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German Pages 348 Year 1959
Frankfurter Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliche Studien
Band 5
Die Kapitalanlage-Politik der privaten LebensversicherungsUnternehmungen im Hinblick auf die Erstellung kaufkraft-äquivalenter Versicherungsleistungen
Von
Gerhard Lukarsch
Duncker & Humblot · Berlin
FRANKFURTER UND
WIRTSCHAFTS-
SOZIALWISSENSCHAFTLICHE
STUDIEN
Heft 5
Herausgegeben von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main
Die Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen i m Hinblick auf die Erstellung kaufkraft-äquivalenter Versicherungsleistungen
Von Dr. Gerhard Lukarsch
D Ü N C K E R
&
H U Μ Β L
Ο Τ / Β E R L I
Ν
Alle Rechte vorbehalten ©
1959 Duncker & Humblot, Berlin
Gedruckt 1959 bei Richard Schröter, Berlin SW 61 Printed in Germany
Vorwort I m Zusammenhang m i t der Frage der Altersversorgung ergibt sich immer wieder das Problem der Kaufkraftsicherung des Geldes i m Zeitablauf. I n der sozialen Rentenversicherung hat man eine Lösung durch die Einführung des Begriffes der „Dynamischen Rente" gesucht. Dabei ist besonders deutlich geworden, welche Schwierigkeiten m i t einer solchen Lösung verbunden sind. Für diejenigen Volkskreise, die ihre Altersversorgung auf dem Weg der privaten. Lebensversicherung zu erreichen suchen, hat diese Frage die gleiche Bedeutung wie für die Sozialversicherten. Von den Lebensversicherungs-Unternehmungen der ganzen Welt sind die verschiedensten Pläne entwickelt worden, um diesem Bedürfnis gerecht zu werden. I n der vorliegenden Arbeit w i r d untersucht, welche Möglichkeiten sich für die Lebensversicherung i m Hinblick auf eine kaufkraft-äquivalente Versicherungsleistung durch eine Änderung ihrer Kapitalanlage-Politik ergeben könnten,. Dabei werden die Wege, die man in anderen Ländern, etwa i n den Vereinigten Staaten von Nordamerika, eingeschlagen hat, i m einzelnen dargestellt -und i n ihren Voraussetzungen und Wirkungen genau analysiert. Die Schlußfolgerungen, welche die deutsche LebensversicherungsWirtschaft aus dieser Untersuchung ziehen könnte, sind i m einzelnen nur schwer zu bestimmen. Sicher ist nur, daß durch eine plötzliche und grundlegende Änderung der bisherigen, weit über ein Jahrhundert bewährten Methoden großer Schaden angerichtet werden könnte. Immerhin besteht die Möglichkeit, die bisherigen Methoden so auszustatten, daß die i n der Vergangenheit zu beobachtenden, nachteiligen Auswirkungen der Kaufkraftminderung des Geldes auch mindestens teilweise m i t den traditionellen Methoden aufgefangen werden können. Außerdem könnten Sonderformen der Lebensversicherung entwickelt werden, etwa durch Verbindung m i t S ach wert-Anlagefonds. Die Arbeit wurde i m Wintersemester 1957/58 abgeschlossen und lag der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der JohannWolfgang-Goethe-Universität zu Frankfurt am Main als Dissertation vor. Herrn Professor Dr. K a r l Hax, dem Direktor des Seminars für Versicherungslehre an der Universität Frankfurt am Main, schulde ich für die Anregung zu dieser Arbeit sowie für die m i r gewährte Unterstützung und Förderung großen Dank. Frankfurt am Main, i m M a i 1959 Gerhard
Lukarsch
Inhalt Einleitung: Ausgangspunkt und Problemstellung Erster
15
Teil
Die Kapitalanlage-Politik der privaten LebensversicherungsUnternehmungen: Grundlagen und praktische Gestaltung A. D i e allgemeinen lage-Politik I. Kapital,
Grundlagen
Kapitalanlage
und
einer
Kapitalan-
Spekulation
23
1. Begriff und Wesen des Kapitals 2. Die Ziele des Kapitalanlage-Vorgangs u n d die Abgrenzung gegenüber der Spekulation 3. Die Merkmale der Kapitalanlage-Objekte I I . Kapitalanlage-Politik
und
23
Kapitalanlage-Risiken
23 25 27 28
1. Begriff u n d Wesen der Kapitalanlage-Politik 2. Die allgemeinen Kapitalanlage-Risiken 3. Die allgemeinen Auswahlgrundsätze i m H i n b l i c k auf das K a pitalanlage-Objekt
33
B. K a p i t a l b i l d u n g und Kapitalanlage als wesensnotwendiger Bestandteil der Lebensversicherungs-Technik
37
I. Aufgabe,
Wesen und Formen
der Lebensversicherung
37
1. Begriff und Wesen der Versicherung 2. Aufgabe, Wesen u n d Besonderheiten der Lebensversicherung 3. Die Formen der Lebensversicherung I I . Die Lebensversicherungs-Technik und das Ausmaß der zwangsläufig damit verbundenen Kapitalbildung 1. Die möglichen Finanzierungssysteme zur Erstellung der V e r sicherungsleistung 2. Die Anwendung des Prämienverfahrens i n der Lebensversicherung und die damit verbundene K a p i t a l b i l d u n g a) i n der Kapital-Lebensversicherung b) i n der Rentenversicherung 3. Ausmaß und volkswirtschaftliches Gewicht der K a p i t a l b i l d u n g der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen I I I . Die Kapitalanlage und sicherung s-Wir tschaft
ihre
Bedeutung
für
die
28 29
Lebensver-
37 39 40 42 42 47 47 53 53 56
Inhalt Die w i r t s c h a f t l i c h e n und gesetzlichen lagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen I. Die wirtschaftlichen Objekte
Grundsätze
für
die Auswahl
Grundprivaten der
Anlage-
1. D i e Anforderungen der Lebensversicherungs-Technik an die Kapitalanlagen
59 59 59
2. Die einzelnen Grundsätze für die A u s w a h l der AnlageObjekte 61 a) Der Grundsatz der nominellen Sicherheit 61 b) Der Grundsatz des versicherungstechnisch notwendigen Liquiditätsgrads des Anlage-Objekts 62 c) Der Grundsatz der größtmöglichen Rentabilität 63 d) Der Grundsatz der Indifferenz der Kapitalanlage i n bezug auf den Geschäftsbetrieb der Versicherungs-Unternehmung 65 Π. Die Durchführung der achtenden Grundsätze
Kapitalanlage
und
die
dabei
zu
be-
66
1. Erforschung u n d Analyse der Kapitalanlage-Möglichkeiten 2. Erwerb und Veräußerung der Kapitalanlagen
67 67
3. Verteilung der Kapitalanlagen nach den Grundsätzen der Risikoverteilung und der kongruenten Deckung a) Der Grundsatz der Risikoverteilung der Kapitalanlagen . · b) Der Grundsatz der kongruenten Deckung
68 68 70
Ι Π . Die Möglichkeiten der Kapitalanlage auf Grund lichen Auswahl- und Anlagegrundsätze
der wirtschaft-
I V . Die gesetzlichen Vorschriften für die Kapitalanlage-Politik privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen
der
71
74
1. Notwendigkeit der staatlichen Beaufsichtigung des privaten Versicherungswesens insbesondere der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen
75
2. Übersicht über die möglichen staatlichen Aufsichtssysteme für das private Versicherungswesen
76
3. Die Beaufsichtigung der Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen i n Deutschland ···· a) Die gesetzlichen Grundlagen der staatlichen deutschen V e r sicherungsaufsicht b) Übersicht über die gesetzlichen Vorschriften für die K a pitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen
78 78 79
4. Ausblick auf die staatliche Beaufsichtigung der K a p i t a l anlage-Politik der privaten Lebensversicherung-Unternehmungen i n den Vereinigten Staaten von Nordamerika und i n Großbritannien 86 a) Die Vorschriften i n den Vereinigten Staaten von Nordamerika 86 b) Die Vorschriften i n Großbritannien 88 V . Zusammenfassung
88
Inhalt D. D i e Wandlungen in der Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehm u n g e n s e i t 1900 I. Die Kapitalanlage-Politik der privaten Unternehmungen in Deutschland
89
I I . Die Kapitalanlage-Politik der privaten LebensversicherungsUnternehmungen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika I I I . Die Kapitalanlage-Politik der privaten Unternehmungen in Großbritannien
89
Lebensversicherungs-
Lebensversicherungs-
I V . Ergebnis
98 102 105
E. D i e P r o b l e m a t i k d e r k l a s s i s c h e n KapitalanlageP o l i t i k der Lebensversicher'ungs-Unternehmungen 106
Zweiter
Teil
Möglichkeiten zur Gestaltung der Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen im Hinblick auf die Kaufkraftsicherung der Vermögensanlagen A. G r u n d b e s i t z als K a p i t a l a n l a g e - O b j e k t bensversicherungs-Unternehmungen I. Die Arten
von
Le-
des Grundbesitzes
I I . Die Realsicherheit des Liegenschaftsbesitzes 1. Die Bestimmungsfaktoren des Liegenschaftspreises 2. Die E n t w i c k l u n g des Verkehrswertes von Liegenschaften i m Zeitablauf unter Berücksichtigung der Kaufkraftänderungen des Geldes a) Der Bodenpreis bzw. der Verkehrswert des Bodens b) Der Baupreis bzw. der Verkehrswert des Bauwerks c) die Ertragslage der Liegenschaften, der Ertragswert · · · · d) Zusammenfassung 3. Die Beurteilung der Realsicherheit von Liegenschaften v o m Standpunkt der Lebensversicherungs-Unternehmungen I I I . Die Liquidität I V . Die Rentabilität
von Liegenschaftsanlagen einer Kapitalanlage
118 118 118 119 121 123 130 130 134
in Liegenschaften
137
V. Ergebnis
138
B . A k t i e n als K a p i t a l a n l a g e - O b j e k t e versicherungs-Unternehmungen I. Begriff
116 116
von
Lebens-
und Wesen der Aktie
I I . Aktienarten und Aktiengattungen im Hinblick auf ihre meine Eignung als Kapitalanlage-Objekt 1. Aktienarten und Aktiengattungen a) Einteilung nach der Verkehrsfähigkeit der A k t i e n
138 138
allge-
141 141 141
10
Inhalt b) Einteilung nach der Stückelung der A k t i e n c) Einteilung nach der Einzahlung der A k t i e n d) Einteilung nach der Rechtsausstattung der A k t i e n e) Einteilung nach der Börsenfähigkeit der A k t i e n f) Die Aktiengattungen 2. Beurteilung der verschiedenen Aktienarten und A k t i e n gattungen i m H i n b l i c k auf das Prinzip der Indifferenz der Kapitalanlage
142 142 142 144 145
I I I . Die Realsicherheit einer Kapitalanlage in Aktien 1. Der Börsenkurs und seine Bestimmungsfaktoren a) Begriff und Wesen des Börsenkurses b) Die Bestimmungsfaktoren des Börsenkurses 2. Die E n t w i c k l u n g der Aktienkurse i m Zeitablauf unter besonderer Berücksichtigung der E n t w i c k l u n g der K a u f k r a f t des Geldes a) Der Zusammenhang zwischen der E n t w i c k l u n g der K a u f k r a f t des Geldes u n d den Aktienkursen b) Die E n t w i c k l u n g i n Deutschland ba) Die Periode von 1856—1913 bb) Die Periode von 1924—1941 bc) Die Periode von 1950 bis zur Gegenwart bd) Die Währungs-Neuordnungen von 1924 u n d 1948 c) Die E n t w i c k l u n g i n den Vereinigten Staaten von Nordamerika d) Die E n t w i c k l u n g i n England, Frankreich und der Schweiz e) Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre kritische W ü r digung 3. Die realwertsteigernde K r a f t der Aktienanlagen 4. Die Beurteilung der Realsicherheit einer Aktienanlage v o m Standpunkt der Lebensversicherungs-Unternehmungen
146 146 146 147
I V . Die Liquidität
193
von Aktienanlagen
V. Die Rentabilität von Aktienanlagen 1. Die Zusammensetzung der Erträge aus Aktienanlagen und die Messung der Rentabilität 2. Die E n t w i c k l u n g der Rentabilität von Aktienanlagen i m Zeitablauf unter besonderer Berücksichtigung der Veränderungen der K a u f k r a f t des Geldes a) Der Zusammenhang zwischen Unternehmungsgewinn und allgemeinem Preisniveau b) Die E n t w i c k l u n g der Erträge aus Aktienanlagen in Deutschland c) Die E n t w i c k l u n g der Erträge aus Aktienanlagen i n den Vereinigten Staaten von Nordamerika 3. Die Beurteilung der Rentabilität einer Aktienanlage durch Vergleich m i t der Rentabilität festverzinslicher Wertpapiere V I . Ergebnis C. S o n s t i g e K a p i t a l a n l a g e - M ö g l i c h k e i t e n wertcharakter
145
152 152 157 158 161 165 167 170 177 181 185 190
195 195 197 197 197 208 211 221
mit
Sach-
223
I. Zertifikate von Kapitalanlage-Gesellschaften 224 1. Das Wesen der Kapitalanlage-Gesellschaften u n d ihrer Zertifikate 224
Inhalt 2. Die Eignung von Zertifikaten von Effekten-KapitalanlageGesellschaften als Kapitalanlage-Möglichkeit von Lebensversicherungs-Unternehmungen 225 3. Die Eignung der Zertifikate von Grundstücks-Anlagegesellschaften als Kapitalanlage-Möglichkeit von Lebensversicherungs-Unternehmungen 226 I I . Wandelschuldverschreibungen 228 1. Begriff, Wesen u n d Besonderheiten der Wandelschuldverschreibungen 228 2. Die Eignung der Wandelschuldverschreibungen als K a p i t a l anlage-Möglichkeit von Lebensversicherungs-Unternehmungen 230 I I I . Unternehmungsanteile, die nicht tragbringende Sachwerte
Aktien
sind, und sonstige
er-
231
I V . Wert gesichert e Schuldverschreibungen und Darlehen 232 1. Aufbau und Wesen der wertgesicherten Darlehen 232 2. Die Eignung wertgesicherter Schuldverschreibungen und D a r lehen als Kapitalanlage-Möglichkeit von Lebensversicherungs-Unternehmungen 234
Dritter
Teil
Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Versicherungsvertrages im Hinblick auf eine reale Sicherung der Versicherungsleistung A. D i e P r o b l e m a t i k Grundlage einer litik B. D i e der
der V e r t r a g s g e s t a l t u n g auf der geänderten Kapitalanlage-Po-
Möglichkeiten zur Kapitalversicherung
Vertragsgestaltung
in
I. Die möglichen Vertragsgestaltungen bei Bildung des SachwertAnlagefonds außerhalb des Verantwortungsbereichs der Versicherung s-Unternehmung en in Form rechtlich selbständiger Kapitalanlage-Gesellschaften 1. Die Verbindung traditioneller Kapitalversicherungs-Verträge m i t Investment-Sparverträgen durch geänderte Verfahren zur Ausschüttung der kalkulationstechnischen Überschüsse a) Der Grundgedanke b) Praktische Durchführung einer Verbindung von K a p i t a l versicherungs-Verträgen mit Investment-Sparverträgen durch die South African National L i f e Assurance Company (SANLAM) c) K r i t i k 2. Verbindung traditioneller Kapitalversicherungs-Verträge m i t Investment-Sparverträgen durch Aussonderung des Sparvorgangs aus dem Versicherungsvorgang a) Der Grundgedanke b) K r i t i k
240
243
244
245 245
246 252
256 256 257
12
Inhalt I I . Die möglichen Vertragsgestaltungen bei Bildung des SachwertAnlagefonds innerhalb des Verantwortungsbereichs der Versicherung s-Unternehmung en 1. Anpassung von Prämie und Versicherungssumme an die E r gebnisse der Kapitalanlage-Politik bei Garantie einer nominell fixierten Mindestleistung a) Möglichkeiten zur Gestaltung des Versicherungs-Vertrages auf der Grundlage einer an indexgebundenen Darlehen und Schuldverschreibungen orientierten Kapitalanlage-Politik aa) Der Grundgedanke ab) Praktische Durchführung eines wertgesicherten L e bens ver sicher ungs-Vertrages durch L e Phénix, Compagnie Française D'Assurances Sur L a V i e ac) K r i t i k b) Möglichkeiten zur Gestaltung des Versicherungsvertrages auf der Grundlage einer an A k t i e n orientierten AnlagePolitik ba) Der Grundgedanke bb) K r i t i k 2. Anpassung von Prämie und Versicherungssumme an die E r gebnisse der Kapitalanlage-Politik ohne Garantie einer nominell festgelegten Mindest-Versicherungsleistung a) Der Grundgedanke b) K r i t i k
C. D i e der
Möglichkeiten zur Rentenversicherung
Vertragsgestaltung
in
259 260 260 260 261 267 268 268 269 270 270 272
275
I . Der Grundgedanke einer Konstruktion von Rent env ersiehe rungs-Vertragen auf der Basis von Sachwertfonds 275 I I . Die Rentenversicherungs-Verträge Annuity Association of America Retirement Equities Fund
der Teachers Insurance and in Verbindung mit dem College
1. Zweck u n d Rechtsform der T I A A u n d des CREF 2. Die K o n s t r u k t i o n der kombinierten RentenversicherungsVerträge der T I A A u n d des CREF 3. P r ü f u n g der TIAA-CREF-Rentenversicherungs-Verträge nach der Methode des „jobbing backwards" 4. E n t w i c k l u n g der TIAA-CREF-Rentenversicherungs-Verträge seit ihrer Einführung i m Jahre 1952 I I I . Die Rentenversicherungs-Verträge der Variable Annuity Life Insurance Company (VALIC) 1. Zweck und Rechtsform der V A L I C 2. Die K o n s t r u k t i o n der Rentenversicherungs-Verträge der VALIC 3. P r ü f u n g der VALIC-Rentenversicherungs-Verträge nach der Methode des „ j o b b i n g backwards"
277 277 280 287 296 300 300 301 305
I V . Die Sachwert-Rentenversicherungs-Verträge der Prudential Insurance Company of America 308 1. Zweck u n d Rechtsform der Prudential 308 2. D i e K o n s t r u k t i o n der Sachwert-Rentenversicherungs-Verträge der Prudential 309
Inhalt ν.· Vergleich der Sachwert-Rentenversicherungs-Verträge der VALIC und der Prudential V I . Weitere Versuche zur Gestaltung rungs-Verträgen V I I . Kritik
von
des CREF,
Sachwert-Rentenversiche-
312 314 315
Ergebnis der Untersuchung
324
Anlagen
327
Anlage Nr. 1 Indexklausel der Wiener Städtischen wechselseitigen V e r sicherungsanstalt 328 Anlage Nr. 2 Allgemeine Versicherungsbedingungen f ü r gemischte K a pital-LebensVersicherungsverträge der Phénix Compagnie Française D'Assurances Sur L a Vie 330 Anlage Nr. 3 Aufwertungsklausel zu den gemischten Kapital-Lebensversicherungsverträgen der Phénix-Vie 334 Literaturverzeichnis
336
Verzeichnis der Abkürzungen AktG BAG BAV BfuP BGB BGBl DVW DVZ FAZ HdSw LVU NJW NZ RAA RGBl SVZ TR VAG VerAfP VerBAV VerZA VR WaG VW ZfhF ZfK ZfV Zt
Gesetz über die Aktiengesellschaften u n d Kommanditgesellschaften auf A k t i e n v o m 30.1.1937 (RGBl. I, S. 107, ber. S. 588, 1140) Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- u n d Bausparwesen vom 3. 7.1951 (BGBl. I, S. 480) Bundesaufsichtsamt für das private Versicherungs- und B a u sparwesen, B e r l i n Betriebswirtschaftliche Forschung u n d Praxis, Wolfenbüttel Bürgerliches Gesetzbuch v o m 18.8.1896 (RGBl. S. 195) Bundesgesetzblatt, Bonn Der V o l k s w i r t , Wirtschafts- u n d Finanzzeitung, F r a n k f u r t a. M. Deutsche Versicherungszeitschrift, Berlin, Bielefeld u n d München Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, F r a n k f u r t a. M. Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Stuttgart, Tübingen u n d Göttingen 1952 ff. Lebensversicherungs-Unternehmung Neue Juristische Wochenschrift, München u n d B e r l i n Neumann's Zeitschrift für das Versicherungswesen, B e r l i n Reichsaufsichtsamt f ü r Privatversicherung Reichsgesetzblatt, B e r l i n Schweizerische Versicherungsrundschau, Bern The Review, International Insurance Newspaper, London Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen u n d Bausparkassen v o m 6. 6.1931 (RGBl. I, S. 315, 370) Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamts f ü r Privatversicherung, B e r l i n Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- u n d Bausparwesen, B e r l i n Veröffentlichungen des Zonenamts des Reichsaufsichtsamts, Hamburg Die Versicherungsrundschau, Wien Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Die Versicherungswirtschaft, Karlsruhe Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, K ö l n und Opladen Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, F r a n k f u r t am M a i n Zeitschrift f ü r Versicherungswesen, Hamburg Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, B e r l i n
Einleitung: Ausgangspunkt und Problemstellung Die privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen gewähren Schutz gegen die finanziellen Folgen von Ereignissen, die in der ungewissen Dauer des menschlichen Lebens begründet sind. Sie sichern die Befriedigung des individuellen Geldbedarfs, der bei vorzeitigem Tod eines Familienernährers entsteht (Hinterbliebenenversorgung) oder aus der Notwendigkeit der Alterssicherung erwächst; sie gewährleisten m i t h i n die Erfüllung der Sparpläne einzelner Wirtschaftseinheiten, vornehmlich der Haushalte. Unter privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen seien jene verstanden, „die sich unmittelbar, d. h. ohne Umweg über die Sozialpolitik i n den Dienst der Einzelwirtschaft stellen und sich dabei in ihrer Versicherungstätigkeit gemäß den Spielregeln eines auf der Freiheit des Vertrages beruhenden marktwirtschaftlichen Wettbewerbs unterstellen" 1 . Damit sind die Lebensversicherungs-Unternehmungen der Individual-Versicherung, gleichgültig ob sie die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit oder einer öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsanstalt besitzen, von den Trägern der Sozialversicherung eindeutig abgegrenzt. Die Untersuchungen dieser Arbeit erstrecken sich jedoch in erster Linie auf die p r i v a t w i r t schaftlich organisierten Lebensversicherungs-Unternehmungen, da zwischen diesen und den öffentlich-rechtlichen Lebensversicherungs-Anstalten hinsichtlich der Möglichkeiten der Unternehmungspolitik erhebliche Unterschiede bestehen. Durch den Ausbau der Versicherungstechnik im Zuge der Entwicklung der Lebensversicherung gelang es, den Versicherungsschutz weitgehend den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Versicherungsnehmer anzugleichen. Vor allem wurde durch den Wettbewerb der Lebensversicherungs-Unternehmungen untereinander erreicht, daß der Preis für den Versicherungsschutz, die Prämie, soweit wie möglich der tatsächlichen Gefahrenlage der einzelnen Versicherten angepaßt wurde. So konnte die Lebensversicherung breitesten Volksschichten erschlossen werden, weshalb ihr heute auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet erhebliche Bedeutung zukommt. 1 Weddigen, W.: Gegenwartsfragen der Westdeutschen I n d i v i d u a l Sozialversicherung, i n : D V Z , Jg. 1957, S. 88.
und
10
Ausgangspunkt und Problemstellung
Die Versicherungsverträge erstrecken sich i n der privaten Lebensversicherung i n der Regel über lange Zeiträume, i n denen Prämien eingenommen werden, welche zur Erfüllung der späteren Versicherungsleistungen dienen sollen. Dies führt notwendigerweise zu einer erheblichen Kapitalbildung, wodurch die Lebensversicherungs-Wirtschaft zu einem bedeutenden Kapitalsammelbecken der modernen Volkswirtschaft wird. Treten während der Dauer der Lebensversicherungs-Verträge Schwankungen der Kaufkraft des Geldes ein, so werden hiervon zwangsläufig die Versicherungsleistungen betroffen, da diese heute ausschließlich i n festen Geldsummen vereinbart und erbracht werden. Die Wirksamkeit des Versicherungsschutzes im Versicherungsfall hängt demnach maßgeblich von der Entwicklung der Kaufkraft des Geldes ab. Betrachtet man jedoch die Lebensversicherungs-Leistung von der Warte des Versicherten, muß man feststellen, „daß sein Bedarf, den er gedeckt wissen will, durchweg kein nur nomineller ist, sondern ein realer, der bei Geldwertschwankungen höher oder niedriger w i r d " 2 . Die Kaufkraftstabilität des Geldes ist daher für die Lebensversicherungs-Wirtschaft, wie für keinen anderen Wirtschaftszweig, von ausschlaggebender Bedeutung. Als Folgeerscheinung des ersten Weltkrieges ging i n den meisten der am Krieg beteiligten Staaten die Währungsstabilität verloren. Durch die Interdependenz aller wirtschaftlichen Vorgänge griff dieses Phänomen auch auf andere Staaten über und wurde somit zu einem erstrangigen, internationalen Problem. Auch nach dem zweiten Weltkrieg kam es bislang zu keiner dauerhaften Konsolidierung der Währungen, wenngleich die größten Auswüchse der kriegsbedingten Zerrüttung des Geldwesens i n den meisten Staaten beseitigt wurde. Fortlaufend vollzieht sich i n mehr oder weniger merklicher Form eine Minderung der Kaufkraft des Geldes, wofür das Schlagwort „schleichende Inflation" geprägt wurde. So beobachtet man ζ. B. i n der Bundesrepublik Deutschland eine jährliche Verminderung des Geldwertes u m etwa 2°/o 3 , während i n anderen Ländern teilweise mit noch höheren jährlichen Entwertungsquoten gerechnet wird 4 . I m Zuge einer solchen Entwicklung müssen die Versicherten zwangsläufig bei E i n t r i t t des versicherten Ereignisses enttäuscht werden, da der Versicherungsschutz nicht ihren ursprünglichen Erwartungen ent2 Möller, Η [ans]: Geldwertschwankungen u n d Versicherungswesen, i n : Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der U n i v e r sität K ö l n , Neue Folge, H e f t 12, K ö l n 1953, S. 118. 3 Vocke, W i l h e l m : Harte Währung, i n : Geschäftsmitteilungem der Magdeburger Allgemeinen Lebens- u n d Rentenversicherungs-AG, Jg. 1957, S. 34. 4 A u f die Entwicklung der K a u f k r a f t des Geldes w i r d i n Abschn. E des ersten Teils der A r b e i t noch einzugehen sein.
Ausgangspunkt u n d Problemstellung
spricht. „Die reale Sicherung der Ansprüche und Erwartungen aus der Lebensversicherung ist deshalb ein wichtiges Problem für den einzelnen, für die Versicherungs-Unternehmungen und aus sozialpolitischen Gründen auch für den Staat 5 ." Dieses Problem gewinnt i n Deutschland u m so mehr an Bedeutung, als sich seit dem Ende des letzten Weltkrieges m i t all seinen Nachwirkungen das Bedürfnis nach einer Kapitalsicherung und Altersversorgung auf dem Weg der Lebeinsversicherung erheblich verstärkt hat. Deutlich kommt diese Entwicklung i m Ansteigen des Neugeschäfts der deutschen Lebensversicherungs-Wirtschaft seit der Währungsreform des Jahres 1948 zum Ausdruck. Regierung und Parlament der Bundesrepublik Deutschland haben neuerdings dem Problem der schleichenden Kaufkraftminderung des Geldes ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt. I m Bereich der Sozialversicherung wurden durch Erlaß der Neuregelungsgesetze zur Angestellten- und Arbeiterrentenversicherung, die beide am 1. März 1957 i n Kraft traten, die ersten Konsequenzen gezogen. Damit sind die gesetzlichen und wirtschaftlichen Grundlagen geschaffen, die eine A n passung der Sozialrenten an den jeweiligen Stand der Kaufkraft des Geldes ermöglichen. Ohne näher auf die genannten Gesetzeswerke eingehen zu wollen, sei erwähnt, daß man das bisherige Finanzierumgssystem, das Anwartschafts-Deckungsverfahren, aufgab und i n Zukunft die M i t t e l für die Rentenzahlungen aus den laufenden Beiträgen nach einer A r t Umlageverfahren — man nennt es Abschnitts-Deckungsverfahren — aufzubringen beabsichtigt. Durch die neugeschaffene Institution des Sozialbeirats sollen die Renten i n bestimmten Zeitabständen überprüft und, wenn notwendig, auf dem Verordnungsweg dem jeweiligein allgemeinen Lohn- und Preisniveau angeglichen werden. Die neuen Sozialversicherungsgesetze stellen eine Kompromißlösung dar zwischen der bisherigen Form der Rentenanpassung, die auf dem Gesetzeswege erfolgte, und der während der Gesetzesberatungen geforderten automatischen Anpassung der Renten an das jeweilige Lohnniveau bzw. an den jeweiligen Stand der Produktivität oder des Sozialprodukts 6 . Angesichts dieser Neugestaltung der sozialen Rentenversicherung stellt sich für die Leitungen der privaten Lebensversicherungs-Unter5 Hax, K a r l : Die Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen i m Hinblick auf das Problem der wertbeständigen Versicherung, i n : Beiträge zur Versicherungswissenschaft, Festgabe f ü r Walter Rohrbeck, B e r l i n 1955, S. 147. 6 Vgl. Heubeck, Georg: Die Rentenreform i n Zahlen, Heidelberg 1957. — Jecht, H.: ökonomische Probleme der Produktivitätsrente, Stuttgart 1956.— Müller, A l b e r t : Produktivitätsrenten sichern den Lebensabend, Bad Godesberg 1956.
2
Lukarsch
Ausgangspunkt u n d Problemstellung
nehmungen die Frage, wie sie sich zum Problem der schleichenden Geldentwertung verhalten sollen. Die reale, d. h. kaufkraftmäßige Erhaltung der Prämien, aus denen der zur Deckung der Versicherungsleistung notwendige Kapitalstock, das Deckungskapital, zum größten Teil gebildet wird, schiebt sich auf Grund der angedeuteten Entwicklungstendenzen der Kaufkraft des Geldes i n den Vordergrund des Interesses der Versicherungswilligen. Die Lebensversicherungs-Unternehmungen müssen daher prüfen, wie sie diesem Wunsche ihrer Kunden am besten Rechnung tragen, um so die Spar- und Versicherungswilligkeit des Publikums zu erhalten. Was aber können die Lebensversicherer zur Lösung dieses Problems unternehmen? Gegen die Ursachen der schleichenden Geldentwertung kann die Lebensversicherungs-Wirtschaft von sich aus nicht isoliert vorgehen. Andererseits steht sie vor der Erkenntnis, daß das Risiko der Geldwertänderung infolge seiner Unübersehbarkeit und Unmeßbarkeit nicht versicherbar ist. Es muß also die Frage aufgeworfen werden, welche Möglichkeiten gegeben sind, die Lebensversicherungs-Leistung w e r t b e s t ä n d i g zu gestalten. Bei allen Überlegungen zu dieser Frage muß man sich aber von vornherein über zwei nüchterne Tatsachen i m klaren sein: a) Eine absolute Wertsicherung gibt es nicht und hat es auch nie gegeben 7 . Jeder Wert kommt nur durch Inbeziehungsetzung einer Wertgröße zu einer anderen zustande; doch alle denkbaren Maßstabgrößen unterliegen ihrerseits Schwankungen in der allgemeinen Wertschätzung, wodurch sie zur Bestimmung einer absoluten Maßgröße versagen müssen 8 . b) Das Versicherungswesen und das Geldwesen sind aufs engste m i t einander verknüpft. „Die Versicherung bedarf des Geldes i n allen seinen Funktionen, als Wertmesser, als Zahlungsmittel und als Wertaufbewahrungsmittel 9 ." I n jedem Fall teilt sie das Schicksal ihrer Volkswirtschaft. Unter diesen Aspekten muß die aufgeworfene Problemstellung modifiziert werden, und zwar dahingehend, ob es im Falle einer schleichenden Inflation möglich ist, die Versicherungsleistung i n der Lefoensversiche7 Vgl. Jahrbuch 1951 des Verbandes der Lebensversicherungs-Unternehmen, S. 6. So auch: Müller, Rudolf: Anlage u n d V e r w a l t u n g der Kapitalien privater Versicherungs-Unternehmungen, B e r l i n 1914, S. 13. 8 Vgl. Wittmann, Waldemar: Der Wertbegriff i n der Betriebswirtschaftslehre, K ö l n u n d Opladen 1956, S. 63/64. 9 Manes, A l f r e d : Der Einfluß der Inflation der deutschen Währung auf die Lebensversicherung, i n : Transactions of the Eigth International Congress of Actuaries, London 1927, Band I V , S. 429.
Ausgangspunkt u n d Problemstellung
rung k a u f k r a f t - ä q u i v a l e n t zu gestalten. Als kaufkraftäquivalente Versicherungsleistung soll dabei eine solche verstanden werden, die bei wirtschaftlich tragbarer Beitragszahlung i m Versicherungsfall eine reale Höhe aufweist, die den Erwartungen des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entspricht. Zur Anpassung der Versicherungsleistung an die während der Vertragsdauer möglichen Schwankungen der Kaufkraft des Geldes sind in genereller Betrachtung vier verschiedene Wege denkbar, und zwar: a) Die Lebensversicherungs-Verträge könnten als kurzfristige reine Risikoversicherungen abgeschlossen werden, die laufend zu erneuern und dabei der veränderten Kaufkraft des Geldes anzupassen wären. b) Die Versicherungsleistungen könnten den Kaufkraftänderungen des Geldes angeglichen und die hierfür notwendigen Geldmittel auf dem Wege des Umlageverfahrens aufgebracht werden. c) Die ursprünglich vereinbarten Versicherungsleistungen und Prämien könnten laufend an Hand eines amtlich festgestellten Preisindex umgerechnet und damit der Entwicklung der Kaufkraft des Geldes angeglichen werden. d) Die Versicherungsleistungen und Prämien könnten an die realen Ergebnisse einer an kaufkrafterhaltenden Kapitalanlage-Möglichkeiten orientierten Kapitalanlage-Politik angepaßt werden. Z u a): Die Lebensversicherung läßt sich in der Form der Kapitalversicherung als reine Risikoversicherung gestalten, so daß die Möglichkeit bestünde, die Versicherungssumme jeweils nach Ablauf eines Jahres den eventuell eingetretenen Kaufkraftänderungen des Geldes anzugleichen. Eine solche Gestaltung des Versicherungsvertrags hat jedoch den nicht zu übersehenden Nachteil, daß die notwendige Prämie schon bei gleichbleibender Versicherungssumme von Jahr zu Jahr entsprechend der steigenden Sterbewahrscheinlichkeit des Versicherungsnehmers wächst, bis sie schließlich eine untragbare Höhe erreicht. Wenn dazu noch die Versicherungssumme erhöht werden muß, um die sinkende Kaufkraft des Geldes abzugleichen, könnte m i t h i n der Versicherungsnehmer sehr bald gezwungen sein, ganz oder teilweise auf den Versicherungsschutz zu verzichten. Dieser Weg stellt daher keine allgemein anwendbare Lösung des aufgeworfenen Problems dar. Z u b): Werden die Versicherungsleistungen von den Versicherungsnehmern auf dem Wege der Umlage aufgebracht, wäre es ebenso möglich, diese Leistungen laufend den Kaufkraftschwankungen des Geldes anzupassen. Ein solches Verfahren würde jedoch für den einzelnen Versicherten zu Verpflichtungen führen, die er ex ante nicht zu übersehen vermag. Nur zu leicht könnte eine private LebensversicherungsUnternehmung, die ihre Verträge nur auf der Basis der Freiwilligkeit 2»
Ausgangspunkt u n d Problemstellung
abschließen kann, dein Versicherungsnehmer zu Zahlungen heranziehen müssen, die dieser wirtschaftlich nicht mehr tragen kann. Eine Erzielung kaufkraft-äquivalenter Versicherungsleistungen auf dem Weg des Umlageverfahrens erscheint somit für private LebensversicherungsUnternehmungen nicht sinnvoll. Z u c): Würden Versicherungsleistungen und Prämie an einen amtlichen Preisindex gebunden, ist es bei Indexänderungen nicht allein damit getan, daß lediglich die Versicherungssumme und die Folgeprämien angepaßt werden, sondern der Versicherungsnehmer müßte sich darüber hinaus verpflichten, jeweils auch das bisher angesammelte Deckungskapital entsprechend aufzustocken. Auch bei diesem Verfahren können sich daher für den Versicherungsnehmer Prämien und Zahlungsverpflichtungen ergeben, die wirtschaftlich nicht mehr tragbar sind. Es zeigt sich daher, daß dieser Weg, ebenso wie der unter a) und unter b), nicht gangbar ist, ganz abgesehen davon, daß die Wahl des Preisindex eine besondere Problematik birgt, da es einen Generalindex, der i n jedem Zeitpunkt die Kauf kraft des Geldes für die gesamte Volkswirtschaft widerspiegelt, nicht gibt. Praktisch wurden index-gebundene Lebensversicherungen in Deutschland während der Inflationsperiode nach dem ersten Weltkrieg entwickelt und angewandt 1 0 . Wegen der angedeuteten Mängel und vor allem wegen der befürchteten psychologischen Auswirkungen solcher Versicherungsverträge auf die allgemeine Wertschätzung des Geldes, sah sich das Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung veranlaßt, derartige Versicherungsverfahren zu verbieten. Auch das Bundesaufsichtsamt für das private Versicherungs- und Bausparwesen hat aus währungspolitischen Erwägungen index-gebundene Lebensversicherungs10 Andreoli, E.: Die Bedeutung der Währungsprobleme i n der Versicher u n g u n d Rückversicherung, B e r l i n u n d Wien 1932. Blaschke, Ernst: V e r änderliche Versicherungssummen i n der Lebensversicherung, i n : Zt. Jg. 1922, S. 201—222. Broecker, H.: Veränderliche Prämien u n d Versicherungsleistungen, i n : Zt. Jg. 1923, S. 98—107. Grube, H a r r y : Privatversicherung u n d Geldentwertung, i n : Betriebs- u n d finanzwirtschaftliche Forschungen, Serie I I , Heft 7, B e r l i n 1923. Lengyel, S.: Lehren aus der Geldentwertung für den Versicherungsbetrieb, i n : Zt. Jg. 1923, S. 1—7. Manes, A l f r e d : Der Einfluß der Inflation der deutschen Währung auf die Lebensversicherung, a.a.O., S. 429—437. Manes, A l f r e d : Versicherungswesen, Band I, 5. Auflage, B e r l i n 1930, S. 283 ff. Mittermüller, E.: Lebensversicherung u n d Geldentwertung, i n : Zt. Jg. 1921, S. 101—111. Ott: Wertbeständige K a p i t a l anlagen i n ihrer Bedeutung für die Versicherung, i n : Zt. Jg. 1923, S. 107 bis 120. Riebesell, [Paul]: Wertbeständige Versicherung, i n : Zt. Jg. 1923» S. 90—98. Schmidt-Ernsthausen: Fremdwährungsansprüche bei der Lebensversicherung, i n : Zt. Jg. 1925, S. 144—155. Schwer: Versicherung i n Festmark. Z u r Lösung des Problems einer wertbeständigen Versicherung, i n : Zt. Jg. 1923, S. 176—187. Wagenführ, Horst: Wirtschaftskunde des V e r sicherungswesens, Stuttgart 1938, S. 183—189. Wahle, K a r l : Valutaversicher u n g u n d Geldentwertung, i n : Zt. Jg. 1925, S. 155—167.
Ausgangspunkt u n d Problemstellung
Verträge nicht wieder zugelassen 11 . Gegenwärtig finden sich jedoch Lebensversicherungen mit Indexklausel i n Finnland, Italien und Österreich 12 . Z u d): Eine andere Möglichkeit der Angleichung der Versicherungsleistungen an die sich ändernde Kaufkraft des Geldes scheint über die Kapitalanlage-Politik der Versicherungs-Unternehmung gegeben zu sein. Dabei wäre daran zu denken, das Deckungskapital in kaufkraftgesicherten Vermögenswerten anzulegen und gleichzeitig Prämie und Versicherungsleistung entsprechend den Änderungen des Marktpreises dieser Anlagen zu variieren. Dies hätte i m Gegensatz zu Methode c) den großen Vorteil, daß das Deckungskapital bei einem etwa eintretenden Kaufkraftschwund des Geldes nicht durch zusätzliche Zahlungen des Versicherungsnehmers aufgestockt werden müßte. Voraussetzung für dieses Verfahren ist allerdings das Vorhandensein solcher Kapitalanlagen, deren Preisniveau i m Konjunkturablauf den. Kaufkraftschwankungen des Geldes folgt. Lassen sich solche Anlagewerte finden, dürften keine Schwierigkeiten bestehen, Versicherungsverträge zu konstruieren, die bei wirtschaftlich tragbarer Beitragszahlung kaufkraft-äquivalente Versicherungsleistungen garantieren. I n der vorliegenden Arbeit soll geprüft werden, ob und inwieweit auf der Grundlage einer veränderten Kapitalanlage-Politik Lebensversicherungs-Verträge möglich sind, die kaufkraft-äquivalente Versicherungsleistungen gewähren. Das aufgeworfene Problem soll vom Standpunkt der allgemeinen Unternehmungspolitik der Lebensversicherungs-Unternehmungen behandelt werden. Dabei verstehen w i r unter Unternehmungspolitik bzw. Betriebswirtschaftspolitik m i t Sandig „die Lehre von den tatsächlichen und möglichen Zielsetzungen und Entscheidungen, die von der Führung einer Betriebswirtschaft (eines Betriebes, einer Unternehmung) i m Innenverhiältnis und gegenüber dem M a r k t der Betriebswirtschaft getroffen werden" 1 3 . Es kann daher nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, fertige Lösungen für den umrissenen Problemkreis zu finden, die A n 11 So w u r d e auch der I n d e x - G e w i n n p l a n der Karlsruher Lebensversicherungs-AG von der deutschen Aufsichtsbehörde nicht zugelassen. Dieser 6ah vor, die Gewinnanteile der Versicherten nicht auszuschütten u n d aus dem so gebildeten Vermögensfonds i m Todesfall einen Extrabonus, entsprechend den seit Vertragsabschluß eingetretenen Steigerungen des Preisindex für die gesamte Lebenshaltung, zu zahlen. Vgl. Closs, H.: E i n I n d e x Gewinnplan i n der Lebensversicherung, i n : V W Jg. 1952, S. 202. 12 Vgl. Lebensversicherungspolizzen m i t Indexklausel i n Österreich, i n : VR, Jg. 1954, S. 292r—295; siehe auch Anlage Nr. 1; I n d e x - t i e d Life Insurance i n Italy, i n : The Review, Jg. 1953, S. 347 ff.; I n d e x - t i e d Life Insurance — A Finnish Experiment, i n : The Review, Jg. 1952, S. 704—706. 13 Sandig, Curt: Die F ü h r u n g des Betriebes — Betriebswirtschaftspolitik, Stuttgart 1953, S. 19.
Ausgangspunkt u n d Problemstellung
spruch auf Allgemeingültigkeit haben, sondern es kann vielmehr nur darum gehen: 1. die geltenden wirtschaftlichen und gesetzlichen Grundsätze der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen darzustellen und zu prüfen, inwieweit sie dem Problem der schleichenden Geldentwertung gerecht werden, 2. zu untersuchen, ob es Kapitalanlage-Möglichkeiten gibt, welche einmal die Kaufkraft des angelegten Kapitals auch bei Schwankungen des allgemeinen Preisniveaus sichert und zum anderen für Lebensversicherungs-Unternehmungen geeignet sind, und 3. zu prüfen, wie man die Versicherungsverträge gestalten könnte, wenn die Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmiungen an kaufkraft-erhaltenden Anlagemöglichkeiten orientiert wird.
Erster
Teil
Die Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen: Grundlagen und praktische Gestaltung I m ersten Teil der Arbeit soll dargestellt werden, wie es i m Zusammenhang m i t der Erstellung der Versicherungsleistung in der Lebensversicherung zur Kapitalbildung kommt, nach welchen Grundsätzen die privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen das Kapital anlegen und welche Probleme m i t der Praxis der Kapitalanlage-Politik verbunden sind. Einleitend erscheint es jedoch notwendig, Begriffe und Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik ganz allgemein zu umreißen.
A. Die allgemeinen Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik I. Kapital, Kapitalanlage und Spekulation 1. B e g r i f f
und Wesen
des
Kapitals
Der Begriff Kapital ist i n der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich gefaßt. Er w i r d vielmehr m i t den vielfältigsten Inhalten versehen, ,was m i t dem, unterschiedlichen Standpunkt zusammenhängt, von dem aus das „Erfahrungsobjekt" Kapital gesehen wird'1. Es ist daher unumgänglich, den Kapitalbegriff, wie er hier verstanden werden soll, zu erläutern. Die herrschende Meinung i n der Nationalökonomie unterscheidet nach der auf Adam Smith 2 zurückgehenden Lehre ganz allgemein zwischen privatwirtschaftlichem
oder Erwerbskapital
und
volkswirtschaft-
lichem oder Produktivkapital. Dabei w i r d unter ersterem ein Gütervorrat verstanden, der seinem Eigentümer zur Erzielung eines Gewinnes dient, während man m i t Produktivkapital die Summe der i n 1
Böhm-Bawerk, Erich von: zitiert nach Forstmann, Albrecht: Geld u n d K r e d i t , I. Teil, Die Grundlagen der Geld- u n d Kredittheorie, Göttingen 1952, S. 214. 2 Smith, A d a m : A n I n q u i r y into the Nature and Causes of Wealth of Nations, London 1776.
24
Allgemeine Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik
einer Volkswirtschaft für die weitere Produktion vorhandenen produzierten Güter kennzeichnet. Die Definitionen des Kapitalbegriffs i n der Betriebswirtschaftslehre gehen hingegen von einer rein privatwirtschaftlichen Betrachtungsweise aus. Dabei beziehen sich die unterschiedlichen Formulierungen „nur auf die verschiedenen Eigenschaften oder Funktionen des Kapitals" 3 / 4 . I n neuerer Zeit bemühte sich insbesondere Preiser, einen für Volksund Betriebswirtschaftslehre gleichermaßen anwendbaren Kapitalbegriff festzulegen 5 . Er geht dabei davon aus, daß derjenige, der Kapital aufnimmt, es deshalb tut, um eine Investition durchzuführen, d. h. um Produktivgüter und -dienste zu kaufen. (Vom Konsumtivkredit w i r d dabei abgesehen, da es sich hierbei um eine Notmaßnahme handelt.) „Das Kapital ist also für den Investor Finanzierungsmittel; daß er dafür Zins zahlen muß, ist ein bedauerlicher, aber begrifflich sekundärer Begleitumstand 6 ." Anders liegen die Dinge hingegen für den, der das Kapital aufbringt; denn „ f ü r ihn ist die Verzinsung das Wesentliche" 6 . Preiser empfiehlt diesen Vorgang m i t dem Terminus „Finanzierung" zu bezeichnen, da der Kauf von Produktionsmitteln sich grundlegend von der Bereitstellung des Kapitals unterscheidet und der Terminus „Investition" für ersteren Tatbestand unbedingt notwendig ist 6 . Aus diesen Überlegungen kommt Preiser zunächst zu folgender Definition: „Unter Kapital versteht man Finanzierungsmittel für Investitionen 7 ." I n der Geldwirtschaft sind aber im Gegensatz zur Naturalwirtschaft Finanzierungsmittel, die man als Kapital bezeichnet, nichts anderes als Geld. Man kann deshalb die angeführte Definition auch wie folgt fassen: „Unter Kapital versteht man Geld für Investitionszwecke 7 ." Zusammenfassend stellt schließlich Preiser fest: „Unter Ka3 Hartmann, Bernhard: Der betriebswirtschaftliche u n d der v o l k s w i r t schaftliche Kapitalbegriff, i n BFuP, 7. Jg. 1955, Heft 3, S. 133. 4 Prion bezeichnet alles das als Kapital, „was als Vermögen einem W i r t schaftsbetrieb angehören kann". (Prion, W.: Die Lehre v o m Wirtschaftsbetrieb, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2. Buch, B e r l i n 1935, S. 37.) — Schmalenbach versteht unter K a p i t a l einen Gütervorrat schlechthin. (Schmalenbach, Eugen: Kapital, K r e d i t u n d Zins i n betriebswirtschaftlicher Beleuchtung, 11. Auflage, K ö l n und Opladen 1951, S. 11.) — Rössle definiert hingegen den Kapitalbegriff als „den i n Geld ausgedrückten Wert des Werkzeugs (im weitesten Sinn)". (Rössle, K a r l : Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 5. Auflage, Stuttgart 1956, S. 99.) — F ü r Mellerowicz ist K a p i t a l der „Inbegriff wirtschaftlicher Erzeugungsmittel beziffert i n Geld". (Mellerowicz, K o n r a d : Kapitalverkehr, i n : Die Handelshochschule, 3. Band, Heft 9, B e r l i n u n d Wien, o. J., S. 3.) 5 Preiser, Erich.: Der Kapitalbegriff u n d die neuere Theorie, i n : Die Unternehmung i m M a r k t , Festschrift f ü r W i l h e l m Rieger, Stutgart u n d K ö l n 1953, S, 14—38. 6 Preiser, Erich: a.a.O., S. 17. 7 Preiser, Erich: a.a.O., S. 18.
Kapital, Kapitalanlage und Spekulation
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pital versteht man Finanzierungsimittel für Investitionen, d. h. Geld für Investitionszwecke; Geld i n dieser Funktion ist Kapital 8 ." Man könnte einwenden, m i t dieser Definition werde Geld m i t Kapital verwechselt. Dies ist jedoch unrichtig; denn Geld w i r d i n der Funktion von Kapital nicht dazu verwendet, um Konsumgüter einzutauschen. „Vielmehr w i r d der Anleger stets entweder Gläubiger oder Teilhaber des Investors, und was er i n jedem Fall erwirbt, ist ein ,Wertding höherer Ordnung 49 , das, was die ältere Theorie ,Rechte und Verhältnisse' nannte, was man auch als Machtposition' bezeichnet und was stets den einen Inhalt hat, Rentenquelle zu sein 1 0 ." Ausschlaggebendes K r i t e r i u m dafür, ob Geld Kapitalfunktion hat, ist m i t h i n der werbende Einsatz des Geldes in der Wirtschaft. Preisers Definition des Kapitalbegriffs genügt sowohl der Nationalökonomie als auch der Betriebswirtschaftslehre 11 . Darüber hinaus hat sie den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dem Sprachgebrauch der Praxis sehr nahe zu kommen. Auch, unseren Untersuchungen sei Preisers Kapitalbegriff zugrunde gelegt, da dieser die Herausarbeitung von Wesen und Ziel des Kapitalanlage-Vorgangs wesentlich erleichtert. 2. D i e Z i e l e d e s K a p i t a l a n l a g e - V o r g a n g s u n d A b g r e n z u n g gegenüber der S p e k u l a t i o n
die
Unter Kapitalanlage versteht man ganz allgemein die Hingabe von Geld für Investitionen, das dem Investor selbst gehört oder diesem unmittelbar gegen die Einräumung von Beteiligungsrechten oder mittelbar gegen die Begründung von Gläubigerrechten überlassen wird12. Literatur und Sprachgebrauch bezeichnen oftmals nicht nur den A k t der Geldhingabe für Investitionszwecke, sondern auch die hinter den erworbenen Eigentums-, Beteiligungs- und Gläubigerrechten stehenden Objekte als Kapitalanlage. Um die doppelsinnige Verwendung des Wortes „Kapitalanlage" zu vermeiden, w i r d deshalb i m folgenden zwischen dem Kapitalanlage-Akt bziw. Kapitalanlage-Vorgang einerseits und dem Kapitalanlage-Objekt andererseits unterschieden. Dem Kapitalanlage-Vorgang muß ein Kapitalbildungs-Prozeß vorausgegangen sein, d. h. die Ansammlung von Geldern für Investitionszwecke durch nicht-konsumtive Einkommensverwendung. 8
Preiser, Erich: a.a.O., S. 20. Den Begriff ,Wertdinge höherer Ordnung' ü b e r n i m m t Preiser von Oppenheimer. 10 Preiser, Erich: a.a.O., S. 19. 11 Preiser u n d Hartmann liefern a.a.O. hierfür eine eingehende Beweisführung, worauf i n diesem Zusammenhang nicht einzugehen ist. 12 So auch Mering, Otto von, u n d Linhardt, Hanns: A r t i k e l „ K a p i t a l anlage", i n : HdSw., 12. Lieferung, Stuttgart, Tübingen u n d Göttingen 1956, S. 494. 9
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Allgemeine Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik
I m einzelnen kann sich die Kapitalbildung wie folgt vollziehen: a) durch· Haushalte, die Teile ihres Geldeinkommens nicht konsumieren und dieses aa) entweder unmittelbar i n Produktionsgütern anlegen (Privateinlagen) bzw. Investoren gegen Aushändigung von A k t i e n oder Anteilscheinen überlassen, ab) oder mittelbar über Banken, Sparkassen bzw. Versicherungen der Investition gegen verzinsliche Gutschrift oder Übergabe von Wertpapieren überlassen, b) durch Unternehmungen, die Teile ihres Einkommens nicht als Gew i n n ausschütten und i n Produktionsgütern anlegen. Die Betriebswirtschaftslehre spricht i n diesem Fall von Selbstfinanzierung, c) durch den Staat, wenn er Steuergelder der Produktion zuführt und d) durch die Tätigkeit der Bankinstitute i m Kreditsystem einer Volkswirtschaft. Hierbei erfolgt die Kapitalbildung dadurch, daß zukünftige Ersparnisse der Wirtschaftseinheiten durch die Banken vorweggenommen und Investoren zugänglich gemacht werden. Diese A r t der Kapitalbildung w i r d allgemein als Geldschöpfung bezeichnet, ist jedoch in der Literatur umstritten. Sie findet ihre Begrenzung i n der Sparwilligkeit u n d -fähigkeit der Wirtschaftssubjekte, sollen schwerwiegende Schädigungen der Volkswirtschaft vermieden werden 1 3 . Jeder Kapitalanlage geht also ein Konsumverzicht voraus. F ü r diesen Konsumverzicht muß der Anleger, wenn die Anlage für ihn einen Sinn haben soll, entschädigt werden. Das geschieht dadurch, daß er an dem durch die Investition erzielten Ertrag auf dem Wege der direkten Beteiligung oder der Verzinsung partizipiert. Die Erwirtschaftung eines Ertrages gehört somit zu den Zielen des Kapitalanlage-Vorgangs. Abgesehen von der Teilnahme am Ertrag w i r d der Konsumverzicht für den Anleger weiterhin nur dann tragbar erscheinen, wenn 'der ursprünglich unterlassene Konsum zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann 1 4 . Die Erhaltung des Kapitals während der Anlagedauer gehört somit ebenfalls zu den Zielen des Kapitalanlage-Vorgangs. Dabei kann man die Erhaltung des Kapitals vom hingegebenen Geld oder von der damit ermöglichten Investition aus betrachten. I m ersten Fall kann man von Erhaltung des Kapitals dann sprechen, wenn i m Zeitpunkt der Rückwandlung des angelegten Kapitals in Geld dem Anleger entweder die gleiche Geldsumme zur Verfügung gestellt wird, die dieser ursprünglich hingab (nominelle Kapitalerhaltung), oder die13 Vgl. Schneider, Erich: Einführung i n die Wirtschaftstheorie, 3. Bd. 3. Aufl., Tübingen 1957, Forstmann, Albrecht: Geld u n d K r e d i t , Göttingen 1952 u n d die dort angegebene Literatur. 14 So auch. Gasser, Christian u n d Meyer, Werner: Der schweizerische K a p i t a l m a r k t , 2. Bd., Zürich u. St. Gallen 1952, S. 329.
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Kapital, Kapitalanlage und Spekulation
jenige Geldsumme, welche die gleiche K a u f k r a f t wie die ursprünglich hingegebene Geldsumme repräsentiert (reale Kapitalerhaltung). I m zweiten F a l l sieht man die Erhaltung des Kapitals dann als gegeben an, wenn i m Rückwandlungszeitpunkt eine Geldsumme zur Verfügung steht, die ausreicht, das ursprüngliche Investitionsgut neu zu beschaffen (materielle Kapitalerhaltung oder Substanzerhaltung) 1 5 . Zusammenfassend können w i r m i t h i n feststellen, daß m i t dem K a pitalanlage-Vorgang zwei Ziele angestrebt werden: Anteilnahme am Ertrag der ermöglichten Investition und Erhaltung des Kapitals während der Anlagedauer 16. Abschließend ergibt sich noch die Notwendigkeit, den KapitalanlageVorgang von der Spekulation abzugrenzen, die ihrerseits auf der H i n gabe von Geld f ü r Investitionszwecke beruhen kann. Sehen w i r m i t Röpke 17 i n der Spekulation die Ausnutzung leistungsloser Gewinnmöglichkeiten, so ergibt sich die Abgrenzung aus der unterschiedlichen Zielsetzung. Wie ausgeführt, ist das Ziel des Kapitalanlage-Vorgangs i n der Teilnahme a m Ertrag für die ermöglichten Investitionen u n d der Erhaltung des Kapitals während der Anlagedauer zu sehen, während die Spekulation lediglich an der Ausnutzung kurzfristig auftretender Preisunterschiede der Anlage-Objekte interessiert ist. E r streckt sich allerdings die Spekulation auf längere Zeiträume, so ist sie nach außen h i n nicht vom Kapitalanlage-Vorgang zu unterscheiden. Differenzierungsmerkmal ist i n diesem F a l l n u r die innere Einstellung des Kapitalanlegers, d. h., ob ein Streben nach G e w i n n aus Preisunterschieden oder die Erzielung eines angemessenen Ertrages u n d die E r haltung des Kapitals während der Anlagedauer die M a x i m e des Handelns bestimmen. 3. D i e M e r k m a l e
der K a p i t a l a n l a g e
-Objekte
Grundsätzlich ist es gleichgültig, ob sich der Kapitalanlage-Vorgang über die Einräumung von Eigentums- bzw. Beteiligungsrechten oder über die Begründung von Gläubig err echten vollzieht. So sind Produktionsmittel, A k t i e n , sonstige Unternehmungsanteile sowie Schuldverschreibungen, Pfandbriefe, Hypotheken usw. gleichermaßen als 15
Hax, K a r l : Die Substanzerhaltung der Betriebe. K ö l n 1957, S. 13—19. I n ähnlicher Weise sieht auch Egger das Ziel des Kapitalanlagevorgangs, indem er schreibt: „Eine Kapitalanlage liegt vor, wenn das K a p i t a l durch die wirtschaftliche Tätigkeit, i n der es investiert ist, erhalten bleibt, und sich angemessen verzinst. — (Egger, J. G.: Kapitalanlage und Vermögensverwaltung, 2. Aufl., Tübingen 1939, S. 3.) — Er fügt hinzu, daß man von Kapitalanlage n u r dann sprechen kann, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit, durch die das K a p i t a l erhalten u n d der Zins erwirtschaftet w e r den muß, auf dauernder, gesicherter Grundlage stattfindet. 17 Röpke, W i l h e l m : Die Lehre v o m Wirtschaftsbetrieb, 5. Aufl., Zürich 1951, S. 126. 16
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Allgemeine Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik
Kapitalanlage-Objekte anzusehen. Wegen des Unterschieds, der sowohl i n rechtlicher wie i n wirtschaftlicher Betrachtungsweise zwischen diesen Kategorien der Kapitalanlage-Objekte besteht, spricht man jedoch zweckmäßigerweise von Sach- oder Realwertanlagen und Nominaloder Geldwertanlagen 18. Ob ein Eigentums- bzw. Beteiligungsrecht oder ein Gläubigerrecht Kapitalanlage-Objekt sein kann, entscheidet regelmäßig die Frage, ob dadurch die Ziele des Kapitalanlage-Vorgangs erreicht werden. Die Kapitalanlage-Objekte müssen m i t h i n einen Ertrag abwerfen und das angelegte Kapital während der Anlagedauer erhalten. Fehlt eines dieser Merkmale, kann von Kapitalanlage-Objekt nicht gesprochen werden. I n der Literatur werden die Grenzen, wann ein Kapitalanlage-Objekt vorliegt, of tmals ' weiter gezogen. So sehen beispielsweise Zollinger 19 und Zürcher 20 i n ihren Untersuchungen auch Eigentumsrechte an solchen Gütern als Kapitalanlage-Objekt an, die lediglich das angelegte Geld erhalten, nicht aber auch einen Ertrag abwerfen. Nach Meinung von Zürcher können m i t h i n auch Gold, Edelsteine, Pretiosen, wertvolle Gemälde usw. Kapitalanlage-Objekte sein. W i r vermögen jedoch einer solchen Interpretation des Begriffs „Kapitalanlage-Objekt" nicht zu folgen, da diese den unseren Untersuchungen zugrunde liegenden Kapitalbegriff widerspricht.
II. Kapitalanlage-Politik und Kapitalanlage-Risiken 1. B e g r i f f
und
Wesen
der
Kapitalanlage-Politik
Die Merkmale, die ein Kapitalanlage-Objekt auf weisen muß, wie K a pitalerhaltung und Verzinsung während der Anlagedauer, sind nicht beständig an ein- und dieselbe Kapitalanlage-Kategorie gebunden, sondern vielmehr i m Konjunkturablauf fortlaufenden Veränderungen ausgesetzt. Es droht der E i n t r i t t einer Reihe von Gefahren, deren Auswirkungen den Kapitalanlage-Charakter eines Anlage-Objekts beeinträchtigen, ja sogar nehmen können. Jedes Kapitalanlage^Objekt unterliegt Einflüssen von Seiten der Produktionstechnik und des Marktes und dam i t auch den sich vollziehendem Veränderungen der Verbrauchs- und 18 Vgl. Schmidt, F r i t z : Die organische Tageswertbilanz, Leipzig 1929, S. 28 ff. — Schäfer, Erich: Die Unternehmung, E i n f ü h r u n g i n die Betriebswirtschaftslehre, 2. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1944, S. 142—143. — Zürcher, Walter: Sachwerte als Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmungen, Zürich und St. Gallen 1955, S. 29—32. 19 Zollinger, W.: Die Wertbeständigkeit i n der Lebensversicherung, Zins u n d A.H.V., i n : Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft u n d Statistik, 90. Jg. 1954, S. 195—213. 20 Zürcher, Walter: a.a.O., S. 7—9.
Die Kapitalanlage-Politik u n d ihre Risiken
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Geschmacksgewohnheiten i n einer Volkswirtschaft. Es entsteht somit die Notwendigkeit, die Kapitalanlage-Objekte laufend zu überwachen, damit sie notfalls gegen andere Objekte umgetauscht und auch· die neu anzulegenden Kapitalien entsprechend umgelenkt werden können. Die Gesamtheit aller Entscheidungen, die i n bezug auf die Umwandlung von Geld i n Kapitalanlage-Objekte und umgekehrt, sowie i m H i n blick auf eine regelmäßige Verwaltung und Kontrolle der Kapitalanlage-Objekte zu planen und zu treffen sind, wollen w i r i m folgenden m i t Kapitalanlage-Politik bezeichnen 21 . Alle diese Entscheidungen müssen auf den Erfahrungen der Vergangenheit, den Beobachtungen der Gegenwart und der Beurteilung der Zukunft aufbauen. Jede Entscheidung i m Wirtschaftsleben ist grundsätzlich mit Risiken verbunden. Zur Vermeidung bzw. zur Minderung der Risiken muß jedes Wirtschiaftssubjekt gewisse Vorkehrungen treffen, die man i n ihrer Gesamtheit als Risikopolitik bezeichnet. Die KapitalanlagePolitik ist somit auch als ein Teilbereich der allgemeinen Risikopolitik zu verstehen. 2. D i e
allgemeinen
Kapitalanlage-Risiken
Voraussetzung für die Maßnahmen der Risikopolitik und damit auch für die Kapitalanlage-Politik ist das Risikobewußtsein 22. Dieses muß bei den m i t der Kapitalanlage-Politik beauftragten Stellen einer Wirtschaftseinheit unbedingt vorhanden sein. Es erscheint demnach erforderlich, zunächst i n ganz allgemeiner Form, die Risiken zu beschreiben, denen jedes Kapitalanlage-Objekt i m Wirtschaftsablauf ausgesetzt ist, u m hiervon ausgehend, die allgemeinen Grundsätze i m Hinblick auf die Auswahl der Anlage-Objekte zu entwickeln. Trotz aller Bedenken, die einer Schematisierung von Tatbeständen des Wirtschaftslebens entgegenstehen, sei versucht, die laufend den Kapitalobjekten drohenden Risiken i n vier Grundtypen zusammenzufassen. I m einzelnen können w i r unterscheiden 23 : 21 Anstelle des Begriffs Kapitalanlage-Politik stößt man i n der L i t e r a t u r auch auf den Begriff Vermögensverwaltung. Nach der Ansicht von Rubow umfaßt der Begriff Vermögensverwaltung „sowohl das Anlagegeschäft als auch die spätere laufende V e r w a l t u n g der Anlagen". (Rubow, Hans: V e r mögensverwaltung, i n : Deutsche VersicherungsWirtschaft, 2. Bd., B e r l i n 1936, S. 496.) 22 Vgl. Hax, K a r l : D i e Betriebs-Unterbrechungsversicherung, K ö l n 1949, S. 24. 23 Hax unterscheidet folgende Kapitalanlage-Risiken: a) Das Bonitätsrisiko des Schuldners, b) das Risiko der Sachwertschwankungen, c) das Risiko der Geldwertschwankungen. (Hax, K a r l : Die Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen . . . , a.a.O., S. 153.) — Egger trennt zwischen inneren u n d äußeren Einflüssen auf die Kapitalanlage. Bei letzteren unterscheidet er
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Allgemeine Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik
a) das Risiko der E i n w i r k u n g von Elementargewalten, b) das Risiko vom Schwankungen des Marktpreises des KapitalanlageObjekts, c) das Risiko von Staatsinterventionen (politisches Risiko). Die A u s w i r k u n g e n dieser Risikoarten auf die Kapitalanlage-Objekte vollziehen sich i n der wirtschaftlichen W i r k l i c h k e i t nicht isoliert; sie bilden vielmehr einen Risikokomplex, bei dem je nach der Gesamtsituation der wirtschaftlichen Kräfte einer Volkswirtschaft bzw. je nach dem Kapitalanlage-Objekt, das Schwergewicht bald auf der einen, bald auf der anderen Risikoart liegt. W i l l man diesen Risikokomplex durchleuchten, empfiehlt es sich, die einzelnen Risikoarten einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen, was i m folgenden geschehen soll. Dabei w i r d wegen des grundsätzlichen Unterschiedes, der zwischen Sach- und Nominalanlagen besteht, die Untersuchung getrennt für diese Anlagekategorien durchgeführt und versucht, ganz generell den Rahmen abzustecken, innerhalb dessen Grenzen sich die einzelnen Risikoarten auf die K a p i t a l anlage^Objekte auswirken können. Z u a): Das Risiko der E i n w i r k u n g von Elementargewalten Jeder Sachwert w i r d i n seinem Bestand von den Elementargewalten, wie Feuer, Brand, Blitzschlag, Explosion, Erdbeben usw. bedroht. Der E i n t r i t t einer dieser Gefahren kann den vollständigen oder teilweisen Verlust der Substanz des Sachwertes zur Folge haben u n d damit gleichzeitig auch dessen Ertragskraft beinträchtigen oder ganz brechen. Kapitalanlage-Objekte i n der Form von Sachwerten werden u n m i t t e l bar vom Ausbruch der Elementargewalten betroffen. Je nach dem U m fang des Schadenereignisses können sowohl die Ertragsaussichten als auch die Möglichkeit zur Rück Wandlung des Kapitalanlage-Objekts i n Geld berührt werden und d a m i t der Kapitalanlage-Charakter verlorengehen. Kapitalanlage-Objekte i n der F o r m von Nominalanlagen werden h i n gegen nur m i t t e l b a r von den Elementarrisiken betroffen, u n d zwar i n der Weise, daß durch den E i n t r i t t eines Elementarschadens die Möglichkeit zur Realisierung der Forderungsrechte auf Kapitalrückzahlung und Verzinsung, auf denen diese Kategorie der Kapitalanlage-Objekte basiert, verringert bzw. überhaupt illusorisch w i r d . I n w i e w e i t die durch Elementarrisiken verursachten Schäden auf die Nominalanlagen rückwirken, kann allgemein nicht beurteilt werden. Dies ist eine Frage der rechtlichen Gestaltung der Kreditverträge bzw. der wirtschaftlichen Tragbarkeit des Schadenereignisses durch den Investor. zwischen Schwankungen des Zinsfußes, Schwankungen der M a r k t v e r h ä l t niisse und Schwankungen des Geldwertes. (Egger, J. G.: Kapitalanlage und Vermögensverwaltung, 2l Aufl.,Tübingen 1939, iS. 11 ff.)
Die Kapitalanlage-Politik u n d ihre Risiken
Es zeigt sich also, daß der E i n t r i t t von Elementar-Risiken sowohl auf Sachwert- als auch auf Nominalanlagen rückwirkt, wobei erstere unmittelbar, letztere nur mittelbar betroffen werden. Z u b) Das Risiko von Schwankungen des Marktpreises der Kapitalanlage-Objekte Jedem Kapitalanlage-Objekt ist ein Marktpreis zugeordnet, der Auskunft gibt über die Rückwandlungsmöglichkeit des gebundenen Kapitals i n Bargeld. Der Marktpreis resultiert aus der jeweiligen M a r k t konstellation, d. h. aus dem jeweiligen Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Er bestimmt sich m i t h i n als Synthese der entgegengesetzten Interessenrichtungen von Käufern und Verkäufern. Bedarfsverschiebungen, Änderungen der Produktionstechnik und ähnliches, können die Marktsituation für einzelne Kapitalanlage-Objekte erheblich beeinflussen. Allgemein kann man jedoch sagen: je breiter der M a r k t für ein Kapitalanlage-Objekt ist, desto geringer sind die Schwankungen seines Marktpreises. Sach- und Nominalanlagen sind gleichermaßen unmittelbar solchen Schwankungen der Wertschätzung durch den M a r k t ausgesetzt. Bei Nominalanlagen (Forderungsrechten) hängt der M a r k t w e r t nicht allein von der Marktkonstellation, sondern auch von der Bonität des1 Schuldners ab. I m letzten Falle sind es also gewissermaßen innere Veränderungen des Anlage-Objektes, die dann mittelbar auch zu einer Änderung seines Marktwertes führen. Z u c): Das Risiko von Veränderungen der Kaufkraft des Geldes Alle Kapitalanlage-Objekte sind hinsichtlich ihres Ertrages und ihrer Kapitalsubstanz den Veränderungen der Kaufkraft des Geldes ausgesetzt. Dabei sind unter Kaufkraft des Geldes der jeweilige Preis einer bestimmten repräsentativen Gütermenge verstanden. Verändert sich das Verhältnis von Geldeinheit zu Gütermenge, werden die Ertrags- bzw. Zinssituation und die Erhaltung des angelegten Kapitals ausgedrückt i n Geldeinheiten beeinflußt. Beginnen w i r unsere Untersuchungen bei den Sachanlagen. Sinkt die Kaufkraft des Geldes zwischen dem Zeitpunkt des KapitalanlageVorgangs und dem Zeitpunkt der Rückwandlung der KapitalanlageObjekte i n Bargeld, so bedeutet dies, daß für die Sachanlagen mehr Geldeinheiten erlöst werden können als ursprünglich angelegt wurden. Die Rückwandlungsmöglichkeit des Kapitals w i r d demnach günstiger. Gleichermaßen t r i t t unter der Voraussetzung, daß die Erträge mengen* mäßig gleich bleiben, eine Verbesserung der Ertragslage, ausgedrückt i n Geldeinheiten, ein. Steigt hingegen während der Anlagedauer die Kaufkraft des Geldes, so setzt die entgegengesetzte Entwicklung ein. Bei der Rückwandlung der Kapitalanlage-Objekte in Geld werden weniger Geldeinheiten erlöst als ursprünglich eingesetzt wurden, wie
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Allgemeine Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik
auch die Ertragslage, ausgedrückt in Geld, schlechter wird. Es zeigt sich also, daß die Marktpreise der Sachanlagen theoretisch der Kaufkraft des Geldes, d. h. den Änderungen des allgemeinen Preisniveaus, folgen, und zwar sowohl in positiver als auch in negativer Richtung. Dies gilt natürlich nur i n ganz allgemeiner Betrachtung. Tatsächlich ergeben sich je nach der A r t der Sachanlagen Unterschiede hinsichtlich der Reagibilität der Marktpreise i n bezug auf Veränderungen des allgemeinen Preisniveaus. Gänzlich anders als bei den Sachanlagen wirken Kaufkraftveränderungen des Geldes auf Nominalanlagen. Wie schon erläutert, werden Nommalanlagen durch Forderungsrechte m i t unterschiedlicher Laufzeit repräsentiert. Während der Kreditdauer kann der Gläubiger zu den vereinbarten Terminen mit Zinszahlungen i n festgelegter Höhe rechnen und nach Ablauf des Kreditvertrages die Rückzahlung der u r sprünglich ausgeliehenen Geldsumme erwarten. Sinkt oder steigt nun während der Kreditdauer die Kaufkraft des Geldes, so entstehen für die Eigentümer von Nominalanlagen Verluste bzw. Gewinne an realer Kaufkraft, da er nun mehr bzw. weniger für die Konsumgüter zahlen muß als ursprünglich bei Abschluß des Kreditvertrages. Gleichermaßen ändert sich natürlich auch die Kaufkraft der vereinbarten Zinszahlungen. Dabei werden die Kaufkraftgewinne und -Verluste um so größer, je mehr Kapital eine Nominalanlage bindet und je stärker die Kaufkraftschwankungen des Geldes sind. Unsere Überlegungen zeigen, daß sowohl Sach- als auch Nominalanlagen den Veränderungen der Kaufkraft des Geldes ausgesetzt sind. Stellen w i r schließlich Nominal- und Sachanlagen einander gegenüber, so kommen w i r zu dem Ergebnis, daß sich diese entgegengesetzt in bezug auf die möglichen Kaufkraftschwankungen des Geldes verhalten: die Nominalanlagen verlieren bei sinkender Kaufkraft im gleichen Maß an realem Wert wie die Marktpreise der Sachanlagen gewinnen und vice versa. Der Rahmen, i n dem sich Kaufkraftschwankungen des Geldes vollziehen können, ist abhängig von der allgemeinen Wirtschafts-Politik, die i n einer Volkswirtschaft verfolgt w i r d und nicht zuletzt von dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte selbst. A n dieser Stelle kann jedoch nicht näher auf diesen Problemkreis eingegangen werden. Ζ u d) : Das Risiko der Staatsintervention (politisches Risiko) Jedes Kapitalanlage-Objekt ist dem direkten Eingriff staatlicher Verwaltungsmaßnahmen ausgesetzt 24 . Diese können sich sowohl gegen den Bestand als auch gegen die Ertragskraft des Kapitalanlage-Objekts oder gegen beides gemeinsam richten. So können ζ. B. für Sachanlagen 24
Vgl. Küng, E m i l : A r t i k e l „Interventionismus", i n : HdSw., 9. Lieferung, Stuttgart, Tübingen u n d Göttingen 1955, S. 321—329.
Die Kapitalanlage-Politik u n d ihre Risiken
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Stoppreise, Produktionsbeschränkungen usw. angeordnet werden, so daß durch diese Maßnahmen sowohl die Ertragslage als auch die Rückwandelbarkeit i n Geld beeinfiußt wird. Mittelbar werden von solchen Verfügungen auch die Nominalanlagen berührt, da "durch diese die Bonität der Schuldner beeinträchtigt wird. Umgekehrt kann sich die A k t i v i t ä t des Staates auch auf die Nominalanlagen richten und die Rückzahlungswerte und Zinssätze manipulieren. Durch die staatlichen Eingriffe auf die Nominalanlagen können mittelbar auch die Sachanlagen beeinfiußt werden, da durch höhere oder niedrigere Aufwendungen für Kredite die Ertragslage der Unternehmungen verändert wird.
im
3. D i e a l l g e m e i n e n H i n b l i c k auf das
Au s Wahlgrundsätze Kapitalanlage-Objekt
Aufgabe der Kapitalanlage-Politik einer Wirtschaftseinheit ist es, i m Rahmen der Risikopolitik die m i t dem Kapitalanlage-Vorgang verbundenen Wagnisse so gering wie möglich zu halten, d. h. tragbar zu gestalten. U m dies zu erreichen, sind die verschiedenen Anlagerisiken gegeneinander abzuwägen, und erst i m Anschluß daran können die notwendigen Entscheidungen getroffen werden. Wesentlich ist beim Kapitalanlage-Vorgang natürlich die Zielsetzung, unter der das W i r t schaften der einzelnen Wirtschaftseinheit erfolgt. So w i r d sich ζ. B. die Kapitalanlage-Politik eines Produktionsunternehmens wesentlich anderen Problemen gegenübergestellt sehen, als die eines Privatmannes oder einer Versicherungs-Unternehmung. Die Betriebswirtschaftslehre hat ganz allgemeine Grundsätze i m Hinblick auf die Auswahl des Kapitalanlage-Objekts entwickelt, die jede Wirtschaftseinheit bei ihrer Kapitalanlage-Politik zu beachten hat. Diese sind: a) Der Grundsatz der Sicherheit, b) der Grundsatz der Liquidität und c) der Grundsatz der Rentabilität. Nachfolgend seien diese Grundsätze kurz betrachtet, bevor in einem weiteren Abschnitt auf die speziellen Auswahlgrundsätze der Kapitalanlage-Politik von Lebensversicherungs-Unternehmungen eingegangen werden kann. Z u a): Der Grundsatz der Sicherheit Den Grundsatz der Sicherheit könnte man dahingehend auslegen, daß er dann verwirklicht ist, wenn jede Verlustmöglichkeit ausgeschlossen ist. Dies ist jedoch niemals zu erreichen; denn der Zustand absoluter Sicherheit steht i m Gegensatz zur Natur der Dinge, die durch Unsicherheit i m weitesten Sinn gekennzeichnet wird. W i r 3
Lukarecb
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Allgemeine Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik
müssen uns demnach nach einer anderen Auslegung des Grundsatzes der Sicherheit umsehen. -Die heutige Wirtschaftspraxis und das geltende Hecht sehen ein Kapitalanlage-Objekt dann als sicher an, wenn zu erwarten ist, daß „der ausgeliehene Nominalbetrag nach Ablauf der vereinbarten Frist wieder zurückerstattet und die durch einen Prozentsatz des geliehenen Nominalbetrags festgelegten Zinsen pünktlich bezahlt werden" 2 5 . Dabei setzt man Geldeinheit gleich Geldeinheit ohne Rücksicht auf die sich etwa ergebenden Kaufkraftschwankungen des Geldes. Zur Bestimmung der Sicherheit w i r d also praktisch i n erster Linie auf die i n die Kapitalanlage umgewandelten Geldbeträge abgestellt. Dieser rein nominellen Auffassung des Grundsatzes Sicherheit kann man die reale gegenüberstellen 26 . Als realsicher kann man dabei ein solches Kapitalanlage-Objekt bezeichnen, wenn bei dessen Rückwandlung i n Geld der erzielbare Preis dem ursprünglich investierten Kapital kaufkraftmäßig entspricht. Der Betrag an nominellen Geldeinheiten spielt dabei überhaupt keine Rolle. Demnach resultiert die Realsicherheit allein aus dem Kräfteparallelogramm, das sich aus dem speziellen Preisniveau, das für das Kapitalanlage-Objekt besteht, und dem allgemeinen Preisniveau einer Volkswirtschaft zusammensetzt. Weiterhin w i r d die Realsicherheit einer Kapitalanlage auch davon berührt, wie sich die während der Besitzdauer anfallenden Erträge zur Entwicklung der Kaufkraft des Geldes verhalten. Folgen diese nicht den Veränderungstendenzen, so w i r d auch von dieser Seite die Realsicherheit des Kapitalanlage-Objekts beeinträchtigt. Der so ausgelegte Grundsatz der Sicherheit von Kapitalanlagen setzt aber ein grundsätzliches Umdenken der Wirtschaftssubjekte voraus. Dies w i r d deutlich, vergleicht man die Reaktion eines Kapitalanlegers, der einen Verlust von 4 0 % seiner Kapitalanlage durch Geldentwertung zu tragen hat, m i t derjenigen eines solchen, der durch Konkurs 40 «/ des nominellen Wertes seiner Kapitalanlage einbüßt. „ I m ersten Fall w i r d die Geldentwertung vom Sparer meist ohne viel Aufhebens hingenommen, w e i l sie sich i n kleinen Teilprozessen vollzieht, fast unsichtbar, ungreifbar, den äußeren Schein der Dinge kaum berührend. I m zweiten Fall t r i t t der Verlust plötzlich und deutlich erkennbar in Erscheinung. Trotzdem ergeben sich für den Sparer aus beiden Vorgängen schließlich die gleichen realen wirtschaftlichen Auswirkungen 2 7 ." ™ Gasser, Christian u n d Meyer, Werner: Der schweizerische m a r k t , I I . Bd., a.a.O., S. 320. 26 V g l Gasser, Christian u n d Meyer, Werner: I I . Band, a.a.O., Hax K a r l : Die Kapitalanlagepolitik . . . a.a.O., S. 153. — Jedzig, Werterhaltung von Kapitalanlagen, F r a n k f u r t a. M . 1951. — Walter: Sachwerte . . . a.a.O., S. 15. . β 27 Gasser, Christian u n d Meyer, Werner: Der schweizerische m a r k t , I I . Band, a,a.O., S. 321.
KapitalS. 320. — Werner: Zürcher, Kapital-
Die Kapitalanlage-Politik u n d ihre Risiken
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Trotz des tiefwurzelnden nominellen Denkens w i r d i n Zukunft doch der realen Sicherheit gegenüber der nominellen der Vorrang gegeben werden müssen: „erstens, weil der Geldwert unter bestimmten Umständen unbegrenzt sinken kann, wie es i n Europa nach dem Krieg der Fall war (und i m Licht der verflossenen Geschichte ist das ein bedeutsames Risiko, gegen das es sich lohnt, Vorkehrungen zu treffen), während ein entsprechendes Steigen außer Frage steht; zweitens, weil abgesehen von Katastrophen, die Gesellschaftsklassen, die aus dem sinkenden Geldwert Vorteil ziehen, stärker sind als diejenigen, die aus dem steigenden Wert profitieren 2 8 ." Ζ αϊ b): Der Grundsatz der Liquidität Die Betriebswirtschaftslehre unterscheidet absolute und relative Liquidität. Unter absoluter Liquidität versteht man ganz allgemein die „Nähe" eines Kapitalanlage-Objekts „zum Geldstadium" 2 9 . Sie hängt deshalb sowohl von den besonderen Eigenheiten des KapitalanlageObjekts ab, wie ζ. B. seinem allgemeinem Zustand, der Höhe des gebundenen Kapitals usw., als auch von der jeweiligen Marktsituation, die für das Kapitalanlage-Objekt besteht. Da sich zu einem nicht adäquaten Preis praktisch jedes Kapitalanlage-Objekt veräußern läßt, w i r d deutlich, daß die absolute Liquidität i n engstem Zusammenhang zum Grundsatz der Sicherheit steht, gleichgültig, ob man diese vom Standpunkt der realen oder nominellen Betrachtungsweise sieht. M i t relativer Liquidität oder Liquidität i m eigentlichen Sinn kennzeichnet man die Zahlungsfähigkeit einer Wirtschaftseinheit, m i t anderen Worten das Verhältnis von Schulden unter Berücksichtigung ihrer Fälligkeiten zu ihren Deckungsmitteln. „Je nach dem Zweck und den Möglichkeiten der Liquiditätsbeurteilung bedient sich die Praxis mehrerer Abwandlungen der allgemeinen Liquiditätsformel 3 0 ." Die unterschiedlichen Inhalte, die dem Liquiditätsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre beigemessen werden, stehen jedoch einander nicht konträr gegenüber. Beide sind von einer gemeinsamen Ursache abhängig, nämlich der Möglichkeit der Rückwandlung von Kapital in die Form von Bargeld. Der Auswahlgrundsatz Liquidität verlangt, daß der Grad der absoluten Liquidität der Kapitalanlage-Objekte m i t der relativen Liquidität i m Einklang steht. Der zulässige absolute Liquiditätsgrad der Anlage-Objekte hängt m i t h i n weitgehend von der Fristigkeit der Verbindlichkeiten der Wirtschaftseinheit ab. 28
Keynes , J[ohn] M f a i n a r d ] : Kapitalanlagepolitik der Lebens Versicherungsgesellschaften nach, englischer Auffassung, i n : Zt. Jg. 1927, S. 37—38. 29 Schäfer, Erich: Die Unternehmung, Einführung i n die Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, 2. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1954, S. 141. 30 Schäfer, Erich: a.a.O., S. 151. 3*
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Allgemeine Grundlagen einer Kapitalanlage-Politik
Ζ u c) : Der Grundsatz der Rentabilität Unter Rentabilität eines Kapitalanlage-Objekts versteht man ganz allgemein dessen finanzielle Ergiebigkeit. Die Messung der Rentabilität eines Anlage-Objekts erfolgt durch den Vergleich von dem i n einer Periode erzielten Ertrag und dem angelegten Kapital. Üblicherweise bildet man eine Prozentzahl nach der Formel: Rentabilität i n · / . =
Ertrag einer bestimmten Periode X 100 ^ ^ T K a ^ i t a l
Literatur und Praxis verwenden vielfach für Rentabilität auch die Bezeichnung Rendite. I n Ubereinstimmimg m i t den Gepflogenheiten des statistischen Bundes- bzw. Reichsamts wollen w i r hier unter Rendite die Prozentzahl verstehen, die sich aus dem Verhältnis von erzieltem Ertrag einer Periode zu dem gleich 100 gesetzten M a r k t - bzw. Börsenpreis des Kapitalanlage-Objekts ergibt. Der Auswahlgrundsatz Rentabilität verlangt, daß für jedes AnlageObjekt die Relation von Ertrag zu eingesetztem Kapital möglichst günstig sein soll. Allgemein gilt jedoch der Satz, daß die Rentabilität um so höher ist, je geringer die Sicherheit des Objekts ist und umgekehrt 3 1 . Die Rentabilität entschädigt demnach zu einem gewissen Grad die Risikofreudigkeit des Anlegers. Den beschriebenen Aus Wahlgrundsätzen kann kein Anlage-Objekt i n vollkommener Weise genügen. Regelmäßig muß ein Grundsatz zugunsten eines anderen zurücktreten. Auch ist zu berücksichtigen, daß sich das Gewicht und damit die Bedeutung der Anlagegrundsätze i m Zeitablauf verschieben. Diesen Tatsachen hat der Anleger durch laufende Maßnahmen der Kapitalanlage-Politik Rechnung zu tragen. I m Vordergrund w i r d dabei immer die wirtschaftliche Zielsetzung der einzelnen Wirtschaftseinheiten stehen. I m folgenden Abschnitt sei nun erörtert, wie es i m Zusammenhang m i t der Erstellung des Versicherungsschutzes in der privaten Lebensversicherung zur Kapitalbildung kommt, um so die besondere Zielsetzung der Kapitalanlage-Tätigkeit von Lebensversicherungs-Unternehmungen verständlich zu machen.
31 Vgl. Lengyel, l i n 1921, S. 94.
S.: Die Bilanzen der Versicherungsunternehmungen, Ber-
Grundlagen der Lebensversicherung
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B. Kapitalbildung und Kapitalanlage als wesensnotwendiger Bestandteil der Lebensversicherungstechnik I. Aufgabe, Wesen und Formen der Lebensversicherung 1. B e g r i f f
und
Wesen
der
Versicherung
I n der Natur des Menschen liegt ein gewisses Streben nach Vorsorge für unerwartet eintretende Verluste, die sich i m Laufe des menschlichen Lebens ereignen können. Über verschiedene Zwischenstufen und Formen hinweg entwickelte sich aus diesem Streben die Institution der Versicherung, deren Aufgabe es ist, die Vorsorge des einzelnen i m Hinblick auf materielle Verluste gegen Entgelt in Form von Prämien oder Beiträgen zu übernehmen. Das Schrifttum hat eine Fülle von Begriffsbestimmungen für den Wirtschaftsvorgang Versicherung' entwickelt 1 , die aber heute zum größten Teil nur noch von dogmengeschichtlicher Bedeutung sind. Als herrschende Lehre hat sich die sogenannte Bedarfsdeckungstheorie durchgesetzt, w o n a c h Versicherung' „gegenseitige schätzbaren Geldbedarfs zahlreicher gleichartig
Deckung zufälligen, bedrohter Wirt-
schaften" ist' 2. Dabei sind unter Wirtschaften Betriebe und Haushalte zu verstehen. Neuerdings wurde an dieser Definition insbesondere von Mahr k r i t i siert, daß sie zu einseitig auf eine bestimmte Organisations- bzw. Rechtsform des Versicherungswesens, nämlich auf den Versicherungsverein auf Gegensèitigkeit abstelle, nicht aber auch den Erwerbsversicherer m i t einbezieht. Das dem Manes'schen Versicherungsbegriff zugrunde liegende Assoziationsprinzip gehört nach der Ansicht von Mahr nicht zum Wesen der Versicherung. „Der Gedanke, daß jeder von der Gefahr Bedrohte seinen Beitrag zur gemeinsamen Gefahrtragung leistet, ist für den Gegenseitigkeitsverein ein Seinskennzeichen, für den Erwerbsversicherer indes nur eine Geschäftsmaxime, eine regulative Idee, der er aus Selbstinteresse nachstreben soll, damit die Gesamtheit der vereinnahmten Beiträge die Auszahlung überdeckt 3 ." Aus diesen Überlegungen heraus faßt Mahr den Begriff Versicherung wie folgt: „Versicherung ist Sicherung der Wirtschaftsführung gegen die aus unabwendbaren Gefahren fließenden Risiken, vollbracht 1 Vgl. hierzu: Mahr, Werner: Einführung i n die VersicherungsWirtschaft, B e r l i n 1951, S. 69—72. — Manes, A l f r e d : Versicherungswesen, 1. Bd., A l l g e meine Versicherungslehre, 5. Aufl., Leipzig u n d Berlin 1930, S. 9—19. — Wagenführ, Horst: Wirtschaftskunde des Versicherungswesens, Stuttgart 1938, S. 17—22i; u n d die dort angegebene Literatur. 2 Manes, A l f r e d : a.a.O., S. 2; so auch: Rohrbeck, Walter: Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsaufgaben des Versicherungswesens, B e r l i n 1939, 3 Mahr, Werner: a.a.O., S. 68.
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
durch Verteilung der Versicherungsleistung auf einen von der gleichen Gefahr bedrohten Kreis von Wirtschaften oder durch einen nach Wahrscheinlichkeitskalkulen wagenden Versicherer 4 ." Diese Definition hat den Vorteil, daß sie die Möglichkeiten verschiedener Organisationsformen i m Versicherungswesen berücksichtigt. Allerdings läßt sich einwenden, daß in ihr im Gegensatz zur Manes' sehen Definition die Grenzen der Versicherung nicht so deutlich zum Ausdruck kommen. So sind z.B. Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen usw. wegen der Schwierigkeit, das Ausmaß ihrer Auswirkungen abzuschätzen, nicht versicherbar, doch w i r d man diese zweifellos zu den aus unabwendbaren Gefahren fließenden Risiken zählen müssen. Eine Kombination der Begriffsbestimmungen von Manes und Mahr scheint hingegen die Vorzüge beider zu vereinigen. So könnte man definieren: Versicherung ist die Deckung eines zufälligen, aber schätzbaren Geldbedarfs durch Verteilung auf einen von der gleichen Gefahr bedrohten Kreis von Wirtschaften oder durch einen nach Wahrscheinlichkeitskalkulen wagenden Unternehmer. Die Bestimmung des Begriffs »Versicherung' in dieser Form soll den weiteren Ausführungen zugrunde gelegt werden. Die Grenzen der Versicherung läßt obige Definition deutlich erkennen. So muß der zu deckende Geldbedarf durch ein zufälliges, aber in seinen materiellen Auswirkungen schätzbares, d. h. voraussichtlich übersehbares Schadenereignis ausgelöst worden sein. Man könnte nun einwenden, daß die Merkmale der Zufälligkeit und der Schätzbarkeit logisch nicht miteinander vereinbar seien 5 . Ohne Zweifel ist dieser Einwand für das einzelne Risiko berechtigt, nicht aber, wenn eine große Zahl von Risiken i n Deckung genommen wird, so daß das wahrscheinlichkeits-theoretische Gesetz der großen Zahl zum Zuge kommt. Unter Zuhilfenahme der Schadenstatistiken bzw. der Sterbetafeln in der Lebensversicherung, die auf den Erfahrungen der Vergangenheit aufbauen, kann die Schadenhäufigkeit u n d an Hand der Höhe der i n Deckung genommenen Vermögenswerte der Schadenumfang für die zukünftigen Perioden m i t ziemlicher Sicherheit geschätzt werden. Dies setzt allerdings voraus, daß sich keine wesentlichen Änderungen i n der Zusammensetzung der untersuchten statistischen Masse ergeben. Die große Zahl der den einzelnen Wirtschaftseinheiten drohenden, versicherbaren Gefahren ließ eine Vielfalt von Versicherungszweigen entstehen. Grundsätzlich kann man diese danach einteilen, ob das 4
Mahr, Werner: a.a.O., S. 76. Hax, K a r l : A r t i k e l „Versicherungswesen", i n : Wirtschaftswissenschaften, K ö l n und Opladen 1958. 5
Handwörterbuch
der
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Grundlagen der Lebensversicherung
durch die Versicherung gedeckte Risiko einen i n Geld bestimmbaren Schaden auszulösen vermag, der i n vielen Fällen konkret erst nachträglich feststellbar ist, ζ. B. bei der Versicherung von Gütern aller Art, oder ob das versicherte Risiko einen Schaden verursachen kann, der nur abstrakt meßbar ist, .und deshalb schon bei Versicherungsabschluß festgelegt werden muß, z. B. bei der Versicherung fast aller Risiken, die die Person des Versicherten treffen. Man unterscheidet demgemäß Schadenversicherung und Summenversicherung, wobei die erste die Güterversicherung und gewisse Bereiche der Personenversicherung (iKrankheitskosten-Versicherung) umfaßt, während sich die Summen Versicherung nur i m Bereich der Personen Versicherung findet. 2. A u f g a b e , der Die Lebensversicherung den n u r abstrakt
Wesen und Besonderheiten Lebensversicherung als Zweig der Personenversicherung deckt
bestimmbaren
Vermögensbedarf,
w i e er i m Z u s a m -
menhang mit vorzeitigem Tod oder übernormaler Lebensdauer auftreten kann. I h r materielles Objekt ist die Ertragskraft der menschlichen Arbeit, die durch den Tod bzw. durch Invalidität infolge eines Unfalls oder Erreichens einer bestimmten Altersgrenze bedroht wird. Das durch die Lebensversicherung gedeckte Risiko liegt demnach i n der Unvorhersehbarkeit der Dauer des menschlichen Arbeitsvermögens bzw. der Dauer des Lebens schlechthin. Hieran werden die wesentlichen Unterschiede der Lebensversicherung im Vergleich zu allen anderen Versicherungszweigen und ihre besonderen charakteristischen Eigenarten deutlich: die Versicherungsleistung muß bei den meisten Formen zwangsläufig für jeden Versicherungsvertrag erbracht werden; lediglich der Zeitpunkt, zu dem sie erstellt werden muß, ist ungewiß und für die einzelnen Versicherungsverhältnisse unterschiedlich. Vom Versicherer her gesehen, ist die Lebensversicherung die entgeltliche Bereitstellung finanzieller Mittel, deren Höhe vom Versicherungsnehmer ex ante zu begrenzen ist, zu einem i n der Zukunft liegenden, von den Lebenserwartungen des Versicherten abhängenden Zeitpunkt. Die Schadenhäufigkeit hängt demnach von dem Verlauf der Sterblichkeit ab, während der Schadenumfang sich nach dem von dem Versicherten festzulegenden Geldbedarf richtet. Betrachtet man die Lebensversicherung von der Warte des Versicherten, so kann man sie als die Summe aller ΒedarfserWartungen bezeichnen, die dieser im Hinblick auf die finanzielle Sicherung seiner Hinterbliebenen bzw. seines einkommenlosen Alters hegt. Das Ziel der Hinterbliebenen- bzw. Altersversorgung kann auch durch den Abschluß von Sparverträgen bei Sparkassen oder Banken verfolgt werden, doch nur die Lebensversicherung ist i n der Lage, eine
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
Garantie dafür zu geben, daß dieses Ziel tatsächlich erreicht wird, auch wenn die Ertragskraft der Arbeit des Versicherungsnehmers durch Tod oder Invalidität vorzeitig ausfällt oder gemindert w i r d Zweifellos ist auch die Lebensversicherung eine Form des individuellen Sparens; „sie ist aber mehr, weil das Risiko des vorzeitigen Todes gedeckt und für einen zufälligen Bedarf vorgesorgt wird. Darin liegt aber das spezifische Merkmal der Versicherung 6 ." 3. D i e F o r m e n
der
Lebensversicherung
I n ihrem Streben, den Versicherungsschutz so weit wie möglich dem herrschenden Bedarf des Publikums anzupassen, und nicht zuletzt unter dem Druck des Konkurrenzkampfes, entwickelte die Lebensversicherungswirtschaft i m Laufe der Zeit zahlreiche Vertragsformen. I m Hinblick auf den Zweck unserer Untersuchung können w i r folgende Grundtypen von Lebensversicherungs-Verträgen unterscheiden, und zwar: a) Die Kapital-Lebensversicherung, bei der im Versicherungsfall die einmalige Auszahlung einer bestimmten Geldsumme erfolgt, und b) die Rentenversicherung, die nach E i n t r i t t des Versicherungsfalls periodisch wiederkehrende Geldzahlungen garantiert. Ζ u a) : Die einfachste Form der Kapital-Lebensversicherung ist die reine Todesfallversicherung, die beim Ableben des Versicherungsnehmers die Zahlung der bei Vertragsabschluß vereinbarten Geldsumme garantiert. Sie w i r d entweder kurzfristig als Risikoversicherung oder langfristig als lebenslängliche Todesfallversicherung abgeschlossen. I m ersten Fall dient sie während einer bestimmten Zeitdauer zur Sicherung der Hinterbliebenen des Versicherungsnehmers, so ζ. B. auf die Dauer einer gefahrvollen Reise, während sie i m zweiten Fall ohne festgelegte Laufzeit entweder die Deckung der Begräbniskosten (Sterbegeldversicherung), oder die Versorgung der Angehörigen des Versicherungsnehmers bezwecken kann. Der Anspruch auf die Versicherungsleistung w i r d durch laufende (d. h. auf die Vertragsdauer bzw. auf die Lebenszeit abgestellte), abgekürzte oder einmalige Beitragszahlung erworben. Eine andere Form der Kapital-Lebensversicherung ist die gemischte Lebensversicherung. Bei dieser w i r d wie bei der Todesfallversicherung die vom Versicherungsnehmer bestimmte Geldsumme bei dessen Ableben fällig, jedoch auch dann, wenn der Versicherungsnehmer ein bestimmtes Lebensalter erreicht. Somit erfüllt diese Vertragsform einen doppelten Zweck, und zwar einmal die Hinterbliebenenversor6 Hax, K a r l : A r t i k e l Versicherungswesen, i n : Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, a*a.O.
Grundlagen der Lebensversicherung
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gung, z.um anderen die persönliche Altersvorsorge. Die für diese Versicherungsform notwendigen Beiträge können während der Versicherungsdauer laufend oder durch eine einmalige Zahlung entrichtet werden. Daneben besteht die Möglichkeit, die Beitragszahlung variabel entsprechend den Einkommensverhältnissen des Versicherungsnehmers zu gestalten. I n diesem Fall spricht man von Aufbau-, Fortschrittsoder Anpassungsversicherung. Als Zusatz zu einer gemischten Versicherung kann die sog. Doppelschutzklausel vereinbart werden. Dabei ist vorgesehen, daß gegen einen gewissen Mehrbeitrag für den Fall des vorzeitigen Todes des Versicherungsnehmers das Doppelte des für den Erlebensfall vereinbarten Geldbedarfs zur Auszahlung kommt. Durch freiwillige Zuzahlungen während der Vertragsdauer, kann allerdings der Versicherungsnehmer die für das Erleben festgelegte Summe der Todesfallsumme anpassen. Eine andere mögliche Zusatzklausel zur gemischten Lebensversicherung ist die sog. Unfall-Zusatzversicherung. Diese garantiert gegen einen höheren Beitrag die Auszahlung einer zusätzlichen Geldsumme, wenn der Todesfall durch Unfall oder innerhalb eines Jahres nach einem solchen eingetreten ist. Schließlich ist noch die Invaliditäts-Zusatzklausel zu erwähnen, die vorsieht, daß i m Fall der Invalidität des Versicherungsnehmers während der vereinbarten Vertragsdauer der Anspruch des Versicherers auf Beitragszahlung wegfällt und/oder bis zum ursprünglich vorgesehenen Vertragsablauf eine bestimmte Rente gezahlt wird. Ein Mittelding zwischen Todes- und Erlebensfallversicherung bildet die Lebensversicherung
mit
festem
Auszahlungstermin.
S t i r b t der V e r -
sicherungsnehmer vor diesem Zeitpunkt, erlischt die Verpflichtung zur Beitragszahlung, während der versicherte Geldbedarf an dem vereinbarten Zeitpunkt zur Auszahlung kommt. Diese Vertragsform findet praktische Anwendung als sog. Söhne-Ausbildungs-, Töchter-Aussteuer- oder Hypothekenversicherung. Die lebenslängliche Todesfallversicherung und die gemischte Versicherung können auch auf verbundene Leben abgeschlossen werden. Dies bedeutet, daß der gleiche Versicherungsvertrag von der Lebensdauer mehrerer Partner abhängig gemacht wird, so daß bei Tod oder i m Falle des Erlebens eines dieser Partner die Versicherungssumme fällig wird. Praktisch w i r d diese Versicherungsform meist von Ehegatten oder Geschäftspartnern abgeschlossen. Z u b) : Die Rentenversicherung steht m i t der gemischten Lebensversicherung i n engem Zusammenhang. Sie sichert die Aufzehrung
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
eines durch Versicherung oder Sparen gebildeten Kapitals gegen das Risiko der übernormalen Lebensdauer und gewährt auf Lebensdauer wiederkehrende Geldzahlungen. Auch kann vereinbart werden, daß beim Tod des Versicherungsnehmers die Renten an dessen Hinterbliebene weitergezahlt werden (Witwen- und Waisenversicherung). Die Rentenversicherung dient somit i n erster Linie der Alters- bzw. Hinterbliebenenversorgung, kann aber auch zur Tilgung von Hypotheken Anwendung finden. Hinsichtlich des Beginns der Rentenzahlung w i r d zwischen sofort beginnender und aufgeschobener Rente unterschieden. Je nachdem, ob die Rentenzahlungen auf bestimmte Zeit oder auf Lebensdauer erfolgen sollen, spricht man von temporären Renten oder lebenslänglichen Renten. Der Anspruch auf Rentenzahlungen kann entweder durch laufende Beitragszahlungen oder Einmalbeitrag erworben werden. Die Analyse der verschiedenen Vertragsformen zeigt, daß die Lebensversicherung einen Versicherungsschutz bietet, der in der Auszahlung i m voraus festgelegter Geldsummen besteht; eine über die nominelle Sicherheit hinausgehende reale Sicherung w i r d nur insoweit gewährt, als der Geldwert stabil bleibt.
II. Die Lebensversicherungs-Technik und das Ausmaß der zwangsläufig damit verbundenen Kapitalbildung 1. D i e m ö g l i c h e n F i n a η z i e r u n g s s y s t e m e zur E r s t e l l u n g der Versicherungsleistung Wie schon ausgeführt, hat der Versicherer die Aufgabe, den i m Versicheriungsfall entstehenden Vermögensbedarf zu decken. Das setzt aber voraus, daß die einzelnen Versicherten für die Gewährung des Versicherungsschutzes Entgelte entrichten, deren Gesamtheit am Ende eines bestimmten Zeitabschnitts ausreicht, die angefallenen Leistungen und die durch die Verwaltung der Gefahrengemeinschaft bzw. durch das Tätigwerden des Unternehmers entstehenden Kosten zu decken. Die versicherungswissenschaftliche Literatur unterscheidet drei verschiedene Systeme zur Finanzierung der Versicherungsleistung, und zwar: a) das Umlageverfahren oder System des tatsächlichen Jahresbedarfs, b) das Kapital-Deckungsverfahren i m engeren Sinne oder das System der Verbindlichkeits-, Anspruchs- oder Verpflichtungsdeckung und
Die K a p i t a l b i l d u n g als Folge der Lebensversicherungs-Technik
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c) das Prämienverfahren oder System der Anwartschaftsdeckung bzw. Kapitaldeckung durch Prämien 7 . Z u a) : Beim Umlageverfahren werden vom Versicherer die innerhalb einer Rechnungsperiode anf allenden Schadenzahlungen auf die einzelnen Versicherten aufgeteilt. Die Versicherungsnehmer zahlen demnach am Ende eines bestimmten Zeitraums soviel an den Versicherungsträger ein, wie zur Deckung der laufenden Leistungen und Verwaltungskosten notwendig ist. Da die Geschädigten jedoch oftmals nicht bis zum Ende der Rechnungsperiode auf die Auszahlung der Schadenzahlung warten können, und auch bei der Feststellung der Schäden dem Versicherungs-Unternehmen gewisse Kosten entstehen, werden zumeist bei der praktischen Anwendung dieses Finanzierungssystems Vorumlagen erhoben, die m i t der effektiven Gesamtumlage später verrechnet werden, so daß die Versicherten entweder Zuzahlungen leisten müssen oder aber Rückzahlungen erhalten. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man meinen, dieses System sei der idealste Weg zur Feststellung der Versicherungsbeiträge; denn der Versicherungsnehmer zahlt jeweils den auf ihn entfallenden A n teil an den fälligen Versicherungsleistungen und es erfolgt keine Akkumulierung von Geldern, die nur unter Inkaufnahme von Risiken in Kapitalanlage-Objekten anzulegen sind. Solchen Überlegungen ist jedoch entgegenzuhalten, daß die auf diese Weise errechneten Beitragszahlungen erheblichen Schwankungen ausgesetzt sein können, je nachdem, welche Schäden während der laufenden Rechnungsperiode eintreten, bzw. welche zahlenmäßigen Veränderungen der Bestand an Versicherungsnehmern unterworfen ist. „Geradezu gefährlich werden kann das Umlage verfahren für Versicherungen m i t langfristigen Risiken, namentlich wenn es sich um Rentenzahlungen handelt, wenn Versicherungsfälle aus vergangenen Jahren Leistungen an Versicherte auch noch i n den folgenden Jahren erfordern und somit, da jedes Jahr neue Versicherungsfälle hinzutretein, die auch wieder Leistungen an die geschädigten Versicherten erfordern, eine dauernd steigende Beitragslast sich ergibt 8 ." Nur allzu leicht kann bei Anwendung des Umlageverfahrens auf die Deckung langfristiger Risiken der F a l l eintreten, daß die einzelnen Versicherten nicht mehr imstande sind, den Beitragsforderungen nachzukommen. Dabei erfolgt keinerlei Sicherstellung der Ansprüche derjenigen Versicherten, für die der Schadenfall bereits eingetreten ist, wie auch in keiner Weise für diejenigen Versicherungsnehmer vorgesorgt wird, bei denen der Versicherungsfall noch aussteht. 7 Vgl. Aeberhard, R.: Allgemeine Versicherungslehre, 2. Aufl., Bern 1947.— Mahr, Werner: a.a.O., S. 124—125. — Manes, A l f r e d : a.a.O., Bd. I, S. 242 bis 249. — Wagenführ, Horst: a.a.O., S. 67—71. 8 Manes, A l f r e d : a.a.O., Bd. I, S. 243.
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
Praktische Anwendung findet dieses System z>ur Finanzierung der Versicherungsleistung heute i n der sozialen Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeiter i n der Bundesrepublik Deutschland. Dies scheint trotz der erwähnten schwerwiegenden Mängel deshalb möglich, weil dort der gesetzliche Versicherungszwang das Fluktuieren des Versicherungsbestandes weitgehend ausschaltet, während andererseits die Verpflichtungen der Versicherungsträger durch den Staat garantiert werden. Die Zweckmäßigkeit dieses Vorgehens ist allerdings i n der Fachwelt sehr umstritten. Es w i r d vor allem eingewandt, daß das Bevölkerungswachstum i n Westdeutschland zwangsläufig zu Änderungen des Versichertenbestandes führen müsse, so daß unweigerlich hohe Beitragsforderungen entstehen werden, die man nur m i t erheblichen Zuschüssen aus Steuermitteln werde mildern können. Für private Lebensversicherungs-Unternehmungen i n der Form der Aktiengesellschaft kommt die Anwendimg des Umlageverfahrens nicht in Betracht, da diese als nach Wahrscheinlichkeitskalkulen wagende Unternehmen keine Nachschüsse fordern können. Aber auch für Lebensversicherungs-Gesellschaften i n der Form des Gegenseitigkeitsvereins kommt das Umlage verfahren nicht i n Betracht; da bei einem Rückgang des Versichertenbestandes die Umlagen eine Höhe erreichen würden, daß sie praktisch nicht mehr eingetrieben werden könnten und die letzten Versicherten trotz jahrzehntelanger Beitragszahlung keinen Versicherungsschutz mehr hätten. Praktisch findet sich das Umlageverfahren in der Individual-Versicherung lediglich bei kleineren, lokalgebundenen Gegenseitigkeitsvereinen, die die Tier- und Hagelversicherung betreiben. Z u b): Beim Kapital-Deckungsverfahren werden sämtliche während der Versicherungsdauer anfallenden Schäden, auch wenn ihre Auszahlung sich über eine längere Zeit erstreckt, ζ. B. in Form von Rentenzahlungen, i m voraus berechnet und auf die Versicherungsnehmer umgelegt und etwa infolge Fehlschätzung sich ergebende Defizite auf dem Weg von Nachschußforderungen ausgeglichen. Bei der Deckung kurzfristiger Risiken unterscheidet sich das KapitalDeckungsverfahren nicht vom Umlageverfahren m i t Vorausbeiträgen. Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich jedoch bei der Deckung langfristiger Risiken, ζ. B. in der Unfall- oder Rentenversicherung. W i r d dieses Finanzierungssystem dort angewendet, so berechnet man für jeden eintretenden Versicherungsfall den gegenwärtigen Barwert aller voraussichtlich anfallenden Rentenleistungen zuzüglich aller Verwaltungskosten, legt die so errechneten Beträge auf die Versicherungsnehmer um und gleicht etwa entstehende Defizite durch Nachschußforderungen am Ende der Versicherungsperiode aus.
Die Kapitalbildung als Folge der Lebensversicherungs-Technik
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Auch bei diesem Verfahren können m i t h i n die jährlich notwendigen Beitragszahlungen entsprechend den Schwankungen des Schadenverlaufs bzw. entsprechend den Schwankungen des Versichertenbestandes von unterschiedlicher Höhe sein. I m Gegensatz zum vorher beschriebenen, reinen Umlageverfahren erfolgt bei diesem Finanzierungssystem jedoch eine Sicherstellung der Ansprüche jener Versicherungsnehmer, für die der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Eine Vorsorge für die Versicherungsnehmer, bei denen der Schadenfall noch nicht eingetreten ist, erfolgt hingegen auch hier nicht. Praktische Anwendung findet dieses Verfahren zur Finanzierung der Versicherungsleistungen i n der sozialen Unfallversicherung, für die es i n der Bundesrepublik Deutschland ζ. T. gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist. So heißt es ζ, B. i n § 731, Abs. 2, RVO: „Bei der Tiefbau-Berufsgenossenschaft müssen die Beiträge neben den anderen Aufwendungen den Kapitalwert der Renten decken, die der Genossenschaft i m abgelaufenen Geschäftsjahr zur Last gefallen sind." Wegen der möglicherweise notwendigen Nachschüsse scheidet dieses Finanzierungsverfahren für Lebensversicherungs-Unternehmungen i n der Form von Aktiengesellschaften aus. Aber auch Gegenseitigkeitsvereine wenden dieses System nicht an, da es keine — für alle Versicherten gleichmäßige — Vorsorge ermöglicht. Hinzu kommt die Gefahr, daß bei starken Veränderungen des Bestandes der Versicherten und bei Schadenhäufungen die Beitragsforderungen die wirtschaftliche Leistungsf ähigkeit der Versicherungsnehmer leicht übersteigen können. Ζ u c) : Bei Anwendung des Prämienverfahrens werden für die Beitragsberechnung sämtliche während der Dauer der abgeschlossenen Versicherungsverträge anfallenden Versicherungsleistungen „unabhängig vom E i n t r i t t des Versicherungsfalls i n einer bestimmten Rechnungsperiode zugrunde gelegt" 9 . Der Beitrag ist demnach so festzusetzen, daß der versicherungstechnische Wert der Beiträge immer den Leistungsverpflichtungen entspricht. I m Gegensatz zum Umlageverfahren oder zum Kapital-Deckungsverfahren erfolgt also bei Anwendung dieses Finanzierungssystems auf Versicherungen m i t langfristigen Risiken eine Sicherung der Ansprüche auch jener Versicherungsnehmer, für die der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Die Literatur bezeichnet dieses Verfahren deshalb vielfach auch als Anwartschafts-Deckungsverfahren, wobei unter Anwartschaft „der A n spruch zu verstehen ist, der bei E i n t r i t t des Versicherungsfalls geltend gemacht werden k a n n " 1 0 . Wesentlich ist, daß der Versicherer bei diesem Finanzierungsverfahren während der Vertragsdauer den Versicherungsnehmer zu keinen 9 10
Wagenführ, Horst: a.a.O., S. 69. Manes, Alfred: a.a.O., Bd. I, S. 246.
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
Nachschüssen, die über das einmal vereinbarte Entgelt für die Versicherung hinausgehen, heranziehen kann. Die Literatur bezeichnet diese A r t des Entgelts für den Versicherungsschutz als Prämie, i m Gegensatz zu dem „Beitrag" bei den anderen Verfahren, um schon in der Bezeichnung eine Abgrenzung anzudeuten. Unveränderlichkeit der Prämie bedeutet allerdings nicht, daß die Jahresprämien nicht i n unterschiedlicher Höhe vereinbart werden können. Gerade bei langfristigen Versicherungsverträgen von Versicherungsnehmern, deren Einkommen erst allmählich ansteigt, w i r d häufig festgelegt, daß die Jahresprämie sich langsam erhöht (Fall der Auf bau Versicherung). Parallel hierzu muß allerdings eine Veränderung der Versicherungssumme laufen, d. h. eine Veränderung des Vertragsinhalts vorgenommen werden. Das Prämienverfahren w i r d praktisch i n zwei verschiedenen Formen angewandt, und zwar unterscheidet man: aa) Das Durchschnittsverfahren und bb) das Individuai ver fahr en. Beim Durchschnittsverfahren werden bei der Prämienberechnung alle i n Deckung genommenen Risiken gleichmäßig behandelt, ohne daß die Besonderheiten des Einzelrisikos berücksichtigt werden. Anders beim Individualv erfahr en, das versucht, die speziellen Gefahrenlagen, die die zu versichernden Risiken auf weisen, in die Prämienkalkulation m i t einzubeziehen. Praktisch geschieht dies einmal durch Bildung sogenannter Gefahrenklassen — beispielsweise i n der Feuerversicherung nach Bauarten, i n der Lebensversicherung nach Lebensalter der Versicherungsnehmer usw. — zum anderen durch Berechnung von besonderen, die Eigenheiten des in Deckung genommenen Risikos abgeltenden Zuschlägen. Für Lebensversicherungs-Unternehmungen i n der Form von Aktiengesellschaften ist das Prämienverfahren i n der Form des Individualverfahrens das Finanzierungsverfahren zur Erstellung der Versicherungsleistung schlechthin. Auch bei den Gegenseitigkeitsvereinen hat sich dessen Anwendung allgemein durchgesetzt, weil man zur Ansicht gelangte, daß dieses System die individuelle Vorsorge des einzelnen und den Schutz der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag am besten sichert. Die Wahl des Finanzierungssystems erfolgt also in erster Linie aus unternehmungspolitischen Gründen und weniger aus technischen; denn der Versicherungsmathematiker „kann wohl Aufschluß geben über die Auswirkungen des einen oder anderen Beitragsverfahrens, aber er könnte nicht ein K r i t e r i u m aufstellen, wonach ein System als richtig, das andere als falsch, zu erkennen wäre" 1 1 . 11 Wyss, Hans: Finanzierungsverfahren SVZ, Jg. 1955/56, H e f t 4, S. 103.
i n der Lebensversicherung,
in:
D i e K a p i t a l b i l d u n g als Folge der Lebensversicherungs-Technik
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2. D i e A n w e n d u n g d e s P r ä m i e n v e r f a h r e n s in der Lebensversicherung und die d a m i t verbundene Κ aρ i t a 1 b i 1 du η g a) in der
Kapital-Lebensversicherung
»Entsprechend dem Grundgedanken des Prämiensystems muß der Versicherer bei der Prämienkalkulation von der Gleichheit von Leistung u n d Gegenleistung während der Vertragsdauer ausgehen. Er muß demnach Überlegungen anstellen, welche finanziellen M i t t e l er braucht, um die während der Laufzeit der Versicherungen anfallenden Zahlungen für Versicherungsfälle und Verwaltungskosten decken zu können. Der jährliche Geldbedarf des Versicherers zur Erstellung der reinen Kapitalleistung (ohne Berücksichtigung der Verwaltungskosten) hängt ganz allgemein von der statistisch feststellbaren Sterbewahrscheinlichkeit des Bestandes an Versicherungsnehmern und den vereinbarten Versicherungssummen ab. Sind A r t und Höhe der Versicherungsleistungen festgelegt, „dann w i r d i n der Folge das Ausmaß der jährlichen Auszahlungen für Versicherungsfälle durch die Natur bestimmt. Dieser natürliche Jahresbedarf w i r d von technischen Maßnahmen nicht beeinflußt, weder durch irgendwelche Berechnungsarten des Versicherungsmathematikers, noch durch die Rechnungsgrundlagen, noch durch das Finanzierungsverfahren, das mach freiem Ermessen gewählt wird"12. Die statistisch festgestellte Sterbewahrscheinlichkeit sagt natürlich nur etwas über deren Verlauf i n der Vergangenheit aus. „Man kann aber, solange sich die sozialen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten i n einem Lande nicht grundlegend ändern, davon ausgehen, daß die Erfahrungen der Vergangenheit auch für die Zukunft Geltung haben werden 1 3 ." Daneben könnte man einwenden, daß die Sterbewahrscheinlichkeit für eine Masse von Personen berechnet wird, die weitaus größer ist, als die Masse des Versichertenbestandes. „Hier verläßt man sich auf das wahrscheinlichkeits-theoretische Gesetz der großen Zahl: je größer der Teilbestand ist, desto wahrscheinlicher ist es, daß der sich hier ergebende Schadensatz i n etwa dem allgemeinen Erfahrungssatz entspricht 1 4 ." U m dem Priämiensystem i n der Form des Individualverfahrens zu genügen, ist es notwendig, die zu versichernden Personen nach Gruppen von gleicher objektiver Schaden Wahrscheinlichkeit und nach dem möglichen Schadenumfang zu ordnen. Als Maßstab hierfür dient einmal das Alter und das Geschlecht der Versicherungsnehmer, zum 12 13 14
Wyss, Hans: a.a.O., S. 97. Hax, K a r l : A r t i k e l „Versicherungswesen", a.a.O. Hax, K a r l : A r t i k e l „Versicherungswesen", a.a.O.
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
anderen M a l die gewünschte Versicherungssumme. Neben diesen objektiven Daten bedarf es beim Individualverfahren noch der Beurteilung der subjektiven Schadenwahrscheinlichkeit. Dies hängt u.a. vom Gesundheitszustand des Versicherungswilligen, von seinem Beruf und seiner Lebensführung ab. Weiterhin ist es notwendig, eine möglichst genaue Vorkalkulation der bei der Abwicklung 'des Versicherungsvorgangs anfallenden Verwaltungskosten anzustellen. Aus diesen Darlegungen werden die Grundelemente der Prämienkalkulation i n der Lebensversicherung bei Anwendung des Individualverfahrens deutlich. Dies sind: a) die Grund- oder Nettoprämie, die zur Deckung der Schadenzahlungen dient, welche auf Grund der objektiven Sterbewahrscheinlichkeit und der vereinbarten Versicherungssumme erwartet werden muß, und b) die Zuschläge auf die Grundprämie zur Deckung der übernommenen subjektiven Risiken und der Verwaltungskosten. Da beim Prämienverfahren für die Versicherungs-Unternehmung die Möglichkeit zur Forderung von Nachschüssen wegfällt, müssen die einzelnen Kalkulationsposten sehr vorsichtig abgewogen werden. Praktisch ergeben sich deshalb häufig gewisse Überdeckungen des tatsächlichen Bedarfs durch die eingehenden Prämienzahlungen. Üblicherweise werden diese als Überschußdividende oder Gewinnbeteiligung an die Versicherungsnehmer ausgeschüttet, worauf jedoch nicht näher einzugehen ist. Bei der kurzfristigen Todesfall Versicherung, d. h. der reinen Risikoversicherung entspricht bei einjähriger Vertragsdauer die Grund- oder Nettoprämie dem natürlichen Jahresbedarf, der sich aus der Sterbewahrscheinlichkeit des Versicherungsnehmers entsprechend seinem Lebensalter und seinem Geschlecht sowie aus der vereinbarten Versicherungssumme ergibt. Da die Sterbewahrscheinlichkeit m i t zunehmendem Alter wächst, steigt die Grundprämie von Altersstufe zu Altersstufe stark an. Nachfolgende Tabelle Nr. 1, die w i r einer Arbeit von Wyss 1 5 entnehmen, gibt i n Teil A, Spalte 2 bzw. 1 den natürlichen Jahresbedarf für die Versicherung eines Vierzigjährigen an, wobei die Schweizerische Sterbetafel 1953 für Gruppenversicherungen und eine Versicherungssumme von 10 000 sfr den Berechnungen zugrunde gelegt wurde. Wie aus dem Beispiel hervorgeht, ist die Grundprämie für die jeweils auf ein Jahr abgeschlossene Todesfallversicherung i n jeder Altersstufe von unterschiedlicher Höhe: bei einem Vierzigjährigen beträgt sie für 10 000,— sfr Versicherungssumme 39,— sfr, während sie sich für einen 15
Wyss, Hans: a.a.O., S. 98.
Die K a p i t a l b i l d u n g als Folge der Lebensversicherungs-Technik
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Tabelle 1 Durchschnittlicher Jahresbedarf ( = Bedarfsprämie) und gleichbleibende Prämie für eine Generation gleichaltriger Versicherter Annahmen: Eintrittsalter: 40 Jahre Versicherungsdauer : lebenslänglich oder 25 Jahre Sterblichkeit: Sterbetafeln 1953 f ü r Gruppenversicherungen Prämien: netto Versicherungsformen
Erreichtes A l t e r
2 1 Lebenslängl. Temporäre TodesfallTodesfallversicherg. versicherg.
3 Gemischte Versicherg.
4 Aufgeschobene Altersrente
Summe = Fr. 10 000 Fr. A) Jährlicher Bedarf (Durchschnitt
39 58 91 145 226 314 340 511 793 1250 1968 3048
40 45 50 55 60 64 65 70 75 80 85 90
Fr. für
i
39 58 91 145 226 314
Fr.
= Bedarfsprämie
39 58 91 145 226 10 000
—
—
—
—
— — — — — —
1000 1000 1000 1000 1000 1000
— —
Ξ
Rente Fr. 1000
Fr.
—
ι
B) Gleichbleibende Prämie für
442 (315) ohne Zins 275 (223) m i t Verzinsung zu 21/ 2% Durch die Z i n s w i r k u n g verbilligt um . . . . . 38% (29%)
1 Versicherten)
=
—
die gleiche Versicherung
111
127
442 333
13%
25%
523 301
I
42%
(in K l a m m e r n : lebenslängliche Prämienzahlung)
Fünfzigjährigen auf 91,— sfr beläuft u n d somit mehr als doppelt so hoch ist. Bei einem Neunzigjährigen erreicht sie schließlich den Betrag von 3048,— sfr, was nahezu dem Hundertfachen der Prämie eines Vierzigjährigen entspricht. Die praktische Anwendung der kurzfristigen Todesfallversicherung beschränkt sich daher auf die unteren Altersklassen; denn bei älteren Personen w i r d die Prämie u n w i r t schaftlich hoch. Da die Höhe der Grundprämie so festgesetzt ist, daß sie gerade zur Deckung der anfallenden Schadenzahlen ausreicht, führt die kurzfristige Todesfallversicherung offensichtlich zu keiner Kapitalbildung bei der Versicherungsunternehmung. Lediglich aus der Tatsache, daß 4
Lukarecb
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
die Prämien jeweils zu Beginn eines jeden Jahres fällig sind, während sich -die Versicherungsleistungen über das ganze Jahr hinweg verteilen, ergibt sich, daß sich ein Kapitalstock i n der Versicherungsunternehmung bildet, der etwa halb so groß ist wie die durchschnittliche jährliche Prämieneinnahme 16 . Das w i r d bestätigt durch einen Vergleich m i t der Sachversicherung, die als Versicherung kurzfristiger Risiken bei der Prämienberechnung grundsätzlich von den gleichen Kalkulationsgrundlagen ausgeht, wie sie oben dargelegt wurden; nur daß dort an die Stelle der Sterbewährscheinlichkeit die Schadenausbruchs-Wahrscheinlichkeit und an die Stelle der Versicherungssumme der Versicherungswert als Maßstab der Schadenausdehniungs-Wahrscheinlichkeit tritt. So beliefen sich beispielsweise die Prämieneinnahmen der deutschen Sachversicherungs-Unternehmungen i m Durchschnitt der Jahre 1953 bis 1956 auf rund 3 Milliarden DM, während ihre Kapitalanlagen i m gleichen Zeitraum durchschnittlich 1,6 Milliarden betrugen 1 7 . Diese Zahlen zeigen, daß also auch m i t der reinen Risikoversicherung bei Anwendung des Prämienverfahrens eine gewisse Kapitalbildung verbunden ist, die größere Ausmaße annimmt, als sich zunächst vermuten ließ. Allerdings w i r d dieser Kapitalbildungsprozeß nicht durch individuelles Sparen bewirkt, sondern durch den kollektiven Sparprozeß, der sich bei der Versicherung durch die gemeinsame Vorsorge der i n der Gefahrengemeinschaft zusammengeschlossenen Einzelwirtschaften ergibt. Der größte Teil dieser Kapitalien muß jedoch zur Deckung unerwartet hoher Schadenfälle liquide gehalten werden, so daß dem durch die Risikoversicherung gebildeten Kapitalfonds auf dem Markt der langfristigen Kapitalanlage-Objekte keine größere Bedeutung zukommt. Anders als bei der auf die Dauer eines Jahres abgeschlossenen Risiko-Lebensversicherung liegen die Dinge, wenn w i r die Anwendung des Prämienverfahrens i n der längerfristigen Lebensversicherung, der lebenslänglichen Todesfallversicherung oder der gemischten KapitalLebensversicherung, betrachten. Dort werden für die Dauer der Versicherungsverträge (bei der lebenslänglichen Todesfallversicherung w i r d meist das 90. oder 95. Lebensjahr als Termin des Vertragsablaufs angesetzt) aus der Summe der zur Erstellung der Versicherungsleistung notwendigen natürlichen Jahresbedarfe und den erforderlichen 16 Vgl. Hax, K a r l : Die Kapitalanlage-Politik . . . a.a.O., S. 148. — Pomplitz, K u r t : Kapitalanlage bei Versicherungs-Unternehmungen, i n : Die Praxis der Versicherungswirtschaft, Heft 1, Leipzig u n d B e r l i n 1936, S. 9. — Gürtler, M a x : K a l k u l a t i o n u n d Preispolitik, i n : Deutsche Versicherungs^wirtschaft, Bd. 2, B e r l i n 1936—1939, S. 249. 17 Vgl. Geschäftsberichte des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft e. V.
Die K a p i t a l b i l d u n g als Folge der Lebensversicherungs-Technik
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Zuschlägen Jahresdurchschnitts-Prämien berechnet. Diese liegen in den jüngeren Jahren des Versicherungsnehmers wesentlich über dem natürlichen Jahresbedarf, während m i t zunehmendem Alter· sich dieser Tatbestand umkehrt. Das geht deutlich aus Teil Β der Tabelle 1 hervor. Die jährliche Durchschnitts-Grundprämie setzt sich somit bei diesen Formen der Lebensversicherung aus zwei Komponenten zusammen: dem natürlichen Jahresbedarf und einer Sparquote. Die Technik der Durchschnitts-Prämienberechnung i n der Lebensversicherung verknüpft somit den Versicherungsvorgang mit einem individuellen, gebundenen Sparvorgang. Der Sparanteil i n der jährlichen Durchschnittsprämie bei der temporären Todesfallversicherung ist nicht sehr groß. Dies ist leicht einzusehen, wenn man überlegt, daß die Sparquote dort lediglich den Ausgleich der unterschiedlichen natürlichen Jahresbedarfe bezweckt. Die anfallenden Sparquoten der ersten Jahre der Versicherung werden in den folgenden, i n denen der natürliche Jahresbedarf die durchschnittliche Prämie überschreitet, restlos verbraucht (vgl. Tabelle 1). Eine andere Aufgabe und Bedeutung haben hingegen die Sparanteile i n der Jahresprämie für die lebenslängliche Todesfall Versicherung, bei der die Versicherungs-Unternehmung für jeden Versicherungsvertrag die Versicherungsleistung erbringen muß, spätestens wenn der Versicherungsnehmer das kalkulatorische Endalter, d. h. das 90. oder 95. Lebensjahr, erreicht hat. Die Sparquoten i n den einzelnen Jahresprämien müssen so hoch angesetzt werden, daß die sich hieraus ansammelnden Kapitalien am Ende des Versicherungsvertrags ausreichen, die vereinbarte Versicherungssumme zu decken. Allgemein bezeichnet man die aus den Sparquoten gebildeten M i t t e l als Deckungskapital, das i n den Bilanzen der LebensversicherungsUnternehmungen auf der Passivseite als sogenannte Deckungsrücklage oder Prämienreserve erscheint. Die Sparquoten verringern somit für jeden Versicherungsvertrag während der Laufzeit die Differenz zwischen Deckungskapital und Versicherungssumme. Die wachsende Kapitalansammlung stellt also ein Gegengewicht gegen das von Altersstufe zu Altersstufe steigende Sterberisiko dar, weshalb sich die Aufgliederung der Jahresprämie in Risikobedarf und Sparquote von Jahr zu Jahr verschiebt. „ W i r k t die jährlich kleiner werdende Wagnissumme i n stärkerem Maß vermindernd auf den Wagnisbeitrag ein als das Sterberisiko erhöhend, so w i r d der i n der Gesamtprämie enthaltene Wagnisbeitrag niedriger, der Sparbeitrag höher. Ist der Vorgang umgekehrt, so w i r d die Wagnisprämie höher, die Sparprämie vermindert sich entsprechend 18 ." 18 Schmid, Christian: Die Lebensversicherung als Kapitalanlage, F r a n k f u r t a. M . 1934, S. 48.
4·
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
Besonderes Gewicht kommt dem Sparanteil an der Prämie bei der gemischten Lebensversicherung zu. Bei dieser Versicherungsform muß das während der Versicherungsdauer anzusammelnde Kapital i n einem kürzeren Zeitraum die volle Höhe der Versicherungssumme erreichen als bei der lebenslänglichen To desfallver Sicherung. Bei der Prämienkalkulation muß demnach berücksichtigt werden, daß bis zum Ablauf des Versicherungsvertrages aus den Prämien nicht nur die Summe der natürlichen Jahresbedarfe gedeckt werden muß, sondern darüber hinaus auch die Auszahlung der Versicherungssumme an die Überlebenden erforderlich ist. Bei der gemischten Lebensversicherung muß demnach ein Sparbeitrag i n die Grundprämie eingerechnet werden, der garantiert, daß das Deckungskapital von Jahr zu Jahr stärker steigt als das Sterbewagnis zunimmt. Der Anteil der Sparprämie an der Gesamtprämie nimmt hier deshalb i m Laufe der Jahre zu, bis schließlich die Prämienzahlungen gegen Ende der- Versicherungsdauer fast nur noch aus Sparanteilen bestehen. Zur Veranschaulichung dieses Vorgangs diene das Beispiel einer auf 20 Jahre befristeten gemischten Lebensversicherung eines Vierzigjährigen bei 10 000 D M Versicherungssumme und einer Jahresprämie von 480 DM. Nachfolgende Übersicht zeigt, welche Größenordnung i m Laufe der Versicherungsdauer die Prämienzahlungen und das Dekkungskapital auf weisen 1 9 : Versicherungsjahr 1. Versicherungsjähr 5. Versicherungsjahr 10. Versicherungsjahr 15. Versicherungsjahr 20. Versicherungsjahr
Bezahlte Prämie D M 480,— D M 2 400,— D M 4 800,— D M 7 200,— D M 9 600,—
Höhe des Deckungskapitals 2 0 DM 80,70 D M 1 528,60 D M 3 689,— D M 6 399,70 D M 10 000,—
Bei der Kapitalversicherung i n der Form der lebenslänglichen Todesfallversicherung oder der gemischten Versicherung übernehmen die Versicherungs-Unternehmungen demnach nicht nur die reine Risikodeckung, sondern darüber hinaus auch die allmähliche Ansammlung eines bestimmten Kapitals. Anders als i n der reinen Risikoversicherung, z. B. i n den Zweigen der Sachversicherung, handelt es sich hierbei jedoch nicht u m eine Kapitalbildung aus Geldern, die der laufenden Schadenszahlung dienen, sondern u m einen individuellen, allerdings gebundenen Sparvorgang. Die Lebensversicherungen tragen diesem Umstand dadurch Rechnung, daß sie den Versicherungsnehmern die 19 Vgl. Wilke, Hermann; Düker, Alfons; Elle, Konstantin: Ver sicher ungslehre, Bad H o m b u r g u n d B e r l i n 1952, S. 289. 20 Das Deckungskapital w u r d e unter Zugrundelegung eines Rechnungszinsfußes von 3 °/o berechnet, worauf i m folgenden Abschnitt noch einzugehen sein w i r d .
Die K a p i t a l b i l d u n g als Folge der Lebensversicherungs-Technik
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Beleihung des von ihnen angesammelten Deckungskapitals ermöglichen bzw. Rückkäufe gestatten. b) in
der
Rentenversicherung
Rentenversicherung bedeutet Aufzehrung eines bereits gebildeten Kapitals. Sie sichert dem Versicherungsnehmer oder seinen Hinterbliebenen auf Lebensdauer eine feste Rentenzahlung und befreit ihn so von dem Risiko, das sich bei dem Verbrauch des angesammelten Kapitals aus der Ungewißheit über die Lebensdauer ergibt. Insofern könnte man den Gegensatz zwischen Kapitalversicherung und Rentenversicherung auch so formulieren, daß es sich bei der ersten um eine Kapitalbildung und bei der letzteren um einen Kapitalverzehr handelt. Das wäre aber insofern nicht ganz richtig, als die Rentenversicherung ebenfalls die Bildung des später zu verrentenden Kapitals übernehmen kann, wenn nämlich der Rentenanspruch nicht durch Einmalprämie, sondern gegen laufende Prämien erworben wird. Der Vorgang ist dann derselbe wie bei der gemischten Lebensversicherung. Die Höhe der einzelnen Rentenzahlungen bemißt sich ähnlich wie bei der Prämie für die Kapitalversicherung, und zwar nach der Höhe des zur Verteilung stehenden Kapitals, der Sterbewahrscheinlichkeit des Versicherungsnehmers (Rentners) und nach den anfallenden Verwaltungskosten. Die Rentenversicherung stellt somit nach E i n t r i t t des Rentenfalls gewissermaßen das Gegenstück zur gemischten Kapitalversicherung dar. Bei der Bemessung der Rentenhöhe kommt es ebenso wie bei der Kalkulation der Prämien für die Kapitalversicherung zu Überdeckungen der Nachkalkulation über die Vorkalkulation. Deshalb werden auch i n der Rentenversicherung die Versicherungsnehmer nach gewissen Systemen, auf die hier nicht einzugehen ist, an den anfallenden Überschüssen beteiligt. Unsere Überlegungen zeigen, daß auch die Rentenversicherung nicht unerhebliche Kapitalien bindet, wenngleich für die einzelnen Versicherungsverträge während der Vertragsdauer das eingezahlte Kapital aufgezehrt wird. 3.
Ausmaß und volkswirtschaftliches Gewicht der K a p i t a l b i l d u n g der p r i v a t e n Lebensversicherungs-Unternehmungen
Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß die Durchführung der Lebensversicherungs-Verträge bei Anwendung des Prämienverfahrens m i t einem Kapitalbildungs-Vorgang verbunden ist. U m eine Vorstellung vom Ausmaß dieser m i t der Lebensversicherung verbundenen Kapitalbildung zu bekommen, ist i n Tabelle 2 die Entwicklung der Prämien-
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K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
einnahmen, der Zahlungen für Versicherungsfälle und Rückkäufe sowie der Neuzugänge und der Gesamtbestände an Vermögensanlagen i n den Wiederaufbau j ahren der deutschen Lebensversicherungs-Wirtschaft dargestellt. Tabelle 2 Entwicklung der Prämieneinnahmen, der Zahlungen für Versicherungsfälle und Rückkäufe sowie der Nettozugänge und des jeweiligen Gesamtbestandes an Vermögensanlagen-der unter Bundesaufsicht stehenden Lebensversicherungs-Unternehmungen in den Jahren 1950 bis 1957 (in M i l l i o n e n D M ) Zahlungen f ü r Jahr PrämienVersicherungs- Nettozugänge Vermögenseinnahmen fälle u n d an Vermögensanlagen Rückkäufe anlagen insgesamt 0 1 2 3 4 1950 739,9 277,9 351,9 2 667,4 1951 923,7 293,4 442,5 3 313,0 1952 1 060,8 302,3 532,1 3 933,9 1953 1 241,7 348,5 769,4 4 927,9 1954 1413,6 419,9 893,1 5 790,5 1955 1 581,3 458,1 961,3 6 774,6 1956 1 762,9 531,2 1 058,2 7 794,7 1957 2 058,7 608,5 1 290,1 9 062,7 Anmerkungen: Quelle: Geschäftsberichte des Bundesaufsichtsamtes für das private Versicherungs- u n d Bausparwesen. Zu Spalte 1 : Prämieneinnahmen, die bis Ende der Berichtszeit fällig w u r den, einschl. aller Nebeneinnahmen, Gebühren usw., ohne Berücksichtigung der Prämienüberträge aus den V o r j a h r e n u n d dem laufenden Geschäftsjahr sowie teilweise incl. V e r sicherungssteuer (Sollprämien). Zu Spalte 2: I n der Berichtszeit tatsächlich geleistete Zahlungen für V e r sicherungsfälle u n d Rückkäufe ohne A b z u g verrechneter Beiträge u n d ohne Berücksichtigung von Rückstellungen. Z u Spalte 3 Langfristige Vermögensanlagen w i e Grundstücke, Hypotheu n d 4: ken usw. einschließlich der Ausgleichsforderungen gegen den B u n d u n d die Länder.
Aus Tabelle 2 ist zu ersehen, daß in den letzten Jahren, i n denen das Neugeschäft der Lebensversicherungs-Unternehmungen stark zunahm, durchschnittlich zwei Drittel der Prämieneinnahmen für die Kapitalanlage zur Verfügung gestellt werden konnte, während weniger als ein Drittel zur Deckung der Zahlungen für Versicherungsfälle und Rückkäufe aufgebracht werden mußte. Die Gegenüberstellung der Prämieneinnahmen m i t den Zahlungen für Versicherungsfälle und Rückkäufe zeigt weiterhin deutlich, daß die sich bildenden Kapitalien langfristig ausgeliefert werden können, d. h. dem Kapitalmarkt zur Verfügung stehen. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kapitalbildung der Lebensversicherungs-Unternehmungen i n Deutschland w i r d deutlich, wenn w i r diese mit der Kapitalbildung durch das Banken- und Sparkassenwesen vergleichen, was i n Tabelle 3 erfolgt.
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Die K a p i t a l b i l d u n g als Folge der Lebensversicherungs-Technik
Tabelle 3 Kapitalbildung des Bank- und Versicherungswesens in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1950 bis 1957« (in M i l l i o n e n DM)
Jahr
1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957
Spareinlagen bei Einlagen bei Geldinstituten b) GeldBauinstispardavon ins— kassen Sicht- Termin- tuten c) gesamt eini. einl. +3335 + 2955 +2830 +3206 + 2163 +3948 + 4645 +6405
+ 1283 +2052 + 1430 +1525 + 764 +2066 + 1024 +2182 + 2351 — 188 + 3938 + 10 + 2819 +1826 +2931 +3474
+ 1005 + 918 + 2420 +3837 +5476 +3951 + 2704 +4829
+ + + + + + + +
Nettozugänge an Vermögensanlagen der Lebensversicherungs-Untcrnehmungen d) 351,9 442,5 532,1 769,4 893,1 961,3 1058,2 1290,1
293 169 270 458 754 844 817 1016
Anmerkungen: Quelle: Stat. Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. a ) Zunahmen oder Abnahmen bzw. A u f k o m m e n i m Berichtszeitraum. b ) Einschließlich Zentralbanksystem, Postscheck- u n d Postsparkassenämter; ohne Gegenwertmittel sowie Einlagen alliierter Dienststellen; ohne die kleineren ländlichen Kreditgenossenschaften. c ) Bis M a i 1950: einschl. Zugängen auf Freikonten aus der Umstellung; ab J u n i 1950: einschl. Übernahme der aus Spareinlagen entstandenen Festkonten; ab September 1953: einschl. Ausgleichsgutschriften für Sparguthaben Vertriebener, u n d ab Oktober 1953: einschl. Entschädigungsgutschriften f ü r Altsparerguthaben sowie sonstige Veränderungen. d ) Nettozugänge an Vermögensanlagen der unter Bundesaufsicht stehenden Lebensversicherungs-Unternehmungen nach den Geschäftsberichten des BAV. Tabelle 4 Nettozugang an Vermögensanlagen der Lebensversicherungs-Unternehmungen in v H des Volkseinkommens in verschiedenen Staaten im Jahre 1955 L a n d
Canada Deutschland Großbritannien Vereinigte Staaten v o n Nordamerika
Landeswährung
Volkseinkommen i n Landeswährung a)
can $ DM £
20 738 134 274 16 639
421 961 306
2,03 0,71 1,83
US $
324 050
5946
1,83
Nettozugänge an Vermögensanlagen i n Landesi n v.H.d. Währung Volkseink.
Anmerkungen: Quellen: Stat. Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1957; Life-insurance Fact Book 1957; Geschäftsbericht d. B A V 1955/56. a ) Volkseinkommen = Nettosozialprodukt zu Faktorpreisen. Es z e i g t sich, daß die Lebensversicherungs-Unternehmungen
als b e -
deutendes Kapitalsammelbecken neben dem Banken- und Sparkassenwesen steht. Bemerkenswert erscheint, daß die Nettozugänge an Vermögensanlagen bei den Lebensversicherungs-Unternehmungen stetig
56
K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
wuchsen, während die Zunahmen der Einlagen bei Geldinstituten teilweise erheblichen Schwankungen unterlagen. Das volkswirtschaftliche Gewicht der Kapitalbildung der Lebensversicherungs-Wirtschaft w i r d schließlich noch weiter unterstrichen, wenn w i r diese zum Volkseinkommen in Beziehung setzen und die deutsche Lebenisversicherungs-Wirtschaft m i t der anderer Staaten vergleichen.
I I I . Die Kapitalanlage und ihre Bedeutung für die Lebensversicherungs-Wirtschaft Die bei der Erstellung der Lebensversicherungs-Leistung sich ansammelnden Kapitalbeträge müssen notwendigerweise — soll die Versicherungswirtschaft ihrer Aufgabe als Sachwalter der ihr anvertrauten Spargelder gerecht werden — angelegt werden. Wie die Gegenüberstellung von Prämieneinnahmen und Zahlungen für Schadenfälle und Rückkäufe i n Tabelle 2 zeigt, können die Spargelder der Versicherungsnehmer bei stetiger GeschäftsentWicklung weitgehend langfristig angelegt werden, ohne daß Liquiditätsschwierigkeiten für die Unternehmungen zu befürchten sind. Grundsätzlich ist die Anlage des i n der Versicherungs-Unternehmung angesammelten Kapitals für die Versicherungsleistung i n zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Einmal können die aus der Anlage der Kapitalien erzielbaren Erträge zur Verbilligung der Prämie für die Versicherungsleistungen beitragen, zum anderen aber ist das Schicksal, das die Kapitalanlage-Objekte erleiden, maßgebend für das Schicksal 'der Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag. Die Vornahme der Kapitalanlage durch die Versicherungs-Unternehmung ist somit „eine der wichtigsten und für die Geschäftsgebarung entscheidendsten Tätigkeitsgebiete der Unternehmungsleitung" 2 1 . Die Größenordnung der aus dem Kapitalanlage-Vorgang erzielbaren Erträge hängt ganz allgemein von der Konjunkturphase ab, i n der sich eine Volkswirtschaft befindet. I m einzelnen ergeben sich je nach der A r t der Objekte, i n denen das Kapital angelegt wurde, Unterschiede, da diese verschieden auf die K o n j u n k t u r reagieren. Nachfolgende Tabellen 5 und 6 geben einen Einblick in die Größenordnung der durchschnittlichen jährlichen Vermögenserträge, die die deutsche Lebensversicherungs-Wirtschaft zwischen 1930 und 1955 erzielte. Die Jahre von 1943 bis 1949 entziehen sich allerdings unserer Betrachtung, da für diesen Zeitraum keine Statistiken geführt wurden. 21
Zürcher,
Walter: a.a.O., S. 20.
Die Kapitalanlage als Folge der K a p i t a l b i l d u n g
57
Tabelle 5 Vermögenserträge in v H der Prämieneinnahmen aller unter Reichs- bzw. Bundesaufsicht stehenden Lebensversicherungs-Unternehmungen 1930 bis 1955 1930 22,4 1937 24,5 1950 13,2 1931 26,2 1938 25,2 1951 17,3 1932 29,8 1939 25,3 1952 18,3 1933 30,9 1953 20,5 1934 28,0 1940 25,3 1954 22,2 1935 27,0 1941 25,2 1955 24,2 1936 25,4 1942 24,8 Quelle: Die Zahlen w u r d e n anhand der Angaben i n den Geschäftsberichten des Reichs- bzw. Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen ermittelt.
Tabelle 6 Vermögenserträge in v H der gesamten Kapitalanlagen aller unter Reichs· bzw. Bundesaufsicht stehenden Lebensversicherungs-Unternehmungen 1930 bis 1955 1930 6,8 1937 4,8 1950*) 3,9 1931 7,1 1938 4,8 1951 4,8 1932 6,5 1939 4,7 1952 4,9 1933 6,1 1953 5,2 Ü934 5,6 1940 4,7 1954 5,4 1935 5,3 1941 4,1 1955 5,6 1936 4,9 1942 4,5 Quelle: Die Zahlen w u r d e n anhand der Angaben des Reichs- bzw. Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen ermittelt. a ) Die geringverzinslichen Ausgleichsforderungen w u r d e n zu den V e r mögensanlagen gezählt.
Entsprechend dem Grundsatz der Gleichheit von Leistung und Gegenleistung werden die Erträge ans der Anlage des Deckungskapitals bei der Ermittlung der Jahresprämie berücksichtigt. Die Kapitalerträge treten somit bei der Prämienberechnung als drittes Kalkulationselement neben den natürlichen Jahresbedarf (Sterblichkeit) (und den. Bedarf zur Deckung des Verwaltungskostenaufwandes. Da jedoch die erzielbaren Erträge aus den Kapitalanlagen i m voraus nicht bestimmt werden können, erfolgt bei der Prämienkalkulation die Aufzinsung der Deckungskapitalien nach einem i m Geschäftsplan der Lebensversicherungs-Unternehmung festzulegenden Zinssatz, d e n m a n als Rechnungszinsfuß bezeichnet.
Deutlich geht aus Tabelle 1, Abschn. B, hervor, welche Verbilligung der Prämie sich bei Berücksichtigung des Zinses i n der Prämienkalkulation erzielen läßt. So verringert ein Rechnungszinsfuß i n Höhe von 2V2 0 /o die Prämie für die lebenslängliche Todesfallversicherung u m 3 8 % (bei Prämienzahlung bis zum Alter von 65 Jahren) die Prämie für die gemischte Versicherung um 25 °/o und die aufgeschobene Rentenversicherung um 42%.
58
K a p i t a l b i l d u n g u n d Kapitalanlage durch die Lebensversicherung
Um die Prämienkalkulation nicht m i t den Schwankungen, denen die Vermögenserträge i m Konjunkturablauf unterworfen sind, zu belasten, w i r d der Rechnungszinsfuß sehr niedrig angesetzt, damit er auch m i t Sicherheit erreicht werden kann. I n Deutschland ist heute beispielsweise ein Rechnungszinsfuß von 3 % vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen für alle Lebensversicherungs-Unternehmungen verbindlich vorgeschrieben. I m Durchschnitt erreichen jedoch die Lebensversicherungs-Unternehmungen eine weit höhere Verzinsung ihrer Anlagen, so daß gegenüber dem Ansatz der Verzinsung i n der Prämienkalkulation erhebliche Überschüsse entstehen. Diese werden nach bestimmten Systemen zusammen m i t den Überschüssen aus dem tatsächlichen Verlauf der Sterblichkeit und der tatsächlichen Höhe der Verwaltungskosten an die Versicherungsnehmer ausgeschüttet. Die Prämie erfährt so nachträglich eine Korrektur, die unter Umständen nicht unerheblich ist. Die Kapitalanlagen, denen das i n der Versicherungs-Unternehmung gebildete Kapital der Versicherungsnehmer zugeführt wird, sind aber nicht nur für die Verzinsung und damit für die Höhe der effektiven Prämie maßgeblich, sondern auch für die Qualität des Versicherungsschutzes. Treten Verluste an den Kapitalanlagen ein, w i r d i n gleichem Maß die Realisierung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen gefährdet, da ja die Bildung des Deckungskapitals ausschließlich zu deren Sicherung erfolgt. Auch w i r d deutlich, daß Verluste an den Kapitalanlagen auf ältere Versicherungsverträge einschneidender w i r ken als auf jüngere. Die traurige Konsequenz dieses Satzes mußten gerade die Versicherten der deutschen Versicherungs-Unternehmungen nach der Währungsumstellung von 1924 und 1948 erfahren, als die Kapitalanlagen durch Inflation u n d Währungsumstellung zusammenschmolzen. Rechnungs- u n d verwaltungstechnisch tragen die Versicherungs-Unternehmungen dem engen Zusammenhang von Kapitalanlage und Sicherstellung der Versicherungsansprüche dadurch Rechnung, daß sie die aus den M i t t e l n der Deckungskapitalien getätigten Vermögensanlagen von ihrem übrigen Vermögen trennen: man bezeichnet die aus dem Deckungskapital beschafften Anlagen als Deckungsstockvermögen. Auf diese Weise ist eine Kontrolle möglich, ob die Kapitalanlagen den speziellen Aufgaben des Deckungskapitals entsprechen.
Die Auswahlgrundsätze hinsichtlich der Anlage-Objekte
59
C. Die wirtschaftlichen und gesetzlichen Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen I n Abschnitt A dieser Arbeit wurden bereits die allgemeinen Grundsätze für die Kapitalanlage herausgearbeitet, die jede Wirtschaftseinheit i m Rahmen der von i h r verfolgten Ziele beachten muß. N u n gilt es zu untersuchen, welchen speziellen Auswahl- u n d Anlagegrundsätzen die Lebensversicherungs-Unternehmungen bei ihrer Kapitalanlage-Politik zu folgen verpflichtet sind, soll das Unternehmungsziel, die Gewährung von Versicherungsschutz, erreicht werden. Diese sollen zunächst an Hand der aus der Versicherungs- und Vertragstechnik resultierenden, wirtschaftlichen Eigenheiten der Kapitalbildung der Lebensversicherungs-Unternehmungen, die uns i m Abschnitt Β dieser Arbeit beschäftigte, entwickelt werden; i m Anschluß hieran ist zu prüfen, welchen Einfluß der Gesetzgeber auf die Auswahl der Kapitalanlagen und die Kapitalanlage-Politik nehmen kann.
I. Die wirtschaftlichen Grundsätze für die Auswahl der Anlage-Objekte 1. D i e
Anforderungen der LebensversicherungsT e c h n i k an die K a p i t a l a n l a g e n Die Möglichkeit und Notwendigkeit K a p i t a l anzulegen, entsteht, wie i n Abschnitt Β dieser Arbeit herausgestellt wurde, i m Zusammenhang m i t der Technik des Versicherungsvorgangs, insbesondere bei der Lebensversicherung, aus der Verquickung von Versicherung und Sparen. Die Kapitalanlage der Lebensversicherungs-Unternehmungen darf allerdings niemals Selbstzweck sein, sondern muß jederzeit der E r f ü l l barkeit der Versicherungsverträge Rechnung tragen. So steht nur ein durch die Versicherungstechnik eindeutig bestimmter Teil der i n die Lebensversicherungs-Unternehmung fließenden finanziellen M i t t e l entsprechend der zu erwartenden, durchschnittlichen Laufzeit der Versicherungsverträge für die Anlage zur Verfügung. Dies gilt vor allem auch dann, wenn die Nachfrage der kapitalsuchenden Wirtschaft unbefriedigt bleibt und dadurch der Versicherungsunternehmung Gewinnmöglichkeiten entgehen 1 . „Die Investitionstätigkeit darf die eigentliche Aufgabe der Unternehmen, nämlich Versicherungsschutz zu gewähren, nicht überwuchern, sondern muß sich organisatorisch i n den Betrieb einpassen und diesen möglichst wenig stören 2 ." 1 So auch Mueller , Rudolf: Anlage u n d V e r w a l t u n g der Kapitalanlagen privater Versicherungsunternehmungen, B e r l i n 1914, S. 10.
60
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
Gerade i n diesem Punkt zeigt sich der Unterschied zwischen den reinen Kreditinstituten einerseits und den Versicherungs-Unternehmungen andererseits. Zwar fließen hier wie dort i m Passivgeschäft kleine Geldbeträge zu großen Kapitalien zusammen, doch ist bei den Versicherungs-Unternehmungen nicht die Kapitalversorgung der W i r t schaft,, sondern die Sicherstellung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen die Hauptaufgabe des Aktivgeschäfts. „Diese Wesensverschiedenheit der eigentlichen Kreditinstitute und der VersicherungsUnternehmungen i n ihrer finanziellen Betätigung hat zur Folge, daß den letzteren für eine Reihe von Geschäften die Organisation, die Verbindung m i t den maßgebenden Kreisen des Publikums und des Verkehrs fehlt, und daß sie deshalb solche Geschäfte den dafür vornehmlich organisierten Bankinstituten überlassen müssen 3 ." Diese grundsätzlichen Überlegungen sind richtungsweisend für die Entwicklung der Anforderungen, die die Lebensversicherungs-Unternehmungen an die Beschaffenheit der für sie i n Betracht kommenden Anlage-Objekte stellen müssen. Regelt der Versicherungsvertrag, wie gegenwärtig, das Verhältnis von Versicherungsnehmer zu Versicherungs-Unternehmung, wie das eines Schuldverhältnisses über eine nominelle Geldsumme, so folgt hieraus, daß die zur Sicherstellung der Ansprüche der Versicherungsnehmer angesammelten Kapitalien nur solchen Anlagen zugeführt werden dürfen, die die Sicherheit des investierten Nominalkapitals gewährleisten. Weiterhin kommt es darauf an, die Versicherungsleistung i m Schadenfall unverzüglich zu bewirken, damit dem Versicherungsnehmer eine wirksame Hilfe zuteil wird. Dies kann aber nur dann erfolgen, wenn die Versicherungs-Unternehmung die zur Auszahlung der Versicherungsleistung notwendigen Geldbeträge unverzüglich und ohne Verlust flüssig machen kann. Die Kapitalanlage-Objekte müssen somit zu einem bestimmten Grad absolut liquide sein. Neben den Forderungen nach nomineller Sicherheit und Liquidität erwächst das Postulat, die Kapitalanlagen so auszuwählen, daß sie eine gewisse Rendite abwerfen; denn die Höhe der Prämie für den gewährten Versicherungsschutz hängt weitgehend von den erzielbaren Erträgen aus dem Anlagegeschäft ab. Schließlich ergibt sich noch aus der Tatsache, daß die Anlagetätigkeit der Versicherungs-Unternehimungen nur subsidiär dem Versicherungsvorgang zur Seite steht, eine weitere Anforderung, der die A n lage-Objekte gerecht werden müssen. Die Kapitalanlagen dürfen die 2 Ciaren, Joachim: Die Kapitalanlagen der privaten deutschen Lebensversicherungsunternehmungen, B e r l i n 1955, S. 30. 3 Mueller, Rudolf: a.a.O., S. 10.
Die Auswahlgrundsätze hinsichtlich der Anlage-Objekte
61
Geschäftsleitung der Versicherungs-Unternehmung nicht zu stark m i t versicherungs fremden Geschäften und Verpflichtungenn belasten. Zusammenfassend läßt sich m i t h i n festhalten: die für die Lebensversicherungs-Unternehmungen i n Betracht kommenden Kapitalanlagen müssen so beschaffen sein, daß sie: a) die nominelle Sicherheit hinsichtlich des investierten Kapitals gewährleisten, b) einen Liquiditätsgrad aufweisen, der den versicherungstechnischen Erfordernissen gerecht wird, c) eine möglichst hohe Rentabilität bieten und d) den Betriebsablauf der Versicherungs-Unternehmung nicht durch einen zu hohen Verwaltungsaufwand und durch versicherungsfremde Verpflichtungen beeinträchtigen. I m folgenden sei nun darauf eingegangen, welche Bedeutung diesen Auswahlgrundsätzen, die die Literatur als die klassischen bezeichnet, zukommt. 2. D i e
einzelnen der a) Der
Grundsätze für die Ani age-Objekte
Grundsatz
der nominellen
Auswahl
Sicherheit
Die Leistungen aus den Versicherungsverträgen, die i n der einmaligen oder periodisch wiederkehrenden Auszahlung einer bestimmten Geldsumme bestehen, können nur dann i n ihrem vollen nominellen Umfang erbracht werden, wenn keine nominellen Verluste an den Anlagen während der Anlagedauer eintreten. Bei der Auswahl der Kapitalanlagen ist daher vor allem auf deren nominelle Sicherheit zu achten. Dies bedeutet, daß m i t den Kapitalanlage-Objekten keine Risiken verbunden sein dürfen, die die nominelle Sicherheit gefährden können. Praktisch „läßt sich natürlich eine absolute Sicherheit, bei der jeder Verlust vollkommen ausgeschlossen ist, nicht erreichen" 4 . Doch kann durch Maßnahmen der Kapitalanlage-Politik, auf die noch einzugehen ist, die erzielbare Sicherheit so groß sein, daß durch die Nutzung der Erfahrungen der Vergangenheit Verlustmöglichkeiten weitgehend vermieden werden. Der Grundsatz der nominellen Sicherheit steht m i t voller Berechtigung an der ersten Stelle der Auswahlgrundsätze für die Kapitalanlagen. Die Lebensversicherunigs-Wirtschaft würde i n hohem Maß ihr Ansehen, ja ihre Daseinsberechtigung verlieren, könnte sie i m Schadenfall ihren Versicherungsnehmern, die oft über Jahrzehnte hinweg ihre Prämien entrichtet haben, nicht die vereinbarte Versicherungsleistung i n ihrem vollen nominellen Umfang zur Verfügung stellen. 4
Mueller, Rudolf: a.a.O., S. 13.
62
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
b) Der Grundsatz des versicherungstechnisch notwendigen Liquiditätsgrads des Anlage-Objekts Die Aufrechterhaltung der relativen Liquidität, d. h. die Abstimmung der Fristigkeiten von Kapitalanlagen und Verbindlichkeiten ist maßgebend für den zu wählenden absoluten Liquiditätsgrad der A n lage-Objekte; denn von diesem hängt es ab, ob die Kapitalanlage ohne Verlust zu dem vorgesehenen Zeitpunkt i n Bargeld rückgewandelt werden kann. Das Problem, das die Gewährleistung der relativen Liquidität den Geschäftsleitungen stellt, ist bei Versicherungsinstituten völlig anders gelagert als bei Unternehmungen anderer Wirtschaftszweige. Wie sehr hier versicherungstechnische Überlegungen hineinspielen, w i r d deutlich, wenn man beachtet, daß bei allen anderen Unternehmungen die Fälligkeiten der Verpflichtungen ziemlich genau bekannt sind, während diese bei den Versicherungs-Unternehmungen nur auf Grund wahrscheinlichkeits-theoretischer Kalküle geschätzt werden können. Bei der Abschätzung der zukünftigen Verhältnisse dürfen die Versicherungs-Unternehmungen nicht n u r von den Erfahrungen der Vergangenheit ausgehen, sondern müssen auch mögliche, plötzlich auftretende Schadenhäufungen berücksichtigen, auf die sie sich bei ihren finanziellen Dispositionen einstellen müssen. Von der Gestaltung der relativen Liquidität hängt es ab, i n welcher Zeitspanne ein festgestellter Schaden reguliert werden kann. Die Liquidität ist, ebenso wie die nominelle Sicherheit, für die Qualität des Versicherungsschutzes maßgebend. Entsprechend der betrieblichen Eigenart der verschiedenen Versicherungszweige ergeben sich hinsichtlich des Problems der relativen L i q u i dität und damit verbunden i n bezug auf die Haltung liquider Kapitalanlagen Besonderheiten. Das zeigt Tabelle 7, die den Bestand an absolut liquiden Anlagen bei den wichtigsten Versicherungszweigen wiedergibt. Tabelle 7 Absolut liquide Mittel bei den wichtigsten Versicherungszweigen Ende des Jahres 1931 (Die Zahlen geben das Verhältnis der Summe der absolut liquiden M i t t e l zu der Gesamtsumme der liquiden u n d i l l i q u i d e n M i t t e l an) Lebens- u n d Krankenversicherungen Unfall-, Haftpflicht- u n d andere Schadenversicherungen Transportversicherungen Rückversicherungen Hagelversicherungen Viehversicherungen Quelle: Feldheim, H.: Lebensveiisicherung und Geldmarkt, 1Θ34, S. 25, zitiert nach Ciaren, Joachim, a.a.O., S. 14.
22,2 ®/o 63,7 °/e 81,7 Vo 87,6 °/o 80,7 °/o 83,9 w/o München
Die Auswahlgrundsätze hinsichtlich der Anlage-Objekte
63
Die Übersicht zeigt, daß die Lebensversicherungs-Unternehmungen weit geringere liquide M i t t e l benötigen als die Unternehmungen m i t reiner Risikoversicherung. Die Hauptursache hierfür ist darin zu sehen, daß die ersteren wegen der langen Laufzeit der Verträge entsprechend auf lange Sicht bei der Anlage der sich bildenden Kapitalien disponieren können. Auch läßt sich bei der Lebensversicherung der zur Bereitstellung der Versicherungsleistung notwendige Geldbedarf an Hand der statistisch feststellbaren Lebenserwartung sowie wegen des Bekanntseins des jeweiligen Schadenumfangs in Form der Versicherungssumme zuverlässiger bestimmen als bei den Zweigen der Schadenversicherung, die m i t unvorhersehbaren Katastrophen rechnen müssen. Ferner ist von nicht geringer Bedeutung, daß die Lebensversicherung auf Grund der langfristigen Struktur der Versicherungsverträge m i t einer ziemlichen Konstanz der Prämieneinnahmen rechnen kann. Dies gilt vor allem auch für Krisenzeiten; denn die Versicherungsnehmer schrecken meist auch dann wegen der m i t der Kündigung der Versicherungsverträge verbundenen Verluste vor einer Stornierung zurück. Bei einem nach den Prinzipien der Risikoauslese aufgebauten Versicherungsbestand und bei normalem Schadenverlauf können die Lebensversicherungs-Unternehmungen die anfallenden Versicherungsleistungen aus den laufenden Prämieneinnahmen decken, ohne daß auf die Prämienreserven, das Deckungskapital, zurückgegriffen werden muß. Das w i r d bestätigt durch den Verlauf der Prämieneinnahmen und Zahlungen für Schäden und Rückkäufe der deutschen Lebensversicherungs-Unternehmungen i n den letzten Jahren (vgl. Tabelle 2 auf Seite 54). Unsere Betrachtungen ergeben also, daß die betriebliche Eigenart der Lebensversicherungs-Unternehmungen eine langfristige Bindung des Kapitals zuläßt. Dem absoluten Liquiditätsgrad der Anlage-Objekte kommt deshalb bei der Auswahl der Kapitalanlagen keine so wesentliche Bedeutung zu wie etwa bei den Zweigen der reinen Risikoversicherung. c) Der
Grundsatz
der größtmöglichen
Rentabilität
Die Rentabilität der Kapitalanlagen ist vor allem deshalb für die Lebensversicherungs-Unternehmungen von Bedeutung, w e i l hierdurch die Prämie für den Versicherungsschutz wesentlich verbilligt werden kann. Wie in Abschnitt Β dieser Arbeit gezeigt wurde, kann die Prämie um so niedriger angesetzt werden, je mehr Kapitalerträge zur Aufbringung der für die Versicherungsleistung notwendigen M i t t e l herangezogen werden können. Die Stellung einer Lebensversicherungs-Unternehmung i m Konkurrenzkampf hängt demnach zu einem gewissen Grad auch von der erzielbaren Rentabilität der Kapitalanlagen ab.
64
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
Allgemein läßt sich aber sagen, je größer die Rentabilität der Kapitalanlagen ist, desto geringer ist die Sicherheit und umgekehrt 5 . Hohe Rentabilität w i r d daher meist nur gegen den Preis geringer Sicherheit und Liquidität erzielt. So kann beispielsweise bei der Gewährung eines Beleihungskredits eine zu hohe Zinsbelastung schon bei einem geringfügigen Konjunkturrückgang den Ruin des Schuldners heraufbeschwören und die Kapitalanlage wertlos werden lassen 6 . Aus diesen Überlegungen folgt, daß die Versicherungs-Unternehmungen bei der Auswahl der für sie i n Frage kommenden Anlagemöglichkeiten den Grundsatz maximaler Rentabilität dem Grundsatz, höchstmöglicher Sicherheit unterordnen müssen. „Kapitalanlagen m i t einer hohen Rentabilität kommen, also offenbar für Versicherungs-Unternehmungen gar nicht i n Frage, da sie spekulativen Charakter tragen und somit gegen den Grundsatz der Sicherheit verstoßen 7 ." Durch entsprechende Gestaltung der Kapitalanlage-Politik, auf die noch, einzugehen sein wird, läßt es sich jedoch ermöglichen, auch höher verzinsliche Werte als Anlagen für Lebensversicherungs-Unternehmungen heranzuziehen. Die Lebensversicherungs-Wirtschaft ist auf eine möglichst gleichbleibende Verzinsung ihrer Kapital-Anlagen angewiesen, da diese Bestandteil der Prämienkalkulation ist. Sinken die tatsächlich erzielten Kapitalertragssätze unter den Rechnungszinsfuß, so entsteht ein mehr oder weniger großer Fehlbetrag „und damit die Gefahr, daß die Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen nicht mehr voll erfüllt werden können, w i l l man nicht zum M i t t e l der Prämienerhöhung oder zu anderen außerordentlichen und dem Ansehen der Unternehmung vielfach nachteiligen Mitteln, z. B. Heranziehen der Reserven, die zunächst für andere Zwecke bestimmt sind, oder des Gewinns aus anderen Quellen greifen" 8 . Der i n der Prämienkalkulation angesetzte Rechnungszinsfuß stellt somit auf kurze Sicht die Untergrenze dar, zu der die Versicherungs-Unternehmung die Kapitalien anlegen darf, ohne Verluste zu erleiden. Auf lange Sicht ist noch eine gewisse Spanne zu berücksichtigen, „um die Kosten der Vermögensverwaltung und etwaigen Verlusten von Zins und Kapitalforderungen, die auch bei noch so vorsichtiger Auswahl der Anlagewerte nicht ganz vermeidbar sind, ziu decken" 9 . 5
Lengyel, S.: Die Bilanzen der Versicherungs-Unternehmungen, Berl i n 1921, S, 94. 6 Pomplitz, K u r t : Die Kapitalanlage bei Versicherungs-Unternehmungen, i n : D i e Praxis der Versicherungswirtschaft, Heft Nr. 9, Leipzig u n d B e r l i n 1936, S. 19. 7 Zürcher, Walter: Sachwerte als Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmen, Zürich u. St. Gallen 1955, S. 44. 8 Mueller , Rudolf: a.a.O., S. 15. 9 Pomplitz, K u r t : Kapitalanlagepolitik . . . a.a.O., S. 18.
Die Auswahlgrundsätze hinsichtlich der Anlage-Objekte
65
So vorsichtig der Rechnungszinsfuß auch gewählt werden mag, eine völlige Unabhängigkeit vom allgemeinen Zinsniveau der Volkswirtschaft läßt sich auf die Dauer nicht erzielen. „Wohl aber läßt sich ein allmählicheres Anpassen, ein Abschleifen der Übergänge erreichen, und zwar durch die Wahl von Kapitalanlagen, deren Zufluß auf möglichst lange Zeit unabänderlich festliegt 1 0 ." d) Der Grundsatz der Indifferenz den Geschäftsbetrieb der
der Kapitalanlage in bezug Versicherungs-Unternehmung
auf
Die verschiedenen Kapitalanlage-Möglichkeiten verlangen ein unterschiedliches Maß an Arbeitsaufwand hinsichtlich ihrer Verwaltung und regelmäßigen Kontrolle. Keinesfalls darf dieser jedoch die Leitung einer Versicherungs-Unternehmung so sehr beschäftigen, daß die A b wicklung des Versicherungsgeschäfts beeinträchtigt wird. „Die Kapitalverwaltung darf f ü r den Versicherungsbetrieb kein Hindernis sein; sie muß i m Gegenteil bestrebt sein, diesen i n seinem Bedürfnis nach Ausdehnung und Erweiterung zu unterstützen 1 1 ." Eine Berücksichtigung dieser Förderung erfolgt zu einem gewissen Grad schon durch die anzustellenden Rentabilitätsüberlegungen. So kommen solche Anlage-Objekte für Lebensversicherungs-Unternehmiingen nicht i n Betracht, deren Ertragslage zu dem erforderlichen Verwaltungsaufwand i n keinem angemessenen Verhältnis steht. Der Grundsatz der Indifferenz der Kapitalanlage in bezug auf den Geschäftsbetrieb der Versicherungs-Unternehmung verlangt aber weiter, daß m i t dem Besitz der Kapitalanlagen keine versicherungsfremden Tätigkeiten verbunden sein dürfen, die über die Tätigkeit einer reinen Vermögensverwaltung hinausgehen. Die Abgrenzung der bloßen Vermögensverwaltung von versicherungsfremder Betätigung bringt allerdings gewisse Schwierigkeiten m i t sich. Ist ζ. B. die Verwaltung eines großen Grundbesitzes und die damit verbundene Vermietung von Wohnungen, Geschäftsräumen und Ladenlokalen bereits als versicherungsfremde Tätigkeit anzusehen? Das kaiserliche Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung war bis zum ersten Weltkrieg offenbar dieser Auffassung; denn es gestattete den Versicherungsgesellschaften den Erwerb von Grundstücken nur insoweit, als sie den eigenen Geschäftsbedürfnissen der Gesellschaften dienten 1 2 . Diese Auffassung w i r d zwar heute nicht mehr vertreten,, aber auch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen wendet sich gegen eine Vermögensanlage i n Forstgrundstücken, weil die m i t 10
Mueller , Rudolf: a.a.O., S. 16. Mueller , Rudolf: a.a.O., S. 22. 12 Fritz, Ernst: D i e Vermögensanlagen der Versicherungswirtschaft i n aufsichtsbehördlicher Sicht, i n : Veröffentlichungen der K ö l n e r Versicherungswissenschaftlichen Vereinigung e.V., Heft 1, B e r l i n 19-58, S. 24. 11
5
Lukarecb
66
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
der Verwertung des Holzeinschlags verbundene Geschäftstätigkeit als versicherungsfremd anzusehen sei 13 . Allgemein kann man sagen, daß das normale Maß der bloßen Vermögensverwaltung dann überschritten wird, wenn die Erzielung eines Ertrages aus der Kapitalanlage das Tätigwerden der Geschäftsleitung der Versicherungs-Unternehmung außerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs voraussetzt. Beispielsweise kann bei der Gewährung von Beteiligungskrediten der Kreditgeber gezwungen sein, eine aktive Rolle i n der Geschäftsführung der abhängigen Unternehmung zu übernehmen. I m Gegensatz zu den anderen Auswahlgrundsätzen ist der Grundsatz der Indifferenz der Kapitalanlage i n bezug auf den Geschäftsbetrieb durch keinerlei Maßnahmen der Kapitalanlage-Politik abdingbar. Er setzt m i t h i n i m Hinblick auf die Auswahl der Anlage-Objekte feste Grenzen.
II. Die Durchführung der Kapitalanlage und die dabei zu beachtenden Grundsätze Die beschriebenen wirtschaftlichen Auswahlgrundsätze hinsichtlich des Anlage-Objekts stehen i m einzelnen zueinander i n gewissem Gegensatz; eine einzelne Kapitalanlage kann deshalb niemals allen i n gleichem Maß gerecht werden. Hieraus erwächst für die Unternehmungsleitungen der Versicherungs-Unternehmungen die Aufgabe, das sich bildende Kapital so anzulegen, daß wenigstens die Gesamtheit der Kapitalanlagen den vier Auswahlgrundsätzen Rechnung trägt. Die Kapitalanlage-Politik muß demnach so gestaltet werden, daß eine A r t Funktionsteilung der einzelnen Kapitalanlagen gewährleistet ist 1 4 . Die Durchführung der Kapitalanlage und die Abwicklung der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen vollzieht sich i n verschiedenen Stufen, die sich zwar theoretisch, jedoch nicht praktisch voneinander trennen lassen, da sie sich vielfach überlagern. Als 'die wichtigsten können w i r die folgenden ansehen 15 : a) Erforschung und Analyse der Kapitalanlage-Möglichkeiten, b) Erwerb und Veräußerung der Kapitalanlagen, c) Verteilung der Kapitalanlagen nach den Grundsätzen der Risikoverteilung und der kongruenten Deckung. 13
Fritz, Ernst: a.a.O., S. 31. So auch Zürcher, Walter: a.a.O., S. 38. . 15 Patrick, Robert B.: Management of the Life-insurance Portefolio, i n : McCahan, D a v i d : Investment of Live-Insurance Funds, Philadelphia u n d London 1953, S. 57. 14
67
Die Anlage-Grundsätze
der
1. E r f o r s c h u n g und A n a l y s e Kapitalanlage-Möglichkeiten
Die Erforschung und Analyse der einzelnen Kapitalanlage-Möglichkeiten dient zur Feststellung ihrer speziellen Merkmale 1 6 . Beispielsweise ist es bei Schuldverschreibungen notwendig, festzustellen, welche Rechtsausstattung sie besitzen, welche Bedingungen i n bezug auf Verzinsung und Tilgung gegeben sind, welchem Wirtschaftszweig der Emittent angehört, welche Marktstellung er besitzt usw. Weiterhin umfaßt die Analyse der Kapitalanlage-Möglichkeiten die Beobachtung der einzelnen Wirtschaftszweige, i n die das Kapital geleitet werden soll. „Es gibt aufstrebende, stagnierende und rückläufige Wirtschaftszweige. Demgegenüber steht die Wertpapieranalyse vor der Frage, Anzeichen für Aufschwung und Rückgang durch Beobachtung der Umsätze, Gewinne, Aufträge und Finanzierungsmaßnahmen zu finden 1 7 ." Schließlich ist auch eine Analyse der Märkte für die einzelnen Kapitalanlage-Objekte erforderlich. Diese muß zu klären versuchen, auf welchen Gegebenheiten der Preisbildung beruht, welche Veränderungen zu erwarten sind usw. Erst wenn die hier nur kurz gestreifte Analyse der verschiedenen Kapitalanlage-Möglichkeiten erfolgt ist, kann die Geschäftsleitung der Versicherungs-Unternehmung die Entscheidung über die Auswahl der Kapitalanlagen entsprechend den abgeleiteten Grundsätzen treffen. Da sich jedoch i m Wirtschaftsleben die Daten einer bestimmten Kapitalanlage-Art laufend verändern», muß die beschriebene Analyse fortgesetzt erfolgen; sie ist somit integrierender Bestandteil der Kapitalanlage-Politik. 2. E r w e r b
und
Veräußerung
der
Kapitalanlagen
Die Abwicklung von Erwerb und Veräußerung einzelner Kapitalanlagen stellt für die Leitung der Lebensversicherungs-Unternehmungen ein organisatorisches Problem dar. Grundsätzlich stehen ihr folgende Möglichkeiten offen 1 8 : a) Sie tätigt die Kapitalanlage i n der Form eines direkten Geschäfts m i t den kapitalsuchenden Wirtschaftseinheiten, 16 Vgl. hierzu: Egger, J. G.: Kapitalanlage u n d Vermögensverwaltung, 2i. Aufl., Tübingen 1939. — Ellinger, A . G.: The A r t of Investment, London 1955. — von Mering, Otto u n d Linhardt, Hanns: A r t i k e l Kapitalanlage, i n : Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Tübingen, Stuttgart u. Göttingen, 12, Lieferung 1956, Su 494—498. — Pickett , Ralph Α . u n d Ketchum , M . : I n vestment Principles and Policy, New Y o r k 1954. — Quittner , Paul: Investment, Moderne Principien der Vermögensanlage, B e r l i n 1930. 17 von Mering, Otto u n d Linhardt , Hanns: a.a.O., S. 496. 18 Patrick , Bobert B.: a.a.O., S. 63.
5*
68
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
b) sie t r i t t zum Erwerb bzw. Verkauf von Wertpapieren an der Börse auf, c) sie bedient sich eines Bankgeschäfts, das an der Börse oder im Freiverkehr als Vermittler oder Makler für Kapitalanlage-Geschäfte tätig wird, d) sie bedient sich berufsmäßiger Makler oder Vermittler. Welche von den angeführten Möglichkeiten angewandt werden sollen, bleibt den Versicherungs-Unternehmungen überlassen bzw richtet sich nach den geltenden auf sich ts rechtlichen Bestimmungen. Es wäre aufschlußreich, den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Möglichkeiten nachzugehen, doch würde dies i m Rahmen dieser Untersuchung zu weit führen. 3. V e r t e i l u n g der Kapitalanlagen Grundsätzen der Risikoverteilung kongruenten Deckung
nach und
den der
Die Verteilung der anzulegenden Kapitalien i m Hinblick auf die Nutzung der Vorteile der verschiedenen Kapitalanlage-Arten stellt die Geschäftsleitung einer Lebensversicherungs-Unternehmung vor weitere Probleme. I n der Praxis haben sich hierfür gewisse Prinzipien herausgebildet, die die Auswahlgrundsätze hinsichtlich des AnlageObjekts zu einem gewissen Grad ergänzen. Allgemein unterscheidet man den Grundsatz der Risikoverteilung und den Grundsatz der kongruenten Deckung. a) Der
Grundsatz
der Risikoverteilung
der
Kapitalanlagen
Uberschreitet das anzulegende Kapital eine gewisse Größenordnung, so kann eine Verteilung auf die verschiedenen Kapitalanlage-Arten und damit auf die verschiedenen Kapitalanlage-Risiken erfolgen, so daß ein Risikoausgleich zustandekommt. Dieser w i r d u m so wirksamer sein, je weiter die Verteilung der Kapitalanlagen über die Anlagerisiken gespannt werden kann. Bei der Befolgung des Grundsatzes der Risikoverteilung handelt es sich i m Grunde um die gleichen Überlegungen, wie sie bei der Auswahl der von der Lebensversicherungs-Unternehmung i n Deckung genommenen Risiken erfolgen. So wie dort das ärztliche Gutachten maßgeblich für die zu treffenden Entscheidungen ist, w i r d bei der Verteilung der Anlagen auf die verschiedenen Anlagearten die Analyse ihrer wirtschaftlichen Daten wertvolle Unterstützung leisten. Der Grundsatz der Risikoverteilung gewinnt für den Erfolg der Kapitalanlage-Politik weiterhin auch deshalb besondere Bedeutung, weil ein kurzfristiges Wechseln von einer Kapitalanlage-Art zu einer anderen nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist.
Die Anlage-Grundsätze
69
Wandlungen i n der Zusammensetzung der Kapitalanlagen einer Lebensversicheriungs-Unternehmung lassen sich i n größerem Stil unter normalen Umständen nur langsam vollziehen, da jedes überhastete Vorgehen gewöhnlich m i t Verlusten verbunden ist. Die Verteilung des Kapitals auf die einzelnen Anlagearten kann nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen. Patrick 1 9 fordert die Verteilung der Kapitalanlagen a) nach geographischen Gesichtspunkten, b) über verschiedene Wirtschaftszweige, c) über die verschiedenen Rechtsformen der kapitalsuchenden Unternehmen innerhalb der einzelnen Wirtschaftszweige und d) über die Zeit, d. h. nach Gesichtspunkten der Fälligkeit der Kapitalanlagen. Diese Verteilungsgesichtspunkte haben für die verschiedenen Kapitalanlage-Arten unterschiedliche Bedeutung. So ist beispielsweise die Verteilung von Wertpapieranlagen auf verschiedene Wirtschaftszweige von weit größerer Bedeutung als bei Hypothekenanlagen; denn bei ersteren spielen die Entwicklungstendenzen der einzelnen Branchen für den Bestand der Kapitalanlage eine weitaus größere Rolle als bei letzterer 2 0 . Die Forderung nach Mischung der Kapitalanlagen gilt aber nicht nur hinsichtlich der Verteilung auf die einzelnen Anlagearten, sondern auch hinsichtlich der Verteilung innerhalb derselben. Man w i r d deshalb vermeiden, den größeren Teil ein und derselben Obligationenemission zu übernehmen, dem gleichen Schuldner mehrere Hypothekarkredite für das gleiche wirtschaftliche Vorhaben zu gewähren usw. Durch Verteilung der Anlagen nach der Fälligkeit kann erreicht werden, daß sich die i n den einzelnen Konjunkturphasen ergebenden Vor- und Nachteile bei den einzelnen Anlagearten kompensieren. Für die Lebensversicherungs-Unternehmungen bringt die Beachtung dieses 19 Patrick, Robert B.: a.a.O., S. 74. — Quittner w i l l a.a.O., S. 3, folgende Verteilungsgesichtspunkte berücksichtigt wissen: „1) Verschiedenheit der Unternehmungen 2) Verteilung nach Wertpapierkategorien 3) Gliederung nach Branchen 4) Geographische Gliederung." Egger fordert die Verteilung der i n der wirtschaftlichen Tätigkeit liegenden Risiken: „1) nach der A r t derselben: Landwirtschaft, Handel, Bankgewerbe, V e r sorgungsbetriebe (Kraft-, Gas- u n d Wasserwerke), Industrie, u n d innerhalb der letzteren auf die verschiedenen Branchen (Lebensmittel-, Maschinen-, Textilindustrie usw.) 2) nach dem Land, i n welchem diese ausgeübt w i r d , 3) nach der A r t der Kapitalinvestierung: Aktienbesitz, Anleihen." 20 So auch Quittner, Paul: a.a.O., S. 4.
70
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
Punktes keine nennenswerten Schwierigkeiten m i t sich, da bei einem kontinuierlichen Geschäftsablauf eine solche Verteilung nahezu zwangsläufig eintritt. Wie die Verteilung der Kapitalanlagen auf die einzelnen Kapitalanlage-Arten erfolgen soll, läßt sich allgemein nicht bestimmen. „Es dürfte schwer halten, ein bestimmtes Verteilungsschema als die allgemein gültige und ideale Lösung aufzustellen 21 ." I n welcher Form die Geschäftsleitung den Anlageplan aufstellt, w i r d sich deshalb immer nach der jeweiligen Gesamtsituation der Volkswirtschaft wie der Versicherungs-Unternehmung selbst richten müssen. Dem Grundsatz der Risikoverteilung sind selbstverständlich gewisse Grenzen gesetzt. Diese ergeben sich vor allem durch die damit verbundene Erhöhung der Verwaltungskosten. Auch ist die Übersichtlichkeit des Bestandes an Kapitalanlagen von Bedeutung, damit die laufende Überwachung und Kontrolle nicht erschwert oder gar verhindert wird. Tatsächlich stehen aber die Lebensversicherungs-Unternehmungen häufig unter dem Druck der öffentlichen Meinung und politischer Interessentengruppen, wodurch die Kapitalanlagen oft weiter verteilt werden, als es gerechtfertigt erscheint 22 . Fassen w i r zusammen, so kann festgestellt werden, daß das Optimum der Verteilung der Kapitalanlagen nach dem Grundsatz der Risikoverteilung dann erreicht ist, wenn eine Risikokumulierung ohne erhebliche Steigerung der Verwaltungskosten vermieden wird. b) Der
Grundsatz
der kongruenten
Deckung
Bei der Vornahme der Kapitalanlage und der Abwicklung der Kapitalanlage-Politik ist weiterhin der Grundsatz der kongruenten Deckung z-u berücksichtigen. Dieser besagt i n seiner allgemeinsten Form, daß das Deckungskapital der Lebensversicherungs-Unternehmungen nur i n solchen Werten angelegt werden darf, i n denen i m Schadenfall die Versicherungsleistung erstellt werden muß 2 3 . Bei den heute üblichen Versicherungsverträgen, bei denen die Versicherungsleistung i n einer bestimmten, einmaligen oder wiederkehrenden Geldzahlung besteht, gebietet dieser Grundsatz die Anlage des Deckungskapitals in nominell sicheren Anlagearten. Er verlangt also bei der Durchführung der Kapitalanlage die strikte Einhaltung der abgeleiteten Aus Wahlgrundsätze hinsichtlich des Anlage-Objekts. 21 König, P.: Kapitalanlagefragen i n der Lebensversicherung, i n : SVZ, Jg. 1949/50, S. 266. 22 So auch Patrick, Robert B.: a.a.O., S. 75. 23 D i e allgemeine Bedeutung dieses Grundsatzes w u r d e vor allem von F. Schmidt erkannt. I n seinem Werk „Die organische Tageswertbilanz" fordert er die E i n h a l t u n g des Prinzips der Wertgleichheit i n der Bilanz für alle Betriebswirtschaften.
Die Anlage-Möglichkeiten
71
Der Grundsatz der kongruenten Deckung wurde erstmalig nach dem ersten Weltkrieg formuliert, als die deutsche LebensversicherungsWirtschaft beim Zusammenbruch der deutschen Währung hinsichtlich der Erfüllung ihres nicht unerheblichen Auslandsgeschäfts i n Zahlungsschwierigkeiten kam. Entsprechend den gesetzlichen Anlagebestimmungen wurden nämlich bis dahin die Deckungskapitalien, auch der ausländischen Versicherungsnehmer, nur durch inländische Nominalanlagen gedeckt, die durch die Inflation nahezu völlig wertlos wurden. Der Grundsatz der kongruenten Deckung ist auch für alle Arten der sogenannten wertbeständigen Versicherungsverträge auf der Basis fremder Währungen von Bedeutung, wie sie i n Deutschland zu Beginn der zwanziger Jahre aufkamen. Die Schwierigkeiten, für solche Versicherungen die entsprechenden Deckungsanlagen zu finden, wurde m i t der Einführung der Devisenzwangswirtschaft i m Jahre 1931 immer größer, so daß die Gesellschaften von sich aus gezwungen waren, diese Versicherungsverträge nach und nach abzubauen, bis sie schließlich vom Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung verboten wurden.
I I I . Die Möglichkeiten der Kapitalanlage auf Grund der wirtschaftlichen Auswahl- und Anlagegrundsätze Die besprochenen wirtschaftlichen Auswahlgrundsätze hinsichtlich des Anlage-Objekts und die Grundsätze der Kapitalanlage-Politik schränken die für die Lebensversicherungs-Unternehmungen in Betracht kommenden Kapitalanlage-Arten gegenüber der Vielfalt der gegebenen Anlagemöglichkeiten erheblich ein. I n diesem Abschnitt sollen daher die auf Grund der wirtschaftlichen Auswahl und Anlagegrundsätze für die Lebensversicherungs-Unternehmungen geeigneten Kapitalanlage-Möglichkeiten kurz zusammengestellt werden. A m weitesten entsprechen die sog. mündelsicheren Kapitalanlagen den wirtschaftlichen Auswahlgrundsätzen. Ursprünglich handelte es sich dabei um einen juristischen Begriff, der diejenigen KapitalanlageArten umfaßte, „welche Gesetzgebung und Tradition für die Kredite des Vormundes aus dem Vermögen des Mündels verlangten" 2 4 . Der Begriff mündelsichere Anlagen erfuhr jedoch i m Laufe der Zeit eine weitgehende Ausdehnung. Heute faßt man darunter alle jene Kapitalanlagen zusammen, die auf einem Forderungsrecht aus einem Kreditvertrag beruhen, von dem feststeht, daß nach Ablauf einer vereinbarten Frist das geliehene Kapital i n voller Höhe zurückerstattet 24 Gasser, Christian u n d Meyer, Werner: Der schweizerische markt, Bd. Π, Zürich u n d St. Gallen 1952, S. 50.
Kapital-
72
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
w i r d und während der Kreditdauer die vereinbarten Zinsen termingerecht bezahlt werden 2 5 . „Ob diese Voraussetzungen gegeben sind,, hängt einmal von der A r t des Schuldners ab — Forderungen an öffentliche Körperschaften — oder von der A r t der gestellten Sicherheit — Hypotheken und Pfandbriefe 2 6 ." Hieraus folgt nun, daß mündelsichere Anlagen immer Beleihungskredite und niemals Beteiligungskredite sind 2 7 . Einen Katalog der mündelsicheren Kapitalanlage-Möglichkeiten gibt der deutsche Gesetzgeber i n § 1807 BGB. Die bedeutendste mündelsichere Kapitalanlage ist heute i n Deutschland noch immer die erstrangige Hypothek, bei der ein Grundstück den nominellen Bestand einer Kreditforderung dinglich sichert. Entsprechend dem Niveau des Kapitalmarktzinses gewähren die Hypothekenforderungen zumeist eine angemessene Verzinsung. Eine ebenso mündelsichere Kapitalanlage stellen Pfandbriefe dar, die i m Passivgeschäft von Hypothekenbanken emittiert werden. Sie bieten zwar eine etwas geringere Verzinsung als Hypothekenforderungen, doch besitzen sie wegen ihrer Stückelung einen höheren Grad der absoluten Liquidität. Neben den Hypotheken und Pfandbriefen sind Schuldscheinforderungen
und
Darlehen
an den Staat
und
öffentlich-rechtliche
Körper-
schaften eine weitere Gruppe der mündelsicheren Kapitalanlagen. Hierzu gehören Anleihen und Schatzanweisungen des Bundes, der Länder und Kommunen, sowie Anleihen von Bundesbahn, Bundespost und anderen öffentlich-rechtlichen Unternehmen. Zwar sind öffentlich-rechtliche Betriebe wie alle anderen Betriebe Einwirkungen durch den Kon j u n k tur ablauf ausgesetzt; doch werden Rückzahlung -und Verzinsung durch den Staat m i t seinem laufenden Steueraufkommen garantiert. Obligationen
u n d Schuldscheindarlehen
privater
Unternehmen
gelten
rechtlich nicht als mündelsicher; doch können diese, wenn eine entsprechende Sicherstellung des Kredits gewährleistet erscheint, wobei es auch auf den Wirtschaftszweig, dem die Unternehmen angehören und auf deren Stellung i m M a r k t ankommt, wirtschaftlich als mündelsicher angesehen werden. Normalerweise bieten solche Kapitalanlagen, als Ausgleich für die geringere nominelle Sicherheit, gegenüber den gesetzlich anerkannten Mündelanlagen eine höhere Verzinsung. Lebensversicherungs-Unternehmungen können somit Schuldverschreibungen und Darlehen nur in einem solchen Umfang zeichnen, den die Beachtung des Grundsatzes der Risikostreuung zuläßt. 25 So auch Hax, K a r l : Die Kapitalanlage-Politik . . . a.a.O., S. 151, u n d Gasser/Meyer, Bd. I I , a.a.O., S. 51. 26 Hax, K a r l : Die Kapitalanlage-Politik . . . a.a.O., S. 151. 27 So auch Gasser/Meyer: Bd. I I , a.a.O., S. 51.
liquid
X
— X — — X Χ Χ Χ — — —
—
X
—
— —
— — — X X X — — —
—
—
—
mündelsicher
Χ Χ Χ — — — Χ Χ Χ
X
X
X
Χ X X X — — — X X X
X
—
—
X
— — — X X X — — —
—
X
X
—
nicht kurz- und Sach- Nominal- mittelsicher werte werte langfristig
fristig
Quelle: Zürcher, Walter: Sachwerte als Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmungen, Zürich und St. Gallen 1955, S. 34.
X X — — — — X X X
—
X
— — — — — X Χ — —
X
—
mündelΧ
illiquid
Grundpfandtitel : Erste Hypotheken auf Wohnbauten — Zweite Hypotheken auf Wohnbauten und Hypotheken auf gewerblichen Bauten — Staatspapiere und Wertschriften mit Staatsgarantie X Obligationen von Gemeinden und Bezirken . . X Pfandbriefe X Obligationen von Banken X Obligationen v. industriellen Unternehmungen X Kotierte Aktien und Anteilscheine X Nichtkotierte Aktien und Anteilscheine X Grundstücke — Policendarlehen — Bankguthaben X Postscheckguthaben X
Kapitalanlagearten
Die Anlage-Möglichkeiten 78
74
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
M i t den gleichen Einschränkungen kommt für LebensversicherungsUnternehmungen eine Anlage i n Wohn- und Geschäftsgrundstücken in Frage. Zwar sind für Grundstücke i n guten Lagen die Verkehrswerte auf längere Zeit i m allgemeinen als feststehend anzusehen, doch müssen das Risiko der Marktpreisschwankungen und die drohenden Elementarrisiken als beträchtlich angesehen werden. Auch ist zu erwähnen, daß durch eine verstärkte Kapitalanlage i n Grundstücken gegen das Prinzip der kongruenten 'Deckung verstoßen werden könnte. Ferner ist nicht zu übersehen, daß mit Grundstücksanlagen nicht nur erhebliche Verwaltungskosten verbunden sind, sondern für die Geschäftsleitung auch leicht ein Tätigwerden auf dem Wohnungsmarkt erforderlich werden kann, damit angemessene Mieterträge erzielt werden. Auch Anlagen i n Beteiligungen, etwa in Form von Aktien, können Lebensversicherungs-Unternehmungen nur insoweit vornehmen, als es der Grundsatz der Risikoverteilung zuläßt, „da hier die Rückwandlung eines bestimmten Kapitalbetrages aus der Natur der Sache heraus nicht gesichert erscheint und die Erträge i n hohem Maß konjunkturabhängig sind" 2 8 . Weitere Einschränkungen der Aktienanlagen resultieren schließlich aus der Beachtung des Grundsatzes der kongruenten Deckung sowie des Prinzips der Indifferenz der Kapitalanlage i n bezug auf den Geschäftsbetrieb. Es ergibt sich demnach, daß für die Kapitalanlagen der Lebensversicherungs-Unternehmungen als Folge der derzeitigen Konstruktion der Versicherungsverträge und der darauf beruhenden Grundsätze für die Auswahl der Anlagemöglichkeiten i n erster Linie nominell gebundene langfristige Vermögensanlagen in Betracht kommen. Abschließend sei auf die Übersicht auf Seite 73 verwiesen, die Auskunft über die wichtigsten Eigenschaften der für LebensversicherungsUnternehmungen geeigneten Kapitalanlagen gibt. Dabei fällt auf, daß sich die Einteilung der Kapitalanlagen i n Nominal- und Sachwerte fast völlig m i t der i n mündelsichere und nicht-mündelsichere Anlagewerte deckt. IV. Die gesetzlichen Vorschriften für die Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen Nachdem die Grundsätze für die Auswahl und Durchführung der Kapitalanlage an Hand der aus den Gegebenheiten der Versicherungsund Vertragstechnik resultierenden wirtschaftlichen Besonderheiten der Lebensversicherungs-Unternehmungen dargestellt wurden, gilt es nun zu untersuchen, inwieweit der Gesetzgeber auf die Kapitalanlage28
Hax, K a r l : Die Kapitalanlage-Politik . . . , a.a.O., S. 151.
Die gesetzlichen Anlage-Vorschriften
75
Tätigkeit der privaten Lebensversicherungs-Wirtschaft Einfluß nimmt. Ausgehend von den Zielen und Systemen der staatlichen Versicherungsaufsicht soll insbesondere der Stand der Aufsicht über die Kapitalanlage-Politik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen i n Deutschland betrachtet werden. Schließlich sei auch ein kurzer Überblick über die staatliche Beaufsichtigung der KapitalanlagePolitik der privaten Lebensversicherungs-Unternehmungen i n den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Großbritannien gegeben, da diese Länder die größte Lebensversicherungsdichte i n der Welt aufweisen 2 9 . 1. D i e N o t w e n d i g k e i t d e r s t a a t l i c h e n Beaufsichtigung des p r i v a t e n Versicherungswesens insbesondere der K a p i t a l a n l a g e - P o l i t i k der L e b e n s Versieh e rungsnUnternehmungen Unter staatlicher Versicherungsaufsicht versteht man den Inbegriff jener Maßnahmen, „durch die der Staat — ohne sich i n die Geschäftsführung der Unternehmungen einzumischen — eine besondere Einw i r k u n g auf den Betrieb der einzelnen Versicherungs-Unternehmungen und über diese auf das ganze Versicherungsgewerbe i n einem auf Gesetz beruhenden ordnenden, Sinne ausübt" 3 0 . Die Aufgabe der Staatsaufsicht besteht danach darin, fachkundiger M i t t l e r zu sein zwischen dem Staat m i t seinen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen und den Interessen und Aufgaben der Versicherungswirtschaft 31 . Wie sehr die Staatsaufsicht der Versicherungs w i r tschaft genützt hat und wie sehr die staatlichen, wirtschaftspolitischen Zielsetzungen den Versicherungsgedanken gefördert haben, zeigt der Aufschwung, den das Versicherungswesen seit der Einführung der Staatsaufsicht genommen hat32. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die sich für die Errichtung einer Staatsaufsicht über das Versicherungswesen i m allgemeinen und speziell für die Vermögensanlagen anführen lassen. Generell kann 29
Der Bestand an Lebensversicherungen i m Verhältnis zum Volkseinkommen (Versicherungsdichte) betrug Ende 1955 i n den Vereinigten Staaten 115 °/o, i n Großbritannien 56°/o und i n der BRD 26«/o. Quelle: Die deutsche Lebensversicherung — Jahrbuch 1956; herausgegeben von der Pressestelle des Verbandes der Lebensversicherungsunternehmen, Karlsruhe 1957. 30 Schmid , Ernst: Vorwort zu: 50 Jahre materielle Versicherungsaufsicht, Bd. I ; herausgegeben von Prof. Dr. W. Rohrbeck, Berlin 1952, S . V I I . 31 Die Handhabung der Staatsaufsicht w i r d dabei immer i m Meinungsstreit der Wirtschaftspolitik stehen und w i r d sich kaum — wie Schmid , a.a.O., S. V I I meint — nur auf rein fachliche Aufgaben beschränken lassen. 32 So auch Boss, Peter: Systeme der Staatsaufsicht über VersicherungsUnternehmen, Berlin 1955, S. 13.
76
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
man jedoch sagen, sie entspringt der sozial- und wirtschaftspolitischen Verantwortung des Staates 33 . Die Lebensversicherung trägt wesentlich zur Festigimg der sozialen Sicherheit breitester Bevölkerungsschichten bei; denn sie h i l f t dem arbeitenden Menschen das Ziel einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung trotz der Ungewißheit über die Dauer des menschlichen Lebens zu erreichen. Der einzelne Versicherungsnehmer ist aber schlechthin nicht i n der Lage, die betrieblichen Maßnahmen seiner Versicherungs-Unternehmung zu beurteilen, da dies umfangreiche mathematisch-statistische und wirtschaftliche Einsichten voraussetzt. Aus diesem Grund übernimmt der Staat die Aufgabe, den Geschäftsbetrieb und die Finanzgebarungen der Versicherungs-Unternehmungen zu überwachen. Das ist beim Versicherungswesen auch deshalb nötig, weil hier ein einziger Fall der Zahlungseinstellung das Vertrauen der Bevölkerung i n das ganze System erschüttern und den sozialen Frieden eines Staates empfindlich stören kann 3 4 . Neben diesen sozialpolitischen Motiven sind es aber auch rein w i r t schaftspolitische Erwägungen, die den Staat zu einer Beaufsichtigung der Versicherungs-Unternehmungen veranlassen. Dabei steht die kapitalbildende K r a f t der Lebensversicherungs-Unternehmen i m Vordergrund 'des staatlichen Interesses. I n Wahrung seiner wirtschaftspolitischen Zielsetzung erscheint eine Einflußnahme auf die Lenkung des Kapitalstromes ganz besonders wichtig. „Dieses Motiv ist je nach den Zeitverhältnissen von unterschiedlichem Gewicht, hat aber i n manchen Perioden die Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherung stärker bestimmt, als es aus sozialpolitischen Gründen erwünscht w a r 3 5 . " I n diesem Zusammenhang sei an den gesetzlichen bzw. moralischen Kapitalanlage-Zwang der kriegführenden Mächte i n den beiden Weltkriegen erinnert, „wodurch das Schicksal der Versicherungsverträge untrennbar m i t dem Kriegsausgang und dem Schicksal des staatlichen Schuldners verknüpft w u r d e " 3 5 . 2. Ü b e r s i c h t ü b e r d i e m ö g l i c h e n s t a a t l i c h e n A u f s i c h t s s y s t e m e f ü r das p r i v a t e Versicherungswesen Allgemein unterscheidet man i n der Literatur drei Arten von A u f sichtssystemen für das private Versicherungswesen 36 , die sich nach ihrem Inhalt voneinander unterscheiden: a) das Publizitätssystem, b) das System der Normativ-Bestimmungen, c) das System der materiellen Staatsaufsicht. 33 34
Hax, K a r l : Die Kapitalanlage-Politik . . . , a.a.O., S. 150. So auch Schmid , Ernst: a.a.O., Bd. I, S. V I I I .
Die gesetzlichen Anlage-Vorschriften
77
Ζ u a) : Bei Anwendung des Publizitätssystems erläßt der Gesetzgeber Vorschriften, die die Versicherungs-Unternehmungen zwingt, i n festgelegten Zeitabschnitten ganz bestimmte Geschäftsergebnisse zu veröffentlichen. „Der Grundgedanke dieses Systems besteht darin, daß nicht der Staat, sondern daß die Versicherten die Instanz sind, welche eine Kontrolle über den Geschäftsbetrieb der Versicherungs-Unternehmungen auszuüben haben 3 7 ." Der Staat hat demnach nur über die Einhaltung der Veröffentlichungsverpflichtungen zu wachen und n i m m t sonst keinerlei Einfluß auf die Versicherungswirtschaft. Diese geringe Intervention des Staates ist soweit als Vorteil anzusehen. Ein erheblicher Nachteil scheint demgegenüber darin zu bestehen, daß sehr hohe Anforderungen an das Publikum i n bezug auf die Beurteilung der Versicherungs-Unternehmungen gestellt werden. Häufig sind die Versicherungsnehmer^ sei es aus Mangel an Fachbildung, sei es aus Mangel an Zeit, gar nicht i n der Lage, diese ihnen zugedachte Funktion auszuüben. Ein wirksamer Schutz des Versicherungsnehmers scheint auf diesem Weg nur dann gewährleistet, wenn zugleich eine strenge berufsständische Selbstkontrolle besteht. Z u b) : Das System der Normativ-Bestimmung en geht weiter als das Publizitäts-System und besteht darin, daß der Staat i m einzelnen formale Bestimmungen erläßt, die die Versicherungs-Unternehmungen bei ihrer Gründung sowie bei Abwicklung ihres Geschäfts zu beobachten haben. Die Durchführung einer Kontrolle durch den Staat ist rein formaler A r t , wodurch dem Wettbewerb ein weiter Spielraum bleibt. Die wesentliche Kontrolle w i r d auch bei diesem System vom Versicherungsnehmer auszugehen haben. Ebenso wie beim PublizitätsSystem w i r d der Interessenschutz der Versicherungsnehmer nur dann gewährleistet sein, wenn das Versicherungswesen einer berufsständischen Kontrolle unterliegt. Ζ u c) : Das System der materiellen Staatsaufsicht sieht eine behördliche Überwachung von Gründung und Ablauf des Geschäftsbetriebs der Versicherungs-Unternehmung vor, und zwar erstreckt sich diese Prüfung sowohl über die formelle, als auch über die materielle Einhaltung der staatlichen Vorschriften. „Die Aufsichtsbehörde hat bei den an die Versicherungs-Unternehmungen zu stellenden Anforderungen freies Ermessen i m Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen 3 8 ." Die Zulassung neuer Versicherungs-Unternehmungen erfolgt nur dann, 35
Hax, K a r l : D i e K a p i t a l a n l a g e - P o l i t i k . . . , a.a.O., S. 150. Vgl. Manes, A l f r e d : Versicherungslehre, a.a.O., Bd. I, S. 319—342. — Mahr, Werner: E i n f ü h r u n g . . . , a.a.O., S. 366—401. — Boss, Peter: System der Staatsaufsicht, a.a.O., S. 31—102. — Wagenführ, Horst: Wirtschaftskunde, a.a.O., S. 284—286. 37 Manes, A l f r e d : Allgemeine Versicherungslehre, a.a.O., Bd. I, S. 319. 38 Boss, Peter, a.a.O., S. 32. 36
78
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
wenn nach formeller und materieller Prüfung erwiesen ist, daß die staatlichen Vorschriften erfüllt sind. Der Versicherungsnehmer ist bei Anwendung dieses Systems weitgehend geschützt, da seitens des Staats bis ins einzelne kontrolliert wird, auf welche Weise die Erstellung der Versicherungsleistung erfolgt. Dagegen bedingt dieses System, daß die einzelne VersicherungsUnternehmung Eingriffe des Staates i n ihre innerbetriebliche Sphäre zulassen muß. Weiterhin ergibt sich, daß der Wettbewerb erhebliche Einschränkungen erfährt, wie überhaupt die Gefahr entsteht, daß die Entwicklung des Versicherungswesens durch die Unbeweglichkeit dei Aufsichtsbehörde gehemmt wird. Die Ausführungen zeigen, daß die einzelnen Systeme in der Reihenfolge des Maßes an Kontrolle aufgeführt wurden. Dabei ist hervorzuheben,, daß jedes System i m nächstfolgenden mitenthalten ist. Die verschiedenen Aufsichtssysteme kommen i n der Praxis meist nicht i n reiner Form vor, sondern häufig sind Kombinationen anzutreffen. M i t dem System allein ist aber noch nicht über den Erfolg einer staatlichen Aufsicht entschieden; dieser hängt vielmehr immer davon ab, inwieweit die m i t der Beaufsichtigimg beauftragten Stellen den ihnen übertragenen Aufgaben gerecht zu werden vermögen. 3. D i e B e a u f s i c h t i g u n g d e r K a p i t a l a n l a g e - P o l i t i k der p r i v a t e n Lebensversicherungs-Unternehmungen in Deutschland a) Die
gesetzlichen
Grundlagen der staatlichen Versicherungsaufsicht
deutschen
Die Überwachung und Kontrolle des Versicherungswesens i n Deutschland erfolgt i m wesentlichen nach dem Prinzip der materiellen Aufsicht. Diese wurde einheitlich für das gesamte Hoheitsgebiet des Deutschen Reiches durch das Reichsgesetz über die privaten Versicherungs-Unternehmungen vom 12. M a i 1901 (RGBl. I, S. 139) begründet, nachdem bis dahin die Versicherungsaufsicht den Landesregierungen der einzelnen deutschen Bundesstaaten oblag. M i t der Durchführung der staatlichen Aufsicht über die Versicherungs-Unternehmungen wurde eine neue Behörde, das Reichsaufsichtsamt, betraut, die ihren Sitz i n Berlin bekam, während die bestehenden Aufsichtsbehörden der Bundesstaaten aufgelöst wurden. Durch die wirtschaftlichen Umwälzungen als Folge des ersten Weltkrieges wurde das ursprüngliche Aufsichtsgesetz überholt und reformbedürftig. Nach verschiedenen Novellen wurde schließlich das Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungs-Unternehmunigen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 (VAG) (RGBl. I, S. 315) erlassen,
Die gesetzlichen Anlage-Vorschriften
79
das nunmehr die Grundlage der staatlichen Versicherungsaufsicht in Deutschland bildete. M i t dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches i m Jahr 1945 kam zunächst auch die einheitliche Versicherungsaufsicht zum Erliegen und ging i n der amerikanischen und französischen Besatzungszone i n die Befugnisse der einzelnen Landesregierungen über, während für die britische Besatzungszone das Zonenamt des Reichsaufsichtsamts eingesetzt wurde. Von den Verhältnissen in der sowjetischen Besatzungszone sei i n diesem Zusammenhang abgesehen, da dort das gesamte Versicherungswesen verstaatlicht wurde 3 9 . M i t der Errichtung der Bundesrepublik wurde der Gedanke einer einheitlichen Versicherungsaufsicht wieder aufgenommen und durch das Gesetz über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- u n d Bausparwesen vom 31. J u l i 1951 (BAG) {BGBl. I, S. 480) verwirklicht. Damit konnte die staatliche Versicherungsaufsicht für Westdeutschland und Westberlin auf der Grundlage des V A G von 1931 wieder durchgeführt werden. b) Übersicht
über Politik
die gesetzlichen Vorschriften der L eb ensv er sicher ungs-Unt
für die Kapitalanlageer nehmung en
Die gesetzlichen Bestimmungen des V A G vom 6. Juni 1931 und die auf dieser Basis ergangenen Anordnungen der Aufsichtsbehörde erstrecken sich unter anderem auf die Zulassung neuer Gesellschaften zum Geschäftsbetrieb, auf die Überwachung und Prüfung der Geschäftspläne, der Versicherungsbedingungen sowie auf die Rechnungslegung und Bilanzierung. I n diesem Zusammenhang interessieren jedoch nur die gesetzlichen Vorschriften, die die Anlage des Vermögens der Lebensversicherungs-Unternehmungen betreffen, da hierdurch der Kapitalanlage-Politik weitgehend Grenzen gesteckt werden. Als erstes gilt es deshalb herauszustellen, welche Teile des Vermögens der Lebensversicherungs-Unternehmungen den Anlagevorschriften des V A G unterliegen, ehe auf deren materielle Einzelheiten eingegangen werden kann. Grundsätzlich beziehen sich die i m § 68 V A G enthaltenen Anlagevorschriften auf den von den Lebensversicherungs-Unternehmungen zu bildenden Deckungsstock,, der i m Laufe des Geschäftsjahres entsprechend dem voraussichtlichen Anwachsen des Deckungskapitals zu bilden ist. Das darüber hinaus einer Versicherungs-Unternehmung zur Verfügung stehende Vermögen unterliegt zwar nicht prinzipiell den Bestimmungen des VAG, doch wirkte das Aufsichtsamt darauf hin, daß i n die Satzungen der Lebensversicherungs-Unternehmungen eine Bestimmung aufgenommen wurde, „wonach auch das nicht zum 39 Vgl. Leutwein, A l f r e d : Die Sach- u n d Personenversicherung i n der sowjetischen Besatzungszone, Bonn 1957.
80
Grundlagen der Kapitalanlage-Politik der Lebensversicherungen
Deckungsstock gehörende (freie) V e r m ö g e n , s o w e i t es n i c h t f ü r d i e B e d ü r f n i s s e des B e t r i e b e s flüssig z u h a l t e n ist, z u m i n d e s t e n s 85 % nach diesen V o r s c h r i f t e n u n d den d a z u ergangenen A n o r d n u n g e n der A u f s i c h t s b e h ö r d e angelegt w e r d e n m u ß , s o w e i t n i c h t die A u f s i c h t s b e h ö r d e eine -andere A n l a g e g e n e h m i g t " 4 0 . O b w o h l die A u f s i c h t s b e h ö r d e k e i n e n Z w a n g z u r A u f n a h m e dieser B e s t i m m u n g i n die S a t z u n g e n der L e b e n s v e r s i c h e r u n g s - U n t e r n e h m u n g e n ausübte, k a m e n a l l e dieser A u f f o r d e r u n g nach. Es z e i g t sich d e m nach, daß die L e i t u n g e i n e r L e b e n s v e r s i c h e r u n g s - U n t e r n e h m u n g i n D e u t s c h l a n d n u r ü b e r die A n l a g e v o n 15 ' % des f r e i e n V e r m ö g e n s nach eigenem E r m e s s e n entscheiden k a n n . -Für den w e i t a u s g r ö ß t e n T e i l des a n z u l e g e n d e n K a p i t a l s i s t der U n t e r n e h m e r i n i t i a t i v e n u r d e r S p i e l r a u m gelassen, d e n § 68 V A G setzt u n d der i m f o l g e n d e n k u r z besprochen w e r d e n soll. I n § 68 V A G s i n d die e i n z e l n e n A n l a g e m ö g l i c h k e i t e n a u f g e f ü h r t , d i e der Gesetzgeber g e n e r e l l als d e c k u n g s s t o c k f ä h i g a n e r k e n n t . I m e i n z e l n e n s i n d es folgende: 1. H y p o t h e k e n - , G r u n d - o d e r R e n t e n s c h u l d e n an i n l ä n dischen Grundstücken, soweit sie zur Anlage von Mündelgeld gemäß § 1807, Abs. I, Ziff. 1 B G B i n Frage kommen (§ 68, Abs. I VAG). Die Hypothekenbegebung muß dabei den Beleihungsrichtlinien für G r u n d stücke u n d Schiffe v o m 1.2.1955 entsprechen 4 1 . 2. W e r t p a p i e r e o d e r v e r b r i e f t e F o r d e r u n g e n , sofern sie zur Anlage von Mündelgeld gemäß § 1807, Abs. I, Ziff. 2—4 zugelassen sind (§ 68, Abs. I, Ziff. 1). Als solche g e l t e n 4 2 : a) Verbriefte Forderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat sow i e Forderungen, die i n das Reichsschuldbuch oder i n das Schuldbuch eines Bundesstaates eingetragen sind. b) Verbriefte Forderungen, deren Verzinsung v o m Reich oder einem Bundesstaat gewährleistet ist. c) Wertpapiere, insbesondere Pfandbriefe sowie verbriefte Forderungen jeder A r t gegen eine inländische kommunale Körperschaft oder die Kreditanstalt einer solchen Körperschaft, sofern die Wertpapiere oder die Förderungen von der Reichsregierung m i t Zustimmung des Reichsrates zur Anlegung von Mündelgeld f ü r geeignet e r k l ä r t sind, oder i n von der Reichsbank i n Klasse I beliehenen Pfandbriefen l a n d w i r t schaftlicher, kommunaler oder anderer unter Reichsaufsicht stehender deutscher Bodenkreditinstitute und deutscher Hypothekenbanken auf Aktien. 40 Prölß, Erich R.: Kurzkommentar zum Versicherungsaufsichtsgesetz, München u n d B e r l i n 1955, S. 415, Vgl. ferner: V e r A f P Jg. 1931, S. 97; Jg. 1937, S. 55; Jg. 1939, S. 88. 41 Vgl. V e r B A V Jg. 1955, S. 36—38; V e r A f P 1904, S.44; Jg. 1908, S.61; V e r A f P Jg.. 1926, S. 93. 42 Anstelle des Begriffs Reichsregierung, Reichsrat u n d Bundesstaat sind gemäß einer Verordnung der B R aus dem Jahr 1950, B G B l . S. 262, Bundesregierung, Bundesrat u n d Bundesland zu setzen.
Die gesetzlichen Anlage-Vorschriften
81
3. F o r d e r u n g e n gegen V e r p f ä n d u n g von Hypotheken u n d W e r t p a p i e r e n obiger A r t , u n d zwar bis zu 6 6 v H des Nennfwertes der verpfändeten Werte, sofern aber deren K u r s w e r t niedriger ist, bis zu 66 v H des Kurswertes dieser Werte (§68, Ab. I, Nr. 2 V A G i n Verbindung m i t einer Anordnung des Reichsaufsichtsamts) (VerAfP 1927, S. 43). 4. V e r b r i e f t e F o r d e r u n g e n g e g e n i n l ä n d i s c h e K ö r p e r s c h a f t e n d e s ö f f e n t l i c h e n R e c h t s sowie gegen Schul- u n d Kirchengemeinden, soweit sie nicht schon unter 2 a) bis c) fallen, w e n n diese Förderungen entweder v o m Gläubiger gekündigt werden können oder regelmäßig zu tilgen sind (§ 68, Abs. I, Nr. 4 VAG). 5. V o r a u s z a h l u n g e n o d e r D a r l e h e n a u f V e r s i c h e r u n g s s c h e i n e — Policendarlehen entsprechend den zugrundeliegenden V e r sicherungsbedingungen der Lebensversicherungs-Unternehmungen — p.a.) Jahr
1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924
Aktienrenditen
Renditen der Lebensvers. -Unternehmungen 4,53 4,59 4.93 5,44 6,06 4,84 3,60 3,99 3,93 3,63 3,76 4,03 3,91 4,78 4,37 3,72 3,90 3,65 3,47 2,96 4,25 3,60 3,46 4,40 3,93 3,28 3,71 5,13 4,68 4,06 4,59 4,67 4,60 5,12 4,76 4,73 5,37 7,57 6,99 5,50 5,88 6,24 5,55 5,69 5,62
5,28 5,31 5,33 5,32 5,25 5,21 5,17 5,24 5,21 5,03 4,95 5,08 5,06 4,86 4,79 4,79 4,69 4,64 4,65 4,59 4,33 4,35 4,38 4,38 4,40 4,40 4,26 4,50 4,46 4,54 4,55 4,59 4,59 4,67 4,69 4,77 4,80 4,81 4,72 4,66 4,83 5,02 5,12 5,18 5,17
Q u e l l e : Die Zahlenangaben entstammen der A r b e i t v o n Greenough, W i l l i a m : A New Approach To Retirement Income, New Y o r k 1951.
218
A k t i e n als Kapitalanlage-Objekt von Lebensversicherungen
I n d u s t r i e z w e i g e besonders d o m i n i e r e n . G r e e n o u g h b e m e r k t e h i e r z u 5 2 : „ T h e n e t y i e l d o n c o m m o n stocks w a s b e l o w t h a t of l i f e i n s u r a n c e companies d u r i n g a l l b u t t w o of t h e years, l a r g e l y d u e to t h e p o o r p e r f o r m a n c e of r e a i l r o a d a n d coal stocks. I t is n o t l i k e l y t h a t a n y t w o i n d u s t r i e s can h a v e such a d o m i n a t i n g effect i n t h e f μ t u r e . " (Die N e t t o e r t r ä g e aus A k t i e n w a r e n n i e d r i g e r als d i e d e r LebensversicheT a b e l l e 44 Aktienrenditen, Renditen der Lebensversicherungs-Unternehmungen und Renditen aus Anlagen in Corporate Bonds in den Vereinigten Staaten von Nordamerika während der Jahre 1925 bis 1954 (in °/o p. a.) Jahr
Aktienrenditen
Renditen der Lebensvers.Unternehmungen
1925 5,11 4,94 5,09 1926 5,07 5,05 1927 4,52 5,05 1928 3,73 5,05 1929 3,23 5,05 1930 4,01 4,93 1931 5,33 4,65 1932 6,44 4,25 1933 3,80 3,92 1934 3,67 3,70 1935 3,63 4,10 3,71 1936 4,62 3,69 1937 3,59 4,08 1938 3,54 1939 4,20 3,45 1940 5,95 3,41 1941 7,74 1942 3,40 5,60 4,73 3,29 1943 4,42 3,19 1944 3,42 3,07 1945 4,07 2,92 1946 5,0'7 1947 2.88 5,77 2,96 1948 3,04 6,48 1949 3,09 6,96 1950 3.18 5,70 1951 3,28 5,08 1952 5,55 3,36 1953 3,46 1954 Q u e l l e : Die Renditen der Corporate Bonds stellen Corporate Bond Yields dar u n d w u r d e n den Statistical U S A entnommen. A l l e übrigen Zahlen nach Greenough, Approach To Retirement Income und Johnson, George E. : a.a.O., S. 13. 52 Greenough, W i l l i a m : Y o r k 1951, S. 20.
Renditen aus Corporate Bonds 5,47 5,21 4,97 4,94 5,21 5,09 5,81 6,87 5,89 4,96 4,46 3,87 3,94 4,19 3,77 3,55 3.34 3,34 3,16 3,05 2,87 2,74 2,86 3,08 2,96 2,86 3,08 3,19 3,43 3,16 Moody's Average Abstracts of the W i l l i a m : A New Variable A n n u i t y ,
A New Approach To Retirement Income, New
Die Rentabilität der Aktienanlagen
219
F i g u r 22 Aktienrenditen, Renditen der Lebensversicherungs-Unternehmungen und Renditen aus Anlagen in Corporate Bonds in den Vereinigten Staaten von Nordamerika während der Jahre 1925—1954 °/o
io -
AKTIENRENDITEN
RENDITEN DER LEBENSVERSICHERUNGS UNTERNEHMUNGEN
RENDITEN BONDS
AUS
CORPORATE
rungs-Unternehmungen, m i t Ausnahme von zwei Jahren, was größtenteils auf das ungünstige Abschneiden der Eisenbahn- und Kohlenbergwerksaktiein zurückzuführen ist. Es ist unwahrscheinlich, daß zwei Industriezweige i n der Zukunft einen derart dominierenden Einfluß haben können.) Der Verlauf der verglichenen durchschnittlichen jährlichen Renditensätze zeigt dennoch i n seiner Gesamtheit, daß auch i n den Vereinigten Staaten von Nordamerika Aktienanlagen bisher eine wesentlich günstigere Rentabilität aufweisen als festverzinsliche Wertpapiere. Die Vorzüge der Aktienanlagen gegenüber Anlagen i n festverzinslichen Wertpapieren w i r d noch unterstrichen, wenn man Berechnungen darüber anstellt, welches Kapital erforderlich ist, u m ein reales Einkommen von 1000 Dollar pro Jahr zu erzielen und dabei einmal von den i n der Vergangenheit erzielten Nettorenditen aus Aktienanlagen und den Renditen von Corporate Bonds, zum anderen M a l von den durch die Lebensversicherungs-Unternehmungen erzielten Renditen ihrer Anlagefonds ausgeht. Tabelle 45, die w i r einer Arbeit von Johnson entnehmen 5 3 , enthält die jeweils zur Erstellung eines jährlichen Realeinkommens i n Höhe von 1000 Dollar notwendigen Kapitalsummen (gemessen am Lebenshaltungskosteni-Inidex des US-Bureau of Labor Statistics), die auf der Grundlage der erzielten Renditen aus Aktien- und aus Corporate Bonds-Anlagen bzw. erzielten Renditen der Lebensversicherungs-Unternehmungen berechnet wurden. Die Zahlen zeigen, daß die auf Grund der Anlageerfahrungen der Lebensversicherungs-Unternehmungen bzw. auf Grund der Anlageerfahrungen m i t Corporate Debts notwendigen Kapitalien zur Er53 Johnson, George E.: Variable A n n u i t y , i n : Examination of Insurance Companies, Band 5, T e i l 3, K a p i t e l 17, S. 14.
220
A k t i e n als Kapitalanlage-Objekt von Lebensversicherungen
T a b e l l e 45 Übersicht über die zur Erstellung eines jährlichen Realeinkommens in Höhe von $ 1000 notwendigen Kapitalsummen in den Jahren 1925 bis 1953 Jahr
1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953
Kapitalsummen errechnet auf Grundlage der erzielten der Renditen der der erzielten Renditen aus Anlagefonds von Nettorenditen Anlagen i n Lebensvers.-Untern. aus Aktienanlagen Corporate Bonds 24,540 24,833 24,554 24,277 24,257 23,644 22,049 20,989 21,741 24,413 26,514 26,712 27,832 28,078 28,079 29,043 30,850 34,265 37,568 39,342 41,824 47,705 55,278 57,838 55,625 55,405 58,459 57,866 56,935
25,385 24,931 27,434 32,869 37,926 29,776 20,394 15,155 24,316 26,076 27,025 24,171 22,229 24,706 23,667 16,840 13,592 20,804 26,131 28,394 37,544 34,226 31,400 29,671 26,096 24,598 32,614 37,362 34,468
22,925 24,261 24,950 24,818 23,512 23,458 18,709 14,207 15,688 19,294 21,996 25,607 26,066 24,057 26,366 28,225 31,497 34,880 39,114 41,148 44,739 50,839 55,664 55,584 57,128 59,860 60,357 59,498 55,773
Stellung eines r e a l e n E i n k o m m e n s v o n 1000 D o l l a r p r o J a h r w e s e n t l i c h g r ö ß e r e n S c h w a n k u n g e n ausgesetzt s i n d als b e i A n n a h m e d e r A n l a g e e r f a h r u n g e n m i t A k t i e n . M i t A u s n a h m e d e r K r i s e n j a h r e 1929/1930 u n d d e n Depressions j ä h r e n 1932 bis 1935 e r w i e s e n sich d i e A k t i e n a n l a g e n gegenüber den A n l a g e n i n f e s t v e r z i n s l i c h e n W e r t p a p i e r e n als w e s e n t lich günstiger. A u f G r u n d des V e r g l e i c h s d e r R e n t a b i l i t ä t v o n A k t i e n u n d festv e r z i n s l i c h e n W e r t p a p i e r e n k ö n n e n w i r zusammenfassend nochmals h e r v o r h e b e n , daß die R e n d i t e n s ä t z e der A k t i e n i n d e r V e r g a n g e n h e i t die d e r f e s t v e r z i n s l i c h e n W e r t p a p i e r e m e i s t w e i t g e h e n d ü b e r t r a f e n . H i n z u k o m m t , daß sich i n r e a l e r B e t r a c h t u n g s w e i s e die D i v i d e n d e n e r t r ä g e aus A k t i e n i m Z e i t a b l a u f w e s e n t l i c h s t a b i l e r v e r h i e l t e n als die E r t r ä g e aus A n l a g e n i n f e s t v e r z i n s l i c h e n W e r t p a p i e r e n .
Ergebnis
221
VI. Ergebnis Unsere Untersuchungen ergaben, daß größere Kapitalien, die i n der Vergangenheit i n A k t i e n der verschiedensten Gattungen angelegt w u r den, der Kaufkraftsubstanz nach erhalten werden konnten und kaufkraftmäßig gleichbleibende Erträge abwarfen, sofern die Zeitpunkte für die Veräußerung der Anlage-Objekte durch die Eigentümer frei wählbar waren. Auch zeigte sich, daß trotz des Beteiligungscharakters der A k t i e n auf Grund ihrer Rechtsstruktur keine tätige Mitarbeit des Aktionärs an der Geschäftsführung der Gesellschaft notwendig wird. Die Möglichkeit zu einer Einflußnahme auf die Unternehmungsleitung über die Hauptversammlung der Aktionäre besteht nur dann, wenn ein wesentlicher A n t e i l des Grundkapitals einer Unternehmung erworben wird. Einen Erwerb von größeren Aktienpaketen ein und derselben Gesellschaft dürfte jedoch einem Kapitalanleger, der lediglich das Ziel verfolgt, das von i h m gebildete Kapital der Kaufkraft nach zu erhalten und für seinen Konsumverzicht einen möglichst hohen, kaufkraftmäßig gleichbleibenden Ertrag zu erlangen, meist schon die Beachtung des Grundsatzes der Anlagenverteilung verbieten. Gegenüber den i m vorangegangenen Kapitel untersuchten Liegenschaften erwiesen sich die A k t i e n sowohl hinsichtlich der erzielbaren Realsicherheit als auch in bezug auf die Liquidität und Ertragsgestaltung als Kapitalanlage-Objekt überlegen 54 . Hinzu kommt, daß sich die Erhaltung der Kaufkraftsubstanz bei Aktienanlagen an Hand der jeweils gültigen Börsenkurse leichter nachprüfen läßt als bei Liegenschaften, deren Verkehrswert — wie gezeigt — nur durch Schätzungen ermittelt werden kann, und daß die Kurse der Aktien führender Unternehmungen nicht an die Lebensdauer der i n einer Betriebswirtschaft gebundenen Sachwerte gekoppelt sind; denn durch die Unternehmungsleitungen erfolgt laufend ohne Zutun der Aktionäre eine Regeneration der betrieblichen Vermögenswerte. Da bei Anwendung des Anwartschafts-Deckungsverfahrens ziur 'Finanzierung der Lebensversicherungs-Leisitung die Versicherungs-Gesellschaften regelmäßig große Kapitalien ansammeln, die bei gesundem risikogerechtem Aufbau des Versichertenbestandes größtenteils der langfristigen Anlage ziur Verfügung stehen, könnten sich auch vom Standpunkt der Liquidität der Lebensversicherungs-Unternehmungen aus keinerlei Bedenken gegen eine Kapitalanlage i n A k t i e n unter dem Gesichtspunkt der Kaufkraftsicherung ergeben. 54
Z u m selben Ergebnis k o m m t Keynes , indem er schreibt: „ I n früheren Zeiten bildeten L a n d u n d Häuser die typische ,reale Kapitalanlage'. Heute sind es die A k t i e n der großen, führenden Gesellschaften" (Keynes , J. M.: a.a.O., S. 35).
222
A k t i e n als K a p i t a l a n l a g e - O b j k t von Lebensversicherungen
Doch m i t dieser Feststellung kann die Beurteilung einer Kapitalanlage in Aktien nicht abgeschlossen sein. Es ist hervorzuheben, daß die empirisch festgestellte Parallelität zwischen der Entwicklung der Aktienkurse bzw. der Dividenden und der Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus nicht als Gesetzmäßigkeit anzusehen ist. Sollen aber aus induktiv gewonnenen Ergebnissen Schlüsse für die Zukunft gezogen werden, so ist ein solches Vorgehen nur dann unbedenklich, wenn man „die allgemeinen Ursachen unterscheiden kann, aus denen die Vergangenheit das war, was sie w a r " 5 5 , d. h., wenn es gelingt, nachzuweisen, daß die in der Vergangenheit für eine bestimmte Entwicklung maßgebenden Ursachen auch in der Zukunft als wirksam angesehen werden können. Die Ursachen für die Kaufkraftsicherung der i n Aktien angelegten Kapitalien können ganz allgemein i n folgenden Tatbeständen gesehen werden: a) Aktien stellen auf Grund ihrer Rechtsstruktur Sachwerte dar, für die sich ebenso wie für alle anderen Sachgüter ein Marktpreis bildet. W i r d der Preisbildungsprozeß nicht durch wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates einseitig beeinflußt, bedingen sich alle Preisbildungsvorgänge gegenseitig. „Dieser Preiszusammenhang zeigt sich darin, daß Preisänderungen auf dem einen Markte bestimmte W i r kungen auf anderen Märkten auslösen 56 ." Zwar können i n Zeiten eines konjunkturellen Umbruchs zwischen den Preisreaktionen einzelner Güter zeitliche Verschiebungen auftreten, doch ist es ceteris paribus nicht möglich, daß der Preis eines einzelnen Gutes dauerhaft auf demselben Niveau verharrt, während das allgemeine Niveau der Preise sich verändert. Wenn also die Kaufkraft des Geldes gemessen an den Sachgüterpreisen steigt oder sinkt, so reagieren langfristig betrachtet auch die Kurse der Aktien. b) Die Erträge aus Aktienanlagen bestehen nicht nur aus Dividenden, sondern auch aus den Werten der unter bestimmten Voraussetzungen gewährten Bezugsrechte, der eventuell ausgegebenen Gratisaktien, Genußscheine usw. Weiterhin kommt den Aktionären der Wertzuwachs zugute, den die Unternehmung durch die vorgenommene Selbstfinanzierung und Reservenbildung erfährt. Diese Erträge erhöhen nicht nur das Rentabilitätsniveau der A k t i e n gegenüber dem allgemeinen Marktzins, sondern können gewissermaßen als Schutzwall gegen möglicherweise eintretende Verluste an Aktienanlagen dienen. Werden also, was auch bei sorgfältigster Beachtung der Kapitalanlage-Grundsätze vorkommen kann, aus einem größeren 55
Keynes , J. M.: a.a.O., S. 36. Stackelberg, Heinrich von: Grundlagen der theoretischen schaftslehre, Bern u n d Tübingen 1951, S. 21. 56
Volkswirt-
223
Ergebnis
Aktienbestand gelegentlich einzelne Aktien zu Nonvaleurs, so können diese außergewöhnlichen Erträge die außerordentlichen Verluste ausgleichen 57 . c) Aktien können auf Grund ihrer Rechtsstruktur niemals fällig sein oder gekündigt werden, wie dies etwa bei Schuldverschreibungen und Darlehen möglich ist. Dabei ist hervorzuheben, daß die Schuldner nomineller Kreditverträge sich bisher immer dann ihrer Rechte zur Rückzahlung bedienten, wenn die Situation für die Gläubiger ungünstig, für sie selbst jedoch zum Vorteil w a r 5 8 . Die angeführten Ursachen für die kaufkraftsichernde Eigenschaft von Aktienanlagen können nicht als zufällige Zeiterscheinungen betrachtet werden, sondern werden auch i n Zukunft wirksam bleiben, da diese i n der Ordnung der freien Marktwirtschaft und i n der geltenden Rechtsordnung begründet sind. Erfolgt keine grundsätzliche Änderung
der h e u t i g e n Wirtschafts-
und
Rechtsordnung,
können m i t -
h i n auch i n der Zukunft Aktienanlagen als kaufkraftsichernde Kapitalanlage-Objekte angesehen werden, wenn größere Kapitalien verteilt auf die verschiedenen Aktiengattungen langfristig angelegt werden, und kein plötzlich auftretender Zwang zur Veräußerung der Kapitalanlage-Objekte entstehen kann. Auf Grund unserer Überlegungen könnte daher von den Lebensversicherungs-Unternehmungen i n Erwägung gezogen werden,, das von ihnen gebildete K a p i t a l in Aktien anzulegen; dies würde aber voraussetzen, daß die Versicherungsverträge von der bisherigen nominellen Basis gelöst und m i t den möglichen Ergebnissen der Aktienanlage i n Zusammenhang gebracht werden können. M i t dieser Frage wollen w i r uns i m dritten Teil dieser Arbeit eingehend auseinandersetzen.
C. Sonstige Kapitalanlage-Möglichkeiten mit Sachwertcharakter Neben Grundstücken und A k t i e n gibt es noch eine Reihe anderer Kapitalanlage-Möglichkeiten, die Sachwertcharakter besitzen. Z u diesen zählen i n erster Linie Zertifikate von Kapitalanlage-Gesellschaften, Wandelobligationen, Unternehmungsanteile, die nicht Aktien sind, sonstige ertragbringende Sachwerte und schließlich sogenannte wertgesicherte Schuldverschreibungen und Darlehen, deren Substanz und/oder Ertrag durch bestimmte Vertragsklauseln m i t bestimmten Preisindices variiert werden. I m folgenden sei nun das Wesen der 57 58
Vgl. Keynes , J . M . : a.a.O., S. 37. Vgl. Keynes , J . M . : a.a.O., S. 37.
224
Sonstige Sachwerte als Kapitalanlage-Möglichkeit
angeführten Anlagemöglichkeiten kurz umrissen und ihre Eignung als Kapitalainlage-M'ôglichkedt von Lebensversicherungs-Unternehmungen geprüft. I. Zertifikate von Kapitalanlage-Gesellschaften 1. D a s
Wesen
d e r Κ a ρ i t a 1 a η 1 a g e - G e s e 11 s c h a f t e η und ihrer Zertifikate
Ziel der Kapitalanlage-Gesellschaften ist es, eine Vielzahl kleinerer Sparkapitalien zu sammeln, diese treuhänderisch zu verwalten und auf die verschiedensten Kapitalanlage-Möglichkeiten so zu verteilen, diaß das angesammelte Kapital i n seiner Gesamtheit real erhalten w i r d und eine gute Rendite abwirft 1 . Auf diese Weise können auch kleinere Kapitalien i n den Genuß der Vorteile der Risikoverteilung kommen, die ihnen sonst verschlossen ist. Je nach dem zugrundeliegenden Geschäftsplan kann die Kapitalanlage^Politik der Anlagegesellschaften an Aktien oder Obligationen oder an beiden Wertpapierkategorien gemeinsam orientiert sein. Gesellschaften dieser A r t bezeichnet man allgemein m i t WertpapierAnlagegesellschaften oder Effekten-Investment-Trusts. Erstreckt sich die Kapitalanlage-Tätigkeit der Anlagegesellschaften auf Grundstücke, so spricht man von Grundstücks-Anlagegesellschaften. Die Anlagegesellschaften lassen sich nach ihrem rechtlichen Aufbau i n zwei Hauptgruppen unterteilen, und zwar i n solche, die a) nach dem Vertragstyp, oder b) nach dem Gesellschaftstyp arbeiten 2 . Bei Anlagegesellschaften, die nach dem Vertragstyp arbeiten, schließen die einzelnen Kapitalanleger m i t der Geschäftsleitung einen Treuhandvertrag, dessen Einhaltung von einem Treuhänder (meist eine Geschäftsbank) überwacht wird. Das anlagesuchende Publikum erhält so ein Miteigentum am Vermögen der Gesellschaft, das in Anteilscheinen oder sogenannten Zertifikaten verbrieft wird. Das Eigenkapital der Anlagegesellschaft übt gegenüber dem Anlagefonds eine gewisse Garantiefunktion aus, entsprechend der Gestaltung des Treuhandvertrages. 1
Vgl. Früstück, Ernst C. H.: A r t i k e l „Investment-Gesellschaften", in: Enzyklopädisches L e x i k o n f ü r das Geld-, B a n k - u n d Börsenwesen, Frankf u r t a. M. 1957, Bd. I I , S. 908—912. — Linhardt, Hanns: A r t i k e l „ K a p i t a l anlagegesellschaften", i n : HdSw., 12. Lieferung 1956, S. 499—507. Matthiensen, Ernst: Investmentsparen als neue Aufgabe, i n : Z f K , Jg. 1956, S. 356—358. 2 Rinsoz, A r t h u r : Rechnungsführung der Investment Trusts, Zürich 1952, S. 21.
Zertifikate von Anlage-Gesellschaften
225
Anders ist der juristische Aufbau einer Anlagegesellschaft nach dem Gesellschaftstyp. Hier gründen die verschiedenen kapitalanlagesuchenden Wirtschaftseinheiten eine Unternehmung in Form der AG, GmbH oder Genossenschaft, deren Aufgabe es ist, das Gesellschaftsvermögen anzulegen und zu verwalten. Die einzelnen Kapitalanleger werden somit Aktionäre bzw. Gesellschafter und damit Teilhaber an der Unternehmung. Bei Effekten-Anlagegesellschaften ist ein Unterschied zur Holding-Gesellschaft nur dann gegeben, wenn deren Satzung bestimmt, daß keine Aktienpakete erworben werden dürfen, die Beteiligungscharakter besitzen. Die i n Deutschland arbeitenden Effekten-Investment-Gesellschaften sind nach dem Vertragstyp aufgebaut und besitzen durchwegs die Rechtsform der GmbH. Um den Charakter als Kapital-Anlagegesellschaft zu wahren, bestimmen die Satzungen dieser Unternehmen, welcher Anteil am Grundkapital einer einzelnen Aktiengesellschaft erworben werden darf. Der Satz schwankt heute zwischen 5 und 7,5 °/o des Grundkapitals einzelner Gesellschaften. 2. D i e E i g n u n g v o n Z e r t i f i k a t e n von EffektenK a p i t a l a n l a g e- G e s e l l s c h a f t e n . als K a p i t a l a n l a g e Möglichkeit von LebensversicherungsUnternehmungen Den Anteilscheinen von Effekten-Investment-Gesellschaften kommt nur insoweit Sachwertcharakter zu, als das Fondsvermögen i n Aktien angelegt ist. Die heute in Deutschland arbeitenden Effekten-Anlagegesellschaften erfüllen weitgehend diese Forderung. So sind beispielsweise die Fonds der deutschen Investment-Trust-Gesellschaft (Concentra) und der Union-Investment-Gesellschaft (Unifonds) vollständig i n A k t i e n angelegt, während der Fonds der Deutschen Gesellschaft für Wertpapiersparen (Investa) zu 85'% Aktienanlagen aufweist. Die Allgemeine Deutsche Investmentgesellschaft hat eine Dreiteilung vorgenommen und bietet einen Fonds an, der nur aus A k t i e n besteht, einen solchen, der 75 °/o aus Aktien und zu 25 °/o aus festverzinslichen Wertpapieren zusammengesetzt ist, sowie einen weiteren, der sich aus industriellen Spezialwerten konstituiert, und zwar sowohl in A k t i e n als auch i n Industrie-Obligationen angelegt ist. Daneben bietet die Union-Investment-Gesellschaft noch einen weiteren Fonds an, der sich aus nord-amerikanischen und kanadischen Wertpapieren zusammensetzt. Das Ergebnis der deutschen Effekten-Investment-Gesellschaften ist, soweit es schon beurteilt werden kann, als günstig anzusehen. Entsprechend der Konstruktion der Anlagegesellschaften besitzen die Anteilscheine alle Voraussetzungen, das angelegte Kapital real zu 15
Lukarsch
226
Sonstige Sachwerte als Kapitalanlage-Möglichkeit
erhalten und eine entsprechende Rendite zu erzielen. Trotzdem stellen diese Zertifikate für die Lebensversicherungs-Unternehmungen keine neue Kapitalanlage-Möglichkeit dar. Hierfür sind folgende Gründe maßgebend: a) Die Lebensversicherungs-Unternehmungen verfügen selbst über ein genügend großes Kapital, um die zur Erzielung der Realsicherheit und einer hohen Rendite notwendige Anlagenstreuung durchzuführen. b) Die Lebensversicherungs-Unternehmungen unterhalten zur Verwaltung der ihnen anvertrauten Kapitalen selbst entsprechend geschulte Kräfte, so daß sie die Entschädigung, die die KapitalAnlagegesellschaften für ihr Tätigwerden berechnen, sparen können. c) Schließlich erscheint die Rechtsstellung, die der Inhaber von Investment-Zertifikaten besitzt, vom Standpunkt der Lebensversicherungs-Unternehmungen aus betrachtet als zu schwach; denn der Zertifikats^Inhaber hat keinerlei Einfluß auf die Gestaltung der Kapitalanlage-Politik. Lediglich der Treuhänder führt eine gewisse Aufsicht und Kontrolle durch. Es geht aber nicht an, daß die Lebensversicherungs-Unternehmungen die Verantwortung für die ihnen anvertrauten Gelder weiterdeligieren. Nur unter dem Gesichtspunkt, daß eine Anlage in Aktien unter Umständen für den Eigentümer Führungsaufgaben mit sich bringen kann, ließe sich eine Anlage i n Investment-Zertifikaten für Lebensversicherungs-Unternehmungen empfehlen. Doch auch hiergegen kann man einwenden, daß die Lebensversicherungs-Unternehmungen grundsätzlich die gleiche Möglichkeit haben wie die Effekten-Anlagegesellschaften,, den Anteil am Aktienkapital einer einzelnen Gesellschaft zu limitieren., um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen. 3. D i e E i g n u n g d e r Z e r t i f i k a t e v o n G r u n d s t ü c k s A n l a g e g e s e l l s c h a f t e n als K a p i t a l a n l a g e - M ö g l i c h keit von Lebensversicherungs-Unternehmungen Die Arbeit einer Grundstücks-Anlagegesellschaft gestaltet sich wesentlich komplizierter als die einer Effekten-Anlagegesellschaft. Wegen der m i t der Grundstücksverwaltung und dem Neubau von Gebäuden verbundenen umfangreichen Verwaltungsarbeit lassen sich die Grundstücks-Anlagegesellschaften praktisch nur zweistufig aufbauen. Dies bedeutet, daß die Grundstücks-Anlagegesellschaften die Grundstücke nicht selbst erwerben, sondern Grundstücks-Aktiengesellschaften vorgeschaltet werden, die das Kapital in Grundstücken sowie i n neu errichteten Wohn- und Geschäftsgebäuden anlegen. Die GrundstücksAnlagegesellschafteni können auf diese Weise einen gewissen Risiko-
Zertifikate von Anlage-Gesellschaften
227
ausgleich zwischen den einzelnen Grundstücks-Gesellschaften herbeiführen. Trotz dieser juristisch so komplizierten Konstruktion können die Zertifikate der Grundstücks-Anlagegesellschaften in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Sachwerte angesehen werden, da ihre Wertbewegung allein von der der Liegenschaften abhängt. Wie w i r bei der Behandlung der Grundstücke als KapitalanlageMöglichkeit herausgestellt haben, gewähren Grundstücks-Anlagen i n Deutschland wie in anderen Ländern praktisch seit Beginn des ersten Weltkrieges wegen der staatlichen Mietpreiskontrolle bzw. wegen des teilweise verhängten Mietstops keine ausreichende Rentabilität mehr. I h r Kapitalanlage-Charakter ging deshalb weitgehend verloren. Hieraus erklärt sich, daß heute praktisch keine Grundstücks-Anlagegesellschaften bestehen. So berichtet z.B. auch Thomson 3 auf dem l l . K o n g r e ß der Nordischen Lebensversicherer i n Stockholm vom Scheitern dänischer Grundstücks-Anlagegesellschaf ten vor dem zweiten Weltkrieg. Die heute in Deutschland bestehenden Grundstücks-Gesellschaften sind meist Gründungen der öffentlichen Hand und haben die Aufgabe, dem Wohnungsbau öffentliche Gelder zuzuführen. Hierdurch soll in erster Linie ein Ersatz für den fehlenden privaten Hypothekenkredit geschaffen werden. Sehen w i r von der Tatsache ab, daß es private Grundstücks-Anlagegesellschaften heute i n Deutschland nicht gibt, so wären deren Zertifikate aus den gleichen Gründen abzulehnen wie die Zertifikate der Effekten-Anlagegesellschaften. Die Größe der von den Lebensversicherungs-Unternehmungen anzulegenden Kapitalien rechtfertigt auch hier eine direkte Anlage i n Grundstücken bzw. in A k t i e n von Grundstücks-Gesellschaften ohne den Umweg über Grundstücks-Anlagegesellschaften. Sollte sich der Grunsatz der Realsicherheit im Hinblick auf die Kapitalanlage^Politik der Lebensversicherungs-Unternehmungen durchsetzen, bestünde über den Weg der Gründung neuer Grundstücksgesellschaften bzw. auf dem Weg der Reprivatisierung bestehender Grundstücks-Gesellschaften der öffentlichen Hand die Möglichkeit, dem Wohnungsbau neue Geldquellen zu erschließen. Zweifellos würde dadurch die nach dem zweiten Weltkrieg einsetzende Entprivatisierung des Hausbesitzes nicht aufgehoben, immerhin aber eine Umschichtung von staatlich kontrolliertem Kollektivbesitz auf privaten Kollektivbesitz vorgenommen. Eine derartige Entwicklung setzt aber voraus, daß die Grundstücks-Anlagen eine entsprechende Rentabilität aufweisen. Dies ist jedoch nicht möglich, solange die staatliche Mietpreiskontrolle und insbesondere der Mietstop bestehen bleiben. 3 Thomson, A l f r e d : Wertbeständige Geldanlagen, i n : Bericht über 11. nordischen Lebensversicherungs-Kongress, Oslo 1953, S. 11—23.
15*
den
228
Sonstige Sachwerte als Kapitalanlage-Möglichkeit I I . Wandelschuldverschreibungen
1. B e g r i f f , W e s e n u n d B e s o n d e r h e i t e n der Wandelschuldverschreibungen Entsprechend der Legaldefinition des § 174 A k t G sind Wandelschuldverschreibungen solche Obligationen, „bei denen dem Gläubiger ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf A k t i e n eingeräumt w i r d " . Das Gesetz faßt demnach unter dem Begriff Wandelobligationen zwei Obligationenarten zusammen, von denen die eine das Recht auf Umtausch in A k t i e n besitzt, während die andere lediglich ein Anwartschaftsrecht auf den Bezug von Aktien einräumt. I m wirtschaftlichen Sprachgebrauch w i r d der Begriff Wandelschuldverschreibung enger gefaßt, so daß der oben genannte zweite Obligationentyp ausscheidet. Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise sind demnach Wandelschuldverschreibungen nur solche vertretbaren Teilschuldverschreibungen, „ i n denen der Aussteller Zahlung und bis dahin Verzinsung einer bestimmten Geldsumme verspricht, dem Gläubiger aber auch das Recht einräumt, statt dieser Leistung Aktien des Ausstellers zu verlangen" 4 . Das Wesen der Wandelschuldverschreibungen besteht demnach in dem Recht, für Obligationen A k t i e n einzutauschen. Die Literatur nennt die Wandelschuldverschreibungen deshalb auch Effekten mit wechselnder Struktur 5 . I m folgenden sollen nun die Besonderheiten dieses Obligationstyps kurz umrissen werden, um daran anschließend festzustellen, inwieweit diesen Sachwertcharakter zukommt und wenn ja, inwiefern sie als Kapitalanlage-Möglichkeit für Lebensversicherungs-Unternehmungen i n Frage kommen. Die Begebung von Wandelschuldverschreibungen w i r d durch das Aktiengesetz an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. So bedarf es nach § 174 A k t G der Zustimmung der Hauptversammlung und weiterh i n muß eine nach § 159 A k t G durchgeführte, sogenannte bedingte Kapitalerhöhung vorausgegangen sein. Neben dieser rein internen Regelung ist nach § 174 A k t G eine Genehmigung des Reichswirtschaftsministers erforderlich, an dessen Stelle heute die Wirtschaftsminister der Länder zuständig sind. Die Ausstattung der Wandelschuldverschreibungen obliegt entsprechend der i n unserer Rechtsordnung geltenden Vertragsfreiheit dem emittierenden Unternehmen. Dabei sind kurz zusammengefaßt folgende Punkte von Bedeutung: 4 5
Rusch, Horst: Die Wandelschuldverschreibung, B e r l i n 1956, S. 42. Beckmann, Liesl: Finanzierungen, 1. Aufl., München 1949, S. 53.
Weschuldverschreibungen
229
a) Die Wahl der Wertpapierart, d. h., ob die Wandelschuldverschreibung als Inhaber-, Order- oder Rektapapier ausgegeben wird, b) Die Zinsausstattung, c) Die Laufzeit, d) Die Tilgungsbedingungen, e) Die Stückelung, f) Die A r t der Sicherung, g) Das Konversionsrecht. Da w i r i n erster Linie die Wandelschuldverschreibungen i m Hinblick auf ihre Bedeutung als reale Kapitalanlage-Möglichkeit prüfen wollen, sei i m folgenden vor allem das Konversionsrecht und die gebotene Verzinsung einer Betrachtung unterzogen. I n bezug auf die Gestaltung des Konversionsrechts ist zu unterscheiden zwischen Umtauschverhältnis und Umtauschkurs. Das Umtauschverhältnis legt fest, i n welcher Relation Wandelschuldverschreibungen i n Aktien,, gemessen an ihrem Nennwert, getauscht werden können. Es w i r d meist fest vereinbart und richtet sich nach der Höhe der beabsichtigten (Kapitalerhöhung. Die deutschen Nachkriegsemissionen legten i n ihren Emissionsbedingungen ein Umtauschverhältnis von 1 : 1 zugrunde. Der Umtauschkurs hat die Aufgabe, für den Fall der Konversion der Wandelobligationen in A k t i e n eine Wertangleichung zwischen den Kursen der Wandelschuldverschreibungen und Aktien herbeizuführen. Der Umtauschkurs kann i n den Ausgabebedingungen festgelegt sein, w i r d aber meist variabel gehalten und entweder für die Laufzeit gestaffelt oder aber nach dem jeweiligen Aktienkurs, der Höhe der Dividende oder nach der Zahl der bisher getauschten Obligationen bestimmt 6 . Damit erhält der Emittent einen Einfluß auf die Umtauschhäufigkeit und die Wahl des Umtauschzeitpunktes. N u r ein fester Umtauschkurs bringt für den Gläubiger übersichtliche Verhältnisse, da in diesem Fall die Bestimmung des Umtauschzeitpunktes nur vom jeweiligen Börsenkurs der Aktien und seinen mutmaßlichen Entwicklungstendenzen abhängt. Ist der Umtauschkurs variabel gehalten, kann es unter Umständen zu einer Entwertung des Umtauschrechts kommen. Je nach dem, i n welcher Relation Umtauschkurs zu Umtauschverhältnis i m Falle der Konversion stehen, kommt es zu Zuzahlungen des Umtauschberechtigten oder zu Rückzahlungen in Geld oder Obligationen seitens der emittierenden Gesellschaft. Das Zusammenwirken von Umtauschverhältnis und Umtauschkurs sei an einem Beispiel illustriert: Nehmen w i r an, das Umtauschverhältnis sei m i t 1 : 1 festgelegt u n d der Umtauschkurs betrage 150 °/o. Werden 1000,— D M Wandelobligationen u m -
230
Sonstige Sachwerte als Kapitalanlage-Möglichkeit
getauscht, so ergibt sich eine Differenz von 500,— D M , die der Gläubiger i m Falle eines Umtausches i n A k t i e n aufzahlen muß. Liegt dem gleichen Beispiel ein Umtauschverhältnis von 2 : 1 zugrunde, muß also der Gläubiger zwei Wandelobligationen i m Nennwert von 2000,— D M einreichen, u m eine A k t i e i m Nennwert v o m 1000,— D M zum Preis von 1500,— D M zu erwerben. Dadurch entsteht für den Gläubiger eine positive Differenz, die i h m die Gesellschaft entweder durch Barzahlung oder Obligationenübereignung vergüten k a n n 6 . W i r d hingegen der Umtauschkurs manipuliert, vergrößern oder verkleinern sich die entstehenden D i f ferenzen.
Neben dem Umtauschverhältnis und dem Umtauschkurs ist für den Besitzer von Wandelobligationen i m Hinblick auf die Konversion noch die Sperrfrist von Bedeutung, die für die Durchführung des Umtausches vereinbart wird. Bei den in Deutschland in der Nachkriegszeit begebenen Wandelschuldverschreibungen beträgt diese zwischen vier und sechs Jahren 7 . Ist die Tilgungssperrfrist kürzer als die Umtauschsperrfrist, so droht auch von dieser Seite eine Entwertung des Konversionsrechts. Nach Ablauf der Umtauschsperrfrist kann der Umtausch meist bis zum Ende der Laufzeit der Schuldverschreibung vorgenommen werden. Weiterhin ist für die Wahrnehmung des Umtauschrechts die jeweilige Bestimmung über die Anmeldung des Umtausches von großer Bedeutung. Oft muß diese Monate vorher erfolgen. Auch hieraus können für den Gläubiger durch Veränderungen der Kursverhältnisse in diesem Zeitraum Nachteile im Hinblick auf die Ausübung des Umtauschrechts entstehen. Entsprechend der Zwitterstellung der Wandelobligationen liegt deren Zinssatz etwas niedriger als bei den gewöhnlichen Obligationen. I n den Nachkriegs jähren bestand in Deutschland eine Differenz bis zu 3*Vo. Entsprechend lagen auch die Renditen niedriger, vor allem deshalb, weil die Kurse der Wandelobligationen in ihrer Tendenz eher denen der Aktienkurse folgen, als denen der gewöhnlichen Schuldverschreibungen. Dieser kurze Uberblick über die wesentlichen Merkmale der Wandelschuldverschreibungen zeigt, daß diesen nur potentieller SachwertCharakter zukommt. Je nach Ausstattung der einzelnen Wandelschuldverschreibungen kann dieser stärker oder schwächer hervortreten. 2. D i e E i g n u n g d e r Wandelschuldverschreibungen als K a p i t a l a n l a g e - M ö g l i c h k e i t von L e b e n s versicherungs-Unternehmungen Wie sich zeigte, bieten die Wandelschuldverschreibungen die Alternativmöglichkeit, gegen Aktien zu tauschen oder Gläubiger einer 6
Rusch, Horst: a.a.O., S. 72 ff. Minz, W i l l y : Die Wandelschuldverschreibungen ZfhF, NF, Jg. 1952, S. 30β—321. 7
in
Deutschland,
in:
Unternehmungsanteile, die nicht A k t i e n sind
231
nominellen Geldforderung zu bleiben. Theoretisch verquickt diese Kapitalanlage-Möglichkeit demnach sowohl die reale als auch die nominelle Sicherheit. Wie aber bei der Besprechung der Konversionsmöglichkeiten hervorging, w i r d der Wert des Konversionsrechtes oft erheblich eingeschränkt. Hauptsächlich treten für den Eigentümer der Wandelschuldverschreibungen Benachteiligungen dann ein, wenn während der Laufzeit der Wandelanleihe Kapitalerhöhungen durchgeführt werden, an denen die Wandelschuldverschreibungen nicht teilnehmen, oder wenn die emittierende Gesellschaft sich die freie Wahl des Umtauschkurses vorbehalten hat. Weiterhin können für den Besitzer von Wandelobligationen Nachteile entstehen, wenn der Umtauschkurs während der Laufzeit seitens der emittierenden Gesellschaft manipuliert wird, oder wenn die Anmeldefrist vor der Durchführung des Umtausches sehr lang bemessen ist. Die möglichen Aufzahlungsverpflichtungen beim Umtausch können zu erheblichen Belastungen für den Eigentümer führen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Wandelobligationen, wie bereits herausgestellt, eine niedrigere Rendite haben als die normalen Obligationen. Aufgrund dieser Überlegungen kommen w i r zu dem Ergebnis, daß Wandelschuldverschreibungen unter dem Gesichtspunkt der Realsicherheit als Kapitalanlage von Lebensversicherungs-Unternehmungen weniger geeignet sind als Aktien, abgesehen davon, daß die Rendite niedriger ist als bei normalen Schuldverschreibungen. Speziell für die deutschen Verhältnisse kommt noch hinzu, daß die Emissionen von Wandelobligationen bisher noch keinen solchen Umfang erreicht haben, so daß ein wirksamer Risikoausgleich zwischen den einzelnen Papieren vorläufig nicht erzielbar erscheint.
I I I . Unternehmungsanteile, die nicht Aktien sind, und sonstige ertragbringende Sachwerte Vom Prinzip her sind Anteile an Unternehmungen, die die Rechtsform der KG, GmbH oder OHG besitzen, ebenso als realsicher und ertragbringend zu betrachten wie die Aktien. Als Kapitalanlage-Möglichkeiten von Lebensversicherungs-Unternehmungen kommen sie aber nicht in Betracht, weil ihnen nicht nur ein dem Aktienkurs entsprechender Marktpreis und damit die Liquidität fehlt, sondern vor allem auch deshalb, weil ihre Auswahl, Verwaltung und Kontrolle Anforderungen stellt, denen die Vermögensverwaltung der Versicherungsbetriebe nicht oder nur unter erheblichem Aufwand nachkommen könnte. Auch bestünde die Gefahr einer Belastung m i t versicherungsfremden Aufgaben. Die Verwaltungskosten stünden in keinem Verhältnis zur erzielbaren Realsicherheit und dem erzielbaren Ertrag;
232
Sonstige Sachwerte als Kapitalanlage-Möglichkeit
denn die Kontrolle solcher Gesellschaften durch Wirtschaftsprüfer fehlt meist völlig, wie auch, keine Kontrolle durch die Öffentlichkeit erfolgt, die bei Aktiengesellschaften durch die gesetzlich vorgeschriebene Publikation der Geschäftsberichte gewährleistet ist. Jeder Gesellschaftsanteil, der i m Sinne einer weitgehenden Risikostreuung nur einen kleinen Anteil des jeweiligen Gesellschaftskapitals ausmachen dürfte, müßte auf Kosten der Versicherungs-Unternehmung von geeigneten Personen überprüft werden, die mit der A r t des Unternehmens, dessen Ruf innnerhalb der Branche und auf dem M a r k t weitgehend vertraut sind. Ebenso ist eine Anlage des Kapitals der Lebensversicherungs-Unternehmungen in anderen Sachwerten, wie Maschinen, Fabrikanlagen usw., die verpachtet werden können, abzulehnen. Allzuleicht würde dadurch der Versicherer zum Unternehmer in versicherungsfremden Bereichen, was eine unerwünschte Belastung der LebensversicherungsUnternehmungen m i t sich brächte. Trotz der schwerwiegenden Bedenken, die zu erheben sind, gibt es praktische Versuche seitens der Lebiensversicherungs-Wirtschaft, die Kapitalanlage-Politik an derartigen Sachwerten zu orientieren 8 . Beispielsweise hat die Prudential Life Insurance Company in New York m i t der Pennsylvania Railroad Company einen Chartervertrag geschlossen, nach dem sich die Versicherungs-Unternehmung verpflichtet, 10 000 Güterwagen gegen Pacht der Eisenbahngesellschaft zur Verfügung zu stellen. Weiterhin wurde vereinbart, daß bei steigenden Frachtraten der Pachtzins erhöht werden darf 9 . Solche Kapitalanlagen können zwar durchaus als eine neue Form des gewerblichen Kredits angesehen werden, die eine Hypothekenbegebung ersetzen. Unseres Erachtens ist aber ein solcher Weg für die Lebensversicherungs-Unternehmungen nicht gangbar, da auf diese Weise nur zu leicht die Grundlagen einer verantwortungsbewußten Kapitalanlage-Politik verlassen würden. Diese Form des gewerblichen Kredits ließe sich seitens der Lebensversicherungs-Unternehmungen nur über Pachtgesellschaften durchführen, deren A k t i e n erworben werden könnten. IV. Wertgesicherte Schuldverschreibungen und Darlehen 1.
Aufbau
und
Wesen der Darlehen
wertgesicherten
Sogenannte wertgesicherte Schuldverschreibungen und Darlehen sind solche Kreditverhältnisse, bei denen der Kapitaldienst nicht wie üblich 8
Möller, Gerd: Die Anlagepolitik der amerikanischen Lebensversicherung, i n : VW, 1951, S. 98. 9 Zürcher, Walter: a.a.O., S. 192.
und
deutschen
Wertgesicherte Schuldverschreibungen
233
i n konstanten Geldleistungen, sondern in bestimmten gleichbleibenden Sachgütermengen zu erbringen ist. Die Sachgütermengen werden an den Fälligkeitstagen des Kapitaldienstes zu den jeweils geltenden Marktpreisen bewertet, dürfen aber ein bestimmtes M i n i m u m nicht unterschreiten. Auf diese Weise w i r d für den Kreditvertrag das Geld als Rechnungseinheit ausgeschaltet und durch den Preis eines Sachgutes ersetzt. Diese Darlehenskonstruktion verhindert somit, daß der Schuldner Vorteile aus den eventuellen Minderungen der Kaufkraft des Geldes zieht. Die Auswahl der entsprechenden Basis-Sachwerte bringt allerdings einige Schwierigkeiten m i t sich. I n erster Linie kommen solche Sachwerte i n Betracht, für die eine relativ konstante Konstellation von Angebot und Nachfrage gegeben ist. Diese Bedingung ist vorhanden, „wenn der M a r k t einer Ware ein möglichst breiter ist, so daß seine Ausdehnung den Ausgleich örtlicher Verschiedenheiten des Bedarfs gestattet und dadurch die Schwankungen auf den einzelnen Marktgebieten auf ein M i n i m u m zurückführt" 1 0 . Güter, für die diese Voraussetzungen bestehen, sind vor allem die des lebensnotwendigen Bedarfs, wie Roggen, Kohle, Elektrizität usw. und unter gewissen Einschränkungen auch Gold und Devisen. Die Konstruktion der wertgesicherten Darlehen stellt geradezu eine Ideallösung des Kapitalanlage-Problems der Lebensversicherungs-Unternehmungen dar; denn an Preissteigerungen partizipieren die wertgesicherten Darlehen in gleichem Maß wie die Sachgüter, auf die sie lauten, während sie durch die Garantie von nominellen Mindestsummen in ihrem Rückzahlungswert und ihrer Verzinsung nur bis zu einer bestehenden Grenze sinken können. Die wertgesicherten Darlehen kombinieren demnach gewissermaßen die Vorteile eines Beteiligungsbesitzes mit den Vorteilen eines Obligationenbesitzes. Doch wie zu zeigen ist, sind erhebliche Einschränkungen i n bezug auf ihre Funktionsfähigkeit zu machen. Als erstes gilt es herauszustellen, daß die wertgesicherten Darlehen ihren Zweck, die Substanzerhaltung des kreditierten Betrages, nur insoweit erfüllen, als die zur Grundlage des Kreditvertrages gewählte Sachwertkategorie den Schwankungen der Kaufkraft der Währung folgt. Da aber die Kaufkraft durch eine Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen bestimmt wird, können die wertgesicherten Darlehen kaum ihrer Aufgabe völlig gerecht werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Muhs, indem er ausführt: „Restlos kann die Wertbeständigkeit derartiger Kapitalanlagen naturgemäß niemals erlangt werden; denn es gibt i n der Sozialwirtschaft keinen generellen und beständigen Wertausdruck, sobald das Geld aufhört, als General10 Muhs, K a r l : Wertbeständige Kapitalanlagen, i n : Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 120, I I I . Folge, 65. Bd. 1923, S. 389.
234
Sonstige Sachwerte als Kapitalanlage-Möglichkeit
nennner, auf den sämtliche Waren-Werte bezogen werden, zu fungieren, da infolge des Wechsels der Produktivitätsverhältnisse und der Marktlage die verschiedenen Wertkategorien ständigen Schwankungen ihres Wertes unterworfen sind 1 1 ." Ferner ist zu bemerken, daß den wertgesicherten Darlehen ein großes Bonitätsrisiko des Schuldners innewohnt. Allzuleicht können aus dem Kreditvertrag für den Schuldner Verpflichtungen erwachsen, die er nicht mehr oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten tragen kann. I m Einzelfall w i r d es dabei darauf ankommen, ob die dem Darlehensvertrag zugrundeliegende Wertbasis vom Schuldner selbst beeinflußt werden kann. So ist beispielsweise das Bonitätsrisiko einer wertgesicherten Anleihe eines Elektrizitätswerkes, das i m Darlehensvertrag den durchschnittlichen Preis der erzeugten Kilowattstunde Strom als Wertbasis wählt, günstiger einzuschätzen, als wenn ein Handelsunternehmen für seine Schuldverschreibungen die gleiche Wertbasis wählt. Hieraus folgt im Hinblick auf das Bonitätsrisiko, daß ein Schuldner nur dann wertgesicherte Darlehen aufnehmen darf, „wenn er seinerseits die Möglichkeit besitzt, zur Deckung der daraus erwachsenden Ausgaben Einnahmen zu erzielen, welche nach dem gleichen Wertsicherungsfaktor verändert werden können" 1 2 . Nie w i r d sich aber das Bonitätsrisiko völlig ausschalten lassen, da das einzelne Unternehmen meist keinen oder nur einen geringen Einfluß auf das Marktgeschehen hat. Diese Überlegungen zeigen, daß im Hinblick auf das Funktionieren der wertgesicherten Darlehen erhebliche Einschränkungen gemacht werden müssen. Zur Klärung der Frage, inwieweit wertgesicherte Darlehen als Kapitalanlage-Möglichkeit von Lebensversicherungen in Frage kommen, wollen w i r uns deshalb i m folgenden den praktischen Erfahrungen zuwenden, die mit wertgesicherten Darlehen bisher gesammelt werden konnten. 2. D i e E i g n u n g w e r t g e s i c h e r t e r Schuldverschreib u n g e n u n d D a r l e h e n als K a p i t a l a n l a g e - M ö g l i c h keit von Le'bensversicherungs-Unternehmungen I n Deutschland kamen wertgesicherte Darlehen i n den Inflationsjahren nach dem ersten Weltkrieg auf, deren gesetzliche Grundlage das „Gesetz über die Ausgabe wertbeständiger Schuldverschreibungen auf den Inhaber vom 23. Juni 1923" darstellte. Nach Schätzungen des Statistischen Reichsamts wurden bis Ende 1923 205 Schuldverschreibungen m i t Wertsicherungsklausel emittiert, die einen Nominalwert von 2121 Millionen Mark, berechnet nach den Jahresdurchschnittspreisen in Goldmark von 1913, besaßen. Davon waren 150 Anleihen m i t einem 11 12
Muhs, K a r l : a.a.O., S. 388. Zürcher, Walter: a.a.O., S. 188.
Wertgesicherte Schuldverschreibungen
235
Nennbetrag von 1761,8 Millionen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und der Rest von 55 Anleihen m i t einem Nennbetrag von 359,3 Millionen Mark von Privatgesellschaften begeben worden 1 3 . Diese Anleihen lauteten zum größten Teil auf Gold, nämlich 1643 Millionen Mark Nennwert, während der Rest auf anderen Sachwerten, wie Roggen, Kohle, Flachs usw. und auf Devisen basierte. Die Neigung zu indexgebu-ndenen Schuldverschreibungen nahm in den Jahren nach der Stabilisierung der Rentenmark sehr rasch ab. M i t dem Einsetzen der staatlichen Preisüberwachung und Preiskontrolle i n den dreißiger Jahren wurden die Indexanleihen praktisch wertlos und vom Gesetzgeber systematisch abgebaut. So wurden durch das sog. Roggen-Schuldgesetz vom 16. M a i 1934 die auf Roggen lautenden Hypotheken auf Reichsmark umgestellt. Ihnen folgten die anderen Indexanleihen sukzessive, bis schließlich am 16. November 1940 die Verordnung über wertbeständige Rechte jede Wertsicherungsklausel für nichtig erklärte. Auch in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ließ der Gesetzgeber i n Deutschland Wertsicherungsklauseln nicht wieder zu. Auf Grund der Vorschriften des § 3 des ersten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens von 1948 wurden diese ausdrücklich verboten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der Gesetzgeber in Deutschland gerade dann die Automatik der Anpassung der wertgesicherten Darlehensforderungen an das jeweilige Preisniveau ausschaltete, als sich diese i m Zuge der zunehmenden Kaufkraftverschlechterung bewähren sollten. Dieses Vorgehen hat seine volkswirtschaftliche Berechtigung, da solche Wertpapiere eine Minderung des Vertrauens in die Währung m i t sich bringen und dadurch unerwünschte Impulse auf die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes auslösen, die gerade i n Zeiten sich verschlechternder Kaufkraft ausgeschaltet werden müssen. Daneben fiel es dem Staat i m Hinblick auf die Höhe seiner eigenen Verpflichtungen um so leichter, die Interessen der Gläubiger denjenigen der Schuldner zu opfern. Da wertgesicherte Schuldverschreibungen und Darlehen heute in Deutschland verboten sind, scheiden sie als Kapitalanlage-Möglichkeit für deutsche Lebensversicherungs-Unternehmungen aus. Aber selbst für den Fall einer eventuellen Neueinführung wertgesicherter Darlehen erscheinen diese auf Grund der Erfahrungen, die die deutschen Gläubiger m i t diesen Wertpapieren sammeln mußten, und nicht zuletzt wegen des hohen Bonitätsrisikos, das diesen Papieren anhaftet, nicht als Kapitalanlage-Möglichkeit für deutsche Lebensversicherungs-Unternehmungen geeignet. 13
Vgl. Wirtschaft u n d Statistik, Jg. 1924, zitiert nach Jedzig, a.a.O., S. 187.
Werner:
236
Sonstige Sachwerte als Kapitalanlage-Möglichkeit
Anders als i n Deutschland gestaltete sich die neuere Entwicklung i n bezug auf wertgesicherte Darlehensforderungen i m Ausland, namentlich i n Frankreich. Dort wurden seit 1952 in großem Umfang Indexanleihen durch den Staat sowie durch öffentliche und private Unternehmungen emittiert. Deutlich zeigt dies nachfolgende Tabelle 46, die Auskunft über die Wertpapieremissionen in Frankreich in der Zeit von 1950 bis 1955 gibt. T a b e l l e 46 Wertpapieremissionen in Frankreich*) ( i n M r d . fFr.) Festverzinsliche
Anleihe
a
1950
):
Staat Selbstverwaltungskörperschaften öffentliche Unternehmungen Private Gesellschaften Summe
1951
1952
1953
1954
1955
31 25 27 11
7 36 11
84 2 8 7
43 12 52 8
110 10 75 9
85 14 110 50
94
45
51
115
204
259
—
—
—
—
—
—
—
48
—
~~ 11
67 35
34
64
102
37
—
Indexanleihen b) ;
Staat öffentliche Unternehmungen Private Gesellschaften Summe Aktien
194 ! 31 j —
225
—
!Ì
16
und GmhH- Anteile :
Aktien GmbH-Anteile Summe Emmissionen insgesamt Tilgungen u n d Rückzahlungen
31 10
44 6
67 7
60 12
82 11
114c) 12
41
50
74
72
93
126
135
104
350
251
399
422
12
13
15
17
31
50
Q u e l l e : Jahresberichte des Conseil National du Crédit 1950 bis 1953. ) F ü r 1950 und 1951 werden Indexzahlen nicht getrennt ausgewiesen, sondern unter den „Festverzinslichen Anleihen" aufgeführt. h ) Unter Einschluß der Wandelanleihen.