Die Kirche Armeniens: Eine Volkskirche zwischen Ost und West 9783110836714, 9783771501877


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German Pages 231 [232] Year 1978

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Table of contents :
Vorwort
I. Die Weltausbreitung des Armeniertums
II. Die evangelische deutsche Anteilnahme an der armenischen Kirche
Anmerkungen
KAPITEL 1. Die Geschichte der Armenisch-Apostolisch en Kirche
I. Die Organisationsperiode (301–557)
II. Die Kirche zur Zeit der Bagratiden
III. Das Königreich von Kilikien
IV. Armenien unter totaler Herrschaft des Islams
V. Die Anfangsperiode unter dem Sowjetregime
VI. Der Kampf ums Überleben unter Khoren I
VII. Die Periode der Wiederherstellung unter Georg VI
VIII. Die neue Ära unter Vasken I
Anmerkungen — Literatur
KAPITEL 2. Das Beispiel eines Heiligen: Leben und Werk des HL Nerses Clajensis mit dem Beinamen Schnorhali
1. Eine rhythmisierte Erzählung der armenischen Geschichte
2. Die Dichtung: Jesus der Sohn (Hisous Vorti)
3. Eine rhythmisierte Darlegung des christlichen Glaubens
4. Die Dichtung: „Gläubig bekenne ich“(Havatov Khostovanim)
5. Die Klage über Edessa
6. Die Oratio (Atenabanutiun)
7. Die Enzyklika an das armenische Volk
8. Schnorhalis Briefe
Anmerkungen
KAPITEL 3. Die christologische Position der Armenisch-Apostolischen Kirche
I. Die geschichtliche Basierung der dogmatischen Position
II. Chalcedon
III. Die Mißverständnisse
IV. Eine Dokumentation aus armenischer Theologiegeschichte
V. Mariologische und soteriologische Implikationen in ihrem hymnischen Ausdruck
VI. Die Distanz zum Eutychianismus
VII. Eine Aufreihung der Argumente
VIII. Die Chance eines Ausgleichs non-chalcedonensischer und chalcedonensischer Positionen
Literatur
KAPITEL 4. Die Liturgie der Armenisch-Apostolischen Kirche
I. Die Entwicklung und Struktur der göttlichen Liturgie
II. Die hymnischen Dichtungen
III. Das non-chalcedonensische christologische Credo in den Hymnen
IV. Die eigentümlichen Formen des Ehe- und des Taufsakramentes
V. Der Heiligenkalender und die Ikonenverehrung
Anmerkungen — Literatur
KAPITEL 5. Die kirchliche Baukunst in Armenien
I. Topographische und politisch-geschichtliche Bedingungen
II. Die frühe Kirchbauperiode (bis zum 7. Jahrhundert)
III. Die zweite Architekturblüte und ihre Bauplastik (9.—11. Jahrhundert)
IV. Kilikische Kunst und Chatschkars
V. Restaurationen und Neubauten unter erschwerten politischen Bedingungen oder in der Emigration
Anmerkungen — Literatur
KAPITEL 6
Das Kirchenrecht der Armenisch-Apostolischen Kirche
I. Das Buch des armenischen Kirchenrechts
II. Die Kirchenverfassung Ostarmeniens (Položenije)
III. Die Nationale Kirchenverfassung
IV. Die Rechtslage der Armenischen Kirche heute
1. Das Oberhaupt der Armenischen Kirche
2. Diözesanbischöfe und Prälaten
3. Die Bischofskonferenz
4. Der Oberste Spiritualrat
5. Das Mönchtum
V. Formen der Teilnahme von Laien in kirchlichen Funktionen und deren Zurückdrängung
Anmerkungen
KAPITEL 7. Eine Rechtfertigung der katholisch-unierten armenischen Kirche aus der Geschichte
Anmerkungen
KAPITEL 8. Die lateinische Mission in Großarmenien bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
I. Der Hintergrund der missionarischen Aktivität: Die Zustände im Konstantinopler Partriarchat
II. Die Wirksamkeit der Missionare der Kreuzzugsperiode und der Unitoren
III. Die Auseinandersetzungen an der Wende zum 18. Jahrhundert und die Errichtung des katholischen Katholikats
IV. Latinisierung und Revitalisierung orthodoxer Traditionen im katholischen Patriarchat
Anmerkungen — Literatur
KAPITEL 9. Der Orden der Mechitaristen
I. Mchitar, sein Leben und sein Werk
1. Geburt und Kindheit
2. Das Studium
3. In der Fremde
4. Die Ordensgründung
5. Griechenland und Italien
6. Isola di San Lazzaro
7. Mchitars literarisches und pädagogisches Werk
8. Die Spaltung des Ordens
II. Die Mechitaristen von Venedig
III. Die Mechitaristen von Wien
IV. Die Bedeutung der Mechitaristen für die armenische Renaissance im 18. Jahrhundert
1. Die armenische Kultur
2. Die Voraussetzungen der Renaissance
3. Die Ziele Mchitars
4. Veröffentlichungen
5. Venedig und Byron
6. Die pädagogischen Aktivitäten
7. Zeitschriften
Anmerkungen
KAPITEL 10. Die evangelische armenische Kirche
I. Die Anfänge der Reformbewegung unter Impulsen der Bibelgesellschaften und der amerikanischen Missionare
1. Britische und russische Bibelgesellschaften
2. Die Amerikanische Mission
3. Der erste Missionsansatz
4. Die raumgreifende Reformbewegung 1834—1844
II. Konflikte mit der Apostolisch-Armenischen Kirche
1. Systematische Verfolgungen
2. Die Exkommunikation
3. Der Glaubensrevers des Patriarchen Matteos
III. Eine autonome armenische evangelische Kirche
1. Die erste evangelische Gemeinde in Konstantinopel
2. Heutiger Bestand — eine evangelische armenische Diaspora
Anmerkungen
ANHANG
Die armenischen Autoren
Die kirchlichen Amtsstellen und Institutionen der Armenisch-Apostolischen Kirche
Das Armenisch-Katholische Patriarchat
Die Institutionen der evangelischen armenischen Kirche
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Die Kirche Armeniens: Eine Volkskirche zwischen Ost und West
 9783110836714, 9783771501877

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D I E K I R C H E N D E R WELT · B A N D X V I I I DIE KIRCHE

ARMENIENS

DIE KIRCHEN DER WELT BAND

XVIII

Herausgeber D. HANS H E I N R I C H HARMS D. DR. H A N F R I E D K R O G E R DR. G Ü N T E R WAGNER D. DR. H A N S - H E I N R I C H WOLF

DIE KIRCHE ARMENIENS EINE

VOLKSKIRCHE

ZWISCHEN OST U N D

WEST

Herausgegeben von FRIEDRICH

HEYER

m EVANGELISCHES VERLAGSWERK

STUTTGART

Die ursprünglidi auf Französlsdi, Englisdi, Rumänisdi und Italienisdi gesAriebenen Beiträge wurden von Friedridi Heyer übersetzt, Teilstücke von Nicolae Balea, Vartan Gerges Matfunian und Wolfgang Kraus. Gesamtredaktion und Lektorat: Walter Sdunidt

ISBN 3 7715 0187 3 Erschienen 1978 im Evangelischen Verlagswerk Stuttgart © Alle Rechte, einschließlich dem der Übersetzung, vorbehalten Drudi: J. F. Steinkopf KG, Stuttgart Bindearbeiten: Buchbinderei Riethmüller, Stuttgart

INHALT Hanfried Krüger Vorwort

11

Friedrich Heyer Einführung I. Die Weltausbreitung des Armeniertums II. Die evangelische deutsche Anteilnahme an der armenischen Kirche

13 20

Anmerkungen KAPITEL

27

1

Mesrob Krikorian Die Οαώιώΐε der Armenisò-Apostolisòen

Kiròe

29

I. Die Organisationsperiode (301-557) II. Die Kirche zur Zeit der Bagratiden III. Das Königreich von Kilikien IV. Armenien unter totaler Herrsdiaft des Islams V. Die Anfangsperiode unter dem Sowjetregime . . . . . VI. Der Kampf ums Überleben unter Khoren 1 VII. Die Periode der Wiederherstellung unter Georg VI. . . . VIII. Die neue Ära unter Vasken 1 Anmerkungen — Literatur KAPITEL

30 33 36 38 42 45 47 50 54

2

Vrej Nersessian Das Beispiel eines Heiligen: Leben und Werk des HL Nerses Clajensis mit dem Beinamen Sώnorhali

. . . .

59

1. Eine rhythmisierte Erzählung der armenischen Geschidite 2. Die Diditung: Jesus der Sohn (Hisous Vorti) . . . . 3. Eine rhythmisierte Darlegung des christlidien Glaubens. 4. Die Diditung: „Gläubig bekenne ich" (Havatov Khostovanim) 5. Die Klage über Edessa 6. Die Oratio (Atenabanutiun) 7. Die Enzyklika an das armenische Volk 8. Schnorhalis Briefe

61 61 62

Anmerkungen

62 63 65 66 66 69

KAPITEL 3

Vrej Nersessian Die ώη$^οξί5ώ€

Position der Ατττκηΐίώ-ΑροΛοϋΒώΒπ

Κΐτώε

I. Die gesdiichtlidie Basierung der dogmatisdien Position . . II. Chalcedon III. Die Mißverständnisse IV. Eine Dokumentation aus armenisdier Theologiegesdiidite . V. Mariologisdie und soteriologisdie Implikationen in ihrem hymnisdien Ausdrude VI. Die Distanz zum Eutydiianismus VII. Eine Aufreihung der Argumente VIII. Die Chance eines Ausgleidis non-dialcedonensisdier und dbalcedonensisdier Positionen

71 74 76 79

Literatur

91

81 83 84 86

KAPITEL 4

Zareh Baronian und Mesrob Krikorian Die Liturgie der Armenisώ-Apostolisώen

Kirώe

I. Die Entwidclung und Struktur der göttlidien Liturgie . . II. Die hymnischen Diditungen III. Das non-chalcedonensisdie christologisdie Credo in den Hymnen IV. Die eigentümlidien Formen des Ehe- und des Taufsakramentes V. Der Heiligenkalender und die Ikonenverehrung . . . . Anmerkungen — Literatur

93 98 101 104 108 113

KAPITEL 5

Armen Haghnazarian Die kiròliòe Baukunst in Armenien I. Topographisdie und politisdi-geschichtlidie Bedingungen . II. Die frühe Kirdibauperiode (bis zum 7. Jahrhundert). . . III. Die zweite Ardiitekturblüte und ihre Bauplastik (9.-11. Jahrhundert) IV. Kilikisdie Kunst und Chatsdikars V. Restaurationen und Neubauten unter erschwerten politischen Bedingungen oder in der Emigration . . . . Anmerkungen — Literatur

117 119 122 126 129 135

7 KAPITEL

6

Mesrob Krikorian Das Kiròenreòt

der Armenisò-Apostolisòen

Kiròe

I. Das Budi des armenischen Kirdienredits II. Die Kirdienverfassung Ostarmeniens (Polozenije)

139 .

.

.

III. Die Nationale Kirdienverfassung IV. Die Reditslage der Armenischen Kirche heute 1. Das Oberhaupt der Armenischen Kirche 2. Diözesanbischöfe und Prälaten 3. Die Bischofskonferenz 4. Der Oberste Spiritualrat 5. Das Mönditum

143 147 151 151 151 152 152 153

V. Formen der Teilnahme von Laien in kirchlichen Funktionen und deren Zurückdrängung Anmerkungen

154 157

KAPITEL 7

Nerses Setian Eine ReStfertigung aus der Gesòióte

der katholisώ-иnierten armenisώen

Kiròe

Anmerkungen

159 163

KLAPITEL 8

Vartan Gerges Matfunian Die lateinische Mission in Großarmenien bis 2ur Mitte des 18. Jahrhunderts I. Der Hintergrund der missionarischen Aktivität: Die Zustände im Konstantinopler Partriarchat . . . . II. Die Wirksamkeit der Missionare der Kreuzzugsperiode und der Unitoren

165 167

III. Die Auseinandersetzungen an der Wende zum 18. Jahrhundert und die Erriditung des katholischen Katholikats

168

IV. Latinisierung und Revitalisierung orthodoxer Traditionen im katholischen Patriarchat

170

Anmerkungen — Literatur

173

8 KAPITEL

9

Vartan Gerges Matfunian Der Orden der Meώitaristen I. Mdiitar, sein Leben und sein Werk 1. Geburt und Kindheit 2. Das Studium 3. In der Fremde 4. Die Ordensgründung 5. Griedienland und Italien 6. Isola di San Lazzaro 7. Mdiitars literarisdies und pädagogisdies Werk . . . . 8. Die Spaltung des Ordens II. Die Mediitaristen von Venedig III. Die Mediitaristen von Wien IV. Die Bedeutung der Mediitaristen für die armenisdie Renaissance im 18. Jahrhundert 1. Die armenisdie Kultur 2. Die Voraussetzungen der Renaissance 3. Die Ziele Mdiitars 4. VeröfFentlidiungen 5. Venedig und Byron 6. Die pädagogisdien Aktivitäten 7. Zeitsdiriften Anmerkungen

KAPITEL

175 175 175 176 176 177 178 178 180 181 184 186 186 187 187 188 188 189 190 192

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Daniel Sahagian Die evangelisòe аггг1еп150е Kiròe I. Die Anfänge der Reformbewegung unter Impulsen der Bibelgesellsdiaften und der amerikanisdien Missionare. 1. Britisdie und russisdie Bibelgesellsdiaften 2. Die Amerikanisdie Mission 3. Der erste Missionsansatz 4. Die raumgreifende Reformbewegung 1834—1844 . . .

195 195 197 198 199

II. Konflikte mit der Apostolisdi-Armenisdien Kirdie . . . 1. Systematisdie Verfolgungen 2. Die Exkommunikation 3. Der Glaubensrevers des Patriardien Matteos . . . .

199 200 202 202

9

III. Eine autonome armenische evangelische Kirche . . . . 203 1. Die erste evangelische Gemeinde in Konstantinopel . . 204 2. Heutiger Bestand — eine evangelische armenische Diaspora 205 Anmerkungen 208

ANHANG

211

Die armenisòen Autoren

211

Mesrob K. Krikorian Die kiròliòen Amtsstellen und Institutionen der Armenisò-Apostolisòen Kiròe (Gliederung, Patriarchate, Diözesen, Vikariate, Prälaturen, Klöster, Seminare, Zeitschriften)

215

Nerses Setian Das Armenisώ-Katholisώe Patriarώat (Der Patriarch, Organe, Diözesen, Vikariate, Bistümer, Ordinariate, Missionen, Kollegien und Kongregationen, Seminare) Daniel Sahagian Die Institutionen der evangelisώenarmenisώen Kirώe.

222

.

.

. 231

11

VORWORT Schon zu Beginn unseres Jahrhunderts sdirieb ein so kritisdier Gelehrter wie Friedrich Loofs über die Armenische Kirche, sie sei nidit nur „die ehrwürdigste", sondern auch „die bedeutendste und geistig lebendigste der orientalischen Nationalkirchen". Kaum ein Volk und mit ihm seine Kirche ist seit Jahrhunderten und insbesondere seit der Neuzeit so zwischen den Mühlsteinen der Weltgeschichte buchstäblich zerrieben worden wie die Armenier. Kaum eine Kirche ist auch so den Wechselfällen der Kirchengesdiichte ausgeliefert gewesen wie die Armenische. Daß diese Kirdie immer noch lebt, ja sidi in der ökumenischen Gemeinschaft der Kirchen ihren festen Platz gesichert hat, beweist die Richtigkeit des eingangs zitierten Urteils. Es erschien dem Verlag und den Herausgebern daher angemessen, der Armenisdien Kirche einen eigenen Band in der Reihe „Die Kirchen der Welt" zu widmen. Was Verfolgung erleiden. Bewähren im Glauben und Bewahren kirchlicher Überlieferung heißt — das hat die Armenische Kirche bis zum heutigen Tage beispielhaft vorgelebt. Jahrelangen Bemühungen, die Erstellung dieses Bandes in die Hände eines kompetenten Theologen der Armenischen Kirche zu legen, wie es den Grundsätzen dieser Buchreihe eigentlich entspridit, ist der Erfolg versagt geblieben. Um so dankbarer sind wir, daß ein in der Konfessionskunde so erfahrener Fadimann wie Prof. Friedrich Heyer (Heidelberg) sich der Mühe unterzog, nicht nur geeignete Mitarbeiter aus der Armenischen Kirche zu gewinnen, sondern auch durch seinen persönlichen Einsatz und seine große Gelehrsamkeit dem lange gehegten Plan dieses Buches zur Verwirklichung zu verhelfen. Hanfried Krüger

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EINFÜHRUNG Die Armenier nehmen sich selbst historisch. Jeder der Autoren, ob er Dogmatik, Liturgie, Kunst oder Kirdienredit in diesem Buche darzustellen hatte, ehe er auf die Gegenwartsproblematik einging, lieferte eine Geschichte der Christologie oder der Liturgie oder der Baukunst oder des Kirchenrechts. Darin spiegelt sich, daß die christlichen Armenier ein geschichtliches Volk sind, das sich von seiner Gesdiichte bleibend bestimmen läßt. Um weldie jedes gewöhnlidie Maß sprengende Geschidite handelte es sich doch hier: Staatsgestaltung und Souveränitätsverlust, bäuerliche Einwurzelung im Heimatgrund und global weite Emigration mit kosmopolitischem Bildungshorizont, Armeniermassaker und Erneuerung aus dem unversieglichen Reichtum einer Tradition wechselten brüsk miteinander ab. Verfolgen wir hier in ausgewählten Exempeln die armenische Weltausbreitung.

I. Die Weltausbreitung

des

Armeniertums

Die Emigration aus den angestammten armenischen Gebieten erfolgte in zahlreichen Schüben. Auf Zypern langte die erste armenische Gruppe im Jahr 580 an, als annähernd 10 ООО armenische Soldaten, die zu persischem Kriegsdienst gepreßt waren, dem byzantinischen Kaiser Mauritios bei seinem Sieg über den Perserkönig Chosroes als Gefangene in die Hand fielen, die der Kaiser alsbald auf die Insel verpflanzte. Die erste größere Einwanderungswelle in den rumänisch-bulgarisch besiedelten Gebieten» ist in den Jahren 1062/64 zu verzeichnen. Sie war dadurch ausgelöst, daß sich damals Byzanz die armenischen Gebiete unterwarf und Bevölkerungsteile deportierte. Folge der Schwächung der armenischen Volkskraft war der Mangel an Abwehr gegen die einrückenden Seldschuken. Als der byzantinische Kaiser in der Schlacht bei Mantzikert 1071 den Seldschuken unterlegen und das armenische Gebiet diesen preisgegeben war, setzte eine Wanderbewegung ein, die nicht nur die Neusiedlungen in Kilikien speiste, sondern auch in den Balkanraum führte. Die Einwanderung von 1603 war durch die Aufstandsbewegung in Kleinasien ausgelöst, die Kara Yazidji, gestützt auf Deserteure der in Ungarn stehenden türkischen Armee, mit der Besetzung von Urfa eingeleitet hatte. Aus dieser Zeit berichtet der armeni-

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Friedriò Heyer

sdhe Historiker Gregor von Daranagh, während der Herrschaft Sultan Achmeds sei Kleinasien „von den Gelalen wie mit Schnee bedeckt" worden. „Nirgendwo war mehr Ruhe zu finden. N u r in Konstantinopel und im Lande der Thraker (wie man Rumelien nannte). Deswegen sammelten sich viele Armenier und Türken hier und zerstreuten sich dann nadi Belgrad, der Moldau, ins Land der Goten und Skythen." ' Viele der Neuankömmlinge stammten aus Eudodiia in Kleinasien. Hier hatte die Invasion des Kara Yazidji die Bewohner zur Fludit gezwungen. In den nachfolgenden Jahren erzwangen Hungersnöte die Auswanderung. In Bulgarien sdieint die Symbiose zwischen dem armenischen Volksteil und der bulgarisdien Bevölkerung besonders geglückt. Hier wirken sich die Erfahrungen aus, die das bulgarische Volk während seines Kampfes um die nationale Emanzipation im 19. Jahrhundert mit den in seinen Grenzen siedelnden Armeniern machte. Unvergessen ist das Geschehnis aus dem Russisch-Türkischen Krieg 1877/78, als der Bahnhofsvorsteher von Tatar Pasardsdiik, der Armenier Jovhannes Savadschian, Tausenden von Bulgaren das Leben rettete. Suleiman Pasdia hatte die gesamte Stadtbevölkerung zusammengetrieben. Die Mütter bargen ihre kleinen Kinder in den Straßengräben rechts und links der Landstraße, weil sidi das Gerücht verbreitete, daß die Türken die gesamte Einwohnersdiaft von Pasardschik töten werde. Zwei Tage harrten die Stadtbewohner in Ungewißheit, ob Tod oder Befreiung auf sie warte. Als dann durchs Telefon der Befehl an den türkischen Befehlshaber durchgegeben wurde, die Stadt Pasardschik niederzubrennen und die Leute umzubringen, setzte der Bahnhofsvorsteher, der den Text weiterzuvermitteln hatte, den Inhalt ins Gegenteil um. Alle Bewohner seien freizulassen. Am folgenden Tag rückte die russische Armee unter General Girko in Pasardschik ein.' Als mit der Erridhtung des bulgarischen Exarchats eine erste Stufe bulgarischer Unabhängigkeit erreicht und wenigstens die Kirche vom fremdstämmigen phanariotisdien Episkopat befreit war, richtete sich die Exardiatsverwaltung in einem armenischen Haus Konstantinopels (im Stadtteil Orthaköy) ein. Der Armenier Garabet Essendi Chapschaturian, der bereits Sekretär des armenischen Patriarchats von Konstantinopel war, übernahm in einem Doppelamt auch das Sekretariat des bulgarischen Exarchats. Auch die in Kleinasien siedelnden armenischen Instanzen taten ihr Möglichstes, den dort gefangengesetzten Bulgaren ihr Los zu erleichtern. Als in den Jahren 1861—1870 führende bulgarische Bischöfe und Ardiimandriten von der türkischen Regierung in kleinasiatischen Gefängnis-

Einführung

15

sen gefangengehalten wurden, übernahm der armenisdie Ardiimandrit Kework Rustsdiuknian (1829 in Plovdiv geboren) ihre Verteidigung. Als 2000 bulgarische Soldaten im Balkankrieg in türkisdie Gefangensdiaft geraten und in ein türkisdies Gefangenenlager in Adapasar (Bithynien) eingewiesen waren, bemühte sich der dortige armenische Erzbischof Stepanos Schovadlian, den Kaimakam SüchtiBek zu bestimmen, die bulgarischen Gefangenen den Ostergottesdienst in der armenisdien Stadtkirche besuchen zu lassen. Der Erzbischof ahnte damals nicht, daß er später aus Kleinasien würde wegziehen und sein Leben in Bulgarien beschließen dürfen. Erzbischof Stepanos war am Ende seiner Laufbahn geistliches Oberhaupt der armenischen Geistlidikeit in Sofia. Die in Bulgarien beheimateten Armenier stellten ihre Intelligenz zur Verfügung, als es um den Ausbau eines selbständigen bulgarisdien Verwaltungs- und Kulturlebens ging. Der in Heidelberg und Paris studierte Dadsdiad Belerian machte die armenisdie Schule von Schumen in Nordbulgarien zu einem kulturellen Zentrum. Der in Konstantinopel als Tiermediziner ausgebildete Simeon Kjutschukian trat 1896 an die Spitze der Veterinärabteilung Sofia. Erster Direktor des Zentralpostamtes Sofia war der Armenier Garabet Papasian. Das Mitgefühl, das die Bulgaren mit dem armenisdien Schicksal empfanden, drüdcte der bulgarisdie Lyriker Javorov in seinem Gedidit „Armency" aus: „Tragisdie Flüchtlinge, abgerissene Fetzen, Märtyrer eines immer kräftigen Volkes, fern der Heimat im fremden Winkel versammelt! Sie trinken, aber ihre Herzen sind immer blutig. Sie singen, aber wie mit weinender Stimme." In Einwanderungsgebieten, in denen von der Staatsmadit gestützte Katholisierungstendenzen wirksam waren, paßten sidi die Armenier der vorherrschenden Strömung an, so in Polen. Die armenische Einwanderung in Polen begann zwar bereits im 11. Jahrhundert, als die Dynastie der Bagratiden erlosdi, verstärkte sidi aber im 14. Jahrhundert, als eine Wanderwelle über die Waladiei anlangte, vor allem in Podolien und Galizien. König Kasimir gewährte 1344 der armenischen Kolonie von Kamenec und 1356 der von Lemberg Gerichtsprivilegien und vertraute im Jahr 1367 dem Bischof Gregor den armenischen Bischofssitz von Lemberg an, der aber bereits einen Vorgänger in der galizischen Hauptstadt gehabt haben muß. Man

16

Friedriò Hey er

schätzt die Zahl der Armenier in Lemberg in der damaligen Zeit auf 40 Familien. Doch gab es auch armenische Kaufmannsgruppen in Luck, Zamoâé, Stanislau. Da bis ins 17. Jahrhundert hinein die Armenier wegen ihrer schismatischen Position von Beamtenstellen der Munizipalität ausgeschlossen waren, entstand das Verlangen nach Union analog zum Unionsbegehren der orthodoxen Ukrainer. Das wurde nicht ungern gesehen. Denn die Armenier bildeten ein unersetzbares Stück in den wichtigen Ost-West-Handelsbeziehungen, die in Lemberg ihren Knotenpunkt hatten. In Fortsetzung heimischer Traditionen wurde die Kirchenstruktur der Armenier, deren Zahl sich bald auf Tausende belief, nicht nur durch ihre Bischöfe und Gemeindepriester, sondern auch durch die zugeordnete Laienschaft bestimmt. Senioren waren Führer der Laiensdiaft. Der Historiker der armenisdien Union von Lemberg, Gregorio Petrowicz«, behauptet, daß der Katholikos von Etchmiadzin in dieser Zeit häufig selbst katholisch gesinnt gewesen sei (Stefan V. 1549 und sein Nachfolger Michael 1562). Da die polnischen Armenier vom Katholikos abhingen, sei die Wendung zur römischen Kirche von der christlichen Obrigkeit gedeckt gewesen. Katholikos Melchisedek, der nach Lemberg gekommen war, um Geld zu sammeln, damit er die Schulden begleichen könne, die er in Armenien hatte auf sich nehmen müssen, um die von den Türken auferlegten Steuern zu entrichten, wurde durdi die vorgefundene kirchliche Lage zu weiterem herausgefordert: der letzte armenische Bischof Lembergs Mesrob war gestorben, die Gemeinde ohne erzhirtliche Leitung. Da Melchisedek mit einer neuen Bischofsweihe das Lemberger Armeniertum der römischen Jurisdiktion unterstellen wollte, handelte er vorsichtig. Erst nach 8 Monaten weihte er mit seiner hierarchischen Begleitung geheim seinen Bischofskandidaten Torosowicz. Doch die Senioren, von der armenischen Bevölkerung alarmiert, eilten herbei. Fast hätten sie Nikola Torosowicz den zur Weihe ausgestreckten Händen des Katholikos entrissen. Das entscheidende Motiv für den Protest der Bevölkerung war darin zu sehen, daß sie dem erst 23jährigen Hieromonachen im armenischen Stadtkloster — Sohn eines reichen Händlers — den Vorwurf machten, er habe dem Katholikos für seine Weihe einen Geldbetrag versprochen. Das armenische Volk Lembergs konnte erst ganz für die Union gewonnen werden, als die Propaganda den Pater Galano entsandte, der das armenische Kolleg zur Ausbildung eines geeigneten unierten Priesternachwuchses stiftete. Das armenische Kolleg war des Paters Augapfel. 1664 hatte Galano 400 Scudi von der Propaganda für die Einrichtung

Einführung

17

erhalten. Damit die Summe reiche, beschränkte er die Alumnenzahl zunächst auf sechs. Die offizielle Eröffnung konnte 1665 stattfinden.® Auf Galano sind die Latinismen in der uniert-armenischen Liturgie zurückzuführen, z. B. die Wasserbeimischung im eucharistischen Kelcäi. In Siebenbürgen wurde das Armeniertum im gleichen Zuge, in dem sich die dortige rumänische Orthodoxie unter Habsburgischem Druck der Union anschloß, zum Übergang zur Union genötigt. In den Jahren 1670—1680 waren 10 ООО Armenier aus der Moldau nadi Siebenbürgen eingewandert. Die Niederschlagung der Volksbewegung des Háncul gegen den Moldauer Fürsten Georg Duca und seine rigorose Steuereintreibung, auch die nicht enden wollenden türkisch-polnischen Kriege, für die die Moldau Kriegsschauplatz war, und der dadurch bedingte Niedergang des Handels war dafür die Ursadie. In Siebenbürgen aber war eben durch den Vertrag von Karlowitz die Herrschaft von den Türken auf die Habsburger übergegangen und der lokale Fürst Michael Apaffy I. lud die Armenier zum Kommen ein. Die erste Zuflucht fand man im Szeklerland und bei den Sachsen in Bistriz. Man träumte noch von einer Rückkehr in die Moldau, wo die Vorfahren drei Jahrhunderte gelebt hatten.® Kaiser Leopold I. suchte seine Herrschaft in Siebenbürgen durch Hinführung seiner Untertanen zum Katholizismus zu stärken. Das betraf die nonchalcedonensischen Armenier nicht anders als die orthodoxen Rumänen. In dieser Hinsicht war die Intervention des katholischen armenischen Erzbischofs von Lemberg Vartan Hunanian und des dortigen Vardapets Okzent Vrzarian, der wie die beiden in Siebenbürgen führenden armenischen Bischöfe Minas und Oxendius Verzellescus Moldavus aus der Moldau stammte, von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die kaiserliche Religionspolitik. Bischof Minas wurde nach Lemberg verbracht und dort zur Annahme der Union mit Rom gezwungen. Die römische Kirchenpolitik gedachte, im katholischen Armeniertum Siebenbürgens eine Basis für die Missionierung der Moldauischen Armenier zu finden. Anfang des 18. Jahrhunderts erfolgte die Konzentration der Armenier Siebenbürgens in eigens dafür gegründeten Städten: Gherla, Dumbräveni und, im Umfang kleiner, Gheorgheni und Frumoasa. 1712 wurden die Armenier von Bistriz gewaltsam nach Gherla umgesiedelt. Wenn auch bereits unierte Armenier unter dem Protektorat des reformierten ungarischen Magnaten Apaffy 1690 zum gregorianischen Glauben zurückzukehren suchten, so konnte das doch nicht auf Dauer ge-

18

Friedrid) Heyer

lingen. Seit 1731 waren diejenigen Armenier, die sich nidit der römischen Union anschlossen, mit Landesverweisung bedroht. Die armenisdie Emigration erfolgte audi in Richtung Ost. Mitte des 13. Jahrhunderts traf der Franziskaner Wilhelm von Rubruk armenische Kaufleute im Hoflager der Mongolen in Sarai, der Hauptstadt der Goldenen Horde selbst, begleitet von armenischen Priestern. Ähnliche Kolonien fanden sich damals in Chandalyq/Peking, der kaiserlichen Hauptstadt der mongolisdien Yüan-Dynastie, und an der Küste des chinesischen Meeres Chuanchow/Zaitun, der ciiinesischen Hafenstadt gegenüber der Insel Formosa. Diese armenisdien Kolonien gingen mit der Mongolenherrschaft in China 1368 unter. Es waren nicht nur Handelsinteressen, die die Armenier in den Fernen Osten führten. Der Franziskaner Wilhelm von Rubruk traf im Hoflager des Groß-Chans Qaraqorum südlich des Baikal-Sees einen armenischen Mönch, der mit missionarisdien Absichten aus Palästina eingewandert war, und am Ufer des Issyk-Kul nahe der west-östlichen Handelsstraße bestand ein ganzes Armenierkloster. In der Hauptstadt der Goldenen Horde war ein armenisches Bistum errichtet, und nicht fern von Issyk-Kul wurde eine aus dem 14, Jahrhundert stammende Grabinschrift gefunden, die die Erinnerung an einen armenischen Bischof wachhielt.'' Oft war es die Kontaktpflege mit den nonchalcedonensischen Kirchen, die armenische Mönche in die Feme führte. So lassen sich armenische Mönche im Weißen Kloster Oberägyptens nadiweisen', und die in Äthiopien* ansässige Armenierkolonie ist der Überzeugung, daß das Stefanus-KIoster im Haik-See, von dem aus im Jahre 1270 die salomonidische Dynastie in Äthiopien inthronisiert wurde, weil der Name darauf hinweise, eine armenische Stiftung gewesen sei. Die Zahl der Angehörigen einer armenischen Kolonie in der Fremde konnte anschwellen und abschwellen. Beispiel Amsterdam. Der persische Schah Abba I. hatte 1605 in einem Vorort von Isfahan eine Kolonie von Armeniern angelegt, die er aus Dschulfa hierhin verschleppt hatte: Neu-Dschulfa. In derselben Siedlung aber hatte die East India Company ihren Sitz. Als der persisch-niederländische Handel 1611 in Schwung kam, siedelten Armenier aus Isfahan als Vertreter persischer Handelsinteressen nach Amsterdam über. Ihr Handelsobjekt war Seide und Edelsteine. Doch anfangs des 19. Jahrhunderts war diese Kolonie nahezu ausgestorben. Nur assimilierte Abkömmlinge lebten noch in Amsterdam. Da schwemmte die Rückflut der aus Indonesien vertriebenen holländischen Kaufleute Mitte des 20. Jahrhunderts mit den Niederländern auch die in Indonesien tätigen Armenier nach Amsterdam."

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Nehmen wir das Beispiel Zypern: Die Kolonie der von Byzanz angesiedelten armenisdien Kriegsgefangenen blühte auf, als sidi im geographisdh benachbarten Kilikien das Kleinarmenische Reich begründete. Aus den verschiedensten Anlässen kam armenisdher Nachsdiub aus Kilikien. Als der armenische König Osdiin die Tradition, dem eucharistischen Wein kein Wasser beizumisdien, abschaffen wollte und die Mönche seines Reichs ihm widerstrebten, verlud Oschin 1310 die oppositionellen Möndie auf ein Schiff und exilierte sie nach Zypern. Als die armenische Stadt Najazzo 1322 von einfallenden arabischen Truppen überfallen wurde, begab sich die erschreckte Bevölkerung nachts heimlich auf Galeeren, die König Heinrich II. Lusignan von Zypern zur Hilfe gesdiickt hatte, und flohen damit auf die Insel hinüber. Bei diesem Anlaß wurde auch das armenische Inselepiskopat errichtet. Der Census von 1891 gibt nur nodi die niedrige Zahl von 269 Armeniern auf Zypern an. Doch nach den Massakern in der Türkei und der Expropriierung der Armenier in diesem Staate brachten sich bis 1920/21 nicht weniger als 20 ООО Armenier auf Zypern in Sicherheit. Im Laufe der folgenden zwei Jahre wanderten sie wieder ab, da die Insel, unter englischer Herrschaft unterentwickelt, weniger wirtschaftlidie Möglichkeiten bot als der Libanon und Irak. So schrumpfte die Zahl der Inselarmenier wieder auf 3000. Die USA wurde als Auswanderungsland erst entdeckt, als sie zur mäditigsten Wirtschaftsgröße aufgestiegen war. 1834 hatten einige armenisdbie Studenten amerikanische Universitäten bezogen. 1895/96 fühlten sich die in der Türkei bedrängten Armenier zu Tausenden vom freien Amerika angezogen. Sogleich waren sechs armenische Geistliche zur Stelle, denen die Protestant Episcopal Churò Gotteshäuser zur Verfügung stellte. Bereits 1897 entsandte Katholikos Krimian den Bischof Sarajan zur Etablierung einer armenisdien Diözese. 1927 wurde Kalifornien, 1938 Lateinamerika aus der New Yorker Jurisdiktion herausgelöst. In der second Avenue wurde für 2,5 Millionen Dollar die armenische Kathedrale New Yorks erriditet, in Evanston unter der Leitung von Erzbisdiof Tiran Nersoyan das Theologische Seminar. Die New Yorker Diözese umfaßt 48 Gemeinden. Nicht minder profiliert ist das in Frankreiò ansässige Armeniertum. Marseille gilt mit 60 ООО Armeniern als die größte armenische Stadt außerhalb des Stammlandes. In der Bundesrepublik Deutschland ist mit den über 300 ООО türkischen Gastarbeitern eine nicht geringe Zahl von Krypto-Armeniem eingewandert, die in der freien Atmosphäre der Bundesrepublik erklären: „Wir sind gar keine Türken. Unsere Großeltern lebten noch in einem armenisdien Dorf." Mit diesem Zu-

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Strom ist die armenische Kolonie, die sidi in adit armenisdien Kulturvereinigungen und einem armenischen Kirchenverein, Träger des Gottesdienstlebens, gliedert, auf 5000—7000 angewachsen.

IL Die evangelisóe deutsòe Anteilnahme an der ατηιεηΪ5ώ€η Kiròe Sdion im Reformationsjahrhundert hatten sidi Beziehungen zwischen dem evangelisdien Deutschland und der armenisdien Orthodoxie ergeben. David Chytraeus, der bei seiner Antrittsvorlesung an der Universität Rostock im Oktober 1569 das Interesse an den orientalisdien Kirdien geweckt hatte, verwertete in Neuausgaben seines Textes 1580 und 1583 Informationen seines livländisdien Freundes Oderbornius über das Lemberger Armeniertum. Er lobt an der armenisdien Kirche ihre Unabhängigkeit vom Papsttum, den Gebraudi der Volkssprache in der Liturgie, die doppelte Nießung beim Abendmahl und die Priesterehe. Heiligenkult und Opfercharakter der Messe verfällt freilich seiner Kritik. Stephan Gerlaò, 1574—1578 als Gesandtschaftsprediger in Konstantinopel und als soldier Vermittler des Dialogs der Tübinger Professoren mit dem ökumenischen Patriarchen, besuchte an Himmelfahrt 1576 den armenischen Gottesdienst in der Patriarchenkirche. Er beriditete davon und vom anschließenden Gesprädi mit dem Patriarchen Hovhannes fünf Seiten lang an den Kanzler der Tübinger Universität Jakob Andreae. Von Martin Crusius wurde dieser Bericiit 1585 in „Germanograecia' veröffentlicht. In der nonchalcedonensischen Christologie des armenisdien Patriarchen sah Gerlach eine Bestätigung der lutherisdien Lehre von der Ubiquität Christi, die damals gegenüber den Kryptokalvinisten durchzusetzen war. Die armenische These von der Inkorruptibilität des Leibes Christi geriet mit ins Gespräch, als der Patriarch angab, die Differenz an diesem Punkt sei Grund für den Gegensatz zwischen den Griechen von Konstantinopel und den Armeniern. Gerlach, der es bei diesem einen Besudi beließ, um die Griechen nicht eifersüchtig zu machen, lobte die hohe Verantwortlichkeit der armenisdien Laien für ihre Kirche. Sein Nachfolger im Konstantinopler Amt, Salomon Sώweigger, schildert die Gespräche mit einem armenisdien Mönch, den ihm der Patriarch als Partner zugewiesen hatte, in seiner „Reissbeschreibung . . . nach Constantinopel und Jerusalem" 1608 (Buch II, Kap. 65) ganz burleskenhaft. Heineccius, von dieser Lektüre angeregt, rechtfenigte die

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wahre armenisdie Position und nahm den töriditen Konstantinopler Mönch als Zeichen des Absinkens armenischer Bildung.*! Der gelehrte Hamburger Johann Albert Fabricius, der 1731 in seinem Werk Salutaris lux Evangeln toti orbi per divinatn gratiam exoriens das zu seiner Zeit mögliche Wissen über die Weltchristenheit zusammentrug, hat darin auf elf Seiten, jetzt basierend auf Agathangelos, Moses von Khorene, Schnorhali und byzantinisdien Autoren, aber auch auf „Modernen" wie Thielemann Redenbach (De ritibus Armeniorum), Galano, Baronius, Combéfis, Joadiimus Schroederus (in Amsterdam 1711 edierter Thesaurus linguae Armenicae) und Tillemont, die armenisdie Kirdie dargestellt. Hellsichtig wirft Fabricius bereits die Frage auf, ob die Armenier nicht zu Unrecht einer monophysitischen Häresie verdächtigt werden. Der römisdien Unionswerbung, über die er informiert, spricht er nur geringe Erfolgschancen zu. Eine tiefwirkende Verbindung zwisdien evangelischem Deutschtum und gregorianischem Armeniertum wurde 1820 in der baltischen Universitätsstadt Dorpat geknüpft. Der Dorpater Professor Parrot kam damals in der Absicht, den Berg Ararat zu besteigen, zum Katholikos nach Etschmiadzin, sich einen Führer zu erbitten, mit dem er sidi in russischer Sprache verständigen könne. Ihm wurde der junge Priester Chatschatur Abovian zugeteilt. Auf ihrer Wanderung .entstand zwischen dem deutschen Professor und dem jungen armenisdien Kleriker eine so enge Freundschaft, daß Parrot den Katholikos bat, Chatschatur zum Studium in Dorpat freizugeben. Dort reifte Abovian zum großen Gelehrten und Romancier. Sein erster Roman in ostarmenisdier Spradie „Werk Hajastani" (Die Wunden Armeniens) hob diesen armenischen Dialekt in den Rang einer Schriftsprache.»^ Mit Abovians Studium in Dorpat war der Weg der Armenier zu dieser Universität gebahnt. Abovian übermittelte in den Jahren 1843/44 an zwei publikumswirksame deutsche Schriftsteller eine gründliche Kenntnis der armenischen Kirche: an August von Haxthausen und Friedrich von Bodenstedt. Beide besuchten ihn in seiner armenischen Heimat. August Freiherr von Haxthausen (1792—1866), Onkel der Diditerin Annette von Droste-Hülshoff, der mit den Brüdern Grimm Märchen gesammelt und beim Studium traditioneller bäuerlidier Verfassungen, auf Rußland ausgreifend, nach Armenien gelangt war, ließ sidi von Abovian einladen, in seinem Hause zu wohnen. Mit ihm schlenderte er durch Erevan, ließ ihn als Dolmetsch fungieren und war glücklich über die reiche Materialsammlung armenischer Märchen und Lieder, die ihm Abovian zur Verfügung stellte. Die Ausbeute an Notizen war so groß.

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„als wenn ich monatelang unter Armeniern gelebt". Als Haxthausen im Winter 1843/44 in St. Petersburg im Hause des Prokurors den Katholikos Nerses traf und dessen Ansichten zu erkunden suchte, bekam er schon deswegen befriedigende Auskünfte, weil der Hierarch merkte, wieviel profunde Armenienkenntnis schon hinter Haxthausens gezielten Fragen stand. Durch Abovian wurde Haxthausen die Erkenntnis vermittelt, daß bei den Armeniern „wie bei den Juden die religiöse Verfassung das mächtigste Element der Nationalität sei"." Haxthausen war katholischer Christ, doch er hatte sich intensiv mit der russischen Orthcxioxie befaßt und hoffte mit dem zum Katholizismus konvertierten russischen Fürsten Gagarin auf eine Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. Gegenüber Katholikos Nerses unterdrückte er die Frage nicht, wie denn der armenische Hierarch zum Papst stehe. Das alles hinderte nicht, daß sich auch das evangelische Deutsdiland durch Haxthausen das Kirciienleben der gregorianischen Armenier erschließen ließ. Friedrich von Bodenstedt, schon seit 1841 in Rußland, schließlich als Lehrer am Gymnasium in Tiflis, nutzte die Osterferien 1844, mit einer Kosakeneskorte Etchmiadzin zu besuchen. Die Aufnahme beim Katholikos, so schreibt er später, sei so gastlich gewesen, daß die Ostertage f ü r ihn „poetische Festtage" wurden. In seiner späteren Wirksamkeit als Slawist an der Universität München und als Intendant am H o f theater in Meiningen, nicht minder als Schriftsteller wirkte Bodenstedt als Vermittler östlichen Gedankenguts, insbesondere auch der Armenienkenntnis. Als er am 2. März 1850 im Berliner „Wissenschaftlichen Verein" eine Vorlesung über „Die Einführung des Christentums in Armenien" zu halten hatte, verriet Bodenstedt freilich die für seine Zeit typische Fehleinschätzung, daß die Armenier vom Christentum „wenig mehr kennengelernt haben als die Äußerlichkeiten und kirchlichen Formen". Der „Anblick des alten Patriarchensitzes" Etchmiadzin, so berichtet er, habe „trübe Erinnerungen" in ihm wachgerufen. Viel mehr waren es die „großartigen Naturschönheiten", der Anblick des Ararat, des „schönsten Denkmals, das Gott sich selber auf Erden gesetzt", das den deutschen Besucher „wundersame Andacht in sich fühlen" ließ. Die Anteilnahme des evangelischen Deutschland an den armenisdken Christen hat also eine Geschichte — nicht eine breite Spur, auf der viele gingen, aber der jüngste Einsatz war von einer Opferbereitschaft gekennzeichnet, wie sie selten anzutreffen ist. Die Liebe zu den Armeniern strahlte von dem Pfarrer Dr. Johannes Lepsius aus, Sohn des Berliner Orientalisten Professor Richard Lepsius. Zwei Jahre Hilfsprediger-

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dienst in Jerusalem hatten den jungen Lepsius die religiöse Situation im Orient kennenlernen lassen, und seine Frau Maggie, Enkelin des Bisdiofs Samuel Gobat von Jerusalem und Toditer des deutsdien Pfarrers in der Heiligen Stadt (Zeller), die Lepsius von dort mitgenommen hatte, bradite die gleidie Hingabe auf. Das Faktum, daß an den gleier Positionen

Die nachfolgende Geschidite von Chalcedon mit all den Anstrengungen, die auf eine Rekonziliation zwisdien den chalcedonensischen und den non-chalcedonensischen Kirdien abzielten, zeigte, daß eine Wiederannäherung und ein gemeinsames Verstehen möglich sind, wenn das Problem in jenem Geist angegangen wird, wie es sich bei Katholikos Nerses IV., dem Führer der armenisdien Kirche im 12. Jahrhundert, ausdrückt: „Deshalb, wenn ,eine Natur' gesagt wird für die unlösbare und untrennbare Einheit und nidit etwa, um eine Verschmelzung anzudeuten, ,zwei Naturen' gesagt wird, um anzudeuten, daß diese unverschmolzen, unverwandelbar und unteilbar sind, dann sind beide Aussagen innerhalb der Grenzen der Orthodoxie." Diese Feststellung wurde durdi den armenischen Kirdienführer bei seinen fortgesetzten Verhandlungen mit dem byzantinischen Kaiser Manuel I. Comnenus (1143 bis 1180) über eine Wiedervereinigung der armenischen und der byzantinisdien Kirche ausgesprodien. Mit dieser Erklärung zeigt sidi die armenische Kirdie dessen bewußt, daß es versdiiedene Möglichkeiten gibt, ein und denselben Glauben auszudrücken. Einheit kann wiedererlangt und Interkommunion wiederhergestellt werden, unter Absehung von Worten und Formeln, wenn Barmherzigkeit, guter Wille und Gebet die treibenden Kräfte im Fortgang der Unterredungen werden.

Die ώήίΐοΐοφώβ

Position

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Bei den gegenwärtigen Verhandlungen hat sidi die armenische Position nidit geändert. Die dialcedonensisdie Formel freilidi ist stehengeblieben. Aber der Sinn, in dem diese Formel genommen wurde, hat sidi glü