnet wird, 7 ist in drei-

186

Paul A. Crowd. J.

zehn Punkten enthalten. Vier davon betonen die Notwendigkeit der Kirchenunion: „1. Die Kirche Christi auf Erden bildet ihrem Wesen, ihrer Bestimmung und ihrer Verfassung nach eine Einheit. Sie setzt sich aus allen denen an allen Orten zusammen, die ihren Glauben an Christus und Gehorsam gegen Ihn in allen Dingen nach den Schriften bekennen und dafür durch ihr Verhalten zeugen und aus niemand sonst... 2. Obwohl die Kirche Christi auf Erden notwendigerweise in besonderen und einzelnen, örtlich voneinander getrennten Vereinigungen existieren muß, sollte es dennoch keine Schismen, keine lieblosen Spaltungen zwischen ihnen geben. Sie sollten einander empfangen, wie auch Jesus Christus sie empfangen hat, Gott zum Ruhme... 3.Alle die, die durch Gnade instand gesetzt sind, ein solches Bekenntnis [ihres Glaubens an Jesus Christus] abzulegen und dasselbe in ihrem Charakter und Verhalten zu bekunden, sollten einander als Gottes Heilige betrachten, sollten sich als Brüder, Kinder derselben Familie und desselben Vaters lieben, als Tempel desselben Geistes, Glieder desselben Leibes, Empfänger derselben Gnadenakte, Gegenstände derselben göttlichen Liebe, mit demselben Preis erkauft, und gemeinsame Erben desselben Vermächtnisses . . . 10. Spaltung unter Christen ist ein schreckliches Übel, aus dem vielerlei Übel erwachsen. Sie ist antichristlich, denn sie zerstört die sichtbare Einheit des Leibes Christi... Sie widerstreitet der Hl. Schrift, ist sie doch durch Seine oberste Autorität streng untersagt... Sie ist gegen die Natur, stachelt sie doch die Christen zur Verachtung füreinander, zum Haß und Kampf gegeneinander auf, die doch kraft der höchsten und teuersten Verpflichtungen gehalten sind, einander als Brüder zu lieben, wie auch Christus sie geliebt h a t . . . " 8 Als ein Hauptstück des Jünger-Erbes nahm die „Erklärung und Denkschrift" zweifellos viele Motive der modernen ökumenischen Bewegung prophetisch vorweg. Voll Verachtung prangerte sie die Sündhaftigkeit der Uneinigkeit an; aus ihr sprach die Anteilnahme an der sichtbaren Einigkeit , .aller der, die allerorten" Jesus Christus als Herrn bekennen, und der Auftrag, das zerstreute Gottesvolk in einer heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zu sammeln. Im Falle der Stoneschen „Christen" sowohl wie der Campbellschen „Reformer", wie man sie nannte, war die Forderung nach der Einheit der Kirche durch die Überzeugung motiviert, daß die Wahrheit des Evangeliums die Kirche zu einem wirksamen Werkzeug des Zeugnisses und der Verkündigung an die Welt machen werde.,, Weder die Wahrheit noch die Einigung reichen für sich allein aus, die ungläubige Nation zu bezwingen", schrieb

Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen

Bewegung

187

Thomas Campbell, „aber vereint sind Wahrheit und Union allmächtig." 9 Ihr Ziel war, in die ökumenische Sprache unserer Tage übersetzt, die auf die Hl. Schrift gegründete Vereinigung aller Christen zu einer einzigen Körperschaft um der Mission Gottes in der Welt willen. 10 Die „Christliche Vereinigung von Washington" war keine Kirche, sondern eine den ersten methodistischen Gesellschaften ähnelnde Gesellschaft, die einzig und allein den Zweck verfolgte, „ein einfaches, evangelikales, von jeglicher Beimischung menschlicher Auffassungen und Erfindungen freies Christentum zu verkündigen". 11 Ihre Absicht war eindeutig, obschon naiv: die Christen aus ihren Denominationen herauszurufen und zu einem freiwilligen Zusammenschluß von einzelnen zu veranlassen, der als Forum für die Vereinigung der Kirchen auf der Grundlage des biblischen Glaubens dienen konnte. Die Tatsache, daß die Jünger nur widerwillig zu einer eigenständigen Denomination wurden, zeugt einmal für ihre rührende Naivität und spiegelt zum zweiten die Unfähigkeit anderer Kirchen im 19. Jahrhundert, eine über die Denominationen hinausweisende Kirchengestalt anzunehmen. Insofern bestand die Größe der Gründerväter der Kirche der Jünger Christi darin, daß sie in einem streitsüchtigen Jahrhundert ökumenisch dachten. In der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden ökumenische Experimente auch von Vertretern anderer Kirchen zur Diskussion gestellt und durchgeführt. Die Jünger zeigten sich ihnen gegenüber zumeist aufgeschlossen, meldeten freilich in manchen Fällen Vorbehalte dagegen an. Im Jahre 1838 veröffentlichte der lutherische Theologe Samuel Simon Schmucker (1799-1873) seinen „Brüderlichen Appell an die amerikanischen Kirchen nebst Plan für eine überkonfessionelle Union auf der Grundlage apostolischer Prinzipien". Er forderte eine föderative Union, in der jede zum Zusammenschluß bereite Kirche ihre eigene Lehre und Verfassung und ihren eigenen Kultus beibehalten, aber sich zu der „Apostolisch-Protestantischen" Kirche - bei freiem Austausch ihrer Glieder, geistlichen Dienste und Sakramente - zusammenschließen und ein zwölf Artikel umfassendes, auf den Bekenntnissen der föderierten Kirchen basierendes Glaubensbekenntnis annehmen sollte. 12 Nur ein Jahr, nachdem Schmuckers Appell ergangen war, begrüßte Alexander Campbell ihn in seiner Zeitschrift „The Millennial Harbinger". Campbell erörterte Schmuckers Vorschläge jedoch nicht im einzelnen, sondern stellte nur fest, daß der „Appell" eine gewaltige Wirkung auf die Frage der Kirchenunion ausübe. Alle Beiträge zu einem solchen Meinungsaustausch könnten „jenen christlichen und überkonfessionellen Geist fördern, der der Union der Christen vorangehen" müsse. 13 Campbell legte dann seine eigene Vorstellung von einer Konferenz aller protestantischen

188

Paul A. Crowd.

J.

Kirchen d a r - dazu auch der römischen Katholiken und der Griechisch-Orthodoxen, falls jemand sie hinzuziehen wollte. Sie solle an einem zentralen Ort zusammentreten und die Delegierten seien entsprechend dem Anteil der einzelnen Kirchen an der Bevölkerungszahl zu ernennen. Die Union sei auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses von Glauben und Sittlichkeit anzustreben.,,Grundsatz der Einheit soll sein, daß ihr Fundament all das bildet, was im Glauben, in der Frömmigkeit und Sittlichkeit von allen Parteien übereinstimmend angenommen worden ist." 14 Von den an der Konferenz teilnehmenden Kirchen sei zu fordern, daß sie alle Glaubensanschauungen, Formen und Praktiken, die nicht von allen Christen als schriftgemäß anerkannt würden, aufgeben müßten. Es war dies ein durchaus freundlicher Meinungsaustausch, doch hätte Schmucker diese Auffassung von der Forderung nach Wiederherstellung der neutestamentlichen Kirchengestalt offensichtlich nicht akzeptiert. Einen weiteren Schritt auf dem Wege zur Einheit der Protestanten stellte im 19. Jahrhundert die Evangelical Alliance dar. Sie wurde im Jahre 1846 in London, ihr amerikanischer Zweig aber erst 1867 begründet und war eine Vereinigung von einzelnen, die „auf der Basis der geistlichen Union, die in der grundlegenden Verbindung Christi mit den Gliedern seines Leibes zu allen Zeiten und in allen Ländern bereits existiert", zusammenarbeiteten. Sie nahm eine neun Punkte umfassende Erklärung an, in der die damalige konservative Theologie einschließlich der Unfehlbarkeit der Bibel und der Lehre vom stellvertretenden Sühnopfer Christi zum Ausdruck kam, und die die Bedingung zur Gliedschaft in der Allianz darstellte. Alexander Campbell bezeichnete die Evangelical Alliance als eine der „großen Institutionen, die der Einheit aller Christen den Weg ebnen". 15 Er stellte sie der „Christlichen Vereinigung von Washington" zur Seite, sei sie doch wie diese durch die Teilnahme von Einzelpersonen, die sich aktiv für die Einheit der Christen einsetzten, gekennzeichnet. Soweit sich aus den Akten entnehmen läßt, waren keine Jünger an der offiziellen Bildung der Allianz beteiligt. Die Kirchenhistorikerin Eva Jean Wrather berichtet jedoch, mehrere Jünger-Gemeinden hätten sich erboten, Alexander Campbell die Teilnahme an der konstituierenden Versammlung in London zu ermöglichen, er habe sie sich jedoch versagt, da er „wegen Arbeitsüberlastung zu seinem großen Bedauern nicht hinfahren" könne. 16 (Diese Episode erinnert uns an die Zeit, da ein anderer Reformator, Johannes Calvin, die Einladung, zur Teilnahme an einer ökumenischen Versammlung von Genf über den Kanal nach England zu reisen, ausschlug.) Später gab Campbell seiner Sorge über die Bedingung zur Gliedschaft in der Allianz Ausdruck. Er hegte die Befürchtung, sie könne von manchen als Glaubensbekenntnis benutzt werden, und warnte davor, daß eine Vereini-

Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen Bewegung

189

gung von Einzelpersonen eher denn eine Kirche Bedingungen zur Gliedschaft festlege. Nachdem Campbell vom offiziellen Beginn der Allianz in London erfahren hatte, veröffentlichte er jedoch im „ M i l l e n n i a l

Harbin-

ger" Aufsätze darüber, in denen er ihr Wesen und ihre Grundlage analysierte und sie in der überschwenglichsten Weise pries: „ W i r danken Gott für die Evangelical

Alliance,

die uns neuen Mut schöp-

fen l ä ß t . . . 1 7 Ich freue mich, hinzufügen zu können, daß keine Zusammenkunft, die seit der protestantischen Reformation stattgefunden hat, soviel Wertschätzung und derart freudige Gefühle in uns erweckt h a t . . . 1 S Der Evangelical

Alliance

gehört unsere größte Sympathie, und wir erhoffen

uns von ihr eine bessere Ordnung; was mich betrifft, so will ich nach besten Kräften mit ihr zusammenarbeiten, soweit und solange ihr eine solche Kooperation willkommen i s t . " 1 9 Etwa dreißig Jahre später vermochte sich mancher Jünger-Führer durchaus nicht für die Allianz zu begeistern. Als die American

AUiance im Jahre 1888

ein kooperativ-evangelistisches Programm, „The

Call" ( „ D e r R u f " ) be-

nannt, für das ganze Land aufstellte, widersetzte sich J . H . Garrison, der Herausgeber der Jünger-Zeitschrift „The

Christian-Evangelist",

ihm mit

der Begründung, es propagiere „den Gedanken der denominationeilen Gleichberechtigung in allen D i n g e n " . 2 0 Aus diesem und zweifelsohne auch noch aus anderen Gründen versagte Garrison der Evangelical

AUiance seine

Unterstützung. Alexander Campbell und andere Jünger drangen auf Förderung anderer kooperativer Bewegungen des 19. Jahrhunderts und beteiligten sich an ihnen, zum Beispiel am „Christlichen Verein Junger Männer", an den amerikanischen und ausländischen Bibelgesellschaften sowie an der „Amerikanischen Sonntagsschul-Union". Einer anderen wichtigen ökumenischen Entwicklung des 19. Jahrhunderts widmeten die Jünger geringere Aufmerksamkeit. Im Jahre 1870 veröffentlichte ein Pfarrer der Episkopalkirche namens William Reed Huntington (1831-1917) einen Aufsatz, betitelt „The

Church Idea-An

Essay

Toward

Unity", worin er von seiner eigenen Kirche, der Protestantischen Episkopalkirche, als einer Kirche der Versöhnung sprach und alle anderen Kirchen aufforderte, gemeinsam mit ihr die Bildung der „Katholischen Kirche von Amerika" zu betreiben. 2 1 Bedeutsam an Huntingtons Voschlag war die von ihm postulierte vierfache Grundlage für eine vereinigte Kirche, nämlich: 1. Die Hl. Schrift als Gottes Wort; 2. das apostolische und das nicänische Symbol als Glaubensrichtschnur; 3. die beiden Sakramente der Taufe und des Abendmahls, wie Christus sie geboten, und 4. das geschichtliche Episkopat, den örtlichen Verhältnissen angepaßt. Diese vier Lehrpunkte

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wurden im Jahre 1877 von den auf dem „Allgemeinen Christlichen Konvent" in Chicago versammelten Bischöfe angenommen und von der Lambeth-Konferenz des Jahres 1888 in etwas abgewandelter Form gebilligt. Fortan bildeten die „vier Punkte von Chicago und Lambeth" die Grundlage für künftige anglikanische Unionsgespräche. Gegen Ende des Jahrhunderts veröffentlichte Huntington ein weiteres Buch mit dem Titel ,,A National Church", in dem er die Forderung, der Anglikanismus müsse die Grundlage einer vereinigten Kirche bilden, fallenließ. Huntingtons Plan fand nicht nur Zustimmung. Presbyterianer, Lutheraner und andere werteten ihn als Aufforderung an andere Kirchen, Episkopalisten zu werden. Was die Jünger betraf, so wurden die vier Punkte von Chicago und Lambeth im Jahre 1886 ihrem „Allgemeinen Missionskonvent" vorgelegt. Eine Studienkommission wurde eingesetzt und mit der Ausarbeitung einer Antwort beauftragt. Sie hatte vier Einwendungen zu machen: Der Konvent begrüßte zuallererst das Eintreten der Episkopalisten für die Einheit, die von Anbeginn an das Anliegen der Jünger gewesen sei; zweitens bekräftigten die Jünger ihre Uberzeugung, daß die Hl. Schrift „die einzige überkonfessionelle Richtschnur für Glauben und Kirchenverfassung" sei, glaubten indes, daß weder Glaubensbekenntnisse noch der Diözesanepiskopat als für die Union unerläßlich hingestellt werden könnten, wenn die Bibel das Kriterium sei; drittens begrüßten sie die Aufgeschlossenheit für Mannigfaltigkeit und die Freiwilligkeitsbasis, und viertens lobten sie den „herzlichen und hochgesinnten Geist", in dem der Bericht der Bischöfe abgefaßt sei, und gaben ihrer Hoffnung auf das Zustandekommen einer „brüderlichen Konferenz" Ausdruck, auf der die Christen ihre Einheit zu bekräftigen und zu einem Verständnis ihrer Unterschiede zu gelangen vermöchten. 22 Der zweite Punkt war zweifellos der entscheidende. Der Herausgeber des „Christian-Evangelist" stellte in Ausübung seiner Rolle als Wächter über die Jünger-Tradition fest: „Wir stellen sowohl die Wünschbarkeit wie die Durchführbarkeit der episkopalen Vorstellung von christlicher Einheit in Frage." 23 In seiner Entgegnung brachte er offen die Kluft zur Sprache, die im 19. Jahrhundert zwischen den episkopalen und den nichtepiskopalen Kirchen bestand. Doch das Gespräch zwischen unterschiedlichen Traditionen hatte begonnen, obschon es mit sehr viel polemischer Schärfe geführt wurde. Die Geschichte des Ökumenismus im 19. Jahrhundert ist keine sehr glanzvolle. Einesteils schlug für die Kirchen eine historische Stunde zu einer Zeit, als sie noch von Spaltungen beherrscht waren, andernteils läßt sich die Sackgasse, in die sie geraten waren, auf triumphalistische Anschauungen vom Ökumenismus zurückführen. Zumindest begann nunmehr ein Chor von Kirchenmännern die Verantwortung für die Wiederherstellung der

Die Kirche der jünger Christi in der ökumenischen Bewegung

191

Einheit der Kirchen auf sich zu nehmen, zu dei1 vorher nur isolierte einzelne aufgerufen hatten.

II Zusammenarbeit,

Konziliarismus und

Ökumenismus

In der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat bei den Jüngern „das Unionsideal zeitweilig in den Hintergrund". 2 4 Es war dies ihre scholastische Periode, ein Gebreste, das für die auf eine Reformation folgende Generation kennzeichnend ist. In den anderen Kirchen herrschte ebenfalls der Geist der Isolation und des Denominationalismus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brach sich jedoch die moderne ökumenische Bewegung Bahn, und die Rivalitäten und Polemiken der früheren Periode wichen nach und nach einem Geist der Zusammenarbeit und des wechselseitigen Verständnisses. Das Jahr 1910 gilt als der symbolische Augenblick, in dem der Wille zur Einheit unter den Kirchen im 20. Jahrhundert seine Wiedergeburt erlebte. Dies war auch das Jahr, in dem die Jünger sich ihres ökumenischen Erbes erneut zu vergewissern begannen und sich davon zu neuen Wegen inspirieren ließen. Im Jahre 1910 traten eine neue Stimme und eine neue Vereinigung ins Dasein, die den Eintritt der Jünger in die moderne ökumenische Bewegung dirigierten. Peter Ainslie III. (1867-1934) war Pfarrer am Christian Temple, einer Jünger-Gemeinde in Baltimore/Maryland, wo seine 43jährige Tätigkeit als Seelsorger und prophetischer Prediger noch heute unvergessen ist. Im Jahre 1909 auf dem Zentenarkonvent der Jünger zum Präsidenten für das kommende Jahr gewählt, unternahm er ausgedehnte Reisen zu den Kirchen in den Vereinigten Staaten. Ainslie kam zu der Uberzeugung, daß sich die Jünger „dem kritischsten Zeitabschnitt ihrer Geschichte gegenübersähen". In seiner Ansprache auf dem Konvent zu Topeka/Kansas im Jahre 1910 rief er seine Kirche auf, sich erneut mit ganzer Kraft um die volle Einheit aller Christen zu bemühen. Ainslies flammender Aufruf blieb nicht unbeachtet. Unter seiner charismatischen Führung schufen die Jünger einen, ,Rat für die Union der Christen" (später „Vereinigung für die Förderung der Einheit der Christen" und heute „Rat für die Einheit der Christen" genannt), dessen Zweck es war, „nach jedem Anzeichen christlicher Einheit Ausschau zu halten und durch Fürbittengebete, Konferenzen und die Verbreitung von irenischem Schrift-

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Paul A. Crow d. ].

tum das Herbeikommen des Zeitpunktes zu beschleunigen, wo wir alle zur Einheit des Glaubens gelangen". 25 Dieser zum Zweck eines wirksamen Dialogs über die Einheit gegründete Rat erwies sich unter allen Kirchen als einzigartig und für die Jünger als eine überaus glückliche Einrichtung. Als ökumenische Dauerinstitution hat er seit seiner Errichtung einen unermeßlichen Einfluß ausgeübt, indem er die Kirche über die Sache der Einheit auf dem laufenden hielt und stets erneut darauf festlegte. Unter seinen Leitern sind die Mosesse und Jeremiasse der Kirche gewesen. Im Jahre 1960 wurde George G. Beazley d. J. zum Präsidenten des Rates gewählt. Seine ersten zehn Jahre in diesem Amt haben das ökumenische Zeugnis der Jünger auf einen neuen Höhepunkt geführt und ihm persöhnlich hohes Ansehen unter den Führern der Ökumenischen Bewegung verschafft. 26 Der Einfluß, den Peter Ainslie als Apostel der Einheit ausübte, ist kaum zu überschätzen. Beim Eröffnungsgottesdienst der Ersten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Amsterdam nannte John R. Mott Ainslie einen der sieben „Apostel der ökumenischen Bewegung". 27 Unter seinen fünfzehn Büchern waren „The Message of the Disciples for the Union of the Churches" (1913), „If Not a United Church - What?" (1920) und „The Scandal of Christianity" (1929) leidenschaftliche Kampfschriften gegen das Sektierertum und flammende Aufrufe für eine versöhnte und versöhnende Kirche. Er war in allen Phasen der sich in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts allmählich entfaltenden Einigungsbewegung eine wichtige Persönlichkeit, doch in den Anfängen der Faith and Order-Bewegung spielte er eine schlechthin entscheidende, wenngleich von den Historikern übersehene Rolle. Die Ursprünge der Faith and Order-Bewegung werden gewöhnlich als Episode mit dem Bischof der Episkopalkirche Charles Henry Brent als einzigem Akteur geschildert. Diese Schilderung ist jedoch lückenhaft. Bischof Brent und der Generalkonvent der Protestantischen Episkopalkirche initiierten auf der Sitzung des letztgenannten in Cincinnati/Ohio im Oktober 1910 den Prozeß, der zu einer Weltkonferenz „on Faith and Order" führte. Die zur gleichen Zeit in Topeka bzw. Cincinnati tagenden Jünger und Episkopalisten tauschten Grußtelegramme aus und verpflichteten sich, für ein gemeinsames Ziel zu wirken. Es wurde festgestellt, daß jede Kirche selbständig handele und „ohne Kenntnis dessen, was die andere zu tun im Begriff stand: ein Zeichen dafür, daß der Geist Christi die Herzen von Christen in verschiedenen Gemeinschaften zur gleichen Zeit bewegte". 28 Ainslie war von Anbeginn an bis zur Ersten Weltkonferenz in Lausanne im Jahre 1927 an führender Stelle in der Faith and Order-Bewegung tätig. Er gehörte zu den fünf Jüngern, die im August 1920 an der Vorkonferenz in

Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen

Bewegung

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Genf teilnahmen, und war Mitglied des Fortsetzungsausschusses, der die Konferenz vorbereitete. Auf der Lausanner Konferenz hielt er eine Ansprache über das siebente Unterthema: „Die Einheit der Christenheit und das Verhältnis der bestehenden Kirchen zu ihr." 2 9 Darin machte er zwei aufsehenerregende Vorschläge. Einmal forderte er die Delegierten auf, dem letzten Tag der Konferenz durch eine gemeinsame Abendmahlsfeier unter dem Vorsitz von Bischof Brent einen Höhepunkt zu geben. Dieser Akt würde „die Gleichheit aller Christen vor Gott" zum Ausdruck bringen und ihre Einheit in Christus ungeachtet der Unterschiede und Spaltungen, die das Leben der Kirche verunstalteten, versinnbildlichen. Zum zweiten schlug Ainslie vor, die Kirchen sollten zur Förderung und Vermehrung ihrer Einheit in der ganzen Welt „eine Liga oder Bruderschaft" bilden. Beide Vorschläge überstiegen die damaligen ökumenischen Möglichkeiten, sind aber mit der Bildung des ökumenischen Rats der Kirchen und der heute auf ökumenischen Konferenzen möglichen beschränkten Abendmahlsgemeinschaft in die Tat umgesetzt worden. Von den übrigen Wortführern der Jünger in der Faith and Order-Bewegung seien zwei sehr konträr veranlagte Gelehrte, William Robinson und Winfred Ernest Garrison, genannt. Der Engländer Robinson (1888-1963) war viele Jahre hindurch Leiter des Overdale Theological College der Kirchen Christi in Großbritannien und Dozent am Selly Oak College in Birmingham. In seinen letzten zwölf Jahren wirkte er als Professor für Christliche Lehre an Act Butler School of Religion (dem heutigen Christian Theological Seminary) in Indianapolis. Als Theologe par excellence deutete Robinson mehr als jeder andere die historische Stellung der Jünger aus dem Blickpunkt des ökumenischen Konsensus. Als Vertreter der britischen Jünger nahm er an den Faith and Order-Konferenzen in Lausanne (1927) und Edinburgh (1937) teil und verfaßte die Stellungnahmen dieser Gemeinschaft zu diesen beiden Tagungen. 30 Der Bericht einer vor der Edinburgher Konferenz eingesetzten theologischen Kommission, betitelt „Das geistliche Amt und die Sakramente", enthielt ein Kapitel von Robinson über die Anschauungen der Jünger. Diese drei Schriften stellen zusammen mit seinen Büchern, darunter „The Biblical Doctúne of the Church",31 „The Shattered Cross; the Many Churches and the One Church",32 und „What Churches of Christ Stand For"33, eine tiefschürfende Deutung der Katholizität der Jünger Christi dar. Robinson begründete das Hauptanliegen der Jünger, die Einheit der Christen, ekklesiologisch. Er legt dar, daß sie stets betont haben, daß Schisma Sünde ist. Desgleichen hat sich ihre Botschaft während ihrer ganzen Geschichte stets auf die Forderung nach organischer Einheit konzentriert. Dem Problem der Gespaltenheit kann man nicht dadurch ausweichen, daß

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man der sichtbaren Kirche die unsichtbare Kirche gegenüberstellt oder eine geistliche Einheit postuliert, aber Fragen der vollen Abendmahlsgemeinschaft ausspart. Die Jünger sind zwar von jeher Protestanten gewesen in ihrem Zeugnis für die Freiheit, dem Priestertum der Gläubigen, dem Nachdruck auf dem persönlichen Glauben und der zentralen Bedeutung der Hl. Schrift, aber auch katholisch in ihrer hohen Lehre von der Kirche, der Bedeutung, die sie den beiden Sakramenten der Taufe und des Abendmahls beimessen sowie in der zentralen Bedeutung des Abendmahls für den christlichen Kultus, ferner in einer Disziplin, die das private Urteil dem Rat der Kirche aller Zeiten unterordnet sowie darin, daß sie Vernunft und Handeln der Frömmigkeit überordnen. 34 Aus der amerikanischen Perspektive stellte W. E. Garrison (1874—1969) den Einheitsbegriff der Jünger deutlich heraus. Er zählte zu den führenden Kirchenhistorikern, und sein lebhaftes Interesse galt der ökumenischen Bewegung, an der er, wie seine ökumenischen Schriften,, Christian Unity and the Disciples of Christ" (1955) und „ The Quest and Character ofa United Church" (1957) bezeugen, aktiven Anteil nahm. Robinsons und Garrisons Anschauungen stehen übrigens in einem interessanten Gegensatz zueinander. Garrison war liberaler Theologe, während Robinson die biblische Theologie vertrat. Als Historiker wußte Garrison, daß die Kirche ihre Einheit zuweilen durch Zwangsmaßnahmen erreicht hatte. In einer Abhandlung über die ökumenische Aufgabe, die er der „Konferenz für Glauben und Kirchenverfassung" in Lund (1952) vorlegte, verfocht er daher eine einfache These: „Wir müssen eine Einheit anstreben, die mit der Freiheit vereinbar ist." 3 * Für eine solche vereinigte Kirche ergeben sich acht Folgerungen: „1. Ihre Angehörigen müssen einander in Liebe zugetan sein, einander brüderlich begegnen und um das geistliche und irdische Wohl aller ihrer Glieder besorgt sein... 2. Die Mitgliedschaft muß auswechselbar sein... 3. . . . desgleichen die geistlichen Ä m t e r . . . 4. Organisatorische und strukturelle Verschiedenheiten... 5. . . . kein Bekenntnis- oder Lehrprüfstein, weder für Laienmitglieder noch für die Geistlichkeit, außer dem ursprünglichen Loyalitätstest, den die Erklärung Jesus ist der Herr* in sich schließt. 6. Freiheit und Mannigfaltigkeit im Gebrauch und in der Deutung der Sakramente . . . 7. Freiheit... für die verschiedenen Kultusformen. 8. Besondere Gremien müssen die Zusammenarbeit gewährleisten." 36 Die Mitwirkung der Jünger an der Faith and Or^er-Bewegung macht die Mannigfaltigkeit ihres Zeugnisses evident. Die amtlichen Vertreter dieses

Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen Bewegung

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Zeugnisses waren George G. Beazley d.J. und Paul A. Crow d. J., die als Delegierte für die Vierte Vollversammlung des ökumenischen Rats der Kirchen in Uppsala in dessen „Kommission für Glauben und Kirchenverfassung" gewählt wurden. Die wichtigste institutionelle Form christlicher Zusammenarbeit sind die konziliaren Strukturen. Die Kirche der Jünger Christi hat die Gelegenheit zur Anknüpfung solcher kooperativen Beziehungen wahrgenommen. Die früheste Form in unserem Jahrhundert gewann im Jahre 1908 im „Nordamerikanischen Kirchenbund" Gestalt. Obwohl die Jünger Stammitglieder dieser neuen ökumenischen Körperschaft sind, erfolgte ihr Eintritt in dieselbe erst nach eingehender Selbstprüfung und Diskussion. Zwei Befürchtungen ließen manche Jünger mit ihrer Zustimmung zur Gliedschaft im Kirchenbund zögern. Einmal würde der Eintritt in ihn das Eingeständnis erzwingen, daß die Jünger ebenfalls eine Denomination waren; er würde einen Kompromiß mit ihrem Selbstverständnis erfordern. Zum zweiten befürchteten etliche, daß die Zusammenarbeit als das normale Verhältnis zwischen verschiedenen Kirchen und nicht als Zwischenlösung angesehen werden würde und daß das Empfinden für die Dringlichkeit des Zustandekommens einer Union darunter leiden müsse. Mittlerweile hat sich die Beteiligung der Jünger am Kirchenbund und an dem ihm im Jahre 1950 nachfolgenden „Nationalrat der Kirchen Christi in den Vereinigten Staaten" als durchaus fruchtbar erwiesen. Für ein vollständiges Verzeichnis der mit der konziliaren Bewegung eng verbundenen Personen fehlt uns hier der Raum; es müssen daher einige Namen genügen: Hauptpastor Edgar DeWitt Jones, Präsident des Kirchenbundes von 1937-38; Mrs. James D. Wyker, Vorsitzende des Frauenverbandes der Vereinigten Kirche; Roy G. Ross, der erste Generalsekretär (1950-1964) des Nationalrats der Kirchen; J. Irwin Miller, der erste Laienpräsident (1961-1963) des Nationalrats der Kirchen. Die Anteilnahme der Kirche der Jünger Christi am Weltkirchenrat ist von Anbeginn an eine nicht minder bedeutsame und aufgeschlossene gewesen. Jünger aus verschiedenen Weltgegenden waren unter den 147 Kirchen, die im Jahre 1948 in Amsterdam den Weltrat konstituierten. Von Amsterdam bis Uppsala (1968) waren sie immer mit vollzähligen Delegationen vertreten ; an der Arbeit der vielen Abteilungen und Sektionen waren auch Jünger beteiligt. Überdies gehört die Kirche der Jünger Christi zu den wenigen Mitgliedskirchen, die eine Reihe von Stellungnahmen zu den meisten Faith and Order-Konferenzen und zu den Vollversammlungen des Weltkirchenrats in Amsterdam (1948), Lund (1952), Evanston (1954), Oberlin (1957), Neu-Delhi (1961), Montreal (1963), Genf (1966) und Uppsala (1968) veröffentlicht haben. 37

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Paul A. Crow d. J.

Ihre Beteiligung an der Arbeit des Weltkirchenrats brachte den Jüngern auch insofern Gewinn, als sie dabei Beziehungen zu Ostkirchen anknüpften. Seit den Jahren des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg hat die Kirche der Jünger Christi alljährlich ein „ W o c h e des Mitempfindens" genanntes Programm zur finanziellen Unterstützung von Ostkirchen in (Griechenland, der Türkei, Jugoslawien, Ägypten, Polen und anderen Ländern durchgeführt. Durch Dienst und Zeugnis werden die jahrhundertelange Isolierung und die Unterschiede in Lehre und Liturgie überwunden. Solcherart sind die Bande der Katholizität, deren die Teilnehmer an der ökumenischen Bewegung teilhaftig werden. Wie für alle Kirchen des Westens stellten auch für die Kirche der Jünger Christi die äußere Mission und die jüngeren Kirchen eine der bedeutsamsten ökumenischen Herausforderungen dar. Führende Jünger-Missionare hatten aktiven Anteil an der Zusammenarbeit und den Einheitsbestrebungen der modernen Missionsbewegung, die mit der Heidenmissionskonferenz von Nordamerika (1893) und der Weltmissionskonferenz in Edinburgh (1910) einsetzten, denen im Jahre 1921 die Gründung des Internationalen Missionsrates und später die Konferenzen in Jerusalem (1928), Tambaram-Madras (1938), Whitby (1947), Willingen (1952), Ghana (1958) und Mexiko-City (1963) folgten. Jünger waren gleichfalls an der Bildung regionaler Räte wie des Congo Protestant Counäl (1924), der East Asia Christian Conference

(1959) u.a. beteiligt und arbeiten auch weiterhin in diesen

wichtigen ökumenischen Körperschaften mit. O b sie ökumenischen Gesichtspunkten den Vorrang zu geben bereit seien, konnten die Jünger zeigen, als sie sich vor die Frage der Beteiligung ihrer Brüder in Ubersee an den heraufkommenden unierten Kirchen gestellt sahen. Die jüngeren Kirchen von Asien, Afrika und Indien brachten auf ökumenischen Tagungen und gegenüber den aussendenden Missionsgremien ihr dringendes Verlangen nach einer organischen Union, die die geistliche Einheit des Leibes Christi offenbar machen würde, zum Ausdruck. Auf der Weltmissionskonferenz in Madras setzten sich im Jahre 1938 Vertreter der jüngeren Kirchen leidenschaftlich für das Ziel einer sichtbaren Einheit der Kirchen ein: ,,Die sichtbare und organische Union muß unser Ziel s e i n . . . Allein eine solche Union kann die aus unseren Schismen herrührenden Übel beseitigen... die Einheit, für die der Herr betete, durch die die Welt in der Tat an die göttliche Mission des Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, glauben würde. 3 8 Auf der Weltmissionskonferenz in Willingen gaben Delegierte der jüngeren Kirchen im Jahre 1952 dieser ihrer Überzeugung abermals in prononcierter Form Ausdruck: ,, Wir glauben, daß die Einheit der Christen eine wesentliche Vorbedingung

Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen Bewegung

197

für ein wirksames Zeugnis und für Fortschritte ist. In den Länden der jüngeren Kirchen bildet das gespaltene Zeugnis ein schweres Hindernis. Wir, Delegierte der jüngeren Kirchen, empfinden dies sehr stark. In den Ländern der älteren Kirchen mag die Einheit wünschbar sein, in denen der jüngeren ist sie absolut erforderlich."39 Die Kirche der Jünger Christi und andere westliche Kirchen standen vor der Frage: „Welche Haltung sollen wir zu diesen Gesprächen einnehmen und wie soll unser Verhältnis zu der kommenden vereinigten Kirche beschaffen sein?" Virgil A. Sly, ein weithin durch seinen Einsatz für die äußere Mission bekannt gewordener Jünger, wies auf die gewaltige Bedeutung dieser Frage hin: ,,Es ist möglich, daß die Entscheidung, die aus der Einheit der Christen auf den Missionsfeldern erwächst, für die Jünger Christi die bedeutsamste Entscheidung seit der „Erklärung und Denkschrift", die sie ins Dasein rief, darstellen wird." 4 0 Nebenbei gesagt, begriffen außer ihm und einigen anderen nur wenige die Bedeutung dieser Entwicklungen in Ubersee für die größere Perspektive. Sie fragten nämlich: ,, Was sagt dieser Wille zu einer vereinigten Kirche in Japan, Südindien und anderorts über die Gespaltenheit der Kirche in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und auf dem europäischen Festland aus?" Die Jünger begannen eine realistische Haltung zu der Tatsache der Kirchenunion unter den jüngeren Kirchen zu Beginn der 1950er Jahre einzunehmen, wobei sie sich hauptsächlich auf die Unionsvorgänge auf den Philippinen und in Japan konzentrierten. Nach ausgiebigen Vorarbeiten und nicht geringer Seelenerforschung entschloß sich die „Welt-Sektion der Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" im Jahre 1955, ein großenteils von Virgil Sly verfaßtes Dokument mit dem Titel ,,A Strategy of World Mission" gutzuheißen, das in der Geschichte der Jünger ein weiteres klassisches ökumenisches Dokument darstellt. 41 Darin wurde noch einmal bekräftigt, daß die Jünger Kirchenunionsgespräche nicht bloß fördern sollten, sondern sich aktiv daran beteiligen müßten. Das Dokument erkannte an, daß die jüngeren Kirchen das Recht und die Reife besäßen, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Man würde den jüngeren Kirchen daher allmählich Geldmittel, Eigentum, Führungsbefugnisse und Kontrollrechte übereignen. Noch auch würde ihr Eintritt in eine vereinigte Kirche den Verlust finanzieller Unterstützung oder der historischen Bande mit den Christen in diesen Ländern zur Folge haben. Weiter wurde vorgeschlagen, die Glauben und Kirchenverfassung betreffenden Punkte in den verschiedenen Unionsplänen im Lichte der Position der Jünger auf einigen Gebieten zu erforschen. 42 „A Strategy of World Mission" wies den Jüngern zweifellos einen neuen Weg. Die Schrift war nicht zu früh erschienen, zumal für eine Kirche, deren

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Erbe sie für ökumenische Möglichkeiten aufgeschlossen machte. Mit solch einer irenischen Aussage versehen und auf solch einen Kurs festgelegt, beteiligten sich ihre jüngeren Brüder in den Jünger-Gemeinschaften an der Bildung von Kirchenunionen in Japan, auf den Philippinen, in Thailand und auf Okinawa. Die jüngeren Brüder an den Missionsgrenzen Südostasiens engagierten sich weit stärker für die Ziele ihrer Vorfahren als es die älteren Brüder im Westen getan hatten.

III Auf dem Weg zur Kirchenunion Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Kirche der Jünger Christi die Aufgabe hat, für eine vereinigte Kirche zu wirken. Ihr von Generation zu Generation verkündetes Endziel ist „die sichtbare und dauerhafte Einheit aller Christen in einer heiligen Kirche Christi in der ganzen Welt" , 43 In diesem Abschnitt soll eine Uberschau über ihre Teilnahme an Unionsverhandlungen gegeben werden, wobei der Akzent auf mehreren Initiativen der Vergangenheit und den gegenwärtig in der Welt unter der Beteiligung von Jüngern stattfindenden Gesprächen liegen wird.

A. Unionsversuche in den Vereinigten Staaten 1. Union der „Christen" und „Jünger" Jede Darstellung der Beteiligung der Jünger an Einigungsverhandlungen muß mit ihrer ersten und einzigen Union beginnen. Im Jahre 1832 veranstalteten die Gemeinden von Stone („Christen") und Campbell („Jünger" oder „Reformer") einen Vereinigungsgottesdienst, durch den sich die beiden Bewegungen zu einer einzigen Kirche verschmolzen. Dies Verfahren entsprach nicht der herkömmlichen Anschauung vom Akt der Union. Ein offizieller Unionsplan existierte nicht. Da sich das Problem der wechselseitigen Anerkennung der geistlichen Amter und der Sakramente nicht stellte, erübrigten sich Versöhnungsgottesdienste. Keine der beiden Gruppen hatte damals außer ihren Gemeinden irgendwelche Einrichtungen, Gremien oder Strukturen, die zu vereinigen gewesen wären. Die Vereinigung wurde daher am 1. Januar 1832 zu Lexington/Kentucky mit einem einfachen Gottesdienst vollzogen, indem die Führer der beiden Bewegungen

Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen Bewegung

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Grußbotschaften austauschten und sich für uniert erklärten. Danach begaben sich Vertreter beider Gruppen zu Pferde über die Grenze, um den Gemeinden die Union zu erläutern - oft existierten in derselben Stadt Kirchen der Christen und der Jünger - und örtliche Vereinigungsgottesdienste zu veranstalten. Bei den Jüngern bewirkte die Union eine Wiederbelebung ihres evangelistischen Geistes. Ihre Zahl vermehrte sich rasch, ja sie zählten schon bald zu den am schnellsten wachsenden Kirchen in jenem Zeitabschnitt der amerikanischen Kirchengeschichte.

2. Der

Philadelphia-Plan

In Amerika wurde der erste Versuch einer multilateralen Union im Ersten Weltkrieg unternommen und war als der Philadelphia-Plan bekannt. Im Jahre 1918 fand auf Einladung der presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten in Philadelphia eine Unionskonferenz statt, an der Vertreter von 19 Kirchen, darunter auch der Kirche der Jünger Christi, teilnahmen. 44 Es wurde ein Interimsausschuß eingesetzt und ermächtigt, einen Unionsplan auszuarbeiten. Im Jahre 1920 wurde der Philadelphia-Plan einer zweiten Konferenz vorgelegt und von ihr angenommen. Die Konferenz hatte sich zwar ausdrücklich eine organische Union zum Ziel gesetzt, doch ihr unmittelbares Anliegen war in Wirklichkeit eine föderative Union. Keine Teilnehmerkirche sollte durch ihr Aufgehen in den „Vereinigten Kirchen Christi in Amerika" notwendigerweise Abstriche an ihrer Autonomie hinnehmen müssen. Dennoch war man sich darüber klar, daß ein solcher Zusammenschluß nur eine erste Phase auf dem Wege zu einer vollständigen korporativen Union aller Kirchen, die den Plan anzunehmen bereit waren, darstellen würde. Der Plan sollte in Kraft treten, sobald er von sechs Gemeinschaften in aller Form angenommen worden war. Indessen nahm ihn keine einzige Kirche an. Ja, die amerikanische presbyterianische Kirche, von der die Initiative zu der Konferenz ausgegangen war, lehnte den Plan ab und besiegelte damit sein Schicksal. Die negative Einstellung zum Philadelphia-Plan erwuchs im Grunde aus dem Umstand, daß er keinen wirklichen Wandel der Beziehungen ins Auge faßte, der über die bereits in Kirchenräten stattfindende Zusammenarbeit hinausging. Die Jünger spielten im „Amerikanischen Unionsrat" zwar nur eine untergeordnete Rolle, doch geht aus den Protokollen hervor, daß führende ökumeniker der Kirche wie Peter Ainslie, Frederick D. Kershner, Frederick W. Burnham, H. C. Armstrong und Finis Idleman regelmäßig an den Sitzungen des Interimsausschusses teilnahmen. Ainslie saß in mehreren

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Crowd.}.

Ausschüssen, und sein,, Christian Union Quartely" wurde zum amtlichen Organ für die Dokumente und Berichte des Unionsrats.45

3. Amerikanische

Baptisten

Die Annalen der Jünger verzeichnen wiederholte, aber erfolglose Bemühungen um eine Union mit der American (vordem Northern) Baptist Convention. Im Jahre 1813 hatte sich Alexander Campbell mit den Baptisten vereinigt, doch sah er sich im Jahre 1830 wegen unüberbrückbarer Unterschiede im Glaubensgut und im Geist genötigt, sich wieder von ihnen zu trennen.46 Diese historische Verwandtschaft wie auch gemeinsame Anschauungen über die Eigenständigkeit der Einzelgemeinde und die theologische Freiheit hielten ebenso wie die gemeinsame Praxis der Gläubigentaufe (die allerdings nicht auf einer gemeinsamen Theologie beruhte) die Aussichten auf eine Kirchenunion mehrere Jahrzehnte lang am Leben. Annäherungsversuche erfolgten in den Jahren 1841, 1866, 1871, 1904, 1928-1929 und 1944.47 Die intensivsten Unionsgespräche zwischen Jüngern und Baptisten fanden von 1947 bis 1952 statt. Im Jahre 1944 wurde ein gemeinsamer Ausschuß eingerichtet, der 1947 an die Arbeit ging. Er sollte vor allem Glauben und Kirchenverfassung der beiden Kirchen erforschen und gemeinsame Projekte vorschlagen, die vor dem Eingehen einer Union in Angriff genommen werden könnten. Es wurden verschiedene gemeinsame Vorhaben durchgeführt: gemeinsames Pfarramt an mehreren Universitäts-Colleges, Bildung einer kleinen Anzahl föderierter Gemeinden, gemeinsame Herausgabe eines Gesangbuches und mehrerer Zeitschriften. Von 1958 bis 1961 bildeten die Missionsgesellschaften der beiden Kirchen ein gemeinsames Komitee in Thailand.48 Mehr wurde indessen nicht erreicht, da die Gespräche zwischen Jüngern und Baptisten im Jahre 1952 schließlich eingestellt wurden. In jedem dieser Gesprächsabschnitte waren es die Baptisten, die jedwede etwaige Union verhinderten, wenn sich auch nicht beweisen läßt, daß die Mehrzahl der Jünger-Gemeinden irgendwie bereit gewesen wäre, die Union zu vollziehen. In jeder Generation waren die trennenden Faktoren die gleichen, obschon sie oft nicht zur Sprache gebracht wurden. Es zeigte sich, daß die Baptisten und Jünger wohl äußerlich manches miteinander gemein hatten und viele ihrer Gemeinden die Union herbeisehnten, beide Gemeinschaften sich indes in ekklesiologischer Hinsicht grundlegend voneinander unterschieden. Und zwar kommt diese Verschiedenheit in der Theologie der Taufe, der Auffassung vom Abendmahl, der Rolle, die formulierten Glaubensbekenntnissen zugemessen wird, und der Vorstellung

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von der der Kirche auferlegten Verpflichtung zur Herbeiführung der Einheit der Christen zum Ausdruck. Gleichwohl kommt Franklin E. Rector in seiner Analyse der Gespräche zu dem Schluß, ihr Scheitern müsse „fast ausschließlich institutionellen eher denn theologischen Faktoren zugeschrieben werden sowie einem psychologischen Klima, das durch eine extreme denominationelle Ängstlichkeit und Unsicherheit gekennzeichnet war". 49 Sei dem, wie ihm wolle: die Baptisten haben keine weiteren Unionen angestrebt, und die Jünger haben sich bei ihren Einigungsbestrebungen anderen Kirchen zugewandt. 50

4. Der Greenwich er Plan Im Juni 1946 ergriff der in Grinnell/Iowa tagende Generalrat der Kongregationalistischen Christlichen Kirche die Initiative zu Unionsgesprächen. Die Kongregationalisten forderten den Bundesrat der Kirchen auf, eine Vollversammlung zu dem Zweck einzuberufen, die Möglichkeit einer Union derjenigen Kirchen zu prüfen, die „einander bereits die wechselseitige Anerkennung ihrer geistlichen Ämter und ihrer Sakramente zugestanden haben". 51 Der Aufruf wurde im August des gleichen Jahres von dem Internationalen Konvent der Kirche der Jünger Christi zu Columbus/Ohio unterstützt. 52 Danach ergingen an die 24 im Bundesrat zusammengeschlossenen Kirchen formelle Einladungen, doch der Rat lehnte es ab, sich als Forum für die Gespräche zur Verfügung zu stellen. Neun Kirchen, deren Mitgliederzahl sich auf insgesamt 16 Millionen belief, sagten zu: Congregai tonal Christian, Disciples of Christ, Evangelical and Reformed, African Methodist Episcopal Zion, Colored (jetzt) Christian Methodist Episcopal, Presbyterian U.S.A., Presbyterian U.S., Methodist und International Council of Community Churches. Sechs andere Kirchen entsandten Beobachter, desgleichen mehrere kooperierende Körperschaften. Nachdem sie mehrere Jahre lang zwanglos Informationsgespräche geführt hatten, entsandten die neun Kirchen im Dezember 1949 Delegierte nach Greenwich/Connecticut. Ihre Vertreter richteten ein fortlaufendes Gesprächsforum, „Kirchenunionskonferenz" genannt, ein und beschlossen, eine organische Union anzustreben und „eine Gemeinschaft und Organisation der Kirche, die sie befähigt, unter Jesus Christus, der das Haupt der Kirche ist, als ein Leib zu handeln". 53 Die Konferenz gründete ihre Arbeit auf eine von dem Jünger Charles Clayton Morrison, einem hervorragenden ökumeniker, verfaßten Entwurf. 54 Während der folgenden Jahre entwikkelte ein Redaktionsausschuß einen, ,Plan für eine vereinigte Kirche in den Vereinigten Staaten", der der zweiten Vollversammlung, die im Januar

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1951 in Cincinnati tagte, vorgelegt wurde. Der Plan wurde sodann unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Einheitskommissionen der Teilnehmerkirchen revidiert und im Jahre 1953 der dritten Vollversammlung in Greenwich vorgelegt. Die Unterschiede im geistlichen Dienst, in der Theologie und in den Sakramenten waren nur geringfügig oder wurden zumindest verkleinert. Eine Erklärung über den „gemeinsamen Glauben" war rasch zustande gekommen. Die Hauptaufgabe bestand folglich darin, eine Kirchenverfassung auszuarbeiten, die die Grundwerte der drei historischen Formen - der kongregationalistischen, presbyterianischen und episkopalen - zusammenfügte. Der Greenwicher Plan forderte von keiner Ortskirche einen Wandel. Jede sollte die Formen ihres Kultus und ihrer Sakramente selber bestimmen. Sie sollte ihre Geistlichen nach ihrem eigenen Gutdünken berufen und entlassen, unter Beteiligung des Presbyteriums, dem eine beratende Funktion zuerkannt wurde. Hinsichtlich des Kirchenguts sollte alles so bleiben wie vor der Union. Das Presbyterium sollte die Gemeinden mit verschiedenen Verfassungen zum Zweck wechselseitiger Beratschlagung und zur Zusammenarbeit auf einem bestimmten Gebiet zusammenbringen. Der Vorbereitungsdienst, die Ordination und die Beaufsichtigung der Geistlichen sollten dem Presbyterium obliegen. Die Konferenz sollte einander benachbarte Presbyterien zusammenbringen können. Jede Konferenz sollte von einem Bischof geleitet werden, dessen Aufgabe sich entsprechend den Traditionen der verschiedenen Gemeinden wandeln würde. Der Generalrat sollte die nationale Körperschaft darstellen und für die Koordinierung des Gesamtprogramms und des Zeugnisses der Kirche zuständig sein. Der Greenwicher Plan, wie er gemeinhin nach dem ersten Tagungsort genannt wurde, blieb leider im Ansatz stecken. Eine Untersuchung der Gründe seines Verschwindens würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen. Die Kirchen nahmen offensichtlich in erster Linie an den letzthin ins Dasein getretenen konziliaren Strukturen, dem Ökumenischen Rat der Kirchen (1948) und dem Nationalrat der Kirchen (1950), Anteil. Die erste Teilnehmerkirche, die sich zurückzog, war die Presbyterianische Kirche in den Vereinigten Staaten, die die Konferenz im Jahre 1953 durch ihren neuen Generalsekretär, Eugene Carson Blake, davon in Kenntnis setzte, daß sie sich gezwungen sehe, der Union mit presbyterianischen Kirchenkörpern den Vorrang zu geben. Und im Jahre 1957 schlossen sich die Congregational Christian Church und die Evangelical and Reformed Churches zur United Church of Christ zusammen und nahmen damit den im Greenwicher Plan vorgeschlagenen Kirchennamen an. Im Jahre 1958 endeten die Greenwicher Gespräche; zumal die Jünger gaben ihrer Enttäuschung dar-

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über Ausdruck, daß das Bemühen um die größere Union vergeblich gewesen sei. An dieser Stelle muß noch etwas ausführlicher von dem Okumeniker Charles Clayton Morrison (1875-1966) gesprochen werden. In der apostolischen Sukzession der Jünger steht er neben Stone, Campbell und Ainslie. Unter den Wortführern der modernen ökumenischen Bewegung nimmt er eine einzigartige Stellung ein. Zwei Jahre vor Morrisons Tod schrieb John A. Mackay über ihn: „Mit der einzigen Ausnahme von I. H . O l d h a m . . . hat kein Lebender eine längere und dynamischere Beziehung zur ökumenischen Bewegung aufzuweisen als Charles Clayton Morrison... Dieser ökumeniker war ein Visionär und Kreuzfahrer, der für das Reich Gottes lebte und starb." s s Im Jahre 1908 kaufte Dr. Morrison „The Christian Century", damals eine sterbenskranke Zeitschrift, und machte aus ihr ein hochgeachtetes internationales Jünger-Organ. Als Autor, Kirchenmann und Theologe gewann er weltweite Anerkennung. Seine Feder stellte er in den Dienst sozialer, politischer und ökumenischer Anliegen. Morrison vertrat die Jünger fast ein halbes Jahrhundert lang auf ökumenischen Konferenzen, von der Edinburgher Missionskonferenz bis zur Vollversammlung des Weltkirchenrates in Evanston. Er war maßgeblich an der Ausarbeitung des Greenwicher Plans beteiligt. Sein Buch „The Unfinished Reformation" (1953) war eine tiefschürfende Analyse der dämonischen Auswirkungen der Uneinigkeit auf die amerikanische Christenheit und ein leidenschaftlicher Aufruf zur Einigung. 56 Das Zeugnis seines ganzen Lebens war ein unnachgiebiges Bemühen um die Überwindung der Gespaltenheit der Kirche.

5. United Church of Christ Nach der Union der Bewegungen von Campbell und Stone im Jahre 1832 blieb eine kleine Anzahl von „Christen" in Nord- und Süd-Carolina als gesonderte Körperschaft unter der Führung von James O'Kelly bestehen. Diese Christen schlossen sich im Jahre 1931 mit den Kongregationalisten zur Congregational Christian Church zusammen, die sich im Jahre 1957 mit der Evangelical and Reformed Church zur United Church of Christ vereinigte. Seit dem Beginn unseres Jahrhunderts führen die Jünger informelle Unionsgespräche mit den Kongregationalisten. Peter Ainslie und seine „Vereinigungen zur Förderung der Einheit der Christen" beriefen von 1911 bis 1918 eine Reihe von Konferenzen ein. 57 In den späten 1930er Jahren kamen Glieder der beiden Kirchen im Anschluß an die Edinburgher

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Konferenz für Glauben und Kirchenverfassung des Jahres 1937 zu Gesprächen zusammen. Die dafür ausgearbeiteten Unterlagen, die den Standort der beiden Kirchen in den Fragen des Glaubens und der Kirchenverfassung darlegten, wurden unter dem Titel „The Witness of the Churches of the Congregational Order" veröffentlicht. 58 Im Jahre 1961 begannen offizielle Kirchenunionsgespräche zwischen den Jüngern und der United Church of Christ. Der in Kansas City tagende Internationale Konvent (jetzt Generalversammlung) der Kirche der Jünger Christi empfing einen diesbezüglichen Vorschlag von der Vereinigten Kirche Christi und bevollmächtigte den Rat für die Einheit der Christen, ,,zu dem Zweck des Eintritts in Gespräche über einen Unionsplan mit der Vereinigten Kirche Christi" eine Kommission einzusetzen. Vorsitzender der Einigungskommission der Jünger wurde William Jackson Jarman. Diese Gespräche wurden auf fünf Tagungen - zweien im Jahre 1962 und je einer in den Jahren 1963, 1964 und 1965 - geführt. 59 Dabei wurden folgende Fragen behandelt: Glauben und Gnade, Freiheit und Ordnung, die Kirche, die Sakramente und die Autorität, der geistliche Dienst. Ein unübersteigbares Hindernis für eine Vereinigung trat in keinem Falle zutage. Es wurde deutlich, daß eine Union dieser beiden Kirchen durchaus im Bereich des Möglichen liegt, falls der Wille zur Versöhnung besteht. Nach der Gründung der Kirchenunionskonferenz beschlossen die Delegationen der Kirche der Jünger Christi und der Vereinigten Kirche Christi, weitere zweiseitige Gespräche auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und ihre Energien zunächst ganz auf die Kirchenunionskonferenz zu konzentrieren. Ihre Gespräche ruhen mithin derzeit, können aber jederzeit wieder aufgenommen werden, sobald es die beiden Kirchen wünschen.

6. Die

Kirchenunionskonferenz

Mit dem Eintritt ihrer Kirche in die Kirchenunionskonferenz erreichte das Einheitsstreben der Jünger seinen Höhepunkt. Die Konferenz begann in echt protestantischer Weise als Ergebnis einer Predigt, die Eugene Carson Blake, der damalige Generalsekretär der Vereinigten Presbyterianischen Kirche in den Vereinigten Staaten, am 4. Dezember 1960 in San Francisco hielt und in der er die amerikanischen Kirchen aufforderte, eine wiedervereinigte Kirche zu bilden, die die historische Gespaltenheit überwinden und ein gemeinsames Leben in Christus führen solle. Ironischerweise kam dieser Vorschlag von dem Mann und der Kirche, deren Rückzug das Hinscheiden des Greenwicher Plans großenteils zu verdanken gewesen war. Zwei Jahre, nachdem Dr. Blake seinen Vorschlag gemacht hatte (1962), be-

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riefen vier Kirchen die konstituierende Vollversammlung nach Washington, D. C., ein. Diese vier Kirchen wuchsen auf zehn an und reduzierten sich durch den Zusammenschluß zweier Teilnehmerkirchen, der Evangelical United Brethren Church und der Methodist Church zur United Methodist Church, auf neun. Es sind dies folgende Kirchen: African Methodist Episcopal, African Methodist Episcopal Zion, Christian Methodist Episcopal (die drei größten schwarzen methodistischen Kirchen in den Vereinigten Staaten), Christian Church (Disciples of Christ), Episcopal Church, Presbyterian Church in the U.S., United Church of Christ, United Methodist und United Presbyterian, U.S.A.60 Die Kirche der Jünger Christi wurde wegen der Unionsgespräche, die sie mit der Vereinigten Kirche Christi, eine der vier ursprünglichen Kirchen, führte, zur Teilnahme eingeladen. Am 4. Oktober 1962 beschloß ihr Internationaler Konvent in Los Angeles einstimmig, die Einladung anzunehmen und eine ständige Delegation zu bevollmächtigen, die im März 1963 der zweiten Vollversammlung in Oberlin/Ohio beiwohnte. Das Ziel der Konferenz ist die Schaffung einer vereinigten, wahrhaft katholischen, wahrhaft evangelischen und wahrhaft reformierten Kirche. Es sind dies nicht lediglich magische Etiketten. Sie bezeichnen Dimensionen, die von wesentlicher Bedeutung für das kirchliche Leben sind, Charakteristika, die durch so vieles, was die Aufmerksamkeit unserer getrennten Gemeinschaften beansprucht, verwischt werden. „Katholisch" bezieht sich auf die ganze und vielfältige Kirche, die nach „jenen grundlegenden Glaubensgütern strebt, die immer und überall von Christen angenommen werden" . Eine,, evangelische Kirche" ist eine ganz auf Christus zentrierte Gemeinschaft, die leidenschaftlich danach strebt, daß die Welt das Evangelium hören und sich ihm stellen möge. Eine,,reformierte Kirche" lebt nach der Hl. Schrift und unterwirft alle ihre Traditionen und Praktiken dem Urteil des Hl. Geistes. Seit ihrem offiziellen Beginn im Jahre 1962 hat die Konferenz bis zum Jahre 1972 zehn Vollversammlungen abgehalten - in Washington (1962), Oberlin (1963), Princeton (1964), Lexington (1965), Dallas (1966), Cambridge (1967), Dayton (1968), Atlanta (1969), St. Louis (1970) und Denver (1971)61 - und ungezählte Sitzungen ihrer Ausschüsse und theologischen Kommissionen anberaumt. Im Jahre 1966 wurde ein Konsensus über Glauben, Kultus, Sakramente, geistliches Amt und Richtlinien für die Kirchenstruktur erzielt und als,, Principles of Church Union" veröffentlicht. 62 Im Jahre 1968 gab die Kommission für Kultus eine unter dem Titel „An Order of Worship for the Proclamation of the Word of God and the Celebration of the Lord's Supper" 6 3 als Versuch gedachte Liturgie heraus. Auf der Vollversammlung in St. Louis (1970) wurde ein in zweijähriger intensiver

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Arbeit erstellter Entwurf eines Unionsplans gebilligt und den Kirchen zum Zweck des Studiums und der Stellungnahme überreicht. Er sollte nach einer zweijährigen Bedenkzeit soweit erforderlich revidiert und um die Mitte der 1970er Jahre den Kirchen zur Entscheidung vorgelegt werden. O'iestr „Plan of Union for the Church of Christ Uniting" sieht eine Umgestaltung der Kirche in Amerika vor. Seine zehn Kapitel und zwei Beilagen bekräftigen den historischen Christenglauben, einschließlich der Herrschaft Jesu Christi und der Autorität von Schrift und Tradition ; sehen Vielfalt des Gottesdienstes und der sakramentalen Praktiken, Erwachsenenund Kindertaufe eingeschlossen, vor; behalten die Ämter des ordinierten geistlichen Dienstes - Presbyter, Bischöfe und Diakone - bei; stellen die Bedeutsamkeit des geistlichen Dienstes der Laien, Frauen und Jugendlichen heraus, indem sie bestimmen, daß alle Räte und Beschlußorgane derart zu besetzen sind, daß auf einen ordinierten Geistlichen zwei Laien kommen; betonen die Offenheit der Kirche auf jeglicher Ebene ohne Rücksicht auf Rasse, Alter, Geschlecht, Besitz oder Bildungsgrad und arbeiten mit einer neuen Konzeption : einer, .Parochie" in Gestalt eines Bündels von Ortsgemeinden und Arbeitsgruppen. 64 Jünger haben auf der Konferenz eine maßgebende Rolle gespielt. George G. Beazley d. J., der Präsident des Rats für die Einheit der Christen, wurde zum fünften Vorsitzenden für die beiden Jahre 1970-1972 gewählt. 65 Im Jahre 1968 kam man überein, nationale Ämter und ein ständiges Sekretariat einzurichten. Paul A. Crow wurde der erste Generalsekretär mit Amtssitz in Princeton/New Yersey. 66 Desgleichen haben sich um die Konferenz verdient gemacht die Jünger Ronald E_ Osborn, A. Dale Fiers, William Jackson Jarman u. a. Zudem beherbergte das Lexington Theological Seminary im Jahre 1965 die vierte Vollversammlung. [Während die Bemühungen der Kirchenunionskonferenz etwas ins Stocken geraten sind, haben àie „Disciples" und die United Church of Christ definitive Pläne gemacht, ihre bilateralen Gespräche wiederzubeleben. Sollten die multilateralen Gespräche mit der römisch-katholischen Kirche zustande kommen, die beim Theologischen Symposion anläßlich des Eucharistischen Kongresses in Philadelphia im August 1976 vorgeschlagen wurden, erwarten die Jünger daran teilzunehmen. A. d. Hg.] B. Laufende Unionsgespräche außerhalb der Vereinigten Staaten Außerhalb der Vereinigten Staaten werden derzeit (1970) insgesamt mehr als vierzig Unionsgespräche geführt. Die Kirche der Jünger Christi bzw. die Kirchen Christi (wie sie in den unter britischem Einfluß stehenden Ländern heißen) nehmen an vielen von ihnen teil. Kurze Angaben über neun Gespräche müssen hier genügen.

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1. Kongo-Kinshasa Das Hauptwerkzeug christlicher Zusammenarbeit in der Demokratischen Republik Kongo 6 7 ist der Protestantische Rat des Kongo, der die Mehrheit der Protestanten in dieser jungen afrikanischen Nation umfaßt. Bereits 1942 nahm die Generalversammlung des Rats eine Resolution an, derzufolge diese Gemeinschaft künftig Kirche Christi im Kongo heißen sollte. Eine jede Denomination oder Mission bildete einen Zweig des Bundes. Die Notwendigkeit einer vereinigten Kirche wurde erneut betont, als die Versammlung des Protestantischen Rats des Kongo im März 1969 in Kinshasa (früher Leopoldville) zusammentrat. Eine Resolution wurde verabschiedet, die die Absichten des Rats zum Ausdruck brachte: „ U m den schändlichen Streitigkeiten und Spaltungen unter unseren Kirchen und Missionen ein Ende zu machen, beschließt die Generalversammlung hiermit, daß diese Kirchen und Missionen sich vereinigen und rechtlich eine Einheit bilden sollen - die der Kirche." 6 8 Der Exekutivausschuß wurde beauftragt, einen Unionsplan auszuarbeiten, über den auf der nächsten Versammlung beraten werden sollte. Als die Versammlung zu Beginn des Jahres 1970 zusammentrat, kam es durch eine dramatische Wendung tatsächlich dazu, daß der Verfassungsentwurf den Delegierten zur Abstimmung vorgelegt und angenommen wurde. Aus den 41 verschiedenen protestantischen Gemeinschaften entstand die „Kirche Christi im Kongo" (Eglise du Christ au Congo).69 Reverend Dr. Jean B. Bokeleale, ein Jünger-Geistlicher, der Generalsekretär des Protestantischen Rats des Kongo gewesen war, wurde dieses maßgebliche Amt in der vereinigten Kirche übertragen. Die ökumenische Stimmung unter den Afrikanern beschrieb ein Anglikaner nach einem Besuch in Zentralafrika wie folgt: „Fast überall, wo ich hinkam, stellte ich fest, daß die Kirchen die Einheit anstreben; ich glaube, sie werden damit fortfahren und ihre Arbeit und ihren Kultus in wachsendem Maße koordinieren. Ich glaube auch nicht, daß die Afrikaner so lange warten werden, bis die theologischen Planer detaillierte Unionspläne ausgearbeitet haben." 7 0 Was im Kongo geschah, ist für alle Kirchenunionsgespräche von einzigartiger Bedeutung. Unter Umgehung der schwierigen Erörterung der Unterschiede des Glaubens und der Kirchenverfassung kamen die Christen des Kongo zu der Einsicht, daß das Ärgernis der Uneinigkeit um der Missionstätigkeit willen wie aus dem Blickpunkt ihrer politischen Interessen als neue afrikanische Nation nicht länger hingenommen werden könne. In ihrer Unionserklärung geloben sie feierlich, die Vereinigung durch ein gemeinsames Leben praktisch zu verwirklichen. Die zweitgrößte Kirche der Kirche der Jünger Christi spielt somit eine maßgebliche Rolle bei dem umfassendsten Unionsprojekt in Afrika.

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2. Nordindien und Pakistan In Nordindien begannen im Jahre 1929 Kirchenunionsgespräche. Im Jahre 1937 wurde eine Vereinigungsgrundlage entworfen, die dann wiederholt revidiert und im Jahre 1947 von fünf Kirchen angenommen wurde. Im Jahre 1951 traten die Gespräche mit der ersten Versammlung eines Verhandlungsausschusses in eine neue Phase ein; dieser arbeitete in den folgenden vierzehn Jahren vier Fassungen eines Unionsplans aus. Die Jünger wurden im Jahre 1957 Teilnehmerkirche, als gerade die dritte Fassung des Plans herausgekommen war. In den späten 60er Jahren billigte jede der sieben Kirchen die vierte revidierte Fassung des ,,Kirchenunionsplans für Indien und Nordpakistan", 7 1 und am 29. November 1970 bildeten sie die Kirche von Nordindien. Es handelt sich um folgende Kirchen: Rat der Baptistenkirchen in Nordindien, Kirche der Brüder in Indien, Jünger Christi, Methodistische Kirche in Südasien ( U . S . A . ) , Vereinigte Kirche von Nordindien (Kongregationalisten und Presbyterianer). Wie ihre Schwesterkirche, die Vereinigte Kirche von Südindien, die im Jahre 1947 ins Leben trat, stellt die Kirche in Nordindien ein wichtiges Versöhnungswagnis dar. Sie vereinigt ebenso Kirchen episkopaler und nichtepiskopaler Prägung wie sie die Tradition von Kindertaufe und Konfirmation und der Gläubigentaufe zusammenfügt. Während die Kirche von Südindien einen Durchbruch in Hinsicht des geistlichen Amtes erzielte, hat Nordindien einen einzigartigen Beitrag auf dem Gebiet der Taufpraktiken geleistet.

3. Neuseeland In Neuseeland streben fünf Kirchen die Einheit an: Anglikaner, Kongregationalisten, Methodisten, Presbyterianer und Assoziierte Kirchen Christi (Jünger). Im Jahre 1967 verpflichteten sich die fünf Kirchen, „eine Unionsgrundlage anzustreben und nach Wegen zu gemeinsamem Handeln zu suchen". Dieser Akt legte die Kirchen zwar nicht auf eine endliche Einheit fest, stellte aber immerhin einen auf eine Union abzielenden Bund dar. 7 2 Im Jahre 1969 wurde nach fast zwanzigjährigen, zu einem Konsensus führenden Diskussion schließlich ein Unionsplan veröffentlicht, der das für die Delegierten annehmbare Unionsmodell umriß.

A.Jamaika Als die Presbyterianer und Kongregationalisten im Jahre 1965 die Vereinigte Kirche von Jamaika und Grand Cayman bildeten, begann diese junge

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Kirche sogleich weitere Unionsgespräche mit Jüngern und später den Herrnhutern. 73 Im Verlauf der nächsten vier Jahre wurde eine gemeinsame Unionsgrundlage geschaffen, die einen gemeinsamen Glauben vorsah, unterschiedliche Sakramentspraktiken und eine Struktur, die auf die Gemeinden zentriert ist, denen Konferenzen und eine Synode zur Seite stehen. 74 Auf dieser Basis haben sich die Jünger verpflichtet, der vergrößerten vereinigten Kirche beizutreten.

5. Kanada Schon im Jahre 1943 erkundeten die Anglikanische Kirche von Kanada und die (im Jahre 1925 gegründete) Vereinigte Kirche von Kanada die Möglichkeit einer Union. Im Jahre 1963 erhielten ihre Bestrebungen einen neuen Anstoß; damals beschlossen sie, in offizielle Verhandlungen einzutreten und einen Unionsplan für ,,eine neue Manifestation der Kirche" auszuarbeiten. Ihr gemeinsamer Zehnerausschuß legte im Jahre 1965 ein Dokument mit dem Titel „ The Principles of Union Between the Anglican Church of Canada and the United Church of Canada" vor. Im Jahre 1969 wurden diese bilateralen Gespräche mit dem Eintritt der Kirche der Jünger Christi in Kanada in dieselben auf drei Kirchen ausgedehnt. Auf ihrem Allkanadischen Konvent in Edmonton/Alberta entschieden sich die Jünger mit Begeisterung für die volle Teilnehmerschaft. In Anbetracht ihrer im Vergleich zu der der beiden anderen Kirchen (Vereinigte Kirche: 2,6 Millionen Mitglieder, Anglikanische Kirche: 1,3 Millionen Mitglieder) geringen Zahl in Kanada (weniger als 10 000) ist dieser Beschluß der Jünger ungewöhnlich. In einer Situation, in der viele Glieder dieser sich von jeher beargwöhnenden Kirchenkörper den Verlust ihrer Identität befürchten, setzt sich eine kleine Gemeinschaft furchtlos für Versöhnung ein. Die Jünger sind möglicherweise durchaus imstande, zwischen den beiden an Größe gleicheren Kirchen zu vermitteln und ihnen dabei zugleich den Reichtum ihres Jünger-Erbes nahezubringen. Zudem gestaltet die Anwesenheit der Jünger die kanadischen Gespräche auch „katholischer" im Blick auf das Verständnis der Sakramente, der Taufe und des Abendmahls.

6. England Die Kirchen der Jünger Christi von Großbritannien sind derzeit nicht offizielle Teilnehmer an irgendwelchen Einigungsverhandlungen. Sie unterhalten jedoch vielverheißende Beziehungen zu zwei Veranstaltungen - zu der

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Nottinghamer Konferenz und zu den Verhandlungen zwischen Kongregationalisten und Presbyterianern.75 Als Mitglieder des Britischen Rates der Kirchen nahmen sie an der Ersten Britischen Faith and Order-Konferenz teil, die im Jahre 1964 in Nottingham stattfand. Eine der Resolutionen von Nottingham forderte die Kirchen im Britischen Rat auf, sich zu verpflichten, „gemeinsam für das Zustandekommen der Union bis zu einem von ihnen vereinbarten Zeitpunkt zu arbeiten und zu beten", der, so hoffte man, nicht später als Ostern 1980 liegen würde. Darauf wurde eine ständige „Englische Unionskonferenz" eingerichtet, an der die Kirchen Christi tätigen Anteil nehmen. Zu offiziellen Gesprächen ist es zwar noch nicht gekommen, doch steht die Bedeutsamkeit der Nottinghamer Konferenz und ihrer Auswirkungen außer Frage. Die Unionsgespräche zwischen den Kongregationalisten und den Presbyterianern haben wie die meisten derartigen Verhandlungen eine lange Vorgeschichte. Die derzeitige Reihe setzte in den 1940er Jahren ein; im Jahre 1967 unterbreitete sie Vorschläge für eine Unionsgrundlage. Ein Jahr zuvor waren die Jünger aufgefordert worden, als Vermittler zu fungieren, doch bat man sie im Jahre 1967, den Gesprächen bis auf weiteres als Beobachter beizuwohnen. Es ist anzunehmen, daß sie sich an den Verhandlungen beteiligen werden, sobald die Gemeinden über die Aussichten auf eine Kirchenunion hinreichend ins Bild gesetzt worden sind.76

7. Argentinien, Paraguay, Uruguay Im Jahre 1955 trat der „River Plata-Ausschuß für Einheit" offiziell ins Dasein. In diesen drei Ländern haben die Methodisten, Waldenser und Jünger immer wieder eine Union angestrebt, bisher jedoch ohne Erfolg. Die Kommission hat sich mit verschiedenen Themen wie Glaubensbekenntnis, Sakramente, geistlicher Dienst und die Struktur einer vereinigten Kirche befaßt. Die ökumenischen Bestrebungen kommen derzeit in Abendmahlsgemeinschaft und Zusammenarbeit im christlichen Erziehungswesen sowie in einem vereinigten theologischen Seminar in Buenos Aires zum Ausdruck, obschon die Unionsgespräche letzthin an Schwung eingebüßt haben. Ein kürzlich erschienener Bericht hat einige Probleme dargelegt, die den Fortgang der Unionsverhandlungen behindert haben: die drei Kirchen haben ihre denominationeilen Strukturen revidiert; die Mitglieder sind für eine Union nicht hinreichend motiviert; es fehlt an Klarheit über die Bedeutung der Sakramente, zumal der Taufe; der gesellschaftliche Wandel hat in Südamerika einen kritischen Punkt erreicht.

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8. Malawi Die Teilnehmer an Unionsgesprächen in dieser kleinen Nation in Zentralafrika (dem früheren Nyasaland) sind die Anglikaner, die (mit Missionstätigkeit der Britischen Kirchen Christi verbundenen) Jünger und zwei presbyterianische Synoden schottischen Ursprungs: Im Jahre 1968 wurden die Gespräche intensiviert, und es wurde beschlossen, schnellstens praktische Maßnahmen durchzuführen wie gemeinsame Bibelstudien, regelmäßiger Austausch von Amtsträgern, gemeinsame Benutzung von kirchlichen Gebäuden und Einrichtungen, Errichtung örtlicher Ausschüsse für gemeinsame Missionsarbeit, Zusammenarbeit bei der Seelsorge und bei der religiösen Erziehung.

9. Südafrika Die Jünger ergriffen die Initiative zu einer Annäherung zwischen ihnen und der Vereinigten Kongregationalistischen Kirche von Südafrika. Das erste Treffen fand im Februar 1969 in Johannesburg statt. Der gemeinsame Ausschuß stellte fest, daß in einigen praktischen Bereichen Zusammenarbeit möglich sei und zu einer Intensivierung der Beziehungen führen würde. Über eine Erklärung über die Taufe, die sowohl die Gläubigen- wie die Kindertaufe empfahl, wurde Einigkeit erzielt. Es wurde mit der Ausarbeitung des Entwurfs einer Unionsgrundlage begonnen. Die Mitgliederschaft der beiden Kirchen schließt eine beträchtliche Anzahl schwarzer und weißer Gemeinden ein. Bei den Jüngern kommen auf vier weiße 45 schwarze Gemeinden. In Anbetracht der in der Republik Südafrika herrschenden Rassenspannungen muß sich dieses Problem zwangsläufig auf die Unionsgespräche auswirken. Inwieweit beide Gemeinschaften auf eine wahrhaft integrierte Kirche festgelegt sind, muß erst noch festgestellt werden.77 Unsere Uberschau über die Teilnahme der Jünger an Unionsgesprächen macht mehrere Tatsachen offenbar : 1. Ihre Beteiligung erfolgt überall in der Welt und bezieht sie in vertrauliche Gespräche auf allen Kontinenten und in den meisten Ländern, wo Jünger leben, ein. 2. Sie haben nur selten Unionsgespräche initiiert und sind gewöhnlich, wenn man von der Kirchenunionskonferenz absieht, erst zu einem späteren Zeitpunkt in solche Verhandlungen mit eingetreten. 3. Während eine Union mit den Baptisten in der Frühzeit als einfach galt und sich dann als unmöglich erwies, streben die Jünger derzeit eine ihnen möglich erscheinende Vereinigung mt den Anglikanern, Methodisten, Kongregationalisten und Reformierten an. Ihr öku-

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menisches Engagement hat dadurch, daß sie es notwendigerweise konkreter gestalten mußten, einen universaleren Anstrich bekommen.

IV Woher und

wohin?

Wenn die Jünger ihre Geschichte und ihr Ethos überdenken, können sie nicht leugnen, daß sie ein Volk der Einheit sind. Ihr Daseinsgesetz ist das einer versöhnten und versöhnenden Gemeinschaft. Sie haben mehr als anderthalb Jahrhunderte hindurch für die Uberwindung der Gespaltenheit der Christenheit und für eine sichtbare und wirksame Einheit der Kirche Christi geworben und gewirkt. Der Kenner ihrer Geschichte weiß jedoch auch um die Spannungen und Versuchungen, die diese ihre ökumenische Berufung erzeugte: zu Triumphalisten oder Traditionsvergötterern zu werden und alle anderen Christen aufzufordern, ihr Modell als Heilsplan anzunehmen, den Okumenismus als zu romantisierendes, aber nicht notwendig zu verwirklichendes Ideal anzunehmen oder die Vision der Kircheneinheit ganz aufzugeben. Wie jeder andere Teil des Leibes Christi sind die Jünger ständig der Gefahr des Abgleitens ins Sektierertum ausgesetzt. Doch von Zeit zu Zeit schenkt Gott ihnen einen Stone, Ainslie oder Morrison, der sie in neue Bereiche ihrer Botschaft und ihres Versöhnungsdienstes führt oder ihnen die Augen für ein ökumenisches Ereignis öffnet und ihnen Gelegenheit zum Zeugnis gibt. Auf ihrer Pilgerfahrt ist es zweimal zu Spaltungen in ihrer Gemeinschaft gekommen, und sie ist durch die Tatsache befleckt, daß Anspruch und Wirklichkeit oftmals auseinanderklafften. Seit der Union Campbells und Stones im Jahre 1832 haben sie sich mit niemandem vereinigt! Soll es auf ewig dabei bleiben? „In unserem ökumenischen Zeitalter", schreibt Ronald E. Osborn, „scheint es unvorstellbar, daß der Herr der Kirche will, daß die Jünger Christi in das Jahr 2000 als nach wie vor gesonderte Denomination eintreten, während andere sich zusammenschließen." 78 Wenn sie ihrer Bestimmung treu bleiben, so werden sie bestrebt bleiben, Menschen zur Erkenntnis und zum Dienst dessen zu bringen, den sie als Herrn und Erlöser bekennen, Jesus Christus.

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Howard E. Short, Christian Unity Is Our Business, St. Louis (Bethany Press) 1953. Peter Ainslie, The Message of the Disciples for the Union of the Church, New York {Fleming H. Revell) 1913, S. 28. Barton W. Stone u. a., Last Will and Testament of the Springfield Presbytery, St. Louis (Bethany Press) I960, S. 17. „The Christian Palladium", VIII (1840), S. 286; zitiert von William G. West, Barton Warren Stone; Early American Advocate of Christian Unity, Nashville (Disciples of Christ Historical Society) 1954, S. 224. D. L. Blair, „A Scottish Parish", in: „ The Review of the Churches", New Series, IV, Nr. 3 (Juli 1927), S. 298. 1. Aufl. : Thomas Campbell, Declaration and Address of the Christian Association of Washington, Washington/Pa. (Brown and Sample) 1809. Seither wurden viele Neuauflagen herausgebracht, die jüngste im Jahre 1960 von der Bethany Press, St. Louis. Don H. Yoder, ,,Christian Unity in Nineteenth-Century America", in: Ruth Rouse und S. C. Neill (Hg.), Geschichte der ökumenischen Bewegung 1517-1948, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1957-74. Declaration and Address, S. 16-17. ebda. Siehe William G. Baker,,,Disciples of Christ", in: Weltkirchenlexikon, Handbuch der Ökumene, Stuttgart (Kreuz Verlag) 1959, S. 285-286. „Declaration and Address", a.a.O. Siehe Samuel S. Schmucker, Fraternal Appeal to the American Churches, with a Plan for Catholic Union on Apostolic Prinàples, hg. von Frederick Κ. Wentz, Philadelphia (Fortress Press) 1965. Alexander Campbell, „Union of Christians", in: „The Millennial Harbinger", New Series, III, Nr. 5 (Mai 1839), S. 212. ebda. Alexander Campbell, „Evangelical Alliance-No. I", in: „The Millennial Harbinger", Series III, IV, Nr. 1 (Januar 1847), S. 31. Eva Jean Wrather, „Alexander Campbell on ,Union of Christians'" in: „ T h e Christian-Evangelist", 91, Nr. 22 (27. Mai 1953), S. 496. Alexander Campbell, „Evangelical Alliance-No. I", a.a.O., S. 33. A. Campbell, „Evangelical Alliance-No. Ill", in: „The Millennial Harbinger", Series III, IV, Nr. 3 (März 1847), S. 166. A. Campbell, „Evangelical Alliance-No V", in: „The Millennial Harbinger", Series III, IV, Nr. 5 (Mai 1847) S. 255. Siehe William Tucker,/. H. Garrison and the Disciples of Christ, St. Louis (Bethany Press) 1964, S. 162-163 u.a. Siehe William Reed Huntington, The Church-Idea; An Essay Towards Unity, Boston (Houghton Mifflin) 1928. Siehe auch John F. Woolverton, ,J1unting-

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ton's Quadrilateral - A Critical Study", in: „Church History", 39, Nr. 2 (Juni 1970), S. 189-211. Siehe Proceedings of the General Christian Missionary Convention, Indianapolis/Indiana, Oktober 1887, S. 12-17. ,,The Episcopal Idea of Christian Union", in: ,,The Christian-Evangelist" (26. Juli 1888), S. 250. W. E. Garrison, Christian Unity and the Disciples of Christ, St. Louis (Bethany Press) 1955, S. 93. Dieses Buch stellt die umfassendste Übersicht über die Tätigkeit der Jünger in der modernen ökumenischen Bewegung dar. Peter Ainslie, Toward Christian Unity, Baltimore (Association for the Promotion of Christian Unity) 1918, S. 11. Siehe auch sein Buch Workingwith God, St. Louis (Christian Board of Publication) 1917, S. 299-308.

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Nach langem Zögern habe ich mich entschlossen, diese überaus generöse Einschätzung meiner Person seitens meines Freundes Paul A. Crow stehen zu lassen. Der Leser wird mich verstehen, wenn ich sage, daß sie sich mehr auf unsere persönlichen Beziehungen als auf Objektivität gründet. Auf der anderen Seite ist Paul A. Crow ein Jünger, dem die ökumenische Bewegung sehr viel mehr verdankt, als seine Bescheidenheit ihm anzudeuten erlaubt hat. [A. d. Hg.]

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Siehe Lin Cartwright, „How Ecumenical Are the Disciples?", i n : , , T h e Christian-Evangelist", L X X X I X (Mai 1951). Siehe auch Harold E. Fey, „The Amsterdam World Assembly of Churches", in: „The Christian Century", LXV, Nr. 40 (6. Oktober 1948), S. 1032. Ainslie, a.a.O., S. 45. Siehe Rouse und Neill, a.a.O. H . N . Bates (Hg.), Faith and Order; Proceedings of the World Conference, Lausanne, August 3-21,1927, New York (George H. Doran Co.) 1927, S. 342-347. Siehe Leonard Hodgson (Hg.), Convictions; a Selection from the Responses of the Churches to the Report of the World Conference on Faith and Order, Held at Lausanne in 1927, London (SCM Press) 1934, S. 66-77. William Robinson, The Biblical Doctrine of the Church, St. Louis (Bethany Press) 1955. William Robinson, The Shattered Cross; the Many Churches and the One Church, Birmingham (Berean Press) 1945. William Robinson, What Churches of Christ Stand For, Birmingham (Berean Press) 1959. Siehe William Robinson, „ The View of the Disciples or Churches of Christ", in: Roderic Dunkerley (Hg.), The Ministry and the Sacraments, London (SCM Press) 1937, S. 253-268. W. E. Garrison, „The Social and Cultural Factors in Church Divisions", in: Oliver S. Tomkins (Hg.), The Third World Conference on Faith and Order, London (SCMPress) 1953,S. 192. Siehe Howard E.Short, Ronald E.Osborn und George G. Beazley, Jr., „Garrison at Lund", in: „Mid-Stream", III, Nr. 4 (Juni 1964), S. 200-204. W. E. Garrison,Christian Unity and Disciples of Christ, St. Louis (Bethany Press) 1955, S. 245-248; siehe auch sein Werk The Quest and Character of a United Church, New York (Abingdon Press) 1957, S. 223-227.

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,,A Response to Amsterdam", in: „The Shane Quarterly", II, Nr. 4 (Oktober 1950), S. 164-176; „A Response to Lund", in: „The Shane Quarterly", XIV, Nr. 3 (Juli 1953), S. 91-110; A Response to Evanston, St. Louis (Christian Board of Publication) 1955; ,,A Response to Oberlin", in: „Ecumenical Studies Series" (Indianapolis), IV, Nr. 3 (November 1959); „Report on the Fourth WorldConference on Faith and Order, Montreal, July, 1963", in: „Mid-Stream", III, Nr. 2 (Dezember 1963); „Response to the World Conference on Church and Society, Geneva, July 12-26, 1966", in: „Mid-Stream", VII, Nr. 1 (Herbst 1967); The Fourth Assembly of the World Council of Churches, Uppsala, Sweden, July 4-20, 1968", in: „Mid-Stream", VIII, Nr. 2 (Winter 1968-1969).

* The World Mission of the Church; Finding and Recommendation of the International Missionary Council, Tambaram-Madras, India, December 12-29, 1938, London (I.M.C.) 1939, S. 130-131. 39 The Missionary Obligation of the Church; Willingen, Germany, July 5-17, 1952, London (Edinburgh House Press) 1952, S. 40. 40 Virgil A. Sly, „Christian Unity and World Mission", in: „The Shane Quarterly", XVI, Nr. 1 (Januar 1955), S. 59. 41 A Strategy of World Mission, Indianapolis (United Christian Missionary Society) 1955. 42 ebda., S. 18. 43 H. C. Armstrong, The Disciples of Christ; Who They Are and Why They Are, Baltimore (Association for the Promotion of Christian Unity) 1924, S. 27. 44 Die Forschungen des Verf. für dieses Kapitel ergaben, daß mehrere Jünger-Geistliche im Zwischenausschuß mitarbeiteten und an der Abfassung des Philadelphia-Plans beteiligt waren. Diese Tatsache blieb in früheren Berichten über die ökumenischen Aktivitäten der Jünger unerwähnt. 47 Siehe A. T. DeGroot, Three-fourth of a Loaf; A Historical study of the movements looking toward the union of Baptists and Disciples of Christ, The Chronicle, April 1948. Die gründlichste Analyse dieser Gespräche wurde von Franklin E. Rector verfaßt: „Baptist-Disciple Conversations Toward Unity", in: Nils Ehrenstrom und Walter G. Muelder (Hg.), Institutionalism and Church Unity, New York (Association Press) 1963, S. 253-274. 48 Siehe Minutes and Papers of the Joint Board Committee of the United Christian Missionary Society and the American Baptist Foreign Missionary Society, 1958-1961 (vervielf.). 49 Rector, a.a.O., S. 273. 50 Anfang der sechziger Jahre schlug Edwin H. Tuller (geb. 1913), der damalige Generalsekretär der Amerikanischen Baptistischen Kirche, ein Unionsgespräch zwischen der letztgenannten, der Kirche der Brüder, den Adventisten vom siebenten Tage und der Kirche der Jünger Christi vor. Eine aus sechs Personen bestehende Delegation der Amerikanischen Baptistischen Kirche traf zur Erörterung dieses Vorschlags mit ebenso vielen Jüngern zusammen, da die Jünger bereits in ein bilaterales Gespräch mit der Vereinigten Kirche Christi eingetreten waren und an der multilateralen Kirchenunionskonferenz teilnahmen. Die gleichen theologischen Differenzen wurden sogleich offenbar. [A.d.Hg.]

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Paul A. Crow d. ].

General Council of the Congregational Christian Churches of the U.S., Minutes of the Eighth Regular Meeting, Grinnell, Iowa, June 18-25, 1946, S. 34. Disciples of Christ Year Book, 1946, Indianapolis ( Year Book Publications Committee) 1947, S. 19-20. Minutes of the Conference on Church Union, December 14-16, 1949, Seabury House, Greenwich, Connecticut, S. 11 (vervielf.). ebda., S. 5-6. John A. Mackay, „ Charles Clayton Morrison at Ninety" in:,,The Christian Century", LXXXI, Nr. 49 (2. Dezember 1964), S. 1487. Siehe C. C. Morrison, Tie Unfinished Reformation, New York (Harper) 1953. Siehe Peter Ainslie, Toward Christian Unity, Baltimore (Association for the Promotion of Christian Unity) 1918, S. 61-68. H. Paul Douglass (Hg.), The Witness of the Churches of the Congregational Order, New York (General Council of Congregational Churches) 1940. Berichte hierüber in: „Mid-Stream", II, Nr. 1 (September 1962); II, Nr. 3 (März 1963); III, Nr. 3 (März 1964); IV, Nr. 3 (Frühjahr 1965). Die Vereinigte Presbyterianische Kirche in den Vereinigten Staaten trat im Mai 1972 aufgrund eines Beschlusses ihrer Generalversammlung aus der „Kirchenunionskonferenz" aus. Daraufhin traten verschiedene Presbyterien an die Generalversammlung mit der Bitte heran, die Frage des Wiedereintritts in die Kirchenunionskonferenz zu erwägen, und am 23. Mai 1973 wurde ein entsprechender Antrag von der Versammlung mit 453 gegen 259 Stimmen angenommen. [A. d.Hg.] Diese nach der Abfassung des vorliegenden Kapitels abgehaltene Vollversammlung überprüfte die Festlegung auf eine Union im Licht der neuen Situation und bekräftigte sie. Auf dieser Tagung faßte man auch die Revision des Unionsplans ins Auge und drang in Anbetracht der Tatsache, daß der Weg zu einer vereinigten Kirche länger sein wird als ursprünglich angenommen, für die Zwischenzeit auf Abendmahlsgemeinschaft. [A. d. Hg.] Principles of Church Union, Cincinnati (Forward Movement Publications) 1966; Consultation on Church Union 1967; Principles of Church Union, Guidelines for Structure, and a Study Guide, Cincinnati (Forward Movement Publications) 1967. An Order of Worship for the Proclamation of the Word of God and the Celebration of the Lord's Supper, Cincinnati (Forward Movement Publications) 1968. A Plan of Union for the Church of Christ Uniting, Princeton/New Jersey (Consultation on Church Union) 1970. Wegen der für die Bearbeitung der 2600 Stellungnahmen zu dem Unionsplan benötigten Zeit wurde die elfte Vollversammlung auf Anfang April 1973 verschoben. [A. d.Hg.] Die jüngste Veröffentlichung über die Kirchenunionskonferenz ist: Paul A. Crow, Jr., und William Jerry Boney (Hg.), Church Union at Midpoint, New York (Association Press) 1972. Im Jahre 1971 in Zaire umbenannt. [A. d. Hg.] Siehe The Church of Christ in Congo; Draft Constitution, October, 1969, De-

Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen

Bewegung

217

partment of Africa and Jamaica, The United Christian Missionary Society. Eglise du Christ à Zaïre. 70 Mark Gibbard, „CentralAfrica: How Will Unity Comet", in: „Church Times", 19. April 1968, S. 16,6. 71 Plan of Church Union in North India and Pakistan, Madras (Christian Literature Society) 1965. 72 Siehe Plan for Union; the Joint Commission on Church Union in New Zealand, 1969, Wellington (The Office of the Joint Commission) 1969. 73 Für eine historische Uberschau über diese Unionsverhandlungen siehe Paul S. Crow, Jr., „ T h e Venture of Church Union in Jamaica", in: „Lexington Theological Quarterly", I, Nr. 3 (Juli. 1966), S. 89-98. 74 Siehe Minutes of thî Fourth Annual Synod of the United Church of Jamaica and Grand Cayman, March 10-14, 1969. Ein erweiterter (vervielfältigter) Text mit Abschnitten über das Abendmahl und die Kirchenmitgliedschaft wurde im Jahre 1970 in Umlauf gebracht. 75 Siehe Philip Morgan, „ The British Churches of Christ (Disáples) and the Ecumenical Situation in the British Isles", in: „The Scroll", LIX, Nr. 2 (Sommer 1967), S. 20-24. 76 Im August 1972 beschloß die Jahreskonferenz der Kirchen Christi in Großbritannien, Unionsgespräche mit der (aus den Verhandlungen zwischen Kongregationalisten und Presbyterianern erwachsenen) Vereinigten Reformierten Kirche anzustreben und eine Stellungnahme zu dem Zwischenbericht (Interim Report, Edinburgh [The St. Andrew Press] April 1972) des multilateralen Kirchengesprächs in Schottland auszuarbeiten, an dem die Kirchen nunmehr teilnehmen. [A.d.Hg.] 77 Am 23. September 1972 vereinigten sich die Jünger in Südafrika mit den Vereinigten Kongregationalistischen Kirchen von Südafrika (Südafrika, Südwestafrika, Rhodesien, Botswana, Swasiland und Lesotho). Dieser unierte Kirchenkörper war am 3. Oktober 1967 durch die Vereinigung von drei kongregationalistischen Kirchengebilden ins Dasein getreten. 78 Ronald E. Osborn, „Disciples of Christ and Union Among Denominations", in: „The Shane Quarterly", XVI, N r . 2 (April 1955), S. 118.

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219 KAPITEL XI DAS SCHRIFTTUM DER KIRCHE DER JÜNGER

CHRISTI

HOWARD E . SHORT*

Obwohl die Kirche der Jünger Christi nur auf eine vergleichsweise kurze Geschichte - etwas mehr als anderthalb Jahrhunderte - zurückblicken kann, hat sie während dieser Zeit doch ein umfangreiches Schrifttum hervorgebracht: Zeitschriften, von denen an die 1500 nur eine kurze Lebensdauer hatten, und Bücher aller Arten. Da die Kirche verschiedene Namen geführt hat, wie auch infolge der Tatsache, daß im Laufe der Jahre Spaltungen erfolgten, so daß heute gesonderte Kirchenkörper auf einen gemeinsamen Ursprung zurückblicken, ist eine hilfreiche und brauchbare Besprechung ihres Schrifttums schwierig, es sei denn, man sei mit der gesamten Bewegung sehr gut bekannt. Einige Bibliotheken, zumal die Disciples of Christ Historical Society in Nashville/Tennessee, verfügen über Originalschriften aus der Ursprungszeit der Kirche, die jedoch seit langer Zeit vergriffen sind. Zeitschriften und Neuerscheinungen bereiten die historischen Fakten indes ständig für den heutigen Leser auf. Vielleicht ist es am besten, die Besprechung des Jünger-Schrifttums mit bestimmten anerkannten Werken zu beginnen, die durch Bibliotheken und Buchhandlungen leicht zu beschaffen sind.

I Allgemeine historische Darstellungen Unter den Körperschaften, die aus den von den beiden Campbeils und Barton W. Stone initiierten allgemeinen Reformbewegungen hervorgegangen sind, heben sich drei besonders heraus. Mag sein, daß die Kirchenzucht und Gemeindeverfassung der Kirchen die Einordnung mancher Einzelpersonen und Gemeinden erschweren. Desgleichen weist jede der drei größeren Gruppen Denkschulen oder Bewegungen auf. * Rev. Dr. Howard E. Short war der Herausgeber der Zeitschrift ,,The Christian" und Leiter der,,Bethany Press". Er trat am 31. Dezember 1973 in Ruhestand.

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Howard E. Short

Unser Beitrag befaßt sich mit der Kirche der Jünger Christi, doch mag die Anführung je eines allgemeinen historischen Werkes über die drei Körperschaften der „Christen" hilfreich sein. Neueres (nach der Jahrhundertwende erschienenes) Schrifttum, das eine andere Gruppe als die Kirche der Jünger Christi behandelt, wird sonst gesondert aufgeführt. Winfred E. Garrison und Alfred T. DeGroot schrieben „The Disciples of Christ: A History" (St. Louis, [Christian Board of Publication] 1948; 2. revidierte Auflage, [The Bethany Press] 1958 ; Neuauflage 1969). Dieses Buch wird mit einem familiären Ausdruck „Die Bibel der Jünger" genannt. Es ist eine abschließende Darstellung der Wurzeln des Denkens und Handelns der Kirche der Jünger Christi, die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts führt und eine Fülle von Einzelheiten über Personen, Orte, Organisationen und Ideen bringt. Eine neue allgemeine Geschichte der Kirche wurde 1975 veröffentlicht: Lester G. McAllister und William E. Tucker .Journey in Faith: A History of the Christian Church (Disciples of Christ)", The Bethany Press, 1975. Von den in diese Kategorie einzureihenden Büchern ist sodann erwähnenswert „Christians Only" von James DeForest Murch (The Standard Publishing Company, Cincinnati 1962). Diese „irenische", persönliche Darstellung, wie der Verfasser sie nennt, schildert die Geschichte der Bewegung aus dem Blickwinkel eines Mitgliedes der North American Christian Convention, einer der drei Gruppen. Der Autor bezeichnet die Spaltungen als linksgerichtet, zentristisch und rechtsgerichtet. Sich selber und seine Gruppe rechnet er zu den Zentristen. Die Gruppe bat erstmals im Jahre 1971 um Aufnahme in das „ Yearbook of American Churches" unter der Bezeichnung „Christian Churches and Churches of Christ". Die dritte Gruppe von Gemeinden, die aus der ursprünglichen Bewegung hervorgegangen ist, bevorzugt die Bezeichnung „ Churches of Christ". Die Wurzeln der Spaltung kann man schon in der Friihzeit wahrnehmen, offenbar wurde sie indes, als das Statistische Bundesamt der Vereinigten Staaten im Jahre 1906 eine Übersicht über die amerikanischen religiösen Körperschaften zusammenstellte. Einige Einzelpersonen sorgten dafür, daß diese Gemeinden als gesonderte Körperschaften aufgeführt wurden. Einer ihrer Autoren, Earl I. West, schrieb „The Search for the Ancient Order" (Religious Book Service, Indianapolis 1949; Gospel Advocate Co., Nashville 1953, 2 Bde.). Der erste Band behandelt die gemeinsame Geschichte bis zu dem bedeutsamen Jahr 1906. Im Jahre 1969 erschien im VerlagDoubleday aus der Feder von Louis und Bess Cochran,, Captives of the Word", eine erzählende Darstellung der drei Kirchen, die aus der Bewegung von Stone und Campbell hervorgingen.

Das Schrifttum der Kirche der Jünger Christi

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II Zeitschriften Im Jahre 1976 besteht seit 114 Jahren die Zeitschrift „ The Christian". Wie viele der Periodika stellt sie eine Verschmelzung vieler Zeitschriften früherer Jahre dar; unter ihrem gegenwärtigen Namen erscheint sie seit 1960. Es ist dies indes kein neuer Name, sondern der einer früheren Zeitschrift, den diese vor mehr als 75 Jahren erhielt, als sie sich mit einer „ The Evangelist" betitelten Zeitschrift zum „ The Christian-Evangelist" verschmolz. Diese, .Nachrichten und Meinungen" verbreitende Wochenschrift wird in fast allen Staaten und Provinzen der USA und Kanadas gelesen, und einige Exemplare werden in etwa 30 andere Länder versandt. Sie bringt Nachrichten über die Denomination und über die Kirche im ganzen sowie Artikel über Themen aus dem Leben und der Arbeit der Kirche. „ World Call", eine Monatsschrift der Kirche der Jünger Christi, erscheint seit 1918. Gleichwie e Christian" wird sie vom Christian Board of Publication, der Verlagsabteilung der Kirche der Jünger Christi, veröffentlicht. Ihre Artikel befassen sich mit nahezu sämtlichen Anliegen der ganzen Kirche. Eine weitere Zeitschrift sei noch erwähnt, der seit 1866 erscheinende „Christian Standard". Er wird heute hauptsächlich von den Mitgliedern der Kirchen der North American Christian Convention gelesen, doch seine ersten etwa 60 Jahrgänge bieten eine Deutung der allgemeinen Bewegung und geben Aufschlug über die Entstehung der beiden Teilungen. Zwei führende Zeitschriften der Churches of Christ sind „The Gospel Advocate" und „Firm Foundation".

III Literaturverzeichnisse Einige Jünger-Bibliographien liegen vor, doch ist keine davon neueren Datums. Alfred T. DeGroot und Enos E. Dowling veröffentlichten im Jahre 1933 ein 78 Seiten umfassendes kartoniertes Bücherverzeichnis:,, The Literature of the Disciples of Christ" (Hustler Printing Company, Advance/Indiana 1933). Die erste umfassende, wissenschaftliche Bibliographie wurde von Claude E. Spencer, dem Kurator der Historischen Gesellschaft der Jünger Christi

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Howard E. Short

erstellt und im Jahre 1946 vor dem Umzug der Gesellschaft nach Nashville/Tennessee in Canton/Missouri veröffentlicht. Dieser „Author Catalog of Disciples of Christ and Related Religious Groups" verzeichnet nur wenige der von den verschiedenen Gremien der Kirche veröffentlichten Broschüren und Bücher. Er ist schon mehr als zwei Jahrzehnte alt, aber als erste Informationsquelle für bestimmte Autoren und Titel immer noch von Nutzen. Bevor er seinen,,Author Catalog" veröffentlichte, stellte Claude E. Spencer eine hektographierte Liste von mehr als tausend übergemeindlichen Periodika zusammen. Sie ist betitelt,, Periodicals of the Disciples of Christ and Related Religious Groups" und kann von der,,Historical Society "bezogen werden. Die Kirche der Jünger Christi wird zwar vornehmlich für eine in den Vereinigten Staaten und Kanada beheimatete Bewegung gehalten, doch gibt es auch in Großbritannien und vielen anderen Ländern Jünger-Gemeinden. Die Kirchen in Großbritannien gehen auf die Heraufkunft bodenständiger Gemeinden sowohl wie auf missionarische Bemühungen von seiten Nordamerikas zurück. Das Schrifttum dieser Kirche ist in einem von Alfred T. DeGroot unter dem Titel,, Literature of the Churches of Christ in Great Britain and Ireland, a Design for a Catalog" zusammengestellten Verzeichnis aufgeführt. Es ist zu bemerken, daß zwar volle Gemeinschaft zwischen diesen Kirchen und der Kirche der Jünger Christi in den Vereinigten Staaten und Kanada besteht, sie sich aber Kirchen Christi nennen.

IV Soziologische Analysen Die Kirche der Jünger Christi entstand im 19. Jahrhundert an der amerikanischen Siedlungsgrenze. Drei Bücher sind zu erwähnen, die diese soziologische Tatsache besonders herausstellen. Das erste wurde von Walter W. Jennings verfaßt und ist betitelt,, Origin and Early History of the Disciples of Christ, with Special Reference to the Period Between 1809 and 1835" (The Standard Publishing Company, Cincinnati 1919). Der Verfasser hatte lange Zeit hindurch eine Professur für Wirtschaftswissenschaft an der Universität von Kentucky und verfügte über die für die Beurteilung des sozialen Einflusses der Grenze auf eine solche Bewegung erforderlichen Kenntnisse. Das zweite zu erwähnende Buch ist Winfred E. Garrison:,,Religion Follows the Frontier: A History of the Disciples of Christ" (Harper and Bro-

Das Schrìfttum der Kirche der Jünger Christi

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then, New York 1931). Es ist dies ein Vorläufer der oben erwähnten Geschichte aus der Feder von Garrison und DeGroot, aber insofern von allgemeinem Interesse, als es den Nachdruck auf die Grenze und die Jünger Christi als Grenzlandbewohner legt. Als letztes zu dieser Kategorie gehöriges Buch ist zu erwähnen: David Edwin Harrell, Jr., „Quest for a Christian America" (Disciples of Christ Historical Society, Nashville 1966). Von einem Mitglied der Kirchen Christi, einem derzeit an der Universität von Alabama lehrenden Profanhistoriker verfaßt, weist sein Untertitel, ,,A Social History of the Disciples of Christ", daraufhin, daß es sich um eine ausgezeichnete moderne Darstellung der gesamten Jünger-Bewegung in ihrer besonderen soziologischen Umwelt handelt. V Lebensbeschreibungen Über die meisten Führer der Kirche der Jünger Christi in der ersten Generation sind viele Bücher verfaßt worden. Einige davon sind Biographien im strengen Wortsinn, die meisten jedoch Interpretationen. Das meistbenutzte Buch über den ältesten der Gründerväter ist,,Thomas Campbell, Man of the Book" von Lester G. McAllister (The Bethany Press, St. Louis 1954). Größeres Interesse hat der Sohn erregt. Ein umfangreiches Werk, das zwei Jahre nach seinem Tode herauskam, gilt nach wie vor als klassisch und wird von allen herangezogen, die sich mit Alexander Campbell befassen: Robert Richardson, „Memoirs of Alexander Campbell" ( f . B. Lippincott and Company, Philadelphia 1868, 2 Bde.). Eine neuere Darstellung ist Lyon Smith, „Alexander Campbell" (The Bethany Press, St. Louis 1930). Alexander Campbell ist aus vielen verschiedenen Blickpunkten erforscht worden, war er doch Prediger, Evangelist, Herausgeber, öffentlicher Debattierer, Posthalter und Politiker. Zwei Bücher seien hier als für diese Art von Darstellung typisch genannt: Robert F. West, „Alexander Campbell and Natural Religion" (Yale University Press, New Haven 1948) und Harold L. Lunger, „The Political Ethics of Alexander Campbell" (The Bethany Press, St. Louis 1957). Royal Humbert, ,,A Compend of Alexander Campbell's Theology" (The Bethany Press, St. Louis 1961) gibt auf 286 Seiten den Hauptinhalt sämtlicher theologischen Schriften von Alexander Campbell wieder. Zwei Bücher sind die Hauptquellen für das Grundstudium des Lebens und Werks von Barton W. Stone, dem ersten Führer der Christian Church-it-

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Howard E. Short

wegung im Viehgrasgebiet von Kentucky. Das eine ist „Barton Warrèn Stone, Pathfinder of Christian Union" (The Bethany Press, St. Louis 1932) von Charles C. Ware. Es ist ein brauchbares Nachschlagewerk, das Einzelheiten über Stones Werk mitteilt und eine Überschau über seine Reisen enthält. Eine gründlichere Darstellung ist „Barton Warren Stone, Early American Advocate of Christian Unity" (Disciples of Christ Historical Society, Nashville 1954) von William G. West. Dieses Buch erörtert Stones Gedanken über die Einheit der Kirche im Licht und in der Sprache der heutigen ökumenischen Bewegung. Walter Scott, ein Schotte, doch nur ein entfernter Verwandter des berühmten schottischen Romanciers, gilt als der vierte der „großen Vier" unter den Gründervätern der Jünger. Auch von ihm existiert eine frühere und eine neuere Biographie, die zusammen die Hauptinformationsquellen bilden. Im 19. Jahrhundert erschien William Baxter, „Life of Elder Walter Scott with Sketches of His Fellow-Laborers" (Reprint, Gospel Advocate Company, Nashville o. J.). Das rezentere Werk, das, auf Baxter aufbauend, eine Menge wertvoller Interpretationen enthält, ist Dwight E. Stevenson, „Walter Scott: Voice of the Golden Oracle" (Christian Board of Publication, St. Louis 1946). Wenn ein fünfter Bahnbrecher zu erwähnen wäre, so würde das John Smith sein, der als ehemaliger Baptist der Bewegung in Kentucky beitrat und den Beinamen „Raccoon" (Waschbär) erhielt. Die Standardbiographie von Smith ist älteren Datums: John Augustus Williams, „Life of Elder John Smith" (R. W. Carroll, Cincinnati 1870). An dieser Stelle seien auch zwei Romane aus der Feder des volkstümlichen amerikanischen Schriftstellers und ehemaligen Mitarbeiters des BundesFahndungsdienstes der Vereinigten Staaten Louis Lockran erwähnt: „The Fool of God" (d.i. Alexander Campbell), und „Raccoon John Smith" (beide im Verlag Duell, Sloan & Pearce, New York, erschienen). Beide sind sehr anregend zu lesen und im großen und ganzen tatsachengetreu. VI Zeitschriften des 19. Jahrhunderts Von den Hunderten von zumeist kurzlebigen Zeitschriften war bereits die Rede. Im Rückblick läßt sich feststellen, daß die beliebtesten Führer auch die volkstümlichsten und langlebigsten Zeitschriften herausgaben. Es ist keine Frage, daß Alexander Campbell unter seinen Mitstreitern als Herausgeber eine herausragende Stellung einnahm. Seine erste Zeitschrift

Das Schrifttum der Kirche der Jünger Christi

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war „ The Christian Baptist", der von 1823 bis 1830 allmonatlich in Buffalo, Brooke County/Virginia (heute Bethany/West Virginia), herauskam. Diese Bände sind als Primärquelle für Alexander Campbeils Denken und Führerschaft derart wichtig, daß kürzlich eine siebenbändige Reprintausgabe veranstaltet wurde (Gospel Advocate Company, Nashville 1955). Man findet darin Campbeils Anschauungen über die Taufe, das Abendmahl, das geistliche Amt, die Bibel und ihre Ausdeutung, das Kirchenregiment und über vielerlei untergeordnete Themen, von denen die meisten in die Lehre der Jünger Christi eingegangen sind. Als die Mahoning Baptist Association im Jahre 1830 aufgelöst wurde, stellte Alexander Campbell seine Zeitschrift ein. Die Kirchen dieser Bewegung waren nacheinander Mitglieder zweier baptistischer Vereinigungen gewesen. Ihrem Einfluß war es zu verdanken, daß die Mahoning Baptist Association aufgelöst wurde und die Kirchen sich in zunehmendem Maße von jeder existierenden Denomination unabhängig machten. Obwohl in Alexander Campbells schriftlichen und mündlichen Äußerungen verhältnismäßig wenig von einer Lehre vom Tausendjährigen Reich Christi die Rede ist, nannte er seine neue Monatsschrift „Millennial Harbinger" („Der Vorbote des Tausendjährigen Reiches", Bethany 1830-1870). Alexander Campbell starb im Jahre 1866, und vier Jahre nach seinem Tode ging diese seine Zeitschrift ein. Barton W. Stones Zeitschrift war „The Christian Messenger" (Georgetown/Kentucky und Jacksonville/Illinois 1816-1837; 1839-1845).

VII Gelehrte Zeitschriften Zwei gelehrte Vierteljahrsschriften erscheinen derzeit. Die erste ist „MidStream" (Indianapolis, herausgegeben von George G. Beazley, Jr.), eine Veröffentlichung des Rats für die Einheit der Christen. In dieser im Jahre 1961 gegründeten Zeitschrift werden viele der zuerst in (denominationeilen, interdenominationellen und Jünger/römisch-katholischen) theologischen Diskussionsgruppen gehaltenen wichtigen Referate veröffentlicht. Des weiteren werden darin die Stellungnahmen der Jünger zu Tagungen der nationalen und der Weltkirche erörtert. „Mid-Stream" hat auch viele auf der Kirchenunionskonferenz gehaltene Referate abgedruckt. Eine weitere Vierteljahrsschrift ist „Encounter". Sie wird seit dem Jahre 1939 vom Christian Theological Seminary herausgegeben. Die Professoren des Seminars und Gastdozenten erörtern darin alle den Theologen derzeit

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Howard E. Short

interessierenden Fragen.,,Encounter" ist repräsentativ für ähnliche Periodika anderer theologischer Seminare der Kirche, unter ihnen indes vermutlich das einflußstärkste. VIII Werke über einzelne Regionen der Kirche Die Organisation der Kirche hat sich in großem Umfang dem staatlichen Rahmen angepaßt. Uber fast alle dieser einzelstaatlichen Kirchenkörper sind geschichtliche Darstellungen erschienen; die darin enthaltenen Informationen und Interpretationen sind in vielen Fällen reichhaltiger und bisweilen zuverlässiger, als es in einer allgemeinen Darstellung der Fall wäre. Viele dieser Darstellungen der Geschichte einzelstaatlicher Kirchenkörper sind heute veraltet, doch sind mehrere erst letzthin erschienen, so: Henry K. Shaw,„Buckeye Disciple s[ Ohio]" (Christian Board of Publication, St. Louis 1952) und Shaw, „Hoosier Disciples [Indiana]" (The Bethany Press, St. Louis 1966); Colby D. Hall, „Texas Disciples" (Texas Christian University Press, Fort Worth 1953) ; Alonzo Willard Fortune, „The Disciples in Kentucky" (The Convention of the Christian Churches in Kentucky 1932); Clifford A. Cole, „The Christian Churches of Southern California" (Christian Board of Publication, St. Louis 1959). Eine umfangreiche Geschichte der Kirche der Jünger Christi in Kanada wurde von Reuben Butchart verfaßt: „The Disciples of Christ in Canada Since 1830" (Canadian Headquarters Publications, Church of Christ, Toronto 1949).

IX Interpretationen Die zumal außerhalb der Kirche der Jünger Christi bekannteste Interpretation der Lehren der Jünger ist William Robinson, „The Biblical Doctrine of the Church" (2. revidierte Aufl., The Bethany Press, St. Louis 1955). Ein beliebtes Lehrbuch, das bereits 17 Auflagen erlebt hat, ist Howard E. Short, „Doctrine and Thought of the Disciples of Christ" (Christian Board of Publication, St. Louis 1951). Volkstümlichen Charakter tragen auch zwei Sammelwerke: Samuel F. Pugh, „Primer for New Disciples" (The Bethany Press, St. Louis 1963) und James M. Flanagan, „What We Believe" ÇThe Bethany Press, St. Louis 1960).

Das Schrifttum

der Kirche der Jünger

Christi

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Im Jahre 1965 richtete die Disciples of Christ Historical Soàety in Nashville/Tennessee die Forrest F. Reed-Vorlesungen ein. Die ersten Vorlesungen hielt William Barnett Blakemore. Sie wurden unter dem Titel „ T h e Discovery of the Church: A History of Disciple Ecclesiology" (Reed and Company, Nashville 1966) veröffentlicht. Drei neuerdings erschienene Bücher vermitteln eine gute Uberschau über weithin angenommene Anschauungen vom Kultus, den Sakramenten und dem geistlichen Amt. Es sind dies : Keith Watkins, „The Breaking of Bread: An Approach to Worship for Christian Churches (Disciples of Christ)" (The Bethany Press, St. Louis 1966); J. Daniel Joyce, „The Place of the Sacraments in Worship" (The Bethany Ptess, St. Louis 1967); Ronald E. Osborn, „Christian Ministry in Today's World" (The Bethany Press, St. Louis 1967). Vier nützliche Hilfsmittel bedürfen ebenfalls der Erwähnung. „The Yearbook of the Christian Church (Disciples of Christ)", das alljährlich von der Kirche der Jünger Christi, Indianapolis, herausgegeben wird, enthält statistische Ubersichten über alle Gemeinden, ein Verzeichnis der Geistlichen und Berichte aller Einheiten der Kirche. Das zweite Hilfsmittel ist „The Christian-Evangelist Index, 1863-1958" (gemeinsame Veröffentlichung des Christian Board of Publication und der Disciples of Christ Historical Society, 1962), ein Registerband zu der oben erwähnten Zeitschrift. Zum „Christian Standard" erschien im Jahre 1972 ein ähnlicher Registerband und zu der Zeitschrift „The Christian" (die „The Christian-Evangelist" fortsetzt) einer für die Jahrgänge 1959-1973 (1974). Eine kleine Monographie, die während der Zeit der Umstrukturierung der Kirche viel herangezogen wurde, ist Eva Jean Wrather,,, Alexander Campbell on the Structure of the Church" (The Bethany Press, St. Louis 1968). Die Geschichte der sozialen Anliegen und Aktivitäten der Kirche der Jünger Christi stellt James A. Crain, „The Development of Social Ideas Among the Disciples of Christ" {The Bethany Press 1969) dar. Am Schluß dieses Literaturverzeichnisses sei ein Werk aus der Feder des Nestors der Jünger-Historiker, Winfre«?E. Garrison, genannt: „Heritage and Destiny: An American Religious Movement Looks Ahead" (The Bethany Press, St. Louis 1961). Laut Dr. Garrison ist es die Bestimmung der Jünger, „in wachsendem Maße zu einer starken Körperschaft hingebungsvoller und aufgeschlossener Christen zu werden, die ihren Anteil an der allen Christen auferlegten Verantwortung übernimmt, durch Bande miteinander verbunden ist, wie sie dereinst vielleicht alle Christen aneinanderbinden werden, und in einer Zukunft, die sich unserer Berechnung entzieht, aber nicht außerhalb des Bereichs unseres Glaubens und unserer Hoffnung

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Howard E. Short

liegt, ihre Identität verliert, indem sie sich zur Union mit dem Leibe Christi in der Gesamtheit erhebt". „Das ist unsere Bestimmung - doch nur dann, wenn wir sie annehmen und klug auf ihre Verwirklichung hinarbeiten."

229 KAPITEL XII STATISTISCHE ÜBERSCHAU ÜBER DIE KIRCHE DER JUNGER CHRISTI HOWARD E . DENTLER*

In den mittleren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts überflutete die Kirche der Jünger Christi die neuen Grenzen. In der Expansionsepoche der Vereinigten Staaten erlebte die Bewegung einen gewaltigen Aufstieg. Nach der Abspaltung der Jünger von den Baptisten und ihrer Vereinigung mit der Stoneschen Bewegung betrug ihre Zahl schätzungsweise 22000. Im Jahre 1840 gab es annähernd 90000 und gegen 1850 ungefähr 120000 Glieder der Kirche der Jünger Christi. Uberlieferte Schätzungen weisen auf ein Anwachsen auf 192 300 bis zum Jahre 1860. Dies alles besagt, daß sich die Mitgliederzahl der Kirche der Jünger Christi um fast 900 % vermehrte, während sich die Bevölkerung der Vereinigten Staaten in derselben Zeit lediglich verdreifachte. Nach dieser Zeit hatten die Jünger zwar noch ein ganzes Jahrhundert hindurch einen stetigen Zuwachs an Mitgliedern zu verzeichnen, doch erfolgte er niemals mehr derart rasch. Hier die Mitgliederzahlen für die Jahrzehnte von 1870 bis 1970: 1870 225 000 1880 500 000 1890 650 000 1900 1 120 000 1910 1 363 533 1920 1 178 079 1930 1 554 678 1940 1 699 222 1950 1 776 490 1960 1 809 510 1 429 367 1970 1 391 210 1971 1 356 914 1972 1 335 458 1973 * Rev. Dr. Howard E. Dentier ist stellvertretender General Minister und Präsident der Kirche der Jünger Christi. Er war lange Zeit hindurch Herausgeber des,, Year Book and Directory of the Christian Church (Disciples nf Christ)".

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Howard E. Dentier

1974 1975 1976

1 317 044 1 286 411 1 283 348

Die Verlangsamung des zahlenmäßigen Wachstums ist eine meßbare Tatsache. In den vierzig Jahren von 1860 bis 1900 verfünffachte sich die Zahl der Jünger, während die Bevölkerung als Ganzes nur um das Zweieinhalbfache wuchs. In den 45 Jahren von 1900 bis 1945 gewannen die Jünger 52 Prozent, während die Bevölkerung der Vereinigten Staaten um 83 Prozent zunahm. Allerdings ist dabei zu bemerken, daß während dieser Zeit 20 Millionen Einwanderer in die Vereinigten Staaten kamen, mit denen - wie auch mit ihren Nachkommen in der ersten Generation - die Kirche der Jünger Christi faktisch in keinerlei Berührung kam. Zieht man die Zahl der Einwanderer von der Bevölkerungszahl des Jahres 1945 ab, so beläuft sich der Bevölkerungszuwachs in der in Rede stehenden Zeit nur noch auf 37 Prozent. Die Jünger wuchsen also auch noch in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts rascher, als die Menschen, mit denen sie in den ländlichen Gebieten zusammenarbeiteten, sich vermehrten, aber die Tatsache, daß sie die Einwanderer nicht zu erreichen vermochten und sich nicht um die Großstädte bemühten, schwächte nicht nur ihre statistische Stellung in der Bevölkerung als Ganzes, sondern machte auch eine Schwäche ihrer Strategie offenbar, die man erst jetzt zu überwinden versucht. All dies besagt, daß die Siedlungsräume der Jünger und ihre Verteilung auf städtische oder ländliche Gegenden für das Verständnis ihrer Wesensart und ihrer Verhaltensweisen vielleicht von größerer Bedeutung sind als die genaue Zahl der Kirchenglieder. Bis zum Jahre 1960 waren die Jünger keine vorwiegend städtische Bewegung, obschon sie beachtliche Großstadtgemeinden hatten. Die Konzentration auf das Gebiet des Mississippi-Tals und die kleinen Dörfer erfolgte während der Expansionsepoche. Am Ausgang des 19. Jahrhunderts lebte ungefähr die Hälfte der Jünger-Migliederschaft in den vier Staaten Missouri, Kentucky, Indiana und Illinois. Ohio, das an fünfter Stelle stand, wies fast ebenso viele Jünger auf wie Pennsylvanien, New York und die Neu-England-Staaten zusammengenommen. Die neuesten Zahlen, die Verteilung der Jünger betreffend, deuten darauf hin, daß dies bis um die Mitte der 1950er Jahre so blieb; noch im Jahre 1953 befanden sich 78,5 Prozent der Jünger-Gemeinden in Orten mit höchstens 10000 Einwohnern, während nach dem Zensus von 1950 nur 49,9 Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten in Orten mit einer Bevölkerungszahl von weniger als 10000 wohnhaft waren. Überdies konzentrieren sich die Gemeinden der Kirche der Jünger Christi, wenn man von der Region Southwest absieht, nach wie vor in den Mittelstaaten der U.S.A., die folgende Mitgliederzahlen aufweisen:

Statistische Überschau über die Kirche der Jünger Christi

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Southwest Region (Texas, New Mexico) 130 521 122 688 Missouri 107 989 Indiana 91 393 Ohio 80 006 Illinois 79 997 Kentucky 71 874 Oklahoma Laut dem „ Year Book and Directory of the Christian Church (Disciples of Christ)" vom Jahre 1973 wohnen über 50 Prozent ihrer Mitgliederschaft in vorwiegend ländlichen Staaten. In den letzten zehn Jahren hat sich jedoch unter den Jünger-Gemeinden ein sehr allmählicher, aber bedeutsamer Wandel vollzogen. Die um die Mitte der 60er Jahre durchgeführte Neukonstituierung der Kirche der Jünger Christi führte zum Verlust von 3200 Gemeinden mit einer Mitgliederzahl von ungefähr 650 000 Personen. Mehr als 90 Prozent dieser Gemeinden unterstützten die Arbeit der Brüderschaft weder mit Worten noch mit Taten und hatten das schon seit mindestens 10 Jahren nicht mehr getan. Die meisten von ihnen lagen in ländlichen Gebieten und waren ständig der ganzen Skala gesellschaftlicher und zivilisatorischer Faktoren ausgesetzt, die in allen Ländern auf die ländlichen Gegenden einwirken. Die Jünger, die jetzt in den Vereinigten Staaten und in Kanada 1 356 914 Mitglieder zählen, müssen sich jedoch vor Augen halten, daß 78 Prozent derselben nur eine Autostunde von einer Großstadt mit 100 000 oder mehr Einwohnern entfernt leben. Die Auswirkungen dieses Wandels spiegeln sich zunehmend in den Fragen und in der Lösung der Fragen, mit denen sich die Delegierten der Gemeinden zu unseren Generalversammlungen konfrontiert sehen. Wir sind indes noch weit davon entfernt, uns sämtlicher Auswirkungen unserer ehedem ländlichen Lebenseinstellung bewußt zu werden. Überdies bedrängen uns immer noch vor allem die vielerlei Probleme, die mit der Bereitstellung von Geistlichen für Gemeinden verbunden sind, die wegen ihrer Kleinheit die für die Durchführung eines Programms oder die Indienststellung eines Geistlichen erforderlichen Mittel nicht aufzubringen vermögen. Die derzeitige Situation ist folgende: Gemeinden

Weniger als

Mehr als

200 Glieder 201-500 501-1500 1500

Anzahl 2750 1364 730 63

Prozent 56 27.8 14.9 1,3

232

Howard E. Dentier

Wie alle größeren protestantischen Denominationen in Amerika angesichts der derzeitigen Inflationsperiode feststellen, wird die Versorgung und Bereitstellung hauptberuflicher Geistlicher für Gemeinden von weniger als 200 Mitgliedern immer schwieriger. Bei den Jüngern hat ungefähr die Hälfte solcher Gemeinden keinen Geistlichen. Diejenigen, die über einen verfügen, haben entweder einen Theologiestudenten oder einen pensionierten Geistlichen oder jemanden, der nebenher noch einen anderen Beruf ausübt. Angesichts folgender Tatsachen: 1. nicht genügend hauptberufliche Personen, 2. durchgreifende Umstrukturierung der Kirche und 3. Ubergang von einem ländlichen geistlichen Dienst zu einem städtischen, sowie angesichts des in Amerika allgemein zu beobachtenden Nachlassens des Interesses für die Kirche und des Rückgangs der Kirchgängerzahl haben die Jünger seit dem Jahre 1964 eine allgemeine Verringerung ihrer Mitgliederzahl hinnehmen müssen. Die Mitgliedschaft der Kirche der Jünger Christi verteilte sich im Jahre 1975 wie folgt auf die nachstehend aufgeführten Jurisdiktionsbezirke:

Southwest Region

130 521

(Texas, N e w Mexico) Missouri Indiana Ohio Illinois Kentucky Kansas Oklahoma Upper Midwest Region (Iowa,

122 107 91 80 79 74 71 62

688 989 393 006 997 708 874 216

58 45 45 25

228 774 049 494

Minnesota, North- und South Dakota) North Carolina California South Virginia Northwest Region (Washington, Idaho) Florida

24 333

Central Rocky Mountains Region

22 191

(Colorado, Wyoming) California North Oregon Tennessee

20 222 20 151 19 954

Statistische Überschau über die Kirche der Jünger Christi

Pennsylvania Northeastern Georgia Nebraska Capital Area (Delaware, Maryland, District of Columbia) West Virginia Arkansas Michigan Alabama South Carolina Mississippi Louisiana Idaho South Arizona Canada Montana Utah Hawaii

19 791 18 637 18 238 18 202 16 350 15 651 13 629 12 427 10 522 6 349 6 298 6 278 5 917 4 910 4 614 4 605 629 576 1 286 411

235 KAPITEL XIII EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT DER KIRCHE DER JÜNGER CHRISTI GEORGE G . BEAZLEY d. J .

Wie wird die Zukunft der Kirche der Jünger Christi beschaffen sein? Die Zukunft einer religiösen Bewegung läßt sich nur schwer vorhersagen. Die Kirche der Jünger Christi muß sich ihrer Zukunft im Kontext der amerikanischen Gegenwart stellen. Insgesamt acht Probleme drängen sich ihr sogleich auf. Es sind dies: a) die Glaubenskrise; b) die Kirchenunion; c) der Trend zur Dezentralisierung; d) das Verhältnis zu den Minderheiten; e) ihre Reorganisation; f) das Verhältnis von Kirche und Kultur; g) die Krise des geistlichen Amtes und h) die theologische Verwirrung. Selbstverständlich ist die Kirche der Jünger Christi nicht die einzige Kirche, die sich diesen Problemen gegenübersieht. Alle amerikanischen Kirchenkörper kennen diese Schwierigkeiten, wenn sie auch aufgrund ihrer Tradition nicht alle auf die gleiche Weise damit fertig zu werden versuchen. Alle acht Probleme sind miteinander verflochten; obwohl wir sie um der Klarheit willen gesondert behandeln müssen, werden daher die in einem Bereich angestrebten Lösungen jeweils Auswirkungen auf die in jedem anderen ins Auge gefaßten haben.

A. Die Glaubenskrise Die Glaubenskrise in Amerika scheint drei Hauptursachen zu haben. Die erste davon ist die Spannung, die zwischen dem christlichen Evangelium und der Menschen- und Geschichtsauffassung existiert, die sich seit der Aufklärung im Abendland herausgebildet hat. Wie bringt man das Evangelium mit seiner Grundannahme eines von einem Gott, der den Menschen nach seinem Bilde gemacht hat, geschaffenen Universums einer Menschheit nahe, deren Intellektuelle zu der Erkenntnis gelangt sind, daß der Mensch ein in stetem Wandel befindlicher Mittelpunkt nichtrationaler Faktoren in einem absurden All ist? Wie soll man in einer Kultur, deren Wohlstand von ihrer Fähigkeit abhängt, diese Konsumtion durch Stimulierung des natürlichen menschlichen Verlangens nach immer mehr zu steigern, ein Ethos verkündigen, das auf andere zentriert ist und ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Selbstverleugnung fordert?

236

George G. Beazley d. J.

Die zweite Ursache der Glaubenskrise liegt in der Diskrepanz zwischen christlichem Anspruch und christlicher Wirklichkeit begründet. Im Westen hat eine große Zahl von idealistisch gesinnten Jugendlichen und eine beträchtliche Zahl von Angehörigen der mittleren Generation in wachsendem Maße die demokratischen Regierungssysteme und die Kirchen beschuldigt, ihre Versprechungen nicht wahr gemacht oder nicht getan zu haben, was sie selbst von sich zu fordern schienen. Diese Empörung hat oftmals nicht bedacht, daß ein unerreichbares Ziel das Niveau menschlichen Verhaltens beträchtlich zu heben vermag. Den Protestierern ging es häufig entweder darum, das System samt seinen Einrichtungen zu zerstören, ohne zu bedenken, was an deren Stelle treten sollte, oder sie haben sich romantischen Illusionen über die Gerechtigkeit und den Altruismus hingegeben, durch die sich die möglichen Alternativen zu dem von ihnen bekämpften System kennzeichnen würden. Folgerichtig haben sie von der Menschheit eine Vortrefflichkeit gefordert, durch die sie sich, wie die Geschichte lehrt, niemals ausgezeichnet hat und die sie selber in ihren eigenen Handlungen zu bezeugen außerstande gewesen sind. Die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit, auf die sie aufmerksam gemacht haben, sind indessen tatsächlich sehr kraß. Dadurch, daß sich die Geistlichkeit und Laienlehrer in Predigten und Ermahnungen ergingen, die die radikalen Forderungen des Evangeliums an den einzelnen wie an seine korporativen Einrichtungen herausstellten, dem einzelnen Christen aber kaum sagten, wie er in einer sündigen Welt leben soll, ist diese Kluft noch tiefer geworden. Das Resultat war eine Desillusionierung über die Institutionen der Religion und entweder ein Rückzug in eine sektenartige, scheinbar reinere Untergrundkirche oder die Hinwendung zu einem Säkularismus, der vorgibt, mehr am Menschen interessiert zu sein, und bei dem Anspruch und Wirklichkeit scheinbar nicht so stark auseinanderkiaffen - in der Hauptsache, weil man an ihn nicht den gleichen kritischen Maßstab angelegt hat, so daß seine Schwächen nicht von selber in die Augen springen. Die Wortführer des Säkularismus haben das Bestehen einer Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit gewöhnlich nicht so bereitwillig eingeräumt wie die Kirchenführer. Die dritte Ursache der Glaubenskrise ist die Unfähigkeit der Ortsgemeinde, die ihr angehörigen Gläubigen zu einer Gemeinschaft zusammenzufügen. 1 Viele Amerikaner verlangen von der Kirche eine stärkere Präsenz auf Ortsebene, als sie bisher zu bieten imstande gewesen ist. Vermutlich hat das schon immer von der Kirche gegolten. Die neutestamentlichen Kirchen, wie sie in den paulinischen Briefen aufscheinen, vermochten diesen Gemeinschaftssinn ganz gewiß nicht zu erzeugen. Bei der Lektüre der paulinischen Briefe wird einem deutlich, daß der Apostel sich immer wieder der

Ein Blick in die Zukunft der Kirche der Jünger

Christi

237

Kluft bewußt wird, die zwischen seiner Vision des Leibes Christi und dem offenbaren Verhalten der Kirche in Korinth oder Philippi besteht. Im Eingangskapitel zu dem Sammelband „The Twentieth Century: A Promethean Age"2 erklärte der Herausgeber, Alan Bullock, die übersteigerten Erwartungen der Menschen für eines der Hauptkennzeichen unseres Jahrhunderts. Die phantastischen Leistungen der angewandten Wissenschaften bei der Bekämpfung von Krankheiten, der Beherrschung der Natur und der Erzeugung materieller Güter (eine Errungenschaft, die nach dem Urteil von Ökologen allzu teuer erkauft wurde) hat in den Menschen die Uberzeugung wachgerufen, ihre sonstigen Hoffnungen auf Gemeinschaft, Gerechtigkeit und Liebe seien ebenfalls erfüllbar. Erweisen sich solche Hoffnungen dann als trügerisch, so sind sie zutiefst enttäuscht und reagieren oft mit Zorn und Gewaltakten. Da die Kirchenglieder mit der Hl. Schrift nicht mehr vertraut sind, ist ihnen nicht bewußt, daß die Spannung zwischen der Vision des Leibes Christi und der partiellen Gemeinschaft der Ortsgemeinde immer bestanden hat und vermutlich auch in Zukunft ein Problem darstellen wird. Weil die Kirche bei ihrer Mitgliederwerbung (wie die Fernseh- und Illustriertenreklame) so viel verspricht und so wenig davon hält, werfen viele ihr desillusioniert und zornerfüllt vor, sie werde ihrer Aufgabe, Gemeinschaft zu schaffen, nicht gerecht. Weil die ländliche oder kleinstädtische Kirche der Vergangenheit, an die sich viele noch erinnern, eine Art von enger Gemeinschaft spiegelte, wie sie die moderne Stadt nicht mehr kennt, und weil der Städter dieser Gemeinschaft schon so lange entwöhnt ist, daß er ihre Vorzüge zu romantisieren vermag, indem er vergißt, daß sie sich in Dinge mischte, die er als seine Privatangelegenheit betrachtet, ist das Gemeindeglied mittleren Alters, das sich in eine neue, durch Entpersönlichung gekennzeichnete Umwelt hineingestellt sieht, enttäuscht über das, was es vorfindet. Und der Umstand, daß sein Pfarrer und die Laienältesten oft mehr an der derzeit modischen prophetischen Verdammung der Sünden des „Systems" interessiert sind als an der mühseligen Arbeit der Schaffung einer solchen Gemeinschaft durch seelsorgerishe Anteilnahme, verschlimmert diese Entfremdung noch. Die Glaubenskrise ist ein Problem, dem sich die Kirchen vereint stellen müssen. Die Kirche der Jünger Christi bringt indes bestimmte Gaben für ein solches gemeinsames Unterfangen mit. Die erste davon ist eine tiefe Verwurzelung in der Hl. Schrift, zumal im Neuen Testament. Vielen Kirchenmännern der Jünger ist es zur zweiten Natur geworden, angesichts irgendeines Problems zu fragen: „Was hat das Neue Testament dazu zu sagen?" Auf diese Weise sind sie an die meisten Fragen herangegangen, über die im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in der Kirche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

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George G. Beazley d. ].

Die einzige Autorität, auf die alle Kirchen als auf einen Schlüssel zum Verständnis ihres Herrn festgelegt sind, ist die Hl. Schrift. Die einzige Chance, die Einheit zu erreichen, die uns instand setzen wird, die Polarisierungen der Jetztzeit in einer schöpferischen Spannung zu halten, ist die Verweisung aller Fragen an die Hl. Schrift unter der Führung des Hl. Geistes. Natürlich haben sich die Jünger der unsere Zeit kennzeichnenden Tendenz zur Vernachlässigung der Hl. Schrift nicht entziehen können. Mit der Schriftkenntnis ihrer Geistlichen und ihrer Laien ist es nicht besser bestellt als mit der anderer heutiger Christen, und wie diese weisen sie oft auf die Vielfältigkeit im Neuen Testament und auf Faktoren wie die persönliche Einstellung und die konfessionelle Tradition hin, die der Objektivität des Lesers entgegenstünden. Dennoch befinden sie sich mit ihrer Überzeugung, daß das Neue Testament, wenn es richtig ausgelegt wird, die sicherste Richtschnur für Glauben und Praxis der Kirche bildet, voll und ganz im Einklang mit der reformatorischen Tradition. Und da die Mehrzahl ihrer Glieder in denjenigen Gegenden der Vereinigten Staaten ansässig ist, die den Relativismen der modernen Zivilisation noch am wenigsten ausgesetzt sind, neigt die Kirche der Jünger Christi als Ganzes mehr dazu, sich der Berufung auf das Neue Testament als der sichersten Autorität nicht zu verschließen. Die Jünger kapseln sich gegen die gegenwärtige geistige Gärung nicht ab. In ihrer scholastischen Periode (1866-1917) taten sie das allerdings. Doch auch gegen das Ende jenes Zeitabschnitts unterstützten ihre klügsten Führer die Christen bei ihren Bemühungen, mit der neuen Lage, die die geistigen Bewegungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts geschaffen hatten, fertigzuwerden. In seinen Artikeln im ,,Christian Century" rang Charles Clayton Morrison (1874-1966) mit den Problemen und legte die besten Lösungen für eine der Epoche gemäße Theologie vor, die die theologischen Denker erarbeiten konnten. Er behauptete seine führende Stellung während des ganzen Zweiten Weltkrieges bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1947. Der Positionswechsel, der die Zeitschrift gegen Ende der 1930er Jahre vom Pazifismus hinwegführte, und Morrisons Versuch, sich von dem Liberalismus seiner Schrift „What Is Christianity?",3 der für Amerika seinerzeit eine Hilfe bedeutet hatte, zu lösen, bezeugten, daß er sich der neuen Lage bewußt war. Im Jahre 1956 wurde ein anderer Jünger, Harold E. Fey (geb. 1898), Herausgeber des „Christian Century" und machte seine Leser bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1964 mit den Einsichten der modernen Theologie bekannt. Man fragt sich, ob es wohl bezeichnend ist, daß die Zeitschrift seit Feys Pensionierung mehr und mehr an Einfluß verloren hat. Die Kirche der Jünger Christi hat nur wenige bedeutende Verfasser theolo-

Ein Blick in die Zukunft der Kirche der Jünger Christi

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gischer Bücher hervorgebracht. Die Jünger haben sich jedoch der, .Prozeßtheologie" gegenüber aufgeschlossen gezeigt, die möglicherweise einen Ausweg aus dem Chaos der gegenwärtigen theologischen Situation zu bieten hat. D e r Nachdruck, den die Jünger auf die Freiheit legen, ihre Ausrichtung auf das Neue Testament, ihr Eintreten für die Institutionen der Vereinigten Staaten und ihre Aufgeschlossenheit für eine Theologie, die ein schöpferisches Verhältnis zwischen der wissenschaftlichen Zivilisation und einem theologisch bestimmten Universum findet, legt den Gedanken nahe, daß die Jünger vielleicht imstande wären, eine Theologie der Befreiung hervorzubringen, die nicht in die marxistische Menschen- und Geschichtsauffassung hinübergleitet, wie sie für die neue Theologie der Revolution zumeist charakteristisch zu sein scheint. Diese selbe biblisch-realistische Auffassung des Menschen und seiner Institutionen könnte, wenn man sie hinreichend kultiviert, dazu beitragen, die enttäuschten Hoffnungen des 20. Jahrhunderts zu überwinden. Vermittels einer solchen Sehweise wären die Jünger vielleicht imstande, Pfarrer heranzubilden, die ehrlich bestrebt sein würden, Gemeinden zu schaffen, denen das in unserer heutigen Lage höchstmögliche Maß an Gemeinschaft eignet. Die Versammlungen der Jünger haben sich durch dieses Gemeinschaftscharakteristikum gekennzeichnet. In der Tat sind neben anderen Faktoren vor allem persönliche Treueverhältnisse der Kitt gewesen, der die Kirche der Jünger Christi zusammengehalten hat. Es ist zweifelhaft, ob sie auf der Ebene der Gemeinde durch stärkere persönliche Beziehungen gekennzeichnet ist als ihre Schwesterkirchen; immerhin haben manche außenstehenden Beobachter gemeint, daß das der Fall sei. Wenn die Jünger diese Gaben bewahren und weiterentwickeln, haben sie eine konstruktive und schöpferische Zukunft innerhalb der ökumenischen Bewegung vor sich. Es scheint zweifelhaft, ob irgendeine Kirche in der Isolierung von ihren Schwesterkirchen noch viel Vertrauen auf die Zukunft haben kann. Eine gespaltene Kirche kann mit der neuen kulturellen Lage unmöglich fertig werden.

B.

Kirchenunion

Es liegt auf der Hand, daß die Probleme, die die amerikanische Gegenwart und ihr Weltzusammenhang schaffen, von den Kirchen nicht gelöst werden können, wenn sie bei ihrer Gespaltenheit verharren. Ihre Botschaft der Versöhnung büßt ihre Glaubwürdigkeit ein, wenn sie von Kirchen verkündet wird, die keinen freien Austausch ihrer Glieder, Geistlichen und Sakramente kennen. Die umfassendste Einigung, die derzeit in den Vereinig-

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George G. Beazley d. J.

ten Staaten angestrebt wird, ist diejenige, die sich die „Kirchenunionskonferenz" zum Ziel gesetzt hat. Paul Crow hat sie im zehnten Kapitel beschrieben. Wie Dr. Crow dort bemerkt hat, ist die Kirche der Jünger Christi der Konferenz bereits kurz nach deren Beginn beigetreten. Der Generalsekretär der Konferenz, ihr wichtigster ständiger (besoldeter) Beamter, ist Paul A. Crow, ein Jünger, und die Delegierten sowohl wie, auf Ortsebene, die Geistlichen der Kirche der Jünger Christi zählen zu ihren überzeugtesten Anhängern. Derzeit (Januar 1973) kämpft die Konferenz um ihr Leben gegen die Angriffe überzeugter Denominationalisten und widerstrebender ökumeniker auf der Rechten und gegen die „sofortigen ö k u m e n i k e r " der Linken, die die Ansicht vertreten, daß allein die Erfahrung der vorhandenen Einheit der Kirche Christi bei irgendeinem Aktionsprojekt oder in einer Untergrundkirche in unserer Institutionen feindlich gesinnten Zeit in Frage komrtie. In den ersten vier Jahren ihrer Existenz (1962-1966) beschäftigte sich die „Kirchenunionskonferenz" ausschließlich mit den Fragen des Glaubens und der Kirchenverfassung, aus denen die gegenwärtige formale Gespaltenheit der Kirche in konfessionelle oder denominationeile Kirchenkörper resultiert. Auf dem dabei erzielten Konsensus aufbauend, der durch die Arbeit der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ö k u m e n i schen Rats der Kirchen ermöglicht wurde, beschäftigte sich die Konferenz in den folgenden vier Jahren (1966-70) mit den aus der amerikanischen Gegenwart erwachsenden Fragen. Darauf brachte sie ihre Lösung in ihren gegenwärtigen „ Plan of Union" ein, der den Teilnehmerkirchen zum Zweck des Studiums und der Stellungnahme überreicht wurde. Aus diesen Stellungnahmen geht hervor, daß der in dem Plan enthaltene Gedanke einer örtlichen, „parish" genannten Einheit der Kirche, die den Versuch machen soll, eine alle rassischen, wirtschaftlichen, theologischen und denominationellen Spaltungen überbrückende Gemeinschaft zu bilden, der Abänderung bedarf, um der Gemeinde und dem Freiwilligkeitsprinzip der amerikanischen Kirche mehr Spielraum einzuräumen. Genügend Zeit vorausgesetzt, wird sich schon eine Lösung dieses schwierigen Problems finden lassen. Es bleibt nur die Frage, ob die ungeduldige amerikanische Gegenwart ebenfalls warten wird. 4 Die Zukunft der Kirche der Jünger Christi hängt zu einem großen Teil an diesem Bemühen oder an jedwedem anderen zukünftigen multilateralen Bemühen um eine Kirchenunion, sollte die „Kirchenunionskonferenz" aufgelöst werden. Eine Kirche, die als Plädoyer für die Einheit der Christen ins Dasein trat, muß sich mit jeglichen Bestrebungen zur Herbeiführung dieser Einheit zwangsläufig eng verbunden fühlen.

Ein Blick in die Zukunft der Kirche der Jünger Christi

241

In den Vereinigten Staaten scheint derzeit ein neuer Denominationalismus an Einfluß zu gewinnen. Der Ökumenismus ist zu einer festen Einrichtung und folglich zur Zielscheibe derjenigen geworden, die allen Institutionen feindlich gesinnt sind. Ein Evangelisationsprojekt, „Key 73" genannt, forderte die Kirchen über ein weiters Spektrum hinweg zur Zusammenarbeit auf, ließ ihnen jedoch bei der Planung ihrer eigenen Kampagnen völlig freie Hand. Ein solches Vorhaben trug unvermeidlich zur Stärkung des Partikularismus bei, da sich die über 100 daran beteiligten Denominationen zwangsläufig einen Wettlauf um dieselben kirchlich nicht Gebundenen lieferten. Die Schwächung des Nationalrats der Kirchen durch die Schaffung von Konsortien, in die die Kirchen eintreten und aus denen sie sich nach Gutdünken wieder zurückziehen, bedeutet, daß eine Körperschaft, die viele der herausragenden amerikanischen Kirchen zusammengehalten und auf dem Feld der sozialen Gerechtigkeit bahnbrechend gewirkt hat, sich nunmehr in ihrer Existenz bedroht fühlen muß und mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Reaktion der Amerikaner gegen jeglichen Zentralismus und das Erstarken des Parochialismus verstärken diesen Trend noch. Dennoch erwies sich der Nationalrat auf seiner Versammlung im Dezember 1972 als noch durchaus spannkräftig, indem er sich eine Struktur gab und sich den verschiedenen Wahlausschüssen stellte. Wenngleich diese ökumenische Körperschaft ihre unruhige Periode noch längst nicht überwunden hat, scheint ihre Wiedergesundung doch unmittelbar bevorzustehen. Die Kräfte, die sie schwächten, sind freilich immer noch da und müssen abgewehrt werden. In einer solchen Zeit fällt einer Kirche, die von der Notwendigkeit der Einheit der Christen und der Union der Kirchen derart überzeugt ist wie die Kirche der Jünger Christi, eine bedeutsame Rolle zu. Unter den amerikanischen Kirchen steht sie darin fast einzig da, daß die überwiegende Mehrzahl ihrer Führer wie ihrer Bezirks- und Ortsgeistlichen aus überzeugten, die Sache der Kirchenunion verfechtenden ökumenikern besteht. Das heißt nicht, daß sie sich beim Eingehen einer Union nicht schwierigen Fragen gegenübersehen wird oder daß der Ausgang eines solchen Unternehmens nicht zweifelhaft sein kann. Wie alle anderen Kirchen wird sie einen solchen Schritt nur unter großen Schmerzen vollziehen können und dabei manches einbüßen. Dennoch : die einstimmige Annahme vieler Unionspunkte durch ihre repräsentativen Körperschaften und die nimmermüden Versuche ihrer Ortsgeistlichen, andere leitende Kirchenmänner von der Notwendigkeit eines zwischenkirchlichen Dialogs über den Unionsplan zu überzeugen, zeigen, daß die Jünger tatsächlich ein von den anderen Kirchen verschiedenes Ethos haben. Der Kirche der Jünger Christi kommt aufgrund ihres En-

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George G. Beazley d. J.

gagements sowohl wie ihrer schöpferischen Vereinigung der katholischen und der reformatorischen Uberlieferungen in jeder amerikanischen Kirchenunion eine Sonderrolle zu.

C. Parochialismus Jede amerikanische Kirche ringt heutzutage mit einem Parochialismus, der die Vision des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts von der Verkündigung des Evangeliums an jedes lebende Wesen zu gefährden droht. Dieser Parochialismus vermag die Vision der Mission derart einzugrenzen, daß die breite ökumenische Vision aller Menschen an allen Orten dabei verlorengehen kann. Dieser Parochialismus ist auch für die Kirche der Jünger Christi ein Problem. Im Unterschied zu den anderen amerikanischen Kirchen haben die Jünger einen Etat für alle den Rahmen der Ortskirche sprengenden Veranstaltungen. Dieser wird von einem Ausschuß verwaltet, der zu gleichen Teilen aus männlichen Laien, weiblichen Laien und Ortspfarrern zusammengesetzt ist, die formell von jedem Gremium, dem sie Mittel anweisen, geschieden sind. Es kann kein Zweifel sein, daß dieses Verfahren manche Ungerechtigkeiten geschaffen hat und reformiert werden muß. Dennoch hat diese Methode zweifellos eine Kirche geschaffen, die stärker geeint ist als die meisten anderen, und dazu beigetragen, daß die Laienglieder der Ortsgemeinde das, Gefühl bekamen, an einem christlichen Gesamtunternehmen beteiligt zu sein. Dieser Haushalterschaftsplan wird derzeit überprüft. Möglich, daß sich die Jünger einige andere Kirchen zum Vorbild nehmen, in denen die Diözesen oder Regionen großenteils unabhängige Einheiten darstellen, die nicht sehr eng miteinander verbunden sind. Sollte es dazu kommen, so würde das eine Stärkung des Parochialismus auf Kosten der Einheit des Gesamtkörpers bewirken; gegenwärtig hat es jedoch den Anschein, als wolle man diesen Weg nicht beschreiten. Die große Gefahr, in der die fest auf dem Freiwilligkeitsprinzip fußende amerikanische Kirche schwebt, ist die, daß sie zum Ausdruck des Wollens ihrer Mitglieder eher denn der Forderungen Christi wird. Kommt es dazu, so wird der Geistliche lediglich zu seinem Angestellten, der die Anweisungen seiner Gemeinde ausführt. Er hört dann auf, ein Träger des apostolischen Amtes zur Predigt des apostolischen Evangeliums zu sein und als Vertreter der universalen Kirche Gottes in Jesus Christus durch den Hl. Geist zu wirken. Die Abwertung, die die Aufgabe der Verkündigung und die seelsorgerische Tätigkeit seitens vieler auf Aktionen ausgerichteter

Ein Blick in die Zukunft der Kirche der Jünger Christi

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Geistlicher erfahren hat, hat die Vervollkommnung dieser Funktionen einigermaßen schwierig gemacht. Früher pflegten die von Gott in den geistlichen Dienst der Kirche der Jünger Christi berufenen jungen Männer diesen verschiedenen „beispielhaften Geistlichen" nachzugestalten, d. h. Männern, die bestimmte herausragende Kanzeln innehatten. Diese übten ganz eindeutig in den Gemeinden, denen sie dienten, ein apostolisches Amt aus. Durch ihre Teilnahme an den allgemeineren Aktivitäten der Kirche wie durch ihre Hingabe an die ökumenische Bewegung und ihren Einsatz für dieselbe brachten sie den Christen den umfassenden Charakter der Kirche zum Bewußtsein. Diese „exemplarischen Geistlichen" bekämpften den Parochialismus durch ihr Beispiel und lehrten die aufstrebenden Pfarrer, wie man ein „wahrer Gottesmann" wurde. Natürlich hatten diese Männer ihre Schwächen. Ihre Fehler waren jedoch allgemein bekannt und waren Gegenstand brüderlicher Scherze, wodurch ihre „exemplarische Rolle" ein wenig geläutert wurde. Gewöhnlich war solch ein Geistlicher der einzige Pfarrer in einer Kreishauptstadt oder Hauptpastor an einer bekannten Großstadtkirche. Heute haben der Drang der Gegenkultur, in aufstrebenden jungen Männern Argwohn gegen die Träger des Establishment zu erregen, und der Niedergang der Stadtkerne die Kirche der Jünger Christi wie vermutlich auch ihre Schwesterkirchen vieler dieser Vorbilder beraubt. Auch das trägt zur Stärkung des Parochialismus bei. Die Jünger verfügen hier jedoch über eine feine Tradition und eine Art allgemeiner Einigkeit innerhalb ihrer Bruderschaft, wie man sie in einer Kirche, die die Eigenständigkeit der Ortsgemeinde so sehr betont, nicht erwarten würde. Wenn die Jünger im weiteren Verlauf ihrer Umstrukturierung diese Einigkeit bewahren und stärken können und ihr antiklerikales, aus ihrer scholastischen Periode stammendes Erbe zu überwinden und eine neue, in ihrer Stärkung des apostolischen Amtes neutestamentliche Auffassung vom geistlichen Dienst zu schaffen vermögen, so können sie vielleicht der gesamten amerikanischen Christenheit in ihrem Kampf gegen den Parochialismus einen Dienst erweisen.

D. Das Verhältnis zu den Minderheiten Die Einstellung der Kirche der Jünger Christi zu ihren Minderheiten ist im allgemeinen die gleiche gewesen wie die ihrer Umwelt, ein wenig gemildert durch das Evangelium. Anders als die kongregationalistische Kirche hat sie sich niemals für die Abschaffung der Sklaverei eingesetzt, wenn auch einige

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George G. Beazley d. J.

ihrer Mitglieder die Sklavenbefreiungsidee verfochten. Sie spaltete sich nicht während des Bürgerkriegs, zum Teil weil Alexander Campbell die Auffassung vertreten hatte, daß das Neue Testament die Sklaverei weder befürworte noch verdamme, und zum Teil weil ihre Struktur derart locker war, daß sie eine formelle Spaltung erschwerte. Noch auch verteidigte sie die Sklaverei mit theologischer Begründung, wie das manche amerikanische Kirchen taten. Ihre Minderheitsgruppen - Schwarze, Spanischamerikaner und Indianer machen weniger als 10 Prozent ihrer Mitgliederschaft aus, wahrscheinlich etwa 7 bis 8 Prozent. Wie die meisten amerikanischen Gemeinden weist die überwiegende Mehrzahl ihrer örtlichen Einheiten gewöhnlich entweder vorwiegend weiße oder vorwiegend schwarze Mitglieder auf, wobei die meisten Kirchen einige wenige Familien von anderer rassischer oder ethnischer Herkunft als die Mehrheit ihrer Glieder haben. Für ihre nationalen Körperschaften gilt der Grundsatz der Rassenintegration; die Minderheiten sind dort häufig stärker vertreten, als es ihrem Prozentsatz entsprechen würde. In den meisten Fragen entscheiden die Minderheitsgruppen nicht anders als die vorwiegend weiße angelsächsische Mehrheit. Da die Kirche der Jünger Christi am stärksten im Mittel- und Südwesten der Vereinigten Staaten vertreten ist, wo man sich für extreme Experimente selten zu erwärmen vermag, neigen ihre Minderheiten mehr dazu, ihr Zeugnis innerhalb der gegebenen Struktur zu artikulieren, denn als Protestierer außerhalb derselben aufzutreten. Wie lange das so bleiben wird, vermag niemand zu sagen, denn die Minderheiten der Kirche der Jünger Christi werden oft von Minderheiten aus anderen Kirchen oder von organisierten Minderheitsgruppen, die radikaler als die Durchschnittsjünger sind, unter Druck gesetzt; derzeit könnte das Wechselverhältnis indes nicht besser sein und muß als beispielhaft bezeichnet werden. Der gegenwärtige Moderator der Kirche der Jünger Christi ist ein außerordentlich intelligenter und fähiger schwarzer Pfarrer, Walter D. Bingham, und im Verwaltungskomitee, im Hauptausschuß und in den Ausschüssen der allgemeinen und Bezirkseinheiten sitzen viele sehr tüchtige schwarze Führer, Laien sowohl wie Geistliche. E.

Reorganisation

Die Reorganisation ist zum Allheilmittel der heutigen Kirche geworden. Das soll nicht heißen, daß ein gewisses Maß an Reorganisation nicht nützlich oder sogar notwendig sein kann. Wenn jedoch fast jede Krise im Leben der Kirche dadurch bewältigt wird, daß man versucht, ihre Struktur zu ändern, dann ist die Möglichkeit durchaus gegeben, daß ein bürokratischer

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Geist die Reorganisation als Heilmittel für Krankheiten benutzt, deren U r sprung anderswo liegt als in der Struktur. Die Änderung der Struktur einer Institution ist im besten Falle ein zeitraubender Vorgang, dem die Tendenz innewohnt, ihre Aufmerksamkeit von ihren Hauptzielen ab- und auf die besten Verfahren zur Erreichung dieser Ziele hinzulenken. Wenn diese Ziele, wie im Falle der Kirche, Identität, Wandel der Lebensauffassung, Behandlung der letzten Fragen des Daseins, Erlösung, Befreiung heißen und das Verhältnis des Menschen zu Gott und zu seinen Mitmenschen betreffen, dann kann das Interesse an der Umstrukturierung der Gemeinschaft von Menschen, die das Volk Gottes sind und denen die Versöhnungshaushalterschaft anvertraut ist, ein Gefühl der Vollbringung erzeugen, das trügerisch ist, und die Aufmerksamkeit von der zentralen Aufgabe ab- und auf die Organisation hinlenken, die mit der Durchführung der Aufgabe betraut ist. Noch offenkundiger ist, daß das Gefühl der Unzufriedenheit und Enttäuschung, das mit einer Reorganisation unvermeidlich einhergeht, bei den mit ihr Betrauten so stark werden kann, daß der Versuch, die Probleme zu lösen, denen sich die betreffende Institution gegenübersieht, neue zu schaffen vermag. Die meisten Kirchenkörper, mit denen die Kirche der Jünger Christi in der Haushalterschaft des Evangeliums verbunden ist, haben in einem geradezu widersinnigen Ausmaß Umorganisationsmaßnahmen durchgeführt. Der ökumenische Rat der Kirchen hat jüngst eine Umstrukturierung vorgenommen, die sehr viel Zeit gekostet und keine Lösung seiner Hauptprobleme gebrachthat. Der Nationalrat der Kirchen hat zwischen 1960 und 1972 zweimal eine umfassende Umorganisation vorgenommen - was auf ein übertriebenes Interesse an seiner Struktur weist. Nahezu jede amerikanische Schwesterkirche, mit der die Jünger verbunden sind, hat während dieser Zeit eine oder zwei umwälzende Reorganisationen durchgeführt. Wahrscheinlich müssen in einer jeden lebenskräftigen Institution ständig in gewissem Ausmaß Umstrukturierungen erfolgen, doch scheint es zweifelhaft, ob solche langdauernden und wiederholten formalen Reorganisationen für die amerikanische Kirche mit ihren vielerlei Problemen wirklich hilfreich sind. Einer der Anstöße zu dieser Umorganisation ist das Bewußtsein gewesen, daß die von der amerikanischen Kirche erzielten Bekehrungen aufgehört haben, mit der rapiden Bevölkerungsvermehrung Schritt zu halten, und daß die Zahl der Getauften sowohl wie der Kirchgänger und der Teilnehmer an den kirchlichen Lehrgängen vielerorts abnimmt. Dieser Trend wurde zu Anfang der sechziger Jahre offenbar und hält seither an. In ihrer Verzweiflung haben viele Kirchen und Räte versucht, dieses Problem durch die Reorganisation ihrer Missionstätigkeit zu lösen.

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Das gesunkene Finanzaufkommen der Kirche hat sie auch genötigt, ihren nationalen Mitarbeiterstab zu verringern, und viele kirchliche Körperschaften sind zu dem Schluß gekommen, daß dies eine völlige Umgestaltung der für die Arbeit der Kirche zuständigen Gremien oder Einheiten erforderlich mache. Die Unzufriedenheit der Frauen der Kirche wie auch ihrer Minderheitsgruppen hat viele Kirchen veranlaßt, Quoten für die Repräsentation in ihren Beschlußorganen festzusetzen. Dies mag zwar notwendig gewesen sein und solange notwendig bleiben, bis gerechtere Nominierungsverfahren eingeführt sind, ist aber in den Ausschüssen und Mitarbeiterstäben in einem derartigen Ausmaß erfolgt, daß der Sachverstand dabei entschieden zu kurz kam. Die daraus resultierende Unfähigkeit hat dann oft den Anlaß zu einer erneuten Reorganisation gebildet. Dieser Trend hat bis zu einem gewissen Grade auch die Kirche der Jünger Christi erfaßt. Sie begann als eine Kirche ohne nennenswerte Struktur, um sich dann im Laufe ihrer Geschichte zu einem straffer organisierten Kirchengebilde fortzuentwickeln. Pragmatische Lösungen während fast 100 Jahren führten zu einem Gefüge, das alles andere als übersichtlich und mehr auf persönlichen Beziehungen und Charisma als auf formeller Vertretung und sorgfältig geplanter Organisation beruhte. Die im vierten Kapitel beschriebene Umstrukturierung stellte den Versuch dieses wackligen Gebildes dar, sich gleich seinen Schwesterkirchen eine straffere Ordnung zu geben. Im ganzen hat sich die Umstrukturierung als überfällig, nützlich und heilsam erwiesen. Die Umstrukturierung wird jedoch seit dem Appell, der sie im Jahre 1958 in Gang setzte, schon jahrelang betrieben, und es stellt sich die Frage, ob sie jetzt nicht einen toten Punkt erreicht hat. Die nationalen und regionalen Kirchenführer haben mit der einen Hand ihre Hauptaufgabe wahrnehmen müssen, während sie mit der anderen die Umstrukturierung betrieben oder die Versuche irgendeiner Einheit abwehrten, ihre Macht auf Kosten anderer zu erweitern. Eins der Hauptprobleme, denen sich die Kirche der Jünger Christi in Zukunft gegenübersehen wird, besteht darin, ob es ihr gelingen wird, die Gewohnheit, sich zu reorganisieren, die sie während dieses Zeitabschnitts angenommen hat, abzulegen oder auf ein Mindestmaß zu beschränken, und ob sie dazu gelangen kann, wirklich Kreativität höher zu bewerten als organisatorische Perfektion. Es ist hier zu einer ziemlich starken Polarisierung gekommen zwischen denjenigen, die vorbildliche Ordnung schätzen, und etlichen Kirchenführern, die für eine Weile ungestört bleiben möchten, um sich auf die wirkliche Aufgabe, für die sie die Verantwortung übernommen haben, zu konzentrieren. Leider scheint das derzeitige Struktur- und Funktionskomitee des Hauptausschusses nicht bereit zu sein, die Ruhepause zuzugestehen, die viele Leiter von allgemeinen und re-

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gionalen Einheiten fordern, doch hatte es sich wenigstens dazu entschlossen, im Hinblick auf die zukünftige Umstrukturierung den Nachdruck eher auf Entwicklung als auf ausgeklügelte Modelle zu legen und das Jahr 1975 als Schlußtermin für die derzeitige Reorganisationswut festzusetzen, die die Aufmerksamkeit von der Lösung der anderen in diesem Abschnitt erwähnten Probleme ablenkt.

F. Das Verhältnis zur Kultur Wie im ersten Kapitel dargelegt wurde, hat die Kirche der Jünger Christi ein einzigartiges Verhältnis zur Kultur des Abendlandes. Da sie zu einer Zeit ins Dasein trat, in der in den Vereinigten Staaten die Trennung von Staat und Kirche bereits verfassungsrechtlich garantiert war, brauchten die Führer der Jünger niemals den Staat und der bestehenden Kultur die Freiheit für ihre Glaubensanschauungen abzutrotzen, wie es Luther in Deutschland, Calvin in Genf und die Puritaner in England mußten. Noch auch brauchten diejenigen, die diese Kirchengemeinschaft bildeten, als religiöse Flüchtlinge die Küsten Amerikas anzusteuern, wie es die Gründer des Kongregationalismus in Neu-England taten. Tatsächlich waren die dem „ursprünglichen Evangelium" und der „alten Ordnung der Dinge", welche die Führer der Jünger aus dem Neuen Testament ableiteten, zugrundeliegenden Lockeschen Prämissen die gleichen, die àtx„Unabhängigkeitserklärung", der,, Verfassung der Vereinigten Staaten" und den ersten zehn Zusätzen zu derselben (einem „Gesetz der Rechte") zugrundelagen. Die Institutionen, gegen die die Jünger einen Freiheitskampf führen mußten, waren die presbyterianischen Kirchen, aus denen sie sich zurückzogen, und die baptistischen Kirchen, mit denen ein Teil der Bewegung siebzehn Jahre lang vereinigt war. Dieser Kampf flößte ihnen einen ähnlichen Argwohn gegen die Theologie ein, wie ihn die früheren reformatorischen Kirchen gegen die Kultur empfunden hatten. Weil sie fest daran glaubten, daß konfessionelle Glaubensbekenntnisse, da gegen irgendeine ausgeschlossene Gruppe formuliert, Zweitracht stifteten, schwebte ihnen ein in einem allgemeinbildenden College erzogener Geistlicher vor, der dazu ausgebildet worden war, die Hl. Schrift aus der Perspektive seiner Erziehung wie der Anschauungen der Jünger zu lesen. Mag sein, daß sich damit bei ihnen eine Tradition herausbildete, die tatsächlich ebenso denominationell war wie die vieler Kirchen, gegen die sie sich empörten, und ein ungeschriebenes Glaubensbekenntnis, zu dem sie sich bekannten, obwohl sie vermeinten, es handele sich lediglich um die einfachen Vorschriften des Neuen Testaments. Aber alles dies machte sie auch sehr aufgeschlossen für die Kultur,

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von der sie einen Teil bildeten, und flößte ihnen die Uberzeugung ein, sie lasse sich durch christliche Ideale und Richtschnuren bestimmen. Ihre Konzentration auf das Neue Testament als Verfassung der Kirche und ihr Glaube, daß das Alte Testament, wenngleich wichtig für den Christen, die Verfassung des Alten Bundes darstelle und nicht dazu verwandt werden dürfe, Erklärungen des Neuen Bundes abzuändern oder zu erweitern, hatte zur Folge, daß sie dahin tendierten, die kooperative Haltung der meisten Teile des Neuen Testaments gegenüber den staatlichen Behörden anzunehmen, da sie die Apokalypse als Voraussage der letzten Tage ansahen, von denen sie glaubten, daß sie in ferner Zukunft lägen. Anstatt gegen das System zu protestieren, arbeiteten die Jünger daher im allgemeinen bereitwillig mit den staatlichen Behörden zusammen, und anstatt die Kultur als die Schöpfung des durch den Sündenfall verdorbenen Menschen zu verdammen, schätzten sie sie gemeinhin. Alexander Campbell war Mitglied einer verfassungsändernden Versammlung des Staates Virginia. Thomas Jefferson hörte ihn und zeigte sich von seinen Gedanken beeindruckt. Mag sein, daß während des scholastischen Zeitabschnitts viele JüngerGeistliche nicht sonderlich aufgeschlossen für die freien Künste und die abendländische Kultur waren, doch immerhin besaß Charles Louis Loos vom College of the Bible eine beachtliche Kenntnis der griechischen und lateinischen Klassiker und hielt in einigen der Städte, in denen er als JüngerPastor wirkte, vor ökumenischen Gruppen Vorträge über Shakespeare. Er las deutsche und französische Bücher, und es heißt, daß er mit der Literatur beider Länder vertraut war und die Entwicklung ihrer Bibelkritik verfolgte. James A. Garfield, der später zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde 5 (er fiel drei Monate nach seiner Amtseinführung einem Attentat zum Opfer), hatte die gleichen kulturellen Interessen und das gleiche Einfühlungsvermögen. Seine Zeit als Präsident des H tram College war davon geprägt gewesen, und sie hatten ihm den Weg zur Präsidentschaft der Vereinigten Staaten geebnet. B. A. Hinsdale (1837-1900) berichtete aus dem Blickpunkt einer solchen Einstellung über das Erste Vatikanische Konzil und machte sich als Verfasser historischer, staatsrechtlicher und pädagogischer Werke einen Namen. Die Chicagoer Vier, Herbert Wille« (1864-1944), Charles Clayton Morrison (1874-1966), Edward Scribner Ames (1870-1958) und W. E. Garrison (1874-1969), die die liberale Periode im Denken der Jünger heraufführten, waren sämtlich gebildete, den Höchstleistungen der abendländischen Kultur hingegebene Männer, die eine Art von Nachblüte eines christlichen Humanismus verkörperten. Diejenigen, die diese Weltsicht auf den Seminarien der Jünger ihren Studenten vermittelten, wie E. E. Snoddy (1863-1936), Harry D. Smith (1866-1933) und G. Edwin Osborn

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(1897-1965), waren mit der klassischen Literatur der Griechen und Römer, den mittelalterlichen Epen, dem Schrifttum der Renaissance wie mit den führenden Autoren der Aufklärung und des romantischen Zeitalters vertraut. Ε. E. Snoddy, der ursprünglich Griechischlehrer gewesen war, führte seine Studenten anhand von Lockes Werken und eines populärwissenschaftlichen Werkes über Philosophiegeschichte von Will Durant in die Lehren des Christentums ein. G. Edwin Osborn hielt Vorlesungen über Dante. Das gleiche tut heute sein Sohn, Ronald E. Osborn (geb. 1917), der die derzeitigen Seminaristen auch mit den Werken von Nikos Kazantzakis bekannt macht. Derzeit existiert eine beachtliche Gruppe führender, mit dem Rat für die Einheit der Christen verbundener Jünger, die durch diese Orientierung geprägt sind. Die Liberal Arts Colleges der Kirche der Jünger Christi, die im 19. Jahrhundert errichtet wurden, stehen mit ihr immer noch in engerer Verbindung als die von den meisten ihrer Schwesterkirchen begründeten Schulen mit diesen. Die amerikanischen Jünger haben niemals eine Situation kennengelernt wie die, der sich die Bekennende Kirche in Deutschland gegenübersah, noch auch wie die, welche die französische Kirche erdulden mußte und die sie durch die Schaffung des CIMADE6 zu meistern versuchte. Auch die Kirchen Christi in Großbritannien und in den britischen Besitzungen sind niemals Verfolgungen seitens einer Staatskirche ausgesetzt gewesen, da sie sämtlich nach der „glorreichen Revolution" des Jahres 1688 ins Dasein traten. In Großbritannien mögen Mitglieder dieser Kirche Christi als Freikirche unter bestimmten Beeinträchtigungen auf dem Gebiet des Erziehungswesens und in Hinsicht ihrer Bürgerrechte gelitten haben. Auch diese Beeinträchtigungen bestehen heute größtenteils nicht mehr, wenn auch Mitglieder der Kirchen Christi zeitweilig unter einer Art von kirchlichem Snobismus gelitten haben mögen. Allein in Ländern, in denen das Christentum als solches eine Minderheit war, mußten Jünger Belästigungen von Seiten staatlicher Stellen erdulden, und dort haben sie dies Schicksal mit anderen Christen geteilt. Angesichts eines solchen Erbes sehen sich die meisten Jünger außerstande, der westlichen Kultur gegenüber die Haltung einzunehmen, die für die Gegenkulturen und für die Anhänger der Theologie der Revolution kennzeichnend ist. Mehr als alles andere ist es diese Einstellung, die einige ihrer Schwesterkirchen veranlaßt hat, die Kirche der Jünger Christi als konservativ einzustufen, und die innerhalb der Jünger eine Spannung erzeugt, die sie überwinden müssen. In den Vereinigten Staaten und in der Tat in den meisten Teilen der westlichen Welt umfaßt die Einstellung der Christen zur Kultur von rechts bis

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links ein breites Spektrum, das sich, grob gesprochen, in folgende vier Haupttypen aufgliedern läßt: 1. für die Kultur aufgeschlossene Christen; 2. mit ihrer Kultur vertraute, aber ihr kritisch gegenüberstehende Christen; 3. die Neue Linke; 4. die Alte Linke. Die erste Gruppe setzt sich aus allen denen zusammen, die den christlichen Glauben mit der Kultur gleichsetzen, von den Vertretern ihrer äußersten Rechten, die das bewußt und in kämpferischer Haltung tun, bis zu den Repräsentatenten ihrer äußersten Linken, die gegebenenfalls einräumen würden, daß der Glaube die Kultur notwendigerweise transzendiert. Zur zweiten Gruppe dieses Spektrums zählen diejenigen, die die Kultur nach dem Evangelium beurteilen, sie durch neue Einflüsse reformieren und ihre Strukturen mittels strikt gesetzlicher Verfahren erneuern möchten. In diesem Teil des Spektrums ist man der Ansicht, die aus dem liberalen und christlichen Humanismus hervorgegangene westliche Kultur stelle unter allen dem Menschen heute gegebenen Möglichkeiten das beste System dar. Dort strebt man nicht die Zerstörung der parlamentarischen, repräsentativen Demokratie an, jener Form eines technologischen Kapitalismus, in der der Staat für viele soziale Sicherungen einsteht. Noch auch bekämpft man hier das Kulturgeflecht, das aus der Vereinigung von griechisch-römischer Ratio und römischem Recht mit jüdisch-christlicher Gläubigkeit und den aus diesem Boden aufgesprossenen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen entstanden ist. Die dritte Gruppe kann man die Neue Linke nennen. Sie kennzeichnet sich durch das, was man die „Theologie der Revolution" genannt hat. Dieser Teil des Spektrums setzt sich aus denen zusammen, die den Umsturz der gegenwärtigen Systeme und ihre Ersetzung durch andere betreiben, die nach ihrer Auffassung mehr wahre Menschlichkeit und wirkliche Gleichheit zu garantieren vermögen. Diese Gruppe fühlt sich gemeinhin nicht verpflichtet, die Systeme, die sie an die Stelle der zu beseitigenden zu setzen gedenkt, klar zu umreißen, denn der Umsturz soll nach ihrer Auffassung seine Ziele im Verlauf des revolutionären Prozesses entwickeln. Noch auch stellen sie tiefschürfende Fragen nach dem Ausgang früherer Revolutionen, betrachten sie doch die Zukunft als außerordentlich offen und definieren ihre Politik bisweilen als „die Kunst des Unmöglichen". Hier finden wir gewaltlose christliche Radikale, die sich auf die Ansichten der Wiedertäufer des 16. Jahrhunderts berufen, Christen, die in begrenztem Ausmaß zur Gewaltanwendung bereit sind und Anhänger der Gegenkultur, die zum Nihilismus tendieren. Im ganzen tendiert diese Gruppe dahin, die marxistische Einteilung der Menschen in Unterdrückte und Unterdrücker und die marxistische Deutung der Geschichte als Konflikt zwischen beiden anzunehmen.

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Die vierte Gruppe dieses Spektrums ist die Alte Linke. Zu ihr gehören neben dem überzeugten marxistischen Berufsrevolutionär die Anarchisten und Nihilisten der äußersten Linken. Ersterer ist zwar entschlossen, die neue Linke zu benutzen, stellt sie indes stets als romantisch und unrealistisch hin und steuert mit allen Mitteln auf eine echte politische Revolution zur Schaffung eines marxistisch-sozialistischen Staates hin. In den Vereinigten Staaten gehören die Führer sowohl wie die Mitgliederschaft der konservativ-evangelikalen Kirchen zu der ersten Gruppe, obwohl viele von ihnen solche Fragen niemals explizit stellen würden. Etliche zählen sich zur äußersten Rechten und stärken durch ihre Unnachgiebigkeit die Neue Linke. In den Kirchen, die dem Nationalrat der Kirchen angehören, und in der römisch-katholischen Kirche, die in den letzten Jahren mehr und mehr wenn nicht formell, so doch zumindest de facto - zu einem Teil dieser Gruppe geworden ist, rechnet sich die Masse der Mitgliederschaft zur linken Hälfte der ersten Gruppe oder zur rechten Hälfte der zweiten Gruppe dieses Spektrums und beargwöhnt oft alle, die weiter links stehen als sie selber. Die Führer, Geistliche sowohl wie Laien, sind zumeist in der linken Hälfte der zweiten Gruppe oder der rechten Hälfte der dritten Gruppe zu finden. Viele der sozialen Aktivisten und eine beträchtliche Anzahl der 18-22jährigen Christen (insbesondere, wenn es sich um Studenten handelt) wird man in der dritten Gruppe, der Neuen Linken, finden. Nur wenige Kirchenglieder dürften sich zur vierten Gruppe dieses schematischen Spektrums, zur Alten Linken, rechnen, aber die dritte Gruppe ist wenig stabil; viele wechseln von ihr zur zweiten Gruppe über, und einige wenige, zumal die extremen Aktivisten, lassen sich derart von Verzweiflung und Bitterkeit übermannen, daß sie praktisch Anarchisten oder Nihilisten werden. Die Wahlen der letzten Jahre haben gezeigt, daß die Gegenkultur mit ihrer extremen Sprache der Mehrheit der Bürger der Vereinigten Staaten von Grund auf zuwider ist. Die Tatsache, daß bei der Präsidentenwahl des Jahres 1972 von allen Minderheiten allein die jüdische fest zu MacGovern hielt, zeigt, wie instabil die Neue Linke in Wirklichkeit ist und wie schnell die Verbürgerlichung selbst bei vielen Minderheitsgruppen fortschreitet. Die wirkliche Gefahr eines solchen ausgeprägten Rechtsrucks besteht in der Zerstörung der Mitte (die damals von Hubert Humphrey und Edmund Muskie repräsentiert wurde), was zu katastrophalen Folgen führen müßte. In der Kirche der Jünger Christi dürfte die Mehrzahl der Glieder der zweiten Gruppe zuzurechnen oder auf der Trennungslinie zwischen diesem Abschnitt des Spektrums und der ersten Gruppe anzutreffen sein. Sie schätzen

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die Kultur, legen an sie aber den Maßstab des Evangeliums an. Die Mehrzahl der Leiter der allgemeinen Einheiten wie der (Diözesanbischofen ähnelnden) Bezirksgeistlichen wären der zweiten Gruppe zuzurechnen; in einigen Arbeitsbereichen würden die Einheitsleiter allerdings im rechten Teil des dritten Abschnitts des Spektrums oder im Grenzraum zwischen diesem und dem zweiten Abschnitt zu finden sein. Die für die gemäßigteren Ziele der Neuen Linken sehr aufgeschlossenen Organisationen wie z.B. die „Disciples for Renewal and Mission" haben in der Generalversammlung nicht viel Einfluß auszuüben vermocht. Was das Verhältnis von Evangelium und Kultur betrifft, so haben sich die Jünger nicht sehr weit von den Anfängen ihres Erbes entfernt. Im Augenblick tobt auf diesem Gebiet allerdings ein regelrechter Kampf, möchten doch etliche Elemente in der Kirche diese näher an die Positionen von Schwesterkirchen heranrücken, die den gegenwärtigen Systemen kritischer gegenüberstehen. Die jüngste Entwicklung zeigt aber, daß es dazu nicht kommen wird. Die Jünger sind sich vieler Ungerechtigkeiten im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System wie im Kulturleben bewußt. Sie möchten aber von christlichen Prinzipien ausgehen und sind auf Reformen eher denn auf einen umwälzenden Wandel aus. Sie sind daher vielleicht eher als manche ihrer Schwesterkirchen in der Lage, die amerikanische Öffentlichkeit mitzureißen, vorausgesetzt, daß ihre Führung die theologischen Imolikationen ihrer pragmatisch vertretenen Überzeugungen auszuarbeiten imstande ist und Programme zu planen vermag, die ihre Stellung gegenüber der Kultur objektivieren.

G. Die Krise des geistlichen Amtes Wie jeder andere Kirchenkörper macht sich die Kirche der Jünger Christi Sorgen um die Zahl und das Niveau ihrer ordinierten Geistlichen. Eine jüngst ausgearbeitete Analyse ihres Ausschusses für das höhere Bildungswesen mit dem Titel „Education for the Professional Ministry of the Christian Church (.Disciples of Christ): Retrenchment or Reform" („Ausbildung für das geistliche Amt der Kirche der Jünger Christi - Abbau oder Reform") 7 untersucht diesen Problemkreis mit großer Ausführlichkeit. Wie die meisten ihrer Schwesterkirchen im Nationalrat der Kirchen hat die Kirche der Jünger Christi einen geistlichen Dienst, der derzeit eine Identitätskrise durchmacht und dessen Angehörige Hoffnungen auf ihren Beruf setzen, deren Nichterfüllung viel Unglück und Verlust an Führungsfähigkeit zur Folge hat. Die Identitätskrise ist einmal durch die allgemeine Identitätskrise verursacht, von der die westliche Zivilisation in unserem Jahr-

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hundert heimgesucht wird und die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gefährliche Ausmaße angenommen hat. Zum anderen ist sie verursacht durch den Nachdruck, den viele Kirchenführer auf die Bedeutung der Laien legen, und zwar bis zu einem solchen Grade, daß die Vorstellung von einem apostolischen Amt, zu dem jemand von Gott berufen und von der Kirche ordiniert wird, vielen Kirchen abhanden kommt. Auf diese Weise wird der ordinierte Geistliche lediglich zu einem Funktionär des Gottesvolkes (was er sicherlich auch ist), büßt aber das Gefühl dafür ein, daß er (oder sie) vom Herrn Jesus Christus für einen besonderen Beruf ausersehen ist, damit er hinauswächst über die Eigenschaften eines Laien mit Sonderausbildung, eines Angestellten einer örtlichen Organisation, die leicht zu einer weltlichen Einrichtung ohne Sinn für die Haushalterschaft des Göttlichen werden kann. In einer Kirche wie der Kirche der Jünger Christi, die den nicht vorgebildeten Kirchenführern stets eine bedeutsame Rolle zuerkannt hat, in der der Sinn für die Ordination ihrer Ältesten und Diakone durch ihre pragmatische Ausrichtung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschwächt wurde und in der die Heranbildung ordinierter, ihrer Aufgabe vollauf gewachsener Geistlicher bisweilen auf Widerstand von Seiten der ländlich Gesinnten wie der Jünger-Scholastik gestoßen ist, ereignet sich diese Identitätskrise in einem Kontext, in dem das Identitätsgefühl eine sehr zerbrechliche und schwierige Errungenschaft darstellt. Die Tendenz der amerikanischen Seminarerziehung, immer akademischer zu werden, die Kultur abzulehnen und den Belangen der organisierten Kirche weniger Aufmerksamkeit zu schenken, hat dieses Problem noch verschärft. Die Tendenz der Gemeinden, sich dem Niveau der amerikanischen Mittelschicht anzupassen - sie wird in kritischen Analysen häufig übertrieben - , schafft eine noch größere Krise. In ihren Gemeinden in den Vereinigten Staaten, die mehr als 75 Prozent ihrer Gesamtmitgliedschaft ausmachen, hat die Kirche der Jünger Christi bemerkenswerte Fortschritte bei der Ausbildung ihrer ordinierten Geistlichen erzielt. Zwar sind die Statistiken offenbar nicht ganz so zuverlässig, wie es wünschenswert wäre, doch scheint festzustehen, daß im Jahre 1968 77 Prozent der ordinierten Geistlichen der Kirche der Jünger Christi vier Jahre an einem College oder einer Universität studiert hatten und drei Jahre auf einem Seminar gewesen waren, gegenüber nur 17,2 Prozent im Jahre 1928. Das ist ein beachtliches Wachstum, das sich allerdings zum Teil aus dem Rückzug der „unabhängigen" Jünger-Scholastiker mit ihren im allgemeinen geringeren Anforderungen an den ordinierten geistlichen Dienst erklären mag. Der schwächste Punkt scheint nach wie vor der zu sein, daß die Bewerbungen für das der Ordination vorangehende Studium in den Seminarien nicht

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sorgfältig genug gesiebt werden. Ein Problem stellt ferner die Versorgung derjenigen Gemeinden dar, die nicht bereit oder nicht in der Lage sind, einem ordinierten Geistlichen ein volles Gehalt zu zahlen. Das hat oft zur Folge, daß solche Gemeinden die Organisationen der Kirche der Jünger Christi verlassen, weil sie sich ihre ordinierten Geistlichen dort holen möchten, wo sie sie für das ihren Vorstellungen entsprechende Gehalt bekommen können, und weil diese Geistlichen häufig irgendeiner Sondergemeinschaft oder Schulrichtung verhaftet sind, die den übergemeindlichen Institutionen der Jünger ablehnend gegenübersteht. Darüber hinaus meinen viele Gemeinden, ihren ordinierten Geistlichen sehr viel weniger zahlen zu müssen, als andere Personen mit ähnlicher Vorbildung, Erfahrung und Verantwortung bekommen. Früher trug eine gewisse Heldenverehrung und Nachahmung „exemplarischer Pfarrer", wie Ronald Osborn sie nennt, dazu bei, die jüngeren Pfarrer bei der Stange zu halten und ein Bild zu schaffen, an dem sie sich ein Beispiel nahmen. Der ordinierten Geistlichkeit gab es zudem ein Selbstheitsgefühl, wenn bestimmte hervorragende Persönlichkeiten der Kirche herausgestellt wurden, die als Wortführer für ihre allgemeinen Anliegen hervortraten. Die Zerstörung vieler herausragender Kirchen infolge des Niedergangs der Stadtkerne hat die Präsenz und den Einfluß des „exemplarischen Pfarrers" verringert. Der Trend zu einer extremen Gleichmacherei hat selbst eine kritische und durchaus gesunde Helden Verehrung vielfach abgewertet. Der durch den Einfluß der Gegenkulturen verursachte Generationsbruch hat die älteren Führerpersönlichkeiten ihrer Wirkungsmöglichkeiten großenteils beraubt. Dank ihrer Verwurzelung im Mittel- und Südwesten der Vereinigten Staaten sind den Jüngern manche der Probleme, die den amerikanischen Kirchen derzeit zu schaffen machen, erspart geblieben. Die in der Studie „Ausbildung für das geisdiche Amt der Kirche der Jünger Christi - Abbau oder Reform" aufgeworfenen Fragen weisen jedoch darauf hin, daß ihre Zukunft eng mit der Gestaltung ihres geistlichen Dienstes verknüpft ist.

H. Die theologische Verwirrung Seit der Zeit, da ihre Leiter sich von der Jünger-Scholastik abwandten, hat die Kirche der Jünger Christi keine eigenständige Theologie mehr gehabt. Es ist dies ein Charakteristikum, das die Jünger mit den meisten Teilen der übrigen fortschrittlichen Christenheit gemeinsam haben. Natürlich binden sie jede neue theologische Schule in ihren eigenen Kontext ein, halten sie doch gleichwie die anderen Kirchen an vielen der für sie kennzeichnenden Grundannahmen fest. Oft handelt es sich dabei mehr um unbewußte Re-

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gungen als um wohlformulierte und zäh verteidigte Positionen. Auch hierin ähneln die Jünger den meisten ihrer Mitchristen. Die verschiedenen Unionsgespräche, bei denen man nach neuen Formulierungen sucht, zeigen, daß die klassischen Positionen im Leben und Denken der Christen eine sehr viel größere Rolle spielen, als man in unserem ökumenischen Zeitalter - in dem es oftmals heißt, die alten denominationeilen Einstellungen seien bedeutungslos geworden - gewöhnlich wahrhaben will. Unter den konservativen Evangelikaien und den Scholastikern der großen Kirchenkörper hält man aller Gegnerschaft zum Trotz an herkömmlichen Lehrmeinungen sehr viel bewußter fest. Gleichwohl sind wir allesamt unserer Tradition in weit stärkerem Ausmaß verhaftet, als wir zu denken geneigt sind. Die Jünger haben nur wenige markante und allgemein bekannte Theologen hervorgebracht. Ihre theologische Ausrichtung entspricht daher oft der gerade gängigen Denkweise, modifiziert durch die Jünger-Prämissen, die indes im Unbewußten verbleiben. Bestimmte Theologien wie z . B . die Anschauungen von Karl Barth liegen ihnen weniger als andere, doch schließen sie sich in solchen Fällen gewöhnlich eher einer anderen theologischen Denkschule an, als daß sie eine eigenständige Jünger-Auffassung zur Geltung brächten. Die Jünger sind stets sehr aufgeschlossen für den Liberalismus gewesen und haben sich in sehr starkem Ausmaß von der „Prozeßtheologie" beeinflussen lassen, weil solche Anschauungen ihrem ursprünglichen Erbe mehr entgegenkamen. Das derzeitige Durcheinander in der Theologie erschwert den Jüngern das theologische Denken sehr. Da sie nicht über eine fest umrissene, konfessionelle Theologie verfügen und in unserem ökumenischen Zeitalter auch keine haben möchten, brauchen sie dringend einige theologische und biblische Denker. Diese müßten in der Lage sein, sowohl ihr Erbe zu würdigen wie dessen zeitüberdauernde Einsichten neu zu formulieren. Sie sollten gleichzeitig dieses ihr Erbe zu einer zeitgenössischen theologischen Denkschule in Beziehung setzen, die den Jüngern frischen Wind und Zeitgemäßheit zu bringen vermag, indem sie die derzeitige Glaubenskrise und die Tendenz der Theologie, sich in Macht- und Befreiungsprobleme zu verstricken, realistisch angeht. Obwohl die Jünger die Bibel nur etwas stärker in den Vordergrund stellen als die anderen großen christlichen Kirchen, interessieren sie sich doch nur für Theologien, die tief im Neuen Testament verwurzelt sind. Wenn sie auch längst nicht mehr so bibelfest sind wie ihre Vorfahren, glauben sie doch nach wie vor daran, daß die Hl. Schrift der allein gültige Prüfstein sein müsse. Eine solche Theologie müßte auch die katholischen Elemente in ihrem Erbe bewahren: die gegebene Einheit der Kirche, die zentrale Bedeutung des Abendmahls und das Ziel einer sichtbar geeinten Kirche.

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Es ist zweifelhaft, ob sich eine theologische Renaissance durch bewußte Willensanstrengung herbeiführen läßt, doch könnte das angestrengte Bemühen, eine solche Wiedergeburt zu fördern, den Boden bereiten, in dem sie zu wachsen vermöchte. Die Kommission für Theologie und christliche Einheit des Rates für die Einheit der Christen und die vom Christian Board of Publication geförderte Theologische Diskussionsgruppe der Jünger versuchen ebendies. Sie haben zwar schon viele wertvolle Analysen ausgearbeitet, doch ist eine durchschlagende neue theologische Formulierung oder Schule bisher noch nicht evident geworden. Die Zukunft der Kirche der Jünger Christi mag mit dieser Entwicklung enger verknüpft sein, als allgemein angenommen wird, und die Krise des geistlichen Amtes vielleicht dank dem Heraufkommen einer solchen theologischen Führungsspitze beträchtlich abflauen.

I. Jünger in anderen Ländern Im vorliegenden Kapitel, das der Zukunft der Jünger gewidmet ist, hat die Kirche der Jünger Christi deshalb im Vordergrund gestanden, weil 1. die Vereinigten Staaten in der Welt von heute eine ausschlaggebende Rolle spielen; 2. mehr als 75 Prozent der Jünger in den Vereinigten Staaten leben und 3. dieses Buch von Leitern dieser Kirche verfaßt wurde. Die Jünger in Zaire (unsere zweitgrößte Kirche) wirken bereits in einer unierten Kirche. Der Außenstehende hat den Eindruck, daß diese Kirche eng mit ihrer kulturellen Umwelt verknüpft ist, sogar noch enger, als die in den Vereinigten Staaten, obwohl diese Tatsache in der Reaktion auf den Kolonialismus eher denn in der klassischen Theologie der Jünger begründet sein dürfte. Wie dem auch sei, die prophetische Stimme ist weiterhin vernehmbar. In Großbritannien, Kanada, das einen Teil der Kirche der Jünger Christi bildet und in ihren gesetzgebenden Körperschaften voll vertreten ist, sowie in Neuseeland führen die Jünger Unionsverhandlungen. Jede dieser Kirchen weiß sich der ökumenischen Idee verpflichtet und ist an die Probleme, die die Kirche im Westen derzeit bedrängen, auf ihre je eigene Weise herangegangen. Keine von ihnen unterscheidet sich sonderlich von den Jüngern in den Vereinigten Staaten, ausgenommen, was den durch die schiere Größe ausgeübten Einfluß betrifft. Der Einfluß, den diese Jünger auf das christliche Denken, zumal in einer Union, ausüben, steht aufgrund ihrer Fähigkeit, Brücken zu schlagen, oftmals in keinem Verhältnis zu ihrer Zahl. In Australien bestehen Spannungen zwischen den konservativ und den ökumenisch orientierten Jüngern. Außenstehende hegen die Vermutung,

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daß die dortigen Jünger noch ähnliche Spaltungen durchmachen werden, wie sie in den Vereinigten Staaten erfolgten, zumal da „Unabhängige" aus den U.S.A. in manchen Gebieten erheblichen Einfluß ausgeübt haben. Etliche australische Kirchenführer sind davon ebenfalls überzeugt und wollen sich ganz der Sache der Ökumene verschreiben, komme, was da wolle. Die meisten Kirchenführer meinen jedoch, diese Klüfte überbrücken und ihre umfassende Einheit aufrechterhalten zu können. Sie sind zu diesem Zweck bereit, ihre Beteiligung an einigen ökumenischen Organisationen einzuschränken und nur sehr lockere Beziehungen zu den dort geführten Einigungsverhandlungen zu pflegen. Der Umstand, daß die kirchlichen Organisationen der Gliedstaaten sehr viel mehr hauptberufliche Mitarbeiter haben als die Zentrale, erleichtert ein abweichendes Verhalten. Anderwärts sind die Jünger kleine Gemeinschaften, die entweder bereits zu einer unierten Kirche gehören oder in naher Zukunft gehören werden. Da mit Ausnahme der japanischen Jünger die meisten von ihnen in Gebieten der Dritten Welt ansässig sind, sind viele der Probleme, denen sich die amerikanische Kirche gegenüber sieht, für sie weniger akut. Ihnen macht statt dessen das Problem des Wachstums, das Verhältnis zu den Abteilungen für die Missionstätigkeit in Übersee und die Übernahme aller Dienste durch Eingeborene zu schaffen. Dem Kyodan, dem auch die japanischen Jünger angehören, scheinen sich manche der Probleme, die auf den Kirchen Europas und Nordamerika lasten, in einer besonders akuten Form zu stellen.

K.

Zusammenfassung

Es scheint, daß die Zukunft der Jünger in starkem Ausmaß von der Art und Weise abhängen wird, wie sie, im Verein mit ihren Schwesterkirchen, die Probleme anzugehen vermögen, die den christlichen Glauben im Westen und in der ganzen Welt bedrängen. Im Verlauf des kommenden Jahrzehnts werden die Jünger wahrscheinlich entscheiden, ob sie sie in einer „sich vereinigenden Kirche Christi" („ Church of Christ Uniting")6 oder als fortdauernde Kirche der Jünger Christi, vielleicht als Teil des Reformierten Weltbundes sowie als Teilnehmerkirche der World Convention of Churches of Christ, angehen wollen. Die Jünger vermögen, gleichviel, welche Richtung sie auch einschlagen, auf ein besonders reiches Erbe zurückzugreifen und Brückenfunktionen auszuüben, die sie zu einem Katalysator in der heutigen, durch Polarisierungen gekennzeichneten Situation machen können. Wenn sie ihrem auf die Einheit der Christen ausgerichteten Erbe treu bleiben, so werden sie ökumenisch vorgehen, entweder in einer unierten Kirche, sollte sich eine solche als möglich erweisen, oder, wenn sie nicht

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zustande kommt, allein in den konziliaren Körperschaften. Scheitert die Kirchenunionskonferenz, so dürfte eine U n i o n f ü r ein weiteres Vierteljahrhundert ein Wunschtraum bleiben. A u s diesem G r u n d e haben die J ü n ger ein besonders großes Interesse an ihr.

ANMERKUNGEN 1 2

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Auf diesen Punkt machte mich Dr. Ronald E. Osborn aufmerksam. Alan Bullock (Hg.), The Twentieth Century: A Promethean Age, London (Thames and Hudson) 1971, S. 25-27. Charles Clayton Morrison, What Is Christianity New York (Willett, Clark and Company) 1940. Die Konferenz scheint derzeit - unmittelbar vor ihrer Vollversammlung in Memphis/Tennessee (2.-6. April 1973) - gut voranzukommen. Garfield war der einzige ordinierte Geistliche, der als Präsident der Vereinigten Staaten amtierte. Der einzige andere Disciple, der Präsident wurde, war der verstorbene Lyndon Baines Johnson (1908-1973). Viele seiner Charakterzüge sind aus seinem Jünger-Erbe herleitbar. Das „Comité Inter-Mouvements Auprès des Evacués" wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als Dienst der sozialen und geistlichen Fürsorge für die evakuierte Bevölkerung ins Leben gerufen. Der Text wird derzeit revidiert und kann, sobald die Drucklegung erfolgt ist, vom Board of Higher Education of the Christian Church {Disciples of Christ) bezogen werden. „Church of Christ Uniting" ist der von der „Kirchenunionskonferenz" vorgeschlagene Name.

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ANHANG DIE MITARBEITER Beazley, George G., d.J., Β. Α., B . D . , D . D . Verfasser von Kap. I, „Wer sind die Jünger Christi?" und XIII, „Ein Blick in die Zukunft der Kirche der Jünger Christi". Früher Hauptpastor an der First Christian Church in Bartlesville/ Oklahoma. Präsident des Rats für die Einheit der Christen der Kirche der Jünger Christi (seit 1960). Seit 1962 Mitglied der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung und seit 1968 des Zentralkomitees des ökumenischen Rats der Kirchen. Herausgeber der Vierteljahresschrift „Mid-Stream". Verfasser vieler Aufsätze und von Kapiteln in zwei Sammelbänden. George G. Beazley starb am 7. Oktober 1973.

Blakemore, William Barnett, B.Sc., Μ. Α., B . D . , Ph.D. Verfasser von Kap. III, „Gottesdienstliches Leben in der Kirche der Jünger Christi". Seit 1945 Dekan des Disciples Divinity House der Universität Chicago. Professor für ökumenisches Christentum an der Divinity School der Universität Chicago. Verfasser von fünf Büchern, darunter Encountering God und truest for Intelligence in the Ministry sowie vieler Aufsätze für verschiedene Zeitschriften. Wm. Barnett Blakemore starb am 2. Mai 1975.

Crow, Paul Α., B.Sc., B . D . , M.S.T., Ph.D. Verfasser von Kap. X , „Die Kirche der Jünger Christi in der ökumenischen Bewegung". Früher Professor für Kirchengeschichte am Lexington Theological Seminary, seit 1968 Generalsekretär der „Kirchenunionskonferenz" und Mitglied der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ökumenischen Rats der Kirchen. Heute Präsident des Rats für die Einheit der Christen der Disciples". Verfasser zahlreicher Aufsätze für religiöse Zeitschriften und einiger Bücher über die ökumenische Bewegung.

Dentier, Hov.ird E., B . A . , B . D . , D . D . Verfasser von Kap. XII, „Statistische Uberschau über die Kirche der Jünger Christi". Seit 1970 stellvertretender General Minister der Kirche der Jünger Christi.

Fey, Harold Ε., Β. Α., B. D„ D. D. Verfasser von Kap. VIII, „Die Kirche der Jünger Christi und das höhere Bildungswesen". Früher Herausgeber der JüngerZeitschriften „World Call" und „1'he Christian Century" und derzeit des Informationsblattes der Kirchenunionskonferenz „In Common". Verfasser zahlreicher Aufsätze für religiöse und weltliche Zeitschriften sowie mehrerer Bü-

260 cher, darunter Lord's Supper: Seven Meanings. Herausgeber des zweiten Bandes der vom ökumenischen Rat der Kirchen veröffentlichten Geschichte der ökumenischen Bewegung.

Fiers, A. Dale, Β. Α., B . D . , D . D . Verfasser von Kap. IV, „Die Struktur der Kirche der Jünger Christi in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft". Früher Präsident der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft" der Kirche der Jünger Christi. Von 1968 bis 1973 (erster) General Minister und Präsident der Kirche der Jünger Christi. Verfasser von vier Büchern, darunter Prayer and the Great Derísions of Life und The Christian World Mission sowie von zahlreichen Aufsätzen für religiöse Zeitschriften. Seit 1962 Delegierter der Kirche der Jünger Christi zur Kirchenunionskonferenz. Seit 1973 im Ruhestand.

Jarman, William Jackson, Β. Α., Β. D., D . D . Verfasser von Kap. VI, „Die Ortsgemeinde - Predigt und Gemeindedienst". Seit 1965 Pastor an der Park Avenue Christian Church in N e w York City. Seit 1962 Vorsitzender der Delegation der Kirche der Jünger Christi zur „Kirchenunionskonferenz". Verfasser zahlreicher Aufsätze für religiöse Zeitschriften. Predigten von Dr. Jarman wurden unter dem Titel Preaching from the Old Testament und The Vital Pulpit of the Christian Church veröffentlicht.

Miller, William L., Β. Α., B . D . , D . D . Berater für Kap. VIII, „Die Kirche der Jünger Christi und das höhere Bildungswesen". Seit 1968 Präsident des Ausschusses für das höhere Bildungswesen der Kirche der Jünger Christi.

Moseley, J. Edward, Μ. Α., D. Litt. Verfasser von Kap. IX, „Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Übersee". Autor, Historiker und Redakteur. Mitbegründer der,,Disciples of Christ Historical Society". Verfasser von drei Büchern, Disciples of Christ in Georgia, The Many Faces of the Aging, History of the United Christian Missionary Society, sowie zahlreicher Aufsätze für religiöse Zeitschriften. J. Edward Moseley starb am 30. Oktober 1973.

Osborn, Ronald Ε., Β. Α., Μ. Α., B . D . , P h . D . , D.Litt. Verfasser von Kap. II, „Die Rolle der Theologie in der Kirche der Jünger Christi". Früher Professor für Kirchengeschichte am Christian Theological Seminary in Indianapolis/Indiana. Seit 1973 Professor für Amerikanische Kirchengeschichte an der School of Theology in Claremont/Kalifornien. Seit 1962 Mitglied der Jünger-Delegation zur Kirchenunionskonferenz. Nach der Umstrukturierung der Kirche der Jünger Christi war Dr. Osborn in der ersten vorläufigen Generalversammlung ihr erster Moderator. Mitglied mehrerer Komitees der Kommission für Glau-

261 ben und Kirchenverfassung des ökumenischen Rats der Kirchen. Verfasser von fünf Büchern, darunter The Spirit of American Christianity und In Christ's Place - Christian Ministry in Today's World, sowie zahlreicher Aufsätze für religiöse Zeitschriften.

Pennybacker, Albert Μ., Β. Α., B . D . , D . D . Verfasser von Kap. VII, „Die Ortsgemeinde - Sozialpolitisches Engagement". Seit 1963 Pastor an der Heights Christian Church in Shaker Heights/Ohio, einem Vorort von Cleveland. 1968-69 erster Vizemoderator der Generalversammlung der Kirche der Jünger Christi. 1970-1973 Vorsitzender des Exekutivkomitees des Rats für die Einheit der Christen. Ab 1. April 1974 Geistlicher der University Christian Church, Fort Worth, Texas.

Short, Howard Ε., Β. Α., B . D . , P h . D . , L L . D . , D.Litt. Verfasser von Kap. XI, „Das Schrifttum der Kirche der Jünger Christi". Seit 1958 Herausgeber von „The Christian", der Wochenschrift der Kirche der Jünger Christi, seit 1959 Vizepräsident des Christian Board of Publication und von 1968-1973 Leiter der Bethany Press. Verfasser von drei Büchern, darunter Doctrine and Thought of the Disciples of Christ und Christian Unity is Our Business sowie einer großen Zahl von Broschüren, Analysen und Aufsätzen. Seit 1974 im Ruhestand.

Sly, Virgil Α., Β. D . , D. D . Berater für Kap. IX, „Die Kirche der Jünger Christi und die Missionstätigkeit in Übersee". Früher Präsident der „Vereinigten Christlichen Missionsgesellschaft". Verfasser zahlreicher Aufsätze für religiöse Zeitschriften.

Stauffer, Paul S., Β. Α., B . D . , D . D . Verfasser von Kap. V, „Die Ortsgemeinde Seelsorge und missionarische Verkündigung". Seit 1966 Hauptpastor an der Northwood Christian Church in Indianapolis/Indiana. Früher Vorsitzender des Direktoriums des Rats für die Einheit der Christen. Verfasser mehrerer Aufsätze für religiöse Zeitschriften.

DIE KIRCHEN DER WELT Herausgeber: D. Hans Heinrich Harms, Oldenburg; D. Dr. Hanfried Krüger, Frankfurt/M.; Dr. Günter Wagner, Zürich; D. Dr. Hans-Heinrich Wolf, Bochum. Diese Buchreihe bringt Selbstdarstellungen der wichtigsten christlichen Kirchen. Eine Subskription ist bis zum Erscheinen des letzten Bandes möglich. Sie verpflichtet zur Abnahme der ganzen Reihe. Band I:

Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht herausgegeben von P. Bratsiotis 2. ergänzte Auflage, 400 Seiten, Leinen DM 43.(Subskr.-Preis DM 37.50) • 1970 ,,Es liegt den Griechen daran, die evangelistische, biblische, liturgische und nicht zuletzt auch soziale Bewegung ihrer Tradition bekannt zu machen. Dieses Unternehmen ist formal und inhaltlich aufs beste gelungen." Neue Zürcher Zeitung Band II: Die Baptisten herausgegeben von J . D. Hughey 284 Seiten, Ln. DM 30.- (Subskr.-Pr. DM 26.50) • 1964 In insgesamt 19 Kapiteln wird von führenden Sachkennern des Weltbaptismus deren Geschichte, Theologie und heutige Situation ausführlich dargestellt. Band III: Urs Küry, Die Altkatholische Kirche Ihre Geschichte, ihre Lehre, ihr Anliegen (zur Zeit vergriffen) Eine ergänzte und überarbeitete Neuauflage dieses grundlegenden Werks über Geschichte und Lehre, Aktivitäten und Dienste dieser Kirche ist in Vorbereitung. Band IV:

Die Kirche von England und die anglikanische Kirchengemeinschaft herausgegeben von H . H . Harms 258 Seiten, Ln. DM 32.- (Subskr.-Pr. DM 28.20) • 1966 Dieser Sammelband vereinigt eine Reihe von Aufsätzen anglikanischer Theologen, die eigens für diese deutsche Veröffentlichung verfaßt wurden. Eine großartige Selbstbiographie dieser Kirche!

Β and V :

Die Brüder-Unität herausgegeben von Heinz Renkewitz 288 Seiten, Ln. DM 29.50 (Subskr.-Pr. DM 26.-) • 1967 Heinz Renkewitz gibt in dem vorliegenden Band zusammen mit 20 Mitarbeitern aus der Brüdergemeinde ein umfassendes Bild von der Geschichte und dem Leben der Brüder-Unität.

Band VI:

Der Methodismus herausgegeben von Ernst Sommer 336 Seiten, Ln. DM32.- (Subskr.-Pr. 28.20) • 1968 Die 14 Kapitel dieser Selbstdarstellung geben einen umfassenden Querschnitt durch das reformatorische Erbe des Methodismus und die heutigen Aufgaben der methodistischen Kirchen. Band VII:

Die Pfingstkirchen Selbstdarstellungen, Dokumente, Kommentare herausgegeben von Walter J. Hollenweger 380 Seiten, Ln. DM 35.- (Subskr.-Pr. DM 30.80) • 1971 Dieser Band vermittelt umfassende Informationen über die Pfingstbewegung, ihre Entstehung und Verbreitung, ihre speziellen theologischen Merkmale und ihr Verhältnis zu anderen Kirchen und zur Ökumene. Band VIII:

Die Mennoniten herausgegeben von Hans-Jürgen Goertz 286 Seiten, Ln. DM 32.- (Subskr.-Pr. DM 28.20) · 1971 In 18 Aufsätzen aus 17 Federn wird die älteste Freikirche des Protestantismus in ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Ausprägung sachlich und auch selbstkritisch dargestellt. Die Hälfte der „Täufer" lebt in USA. Band IX:

Die Kirche der Brüder herausgegeben von Donald F. Durnbaugh 220 Seiten, Ln. DM 30.- (Subskr.-Pr. 26.50) • 1971 Die Brüdergemeinden („Brethren"), eine Kirche der Auswanderer, entstanden im frühen 18. Jahrhundert, hat als eine der drei historischen Friedenskirchen besondere Bedeutung in der Ökumene. Band X:

Die unierten Kirchen herausgegeben von John Webster Grant 384 Seiten, Ln. DM 37.50 (Subskr.-Pr. DM 33.-) • 1973 In der Reihe der Selbstdarstellungen der großen Kirchengemeinschaften werden dem Leser die ,unierten Kirchen' bei uns und in aller Welt durch führende Vertreter dieser Kirchen vorgestellt. Band XI:

Der Kongregationalismus herausgegeben von Norman Goodall 256 Seiten, Ln. DM 32.- (Subskr.-Pr. DM 28.20) • 1973 Der ökumenisch und missionarisch engagierte Kongregationalismus aus der englischen Hochkirche hervorgegangen, dürfte bei uns von besonderem Interesse sein, weil er zum Thema »Kirche und Gesellschaft' einige Erfahrung und Selbstkritik voraus hat.

Band X I I :

Koptisches Christentum Die orthodoxen Kirchen Ägyptens und Äthiopiens herausgegeben von Paul Verghese

228 Seiten, Ln. ,DM 35.- (Subskr.-Pr. DM 30.80) • 1974 Dieser Band gibt einen guten Uberblick über Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft der äthiopischen bzw. Koptischen Kirche. Band X I I I :

Die syrischen Kirchen in Indien herausgegeben von Paul Verghese

216 Seiten, Ln. DM 32.- (Subskr.-Pr. DM 28.20) • 1974 Faszinierend an den syrischen Kirchen Indiens ist ihre Behauptung auf dem indischen Subkontinent. Trotz vielen Wandlungen und Spaltungen zeigen sie sich immer noch als lebendig und schöpferisch bis hin zum sozialen Engagement der Kirche in Kerala. Band X I V :

Die Quäker herausgegeben von Richenda C. Scott

237 Seiten, Ln. DM 35.- (Subskr.-Pr. DM 30.80) • 1974 Eine Selbstdarstellung der zahlenmäßig geringen (etwa 200 000 Mitglieder), aber durch ihre Aktivität sehr einflußreichen Gemeinschaft der Quäker durch 11 führende Vertreter, darunter ein Deutscher. Band X V :

Die evangelisch-lutherische Kirche

Vergangenheit und Gegenwart herausgegeben von Vilmos Vajta · 1977 Für diese Selbstdarstellung der evangelisch-lutherischen Kirche zeichnet das Institut für ökumenische Forschung des Lutherischen Weltbundes in Straßburg verantwortlich. Band X V I :

Die Kirche der Jünger Christi (Disciples) Progressiver amerikanischer Protestantismus in Geschichte und Gegenwart herausgegeben von George G . Beazley d. J . • 1977

Band X V I I :

Die reformierten Kirchen herausgegeben von Karl Halaski (Herbst 1977) Ein Selbstbildnis der im Reformierten Weltbund zusammengeschlossenen reformierten Kirchen. Der Schwerpunkt liegt hier auf regionalen Darstellungen, die die differenzierte aktuelle Problematik aufzeigen. Als weitere Bände sind geplant: Die Römisch-Katholische Kirche, Die Russisch-Orthodoxe Kirche und Die Armenische Kirche.