Stimmen aus der katholischen Kirche über die Kirchenfragen der Gegenwart: Band 2 9783486722192, 9783486722178


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German Pages 492 [512] Year 1870

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Table of contents :
Vorwort
Inhalts-Verzeichnis des Zweiten Bandes
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Vorbereitung und erste Arbeiten. Projekte der römischen Curie
Kapitel I. Ob die Lage der Kirche die Berufung eines Concil's erheischte
Kapitel II. Vorspiel des Concil's
Kapitel III. Die Freiheit des Concil's
Kapitel IV. Die Einführung des Unfehlbarkeits - Projektes als eigentlichen Gegenstandes des Concils
Kapitel V. Eingreifen Pius des IX
Schlußfolgerungen
Nach- und Schlußwort der Redaktion
Ergänzendes von der Redaction
Verbesserungen
II. Das päpstlich gewährleistete Recht der deutschen Nation, nicht an die päpstliche Unfehlbarkeit zu glauben
§. 1. Begriff der Irrlehre
§. 2. Entstehung des Wunsches, daß der Papst unfehlbar sei
§. 3. Falsche Beweismittel
§. 4. Bedeutung des Beweises aus den Thatsachen
§. 5. Quelle und Schwierigkeit des Beweises
§. 6. Schranken des indirekten Schriftbeweises
§. 7. Bedeutung des Trienter Interpretations-Decretes
§. 8. Verletzung dieses Dekretes durch die Infallibilisten
§. 9. Erfindung des Begriffs: ex cathedra
§. 10. Die religiösen Schwärmer unter den Infallibilisten
§. 11. Nom's Verhalten gegen die Schwärmer
§. 12. Janus und Anti-Janus im Streite. Der rechte Ton
§. 13. Hergenröther's Begründung der Anklage gegen Janus
§. 14. Die Lehre von dem doppelten Organe der Unfehlbarkeit
§. 15. Die materielle Beschränkung der päpstlichen Infallibilität ist wissenschaftlich werthlos
§. 16. Hergenröther's Unklarheit über die formelle Beschränkung durch den Begriff ex cathedra
§. 17. Hergenröther's Irrthum über die subjektiven Bedingungen der päpstlichen Unfehlbarkeit
§. 18. Die päpstliche Unfehlbarkeit wäre nur als Inspiration denkbar
§. 19. Infallibilität als Prophetenthum
§. 20. Die drei Bibelstellen
§. 21. Erklärung der Stelle Luc. 22, 31 ff
§. 22. Die vorgeblichen Infallibilisten-Erklärer unter den Vätern. Hergenröther's Akribie und Gelehrten- Gewissen
§. 23. Hergenröther's Argument mit „den Theologen."
§. 24. Die theologischen Meinungen. Explitite — implicite
§. 25. Der Machtbeweis
§. 26. Resultat und Schluß
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Stimmen aus der katholischen Kirche über die Kirchenfragen der Gegenwart: Band 2
 9783486722192, 9783486722178

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Stimmen aus der

Katholischen Kirche über die

JMenfragen der Gegenwart.

Zweiter Band.

München, 1870.

Rudolph Oldenbourg.

Das hier dargebotene Schriftchen enthält eine kurze Besprechung der Lehrmeinung von. der päpstlichen Unfehl­

barkeit nach ihrem Inhalte und nach ihrer dogmatischen und historischen Begründung in einer wohldurchdachten

aber nicht äußerlich schematisirenden Ordnung.

Die Be­

schwerung mit Anmerkungen, welche die Erkenntniß nicht weiter fördern oder, nicht unentbehrliche Ergänzungen bil­

den, wurde absichtlich vermieden. Einige von den Gegnern

mißbrauchte längere lateinische Stellen in Noten vollständig

abzudrucken, schien nothwendig.

Es sieht also nicht so ge­

lehrt aus wie Hergenröther's polemische Schriften.

Gegen diesen Gelehrten wendet sich die Kritik zuweilen mit aller Schärfe.

Man wird dabei „den Ton" tadeln.

Das wird den Verfasser nicht überraschen und auch nicht

beirren.

Auf den Beifall der Infallibilisten hat er im

Voraus vollständig verzichtet.

Wird der Ton charakterisirt

Vorwort.

IV

durch den universellen Blick des großen Gelehrten, durch das Schneidige der Logik, die nur zur Wahrheit durch­

dringen will, und durch die unverletzliche Hoheit der gött­

lichen Gabe der Wissenschaft, wie dies bei Döllinger der Fall ist, so ist das für die Herren Piccirillo, Margotti,

Veuillot und die Inhaber ihrer Commanditen in andern Ländern der Ton der berechnenden Bosheit; schreibt Einer aus tief verwundetem religiösem Gemüthe, das die be­

seligende Innerlichkeit der Religion retten möchte vor der

das Christenthum vernichtenden Aeußerlichkeit, wie Liano, so finden jene darin den weinerlichen Ton, unnützes Wortgellänge; tritt Jemand vor mit der durchsichtigen Eleganz

der französischen Sprache und

der wünschenswerthesten

Klarheit der wahrhaftigen Gesinnung bei aller Lebhaftigkeit

des Charakters, wie Gratry, so erkennen sie den Ton

eines

furiosen Schauspielers;

kommt ein Anderer mit

staatsmännischer Feinheit und diplomatischer Gewandtheit,

wie Rauscher, so merkt man doch einen ketzerischen Ton,

wenn derselbe auch leidenschaftslos hervorgebracht wird:

kurz, man lese die Civilta, die Unita catt. und das Uni­ vers, und man wird sich um das Urtheil der Gegner über „den Ton" nicht mehr kümmern. .Die Hauptsache

ist jetzt, daß sie verstehen, was man sagen will. Warum wird Hergenröther ohne Höflichkeit behandelt? Weil er wegen seiner polemischen Schriften keine zu be-

anspruchen hat.

Der Verfasser setzt aber nur gegen den

Gelehrten die

unnöthig gewordenen Rücksichten bei

Seite, dem Menschen wünscht er alles Gute. Man hat

dem Publikum weis zu machen gesucht, Hergenröther habe

Vorwort.

V

„mit der größten Herzensmilde" geschrieben: es ist nicht wahr, er schimpft auf der ersten Seite des Anti-

Janus („Lärmtrompeten") und leistet in dieser Beziehung

hernach Großes (man vergleiche nur,

welche Ehrentitel

er in Anti-Janus S. 124 den Vätern des Chalced. und des

fünften Concils giebt); er zeigt von Anfang bis zu Ende eine denunciatorische Tendenz, indem er überall darauf aus­

geht, den Gegnern der päpstlichen Unfehlbarkeit nachzu­ weisen, daß sie weder katholische Wissenschaft noch katho­ lische-Gesinnung besäßen. Man erkennt ferner in Hergenröther die erste wissenschaftliche Größe an, welche die In­ fallibilisten haben.

70,

Das thut die Civiltä (2. April c. S.

wo Piccirillo den Janus vor Hergenröther

„wie

einen Zwerg vor dem Angesichte eines Riesen" in sein Nichts zurücksinken läßt), das thuen ihre dienst­

baren Geister in Deutschland.

Er selbst scheint davon

überzeugt zu sein, denn er glaubt „einer heiligen Pflicht und den Forderungen des Gewissens nachzukommen," in­

dem er obgleich der Ruhe sehr bedürftig den Anti-Janus

schreibt (S. 9), und er erzählt uns in der Vorrede zu seiner

Schrift gegen Döllinger, wie er „durch Zuschriften aus verschiedenen Theilen Deutschlands aufgefordert" worden

sei, sein „Urtheil abzugeben" über Döllinger's Kritik der bekannten bischöflichen Unfehlbarkeitsadresse.

Der Ver­

fasser des hier vorliegenden Schriftchens gesteht, daß ihm in den beiden Streitschriften Hergenröther's,

abgesehen

von der ganz verfehlten Methode, kaum eine Seite vor­ gekommen ist, die nicht, wissenschaftlich geprüft, Schwächen

darböte.

Und nun erwartet der Mainzer Katholik noch

VI

Vorwort.

gar, daß Jeder, der guten Willens sei, sich den

Argumentationen dieses Gelehrten unterwerfen werde. Das

ist zu viel.

Die Partei mag ihren Hergenröther feiern,

so hoch wie sie Lust hat, aber den guten Willen derer, die in ihr Lob nicht einstimmen, anzutasten, dazu hat sie

kein Recht.

Breslau, im Juni 1870.

In^al'tg-Äerzei^m^ des

Zweiten

Bandes.

Seite:

I. Wie eS auf dem Conell zugeht

.

.

.

.

1—280

II. DaS päpstlich gewährleistete Recht der deutscheu Nation, nicht an die päpstliche Unfehlbarkeit zu glauben. Von vr. Johann Friedrich 281—324

ni. Ueber päpstliche Unfehlbarkeit. Reinkens

Von Dr. I. 325-486

Im Verlage von R.Oldenbourg in München ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:

Römische Briefe vom Concil von

Quirinus. E r st e r

Band

besteh end aus drei Lieferungen, von welchen die ersteund zweite bereits erschienen ist, die dritte Lieferung aber nach Ver­ tagung des Concils erscheinen wird. Preis der ersten und zweiten Lieferung je 54 fr. oder 16 Sgr. Die „Römischen Briefe vom Concil", welche in der Augs­ burger Allgemeinen Zeitung publicirt wurden, haben in und außer­ halb Deutschlands das höchste Aufsehen erregt. Sie erweisen sich als die genaueste und zuverlässigste Quelle über den Gang der gegenwärtigen Äeignisse in Rom. Diese Briefe haben aber nicht eine blos ephemere Bedeutung, sondern sie sind reich an theologischem und kirchenhistorischem Ma­ terial, und bieten über die Geschichte des vaticanischen Concils eine Orientirung von bleibendem Werth. Sie versprechen nicht nur zu werden, sondern sind schon jetzt recht eigentlich — eine Chronik

des Coneils.

Wie es auf dem Concil

Mgeht. Herrschen! — das möchtest Du gern, nun wohl eS gibt eine Herrschaft, Die vor allen Dir ziemt: Herrsche nur über dich selbst! Trost, Concordaiy.

München 1870. Rudolph Oldenbourg.

Inhaltsverzeichnis. Seite

V-VI.

Vorwort

Kapitel I. Ob die Lage der Kirche die Berufung eines Concil's erheischte

1-8

........................................

Kapitel II. 8—49

Vorspiel des Concils

Kapitel in.

49-99

Die Freiheit des Conciles

Kapitel iv. Die

Einführung

des

Unfehlbarkeits - Projectes als

eigentlichen Gegenstandes des Conciles

.

99-155

.

156—248

Kapitel V. Eingreifen Pius des IX..........................................

.

Schlußfolgerungen........................................

249—268

Nach- und Schlußwort der Redaktion

.

268-273

Ergänzendes von der Redaktion

.

274—277

Das aus den Thatsachen sich ergebende, die Vati­ kanische Versammlung in ihrer Mehrheit schwer treffende

Vernichtungsurtheil erhellt mit solcher Evidenz aus der Schrift: ce qui se passe au Concile (H. Pion, Paris 1870),

daß wir für nützlich erachtet haben, sie deutschen

Lesern

durch diese Uebersetzung zugänglich zu machen.

Um so mehr Gewicht aber hat dieses Urtheil,

als

der (unbekannte) Verfasser sich noch immer von den An­

schauungen des modernsten Katholicismus befangen zeigt, wie derselbe seit etwa vierzig Jahren sich ausgebildet hat,

unseren Vätern gänzlich unbekannt war und die Religion dem Erlöschen ganz nahe bringt.

Diese Anschauungen

halten ihn in der Weise befangen, wie die Glieder des

vom Tode erweckten Lazarus von Bethanien noch von

den Binden umwunden waren, mit welchen der entseelte

Leichnam dem Grabe übergeben worden war.

Nur da­

durch erklären sich gewisse Floskeln, Aeußerungen und

Hypothesen,

die mit den unqualificirbaren

Thatsachen,

welche er berichten muß, in einem Contraste stehen, welcher, handelte es sich nicht um das Höchste und Heiligste, ge­ radezu lächerlich genannt werden müßte, so aber Ent-

VI

rüstung und namenlose Trauer über eine Ausartung er­ wecken muß, durch welche edle Charaktere und der Kirche

treu ergebene Menschen bis zu solchem Grade der Un­ befangenheit und Consequenz der christlichen Anschauung

verlustig gehen konnten.

Nichtsdestoweniger haben wir die Schrift unverändert

gelassen,

und

nur

an

einigen

Stellen, wo

es

mit

den erwähnten Aeußerungen und Hypothesen zu arg war,

eine berichtigende oder eine dem Leser zur Orientirung dienende Bemerkung zugesetzt, die immer als Zusatz der

Redaction bezeichnet ist; außerdem haben wir einige allzu überschwengliche Floskeln ermäßigt und nüchterner wieder­

gegeben, als sie in dem Originale sich ausnehmen. Die Curialisten haben dieses Buch mit ihrem Anathem bereits bedacht; sie haben uns damit ein Zeugniß für die

Wahrhaftigkeit und die Bedeutung desselben gegeben. München, am Pfingsttage des Jahres 1870.

Die Redaktion.

Vorbereitung und erste Arbeiten. Projekte der römischen Curie.

Kapitel I. Db die Lage der Kirche die Berufung eines Conrils erheischte.

Vom vierten bis zum sechzehnten Jahrhundert sind alle großen conciliarischen Versammlungen nur Angesichts

einer großen Gefahr berufen worden, welche der Kirche gedroht, um eine Irrlehre zu verurtheilen oder die aus­ geartete Kirchenzucht wieder herzustellen.

Der Zweck war

allemal ein deutlich umgränzter, ein genau bezeichneter:

schon lange vorher war den Bischöfen der Gegenstand der zu fassenden Beschlüsse bekannt, und so brachte ein jeder

der

Concil'sväter

Vorbereitung

eine

durch

langsame

und

gelehrte

gereifte Erfahrung zu den Verhandlun­

gen mit. Allgemein sind die Irrlehren bekannt, welche durch

die acht im Orient abgehaltenen allgemeinen Concilien ge­ prüft und verurtheilt worden sind.

Die Glaubenslehren

von der Dreieinheit, der Erbsünde, der Menschwerdung,

der Heiligenverehrung, dem Primat des Stuhles Petri Wie cä auf »em Concil zugeht. (Stimmen aus der kath. Kirche. 1)

1

Wie es auf dem Concil zugeht.

(2)

sind nacheinander bestritten und aufrecht erhalten und be­ gründet worden. Die im Abendlande abgehaltenen Concilien, welche

auf jene gefolgt, haben sich mehr mit der Kirchenzucht be­ schäftigt, und unser kanonisches Kirchenrecht hat in den­

selben seinen Ursprung. Das letzte Concil, das zu Trient abgehaltene, war berufen worden, nachdem

die Empörung des Protestan­

tismus eingetreten, und seine Aufgabe war: „die Ueber­ windung der Irrlehre, die Wiedererlangung des Friedens und die Wiederherstellung der Kirchenzucht zu bewirken." *) Welches ist nun

die

Aufgabe

des Vatikanischen

Concil's?

I. Gegenwärtige Lage

mit Rücksicht auf den

der Kirche

Glauben und auf die Dis ciplin.

Beziehungen derselben

zum Staat. Es ist unverkennbar, daß die Lage der Kirche eine keineswegs ungefährdete ist.

Der Glaube, der während 1800 Jahren nur die Spitz­

findigkeiten der Irrlehre und die Spekulationen einer meta­

physischen Philosophie zu bekämpfen hatte, sieht sich jetzt

viel gefährlicheren Angriffen

eines neuen Gegners, der

modernen Wissenschaft nämlich, ausgesetzt.

In Wirklichkeit ist der Glaube zwar nicht unverträg-

’) Eröffnungsrede der Legaten.

(Pallavicini.)

Wie es auf dem Concil zugeht.

(3)

3

kicher mit dieser Wissenschaft, als mit der Freiheit.

Das

Gebiet der Theologie war aber durch die großen Lehrer

des Mittelalters zu einer Zeit begrenzt worden,

wo

es

noch unmöglich war, vorauszusehen, daß der Fortschritt

der Ideen und die Emancipation des menschlichen Geistes

die von

der Scholastik errichteten Barrieren zerbrechen

würden, und wenn es daher den Anschein gewinnt, als verlange die Kirche, daß man sich an diese scholastische

Lehrweise gebunden halte, so scheint sie sich als Gegnerin

der Bernunft und der Wissenschaft hinzustellen.

Daher

so viele Mißverständnisse, so viele unkluge Verdammungs­

urtheile, und, als unvermeidliche Folge, so heftige Repres­ salien, welche darum nicht minder gefährlich sind, weil sie

ungerecht sind. Die Disciplin, welche seit dreihundert Jahren keine wohlthätige reformatorische Einwirkung erfahren hat, mit

den Bedürfnissen der Zeit nicht in Einklang gesetzt wor­

den ist, sie ist für den Priester gar oft eine Ursache von Verlegenheiten

und Conflikten inmitten

des modernen Lebens.

der Bewegung

Gleichzeitig hat das Verschwinden

einer großen Zahl von Einrichtungen, die nur noch dem Namen nach im canonischen Recht existiren, eine tiefe Stör­

ung des Gleichgewichts in der geistlichen Hierarchie zur

Folge

gehabt:

wir meinen

die Bestimmungen über die

geistlichen Beneficien, die Gerichtsbarkeit der bischöflichen Officialate, die Immunitäten der Kleriker, die Gebräuche der Nationalkirchen.

In Folge der politischen und gesell­

schaftlichen Umbildungen des

19. Jahrhunderts ist die

Harmonie der alten Kirchenverfassung dahin; der Priester 1*

4

Wie es auf dem Concil zugeht.

(4)

ist preisgegeben der Willkür des Bischofs'), und der Bi­

schof befindet sich ohne irgend welche Garantien dem rö­ mischen Stuhle gegenüber-).

Endlich erhebt sich noch,

finster

und drohend,

das

Problem der Beziehungen der bürgerlichen Gesellschaft zur religiösen Gemeinschaft.

Nach Innen, die Eintracht zwi­

schen Kirche und Staat; nach

Außen,

die herzustellende

Verträglichkeit der dem Oberhaupt der katholischen Kirche

nothwendigen Unabhängigkeit mit dem modernen Princip

des

Selbstbestimmungsrechtes

ben

diese Probleme brennendere und

der Völker:

niemals ha­

gefahrdrohendere

Fragen aufgeworfen.

II.

Ob es möglich ist Reformen auszuführen. Verlangte eine solche Sachlage die

Berufung eines

Concils? Ohne uns herauszunehmen eine so delicate Frage in

der Kürze zu entscheiden, können wir doch schon jetzt be­ merken, daß diese Uebel zum Theil ihre Ausgleichung mit

sich bringen, und daß nur die Zeit ein gewisses allge­

meines Uebelbefinden zu beruhigen und zu heilen vermag, „Jeder vou uns hat ein Regiment zu befehligen und marschirt auf Commando " (Rede des Cardinals von Bonnechoje in dem modernen, französischen Senat.)

2) Man hat den Wahn gehegt, die Autorität

der alten S it-

ten, Bräuche und Freiheiten der Kirche

Frankreichs

zu erhöhen, in dem man ihnen die Sanktion eines Staats­

gesetzes verlieh. Ein solches Unternehmen konnte nur scheitern.

Wie es auf dem Concil zugeht.

(5)

5

während ein Zustand heftiger und acuterKrisis ein rasches und energisches Heilmittel erfordert. Wenn es eine falsche Wissenschaft gibt,

wenn man

gegen die Kirche aus sicheren Thatsachen unlogische Aus­ führungen herleitet, wenn man irrige Hypothesen anführt, so werden alle diese Angriffe von selbst vor den fortgeschrittenen,

weiter dringenden Einsichten dahinschwinden.

Der Geist

der Forschung und der Analyse wird durch Anatheme sich nicht im mindesten schrecken lassen, und die Heiligkeit des

Glaubens kann durch theologische Streifzüge auf das Ge­

biet der Beobachtung und der reinen Vernunfterkenntniß

nur compromittirt werden. Wird das Concil, das Problem der Beziehungen

der Kirche zum Staat zu lösen suchen?

Aber die bloße

Thatsache der Erörterung dieses Problem's regt eine ganze Welt von Gefahren und von Complicationen auf.

Die

Lösung ist schwierig rein darzustellen; die moderne Gesell­

schaft hat noch nicht ihr letztes Wort in ihrer politischen

und socialen Evolution gesagt, und Niemand känn noch vorher sehen, was uns die Zukunft aufspart.

Frägt man

nun aber die Geschichte, so sieht man, daß die Kirche sich

niemals leichthin auf das Feld der Hypothesen gewagt hat.

Es hieße gar sehr ihre alte Weisheit verkennen und

mit ihrem traditionellen System der wohlbedachten Zöger­ ung brechen, wenn man es unternehmen wollte, sie durch absolute, definitive und genaue Entscheidungen im voraus

eine Materie regeln zu lassen, welche wesentlich zum Ge­ biet des Relativen und des durch die Umstände Beding­

ten gehört.

6

Wie es auf dem Concil zugeht.

(6)

Uebrigens können diese verhängnißvollen Fragen nim­ mermehr ohne die Mitwirkung der bürgerlichen Gesellschaft

entschieden werden; die Kirche hat

allezeit die Unab­

hängigkeit der beiden Gewalten geachtet, welche ihr gött­ licher Gründer selbst gewollt und angeordnet hat, und nie­

mals hat sie sich in ihren feierlichen Versammlun­

gen das Recht angemaaßt, allein über die Belange und Angelegenheiten des Staates Entscheidungen zu treffen. Im direkten Widerspruch

ohne Ausnahme, sind

worden, sen.

sich

früheren Concilien,

mit allen

die Regierungen nicht eingeladen

im Vaticanischen Concil

vertreten zu las­

Diese Einladung war zwar nicht nothwendig, denn

die Rechte der bürgerlichen oder Staats-Gewalt sind un­

bestreitbar; aber man kann es nur zu deutlich erkennen, daß die Enthaltung der Regierungen,

derselben

von

den

das Fernbleiben

des

Verhandlungen

Concil's

den

Römischen Stuhl nicht betrübt hat, daß diese Haltung vielmehr den liebsten Wünschen desselben entsprochen zu haben scheint.

Wäre also keine Umwälzung beabsichtigt hinsichts der Verfassung und der alten Jurisprudenz der Kirche, so

würde es erlaubt sein, aus diesem Umstande die Folger­

ung zu ziehen, daß die Angelegenheiten der Politik, im

weitesten Sinne des Wortes, aus den Verhandlungen des Vaticanischen Concil's verbannt sein sollen.

Bleibt noch die Disciplin übrig. Concil

würde die

Ueberlieferung

der

Das Vaticanische

im

Abendlande

abgehaltenen Concilien fortsetzen, wenn es hauptsächlich mit Gegenständen der Kirchenzucht sich beschäftigen sollte.

Wie es auf dem Concil zugeht.

7

Die dringendsten Reformen würden darin bestehen, für den Priester und für den Bischof ernstliche Garantien wieder herzustellen; im Centrum, in jeder Nation, in jeder Pro­

vinz, in jeder Diözese, die Synodal-Thätigkeit wieder wach­ zurufen, welche während 15 Jahrhunderten die Stärke

und den Ruhm der Kirche ausgemacht; die Zusammensetz­ ung und Ergänzung des Collegiums der Cardinäle der

Römischen Kirche zu modificiren, in welchem die verschie­ denen katholischen Nationen keineswegs genügend vertre­

ten sind; die Römischen Congregationen durch Delegirte aus dem Clerus der ganzen katholischen Kirche zu er­ setzen') . . . Doch ist es kaum statthaft, auf dergleichen ächte

Reformen zu

rechnen.

Sie sind den Absichten

Pius IX. und der Römischen Curie durchaus entgegen. — Nach Beseitigung dieser Frage, gäbe es noch wichtige

Punkte genug zu prüfen und zu erledigen: Das Brevier,

die Liturgie (überhaupt), die kanonische Procedur . . . .,

doch diese berühren direkt nur den Clerus und interes-

siren den Staatsbürger und Politiker nur insofern, als durch weise Modifikationen auf diesem Gebiete die Rein­ heit des priesterlichen Lebens, sowie der Friede und die gute Ordnung in der christlichen Gemeinschaft besser ge­

sichert werden könnten. Das sind die Betrachtungen, welche allen ernsten Gei­

stern sich aufdrängten, als vor zwei Jahren das Gerücht ') Träten solche Reformen

ein, dann könnte die französische

Regierung, ohne irgendwelche Gefahr,

auf die s. g. orga­

nischen Artikel (articles organiques) Verzicht leisten.

8

Wie es auf dem Concil zugeht.

(8)

sich verbreitete, daß der Papst die demnächstige Berufung

eines Concil's den 500 zur Feier des Centenarium's Petri um ihn versammelten Bischöfen angekündigt habe. Sie können kurz zusammengefaßt werden, wie folgt.

Ein für die Kirche äußerst mühseliger Zustand, wel­ cher einer Arbeit tiefer Umbildung entspricht. — Noth­

wendigkeit unverweilter Reformen in der Disciplin, aber unläugbarer

Widerstand Pius IX. und der Römischen

Curie gegen die Verwirklichung gerade der wichtigsten

derselben. — Gefahr dagegen über andere Fragen zu ver­ handeln; Unmöglichkeit zudem sie zu lösen, theils weil sie nicht zur legislatorischen Competenz der Kirche gehören, theils

weil sie zur Entscheidung noch bei weitem nicht reif genug sind.

Eapitel H Vorspiel des Concil's.

I. (1867—1868) Geheime Vorarbeit zu Gunsten der Un-

trüglichkeit des Papstes nnd der theokratischen Lehren. Vor Ankündigung der Berufung eines Concil's stellte

der Papst zwei Fragen an die Cardinäle:

An sit necessarium? An oporteat ? Auf beide Fragen antwortete das Collegium der Car­ dinäle verneinend.

Auch Seitens der gewöhnlichen Rath­

geber des Vatikans offenbarte sich deßfallsiger Widerstand.

Pius H ging darüber hinweg.

9

Wie es auf dem Concil zugeht.

(9)

Die Jndictions-Bulle. Das in den beiden Allocutionen an die zum Cente-

narium zu Rom versammelten Bischöfe vom 26. Juni und

vom 1. Juli 1867 angekündigte und verheißene Concil

wurde erst durch die Bulle vom 29. Juni 1868 definitiv einberufen und der Tag der Eröffnung auf den 8. De­

cember 1869 festgesetzt. Mitten aus den bitteren Klagen über den Zustand

der modernen Welt, welche zum stehenden Canzleistyl der

römischen Curie gehören und den Fond dieser Dokumente bilden, ist es schwer, den Gedanken des Papstes über den eigentlichen Gegenstand des Contil's zu entwirren.

Nachdem er im Jahre 1867 gesagt hatte, daß das

Concil eine mächtige Waffe sein werde,

um die Feinde

der Kirche durch die Befestigung der katholischen

Einheit erfolgreich zu bekämpfen, zählt der Papst in der Bulle vom 29. Juli 1868 die Uebel der religiösen Ge­

meinschaft und der bürgerlichen Gesellschaft auf und erinnert wiederholt daran, daß die Kirche das Recht und

die Pflicht habe, die Irrthümer, welche die bürgerliche Gesellschaft der Umwälzung überliefern zu berichtigen...; die Völker gegen die gottlosen Bücher,

die verderblichen

Zeitschriften, die Lehrer der Bosheit und des Irrthums zu schützen, welchen die unglückliche Jugend, nachdem de­

ren Erziehung dem Clerus entzogen worden, anvertraut

ist...;

die Gerechtigkeit zu vertheidigen...; den Fort­

schritt und die richtige Begründung der menschlichen Wis­ senschaften sicher zu stellen."

Allerdings hieß das ein wenig das geistliche und das

Wie es auf dem Concil zugeht.

10

(W)

rein zeitliche Gebiet miteinander vermischen; aber diese in

den gewöhnlichen Abschweifungen der päpstlichen Akten­

stücke gleichsam umherschwimmenden Einflüsterungen wur­ den damals nicht bemerkt.

durch

Die

den

Papst

zu

Rom

vorbereitenden Commissionen.

versammelten Deren Zusam­

mensetzung; deren Arbeiten.

Es währte nicht lange, so

ward

die Freude, mit

welcher die erste Nachricht von der Einberufung eines

Concil's ausgenommen worden war, stimmte Beängstigung gestört.

durch

eine unbe-

Man sprach von weitschich­

tigen Arbeiten, welche die römischen Congregationen in Angriff genommen haben sollten und die in einem großen

Geheimniß und unter Beobachtung des strengsten Still­ schweigens fortgesetzt würden: Commissionen waren er­

nannt, um die Canones über das Dogma, die Disciplin,

die Klöster, die orientalischen Missionen welche

durch

die

Concil'sväter

sollten

vorzubereiten,

angenommen

werden: eine dieser Commissronen wurde officiell betitelt, die: der politisch-geistlichen Angelegenheiten.

Theo­

logen, Canonisten wurden aus allen Weltgegenden beru­ fen, um bei dieser Ausarbeitung sich zu betheiligen, und

bei der Wahl dieser Geistlichen wurde nicht die geringste

Rücksicht genommen auf die Ansicht des Clerus und des Volkes, welche durch sie repräsentirt werden sollten; nicht

einmal der betreffende Bischof wurde um seinen Rath ge­

fragt: nur durch den seinem Kirchsprengel angehörenden

Priester selbst erfuhr der Bischof, wenn jener sich bei ihm

Wie es auf dem Concil zugeht.

(11)

11

verabschiedete, die neue Mission, zu welcher ihn das Ver­ trauen des Papstes berufen hatte.

Es ist traurig aber

wahr, daß, wenn wir von einer der zwei ehrenvollen Aus­ nahmen absehen, die so nach Rom zur Theilnahme an

diesen Vorbereitungsarbeiten berufenen, angeblichen Ver­ treter der Kirche Frankreichs, in der religiösen Welt durch

nichts anderes bekannt waren, als durch einen glühenden Haß gegen die Ueberlieferungen der alten Kirche Frank­

reichs, durch eine, oft höchst ungeregelte Uebertreibung der'

ultramontanen Richtung, und fast alle durch eine offene Feindschaft gegen die Einrichtungen ihres Vaterlandes.

Wenn die Regierungen, wenn die Bischöfe den Wunsch

ausdrückten, Kenntniß

zu erhalten von den Materien,

welche der Gegenstand der Verhandlungen

des Concil's

sein sollten, so antwortete man ihnen, daß noch nichts

darüber entschieden sei, daß es aber den Prälaten frei­ stände, die Punkte besonders zu studiren, deren Erörter­

ung ihnen nützlich scheinen möchte, woran die Arbeiten der Commissionen sie durchaus nicht hinderten, und, wenn

sie sich nicht gleich dadurch beschwichtigen lassen wollten,

so hieß es:

„die Bischöfe möchten nur ganz ruhig sein;

gelehrte und erfahrene Männer bereiteten die ganze Ar­

beit vor'und die Väter würden dann finden, daß ihnen eine lange und weitläufige Arbeit sei erspart worden!" Und im Vatikan flüsterte man sich ganz leise zu, daß groß­ artige Pläne im Werke seien, welche die Welt umwandeln

und, durch Erhöhung Pius IX., die Feinde der Kirche

würden zu Schanden machen.

Wie es auf dem Concil zugeht.

12

(12)

Agitation in der Kirche. Während man so zu Rom im tiefsten Geheimniß die Waffen schmiedete, womit angeblich der moderne Zeitgeist

bekämpft und besiegt werden sollte, setzte eine Verkettung sonderbarer Ereignisse alle Ordnungen der Kirche in un­

ruhige Bewegung.

Es würde zu weit führen, wollten wir

das vollständige Bild dieser Ereignisse hier entwerfen, die eine unsichtbare Hand nach unbekannten Absichten herbei­ zuführen und sich überstürzen zu lassen schien.

Wir wol­

len uns damit begnügen, drei oder vier Thatsachen anzu­ führen, die uns als Beispiele und Belege des Gesagten

dienen mögen. 1. Angriffe gegen Bossuet.

Wenn es in der Geschichte einen reinen Namen gibt,

einen Namen, der für die Kirche Frankreichs ein Ruhm und eine Ehre ist, so ist es der Boffuet's, dessen Genie noch nach 200 Jahren das festeste Bollwerk des Glaubens ge­

liefert hat.

Noch ist es nicht lange her, als man ihn

würdig geachtet hätte, gleicher Ehren theichaftig

zu sein

mit einem Gregorius, einem Hieronymus, einem Augu­ stinus, und ohne Verwunderung hätte es die katholische

Welt wahrgenommen, wenn die wunderherrlichen Apolo­

gien des Letzten der allgemein anerkannten großen Kirchen­ lehrer auf dem Tisch

des

Concil's

gleich

unter dem

Evangelienbuch figurirt hätten.

Seit wenigen Monaten ist aber Bossuet nicht mehr

ein Muster der Bischöfe, ein erhabener Ausleger der Ge­

heimnisse des Glaubens, ein unermüdlicher Kämpe der katholischen Einheit: seine großen Dienste, seine Tugenden,

Wie es auf dem Concil zugeht.

(13)

13

das ihm von zwanzig Päpsten, die sich auf dem apostoli­

schen Stuhle zu Rom gefolgt sind, gespendete ausdrucks­

volle Lob, Alles ist vergessen.

Es ist wie eine Verschwör­

ung von leidenschaftlichen Angriffen, von Verläumdungen und Schmähworten, die

gegen ihn losgelassen werden.

Die Einen versuchen zu beweisen, daß die Versammlung von 1682 nur durch die niedrigste und entehrendste Ge­

sinnung ist eingegeben worden, und klagen Bossuet an,

die Uebe'rfluthuug der Revolution vorbereitet

zu haben;

Andere glauben zu entdecken, daß seine Lehre nicht ganz

zuverläßig sei und daß sie in mehr, als einem Punkte nach

der Irrlehre schmecke, ja, ein Priester (!) soll eine Schmäh­ schrift zu schreiben unternommen haben, um das (so reine)

Privatleben des heiligen Bischofs zu schwärzen.

Und es

sind französische Federn, welche so gesucht haben, einen der Männer uns zu rauben, einen Ruhm uns zu trüben, dessen Glanz mit am Meisten dazu beigetragen hat,

der

Kirche und dem Clerus Frankreichs das Ansehen zu ver­

schaffen, dessen sie früher genossen!

Gern möchten wir nichts weiter hierüber sagen, aber zwei sich hierauf beziehende Dokumente können unmöglich mit Stillschweigen übergangen werden, da sie unglücklicher

Weise zum Beweise dienen,

daß diese Loslassung einer

wilden und verächtlichen Meute nicht zufällig gewesen sein dürfte.

Mögen sie hier ohne Commentar wieder vor Au­

gen gestellt werden.

Das erste derselben ist ein Brief des

Bischofs von Versailles an Herrn Maume, Domherrn zu

Meaux, und sehr wenig unpartheiischen Verfasser einer vie de Bossuet:

Wie es auf dem Concil zugeht.

14

(14)

Bischofshof von Versailles 3. Nov. 1869. Herr Canonikus!

Es gibt zwei Kategorien von Berühmtheiten, solche, welche die Zeit befestigt und heiligt und solche, welche sie alterirt.

Nach 14 Jahrhunderten steht der hl. Augustinus

noch aufrecht in seinem Ruhme, und nach 6 Jahrhunder­ ten der hl. Thomas von Aquin noch in dem seinigen.

Die Statue, welche ihnen zu Ehren in allen katholischen Herzen aufgerichtet worden

ist,

sie ist dauerhafter als

Granit und Erz: sie ist unzugänglich der Unbild der Zei­ ten und wird es allezeit bleiben.

nicht sagen?

Warum sollte ich es

Die dem Adler von Meaux errichtete Sta­

tue ist nicht von gleichem Guß und nicht von gleicher

Widerstandskraft.

Ohne Zweifel ist sie imposant und

dauerhaft, unsterblich sogar, wenn man so will, in so weit sie auf der Wissenschaft und

der Beredsamkeit beruht;

aber sie hat verloren und sie verliert jeden Tag mehr von ihrem Glanz und von ihrer Solidi­

tät,

in so ferne sie eine Lehre ausdrückt; und

zwar in Folge einer Kritik, welche streng scheinen könnte, in der That aber nur gerecht ist.

Vor sieben Jahren

ermunterte ich den Verfasser eines Buches, welches Auf­

sehen gemacht hat, und ich sagte ihm: „Ist der Ruf eines Papstes, wie Clemens VII. nicht weit werthvoller in den Augen der Katholiken, als derjenige irgend eines Schrift­

stellers, und hieße er auch Fleury oder Bossuet?"

Jetzt habe ich Sie zu beglückwünschen, Herr Canonikus, daß Sie gesucht haben über den großen Lehrmeister

des Gallicanismus die Wahrheit zu entdecken; Sie haben

15

Wie es auf dem Concil zugeht.

(15)

sich dieser Forschung mit Gewissenhaftigkeit unterzogen;

Sie sind dabei geleitet worden durch

die Fackel der

wahren Theologie, welches die römische Theo­

logie ist; Sie haben Ihre Gedanken mit Geradheit und Viele Vorurtheile wird

nicht ohne Muth ausgesprochen.

die Lesung Ihres Buches zerstreuen.

Wenn es schwer ist,

gewisse traditionelle Lobsprüche, die auch Sie wiederholen, mit den Vorwürfen in Einklang zu bringen, welche Ihnen die Evidenz entreißt und

die aus einem glaubensvollen

Herzen strömen, so wird man darin Ihre Unpartheilich-

keit erkennen und wird sich ermuthigt finden, noch weiter zu gehen: früh oder spät wird man zu einer voll­

ständigen, klaren Einsicht über den Mann, von

welchem die Rede ist, gelangen.') Ich grüße Sie mit inniger Zuneigung.

Petrus, Bischof von Versailles. ") Nun das zweite Dokument ist noch charakteristischer. Es ist ein Breve des Papstes, Abb« Belet.

addressirt an den Herrn

Man liest im Univers vom 7. Dezember

1869:

1) Der Erzbischof von Westminster,

Manning,

und der Erz­

bischof von Mecheln, Deschamps, haben dieselbe Thesis gegen

Bossuet'ö Ansehen und Andenken in neuen, mit dem Namen

von Hirtenbriefen geschmückten Manifesten behauptet.

Der

Bischof von Orleans, Dupanloup, hat ihnen geantwortet,

und ist darin durch deutsche und amerikanische Bischöfe ehren­ voll unterstützt worden.

2) Univers vom 12. Nov. 1869.

16

Wie es auf dem Concil zugeht.

(16)

Herr Abbe Seiet hat uns kürzlich die Uebersetzung

des gelehrten, in Deutschland durch den Pater Weninger, von der Gesellschaft Jesu unter dem Titel: Ist PiusIX.

unfehlbar? veröffentlichten Werkes geschenkt, und hat

derselben eine sehr merkwürdige Studie beigegeben, welche den Titel führt: Der Gallikanismus widerlegt durch Bossuet, mit Hülfe der aus seinen Werken geschöpften Texte.

Der Verfasser hat sein Werk dem heiligen Vater zu Füßen gelegt, und von demselben ein Breve erhalten,

wir hiemit veröffentlichen und

welches

dessen Wichtigkeit gerade

unter den gegenwärtigen Umständen gewiß Niemand ver­

kennen wird.

Theurer Sohn, Heil und apostolischen Segen! Wir haben mit sehr großer Genugthuung,

theurer

Sohn, das Buch des Paters Weninger gelesen, welches du in die französische Sprache übersetzt hast, auf daß es sich

immer weiter verbreite,

zur Aufklärung der Gläubigen.

Insbesondere aber haben wir uns gefreut über den aufmerk­

samen und fleißigen Scharfsinn,

mit welchem vermittelst

in den verschiedenen Werken Bossuets gesammelter Ge­ danken, die du mit Gelehrsamkeit an einander gereiht und so wohl geordnet vorgeführt hast, es dir gelungen ist, den

Bischof, welcher die ursprüngliche Lehre der Kirche vor­ trug und seine eigene Meinung frei an den Tag legte, entgegen zu stellen dem Bischof welcher,

im Conflikt mit

sich selbst, sich bemühte der bürgerlichen Staatsgewalt zu

schmeicheln und ihr zu Diensten zu sein.

Wir danken dir

also, daß du uns dieses Buch entgegen gebracht hast, und Wir hegen das gerechte Vertrauen, daß es entgegenstehende

(17)

17

Wie es auf dem Concil zugeht.

Vorurtheile bei Mehreren zerstören wird.

Jedenfalls ist

dieses der Erfolg, den Wir deiner Arbeit wünschen. Und mittlerweile geben Wir dir, als Vorbedeutung der göttlichen Gunst und als Unterpfand Unseres väter­

lichen Wohlwollens, von ganzem Herzen Unseren aposto­

lischen Segen. Gegeben zu Rom bei St. Petrus den 17. November 1869, im 24. Jahre Unseres Pontifikates.

Pius IX., Papst." 2. Verfahren des römischen Hofes Bischöfen von maaßvoller Gesinnung gegenüber.

Es war nicht genug, daß man sich bemühte das An­

denken des großen Theologen der letzten Jahrhunderte

unserer alten Kirche zu schmähen

und anzuschwärzen:

es schien auch zweckmäßig seine Schule, zu verläumden

und die Lebenden in Mißkredit zu setzen.

Unter dem

französischen Episkopat befindet sich eine namhafte Zahl von Prälaten, welche nach dem Beispiele der glorreichen Be­

kenner des Glaubens, ihrer Vorgänger von 1791, Ver­ folgungen zu bestehen wissen würden, wenn es sich darum handelte, die wirklichen göttlichen Vorrechte zu vertheidigen, die dem heiligen Stuhl verliehen worden,

die aber mit

dieser religiösen Ergebenheit für den apostolischen Stuhl

ein tiefes Gefühl ihrer Würde vereinigen ’).

Neuere Er-

’) Im Jahre 1791 haben von 135 französischen Bischöfen nur

4 sich dazu verleiten laffen, den Eid auf die sogenannte Civil-Constitution der Geistlichkeit zu leisten: Wie es auf dem Concil zugeht.

(Stimmen aus der kath. Kirche. 2.)

die anderen ha-

2

18

(18)

Wie cs auf dem Concil zugeht.

eignisse haben gemacht,

die schrecklichen Schwierigkeiten offenbar

denen

diejenigen

Prälaten

ausgesetzt

sind,

welche ihre Unabhängigkeit bewahren und schützen wollen.

Die Veröffentlichung des mehr als auffallenden Briefes des Papstes an den Erzbischof von Paris,

welche mit

einem so merkwürdigen ä propos gerade vor der Beruf­

ung des

Concils stattgefunden hat, in dem Augenblicke,

wo die französische Regierung für

den

ausgezeichneten

Prälaten den Cardinalshut in Anspruch nahm'),

zeigt

b en sämmtlich eine leidens- und entbehrungsvolle Verbannung vorgezogen, und

mehrere derselben haben

mit dem Opfer

ihres zeitlichen Lebens ihre unerschütterliche Treue für den

hl. Stuhl bezahlen müssen. (Theiner, Concord. Th. I. p. 9 ) Diese Bischöfe waren aber sämmtlich aus der Schule Bossuets, und sie waren durch den König ernannt worden l

Die eng­

lischen Bischöfe dagegen zur Zeit Heinrich VIII. und die deutschen Bischöfe zur Zeit des

großen protestantischen Ab­

falls haben die größte Feigheit und Charakterlosigkeit bis auf

wenige rühmliche Ausnahmen bewiesen: sie waren aber dafür bekannt, daß sie gewohnt waren,

allen Zumuthungen des

römischen Stuhles unbedingt Folge zu leisten.

Der Bischof

von Orleans, Dupanloup, hat soeben in seinem Schreiben an den Bischof Manning, würfe,

in welchem er ungerechte Vor­

die derselbe der Kirche Frankreichs macht, widerlegt,

diesen Unterschied in dem Verhalten der Bischöfe der genann­

ten Nationalkirchen in ähnlichen Lagen und den Zusammen­ hang ,

der sich hier zwischen Lehre und Uebung

offenbart,

energisch hervorgehoben. ') Man wird begreifen, daß wir aus Anstandsgefühl nicht mehr darüber sagen.

Wenn aber einst die verschiedenen Ereignisse

Wie es auf dem Concil zugeht.

(19)

19

uns in einem ganz neuen Lichte die (maaßlosen) Ansprüche

des heiligen Stuhles und die schrankenlose und unbedingte

und Jncidenzpunkte dieser Episode, welche constatirt worden und dem ganzen EleruS von Paris bekannt sind, Geschichte an

das Licht

durch die

deS Tages gezogen sein werden, so

werden sie dazu dienen, ein trauriges Licht auf die Praktiken der römischen Kanzlei zu werfen.

erstemal,

daß

deren Gebühren

Es ist übrigens nicht das

eine VerfahrungSweise zeigt

gleich dem der schlechtesten Diplomatie. Vor einigen Jahren wurde Herr X.. .,

reichs,

Pfarrer in einer großen Stadt Frank­

aus den Bischofsstuhl von .... ernannt.

Präconisation erlitt Verzögerungen in Rom, vorwarf, kurz zuvor,

genossen,

Seine

wo man ihm

ebenso wie die meisten seiner Amts­

sein Bedauern an den Tag gelegt zu haben,

die römische Liturgie ausgenöthigt zu sehen.

sich

Inzwischen ge­

langte ein Brief in die Hände der Regierung,

welcher das

Datum und den Poststempel der Stadt trug, wo HerrX... sein Amt ausübte.

Der neu ernannte Bischof zeigte in die­

sem Briese, der seine Hand und seine Unterschrift vorzüglich

nachahmte, der Regierung in sehr paffenden Ausdrücken an, daß er in der Verzögerung, welche seine Bestallung erleide, eine Warnung Gottes zu sehen glaube, und daß er dem zu­ folge seine Entlassung nehme;

er fügte hinzu,

daß er mit

derselben Post Seine Heiligkeit den Papst von seinem Entschluffe in Kenntniß setze.

Der Brief wurde so ernsthaft aus­

genommen, daß eine offizielle Antwort der Regierung darauf

erfolgte.

Dadurch erst kam die Fälschung an den Tag. Die

kirchliche Behörde wurde sofort unterrichtet, um sie vor dem

Betrug zu warnen. mehrere Wochen später

Dessen ungeachtet erhielt Herr X...

ein päpstliches Breve,

seine Entlassung angenommen wurde;

in welchem

gleichzeitig erhielt er

2*

Wie es auf dem Concil zugeht.

20

(20)

Folgeleistung, welche er von dem Episcopat zu verlangen

sich jetzt nicht mehr scheut. ’) Alle Vorwände

übrigens sind gut,

wenn es sich

darum handelt den Widerstand zu brechen und die Per­

sönlichkeiten zu zermalmen, welche dem Vatikan unbequem

sind:

bieten sich der römischen

Die Gelegenheiten dazu

Curie gar häufig dar.

Bald ist es ein Capitel, dessen

Empörung gegen den Bischof man unterstützt, einen Brief von

einer

bald ein

gestellten Persönlichkeit,

sehr hoch

welche bei Uebersendung des Breves, ihn auf das Wärmste wegen seiner demüthigen und folgsamen Gesinnung beglück­

wünschte.

Dieses Mal übertraf denn doch das Verfahren

alles Maaß. digkeit,

Der neuernannte Bischof fühlte die Nothwen­ um seine Priesterehre

sein Recht sich zu wahren,

nicht preiszugeben; obwohl beständig umlagert widerstand er muthig allen Drohungen, den Verheißungen und Einflüster­

ungen aller Art.

Entlastung

Und da man, um die zu^Rom gewünschte

aufrecht

zu

erhalten,

sich

auf

Regeln

des

eanonischen Rechtes berief, denen zufolge man auf eine durch

den Papst entschiedene Sache nicht mehr können,

soll zurückkommen

so drohte die Regierung mit der Veröffentlichung

dieser schmählichen

Thatsachen ....

Einige Tage später

war Herr X. . . präconisirt. *) Jedermann kennt

heute

bitteren Vorwürfen

dieses

kaum

Anführung ungenauer oder Darlegung von Grundsätzen,

als die und die

welche die formelle Läugnung

Nichtbeachtung

Freiheiten unserer Kirche,

des Episcopates sind.

welches neben

entstellter Thatsachen,

der Fundamental-Regeln unseres

Uebertretung und

Dokument,

etwas Anderes enthält,

öffentlichen Rechtes,

die

der Verfassung und der

die vollständige Nichtigerklärung

21

Wie es auf dem Concil zugeht.

(21)

Priester der nach Rom appellirt; oder es sind neue Con-

gregationen, die man in der Diöcese gegen den Willen des Bischofes einführt und thatsächlich seiner Autorität

entzieht;

oder es ist die römische Liturgie und es sind

die Bücher der ultramontanen Lehre, die man ihm auf­ legt; oder es sind Provinzial-Synoden, deren Acten man in Rom umgestaltet und den Prälaten alsdann zumuthet,

sie als ihr Werk zu veröffentlichen; oder es ist die Spalt­

ung und Zwistigkeit, die man mit großer Schlauheit unter

verschiedenen Prälaten zu nähren und zu unterhalten ver­ steht; oder es sind die allerleichtsinnigsten und ungegrün­

detsten Denuntiationen (Angebereien)

welchen man willi­

ges Gehör leiht; oder es ist eine eifersüchtige, mißtraui­ sche Ueberwachung, deren Fallstricken man stets aus dem

Wege gehen und deren immer regen Verdacht man stets

zufrieden stellen muß.') . . .

Erwägt man wohl, was

ein solches Regierungssystem für einen Einfluß selbst auf die tüchtigsten Charaktere ausüben muß?

heillosen Einfluß

Von diesem

geben die zur Veröffentlichung gelan­

genden Dokumente und Thatsachen nur eine ganz schwache Idee.

Unter dem Einfluß eines solchen Regimentes bie­

gen sich auch die kräftigsten Ueberzeugungen nach vergeb­ lichen Versuchen

wohlberechtigten

Widerstandes,

und

ziehen sich gleichsam wie in die Tiefen ihres Gewissens

") Alle einzelnen Theile des sich hieraus ergebenden Gemäldes

entsprechen zuverlässigen und authentische» Thatsachen, welche die Geschichte

der Kirche Frankreichs während dieser letzten

Jahre darbietet.

22

Wie es auf dem Concil zugeht.

(22)

zurück, so daß dann bald nichts mehr den Anschein der

allgemeinen Zustimmung stört. 3. Lage, welche den ergebensten geistlichen Schriftstellern

bereitet worden ist.

Die am wenigsten verdächtigen Kämpfer für den hei­ ligen Stuhl wurden keineswegs

besser behandelt, wenn

ihre Ueberzeugung ihnen nicht erlaubte mit diesem Curialismus gleichen Schritt zu halten, oder wenn, nach der Anschauung der

Curie,

mehr gewachsen war.

ihr Eifer den Umständen nicht

Um nur ein Beispiel davon an­

zuführen, so sah sich ein gelehrter und würdiger Ordens­

welcher eine Studie über das Concil

priester zu Paris, veröffentlicht

hatte,

worin die Rechte und

die eigene

Gewalt der Bischöfe neben den Rechten und der Gewalt

des Papstes anerkannt waren, ungeachtet seiner großen Ver­ dienste auf das ernsteste durch leidenschaftlichste Angebe­

reien in seiner Ruhe bedroht, und er vermochte für dieses angebliche Verbrechen nur dadurch Vergessen und somit Ruhe zu erlangen,

daß er sich den Auftrag aufbürden

ließ, die These des Bischofs Maret aufs Eifrigste zu be­

kämpfen. 4. Die Civilta preist das sogenannte Gelübde zu Ehren

der päpstlichen Untrüglichkeit. Wir haben so eben gesehen, wie man Bossuet und alle

unsere großen Bischöfe behandelte, und wie man selbst die

ergebensten Freunde maaßregelte, die der römischen Curie

zu lau erschienen.

Jetzt wollen wir sehen, wie man sich

Wie es aus dem Concil zugeht.

(23)

an die Unmündigen wendet.

23

In der großen vorhandenen

Aufgabe ist eine Mitwirkung vorgesehen für den einfachen

Priester, dessen ganzes Leben in Anspruch genommen wird durch die bescheidenste Ausübung der priesterlichen Ver­ richtungen, für die Ordensschwester, für die Familienmut­ ter, für das Kind, für alle Unmündigen, die nicht zum

vollen Alter der geistigen Entwicklung gelangt sind, die

mit der wahren Demuth sich so herrlich paart, deren Er­

kenntniß nicht tief genug, deren Fassungskraft nicht stark genug ist, die aber allerdings einen inbrünstigen Glauben

und einen frommen, guten Willen haben, können.

Um den Herbst des Jahres 1867 schlug die Civilta cattolica, das officiöse Organ des Vatikans, der Andacht

der Gläubigen ein neues Mittel vor,

um dem heiligen

Stuhl zu Hülfe zu kommen und eine Fülle von Segnungen zu gewinnen, ohne sein Leben in Gefahr zu setzen oder auch nur einen geller zu opfern; es genügte dazu, daß

man Gott das förmliche Gelübde darbrachte, die

Lehre

von der Untrüglichkeit des Papstes zu

halten und zu bekennen usque ad effusionem san­

guinis, bis zurVergießung seines Blutes.

Durch

die Fassung dieses Gelübdes verpflichtete man sich allen

Einfluß, den nur irgendwie die Autorität und die Zu­ neigung zu geben im Stande sind, dazu zu verwenden,

um den Glauben an die Untrüglichkeit des Papstes an­

nehmen zu lassen und um demselben möglichst zur Ober­ herrschaft zu verhelfen; man sollte sich verpflichten, die

Bücher zu verbreiten, die sie behaupten, mit allen zu Ge­

bote stehenden Mitteln diejenigen zu unterstützen, die sie

24

Wie es auf dem Concil zugeht.

(24)

verfechten und deren Gegner auf das kräftigste zu bekäm­

pfen, sintemalen diese letzteren lediglich vom Geist der Em­ pörung beseelt seien.

Rücksichtlich bcr Organisation dieser

Liga meinte die Civilta, man solle es dem heiligen Geist überlassen ^darüber zu entscheiden; jedoch schien es ihr am

vortheilhaftesten, das Geheimniß dabei walten zu las­ sen.

Der aus der Civilta gezogene Artikel wurde in einer

Unzahl von Exemplaren auf kleinen, mit frommen Sinn­ bildern geschmückten und mit dem päpstlichen Imprimatur

versehenen Blättchen gedruckt, und durch die Vermittlung der (modernen) religiösen Genossenschaften und der Bru­ derschaften wurde

Frankreich buchstäblich

damit über­

schwemmt. Diese Propaganda mußte Erfolg haben:

Der Reiz,

der darin lag, durch eine geheimnißvolle Verbindung zur Vertheidigung des Glaubens und zum Triumphe Pius IX.

beitragen zu können, die große Leichtigkeit der Leistung, die durch den Papst gespendeten Ermuthigungen, Alles

in dieser Vorstellung mußte die Einfältigen einnehmen,

und ohne Zweifel haben wir hier die Lösung des Räthsels

der so geräuschvollen Unterschriften, welche seit 5 Mona­ ten die Spalten des Univers ausfüllen.

Gewiß gehören

sie zu dieser Liga, jene armen Landpfarrer und Hü lfsp ri est er, jene Pfarrhaus köch innen, jeneSemin ar-Zöglinge, jene gutenFrauen, die sich bei die­

sem bizarren Unternehmen betheiligen; gewiß sind sie ent­ zückt in Ermanglung eines Besseren über das bequeme

Mittel, welches ihnen geboten wird, ihr Gelübde zu er­ füllen und sie thun es, indem sie mit begeisterten Zurufen

Wie es aus dem Concil zugeht.

(25)

25

-en Papst-König, den unfehlbaren Papst begrüßen

und tüchtig auf Bossuet, auf den Bischof Maret, auf den Bischof von Orleans und auf die (sogenannten) gemäßig­ ten (oder liberalen) Katholiken schimpfen.

Was die Geld­

sammlung anbelangt, so ,hat sie kaum 180,000 Fr. erge­

ben, womit der Papst höchstens einige Tage lang die­ jenigen Conciliums-Väter ernähren kann, die ihm zur Last

liegen.

Aber was thut's! Die ultramontane Presse rächt

sich nach Herzenslust an ihren gefährlichen Gegnern, (denen sie sonst nicht im Entferntesten gewachsen ist), die Unter­

zeichner wähnen, dem heiligen Geist zu gehorchen und rechnen dafür auf viele Segnungen des Himmels'); endlich sucht man im Voraus diejenigen zu verblüffen, welche die Definition des neuen Dogma's zunächst als

unzweckmäßig und unzeitgemäß beseitigen oder verhindern möchten, indem man ihnen die unwiderstehliche und allge­ meine Strömung der öffentlichen Meinung des gläubigen Volkes zu Gunsten der päpstlichen Untrüglichkeit vor Augen

führt . . . Vox populi, vox Dei! ’) ') Siehe das Univers, vom 15. October 1869 an.

Eine ge­

wisse Zahl der dort angegebenen Motto's sind würdig neben

dem Unsinn

und

allen Sottisen so mancher

oder republicanischen

Geldsammlnngen zu

Voltairischen

figuriren.

Der

Bischof von Orleans hat in seinem Erlaß an Herrn Veuil«

lot die

Excesse diese»

Treibens

in

geistreicher Weise ge­

zeichnet.

*) Die ultramontane Presse

ermangelt

nicht dieses sonderbare

Argument zu gebrauchen, welches der Erzbischof von Mecheln,

Deschamps, in seinem ersten Bries gegen den Pater Gratry

sich angeeignet hatte (UniverS vom 3. Februar 187l>). Jeder-

26

(26)

Wie cs auf dem Concil zugeht.

An gewissen Orten beeilte man sich, das Verzeichniß der Gläubigen, welche das Gelübde zu Ehren der Päpst­

lichen Untrüglichkeit geleistet hatten, nach Rom zu senden,

und der Papst antwortete jedesmal durch ein schmeichel­ haftes, mit Glückwünschen angefülltes Breve.

Eines der­

selben, welches an den Kapitels-Vicar und an die Prie­ ster der Diözese Adria (Venetien) gerichtet ist, wurde durch

Eifer derjenigen,

die es em­

pfangen hatten der Oeffentlichkeit übergeben.

Wir liefern

den vielleicht indiskreten

es hier ohne Commentar, und haben wohl nicht nöthig einen Vergleich anzustellen oder den Ernst der Fragen hervor­ zuheben, zu welchen dasselbe die Veranlassung giebt.

Theuere Söhne, Heil und apostolischer Segen! Von ganzem Herzen haben Wir die glänzenden Zeug­

nisse der Ehrfurcht, der Folgsamkeit und des Glaubens gegen Uns und diesen apostolischen Stuhl entgegengenom­ men, die Ihr Uns kund gegeben, um damit die Beleidig­

ungen zu widerlegen,

die gegen Uns und den heiligen

Stuhl man sich zu Schulden kommen läßt,

und um die

Ehre desselben zu vertheidigen '). mann weiß,

daß

die Gegner der päpstlichen

Untrüglichkeit

die materielle Frage selbst nur. im äußersten Fall diskutiren

wollten,

um den Papst nicht zu betrüben und um

den Gläubigen kein Aergerniß zu geben.

Solange es mög­

lich gewesen, haben sie gesucht, die Frage als eine nicht zeit­

gemäße und nicht zweckmäßige zu beseitigen.

Diese Bemerk­

ung macht es überflüssig, das in Rede stehende Manöver zu

qualificiren.

1) Es ist bemerkenswerth, daß dieses Breve geschrieben und er­ lassen worden ist zu einer Zeit, wo über die Lehre von der

27

Wie es auf dem Concil zugeht.

(27)

Aus diesen Zeugnissen, die Ihr fromm habt drucken lassen, und die Ihr Sorge getragen habt,

den 25. No­

vember vorigen Jahres an Uns gelangen zu lassen, haben

Wir zu unserem großen Troste gesehen, daß Ihr euch eine Freude daraus macht, euere Geister und eueren Willen durch

die Bande der Liebe und der Ehrfurcht gegen Uns und den Stuhl Petri, mit diesem Centrum der katholischen Ein­

heit und Wahrheit, auf das innigste zu verbinden.

Wir

haben den schönen Entschluß daraus vernommen, kraft

dessen Ihr bekennet, euch verpflichtet zu halten, Unsere höchste Autorität und die des

heiligen Stuhles so wie

alle unsere Rechte zu vertheidigen.

Theuere Söhne,

Wir haben nicht umhin gekonnt,

Uns innig zu freuen über euere große Frömmig­ keit, euere Religion und euerenGlauben, welche

vollkommen

würdig katholischer Seelen und

des priesterlichen Eifers, jedes Lob und jede

Empfehlung verdienten.

Daher beten wir inbrünstig

zu Gott, dem Urheber alles Guten,

er möge mit seiner

himmlischen Gnade alle Kräfte euerer Seele erfüllen, auf daß Ihr von einem Tage zum anderen immer mehr zu­

nehmen möget im Glanze der Tugenden und so mit im­ mer größerem Erfolge Euch dessen befleißigen möget, was

zum Ruhme Gottes und zum Heile der Seelen gereicht.

Wir vertrauen also, theuere Söhne, daß in Mitten der päpstlichen Untrüglichkeit hatte,

sich noch

gar kein Streit erhoben

wo dieselbe noch gar nicht zur Besprechung gekom­

men war.

28

Wie es auf dem Concil zugeht.

(28)

großen Sorgen Unseres apostolischen Pontificats die Hülfe

euerer Gebete Uns niemals bei Gott entbrechen wird; und erfüllt von dieser

Hoffnung geben Wir euch liebevoll,

theuere Söhne, Euch und allen Gläubigen, Geistlichen und

Laien, die zu euerem Kirchsprengel gehören, den apostoli­ schen Segen als Unterpfand aller himmlischen Gaben und

als Zeugniß des väterlichen Wohlwollens, welches Wir

gegen Euch hegen. Gegeben zu Rom bei St. Petrus den 11. Februar 1869.

Unseres Pontificates im 23. Pius IX. Papst.

II. Tie Frage der Untrüglichkeit wird offen gestellt (1869). Ein als Manifest dienender Artikel der Civiltä cattolica (6. Februar.) Alles was wir bis jetzt gesehen, ist älter als das

Jahr 1869.

Bis dahin hatte es nur einzelne Symp­

tome gegeben; jetzt aber glaubte

man ohne Zweifel zu

Rom, daß das Terrain genügend vorbereitet sei.

Ein be­

rühmt gewordener Artikel erschien in der Civiltä cattolica vom 6. Februar 1869, welcher den Schleier zerriß, indem

er die Absichten des Vaticans bestätigte und das Pro­ gramm des Concils vorzeichnete.

Der Artikel war be­

titelt: Corrcspondenz aus Frankreich, und bestand aus sechs Paragraphen: 1) Haltung der französischen Re­

gierung ; 2) Gesinnungen des französischen Episkopats; 3) Hoffnungen und Befürchtungen der Gläubigen; 4) Feind­

seligkeit der Akatholiken; 5) Meinung der Presse; 6) Wünsche

bezüglich der Lehrentscheidungen des Concils.

(29)

Wie es auf dem Concil zugeht.

29

Nachdem zum Anfang die französischen Minister ob ihres Vertrauens auf die liberalen Gesinnungen der Geist­

lichkeit verspottet wurden, und nachdem die ungeheuere Mehrheit des Episkopats als den ultramon­

tanen Ideen ganz ergeben, und nur aus Furcht vor der Regierung als in einer isolirten und

stillschweigenden Erwartung verharrend geschildert worden, insinuirte er, daß der Kaiser, am Vorabend

der

Wahlen, in Mitten der politischen Verlegenheiten, in Ge­ genwart der abscheulichen Fortschritte des Liberalismus,

durchaus keine andere Wahl habe, als mit dem Papst ein enges Bündniß zu schließen, und, nach dem Beispiele eines

Constantin und eines Theodosius, sich als Schutzherrn des

Concils zu erklären.

Darauf hieß es: „Man muß als et­

was bezeichnendes bemerken, daß fast alle Katholiken die

Ueberzeugung theilen, daß das künftige Concil sehr kurz sein werde, und daß es in dieser Beziehung dem

von Chalcedon ähnlich sein werde.

Diese Meinung ist nicht

allein in den bekannten Schwierigkeiten begründet, welche heutigen Tages einer längeren Dauerdieser Versammlung sich

entgegenstellen würden; sie ergiebt sich insbesondere aus dem

Gedanken, daß die Bischöfe der ganzen Welt in den haupt­ sächlichsten Fragen übereinstimmend sein werden, solcher­

gestalt, daß die Minderheit, wie beredt sie auch sein könnte, nicht vermögend sein wird, lange

durch ihren Widerstand aufzuhalten.

Endlich

würde man nicht ohne das höchste Erstaunen Meinungs­

und Wortstreitigkeiten

im

Schooße

Concils sich verlängern sehen."

des bevorstehenden

Und weiter unten heißt

30

Wie cs auf beni Concil zugcht-

(30)

es: „Was den dogmatischen Theil anbelangt, so dürften die Katholiken wünschen, daß das künftige all­

gemeine Concil die Lehren des Syllabus ver­

künde, indem es zum Beispiel unter Anwendung be­ jahender Redeweise und mit den nöthigen Ausführungen

die Sätze ausspricht, welche dort in verneinender Form dargelegt sind. Die Katholiken würden mit Freude die Er­

klärung des künftigen Concils über diedogmatische Untrüglichkeit des Papstes entgegen nehmen. Diese Erklärung würde das Ergebniß haben, mittelbar die

berüchtigte (sie!) Declaration von 1682 zu vernichten, ohne

daß eine besondere Erörterung nöthig wäre über die un­ glücklichen (sic!) vier Artikel, die so lange Zeit die

Seele des Gallicanismus gewesen sind.

Auch findet wohl

Niemand es befremdlich, daß, in Folge eines Gefühls er­ habener Zurückhaltung, Pius IX. nicht selbst die Initia­

tive zu einem Lehrsätze geben will, der mittelbar auf ihn selbst sich zurück zu beziehen scheint.

Aber man hofft,

baß die einmüthige Kundgebung des heiligen

Geistes, durch den Mund der Väter des allge­ meinen Concils, dieseUntrüglichkeit durchZu-

ruf

zum Glaubenssatz

erheben wird.

Endlich

spricht eine große Anzahl von Katholiken den Wunsch aus,

das bevorstehende Concil möge, so zu sagen, den Kreis

der von der Kirche der unbefleckten Jungfrau gewidmeten Huldigungen abschließen, indem esdasDogma ihrer glorreichen Himmelfahrt verkündigt.

Der Wiederhall dieser Erklärungen übertraf die Hoff­

nungen derer,

die sie eingegeben hatten. — Alle Kund-

(31)

31

Wie es auf dem Concil zugeht.

gedungen der Civilta verdienen ernstlich erwogen zu wer­

den.

Allgemein bekannt ist die ansehnliche Rolle, welche

das genannte Blatt und die Jesuiten-Gruppe, deren Or­ gan es ist, in dem Mechanismus des Römischen Kirchen­

regiments spielen. ') Der Jesuit Piccirillo, Chef-Redacteur

des Blattes, hat freien Zutritt zum Vatican und arbeitet jede Woche mit dem Papst, ja, sein Einfluß ist so groß,

daß er den Pater Beckx, den General der Jesuiten, ein wenig in den Schatten stellt, den Papa nero,

in Rom

ungeachtet man denselben

den

schwarzen

Papst,

nennt.2) Der Artikel, ans dem wir eine der Hauptstellen citirt haben und dessen von hoher Stelle herrührende In­

spiration man niemals zu verhehlen gesucht hat, erlangte

sofort die Bedeutung eines Manifestes.

Die ultramonta­

nen Zeitschriften und Tageblätter gaben ihn mit allen den

Ehrenbezeugungen wieder, welche sonst nur den officiellen

Actenstücken zustehen. kurzen,

Das Univers machte mittelst einer

an die Spitze seiner Nummer vom 13. Februar

1869 gestellten Notiz seine Leser dreimal aufmerksam auf

') Die Civiltä cattolica ist durch ein Breve nach dem Muster

einer

römischen Congregation

organisirt

worden.

Es ist

eine förmliche Anstalt: ihr Zweck ist den Grundsätzen der modernen Civilisation die Grundsätze der (angeblich) katholischen

Civilisation entgegen zu stellen.

Grundsätze der Civilta sind diejenigen

Die

einer reinen (s. g.)

Theocratie; das ist die politische Idee der Jesuiten. *) Man versichert, der Pater Piccirillo sei gewiß den Cardinals-

Hut zu bekommen, wenn die Untrüglichkeit des Papstes proklamirt werden sollte.

Wie es auf dem Concil zugeht.

32

(32)

die ganz ausnahmsweise inhaltschwere Bedeutung dieses

Dokuments. Es war nicht mehr möglich daran zu zweifeln.

Die

Römische Curie faßte offenbar auf eine ganz besondere Weise die Berathungen des künftigen Concils auf, entwarf sich von denselben ein ganz eigenthümliches Bild.

Sie

fragte wenig nach den mehrhundertjährigen Satzungen und Ueberlieferungen der Kirche und nach der Art und Weise, wie früher bei dogmatischen Definitionen verfahren worden,

wenig nach dem Mangel jeglichen Beweises für die leib­ liche Aufnahme der allerseligsten Jungfrau in die ewige Herrlichkeit,') einem Mangel, der es unmöglich gemacht hatte, die Andacht des gläubigen Volkes,

Vorstellung nur zusagen kann,

welcher diese

durch eine feierliche Be­

kräftigung kirchlich zu autorisiren, wenig nach den Schwie­

rigkeiten jeder Art, die sich der Erklärung der Untrüglichkeit des Papstes

entgegenstellten.

Die mühseligen

Forschungen, die Analyse der Texte, die Zusammenstellung,

Prüfung und Vergleichung der Ansichten und Meinungen

aller Kirchenlehrer, die sachverständigen und gelehrten Er-

') BenedictuS XIV. (De festig, 1. II, c. VHI, Nr. 18) und der hl. Albertus der Große (Op. XX, 89) bekennen,

daß

die Aufnahme Mariä in ben Himmel in dem Sinne,

daß

sie bereit« in verklärtem Leibe der ewigen Herrlichkeit

theilhaftig geworden,

nur eine

fromme Meinung ist,

daß es aber unmöglich ist, dieselbe für einen Glauben s-

s a tz auszugeben, weil die hl. Schrift und die Ueberlieferung

der ersten 600 Jahre der K irche keinerlei Beweise dafür an die Hand geben.

Wie es auf dem Concil zugeht.

(33)

33

örterungen, welche die Kirche niemals versäumt, deren sie sich allemal befleißigt hat,

Alles das ward für die Zu­

kunft für unnütz erklärt.

Man betrat also eine ganz

neue Bahn.

Nicht mehr begnügt man sich mit dem Bei­

stand des hl. Geistes, welcher allein durch das Evange­ lium verheißen worden, und durch welchen uns weder die

Arbeit, noch das Ringen nach Erkenntniß und Weisheit

erlassen worden ist; man rechnet vielmehr aus eine über­

natürliche Offenbarung des göttlichen Hauches, welche die Frage zugleich abschneiden und ent­ scheiden wird, ohne daß es einer Prüfung und Erörterung bedürfen wird,

welche alle Her­

zen unwiderstehlich fortreißen und aus dem

Munde der Concilsväter die Proklamirung der päpstlichen Untrüglichkeit durch einmüthigen Zuruf vernehmen lassen wird.

So fand

sich denn die katholische Kirche auf einmal in den Jlluminismus verschlagen — in den Wahn der unmittelbaren Erleuchtung. Wir haben schon gesagt, daß der fragliche Arttkel am

6. Februar 1869 erschienen war. keine Stimme zur

Damals hatte sich noch

Bekämpfung der päpstlichen Untrüg­

lichkeit vernehmen lassen.

Wir kommen hierauf an dieser

Stelle zurück, weil dieß ein Umstand von äußerster Wich-

ttgkeit in dem gegenwärtigen Kampfe ist.

Die Heißsporne

des Curialismus behaupten nämlich heute,

daß die von

ihnen verlangte Definitton zeitgemäß und nothwendig ge­

worden sei in Folge des Fehlers derjenigen, Wie ti auf dem Concil zugcht.

(Stimmen aus der kath. Kirche. 3)

3

die nicht

34

Wie cs auf dem Concil zugeht.

(34)

Anstand genommen hätten, diese Frage vor der öffentlichen

Meinung herauf zu beschwören und den Kampf gegen diejenigen aufzunehmen, welche für die päpstliche Untrüglichkeit einstehen.

Die Thatsachen strafen diese Behauptung Lüge:

die

erste Aeußerung der maaßvollen Katholiken in Deutsch­ land hat kaum stattgefunden vor dem Monat Juni 1869; das Buch des Bischofs Maret, welches in Frankreich den

Widerstand gegen die an uns herangetretene Zumuthung

gleichsam eröffnet hat,

ist erst gegen Ende des Monats

September erschienen;

und längst hatten schon da

die Infallibilisten den Feldzug eröffnet und ihre Lehre in offiziellen Dokumenten vorgetragen und entwickelt.

Hirtenbriefe der Bischöfe dieser Richtung bei Gele­ genheit der Fastenzeit und der goldenen Hoch­

zeit Pius IX. Die Partei hatte ihren Plan übrigens ganz geschickt entworfen.

Kurze Zeit nach dem Erscheinen des Artikels

der Civilta hatten zwei Prälaten, gewandte und leiden­ schaftliche Schriftsteller und Beide direkt durch den Papst

ernannt,')

der Erzbischof von Westminster, Manning,

J) In dem heutigen Belgien den Papst ernannt,

werden die Bischöfe

ohne die geringste

alle durch

Mitwirkung

der Geistlichkeit, noch der Regierung des Landes; die Bischöfe dort sämmtlich curialistisch gesinnt.

eine unumgänglich nothwendige Bedingung,

weder

auch sind

Es ist dort

um zu irgend

riner höheren geistlichen Stellung zu gelangen, daß man im äußersten Maaße curialistisch gesinnt zu sein an den Tag

Wie es auf dem Concil zugeht.

(35)

und der Erzbischof

Erlassen,

welche

von

Mecheln,

35

Deschamps'),

Abhandlungen

förmliche

über

in

den

Gegenstand waren, erklärt, die Sache der päpstlichen Unltrüglichkeit sei bereits entschieden und die Definition derselben stehe mit Sicherheit bevor.

Sie hatten sich

Glück gewünscht wegen des neuen Zuwachses an Ruhm

und Ehre,

der sich für Pius IX. daraus ergeben wird.

Die würdigen Erzbischöfe ermangelten nicht in ihre dog­ matischen Behauptungen unvermeidliche Beschuldigungen

gegen die Kirche Frankreichs und deren Lehrer einzumi-

lege.

In England

stehen die Kirchen noch unter der Ver­

waltung der römischen Propaganda. 1) Der Cardinalshut ist Leiden Prälaten versprochen.

Cardinalat haben

motionen zum

seit

Die Pro­

Jahren mit solcher

Sparsamkeit stattgefunden, daß die römische Curie im Au­ genblick 18 Cardinalshüte zu vergeben hat.

der Erzbischof Deschamps,

Mittlerweile ist

durch ganz besondere Begünstig­

ung, zum Primas von Belgien ernannt worden,

was ihm

eine Ehrenstelle im Concil, zur Seite der Patriarchen, ver­ schafft

(Univers

vom 22. Januar.)

Breve vom 26. Juni 1869 glückwünscht.

Nach einem in

Schon hatte ihn ein

wegen seines Vorgehens be­

der religiösen Welt sehr ver­

breiteten Gerüchte hätte der Erzbischof Manning den Auf­ trag angenommen, gleich in der ersten Sitzung des Conciles

den Papst bittend anzugehen und zu beschwören, die Behaup­ tung seiner

eigenen Untrüglichkeit vor sich gehen zu lassen:

die Concilsväter würden alsdann durch ihre zustimmenden

Zurufe

geantwortet haben.

Dieser ursprüngliche.Plan ist

durch die energische Haltung der nicht curialistisch gesinnten Bischöfe vereitelt worden.

36

(36)

Wie es auf dem Concil zugeht.

scheu, Beschuldigungen,

welche allezeit etwas von dem

Charakter der Schmähung an sich tragen.

dieselbe Zeit') veröffentlichte

der Bischof

Ungefähr um von Nimes,

immer in der Form eines amtlichen Aktenstückes und einer bischöflichen Darlegung der Kirchenlehre, digen Band, unter dem Titel:

einen vollstän­

„Geschichte der Con­

cilien", in welchem aber die Partei die unwiderleglichsten Thatsachen entstellt.

Dieser Prälat, Plantier ist sein Name, fand Mittel

Wege seine

und

schon erwähnten würdigen Mitbrüder

noch zu überbieten, und legte das Gewicht der ganzen,

von seiner Würde unzertrennlichen Autorität in die Wag­ schale der Acclamation.

Das Verfahren, welches die

CiviltL nur in hypothetischer Form vorzuschlagen gewagt

hatte,

erklärte dieser Prälat für ein regelmäßiges Ver­

fahren, für einen normalen und gesetzlichen Akt.

Wir könnten noch andere Prälaten anführen:') es

sind dieselben,

die wir später zu Rom an der Spitze der

Bewegung wiederfinden

und welche die ersten gewesen

sind, das Postulatum zu unterzeichnen, welches die De­ finition der päpstlichen Untrüglichkeit verlangt.

aber genügen zu bemerken,

daß das

Es wird

gegebene Beispiel

Nachfolge gefunden hat. ') Das Univers kündigte in derselben Nummer, Artikel der CiviltL

wiedergab,

welche den

den Druck des erwähnten

Werkes des Bischofs-Plantier an.

z) Z. B. die Bischöfe von Laval, von Straßburg, von Rodez, von Montauban, von Carcassonne, von Tülle rc., um nur die französischen hier zu erwähnen.

(37)

37

Wie es auf dem Concil zugeht.

An Gelegenheiten dazu fehlte es nicht.

Zuerst die

Fastenzeit und die für diese Zeit gewöhnlichen bischöflichen Ansprachen und Erlasse (gewöhnlich als Hirtenbriefe bezeichnet);

ferner, durch ein Zusammentreffen, welches

nicht unberücksichtigt geblieben sein dürfte,

als man das

Datum der Eröffnung des Concil's festgestellt, der fünf­ zigste Jahrestag der dem jetzigen Papst ertheilten Prie­ sterweihe, — was man in der mystischen Sprache die

goldene

Hochzeit Pius IX. nennt, — welchem die

Infallibilisten sich bemüht haben,

dießmal einen in der

katholischen Welt unerhörten Glanz zu geben.

Außer­

ordentliche Segnungen wurden den frommen Gläubigen gewährt, Feierlichkeiten überall begangen,

und Sammlungen organisirt, gesetzt;

Unterschriften

Adressen in Circulation

der Enthusiasmus war allgemein und erreichte

den höchsten Grad.

Wie hätte in diesen festlichen Tagen

ein Bischof sich des Redens enthalten können?

vilta,

unterstützt durch das Univers,

Die Ci-

lieferte nach und

nach Auszüge aus diesen Ansprachen, durch welche man Dank geschickter Zusammenstellung dahin gelangte, unwan­

delbar eins und dasselbe sagen zu lassen; damit flößte man den ergebenen Anhängern Vertrauen ein,

während man

zugleich die Lauen dadurch anfeuerte.

Später werden es die Abschiedsreden sein, welche den Bischof bei seiner Abreise zum Concil begrüßen. Auch da

zeigen

die Anhänger

gewandt und vorbereitet.

der

„guten Sache"

sich

Ist man des Bischofs nicht

sicher, so wird er in Verlegenheit gesetzt, man lähmt sein

Wirken durch ultramontane Behauptungen, welche sofort

Wie es auf dem Concil zugeht.

38

durch die Presse veröffentlicht werden,')

(38) oder man ver­

traut ihm eine Adresse seines Clerus an den heiligen

Vater an,

von der Ulan so vorsichtig gewesen ist, ein

Duplikat direkt nach Rom zu senden; einige Prälaten, sagt man, hätten sich auf diese Art förmliche Versprech­

ungen entreißen lassen, welche ihre Stimmen als unfreie, weil im Voraus gebundene erkennen lassen. ’)

Haltung Pius IX. Gleichzeitig expedirte das Sekretariat der lateinischen

Briefe zu Rom, mit der Unterschrift Pius IX. versehene

glückwünschende Breves an alle Schriftsteller, welche ein 1)

Man wird leicht begreifen, warum wir mit keinem Namen

die obige

Erzählung in

ihren

einzelnen Theilen belegen.

Die Thatsachen sind leider! nur zu reell. davon überzeugen können,

Man wird sich

wenn man folgende Nummern

des Univers nachsieht: Vom 6., 8., 12., 19., 30., 31. Ok­

tober, 8., 9., 16., 21., 22., 23., 27. Nov., 16., 20. Dez. 1869; 1. Januar und 17. Februar 1870. *)

Diese befremdlichen Vorgänge, die man sich begnügt, hier einfach zu verzeichnen,

ohne deßhalb die Verantwortlichkeit

für dieselben wem es auch sei, zuzuweisen,

sind eine förm­

liche Umwälzung der Verfassung der Kirche. radezu

das

mandat imperatif,

das

Sie sind ge­

gebietend e d. h.

die Abstimmung vorschreibende Mandat, mit dem

erschwerenden Umstande,

daß der Bischof weder der Dele-

girte, noch,der (bloße) Repräsentant seines Kirchspreugels, son­

dern (zugleich) Lehrer jure diviuo ist, und daß er seine Autorität,

sein Recht zu lehren und zu regieren,

nicht durch das Ver­

trauen seines Kirchsprengels, sondern durch Gott selbst, kraft seiner Eonsecration, erhalten hat.

39

Wie es auf dem Concil zugeht.

(39)

Werk zur Verherrlichung des römischen Stuhles veröf­

fentlichten'), und an jeden Clerus, welcher Adressen an den

Papst sandte oder sich an der Liga betheiligte, welche die

päpstliche Untrüglichkeit zu verfechten sich verpflichtet hatte.')

Im Anfänge des Jahres 1869 wurden dergleichen Aufmunterungen wiederholt an die Zeitschriften und Ta­

geblätter dieser Richtung in Frankreich, Belgien, Oester­ reich,

kurz überall gesandt, wo die öffentliche Meinung

einigen Einfluß zu üben vermochte. Jedes dieser Documente wurde dann durch die Presse

der Partei verbreitet und dem Verttauen der Gläubigen als die höchste Bestätigung und Weihe der maaßlosesten Behauptungen vorgehalten.

Die Zahl dieser Breves hat

während der zwei letzten Jahre eine ganz ungewöhnliche Ziffer erreicht3): sie wurden mit sehr geringer Vorsicht ver­

schwendet,

so daß einige derselben in ganz unwürdige

Hände gerathen sind?) Dann waren es Allocutionen (Au’)

Siche namentlich das Univers vom 8. und 19. Oktober, vom 11. und 20. Dezember 1869.

’) Man wird sich erinnern, daß der Papst, so oft ihm Listen der Jnfallibilitäts-Liga zugesandt wurden, mit einem dank­

sagenden Breve fiir die Mitglieder derselben antwortete. ’)

Eine gewisse Zahl derselben ist

Concils »ertheilt worden.

noch

seit Eröffnung des

(Siehe Kapitel V.)

4) Der Bischof wurde niemals um Rath gefragt. — Ein Priester

von sehr wenig verdienstlicher Führung hatte ebenfalls solch ein päpstliches Ausmunterungsfchreiben erhalten, weil er ein kleine» Blatt redigirte, welches durch maaßlosen curialistischen

Eifer sich bemerklich machte.

Da»

Breve

wurde

jedoch

(40)

Wie es auf dem Concil zugcht.

40

sprachen), auch Privat-Conversationen des Papstes, welche gesammelt

und von triumphirenden Anmerkungen und

einem wahren Jubelgeschrei begleitet wurden, so oft sie einen Derjenigen trafen oder zu treffen schienen, welche die Partei im Verdacht hatte, für das neue Dogma nicht begeistert genug zu sein.

Ungeachtet die Civilta,

wie wir gesehen,

erklärt

hatte, daß der Papst in dieser Angelegenheit die Initiative nicht ergreifen würde, so wurde also doch Pius IX. dazu

fortgerissen, ’) persönlich einzutreten, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß er später angeklagt werden könnte, den

Entscheidungen des Concils

vorgegriffen und auf

das

Gewissen der Bischöfe einen Druck dadurch ausgeübt zu

haben, daß er die Lehre von der päpstlichen Untrüglichkeit

von dem Terrain der reinen Theologie hinweggerückt, um

daraus eine Frage zu machen, die nach Zeit und Um­ ständen beantwortet wird, eine Frage der Dankbarkeit

und der kindlichen Ergebenheit und Enffagung einem ver­ ehrten Papste gegenüber. im Stillen wieder

eingezogen,

Papst den Beweis

der Unsittlichkeit des betreffenden Geist--

als

das

Ordinariat denr

lichen geliefert hatte. J) Wie sehr Pius IX.

überzeugt hält,

sich

von seiner

eigenen Untrüglichkeit

ergibt sich übrigens auf das deutlichste aus

allen seinen Breves, sonstigen Briefen, Bullen, Allocutionen

und

Encycliken.

gerichtete

Breve,

Das

an den

welches

wir

Kapitels-Bicar von Adria

mitgetheilt haben,

(Seite

16—17) ist ein sprechendes Beispiel davon. Man wird ferner Beweise dieser Thatsache im Kapitel V entwickelt finden.

41

Wie es aus dem Concil zugeht.

(41)

Die Lage war wirklich sehr ernst.

In einigen Mo­

naten sollte schon das Concil eröffnet werden, und noch

erhob sich keine Stimme in der Kirche,

solches Verfahren Protest einzulegen.

um gegen ein

Es war dem Für­

sten Hohenlohe nicht gelungen, die europäischen Kabinette

von der Nothwendigkeit zu überzeugen, einen Widerstands-

Plan sich zu eigen zu machen, wie er einen solchen vorge­ schlagen, um sich gegen die beunruhigenden Tendenzen der römischen Curie zu schützen. Das Programm der Civilta

war im Begriff verwirklicht zu werden und die Partei war am Vorabende ihres Triumphes. D er Widerstand erhebt sich in Deutschland und in Frankreich.

Von Deutschland ist der

erste Allarmschrei ausge­

gangen, und zwar in der Form einer Adresse der Coblenzer Katholiken an den Bischof

von Trier.

Herr von

Montalembert in einem beglückwünschenden Briefe, ge­

schrieben

„am Rande des Grabes mit jener Un­

abhängigkeit von den Menschen und von den

Dingen, welche das ausschließliche Privilegium

des Todes ist", konstatirte wie folgt die Wichtigkeit „die­

ses rühmlichen Manifes des Gewissens und der Vernunft der Katholiken": .............. " Es war mir als sähe ich das Leuchten eines Blitzes in Mitten der Finsternisse,

als hörte ich

endlich eine männliche und christliche Stimme mitten unter den Declamationen und entnervenden Schmeicheleien die

uns betäuben"

Und er sagte, nicht ohne Bitter­

keit, im ferneren Verlauf seines Schreibens:

„Erlaubet

Wie es auf dem Concil zugeht.

42

(42)

mir hinzuzufügen, daß ich mich durch den Gedanken ein

wenig gedemüthigt finde, daß Ihr Deutsche des Rhein­

landes es seid, die Ihr diesesmal die Initiative einet Kundgebung gehabt, welche sich so gut an die Anteceden-

tien der französischen Katholiken angeschlossen hätte, wie sie auch den Ueberzeugungen

entsprochen hätte, welche

während der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts

uns die Ehre verschafft haben, die Vertheidigung der re­

ligiösen Freiheit in erster Reihe zu führen oder doch den Kampf für dieselbe zu eröffnen." Frankreich hatte aber noch nicht abgedankt, wie der

berühmte Schriftsteller es wahrzunehmen glaubte: In den Reihen der französischen Geistlichkeit und des französischen

Episkopats sollten sich noch die unerschrockensten Vertheidiger der Freiheit und der Ueberlieferungen der Kirche erheben.

Es gehört nicht zu dem Plan dieser Studie, welche ausschließlich dazu bestimmt ist, die im Vatican gehegten Projecte genauer zu bezeichnen, die Kundgebungen der

nicht curialistisch gesinnten Katholiken wiederzugeben, zu analysiren (oder auch nur vollständig aufzuzählen), welche

seit dem Monat Juni 1869 einander gefolgt sind.

Wir

begnügen uns damit, einige der ältesten und hervorra­ gendsten derselben mit dem Datum ihrer Bekanntwerdung

namhaft zu machen: Adresse der Coblenzer Katholiken an den Bischof von Trier.

Antwort des Bischofs, Juni 1869.')

Adresse der Katholiken an der Bonner Universität, gerichtet an den Erzbischof von Cöln, Juni 1869.')

' u. *) Offizielle Actenstitcke .... Berlin 1869.

Wie es auf dem Concil zugeht.

(43)

43

Brief des Herrn von Montalembert an die Coblenzer Katholiken. August.

Antwort des Comitö's derselben.

Juli und

In der Antwort des Coblenzer Comitv's wird

erklärt, daß eine große Zahl sowohl Priester als Laien, theils öffentlich, theils sonst durch mündliche Erklärung,

sich mit den

in beiden Adressen

vorgetragenen Lehren

vollkommen einverstanden erklärt haben.

Hirtenbrief von

neunzehn zu Fulda

deutschen Bischöfen an

ihrer Kirchsprengel.

versammelten

den Clerus und die Gläubigen

6. September 1869.')

Nicht veröffentlichtes Memorandum detselben Bischöfe an den Papst, in welchem die päpstliche Untrüglichkeit mit

Energie bekämpft und der heilige Vater innigst gebeten wird, die weitschichtigen Projekte aufzugeben, die ihm zugeschrieben werden.

Katholischer Congreß zu Pesth, welchem der Primas

und eilf andere Bischöfe Ungarns beigewohnt; Rede des Priesters Kuthi auf demselben gegen denCurialis-

mus: Entsprechende Resolutionen, die dort gefaßt wor­

den. October 1869”).

Gutachten der theologischen Fa­

kultät zu München als Antwort auf die durch den Für­

sten Hohenlohe gestellten Fragen. August 1869'). Dieses

Gutachten ist besonders deßhalb bemerkenswerth, weil es die tiefe Störung und

Beunruhigung genau bezeichnet,

') Journal des debats vom 22 September 1869; Avenir catholique, p. 455. *) Journal des debats vom 20. Oktober 1869. 3) Avenir catholique p. 457.

44

Wie es auf dem Concil zugeht.

(44)

welche aus der Proklamation der päpstlichen Untrüglich-

keit in den Beziehungen der Kirche zum Staate mit Noth­ wendigkeit sich ergeben würden').

’) Das Gutachten der Minderheit

wich nur unwesentlich von

demjenigen ab, welches als das der theologischen FacultLt zu erachten ist, und welches, nebst einem der größten Namen der zeit­ genössischen Theologie, Döllinger,

auch die der anerkannte­

sten Theologen tragt, die zu der in Rede stehenden FacultLt gehören. — Die Würzburger FacultLt

der Theologie hat

durch ein von beiden Seiten für. sich in Anspruch genom­ menes

wortet.

Gutachten auf die Fragen des Ministeriums geant­ (Beide Seiten dürften

schwerlich das Gutachten

der Würzburger theologischen FacultLt für

sich in Anspruch

nehmen können, sondern lediglich die Infallibilisten dürften in demselben das Bemühen erkennen, die s. g. Dogmatisir-

ung ihrer Lieblingsmeinung als unschädlich tische Leben erscheinen zu lassen.

achten

für das prak­

Wohl aber hat dieses Gut­

durch das, was es über die Veränderungen der Ka­

techismen sagt, eine große theologische Blöße sich

gegeben.

— Von Deutschland wären noch aus dem Jahre 1869 anzu­ führen gewesen: Die Kirche Gottes und die Bischöfe und Dogma und Schulmeinung, München in der

Lentnerschen Buchhandlung; Die Reform der

Römi­

schen Kirche, Leipzig bei Duncker undHumblot, eine ganz vorzügliche Schrift; Die Unfehlbarkeit des Papstes

und die Versuchung Christi und der Kirche von Dr. Michelis; Stud ien und Glossen von Dr. v. Segesser (dem wackeren Schweizer),

Basel, Bahnmaier's

Ver­

lag; — ganz vorzüglich aber die Erwägungen für Bischöfe des Concil's über dieFrage der päpst­ lichen Unfehlbarkeit vom October 1869.



Allen

(45)

45

Wie es auf dem Concil zugeht.

Der Papst und das Concil von Janus: Die­ ses Buch verdankt man der gemeinsamen Arbeit mehrerer hervorragender katholischer Theologen,

nung des Conciles ist dasselbe auf

es hat in

und

Deutschland einen tiefen Eindruck gemacht.

(Seit Eröff­

den Index gesetzt

worden').

In England, die Correspondenz der Doctoren New­ man und Pusey.

In Frankreich, das zweibändige Werk des Bischofs Maret, des gelehrten Dekans

der theologischen Facultät

von Paris, betitelt: Vom allgemeinen Concil und

diesen Schriften waren die Artikel in der Augsburger All­

gemeinen Zeitung

viltL

und Noch

Ci-

über

das Concil

und

die

ein

Wort über

das

Concil

vom März und April 1869 vorangegangen. — Was nun

erst das Jahr 1870 für eine großartige Fülle und Mannig­

faltigkeit von Kundgebungen im

altka t h o l i s ch e n, also

im anti-curialistischen Sinne in der entscheidenden Frage ge­

bracht hat, um welche es sich jetzt handelt, das ist in Deutsch­

land wohl Jedermann mehr oder

minder bekannt. — Aus

dem Jahre 1869 ist als bemerkenswerth

aus Deutschland

auch noch „Das Gutachten der juristischen Facultät in Mün­

chen anzuführen nebst dem Separatvotum des Herrn v. Bayer.

Staatsraths

(Die Red.)

’) Eine französische Übersetzung dieses Werkes (von Janus) ist

in der internationalen Buchhandlung zu Paris erschienen. (Sie soll fast spurlos verschwunden sein, indem sie großen-

theils aufgekauft worden zu sein scheint, um sie dem Publi­

cum aus den Augen zu rücken.

(Die Red.)

Wie es auf dem Concil zugeht.

46

(46)

von dem religiösen Frieden, deren erste Exemplare

am 19. September 1869 ausgegeben worden.

Der Ver­

fasser hat dasselbe an alle französischen Bischöfe vertheilt.

— Dazu gehört die Vertheidigung

dieses

Werkes

durch dessen Verfasser, betitelt: der Papst und die Bi­

schöfe, welche des Verfassers Antworten auf die Angriffe der Bischöfe von Poitiers, von Rodez und von Nimes

wiedergibt. — Der Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris über das bevorstehende

Concil vom 28. Oktober 1869,

welcher, ohne auf die Frage der päpstlichen Untrüglichkeit sich einzulassen,

aber in der durch die zu Fulda versam­

melt gewesenen Bischöfe gewählten vorsichtigen Weise, um

die Katholiken über die Weisheit der bevorstehenden Be­ schlüsse des Concil's zu beruhigen, ein ergreifendes Bild

von den Bedürfnissen des modernen Geistes entwirft'). —

Ein im Correspondant vom 10. October 1869 veröffent­ lichter Aufsatz, dessen Wichtigkeit nicht gering anzuschlagen ist, sowohl in Anbetracht der wissenschaftlichen Tüchtigkeit, als der Großartigkeit des Gedankens,

des Talentes der

Darlegung und der Autorität und des Ansehens der Na­ men die ihn eingegeben

haben. — Drei Schreiben des

Bischofs von Orleans vor seiner Abreise nach Rom. —

') Man könnte die Hirtenbriefe einer nicht unbeträchtlichen An­

zahl anderer Bischöfe hier anführen,

welche

ebenso ausge­

zeichnet stnd durch ihre wiffenschaftliche Tüchtigkeit und durch

ihre Gesinnung: z. B. die der Bischöfe vonChalons ander

Marne, von Grenoble,

Saint Brieux, Perpignan, Bayeux,

Lahors, Rheims, Dijon rc.

Wie es auf dem Concil zugeht.

(47)

47

Das erste derselben ist ein an die Geistlichen und die

Gläubigen seiner Diöcese gerichteter, Abschied nehmender

Hirtenbrief und ist vom 10. November 1869 datirt. —

Das zweite ist allein an die Geistlichkeit seiner Diöcese gerichtet, und betitelt:

Bemerkungen über die hin­

sichtlich einer auf dem bevorstehenden Concil zu erwartenden Dogmatisirung der päpstlichen

Untrüglichkeit erhobene Controverse,

vom 11.

November 1869. — Das Dritte ist gleichfalls an die Prie­ ster der Diöcese Orleans gerichtet, um ihnen seine Er­

innerung

an Herrn Veuillot vom 21. Nov. 1869

mitzutheilen. Es war dieß das Erstemal, daß ein Bischof es wagte,

als Bischof redend, mit seiner Lehr-Autorität offen das Projekt bezüglich der päpstlichen Unfehlbarkeit, wenn auch noch nicht in Betreff der Sache selbst, so doch wenigstens

in Betreff der gänzlich fehlenden Zweckmäßigkeit zurückzu­ weisen.

Es war das Erstemal, daß ein Bischof den Muth

hatte, das Verfahren der ultramontanen oder curialistischen Presse zu enthüllen und zu brandmarken, das Ver­

fahren dieser Presse, welche vor der Thüre des Concil'sSaales den Aufruhr anzettelte.

(„Qui faisait l’emeute ä

la porte du concile“.)

Durch die Dazwischenkunft

dieses neuen Gegners

wurde nun die Polemik, welche seit mehr als einem Mo­

nat der Bischof Maret allein gegen die (heutigen) Bischöfe

von Poitiers, Nimes, Rodez, Laval und Montauban be­

stand, erweitert und wurde sie zugleich heftiger. Man war bereits am Vorabend des angesagten Eon-

(48)

48

Wie es aus dem Concil zugeht.

cils, und viele Prälaten hatten ihre Kirchsprengel schon

verlassen, um sich nach Rom zu begeben.

Der Kampf

wurde während der einzelnen Etappen der Straße') fort­

gesetzt, wie er auch jetzt in Rom selbst noch immer fort­ dauert.

Die Bischöfe von Versailles *), von Westminster ’),

von Mecheln') schrieben um diese Zeit neue Briefe; end’) Französische Bischöfe stellten sich in diesem Kampfe Hebendem Bischöfe Dupanloup von Orleans, während andere ihn auf

das Heftigste angriffen. Papst

geschickt.

Condolenz-Adressen wurden an den

Die s. g. katholische Presse

ungescheut den Zügel schießen und

Exzesse.

ließ sich ganz

beging die maaßlosesten

(Das Univers, die Unith. cattolica, das Tablet, das

Weekly-Register, das Bien Public von

Lüttich.)

In Rom

ward der Bischof von Orleans im Schooße des Conciles ge­ gen die verläumderischen Andeutungen eines italienischen Prä­ laten durch

die ausgezeichnetsten Milglieder

des

deutschen

Episeopats auf das eindringlichste vertheidigt. *) Univers vom 17. Dezember 1869.

Dieser Bischof von Ver­

sailles, welcher ein so großer Anhänger der päpstlichen Un» trüglichkeit ist, gilt zugleich für einen sehr ergebenen Anhän­ ger der französischen

Regierung.

Der oben im Text von

uns namhaft gemachte Brief dieses Bischofs verdient die Er­

wägung der Staatsmänner: derselbe ist nämlich sehr geeignet, ihnen deutlich zu machen,

was die Ergebenheit selbst

der

bestgesinnten ultramontanen Prälaten für einen Werth hat, was sie auf die Regierungen halten, wenn das Interesse der römischen Curie und ihres Systems im Spiel ist.

3) Univers vom 31. Dec.: Der Brief ist vom 20. desselben

Monats datirt. 4) Der Brief ist datirt vom 30. November, wurde jedoch erst am 10. Dezember, zwei Tage also nach Eröffnung des Con-

Wie es auf dem Concil zugeht.

(49) lich

49

legte sich die römische Curie in's Mittel, und ver­

weigerte

die Druckerlaubniß:

fall traf

durch einen fatalen

Zu­

diese Verweigerung jedoch gerade den Bischof

von Orleans in dem Augenblicke, wo er sein Recht aus­ üben wollte: Dem, der ihn angegriffen, zu antworten').

Kapitel HI. Die Freiheiten des Conrit's. Am 8. Dezember 1869, am Tage des Festes Mariä

cil's, durch das Univers

und die ultramontanen Zeitungen

Belgiens veröffentlicht.

’) Die Gazette de France vom 19. Januar, derFran^ais und die France vom 20. Januar melden diesen bedauernswerten

Akt der römischen Curie, indem sie gleichzeitig den Brief ver­

öffentlichen,

in welchem der Bischof von Orleans seinem

Mitbruder von Mecheln die Ursache angibt, zur Zeit nicht antworten konnte.

warum er ihm

Der Erzbischof

cheln hat zwar dem Bischof von Orleans

ung darauf geantwortet, daß man zu Nom gegebene Vorschrift auf ihn angewandt habe.

aber

eingestehen,

von Me­

mit der Bemerk­

eine allgemein Man muß

daß die CiviltK keinen Augenblick

aufgehört hat, mit päpstlicher Druckerlaubniß die päpst­ liche Untrüglichkeit zu behaupten,

Partei allezeit,

nach

und

daß die curialistische

wie vor dem

fraglichen Verbot zu

Rom Pressen gefunden hat, um die verschiedenen Schriftstücke

zu veröffentlichen, die ihr geeignet schienen, dieser

Untrüglichkeit

einzuführen und

sichern. Wie es auf dem Concil zugeht.

(Stimmen aus der kath. Kirche. 4)

ihren

die Lehre von Triumph

zu

Wie es auf dem Concil zugeht.

50

(50)

Empfängniß'), hat Pius IX., umgeben von 770Bischöfen,

feierlich in der Skt. Peterskirche zu Rom das Vaticanische Concil eröffnet2).

I.

Allocotion des Papstes zur Eröffnung des Coneil's. Officielles Programm. In seiner Eröffnungs-Ansprache oder Allokution ver­

kündigte der Papst den Conciliums-Vätern „es würde ihre Aufgabe sein, durch ihre Beschlüsse wieder zu geben: den

Königreichen der Welt den Frieden; den Ungläubigen das

Gesetz; den einzelnen Kirchen die Ordnung; den Geistli­ chen die Zucht und endlich hätten sie das ganze Volk sei­

nem Gott wieder zuzuführen."

Um den etwas unbestimmten Formeln dieses Pro­

gramms mehr Deutlichkeit zu geben, wird es nothwendig sein, einige Stellen der Jndictions-Bulle, welche mit den

3) Pius IX. affectirt es, das Datum dieses Festes für alle wich­ tigen Akte seines Pontifikates zu wählen.

Mit den Lehrern

der curialistischen Schule betrachtet nämlich

Pius IX. den

Akt, durch welchen er, der Papst allein, im Jahr 1854

die Meinung Dog ma

erklärt

von

der unbefleckten

hat,

Empfängniß für ein

als die praktische Sanction

seiner

unbedingten Oberherrlichkeit und seiner Untrüglichkeit. -) Das

Vatikanische Concil soll

meine Concil gelten.

für

das zwanzigste allge­

Es wäre das zwölfte der im Abend-

laude abgehaltenen, das eilfte in Gegenwart

eines

Papstes,

das sechste in Nom, das erste im Vatikan abgehaltene.

Wie es auf dem Concil zugeht.

(51)

51

Worten Aeterni Patris beginnt und welche bis jetzt nebst

der Allocution: Quod votis omnibus das einzige officielle Aktenstück ist, in welchem der Papst in amtlicher Weise

seine Absichten zu erkennen gibt, in Erinnerung zu bringen.

In dieser Bulle erklärt der Papst, gemeines Concil zusammenberuft,

daß er ein all­

um dem so traurigen

Zustande der heiligen und überhaupt der öffentlichen Dinge abzuhelfen, und beschreibt darauf diesen beklagenswerthen

Zustand, wie folgt:

die katholische Kirche, ihre heilsame Lehre,



ihre ehrwürdige Gewalt und die höchste Autorität des

apostolischen Stuhles werden angegriffen und mit Füßen

getreten; die heiligen Dinge werden verachtet; die geist­ lichen Güter werden geraubt; die Bischöfe, die empfehlens­

würdigsten Männer,

und die Personen,

welche des heiligen Amtes walten,

die durch ihre katholische Gesinnung

sich auszeichnen, werden auf alle Art verfolgt; die geist­

lichen Ordensgeineinschaften werden unterdrückt;

gottlose

Bücher jeder Art, gifterfüllte Zeitschriften, eine Menge der verderblichsten Sekten verbreiten

allen Seiten;

sich immer weiter nach

die Würde und Heilighaltung der Ehe

werde verletzt; die Erziehung der unglücklichen Jugend

wird fast überall dem Clerus genommen und Lehrern an­

vertraut,

welche die Gottlosigkeit und den Irrthum ver­

breiten. ..."

Und er fügt hinzu: „Das Concilium, in­

dem es diese Uebertretungen der göttlichen und mensch­ lichen Gesetze, welche die Religion und bie bürgerliche

Gesellschaft auf eine so bedauernswürdige Weise um­ umgewälzt haben,

berichtigen

und

indem es 4*

die

52

Wie es auf dem Concil zugeht.

(52)

Macht der Kircheundihrer Lehrerausbreiten wird,

wird nicht allein das ewige Heil der Menschen befördern, sondern es wird dadurch

auch zu dem zeitlichen

Wohle der Völker beitragen, zu deren wahren

Glücke,

zu der Ordnung und Ruhe, welche in

deren Schooße herrschen sollen, so wie zu den Fortschritten und der Vervollkommnung der

menschlichen Wissenschaften". Mit anderen Worten:

lichen Wissenschaften

....

Das Concil soll den mensch­

eine neue Richtung geben,

es soll

die bürgerliche Gesellschaft und deren Gesetze wieder auf

die rechte Bahn bringen,

es soll über die schwierigsten

Fragen hinsichtlich der Beziehungen der Kirche zum Staate

berathschlagen und über diese Fragen in Abwesenheit der Regierungen durch seine Beschlüsse unumschränkt

entscheiden.

Wir werden bald Gelegenheit haben, gewahr

zu werden,

daß wir

es, so ausgedehnt

dieses Gebiet

schon ist, dennoch hier erst mit einem, und zwar mit dem weniger wichtigen Theile des Programms der Curie zu thun haben; die Thatsachen werden uns bald das wirk­ liche Vorhaben und den Geist offenbaren, der dieselben

eingegeben hat.

Pallavicini erzählt,

daß in dem Concil von Trient

unter anderen auch ein Decret vorgeschlagen wurde über die Besserung (Reformation) der Fürsten (heut zu Tage

würde man sagen, über die Besserung der bürgerlichen

Gesellschaft und des Staatslebens),

daß dieser Entwurf

aber sofort mit Rücksicht darauf beseitigt wurde, daß, im

Interesse der Ordnung und des Friedens, die Kirche sich

, so konn­ ten neue an ihre Stelle treten, wie der Fall des Judas

zeigt.

Jesus aber liebte die Seinen nicht bloß als aus­

erkorene Werkzeuge für das Heil des ganzen Menschenge­

schlechts sondern auch als diese bestimmten einzel­ nen heilsbedürftigen Personen, die in den Prüf­ ungen, in allen Drangsalen bei Ihm ausgeharrt.

Sieht

Er sie also persönlich in Versuchung, so betet Er für sie,

für die Rettung ihrer Personen.

Da Satan die Aposteln

zu worfeln begehrt, ist nicht das Werk Jesu Christi für

das Menschengeschlecht in Gefahr, sondern das Heil Ein­

zelner.

Der Herr betet daher nicht um eine Gabe für

die Gesammtkirche, etwa um die Jrrthumslosigkeit

der Päpste in der Entscheidung über alle den Zwecken

gerade dienlichen scholastischen Spitzfindigkeiten, welche die

409

Ueber päpstliche Unfehlbarkeit.

(85)

Jesuiten ihnen dereinst vorlegen werden, vielmehr betet Er, daß in Petrus, dem der Vater das

fundamentale Wort

für den Bau der Kirche geoffenbart: „Du bist Christus,

der Sohn des lebendigen Gottes", — daß in ihm der Glaube an Seine Gottheit uud messianische Würde nicht

ersterbe, von dem Er voraussah, daß derselbe nach weni­ gen Stunden dreimal leugnen werde, daß er Ihn auch

Jesus betet, daß Petrus, der vor seinen all­

nur kenne.

sehenden Augen aus Todesfurcht dreimal der

Ver­

suchung erlag, nicht völlig zur Spreu werde. ’EKXa’jtui-

heißt in diesem Zusammenhänge „Kraftloswerden",

„Er­

sterben."

Der Glaube, ')

halte die

, hat hier speciell zum In­

Gottheit und Messianität des

Men-

schenfohnes Jesu, ist aber formell die Gesinnung,

die Tugend, an welcher für Petrus die Seligkeit hängt.

Es ist rein unmöglich, daß Jemand,

der ohne Tendenz

und ohne Vorurtheil diese Stelle liest, auf die absonder­

liche Idee verfallen kann, hier bedeute niati; die Gabe oder Fähigkeit, in allen subtilen Lehrstreitigkeiten der Zu­ kunft unfehlbar zu sein.

Abgesehen von dem Zusammen­

hänge, so kommt das Wort niatts nicht einmal in einem analogen Sinne im ganzen neuen Testamente vor.

Unser

theologisch-technischer Ausdruck „Depositum fidei“ hat nur einen objectiven Sinn,

„Depositum

revelationis“.

ist gleichbedeutend mit Und dieser Glaubens­

schatz von übernatürlich geoffenbarten Wahrheiten ist einzig das Eigenthum Jesu Christi und von Ihm der Kirche bloß anvertraut für die Menschheit.

Hätte

Er unter

Ueber päpstliche Unfehlbarkeit.

410

makellosen

TTiarif den

(86)

und unverkürzten Inhalt des

Glaubensschatzes oder der Offenbarungswahrheit verstan­

den, so hätte Er sagen müssen: y niatt; uov, nicht aber t)

nioTis aov.

Der

des Petrus ist,

Glaube,

welcher Eigenthum

kann nur seine gläubige Gesinn­

ung, seine Ueberzeugung und Glaubenstugend sein, -- mern? crov ist ganz subjektiv,

kurz:

ist nur der

Glaube, durch welchen Petrus selig wird. ser Glaube

in Petrus nicht versterbe,

Daß die­

dafür hat Jesus

gebetet. Es

folgt

die

unbeschreiblich

zarte

und

rührende

Wendung:

„Und du hinwiederum nach deiner Bekehr­ ung stärke deine Brüder!"

Das Gebet hat den schließlichen Sieg des

Apostels

durchscheinen lassen, der eigentliche Fall desselben wird nicht ausgesprochen, die Bekehrung, das Wiederaufstehen

allein berührt und eine Pflicht dankbarer Vergeltung ein­ geschärft.

Dem Herrn kann der Apostel es nicht ver­

gelten, was dieser für ihn gethan; nach den Thränen der

Bekehrung muß aber den Petrus, wie sein Gemüth nun

war, das Verlangen dankbarer Erwiederung der Liebe fast

erdrücken: da kommt die herzliche Mahnung des Meisters ihm schon entgegen: Willst Du Mir dankbar Dich erwei­

sen, so „stärke Deine Brüder!" Aber die schonende, tröstende Rede beruhigt den Pe­ trus nicht; weder Schonung noch Tröstung fesselt seine

Aufmerksamkeit: er hört nur die Weissagung seines Fal­ les, die in der Verheißung seiner Bekehrung eingeschlossen

Ueber päpstliche Unfehlbarkeit.

(87)

ist

Einst, als Jesus die Verheißung

411

des Wunders sei­

ner Liebe, der h. Eucharistie, gegeben, und Er den Jün-

gern, die seine beseligende Rede hart gefunden,

gesagt,

seine Worte seien Geist und Leben, jene Jünger aber, weil sie nur Fleisch und Blut verstanden,

Ihn verlassen hat­

ten, und Er darauf zu den Zwölfen sich gewandt mit der

Frage: „Wollt auch Ihr weggehen?"

hatte Petrus ihm

schnell erwiedert: „Herr, zu wem sollten wir gehen? Du

hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt

und erkannt, daß Du bist Christus der Sohn des leben­ digen Gottes."

Und Jesus hatte dann nur auf den Einen

Verräther hingewiesen (Joh. VI, 61—72).

Nun aber steht

Petrus noch erschüttert da von dem Abfall und Verrath des Judas, und der Herr stützt sich

nicht nur nicht auf

seine felsenfeste Gesinnung, sondern spricht so, als sei auch fein Fall, wenigstens sein augenblicklicher, wenn auch nicht

bleibender Fall, gewiß. gerebet, nicht Petrus.

Simon, wird er darum auch an-

Und der für seinen Herrn und Mei­

ster so begeisterte Jünger kann sich nicht fassen; das Be­ wußtsein seines von dem Vater im Himmel ihm geoffen­

barten Bekenntnisses und seiner Liebe erfüllt ihn vielleicht mit allzugroßer Zuversicht, und er spricht:

„Herr, mit Dir bin ich bereit, in den Ker­ ker, ja in den Tod zu gehen." Nun erst, von solcher Zuversicht genöthigt, nennt der

Herr den Fall direkt und nennt ihn beim Namen:

„Ich sage Dir, Petrus: es wird heute der Hahn nicht krähen, und Du hast schon dreimal

geleugnet, daß Du mich kennest!"

Nach Lucas

(88)

Ueber päpstliche Unfehlbarkeit.

412

und Johannes (13, 38) verstummte hier Petrus, und seine weitere Antwort waren die Thränen, Falle sich erhob.

als er vom

Nach dem Berichte der Evangelisten

Matth. (26, 35) und Marcus (14, 31) aber fuhr er fort, zu betheuern, daß er mitzusterben bereit sei, und stimmten

die übrigen Jünger in diese Versicherung auch ihrerseits

ein.

Psychologisch ließe sich beides

erklären.

Für das

Verständniß unserer Stelle ist dieser Unterschied irrelevant.

Wir kehren nun zurück zu den Worten: „Und Du hinwiederum nach Deiner Bekehrung stärke

Deine Brüder." In dem

dargelegten Zusammenhänge

ist es nicht

statthaft das Wort Imtptyaf (conversus), wenn Du

zurückgekehrt sein wirst, oder nachdem Du Dich bekehrt hast (nach Deiner Bekehrung), anders

als von der Um­

kehr zu dem Glaubensbekenntnisse, zu dem Zeugnisse, daß

er Jesum kenne, und daß er glaube, dieser sei Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, zu verstehen. Dem Aus­

drucke künstlich durch die Vermittelung eines Hebraismus oder Gräcismus eine blos adverbiale Bedeutung, nämlich

„hinwiederum," abzugewinnen, kann nur der Tendenzschrift­

steller oder der gelehrte, abstruse Paradoxen - Liebhaber, etwa ein Ewald, sich bemühen.

In der Glaubenstugend, in derTreue gegen den Herrn soll der vom Falle erhobene Petrus seine Brü­ der stärken, befestigen, durch Gebet und herzlichen Zuspruch.

Das ist der Dank, den er seinerseits abzu­

statten hat. Das „hinwiederum," „Du Deinerseits," ist in dem Kai