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German Pages 490 Year 1996
MICHAEL LINGENFELDER
Die Internationalisierung im europäischen Einzelhandel
SCHRIFTEN ZUM MARKETING hrsg. von Prof. Dr. Dr. h. c. Erwin Dichtl, Mannheim Prof. Dr. Franz Böcker t, Regensburg Prof. Dr. Hermann Diller, Nümberg Prof. Dr. Hans H. Bauer, Mannheim Prof. Dr. Stefan Müller, Dresden Band 42
Die Internationalisierung im europäischen Einzelhandel Ursachen, Formen und Wirkungen im Lichte einer theoretischen Analyse und empirischen Bestandsaufnahme
Von
Michael Lingenfelder
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lingenfelder, Michael: Die Internationalisierung im europäischen Einzelhandel : Ursachen, Formen und Wirkungen im Lichte einer theoretischen Analyse und empirischen Bestandsaufnahme I von Michael Lingenfelder.- Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Marketing ; Bd. 42) Zug!.: Mannheim, Univ., HabiL-Sehr., 1996 ISBN 3-428-08833-6 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0343-5970 ISBN 3-428-08833-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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"Kein Buch kannjemals fertig werden: während wir daran arbeiten, lernen wir immer gerade genug, um seine Unzulänglichkeit klar zu sehen, wenn wir es der Öffentlichkeit übergeben." Kar/ Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band 1: Der Zauber Platons, 2. Aufl., Bem 1970, Vorwort S. 7.
Vorwort Die Internationalisierung im institutionellen Handel schreitet mit Macht voran. Einzelhandelsunternehmen engagieren sich in allen Winkeln dieser Erde, und zwar sowohl auf seiten der Beschaffung als auch auf seiten des Absatzes. Diese Tatsache findet ihren Reflex darin, daß die Anzahl an praxisbezogenen und wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Thema explosionsartig gestiegen ist. Als ich Mitte 1991 begann, mich mit der Materie zu beschäftigen, war die Literaturlage vergleichsweise schlecht. Als die Arbeit im Oktober 1995 abgeschlossen wurde und als Habilitationsschrift der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim eingereicht wurde, war zu erkennen, daß sich die Handelsforschung im In- und Ausland zunehmend mit Fragen der grenzüberschreitenden Betätigung von Handelsbetrieben beschäftigt und ihre Anstrengungen in diesem Sektor weiter forcieren wird. Der Verfasser ist seinem akademischen Lehrer, Mentor und Förderer Herrn Professor Dr. Dr.h.c. Erwin Dichtl, zu unschätzbar großem Dank verpflichtet. Er hat von Anfang an das Werk begleitet, verschiedene Teile konstruktiv kritisch geprüft, zahlreiche wertvolle Hinweise gegeben und vor allem Rückhalt gegeben, was für einen Habilitanden sehr wichtig ist. Seine Unterstützung und Fürsorge drückten sich u. a. darin aus, daß er mich bereits im Oktober 1992 ermunterte, eine Lehrstuhlvertretung anzunehmen. Am deutlichsten werden die Verläßlichkeit und großartige Menschlichkeit von Herrn Professor Dichtl daran, daß er mir trotz seiner schweren Krankheit, von der er im September 1995 erfuhr, unermüdlich den Rükken gestärkt hat. Er hat in unvergleichlicher Manier die Schrift in Rekordzeit und mit seiner ihm eigenen akribischen Gründlichkeit begutachtet sowie mich in allen weiteren Phasen der Habilitation nachhaltig unterstützt. Großen Dank schuldet der Bearbeiter ferner den Herren Professoren Dres. Klaus Conrad und Manfred Perlitz, beide Universität Mannheim, die sich als Gutachter zur Verfügung stellten und innerhalb kurzer Zeit die Schrift bewerteten. Ferner bin ich Herrn cand. rer. pol. Thomas Taschner zu Dank verpflichtet, der sich um die EDV-technische Formatierung bzw. das Layout der Arbeit kümmerte. Schließlich schulde ich den Mitarbeitern des Marburger Marketing- und Handelslehrstuhls, Frau Dipl.-Kff. Stephanie Dann und Frau Ortrod Müller sowie Herrn Dipl.-Kfm. Thomas Reis, Dank dafür, daß sie mich bei der technischen Fertigstellung des Buches unterstützt haben. Daß das Werk vollbracht wurde, ist zu einem großen Teil das Verdienst meiner Frau; denn sie hat mir den Freiraum, die Kraft und die Ruhe gegeben, ohne die ich
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Vorwort
die sich immer wieder in den Weg stellenden Klippen nicht hätte umschiffen können. Sie hat unsere Tochter erzogen, als ich zwischen Marburg, Jena (wo ich Lehrstuhlvertretungen wahrnahm) und Mannheim hin- und herpendelte. Meine Tochter mußte in den letzten zwei Jahren auf ihre Frage "Spielst Du mit mir?" viel zu oft mit der Antwort leben "Keine Zeit. Der Papa muß arbeiten". In der Hoffnung, daß sich das ändern möge, widme ich dieses Buch den Menschen, die ich am meisten liebe: Silke und Laura-Charlotte. Marburg, im Februar 1996
Michael Lingenfelder
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel
Die Bearbeitung des europäischen Marktes als Herausforderung für den Einzelhandel
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1. Die Relevanz der Internationalisierung im Einzelhandel in Wissenschaft und Praxis
19
2. Die grenzüberschreitende Tätigkeit des Einzelhandels in verschiedenen handelsgeschichtlichen Entwicklungsphasen ........ . .... . .. . . .......... .. .... : . . . . . . . . . . . .
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2.1. Die Herausbildung von Fern- und Klein- bzw. Detailhandel bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
2.2. Die Wandlung des Klein- bzw. Detailhandels bis zum Ersten Weltkrieg . . . . . . . .
26
2.3. Die Beeinträchtigung der Entwicklung des Einzelhandels bis Anfang der 50er Jahre . . .. . . ... . . . . . . . ... . . . . . . . . ... . . . ... .. . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .
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2.4. Die Veränderung der Einzelhandelsstruktur bis zur Mitte der 80er Jahre . . . . . . . .
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3. Ein länderbezogener Überblick über Auslandsaktivitäten im europäischen Einzelhandel.... . .................... .. .. .. ................. . ... . .................... . ... .
39
4. Die Vergehensweise bei der Untersuchung und die dieser zugrundeliegende Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
2. Kapitel
Die Internationalisierung der Geschäftstätigkeit des Einzelhandels als Gegenstand theoretischer Überlegungen und strategischer Konzepte
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1. Der Objektbereich der Internationalisierung im Einzelhandel und Implikationen für die Auswahl der heranzuziehenden Theorien sowie strategischen Konzepte . . . . . . . . .
50
2. Die Internationalisierung von Handelsunternehmen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
2.1. Die Fundierung von Internationalisierungsentscheidungen durch volkswirtschaftliche Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
2.1.1. Die Außenhandelstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
2.1.2. Die Mikroökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 2.1.3. Wettbewerbstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . .. . . .. .
92
2.1.4. Die Industrieökonomik . .. . . . . .. .. . . .. . .. . .. .. . .. .. . . . . . . . . . .. . . .. .. . .. . 109 2.2. Die Fundierung von Internationalisierungsentscheidungen durch betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze . . . .. . . . . .. .. . .. . . . . . . . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . . . . . . .. 119 2.2.1. Die Lehre von den Handelsfunktionen . . . . .. . .. .. .. .. . . .. . . . .. . . . .. . . .. . 119 2.2.2. Theorien des Wandels der Marktstellung von Handelsunternehmen . . . . . . 126 2.2.3. Gate keeper- und Interaktionstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.2.4. Die Transaktionskostentheorie . .. . . .. . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . . .. . .. .. . . .. . 147 2.2.5. Die Erfolgsfaktorenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2.2.6. Die Entscheidungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
3. Die Internationalisierung von Handelsunternehmen als Gegenstand strategischer Konzepte . . . .. . . . .. . . . . .. . . .. . . . .. . . .. . . . . . .. . . .. . . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . .. . . . . .. . . .. . . 173 3.1. Das Global Sourcing. .. .... . .. .. ........ .. ...................... .. ...... . ... .. . 174 3.2. Economies of !arge scale- und Erfahrungskurveneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3.3. Strategische Netzwerke und strategische Allianzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3.4. Das EPRG-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.5. Die Globalisierungskonzepte von Ohmae und Porter.. . ...... . ....... . ... .. .. . . 203 3.6. Der Strategie Fit-Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Die theoretische Basis der Untersuchung im Überblick . ... . .. ......... . .. . . .... .. .. . 218
3. Kapitel Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung im Einzelhandel
252
1. Gründe für die Europäisierung im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1.1. Antriebskräfte des "going international" im Lichte sekundärstatistischer Befunde ........... . ..... . ........ . ..... . .... . . .. ....... . ... . .. . . . . . . ...... . ... . .. . . . 253 1.1.1. Die Veränderung der Makroumwelt von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . 253 1.1.1.1. Die politisch-rechtliche Integration Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1.1.1.2. Unterschiede in bezug auf ausgewählte ökonomische Rahmenbedingungen . . . .. .. .. .. . . .. . . .. . . . .. . . . . .. . . .. . . .. . .. . . .. . . .. . . 266 1.1.1.3. Die Überwindung sozio-kultureller Divergenz in den Kernländern Europas . .. .. .. . . .. . . . . .. . . . . . . .. . . .. .. . . . . . .. . . . .. .. .. .. . . 286 1.1.1.4. Die informationstechnologische und infrastrukturelle Verzahnung europäischer Länder .. . . . . . . . .. . . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . .. . . .. 293
Inhaltsverzeichnis
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1.1.2. Die Wandlung der Mikroumwelt von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . 30 I 1.1.2.1. Die Angleichung des Informations-, Kauf- und Konsumverhaltens von Verbrauchern in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1.1.2.2. Die Internationalisierung von Lieferanten als Anstoß zur Europäisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1.1 .2.3. Die Verfügbarkeil von kompetenten Absatz- und Beschaffungshelfern in den einzelnen europäischen Ländern ........... . ..... 315 1.1.2.4. Die Imitation der Internationalisierungsstrategie von Wettbewerbern ........ . ................ . .... . ... . ......................... 320 1.1.3. Die Veränderung interner Rahmenbedingungen von Einzelhandelsbetrieben .................... .. ..................... .. . . ..... . ........... . .... 323 1.2. Eine primärstatistische Analyse der Ursachen des .,going international" . . . . . . . . 330 1.3. Zwischenfazit: Empirische Untersuchungsbefunde im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 335 2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit in der Praxis des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 2.1. Der Beschaffungsbereich im Lichte sekundärstatistischer Befunde . . . . . . . . . . . . . 337 2.1.1. Der Gegenstand einer grenzüberschreitenden Beschaffungspolitik . . . . . . . 337· 2.1.2. Intensität, Strategien und institutionelle Arrangements der internationalen Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2.1.2.1. Die Intensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2.1 .2.2. Strategien und institutionelle Arrangements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2.1.3. Die Etablierung von Formen der Beschaffungskooperation auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 2.1.3.1. Arten international tätiger Beschaffungskooperationen . . . . . . . . . . 348 2.1.3.2. Ziele, Aufgaben und Probleme europäischer Beschaffungskooperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 2.1.3.3. Die Relevanz einer Euro-Kooperation für die nationale und internationale Absatzpolitik der angeschlossenen Handelsbetriebe 358 2.1.4. Konsequenzen der Implementierung ausgewählter Managementphilosophien für die Beschaffungspolitik im europäischen Markt . . . . . . . . . . . . . . . 359 2.2. Der Absatzbereich im Spiegel empirischer Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2.2.1. Internationale Markteintrittsstrategien des Einzelhandels und ihre Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2.2.1.1. Vorbemerkungen . ..................... . ........ . .......... . ... . 367 2.2.1.2. Bei einem Auslandsengagement bevorzugte Länder . . . . . . . . . . . . 369 2.2.1.3. Die Festlegung des Eintrittsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 2.2.1.4. Formen des Markteintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 2.2.1.5. Das Timing des Markteintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
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Inhaltsverzeichnis 2.2.2. Die Bearbeitung des europäischen Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2.2.2.1. Basisstrategien zur Bearbeitung des europäischen Marktes im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 2.2.2.2. Das europäische Absatzmarketing im Spannungsfeld von Standardisierung und Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2.2.2.2.1. Ebenen der Standardisierungsentscheidung und Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 2.2.2.2.2. Implikationen für die Gestaltung der internationalen Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 2.2.2.3. Die Gestaltung zentraler Elemente des Marketing-Mix . . . . . . . . . 395 2.2.2.3.1. Positionierung und Vermarktung von Handelsmarken in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 2.2.2.3.2. Die Bildung eines für den europäischen Markt geeigneten Sortiments .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. . 410 2.2.2.3.3. Die Gestaltung von europäischer Werbung und EuroPromotions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 2.2.2.3.4. Die Festlegung der europäischen Preis- und Sonderangebotspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 2.2.2.3.5. Die Gestaltung des In Store-Marketing in einzelnen Ländermärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 2.2.2.4. Die internationale Marktbearbeitung im empirischen Test: Deut- . sehe Filialbetriebe in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 2.3. Zwischenfazit: Empirische Untersuchungsbefunde im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 435
3. Aus der Europäisierung im Einzelhandel erwachsende Konsequenzen einzel-und gesamtwirtschaftlicher Art im Spiegel empirischer Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 3.1. Ausgewählte einzelwirtschaftliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 3.1.1. Machtverschiebung im vertikalen Wettbewerb . . .... .. .. . ....... . ...... . 437 3.1.2. Die Verschärfung der Intensität des horizontalen Wettbewerbs .. . . ... . ... 441 3.1.3. Die Entwicklung eines effizienten Managements für eineuropaweit tätiges Einzelhandelsunternehmen .. . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . . . . 442 3.1.4. Die Verbesserung der Versorgungszufriedenheit von Verbrauchern in den europäischen Kernregionen .. . .. .. . .. . . . . . . . . .. . . . .. . . .. . .. . . . . . . . . . .. . . 452 3.2. Ausgewählte gesamtwirtschaftliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 3.3. Zwischenfazit: Empirische Untersuchungsbefunde im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 455 4. Kapitel Fazit und Ausblick
457
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
Tabellenverzeichnis Tab. 1.1.: Die Verbreitung von SB-Warenhäusern in Europa (Stand 1986) . . . . . . . . . . .
36
Tab. 1.2.: Auslandsaktivitäten im europäischen Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Tab. 2.1.: Ausgewählte kulturelle Besonderheiten im Rahmen von Beschaffungstransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
144
Tab. 2.2.:
Motive der Internationalisierung aus der Sicht britischer Einzelhandelsbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
Tab. 2.3.: Quellen für Größenersparnisse bei international tätigen Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
Tab. 2.4.: Erscheinungsformen internationaler Netzwerkarrangements im Einzelhandel. . ............................................................. . ... . ... .
190
Tab. 2.5.: Die Elemente des EPRG-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199
Tab. 2.6a.: Die theoretische Fundierung von Ursachen der Internationalisierung der Beschaffungspolitik im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222
Tab. 2.6b.: Die theoretische Fundierung von Ursachen der Internationalisierung der Absatzpolitik im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
224
Tab. 2.6c.: Die theoretische Fundierung von Ursachen der Internationalisierung des Managements von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226
Tab. 2.7a.: Die theoretische Fundierung der Gestaltung der internationalen Beschaffungspolitik von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230
Tab. 2.7b.: Die theoretische Fundierung der Gestaltung der internationalen Absatzpolitik von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
Tab. 2.7c.: Die Gestaltung sowohl der internationalen Beschaffungspolitik als auch der internationalen Absatzpolitik betreffende generelle Vermutungen und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
Tab. 2.8a.: Die theoretische Fundierung von einzelwirtschaftlichen Konsequenzen der Internationalisierung im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
244
Tab. 2.8b.: Die theoretische Fundierung von gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen der Internationalisierung im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
Tab. 2.8c.: Die theoretische Fundierung sowohl von einzel- als auch gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen der Internationalisierung im Einzelhandel . . . . .
250
Tab. 3.1.: Die länderspezifische Regelung einzelner Facetten der Tätigkeit von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255
14
Tabellenverzeichnis
Tab. 3.2.:
Die Relevanz ausgewählter europarechtlicher Regelungen für den Einzelhandel . . . . ... . . .. . . . . .. . . . . . . . . .. . . ... . . .. . . . . . . .. . . .. .. . . .. . . .. . .. . . . . . . .
259
Tab. 3.3.:
Kenngrößen zur Bevölkerungsstruktur und ökonomischen Situation in der EU (Stand 1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267
Tab. 3.4.:
Der Private Verbrauch in der EU (Stand 1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
269
Tab. 3.5.: Wichtige Indikatoren für den Handel in den EFTA-Ländern (Stand 1990) . .
270
Tab. 3.6.:
Wichtige Indikatoren für den Handel in Mittel- und Osteuropa (Stand 1990) . . .. . . . . . . . ... . . .. . . . . .. . . .. . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
272
Tab. 3.7a.: Die Bedeutung des Handels in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
Tab. 3.7b.: Die Bedeutung des Handels in der EU (Fortsetzung von Tab. 3.7a.) . . . . . . .
276
Tab. 3.8.:
Der Umsatz im Einzelhandel und die Verkaufsstellendichte in EU- und EFTA-Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tab. 3.9.:
Strukturelle Merkmale des Einzelhandels in Mittel- und Osteuropa in den Jahren 1980, 1986 und 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
Tab. 3.10.: Der Preisindex nach Warenbereichen (Stand 1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
283
Tab. 3.11.: Kenngrößen des Lebensmitteleinzelhandels im europäischen Vergleich (Stand 1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284
277
Tab. 3.12.: Die soziale Schichtung in der EU und der Bundesrepublik Deutschland (West) . .... ....... . . . . . . . . . . ... . . ... . . . . . . . . . . . . . . ....... .. . . .. . . . . . . . .. . .
288
Tab. 3.13.: Die Verbreitung des Scanning in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
Tab. 3.14.: Indikatoren zur Struktur von Werbeträgern in Europa (Stand 1992) . . . . . . . .
297
Tab. 3.15.: Voraussetzungen für die Erschließung osteuropäischer Märkte . . . . . . . . . . . .
300
Tab. 3.16.: Das Mediennutzungsverhalten von selbst einkaufenden Verbrauchern in Europa (Stand 1991) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
302
Tab. 3.17.: Die länderspezifische Akzeptanz verschiedener Werbeträger im Rahmen der Einführung neuer Produkte (in%) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303
Tab. 3.18.: Die länderspezifischen Marktanteile von Betriebstypen bei der Distribution von Milchprodukten, Obst und Gemüse (in%; Stand 1992) . . . . . . . . . . . .
306
Tab. 3.19.: Motive für den Eintritt in osteuropäische Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
322
Tab. 3.20.: Die Einschätzung des Know-how-Vorsprungs von Handelsbetrieben bei bestimmten Funktionsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
328
Tab. 3.21.: Der internationalen Absatzpolitik zugrundeliegende Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
Tab. 3.22.: Die Relevanz ausgewählter Variablen für die Ergreifung der Internationalisierungsstrategie durch Einzelhandelsbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336
Tab. 3.23.: Sekundärstatistische Befunde zur internationalen Beschaffungspolitik von europäischen Filialunternehmen im Lebensmittelsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
Tabellenverzeichnis
15
Tab. 3.24.: Ausgewählte europäische Verbundgruppen nationaler Einkaufskooperationen des Lebensmittelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
353
Tab. 3.25.: Ausgewählte europäische Verbundgruppen von Filialunternehmen des Lebensmittelhandels . . . . . . . . . .. . . . . .. .. .. . . . .. . .. . . .. . .. . .. . . . .. . .. . . . . .. .
356
Tab. 3.26.: Merkmale ausgewählter Managementansätze und deren Konsequenzen für die europäische Beschaffungspolitik .. . .. . .. . . .. . . .. . .. . . .. . . . .. . .. . .. .. . .
364
Tab. 3.27.: Die länderbezogene Europäisierungspolitik ausgewählter deutscher und französischer Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels (Stand 1992) . .
372
Tab. 3.28.: Engagements ausländischer Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
375
Tab. 3.29.: Die Relevanz von Formen des Eintritts in osteuropäische Märkte..... . . . . .
381
Tab. 3.30.: Der Umsatzanteil von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels im EU-Ausland (in%) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384
Tab. 3.31.: Ein Vergleich der Handelsmarkenpolitik in Frankreich und Großbritannien
404
Tab. 3.32.: Merkmale verschiedener Generationen von Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
407
Tab. 3.33.: Die Bewertung einer internationalen Vereinheitlichung von Sortimenten bzw. Sortimentsteilen im Spiegel empirischer Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
415
Tab. 3.34.: Die Struktur eines einer Untersuchung zugrundeliegenden französischen Teilmarktes (Stand 1993) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
Tab. 3.35.: Die Relevanz ausgewählter Variablen für die Gestaltung der Internationalisierungsstrategie von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436
Tab. 3.36.: Faktorenanalytische Komprimierung von Voraussetzungen für den Erfolg der Europäisierung . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . .. . . . . . .. . . . .
445
Tab. 3.37.: Einzelwirtschaftliche Konsequenzen der Europäisierung im Einzelhandel .
456
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1.:
Der theoretische Bezugsrahmen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Abb. 1.2.:
Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Abb. 2.1.:
Ein Modell zur Erfassung von Entscheidungstatbeständen und Problemfeldern im Rahmen der absatzmarktbezogenen Internationalisierung von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
Abb. 2.2.:
Ein Modell zur Erfassung des Prozesses der beschaffungsmarktbezogenen Internationalisierung von Einzelhandelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Abb. 2.3.:
Die Arbeitskosten pro Arbeiter-Stunde in der Verarbeitenden Industrie 1993 in DM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
Abb. 2.4.:
Ausgangskonstellationen für die Preisbildung in mehrstufigen Märkten ohne Berücksichtigung der Internationalisierung der Hersteller und des Handels . . .. . . .. . . . .. . . . .. . . .. . . . ... . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . .. . . .. . .
83
Abb. 2.5.:
Die Marktsituation vor Aufnahme der Internationalisierungstätigkeit von Handelsbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
Abb. 2.6.:
Grundlegende Internationalisierungspfade von Handelsbetrieben . . . . . . . . . .
86
Abb. 2. 7.:
Theoretische Strömungen in der Wettbewerbstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Abb. 2.8.:
Ausgewählte Ausprägungen des Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigmas im Handel .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . .. . .. . . . . . 111
Abb. 2.9.:
Der Einfluß der Internationalisierung auf die von Handelsbetrieben ausgeübten Funktionen . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . .. . .. .. . . . . . . 121
Abb. 2.10.: Formen internationaler Interaktion bei der grenzüberschreitenden Warenbeschaffung aus der Sicht eines inländischen Einzelhandelsbetriebs . . . . . . . 137 Abb. 2.11.: Formen internationaler Interaktion im Rahmen des internationalen Absatzes aus der Sicht eines inländischen Einzelhandelsbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Abb. 2.12.: Die beschaffungs- und absatzmarktbezogene internationale Interaktion eines inländischen Einzelhandelsunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Abb. 2.13.: Ein Modell zur Erfassung internationaler Interaktion eines Einzelhandelsunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abb. 2.14.: Die internationale Warenbeschaffung von Einzelhandelsbetrieben: Transaktionskostenarten und deren Einflußgrößen aus der Sicht von Auslandsproduzenten . .. . . . . . .. . . .. . .. . . . .. .. .. .. . . .. . . .. . . .. .. . . . . . .. . . . .. . . .. . . .. 152
Abbildungsverzeichnis
17
Abb. 2.15.: Die transaktionskostentheoretische Fundierung des internationalen Markteintritts durch Einzelhandelsbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abb. 2.16.: Der Wirkungszusammenhang zwischen transaktionskostenrelevanten Faktoren und Form des internationalen Markteintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Abb. 2.17.: Die netzwerktheoretische Fundierung internationaler Marketingstrategien . 192 Abb. 2.18.: Die Elemente der Wertkette eines Einzelhandelsbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Abb. 2.19.: Die Internationalisierung im Einzelhandel im Lichte von Porters Diamanten-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Abb. 2.20.: Die Internationalisierung des Einzelhandels im Lichte des Strategie FitApproach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Abb. 3.1.:
Die derzeitige und zukünftige Bedeutung einzelner Regionen der Welt als Absatzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Abb. 3.2.:
Der Einfluß der europäischen Integration auf den Einzelhandel . . . . . . . . . . . 265
Abb. 3.3.:
Die Entwicklung des Index der Produzentenpreise (1985 = 100) . . . . . . . . . . 273
Abb. 3.4.:
Das Lebenszyklusstadium wichtiger Betriebstypen des Einzelhandels zu Beginn der 90er Jahre in den EU-Ländern.. . . ... .. . ................ . ... . .. 281
Abb. 3.5.:
Die Anzahl der nur in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich sowie der in beiden Ländern geführten Artikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
Abb. 3.6.:
Der Stellenwert personalpolitischer Probleme aus der Sicht europäischer Handelsmanager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
Abb. 3.7.:
Die Qualifikation von Managern aus verschiedenen westeuropäischen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
Abb. 3.8.:
Das Mobilitätsprofil europäischer Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
Abb. 3.9.:
Antriebsfaktoren der grenzüberschreitenden Expansion auf seiten des Absatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
Abb. 3.10.: Merkmale zur Typisierung international tätiger Beschaffungskooperationen ..................... . . . ....................... . ...... .. ............... 350 Abb. 3.11.: Die Bedeutung institutioneller Arrangements des Eintritts in Auslandsmärkte .. . . . . . ........ .. . . . . .... ... ... .. . ... . .. . . .. . .. .. . ..... . ...... . ... . . 379 Abb. 3.12.: Der Grad der länderspezifischen Differenzierung von Instrumenten des Absatzmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Abb. 3.13.: Kriterien zur Differenzierung von Handelsmarkenstrategien . . . .... . . . .. .. . 397 Abb. 3.14.: Der Zusammenhang zwischen Umsatzrendite und Anteil des Handelsmarkenumsatzes am Gesamtumsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Abb. 3.15.: Der Marktanteil von Handelsmarken und den fünf größten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in ausgewählten europäischen Ländern (Stand 1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 2 Lingenfelder
18
Abbildungsverzeichnis
Abbo 3ol6o: Ein Suchraster für die Identifikation warengruppenspezifischer internationaler Handelsmarkenstrategien 0000000000000000000000000000000000000000000 408 Abbo 30170: Eine modulare grenzüberschreitende Sortimentsbildung eines Monobetriebstypenunternehmens am Beispiel von vier Ländern 00ooooooooo0000o0 412 Abbo 30180: Determinanten und Entscheidungsebenen der europäischen Preis- und Sonderangebotspolitik im Überblick 00000000000000000000000000000000000000 421 Abbo 30190: Die länderspezifische Gestaltung eines Verkaufsraums für Backwaren 0000 423 Abbo 30200: Die Positionierung von Anbietern aus der Sicht französischer Konsumenten Ooo 0000 00ooo o0000000000000 0000 0000000 0000000000000 0000000 0000 00000000000 427 Abbo 3021.: Das Image des deutschen und französischen Lebensmitteleinzelhandels im Urteil französischer Verbraucher 000000000000000000000000000000000000000000 429 Abbo 30220: Das Image von in Frankreich tätigen Hard discount-Betrieben und des deutschen Lebensmitteleinzelhandels aus der Sicht französischer Verbraucher 0000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000 431 Abbo 30230: Die Wirkung des Country of origin-Effekts auf Image und ökonomischen Erfolg eines Anbieters im französischen Lebensmitteleinzelhandel 00000000 433 Abbo 30240: Konsequenzen der Internationalisierung für den Lebensmittelhandel 0000000 440 Abbo 30250: Probleme einer grenzüberschreitenden Absatzpolitik 0000000000000000000000 443 Abbo 30260: Ein Entscheidungsraster für die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie im Einzelhandel 0 000 0000 000000 000 0000 000 0 0000 00 450 00
00
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1. Kapitel
Die Bearbeitung des europäischen Marktes als Herausforderung für den Einzelhandel 1. Die Relevanz der Internationalisierung im Einzelhandel in Wissenschaft und Praxis Lange Zeit herrschte bei Wissenschaftlern und Unternehmensvertretern die Meinung vor, daß sich der Einzelhandel mit der strategischen Option, die Geschäftstätigkeit über Ländergrenzen hinaus auszuweiten, überhaupt nicht oder nur am Rande auseinanderzusetzen bräuchte bzw. sollte. Nieschlag, der der Nestor der modernen deutschen Handelsbetriebslehre war, schreibt demgegenüber bereits 1980 (mit seinem Koautor Kuhn): 1 "Gewiß gibt es bisher - soweit bekannt geworden - noch nicht allzu viele Beispiele für Aktivitäten dieser Art (gemeint sind u.a. internationale Kapitalbeteiligung von Binnenhandelsunternehmungen, der Erwerb ausländischer Betriebe, die Errichtung eigener Filialen im Ausland, Anm. d. Verf.) . ... wahrscheinlich muß damit gerechnet werden, daß sie künftig zunehmen." Ursachen dafür können den Autoren zufolge sein: - Marktsättigung im Inland, - administrative Beschränkungen im Binnenmarkt, - mangelnde Ertragsaussichten im Heimmarkt, - Wahrnehmung von Marktchancen im Ausland, - Verteilung des Geschäftsrisikos auf mehrere Länder, - Nutzung von Know-how und - eine wechselkursbedingte Anlagestrategie. Nieschlag prophezeite schon zum damaligen Zeitpunkt die Zunahme der Internationalisierung im institutionellen Handel und vermutete ein dadurch bedingtes Ansteigen der Konzentration. In den Folgejahren griff jedoch niemand diesen Faden auf.
Auch bei der immer noch schwelenden Diskussion über die Konsequenzen des Europäischen Binnenmarktes spielte der institutionelle Handel, zumindest anfangI
2*
Nieschlag/Kuhn (1980), S. 57.
20
1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
lieh, keine Rolle. Man war in Theorie und Praxis weitgehend der Auffassung, daß sich für diesen Wirtschaftszweig aufgrund des Gemeinsamen Marktes nichts ändern wird. 2 Ohne an dieser Stelle einen vollständigen Überblick über die Gründe für diese Zurückhaltung geben zu wollen, erscheint es für die Schaffung eines Bezugsrahmens und die Begründung der Vorgehensweise in der vorliegenden Untersuchung wichtig, auf einige in diesem Kontext vorgebrachte Argumente kurz einzugehen. Auf seiten der Wissenschaft mag die Fokussierung von Lehre und Forschung auf industriespezifische Belange im Kontext der Internationalisierungsdebatte ursächlich für das Defizit an wissenschaftlichen Publikationen zu der uns interessierenden Materie bis Ende der 80er Jahre sein? Die generelle Geringschätzung des institutionellen Handels als Forschungsobjekt hat diese Tendenz sicher noch verstärkt. In den 60er und 70er Jahren finden sich Studien, die den institutionellen Handel in Europa vergleichend hinsichtlich bestimmter Kriterien (z. B. Produktivität, Betriebstypenstruktur) analysieren. 4 Diese Arbeiten wurden durch die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 und die damit einhergehende Verflechtung der (west-)europäischen Wirtschaft angeregt. Da die Bildung eines Gemeinsamen Marktes aufgrund verschiedener Beschränkungen5 rasch ins Stocken geriet und Handelsbetriebe, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. 1. Kapitel, Abschn. 2.), wenig Interesse an der Internationalisierung gezeigt haben, war jenen Werken lediglich relativ kurze Zeit Beachtung beschieden.
Es läßt sich feststellen, daß die Beschäftigung mit Fragen der Handelsbetriebslehre, zumindest im deutschsprachigen Raum, etwa seit 1970 in den Hintergrund der universitären Lehre und Forschung gerückt ist. Von den, bezogen auf 1994, ca. 60 Ordinarien für Marketing/Handel/Absatz, die dem Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft angehören, befassen sich nur ungefähr zehn schwerpunktmäßig mit Problemen des institutionellen Handels. 6 Wie Gümbel bemerkt, könnte dies aus einem "allfälligen Mangel am Sozialprestige des Handels herrühren".7 z Vgl. hierzu Ahlert/Schröder (1990), S. 57 f., die diese Schlußfolgerung widerlegen. Das Werk von Hollander (1970) stellt diesbezüglich eine Ausnahme dar. 4 Vgl. z. B. Batzer/Geml/Greipl (1971); Batzer/Greipl/Laumer (1971); Batzer/Greipll Meyerhöfer/Würl (1974); Dunn (1962), S. 19ff.; Knee (1968), S. 13ff.; Laumer (1970); Tietz!Mähl (1972). In Nr. 18 und Nr. 19 der Blätter für Genossenschaftswesen finden sich 1961 Berichte über die belgische, britische, französische, niederländische, schwedische und schweizerische Handelsstruktur. Stellvertretend für die eher makroökonomisch ausgerichtete Comparative Retailing-Literatur der 60er und 70er Jahre sei auf Arndt (1972), S. 40ff., und Cundiff (1965), S. 59 ff., verwiesen. Eine vergleichende Analyse des Großhandels in 15 Ländern findet sich bei Barteis (1963). 5 Vgl. hierzu Issing/Gerhardt (1992), S. 43. 6 Vgl. Müller-Hagedom (1992), S. 39. 7 Gümbel (1985), S. 5 (Vorwort). Auch Woll (1964) reklamiert in seinem Vorwort, daß Nationalökonomen am Binnenhandel zu geringes Interesse zeigen. 3
1. Relevanz der Internationalisierung im Einzelhandel
21
Angesichts der Entstehungsgeschichte der modernen Betriebswirtschaftslehre, die bekanntlich an der Schwelle dieses Jahrhunderts in den Handelshochschulen ihre Keimzelle fand, verwundert die Vernachlässigung des hier interessierenden Wirtschaftszweiges. 8 Die Hinwendung zum (Konsumgüter-)Marketing und damit auch zu außerhalb der traditionellen Betriebswirtschafts- bzw. Absatzwirtschaftslehre stehenden Wissenschaftsdisziplinen (z. B. Psychologie, Statistik, Informatik) wird vielleicht auch dadurch erklärbar, daß die Handelsbetriebslehre seit jeher vollauf damit beschäftigt war, den sich rasch und teilweise stürmisch wandelnden Wirtschaftszweig deskriptiv zu erfassen und die in der Realität beobachteten Phänomene ex post zu erklären.9 Weiterhin fallt auf, daß in nahezu allen bislang vorliegenden Standardwerken zur Internationalisierung bzw. zum Internationalen Management der institutionelle Handel, wenn überhaupt, dann lediglich in seiner Rolle als Absatzmittler für grenzüberschreitende Aktivitäten von Industrieunternehmen thematisiert wird. Eine der im Rahmen dieser Arbeit noch zu erörternden Rolle von Handelsunternehmen gerecht werdende Diskussion fehlt dort meist vollkommen. Als Beleg hierfür soll das Handwörterbuch "Export und Internationale Unternehmung" herangezogen werden. 10 Dieses kann mit Recht für sich in Anspruch nehmen, den State of the art wiederzugeben. Kein Wunder daher, wenn es auf den Schreibtisch " ... eines jeden mit Internationalisierungsproblemen befaßten Entscheiders in Industrie, Banken, Versicherungen, Behörden, Verbänden, Beratungsgesellschaften und Anwaltkanzleien ..." gehört. 11 Jedoch findet sich darin kein eigenständiger Beitrag über die Internationalisierung im Handel. Und auch im Sachregister tauchen die Begriffe "Einzelhandel" und "Großhandel" nicht auf. Auf seiten der Handelspraxis wurden systematisch betriebene Auslandsengagements lange Zeit mit großer Skepsis beurteilt. Ohne an dieser Stelle die Ursachen hierfür einer detaillierten Bewertung unterziehen zu wollen, 12 scheinen dafür vor allem zwei Gründe maßgeblich zu sein: - Defizite von Handelsunternehmen in bezug auf Gestaltung und Implementierung einer effizienten strategischen Planung. 13 Das Fehlen einer gründlichen strategischen Planung führt im Auslandsgeschäft fraglos zu einem hohen Scheiterrisiko. Darüber hinaus werden die Chancen eis Unter Handel wurde jede mit Produktion und Verbrauch verbundene ökonomische Aktivität verstanden. Zur geschichtlichen Entwicklung der Handelswissenschaft vgl. Sundhoff (199l),S.l3ff. 9 Vgl. Leitherer (1961), der die Geschichte der handels-und absatzwirtschaftlichen Literatur analysiert. Siehe hierzu auch Weber (1914). Zum wissenschaftlichen Stellenwert der Deskription im Handel vgl. Gümbel (1985), S. 47 ff. 1o Macharzina!Welge (1989). 11 So lautet die Zielgruppendefinition für dieses Buch. Macharzina!Welge (1989), S. V. 12 Vgl. hierzu die Ausführungen im 3. Kapitel, Abschn. I., dieser Arbeit. 13 Vgl. Berekoven (1990), S. 409; Drexel (1983), S. 182.
22
l. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
ner Internationalisierung dann nicht oder zu spät erkannt, wenn die geographische Markterweiterung nicht ernsthaft in das Planungs- und Entscheidungskalkül einbezogen wird. 14 Die Wahrscheinlichkeit dafür wächst, je weniger in einem Handelsunternehmen strategische Planung betrieben wird. - Vorhandene Marktsituation Die heterogene, regional bzw. national vorhandene Nachfrage- und Präferenzstruktur führte dazu, daß im Handel die Erkenntnis "all business is local" die Geschäftsaktivität beherrschte. 15 Erst im Zuge des Erfolgs von international agierenden Franchiseunternehmen (z. B. McDonalds, Benetton) wurde deutlich, daß es gelingen kann, Betriebstypen zu entwickeln, die in mehreren Ländern trotz der dort vorhandenen unterschiedlichen Marktsituation gleichermaßen erfolgreich sein können. Darüber hinaus sind erst infolge starker Konzentrationstendenzen Anbieter zu einer Größenordnung herangewachsen, die eine Multiplikation von Betriebstypen über Ländergrenzen hinweg oder eine Beteiligungs- und Akquisitionsstrategie überhaupt erst möglich macht. 16 Die Zersplitterung der Anbieterstruktur und ein wachsendes inländisches Marktpotential haben in der Vergangenheit in Europa zweifellos zu einer übermäßigen Konzentration auf den Inlandsmarkt geführt. Wer indessen die Praxis seit Mitte der 80er Jahre genauer beobachtet hat, wird feststellen, daß das "going international" seitdem einen nachhaltigen Auftrieb erhielt. Einen adäquaten Reflex in Theorie und Literatur fand dieses Phänomen jedoch noch nicht. 17 Von daher erscheint es reizvoll, sich mit der Internationalisierung im institutionellen Handel eingehend auseinanderzusetzen. Bevor die im Rahmen dieser Arbeit verfolgte Forschungskonzeption konkretisiert werden kann, wollen wir in einem historischen Abriß klären, welchen Stellenwert die grenzüberschreitende Tätigkeit im Einzelhandel in einzelnen handelsgeschichtlichen Entwicklungsphasen gehabt hat. Dadurch wird es möglich, die praxeologische Relevanz und den Neuheitscharakter der Internationalisierungsstrategie im Einzelhandel zu beurteilen. Unter Einzelhandel sind dabei jene Institutionen zu verstehen, deren wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend der Beschaffung von Waren und der in der Regel unveränderten Weitergabe (Absatz) dieser Leistungen an Letztverbraucher gewidmet ist. 18 Auch die Internationalisierung wird zunächst bewußt weit 14 Im Beschaffungsbereich wäre dies z. B. dann der Fall, wenn die sich nach dem Zusammenbruch des Ostblocks bietende Chance, kostengünstige Beschaffungsquellen in jenen Ländern zu erschließen, nicht systematisch genützt würde. 1s Vgl. Berekoven (1990), S. 431. 16 Vgl. Patt (1990), S. ll9. 17 Vgl. Dichtl/Lingenfelder/Müller (1991), S. 1023 ff. 18 Dieser institutionelle Blickwinkel wird an späterer Stelle (1. Kapitel, Abschn. 4.) weiter verengt.
2. Grenzüberschreitende Tätigkeit des Einzelhandels
23
gefaßt, und zwar als jede Transaktion über Ländergrenzen hinweg, unabhängig davon, ob es sich dabei um Ware, Kapital oder Informationen handelt. 19 Dadurch soll ein möglichst breiter Einblick in die historische Dimension des hier interessierenden Problemfelds geboten werden.
2. Die grenzüberschreitende Tätigkeit des Einzelhandels in verschiedenen handelsgeschichtlichen Entwicklungsphasen In Anlehnung an die entsprechende Literatur erscheint es zweckmäßig, die Geschichte des institutionellen Handels in der Neuzeit in vier Abschnitte einzuteilen:20 Phase 1: Herausbildung von Fern- und Klein- bzw. Detailhandel bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Phase 2: Wandlung des Klein- bzw. Detailhandels bis zum Ersten Weltkrieg Phase 3: Beeinträchtigung der Entwicklung des Einzelhandels bis Anfang der 50er Jahre Phase 4: Differenzierung der Einzelhandelsstruktur bis zur Mitte der 80er Jahre Im folgenden steht nun die Klärung der Fragen im Vordergrund, ob und inwieweit der Einzelhandel in der Vergangenheit grenzüberschreitend tätig war. Wenn dabei die letzten zehn Jahre (1986-1995) aus der Diskussion fast vollkommen ausgeklammert werden, so deshalb, weil die in diesem Zeitraum realisierten grenzüberschreitenden Aktivitäten im 3. Kapitel dieser Untersuchung detailliert analysiert werden. Notgedrungen muß der nach den genannten vier Phasen differenzierte historische Rekurs an der Oberfläche verharren.2 1 Jedoch erscheint es für die vorliegende Themenstellung wichtig, die Internationalisierung im Einzelhandel in ihren wesentlichen Entwicklungsstufen in den geschichtlichen Kontext einzubinden ; denn vor diesem Hintergrund werden möglicherweise manche heutzutage von Entscheidungsträgern im Handel für eine Ablehnung der Internationalisierung genannte Motive gleichermaßen verständlich wie die Bevorzugung bestimmter Formen der Internationalisierung. 22
19 Vgl. hierzu Segler (1986), S. !Of. Wenn im Rahmen der nachfolgenden Diskussion die deutsche Sichtweise dominiert, so liegt das u.a. an der mangelnden Verfügbarkeil von entsprechenden Quellen für andere Länder. 2o Für die hier vorgenommene Phaseneinteilung sprechen sowohl die Literatur zur Geschichte des Handels (vgl. z. B. Berekoven (1986); Gartmayr/Mundorf (1970); Sedillot ( 1966)) als auch das Auftreten bestimmter Formen einer Internationalisierung. 21 Benson/Shaw (1992) diskutieren in ihrem Reader wichtige Facetten der evolutorischen Entwicklung des Einzelhandels in Deutschland, Großbritannien und Kanada zwischen 1800 und 1914. 22 Vgl. hierzu 3. Kapitel, Abschn. 1.2., dieser Arbeit.
24
1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
2.1. Die Herausbildung von Fern- und Klein- bzw. Detailhandel bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Mit dem Übergang von der geschlossenen Hauswirtschaft zur arbeitsteiligen Wirtschaft war der Weg geebnet für das Entstehen von Institutionen, welche die in räumlicher, quantitativer, qualitativer, zeitlicher und sortimentsmäßiger Hinsicht bestehenden Spannungen zwischen den Sphären Produktion und Konsumtion überbrücken helfen. 23 Wie Berekoven feststellt, stand die wohl älteste Form des Einzelhandels, das Hausiergewerbe, im Schatten des sog. Fernhandels. Diesen würde man heute als Ex- und Importgroßhandel bezeichnen. 24 Den Fernhändlern, die man schlicht "Kaufmann" nannte, wurden zahlreiche Privilegien zuteil (z. B. Monopolrechte, Recht zur eigenverantwortlichen Nutzung von Ländereien bzw. Kolonien), um sie zur Ansiedlung in einer Stadt, finanziellen Unterstützung der Regierenden etc. zu bewegen. Überall dort, wo Fernhandelsbetriebe Handelsstützpunkte errichteten, war der Wohlstand (zumindest für die herrschende Klasse) über Jahrzehnte hinweg gesichert.
Mit dem Aufkommen von Wochen-, Jahrmärkten und Messen strebten im Mittelalter Städte danach, die Einwohner durch ein sog. seßhaftes Gewerbe und nicht länger durch umherwandemde Hausierer zu versorgen. 25 Die Entstehung des Gilde-, Zunft- und Gewerbewesens erlaubte die Gründung einer Krämergilde bzw. zunft, deren Mitgliedschaft Voraussetzung dafür war, daß man einen Verkaufsstand oder eine Bude errichten bzw. einen Laden in der betreffenden Stadt führen durfte. 26 Die Krämer stellten somit die mittelalterlichen Vorläufer des stationären Einzelhandels dar. Ihre Hauptkonkurrenten waren Handwerker, die auch Handelsgeschäfte tätigten, nicht zunftfähige Höker und nicht in der Stadt ansässige Händler (z. B. Hausierer, Fernhändler). Höker handelten ursprünglich mit allem, was die Stadtbevölkerung an Waren benötigte und nicht in der Ansiedlung kaufen konnte?7 Sie beschafften die Waren z. B. von Fernhändlern außerhalb der Stadt. Mit zunehmender Verbreitung des Zunftwesens wurden die Höker von den Krämern auf den Handel mit Nahrungsmitteln in sehr kleinen Mengen zurückgedrängt. Sie genossen geringes soziales Prestige, während Krämer angesehene Bürger waren und je nach Ausrichtung ein mehr oder weniger vielfältiges Sortiment anboten. 28
Der Fernhandel erlebte mit der Kolonialisierung und der Gründung von Handelsgesellschaften bzw. Handelscompagnien im 17. Jahrhundert einen gewaltigen Vgl. Barth (1993), S. 1. Vgl. Berekoven (1986), S. 14. Der Begriff "Einzelhandel" bildete sich erst im 19. Jahrhundert heraus. Vorher sprach man von Klein- oder Detailhandel. 2s Vgl. v. Below (1900), S. 4ff.; Sedillot (1966), S. 119ff. Hausierer stellen gemäß der heutigen Terminologie den Vorläufer des ambulanten Handels dar. 26 Vgl. v. Below (1900), S. 14ff. 21 Vgl. Bohner (1954), S. 12. 28 Vgl. Berekoven (1986), S. 20f. 23
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Aufschwung.Z9 Die Epoche des Merkantilismus führte zu einem Anstieg des Sozialprestiges des Kaufmanns, und zwar vor allem jenes Typus, der sich im internationalen Warenhandel erfolgreich engagierte. Viele bedeutende Kaufmannsfamilien jener Zeit waren Einzel- und Großhandelsbetriebe, Ex- und Importeure, Spediteure, Reeder sowie Bankiers zugleich (z. B. Fugger, Medici, Welser)? 0 Die im Mittelalter entstandene Gemischtwarenhandlung fächerte sich im 18. Jahrhundert zunehmend in auf bestimmte Warengruppen spezialisierte Geschäfte (z. B. Kolonial-, Manufaktur-, Eisenwarenhandlung) auf?' Auch der seßhafte Detail- bzw. Kleinhandel außerhalb der Städte entstand in dieser Zeit und verdrängte sukzessive den ambulanten Handel. Dieser setzte sich zu jener Zeit im wesentlichen aus Hausierem und Stadt-Land-Pendlern zusammen. Letztere wohnten in ländlichen Gebieten, verkauften auf städtischen Marktveranstaltungen vorwiegend landwirtschaftliche Produkte und versorgten die ländliche Bevölkerung mit Gütern, die sie teilweise auf Bestellung aus der Stadt mitbrachten.
Die für das vorige Jahrhundert kennzeichnende Bevölkerungszunahme, die mit einer Urbanisierung einherging, begünstigte ebenso wie die Industrialisierung und die Verbesserung der Infrastruktur das Wachstum der Anzahl von Einzelhandelsbetrieben. 32 Zunehmend bildete man Sortimente, die nicht länger herkunfts- bzw. produktorientiert, sondern nach Bedarfsgesichtspunkten zusammengestellt waren. Etwa Mitte des 19. Jahrhunderts traten erstmals Fachgeschäfte und Großbetriebsformen des Einzelhandels auf (Warenhäuser). Als Folge der mit der Industrialisierung verbundenen gravierenden sozialen Probleme formierten sich Arbeiterbewegungen, die Einrichtungen der Verbraucher-Selbsthilfe ins Leben riefen, die sog. Konsum- oder Verbrauchergenossenschaften. 33 Der traditionelle Klein- bzw. Detailhandel, der hinsichtlich seiner Struktur Jahrhunderte im wesentlichen unverändert überdauert hat, wandelte sich aufgrund dieser hier nur angedeuteten Faktoren vollkommen. 34 Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Einkaufszusammenschlüsse gebildet, und zwar zunächst im Handwerk. 1887 folgte die Gründung der hadeka, der ersten Einkaufsgenossenschaft im Textilhandel, und 1888 wurden die Wareneinkaufsvereine für Kolonialwareneinzelhändler ins Leben gerufen. Letztere bildeten die Keimzellen für das Entstehen von Edeka und REWE.35 Vgl. v. Below (1900), S. 8 ff.; Sedillot (1966), S. 209 ff. Vgl. Gartmayr/Mundorf (1970), S. 54ff. Darüber hinaus besaßen diese Familien häufig zahlreiche Produktionsbetriebe bzw. Manufakturen. 31 Vgl. Gartmayr/Mundorf (1970), S. 59ff. 32 Vgl. Nieschlag (1953), S. 5 ff. 33 Vgl. Rasselmann (1971), S. 11 ff. und S. 14ff. 34 Vgl. Gartmayr/Mundorf (1970), S. 94. Lampert (1956) untersucht detailliert die Ursachen des Strukturwandels im Einzelhandel. 35 Vgl. hierzu Zentralverband gewerblicher Verbundgruppen (o.J.), S. 4. 29
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In dieser handelsgeschichtlichen Entwicklungsphase tätigte der Einzelhandel faktisch keine grenzüberschreitenden Geschäfte, wenn man von denjenigen Fernhändlern absieht, die zugleich in verschiedenen Ländern Einzelhandelsbetriebe unterhielten. 36 Die Fernhändler hatten jedoch großen Einfluß auf die Tatigkeit des Kleinhandels, da sie sozusagen als Informationsbroker dafür sorgten, daß Neuerungen, deren sie in verschiedenen Auslandsmärkten gewahr wurden (z. B. neuartige Waren; Innovationen hinsichtlich der Kreditierung, der Führung und des Betätigungsfeldes eines Handelsbetriebs), ins Inland diffundierten?7 Diese Funktion als Informationslieferant kam insbesondere jenen Außengroßhändlern zu, die über mehrere Stützpunkte im In- und Ausland verfügten und denen in den einzelnen Ländern das Recht auf Führung eines oder mehrerer stationärer Einzelhandelsbetriebe zugestanden wurde. 38 Eine weitere Ausnahme bildeten einzelne Detailhandelsbetriebe, die im Auftrag ihrer Klientel regelmäßig oder gelegentlich Waren aus dem Ausland besorgten. Angesichts der schlechten Infrastruktur war eine solche international ausgerichtete Beschaffung, die auf die Ausschaltung des Fernhandels abzielte, notwendigerweise zumeist auf hochwertige Waren und Nachbarstaaten beschränkt.39 Manche dieser Betriebe schickten an ihre Kunden schriftliche Verzeichnisse der angebotenen Waren und lieferten nach Eingang der Kundenorder die bestellten Artikel aus. Sie stellen daher Vorläufer von Versandhandelsunternehmen dar.40
2.2. Die Wandlung des Klein- bzw. Detailhandels bis zum Ersten Weltkrieg Einen nachhaltigen Impuls für die Veränderung des Klein- und Detailhandels zu einem modernen und effizienten Distributionssystem gab das Auflcommen von Warenhäusern, die in Frankreich und den USA Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden.41 Es hat immerhin rund 40 Jahre gedauert, bis dieser Betriebstyp von Leonhard, Oskar sowie Hermann Tietz und Rudolph Karstadt erstmals in Deutsche land realisiert wurde.42 Der weltweite Siegeszug des Warenhauses führte u.a. zu Vgl. v. Below (1900), S. 47; Gaiz (1949), S. 62 und S. 71 f. Vgl. Bauer (1982), S. 91 ff. 38 V gl. v. Below ( 1900), S. 25 f. Dieses Recht zählte beispielsweise zu den hanseatischen Privilegien. 39 Vgl. Gartmayr/Mundorf (1970), S. 56f.; Gatz (1949), S. 76 f. 40 Vgl. Berekoven (1986}, S. 25. 41 Vgl. Hirsch (1910), S. 17ff.; Hollander(1970), S. 20; Nieschlag/Kuhn (1980), S. 106 f.; Rubens (1929), S. 5 ff. 42 Vgl. Tietz (1992a}, S. 284, Fußnote 4. Bei Hirsch (1910), S. 19ff., findet sich ein genauer Überblick über die Entwicklung der Warenhäuser in Deutschland. 36
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Reglementierung, die das Vordringen von Großbetriebsformen des Einzelhandels (Warenhäuser und Großfilialbetriebe) verhindem sollte. Den Kulminationspunkt dieser Auseinandersetzungen in Deutschland bildete die Einführung einer umsatzbezogenen Sondersteuer in den 30er Jahren. 43 Zeitlich fast parallel zur Warenhausentwicklung kam es in den USA44 und in Belgien sowie Frankreich45 zur Filialisierung. Den systembedingten Nachteil, der in der Ersetzung des eigenverantwortlichen Geschäftsinhabers durch angestellte Filialleiter bestand, versuchte man durch entsprechende Führungs- und Steuerungsmechanismen zu kompensieren. Die Erschließung der dem Filialisierungssystem innewohnenden Vorteile sicherte dieser Geschäftskonzeption Marktanteilszuwächse bis zur Gegenwart. Einkaufskonzentration und damit bessere Beschaffungskonditionen, Senkung der Lagerhaltungskasten und des Lagerrisikos infolge der Möglichkeit einer Zentrallagerung und eines Warenaustausches zwischen Filialen, hoher Bekanntheitsgrad durch Einheitlichkeit im Marktauftritt (Ladengestaltung, Sortiment, Werbung etc.) und Lerneffekte stellen wohl die entscheidenden Vorteile von Filialsystemen im Vergleich zu nichtfilialisierten Einzelhandelsbetrieben dar.46 In Deutschland war Kaisers Kaffeegeschiift seit etwa 1885 Vorreiter der Entwicklung.47
Beide Neuerungen (Warenhauskonzeption und Filialisierung) verknüpfend wagte Leonhard T!etz bald nach der Jahrhundertwende den Schritt über Ländergrenzen, indem er in Antwerpen, Brüssel, Lüttich, Mechelen und St. Nicolas Warenhausfilialen eröffnete. 48 Zuvor, etwa 1870, führten französische Warenhausbetreiber diesen Betriebstyp in den Niederlanden ein und englische Unternehmen engagierten sich u.a. in Australien. Belgisehe Warenhausunternehmen investierten in Standorte in Spanien, nämlich in Madrid und Barcelona.49 Auch im Bereich von Lebensmitteln sowie Textilien und Beldeidung bildeten sich länderübergreifende Filialkonzepte heraus. Als Beispiele hierfür mögen die Aktivitäten von Thomas Lipton, der Anfang des Jahrhunderts über Outlets in Großbritannien, den USA, Deutschland, Frankreich und Australien sowie über ein voll integriertes Produktions- und Handelskonzept bei Kaffee, Tee und Wein verfügte, und von C & A dienen, das 1911 von den Niederlanden aus nach Deutschland vorstieß.5°
Wie Hollander berichtet, war für diese Direktinvestitionen der immer besser und schneller in Gang gekomrnene grenzüberschreitende Erfahrungsaustausch ver43 Vgl. hierzu Rubens (1929) und Baer (1932), wobei letzterer auch die im Ausland vorhandenen Gesetze, die gegen Großbetriebsformen gerichtet waren, diskutiert. 44 Vgl. Stdillot (1966), S. 303 f. 45 Vgl. Berekoven (1986), S. 44ff. 46 Vgl. Berekoven (1986), S. 45. 47 Vgl. Gartmayr/Mundorf(l970), S. 144. 48 Vgl. Hirsch (1910), S. 23. 49 Vgl. Hollander (1970), S. 21. so Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991), S. 89; Hollander (1970), S. 41 f.
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antwortlich. So unternahmen beispielsweise Mitarbeiter amerikanischer Warenhausunternehmen regelmäßig Reisen nach Paris, um Waren zu ordern und das Vermarktungskonzept der französischen Betriebe genau zu studieren. 51 Erfahrungsaustausch, 52 Warenbeschaffung und Errichtung von Filialen wurden somit bereits vor rund einhundert Jahren im Einzelhandel auf internationaler Ebene praktiziert. Eine ähnlich verlaufende internationale Diffusion eines neuartigen Betriebstyps erlebte das Einheitspreisgeschäft, das erstmalig von Frank Woolworth in den USA 1880 realisiert wurde. 5 3 Als Reaktion auf das Angebot von Warenhäusern war dieser in der Lage, durch Direktbezug bei den Herstellern und Einsparung von Verkaufspersonal Waren mit einer hohen Umschlagsgeschwindigkeit zu einem einheitlichen Preis von fünf oder zehn Cents anzubieten. Bereits 1907 expandierte Woolworth nach Kanada. Die Erschließung von Großbritannien und Deutschland folgte wenig später.54 Woolworth kann man daher mit Fug und Recht als erstes auf internationalen Absatzmärkten operierendes großflächiges Discountsystem bezeichnen. Imitatoren dieses Konzepts traten vor allem in den 20er Jahren auf, wo die Einheitspreisgeschäfte angesichts der damaligen Weltwirtschaftskrise ein stürmisches Wachstum erlebten. 55
Um die nachteiligen Folgen der Industrialisierung für weite Teile der Bevölkerung abzufedern, fand eine Idee in Europa fruchtbaren Boden, die 1844 in Rochdale geboren wurde: die Gründung von Verbrauchergenossenschaften.56 Deren Hauptzweck bestand darin, den in Not und Elend lebenden Arbeiterfamilien eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen. Dazu errichtete die Genossenschaft u.a. Läden für den Verkauf von Lebensmitteln, Kleidung etc., in denen auch wegen der sog. Rückvergütungspolitik ausschließlich Genossen preisgünstiger als anderswo einkaufen konnten. 57 Dazu mußten Einkaufsvereinigungen gegründet werden, die den angeschlossenen, damals regional tätigen Konsum- bzw. Verbrauchergenossenschaften kostengünstige Bezugsquellen erschlossen und den Einkauf organisierten. In Deutschland Vgl. Hollander (1970), S. 20 f. Dieser bestand vorwiegend darin, erfolgreiche Handelskonzepte, die man im Ausland beobachten konnte, mehr oder weniger unverändert auf den Heimatmarkt zu übertragen. Eine Institutionalisierung des Erfahrungsaustausches in Gestalt von internationalen Kooperationen, Verbänden etc. existierte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. 53 Vgl. Berekoven (1986), S. 59. 54 Vgl. Hollander (1970), S. 27. In Deutschland wurden die Waren 1927 zu 25 oder 50 Pfennigen angeboten. Vgl. Berekoven (1986), S. 60, der den Zeitpunkt der ersten Filialeröffnung in Deutschland auf 1927 datiert. 55 Vgl. Nieschlag/Kuhn (1980), S. 150f. Einheits- bzw. Kleinpreisgeschäfte wurden in Deutschland vor allem durch Warenhausunternehmen gegründet. 56 Vgl. Hasselmann (1971), S. 13ff. 57 Das Recht, auch Nichtmitgliedern Waren verkaufen zu dürfen, wurde in einzelnen Ländern im Laufe der Zeit unterschiedlich gehandhabt. Vgl. Hasselmann ( 1971 ). 51
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wurden diese Einkaufsvereinigungen 1894 in der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine (GEG) zusammengefaßt. 58 Zur Abwehr der stark expandierenden Warenhäuser, Filialbetriebe und Konsumgenossenschaften formierten sich auch im mittelständischen Einzelhandel Einkaufsvereinigungen, so z. B. der Verband deutscher kaufmännischer Einkaufsvereine im Jahr 1907, der seit 1921 unter dem Namen Edeka firrniert. 59 Um günstig Markenware beschaffen zu können, mußten auch Lebensmittelfilialbetriebe Einkaufsvolumina bündeln. In Deutschland geschah dies bereits 1913 durch die Bildung der Großeinkauf Deutscher Lebensmittelfilialbetriebe (Gedelfi). 60 Der Aktionsradius der angesprochenen unternehmensübergreifenden Beschaffungsinstitutionen beschränkte sich vornehmlich auf das Inland. Es wurde teilweise versucht, aufgrund eines Belieferungsboykotts der Industrie Rückwärtsintegration zu betreiben und Handelsmarken anzubieten. 61 Vor dem Hintergrund des Auftretens preisaggressiver Großbetriebsformen im Einzelhandel (Warenhäuser, Filialbetriebe) bauten manche Hersteller (z. B. Singer, Pfaff, Württembergische Metallwarenfabrik, Rosenthal, Salamander) ihre Vertriebssysteme aus und transferierten ihre Vertragshändler- sowie Franchisekonzepte in das Ausland. Diese Entwicklung war damals vor allem in relativ hochpreisigen Warenbereichen zu beobachten (z. B. Nähmaschinen, Porzellan, Kosmetik, Uhren, exklusive Bekleidung).62 Franchising wurde erstmals etwa 1860 von der Singer Sewing Machine Corporation als sog. Produkt-Vertriebsfranchising in den USA realisiert. Erst ca. 1950 etablierten sich die heutzutage üblichen umfangreichen Systemfranchisingforrnen. Führend in dem Bestreben, Franchisesysteme zu internationalisieren, waren US-amerikanische Unternehmen aus den Bereichen Gastronomie, Hotellerie, Autovermietung und Reinigungsservice. In Europa gelang vor allem französischen Unternehmen die erfolgreiche Nutzung von Franchising als Exportstrategie.63
Zusammenfassend betrachtet ist somit festzuhalten, daß in dieser handelsgeschichtlichen Entwicklungsphase nicht nur wesentliche Anstöße für die Herausbildung einer modernen Distributionsstruktur, sondern auch vielfältige Ansätze der Internationalisierung im Einzelhandel zu beobachten waren. Dabei handelte es sich im wesentlichen um die Nachahmung von erfolgreichen Handelsaktivitäten im Vgl. Rasselmann (1971), S. 254. Vgl. Gartmayr/Mundorf (1970}, S. 147; Petersen (1975}, S. 4 f. 60 Vgl. Gartmayr/Mundorf (1970}, S. 144f. 61 Vgl. Laumer (1970). Berekoven berichtet von einem Fall, bei dem ein früher Vorläufer eines Warenhauses bereits um 1800 Waren im Ausland beschaffen mußte, weil ihm im Inland die Belieferung verweigert wurde. Vgl. Berekoven (1986), S. 30. 62 Beispielsweise gründete der italienische HerrenausstaUer Cerruti bereits 1881 eine Boutique in Paris. Vgl. Hollander (1970), S. 15 ff. 63 Vgl. Skaupy (1987), S. 1 ff. und S. 181 ff. 58 59
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1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
Ausland, die Filialisierung über Ländergrenzen hinweg und erste, teilweise sporadische Versuche einer internationalen Beschaffung. Bei der Multiplikation bzw. Imitation von Warenhaus- und Einheits- bzw. Kleinpreisgeschäftskonzepten ist festzustellen, daß die jeweiligen Adaptoren versuchten, den landestypischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Beim Warenhaus fand das beispielsweise in einer unterschiedlichen Positionierung (in bezug auf Ladenlayout, Warenvielfalt, Preislage etc.) seinen Niederschlag.64
2.3. Die Beeinträchtigung der Entwicklung des Einzelhandels bis Anfang der 50er Jahre Die beiden Weltkriege und die dazwischenliegende Weltwirtschaftskrise haben insbesondere den Einzelhandel in seiner Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt. Angesichts der ökonomischen Not war der internationale Siegeszug von Einheitsbzw. Kleinpreisgeschäften rückblickend betrachtet nicht weiter verwunderlich. Die Marktanteilsgewinne dieses Betriebstyps in den einzelnen Ländern wurden in starkem Maße durch die Internationalisierungsstrategie von Woolworth hervorgerufen. In den USA entwickelte Michael Cullen 1930 ein Handelskonzept, das im wesentlichen durch niedrige Preise, einfach wirkende Präsentation auf relativ kleiner Fläche, Konzentration auf wenige, schnelldrehende Artikel und Selbstbedienung gekennzeichnet war; der Betriebstyp "Supermarkt" befriedigte den Bedarf der Bevölkerung und fand in den USA rasch Nachahmer.65 Wegen des Zweiten Weltkrieges sollte es jedoch noch 19 Jahre dauern, bis der erste Supermarkt in Deutschland seine Pforten öffnete.66 Wie unschwer zu erkennen ist, hat sich die Zeit für die internationale Diffusion einer Betriebstypeninnovation im Laufe der Entwicklung wesentlich verkürzt: von etwa 40 Jahren bei den Warenhäusern zu den hier genannten 19 Jahren. Diese Verringerung ist u.a. auf die wesentlich bessere internationale Infrastruktur (Verkehrswege, Kommunikationstechnik etc.) zurückzuführen. Die von Davidson/Bates/Bass festgestellten Entwicklungsmuster des institutionellen Wandels im Einzelhandel lassen vermuten, daß für Betriebstypeninnovationen die Spanne zwischen dem Zeitpunkt der Markteinführung und jenem des größten Marktanteils immer kürzer wird. Für die 80er Jahre gehen sie von einem Zeitraum von zehn Jahren aus, bis ein neuer Betriebstyp seine Systemreife erlangt. 67
64 Vgl. hierzu Hirsch (1910), S. 17ff. Die zwischen amerikanischen und französischen Einheitspreisgeschäften bestehenden Unterschiede beschreibt Hollander (1970), S. 27 f. 65 Vgl. Sedillot (1966), S. 341 und S. 346ff. 66 Vgl. Henksmeier (1988), S. 12. 67 Vgl. Davidson/Bates/Bass (1979), S. 51 f. Siehe hierzu auch die Ausführungen im 2. Kapitel, Abschn. 2.2.2.
2. Grenzüberschreitende Tätigkeit des Einzelhandels
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Manchen Filialbetrieben gelang es in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg dennoch, ihren Aktionsradius merklich auszuweiten. Hierzu zählt z. B. die Julius Meinl AG, ein österreichisches Unternehmen, das in Deutschland, Polen, der ehemaligen Tschechoslowakei, Ungarn, dem früheren Jugoslawien, in Rumänien, Bulgarien und Italien über Handelsniederlassungen verfügte. Und im Schuhbereich war es dem, damals tschechoslowakischen, Unternehmen Bata vorbehalten, Fabrikfilialen in mehreren europäischen Ländern zu errichten.68 Schließlich sei an dieser Stelle der Aufbau mehrerer Filialen durch Sears, Roebuck & Co. in verschiedenen südamerikanischen Ländern erwähnt. Dieses Engagement wird von Drucker als Beispiel dafür herangezogen, daß die Etablierung einer modernen Großbetriebsform des Einzelhandels in einem vergleichsweise unterentwickelten Land zur Erzielung von Wohlfahrtseffekten führen kann. 69 Konkret geht es hierbei um die durch die Nachfragemacht eines solchen Großunternehmens ausgelöste Wirkung auf die inländischen Produzenten von Gütern (z. B. Steigerung der Lieferzuverlässigkeit, Verbesserung der Qualität und Produktgestaltung). Weiterhin wird durch die Eröffnung einer modern gestalteten Verkaufsstelle eines Einzelhandelsbetriebes ein Schub ausgelöst, der beispielsweise zur Nachahmung erfolgreicher Verkaufsmethoden durch lokale Wettbewerber führt.
Der Bedeutung für die weitere Entwicklung der Handelsstruktur wegen sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß sich 1932 in den Niederlanden auf Initiative des Großhandels und mittelständischen Einzelhandels die Spar als erste Freiwillige Kette formierte.70 Nach dem Zweiten Weltkrieg expandierte diese Organisation zügig in weitere europäische Länder. Während in den USA bereits Ende des 19. Jahrhunderts Universalversender insbesondere die weit im Lande verstreuten Farmer sowie englische und französische Warenhäuser per Versand vor allem Diplomaten, Militärs und deren Angehörige in den jeweiligen Kolonien mit Waren versorgten, reiften hierzulande erst in den 20er Jahren Versandhandelsunternehmen heran. Diese konzentrierten sich anfanglieh auf Textil- und Kurzwaren, die sie vor allem der Kundschaft in ländlichen Gebieten nahebringen wollten. 71 Insgesamt betrachtet ist festzustellen, daß in dieser Phase verständlicherweise nur wenige Ansatzpunkte und Bestrebungen zu einer Internationalisierung im Einzelhandel zu erkennen sind. Sieht man von der Errichtung von Fabrikfilialen durch Hersteller im Ausland ab, erscheint lediglich das internationale Engagement von Woolworth im Bereich von Einheits- und Kleinpreisgeschäften erwähnenswert.
Vgl. Hollander (1970), S. 42 f. und S. 48 f. Vgl. Drucker (1958), S. 257 f. 70 Siehe hierzu EuroHandelsinstitut e.V. (1993), S. 6 ff. Zum Begriff ,,Freiwillige Kette" vgl. Barth (1993), S. 107f. 71 Vgl. Berekoven (1986), S. 40 und S. 67. 68
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1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
Auch die internationale Beschaffung kam nicht wesentlich voran. Darüber kann auch die Gründung des Nordisk Andelsforbund (NAF) im Jahr 1918 nicht hinwegtäuschen.72 Dieser Organisation gehören Unternehmen aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden (skandinavische Konsumgenossenschaften), Großbritannien und Italien an. Sie sieht ihre wichtigsten Aufgaben in der Bündelung von Einkaufsvolurnina und der Erschließung attraktiver Bezugsquellen. Insofern stellt dieser internationale Verbund den Vorläufer der europäischen Handelskooperationen dar, die sich erst Ende der 80er Jahre in großer Zahl herausgebildet haben.
2.4. Die Veränderung der Einzelhandelsstruktur bis zur Mitte der 80er Jahre Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges galt zunächst der Hauptaugenmerk der Handelspraxis dem Aufbau der im Krieg zerstörten Läden bzw. Filialnetze. Es ist daher kein Wunder, daß bis Anfang der 60er Jahre die Erschließung von Auslandsmärkten nur in Einzelfällen zu beobachten war. 73 Dazu zählt z. B. der Aufbau internationaler Tochtergesellschaften bei der Freiwilligen Kette Spar, die sich von den Niederlanden aus nach Belgien, in die Bundesrepublik Deutschland, nach Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und Spanien ausdehnte. 74 Im Bereich der internationalen Beschaffung, die insgesamt betrachtet nach den Wirren des Krieges wesentlich schneller in Gang kam als die absatzmarktgerichtete länderbezogene Expansionspolitik, ist beispielsweise auf die 1956 gegründete Gedelfi-lmport GmbH, eine Tochtergesellschaft der, wie bereits geschildert, schon 1913 ins Leben gerufenen Gedelfi, zu verweisen. 75 Diese Importgesellschaft hat die Aufgabe, kostengünstige internationale Bezugsquellen für die Mitglieder der Gedelfi zu erschließen. 1989 wurde die Intergroup Trading AG (/GT), das Handelskontor der Internationalen Spar gegründet. Deren Hauptziel besteht darin, Einkaufsvolumina in einzelnen Warengruppen auf internationaler Ebene zu bündeln.76
Der von dem Internationalen Genossenschaftlichen Großeinkaufs-Ausschuß ( 1956 errichtet) europaweit organisierte Einkauf nahm mit der Zeit beträchtlich zu, n Vgl. The Corporate lntelligence Group (1991), S. 17. Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991), S. 3. 74 Ende 1989 gehörten dem internationalen Spar-Verbund 21 Länder mit insgesamt etwa 20.000 Einzelhandelsgeschäften an. Vgl. Schneider ( 1989), S. J 4 ff. 1s Vgl. Gartrnayr/Mundorf (1970), S. 145. 76 Vgl. EuroHandelsinstitut e.V. (1993), S. 22; Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1992), S. 202. 1992 gründeten die großen Einkaufsgesellschaften der nationalen Konsumgenossenschaften in der EU eine Gemeinschaftsorganisation zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die Euro-Coop. 73
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so daß die Konsumgenossenschaften seit Ende der 50er Jahre sowohl ihren Erfahrungsaustausch als auch ihre Beschaffung auf europäische Dimensionen hin ausrichten konnten. 77 1971 wurde dann die lnter-Coop gebildet, die 20 Unternehmen aus 17 Ländern vereinigt. Gemeinsam mit dem bereits erwähnten Nordisk Andelsforbund sollen u.a. - der Einkauf weltweit gebündelt, - Produktionsanlagen besser ausgelastet und Know-how ausgetauscht werden. 78 Von den 32 von Gobbers empirisch untersuchten Genossenschaften aus dem Nichtnahrungsmittelbereich haben immerhin 19 in den 60er und 70er Jahren die Auslandstätigkeit aufgenommen. 79 Maßgebend dafür waren den Befunden zufolge sowohl defensiv (z. B. Erhaltung von Marktanteilen) als auch offensiv ausgerichtete Motive (z. B. Erschließung neuer Märkte, Schaffung einer internationalen Handelsmarke).80 Auch bei Warenhäusern forcierte man die internationale Beschaffung. So sind 1995 z. B. die deutschen Warenhauskonzerne in den für den Import relevanten Mittelmeerländern und in Fernost mit eigenen Niederlassungen vertreten. Der wertmäßige Anteil der von ihnen direkt importierten Erzeugnisse am gesamten Wareneingang betrug 1985 zwischen 10,4 und 17,1 %. Die wichtigsten Lieferländer bildeten damals und sicherlich auch noch heutzutage für hochmodische Produkte Italien und für qualitativ hochwertige Textilien sowie technische Produkte Hongkong, Südkorea und Taiwan. Viele der Eigenmarken der Warenhausunternehmen wurden bzw. werden im Ausland in Kontraktproduktion gefertigt und direkt importiert.s' Bei Karstadt entfielen Mitte der 80er Jahre beispielsweise 65% des Wareneingangswertes bei Textilien, 25 % bei Hartwaren und 10 % bei Lebensmitteln auf Importprodukte, die von insgesamt 3.500 ausländischen Herstellern bezogen wurden. 82 Bei Hertie machten 1992 25 % des Wareneingangswerts Fernostdirektimporte aus. Die betreffenden Produkte werden in speziellen Abteilungen, sog. Minipreisabteilungen, vorwiegend in Form von Partien, d. h. zeitlich begrenzt, angeboten. Insgesamt betrachtet war damit ein Trading down verbunden.83 Die vor Ort tätigen Importgesellschaften sind neben der Warenbeschaffung auch für die Qualitätskontrolle zuständig. Sie bieten ihre Dienstleistungen auch Dritten an, die mit Hilfe dieser Unternehmen ihre Importe abwickeln können.
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78 79
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Vgl. Hasselmann (1971), S. 679f. Vgl. Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1992), S. 202. Vgl. Gobbers (1992), S. 197f. Vgl. Gobbers (1992), S. 101 und S. 107. Vgl. Hungermann (1987), S. 74ff. Vgl. Hungermann (1987), S. 76. Vgl. Tietz (1992a), S. 286.
3 Lingenfelder
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1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
Während deutsche Handelsunternehmen vorwiegend einen günstigen Einkauf zu erreichen suchen, beschreiten japanische Warenhausunternehmen meist einen anderen Weg: Sie betreiben Verkaufsfilialen u.a. in Hongkong, Singapur, Europa (meist in Paris) und den USA. Diese sind in der Regel kleiner als die Outlets in Japan und bilden ein internationales Netzwerk, 84 das sich bei Bedarf relativ leicht und schnell ausbauen läßt. Daneben verfügen die japanischen Warenhausunternehmen auch über Einkaufsbüros in verschiedenen Ländern, wobei hier der Import von Premiummarken und nicht der günstige Einkauf im Vordergrund steht. 85 Während des Zweiten Weltkriegs und zum Teil schon vorher begannen japanische Unternehmen mit der Errichtung von Warenhausfilialen im asiatischen Ausland.86 Da dies vor allem in annektierten Gebieten geschah, sind diese Anbieter in den einzelnen Gastländern meist nicht sonderlich beliebt. Dieser Gesichtspunkt beeinträchtigt die Expansionspolitik von japanischen Warenhäusern in Asien, und zwar insbesondere dann, wenn es nicht gelingt, das Herkunftsland (z. B. durch Bildung von Jointventure) zu verschleiern oder das Ursprungslandimage positiv zu verändern. Aufgrund einer makroökonomischen, den Zeitraum von 1960 bis 1979 erfassenden Untersuchung stellt Conrad fest, daß der Sektor Handel in Japan im Jahr 1979 eine Produktivitätslücke von etwa 10% gegenüber den USA und der Bundesrepublik Deutschland aufweist. 87 Den Befunden zufolge konnte der japanische Handel seine internationale Wettbewerbsposition im Vergleich zu deutschen Betrieben nicht und gegenüber US-amerikanischen Anbietern stetig verbessern.
Tietz schätzt, daß 1992 im westdeutschen Einzelhandel insgesamt fast 50 % des Umsatzes durch Importwaren getätigt wurden.88 Da Handelsunternehmen aus den alten Bundesländern mittlerweile auch die Distribution in Ostdeutschland dominieren, dürfte dieser Wert für die gesamte Bundesrepublik Deutschland gelten. Bei Handelsunternehmen aus anderen europäischen Ländern und den USA hat die internationale Beschaffung in den letzten Jahren ebenso erheblich an Gewicht gewonnen, so daß in den Märkten, die wegen ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit für die weltweite Konsumgüterproduktion immer wichtiger werden (vor allem Südostasien), ein härterer Nachfragewettbewerb entbrennen wird. 89 Hier können Handelsunternehmen nur dann bestehen, wenn sie eine kritische Masse hinsichtlich des Einkaufsvolumens erreichen und in der Lage sind, ein qualifiziertes Beschaffungsmanagement vor Ort aufzubauen. 90 84 Das der englischen Sprache entstammende "network" heißt wörtlich übersetzt eigentlich Netz. In der deutschen Fachliteratur hat sich jedoch Netzwerk eingebürgert, woran im folgenden festgehalten werden soll. 85 Der Importanteil beläuft sich auf 10 bis 20 % des Umsatzes. Vgl. Hungermann (1987), s. 74ff. 86 Vgl. Hungermann (1987), S. 74. 87 Vgl. Conrad (1985), S. 103 und S. 129. 88 Vgl. Tietz (1992a), S. 363. 89 Vgl. Tietz (1992a), S. 579. 90 Vgl. hierzu die Ausführungen im 2. Kapitel, Abschn. 3.1., und 3. Kapitel, Abschn. 2.1.
2. Grenzüberschreitende Tätigkeit des Einzelhandels
35
In den 60er und 70er Jahren wurde der Einzelhandel weltweit durch den Siegeszug der Selbstbedienung und des damit einhergehenden Discountprinzips geprägt. 1961 gab es in Westeuropa etwa 480 Supermärkte, 1967 hingegen bereits über 5.000.91 An der Penetration dieses Betriebstyps in Deutschland waren auch ausländische Unternehmen beteiligt. Eine Tochtergesellschaft der kanadischen WestonGruppe beteiligte sich mit 55 % am Kapital der Deutschen Supermarkt-Handels GmbH, die 1967 156 Supermärkte in 55 Städten mit insgesamt etwa 60.000 m 2 Verkaufsfläche betrieb. 92 Ähnlich rasant verlief die internationale Adaption von großflächigen Betriebstypen, die ihren Standort außerhalb der City, auf der grünen Wiese, hatten. Etwa Mitte der 60er Jahre, d. h. mit einem Time lag von ca. zehn Jahren nach dem Entstehen in den USA, begann der Siegeszug von SB-Warenhäusern bzw. Hypermarches, die eine Verkaufsfläche von teilweise deutlich mehr als 2.500 m2 aufweisen.93 Wie Tab. 1.1. verdeutlicht, besaßen 1986 Schweden, die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz den höchsten Versorgungsgrad mit Großflächenanbietern, was die Verkaufsfläche in m2 je 1.000 Einwohner betrifft. Spanien, Norwegen und Italien bildeten dahingegen die Schlußlichter. Die Übernahme des in den USA kreierten Supermarkts führte hierzulande schnell dazu, daß großflächige diskontierende Betriebstypen, Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser, entwickelt wurden.94 Die Supermarktkonzeption wurde in Europa im Lebensmittelbereich insofern nicht ohne Änderung übernommen, als dessen Promotoren konsequent auf ein kleines Warenangebot und einen niedrigen Preis setzten.95 Die dadurch entstandene, vielfach als Hard discounter bezeichnete Angebotsform ist untrennbar mit dem Namen Aldi verknüpft. Die Gehrüder Albrecht eröffneten 1962 die erste Filiale in Deutschland, expandierten noch in den 60er Jahren nach Österreich (Übernahme des Filialbetriebs Hofer und Umwandlung in einen Hard discounter nach deutschem Vorbild) und erschlossen in den 70er Jahren die Niederlande (1975), Belgien (1976) und Dänemark (1977). 96
Vgl. Gartmayr/Mundorf (1970), S. 153. Die Weston-Gruppe nahm Direktinvestitionen im britischen, irischen und französischen Handel vor. Vgl. Hollander (1970), S. 43. 93 Vgl. Hallier (1988), S. 106. 94 In Frankreich setzten sich die sogenannten Hypermarches durch. 95 Vgl. Henksmeier (1988), S. 35. 96 Vgl. Dawson (1990), S. 80. Anfang der 90er Jahre trat Aldi in den britischen Markt ein. 91
92
3*
36
I. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes Tabelle 1.1.
Die Verbreitung von SB-Warenhäusern in Europa (Stand 1986) Land
Anzahl der Objekte
Verkaufs- Durchschnittliche fläche in Verkaufsfläche 1.000 m• in m• ie Objekt
B
88
540
6.136
5.596
E
952 42 60
226 434
5.878 5.381 7.235
580 432 51 35 67
3.266 1.549 239 147
D DK F
GB I NL A CH N
s
SF
Umsatz pro Verkaufsfliehe in m• pro 1.000 Objekt in Mio.DM Einwohner 36,2 40,1
54,5 91,7
54,3
44,2 11,2
5.631 3.586 4.684 4.200
63,6 65,8 -
59,1 27,6 4,2 10,1
4.851 5.078
14 188
325 457 40 879
2.857 4.676
31,0 61,8 30,8 39,4
33
156
4.727
23,1
42,9 71,7 9,6 105,0 31,8
90
-
-
Anmerkungen: I . Es handelt sich um Objekte mit einer Verkaufsfläche von mindestens 2.500 m2 . 2. Nach einer Erhebung des Deutschen Handelsinstituts Köln e.V. wurden am I. I. 1993 in der Bundesrepublik Deutschland 1.973 SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte betrieben. 266 Objekte entfielen auf Ostberlin und die fünf neuen Bundesländer.97 Quelle: In enger Anlehnung an Hallier (1988), S. 107.
Wahrend die Internationalisierung von Aldi relativ unbeachtet blieb, erregte die Kapitalbeteiligung von Tengelmann an der Great Atlantic & Pacific Tea Co. Inc., USA, 1978 großes Aufsehen. Zuvor hatten nämlich einige deutsche (z. B. Mann, Husse[), aber auch Handelsunternehmen aus anderen Ländern (z. B. Carrefour, Next, Marks & Spencer, Safeway) bei Versuchen, im Ausland Fuß zu fassen, Schiffbruch erlitten. 98 Aus Fachzeitschriften, Berichten von Unternehmensberatern, Statistischen Ämtern etc. hat
Burt für den Zeitraum 1953 bis 1989 insgesamt 230 Fälle zusammengetragen, bei denen Un-
ternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, die in einem europäischen Land ihren Stammsitz haben, in Auslandsmärkte vorgedrungen sind.99 Bis zum Jahr 1972 belief sich die Anzahl auf weniger als fünf Internationalisierungsprojekte p.a. Zwischen 1974 und 1978 "sprang" die
Vgl. Deutsches Handelsinstitut Köln e.V. (1993). Vgl. Berekoven (1986), S. 132; Kacker (1985), S. 41; Patt (1990), S. 119. Carrefour und Safeway haben sich auf dem deutschen Lebensmittelmarkt erfolglos betätigt und relativ schnell ihr Engagement eingestellt. Vgl. Lübbert (1992), S. 113. 99 Vgl. Burt (1991), S. 496. 97
98
2. Grenzüberschreitende Tatigkeit des Einzelhandels
37
Häufigkeit auf den Höchststand von elf Fällen. Burt führt diesen Trend u.a. darauf zurück, daß Mitte der 70er Jahre erste Anzeichen von Sättigung des Inlandsmarktes festzustellen waren, die Durchdringung des Stammarktes durch ein dichtes Filialnetz weitgehend abgeschlossen war und gesetzliche Beschränkungen dem weiteren Vordringen von Großbetrieben einen Riegel vorschieben sollten. 100
Den Schritt in die USA wagten aus den Reihen des deutschen Handels auch Leibbrand, Asko 101 und Metro. Letztere hat bereits 1970 die internationalen Aktivitäten der unterschiedlichen Betriebstypen und Beteiligungen gebündelt sowie der Metro International GmbH (MIAG) übertragen, die in der Schweiz angesiedelt wurde. Dabei handelt es sich beispielsweise um Cash & Carry-Märkte in Frankreich, Italien, Österreich, Dänemark und in der Türkei. 102 Die Beschaffungsgesellschaften (u.a. in Hongkong, in der Schweiz, in Italien und Ungarn) zählen allerdings genausowenig zum MIAGVerbund wie Beteiligungen in Gestalt von Jetro (Cash & Carry-Märkte in den USA), Makro (Cash & Carry-Märkte in den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Spanien, Griechenland und Portugal) und Kaufhof
Eine intensive grenzüberschreitende Geschäftsaktivität entfalteten aus deutscher Sicht zuerst die Versandhandelsunternehmen. So engagierte sich beispielsweise Quelle 1959 in Österreich. 103 Mittlerweile unterhält der Quelle-Konzern sieben Tochtergesellschaften im EU-Ausland. 104 Die Otto-Versand-Gruppe war 1992 in den USA, in Kanada, Japan und zehn europäischen Ländern mit insgesamt 24 Versandhandelsunternehmen vertreten. Nach Einschätzung von Quelle ergeben sich in Osteuropa im Versandhandelsgeschäft Wachstumsraten von fast 50% pro Jahr. 1992/93 belief sich der Osteuropaumsatz auf 60 Mio. DM. Für 1993/94 wird mit 100 Mio. DM gerechnet, wobei dieser im wesentlichen mit Hilfe von Distributionszentren in der Tschechischen Republik, in Polen und Ungarn erzielt wird. Für den Ausbau zu einem europaweit aktiven Versandhaus wollte Quelle von 1992 bis 1994 nahezu zwei Mrd. DM aufwenden. 105
10o Als Beispiel führt er das 1975 in Belgien verabschiedete Loi Cadenas, das 1973 in Frankreich beschlossene Loi Royer und die Novellierung der Baunutzungsverordnung in der Bundesrepublik Deutschland an. Vgl. Burt (1991), S. 500. Zur Genese der Baunutzungsverordnung siehe Koob (1993), S. 49 ff. 101 Vgl. Hallier (1988), S. 106. Exotisch mutet das Jointventure von Asko in China, die Beijing Adler Comco, an. Betrachtet man jedoch das riesige dort vorhandene Marktpotential, wird das Bestreben, in diesem Land präsent zu sein, Erfahrung vor Ort sammeln zu können etc., erklärbar. 102 Vgl. o.V. (1989a), S. 4. Nach der Gründung des ersten Cash & Carry-Marktes 1964 in Mülheim engagierte sich Metro relativ bald in mehreren Ländern. 103 Vgl. Berekoven (1986), S. 99. 104 Vgl. o.V. (1992a), S. 12. Vor allem in Frankreich, Spanien und Belgien soll die Marktposition ausgebaut werden. Vgl. o.V. (l993a), S. 10. 105 Vgl. o.V. (1993a), S. 10. Die internationalen Aktivitäten der Otto-Gruppe stellt Rominski (1993), S. 14 ff., dar.
38
1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
Mit dem Aufkommen des Franchising in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts war der Grundstein dafür gelegt, daß sich insbesondere im Textilbereich ein internationales vertikales Vertriebssystem entwickeln konnte (z. B. Benetton, Stefanel, Laura Ashley). 106 Dienstleistungsunternehmen, wie z. B. McDonalds, griffen diese Geschäftskonzeption ebenso auf, und (zeitlich später) auch Fachmarktbetreiber (z. B. im Baumarktbereich) bedienten sich dieser Methode, um relativ schnell mit vergleichsweise geringem Kapitaleinsatz ein dichtes Filialnetz, sowohl national als auch international, aufbauen zu können. Zeitlich fast parallel zur langsamen, aber allmählich an Bedeutung gewinnenden Auslandstätigkeit formierten sich Organisationen, die die Interessen des international tätigen Handels in seiner Gesamtheit vertreten sollen. Zu den Vorreitern dieser internationalen Verbandstätigkeit zählen die internationale Gruppierung der Warenhausunternehmen (International Group of Department Stores) und der Großbetriebe im Einzelhandel. Zu nennen sind in diesem Kontext die supranational ausgerichteten Verbände von Lebensmittelfilialunternehmen (z. B. Internationale Vereinigung der Organisationen von Lebensmitteldetaillisten (IVLD)) und Konsumgenossenschaften (Internationaler Genossenschaftsbund (1GB)). Diese Einrichtungen konzentrieren sich auf die Förderung des Erfahrungsaustausches zwischen den nationalen Verbänden und Mitgliedern. 107 Alle wichtigen Einzelhandelsverbände auf EU-Ebene wurden zumeist in den 50er und 60er Jahren gegründet. Dazu zählen z. B.: 108 - Confederation Europeenne du Commerce de Detail (CECD), in der die nationalen Spitzenverbände des Einzelhandels und internationale Verbände, wie z. B. Federation Europeenne pour Ia Vente et le Service a Domicile (FEVSD) und European Franchising Federation (EFF), 109 organisiert sind, - Union des Groupments d'Achat Cooperatifs de Detaillants de l'Europe (UGAL), der europäische Dachverband genossenschaftlicher Handelskooperationen, - Association Europeenne de Vente par Correspondance (AEVPC), die europäische Vereinigung des Versandhandels, - FED!M, die europäische Vereinigung der nationalen Direktmarketing-Verbände, - Centre Europeenne du Commerce de Detail (CECODE) und Comite de Liaison des Associations Europeennes du Commerce de Detail (CLD), Zusammenschlüsse nationaler Fachverbände des Einzelhandels, und - Internationale Vereinigung von Einkaufsverbänden (IVE), der europäische Dachverband für Kooperationen des Handels und des Handwerks.
Vgl. Görge (1979). Vgl. HVL (1991), S. 39ff.; Tietz (1993a), S. 885 ff. ws Vgl. z. B. Tietz (1993a), S. 887. 109 Vgl. Precepta (1990), S. 29. 106 107
3. Länderbezogener Überblick über Auslandsaktivitäten
39
Im Frühjahr 1993 wurde in Brüssel EuroCommerce als Dachverband des gesamten europäischen Handels, und zwar über die EU- und EFTA-Länder hinausgehend, gegründet. Ihm gehören die CECD, die europäischen Verbände der Filialbetriebe (GEDIS) und die des Großund Außenhandels (FEWITA) an. 110
Betrachtet man die von der Corporate Intelligence Group analysierten länderübergreifenden Engagements von Handelsunternehmen, die europäische Ländermärkte betreffen, näher, so fällt auf, daß etwa 80 % davon in die Zeit nach 1980 fallen. "lt is clear ... that cross-border retailing in Europe is overwhelmingly a phenomenon of the 1980s and of the late-1980s in particular." 111 Insgesamt betrachtet ist somit für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis etwa Mitte der 80er Jahre folgendes festzuhalten: - Diverse Internationalisierungsstrategien wurden in dieser Ära erprobt bzw. realisiert, allerdings in bescheidenem Umfang und mit wechselhaftem Erfolg. - Am weitesten gediehen sind in dieser Epoche der Erfahrungsaustausch und die Beschaffung auf internationaler Ebene. - Wie festzustellen war, ist die Internationalisierung keine Option, die der Einzelhandel erst in den 90er Jahren entdeckt hat. Ihre Ursprünge reichen bis an den Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zurück.
3. Ein länderbezogener Überblick über Auslandsaktivitäten im europäischen Einzelhandel Den ersten aktuellen und systematischen länderbezogenen Überblick über Internationalisierungsaktivitäten von Einzelhandelsunternehmen in Europa bietet eine Studie der Corporate lntelligence Group über "Cross-Border Retailing in Europe".112 In ihr wurde versucht, alle Internationalisierungsprojekte des Einzelhandels zu erfassen, die folgende Kriterien erfüllten: - Intensität: Mindestumfang an Präsenz in einem Auslandsmarkt in Gestalt von Filialen, einer Tochtergesellschaft etc. Minderheitskapitalbeteiligungen an einem ausländischen Handelsunternehmen wurden nicht berücksichtigt. uo Vgl. o.V. (1993b), S. 11.
The Corporate Intelligence Group (1991), S. 3. The Corporate Intelligence Group (1991). Bereits 1978 publizierte Rindermann (1978), S. 16 ff., empirische Befunde zur Existenz von Niederlassungen und Kapitalbeteiligungen US-amerikanischer, französischer und deutscher Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe in Auslandsmärkten. Kacker (1985), S. 75 ff. und S. 93 ff., stellt die Direktinvestitionen von europäischen Einzelhandelsbetrieben (in den USA) und von amerikanischen Handelsunternehmen zusammen. Ill
112
40
1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
- Zeit: Beginn der Realisierung der grenzüberschreitenden Aktivität bis zum Redaktionsschluß der Untersuchung (August 1991) - Region: Betroffenheit entweder eines europäischen Landes (z. B. Direktinvestitionen US-amerikanischer Warenhäuser in Westeuropa) oder Bearbeitung eines außereuropäischen Marktes durch ein Handelsunternehmen mit Stammsitz in einem europäischen Land, beides unabhängig davon, um welchen Betriebstyp (Supermarkt, Fachmarkt etc.) und welche Branche (Lebensmittel, Bekleidung, Drogeriewaren, Unterhaltungselektronik usw.) es sich handelt. Informationsquellen stellten Presse, Unternehmenspublikationen, sonstige Literatur und Berichte sowie Statistiken von Regierungen (inkl. der Kommission der EU) und Handelsverbände dar. Vor diesem Hintergrund wurden in dem hier interessierenden Teil dieser Studie insgesamt 1.385 Internationalisierungsprojekte zusammengetragen, wobei der weit überwiegende Teil davon in den Zeitraum von 1985 bis 1991 fällt. Den ältesten in der Untersuchung erfaßten Fall bildet die Eröffnung der ersten Filiale von Woolworth in Großbritannien im Jahr 1905. Insgesamt 16 Projekte fallen in die Zeit vor 1960, 44 sind in den 60er und 182 in den 70er Jahren zu registrieren.m Die Befunde decken sich weitgehend mit den Schlußfolgerungen, die man aus dem historischen Exkurs in Abschn. 2. dieses Kapitels gewinnen kann.
Die länderbezogene Analyse der 1.385 Auslandsaktivitäten ergibt das in Tab. 1.2. wiedergegebene Bild. Hieraus lassen sich einige aufschlußreiche Erkenntnisse ableiten: - Jedes Land bzw. jede Ländergruppe in Europa ist von der Internationalisierung im Einzelhandel mehr oder weniger stark betroffen. Lediglich Griechenland und diverse osteuropäische Staaten verfügen nicht über Handelsunternehmen mit Stützpunkten im Ausland. Alle betrachteten Länder werden als Gastländer geschätzt.
- 83,4% aller erfaßten Projekte (n = 1.155) wurden von Unternehmen realisiert, deren Zentrale sich in einem EU-Land befindet. Interessanterweise wird Japan von europäischen Einzelhandelsbetrieben als Zielmarkt etwa doppelt so häufig ins Auge gefaßt (n = 52), wie japanische Engagements in Europa zu finden sind (n =24). Ein ähnlicher Saldo ist in bezugauf die USA auch (103 zu 73), gleichwohl nicht in gleicher Höhe festzustellen.
- Frankreich (n =395), Großbritannien (n =317) und die Bundesrepublik Deutschland (n =213) führen die Rangliste der Einzelhandelskonzepte exportierenden Länder mit großem Vorsprung an. Deutschen Handelsbetrieben kommt offenbar eine Vorreiterrolle in den osteuropäischen Märkten (n = 13) und in den EFTA-Ländern (n =66) zu. Dagegen präferieren französische und britische Un113 Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991), S. 3. Siehe hierzu auch die Ausführungen im 3. Kapitel, Abschn. 2.2.1.5.
SF
s
132
* =Nicht in der Untersuchung erfaßt.
96
13 14
24
5
9
9 4 2
2
3
I
8
76
3 2
6
-
2 10 4 I 40
10 4
72
EU
I 31
I
I
I
28
3
-
II 8
I 4 I
GB GR
6
27
-
25 2
6
F
59
3 2
3
3
I
2
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I
-
26 10
8
3
I
51
2
3
I 46
I
6 37
I
IRL
I 98
40
3
69 24 29 867
46
6 4
20
4
33
40 5 47 8 699 J 23
4
2
87
2
-
2
5
4
2 16
253 182
32 112 16
Summe
3 3
p
3
28 22
I
28
5
NL
68
I
10
2
8
57
2
2
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I 33 2
A
I 76
I
4
4
-
70
3
3
II
27
I
2 23
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-
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18
16
2
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2
9
I 32
I
2
-
I I
28
2
3 13
2
5 2
5
3
s
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-
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3
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12 I 27
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5
II
45 45
9 66 10
41
I
-
I I 8
32 5 I
I
5
4
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I I
2 13
Summe europa
103
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-
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•
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•
• -
3
5
2
83
9
33 31
3 7
1385
24 31
73
102
I 50 I
42
1155 8
74 6 57 8
395 317
6
50 213 29
Sonstige Gesamt
I
•
52
4
23 20
I 4
Japan
I
4
98
I 4
5
3 II 2 I 36 35
USA
Quelle: In Anlehnung an The Corporate Intelligence Group (1991), S. 6.
Anmerkung: Leerfelder signalisieren, daß nach den Informationen der Corporate lntelligence Group bis zum Redaktionsschluß der Studie in dem betreffenden Land keine Internationalisierungsaktivitäten zu beobachten waren.
Legende:
34
I 3 109
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I
I
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42
1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
ternehmen Investitionen im EU-Raum (Frankreich: n = 253; Großbritannien: n == 182), in den USA (Frankreich: n == 36; Großbritannien: n = 35), in Japan (Frankreich: n== 23; Großbritannien: n =20) und sonstigen Ländern (Frankreich: n = 33; Großbritannien: n = 31). US-amerikanische und japanische Handelsbetriebe bevorzugen bei Auslandsinvestitionen den britischen Markt. - In 67,6% aller untersuchten Fälle streben die Einzelhandelsunternehmen danach, in einem EU-Land Fuß zu fassen (n =867). Eines der EFTA-Länder ist immerhin fast bei jedem fünften Auslandsprojekt Gastland (n =236). Die Favoritenstellung haben hierbei die Schweiz (n =76) und Österreich (n =68) inne. - Großbritannien (n = 132), Belgien/Luxemburg (n = 119), Spanien (n == 109) und die USA (n = 103) stellen die Regionen dar, die sich als Auslandsstützpunkt großer Beliebtheit erfreuen. Relativiert man die Intensität des Engagements, das ausländische Einzelhandelsbetriebe in einem Land eingingen, mit der jeweiligen Einwohnerzahl, so stellt man fest, daß insbesondere die kleineren Nationen im Brennpunkt des Interesses stehen. Irland, Belgien/Luxemburg, Schweiz, Norwegen, Österreich, Dänemark und die Niederlande führen die Rangfolge der Zielländer an. Die vier bevölkerungsreichsten Staaten der EU stellen dabei die Schlußlichter dar.
Dieser erstaunliche Befund mag einerseits an der Konzeption der Studie liegen. Hierauf wird in diesem Abschnitt noch einzugehen sein. Andererseits scheint eine plausible Erklärung darin zu bestehen, daß französische, britische und deutsche Einzelhandelsunternehmen zunächst in solche Staaten vorstoßen, - die räumlich betrachtet dicht am Heimatland liegen (z. B. britische Unternehmen nach Irland (n = 37}, französische nach Belgien/Luxemburg (n = 47), deutsche nach Österreich (n =33)) und - in denen dieselbe Sprache gesprochen wird. Ein solches sprachraumbezogenes Vorgehen bei der Errichtung von Auslandsstützpunkten erklärt möglicherweise auch die prominente Stellung britischer Einzelhandelsbetriebe in den USA (n = 35) und diejenige US-amerikanischer Anbieter in Großbritannien (n = 24). 114
- Die Auslandsprojekte von den Handelsunternehmen, deren Zentrale sich in einem europäischen Land befindet, werden von 311 Firmen getragen. 95 davon stammen aus Frankreich, 71 aus Großbritannien und 44 aus der Bundesrepublik Deutschland. 115 Sie prägen somit den Internationalisierungsprozeß in Europa. - Was die Direktinvestitionen ausländischer Anbieter im US-amerikanischen Einzelhandel von 1980 bis 1988 betrifft, ist festzustellen, daß britische Handelsunternehmen mit 8,6 Mrd. US-$ deutlich die Liste vor ihren niederländischen (1,9 Mrd. US-$), bundesdeutschen (1,2 Mrd. US-$), kanadischen (1,0 Mrd. US-$) und japanischen Konkurrenten (0,4 Mrd. US-$) anführen. Andere Staaten als
114 115
Hierauf wird im 3. Kapitel, Abschn. 2.2.1.2., noch zurückzukommen sein. Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991), S. 5.
3. Länderbezogener Überblick über Auslandsaktivitäten
43
die bereits genannten EU-Länder (z. B. Frankreich) erreichen gerneinsam einen Wert von 0,2 Mrd. US-$. 116 Fraglos unterliegen der in Tab. 1.2. verankerte Status quo und die sich daran anschließende Interpretation einigen Vorbehalten: - Die Errichtung mehrerer Dutzend großflächiger Filialen in einem Ländermarkt fließt mit genau dem gleichen Gewicht in die Statistik ein wie die Etablierung z. B. eines einzigen kleinflächigen Franchiseladens in einer Einkaufspassage. Diese Verzerrung ließe sich u.U. dadurch beseitigen, daß man den Anteil des inländischen Einzelhandelsumsatzes ermittelt, der durch ausländische Unternehmen verantwortet wird. Den von der Corporate /ntelligence Group befragten Experten zufolge übersteigt diese Größe in keinem der in Tab. 1.2. enthaltenen Länder den Wert von 10 %. In Spanien mutmaßt man, daß etwas mehr als 5 % des gesamten Einzelhandelsumsatzes durch Ausländer getätigt werden. 117 Zuverlässige Informationen hierüber existieren jedoch unserer Kenntnis nach nicht. Eine weitere Verzerrung resultiert daraus, daß die einzelnen Unternehmen nicht immer zweifelsfrei einem Land zugeordnet werden können.U 8 So hat beispielsweise die Metro-Gruppe u.a. aus steuerlichen Gründen ihren Firmensitz in die Schweiz verlegt, womit sich die Frage nach der Nationalität von Metro und aller ihrer Beteiligungen stellt. Die Kaufhof AG ist dann in Abhängigkeit davon, ob man Tradition, Ursprungsland, Ort der Ansiedlung der (eigentlichen) Entscheidungskornpetenz, die steuerrechtliche Seite etc. heranzieht, entweder als schweizerisches oder als deutsches Unternehmen einzustufen. Kornpliziert wird das Problern dann, wenn sich beispielsweise ein Unternehmen an mehreren Betrieben in verschiedenen Ländern kapitalmäßig beteiligt hat (z. B. Tengelmann). Somit wäre man gezwungen, jedes einzelne Handelsunternehmen im Hinblick auf seinen Firmensitz und seine Kapitalherkunft zu durchleuchten, um vor dem Hintergrund des Kapitalbesitzes die Nationalität zu definieren. Dabei müßte man eine kritische Grenze in bezug auf den Kapitalanteil festlegen, anhand derer sich das Herkunftsland ergäbe. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Problematik: Die deutsche Unternehmensgruppe Tengelmann ist seit Ende der 70er Jahre mit mehr als 52 % an The Great Atlantic & Pacific Tea Company, USA, beteiligt. Über dieses Tochterunternehmen hält Tengelmann seit 1989 einen Anteil in Höhe von 20% an dem Kapital ll6 Insgesamt wurden von 1980 bis 1988 im US-amerikanischen Einzelhandel Direktinvestitionen in Höhe von 14,8 Mrd. US-$ durch Ausländer getätigt. Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991), S. 9. m Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991), S. 5. Schätzungen zufolge erzielten nichtamerikanische Unternehmen ca. 8 % des Gesamtumsatzes, der 1988 im amerikanischen Lebensmitteleinzelhandel erzielt wurde. Vgl. o.V. (1989b), S. 105. Hs Vgl. Tietz (1992a), S. 364.
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1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes des britischen Einzelhandelsunternehmens Gateway bzw. der Holdinggesellschaft /sosceles.U9 Soll der Einstieg bei Gateway nun der US-amerikanischen A & P oder dem deutschen Unternehmen Tengelmann zugerechnet werden?
Unabhängig vom damit erforderlich werdenden Datenerhebungs- und Aktualisierungsaufwand würde man bei einer solchen Analyse jedoch schnell an die Grenzen der empirischen Handelsforschung stoßen. Manche Unternehmen verweigern nämlich nicht nur generell jede Auskunft an Dritte, sondern sind als Firmenkonglomerat auch bewußt so intransparent und verschachtelt organisiert, daß jeder Versuch, Einblick in die Kapitalherkunft zu gewinnen, zum Scheitern verurteilt wäre. 120 - Das in Tab. 1.2. wiedergegebene Bild der Auslandsaktivitäten des europäischen Einzelhandels ist insofern verzerrt, als die Gesamtzahl der Internationalisierungsprojekte pro Land maßgeblich von einigen wenigen Unternehmen bzw. Branchen bestimmt wird. Zu denken ist in diesem Kontext an den hohen Anteil, den z. B. die Exportaktivitäten von Benetton und Stefanel 121 an den insgesamt ermittelten 74 Projekten italienischer Einzelhandelsbetriebe im Ausland haben.122 Zur Ableitung gesamt- und einzelwirtschaftlicher Konsequenzen der Internationalisierung im europäischen Einzelhandel ist daher eine differenzierte Analyse einzelner Branchen, Unternehmen und Betriebstypen erforderlich. Erst auf einer solchen Basis kann beispielsweise beurteilt werden, ob und wie sich der horizontale Wettbewerb im Einzelhandel und das vertikale Beziehungsgefüge zwischen Herstellern, Handelsbetrieben sowie Verbrauchern verändern. 123 Weiterhin muß berücksichtigt werden, daß die sich seit ca. 1988 verstärkt bildenden europäischen Handelskooperationen, die etwa den Lebensmittel- und Unterhaltungselektronikbereich betreffen, nicht in Tab. 1.2. enthalten sind. 124 Trotz dieser Kritik kann festgehalten werden, daß die Studie der Corporate Intelligence Group mindestens zwei nicht bestreitbare Fakten reflektiert: (1) Die Internationalisierung im europäischen Einzelhandel bildet ein Phänomen,
das seit Ende der 80er Jahre enorm an Dynamik gewonnen hat.
Vgl. o.V. (l990a), S. 14; o.V. (l990b), S. 10. Vgl. Glöckner ( 1992), S. 138 ff. 121 Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991), S. 90f. und S. 104f. 122 Einen ähnlich hohen Anteil an der Gesamtzahl der landesbezogenen Auslandsaktivitäten vereinen die schwedischen Unternehmen Hennes & Mauritz und Ikea auf sich. 123 Vgl. hierzu die Ausführungen im 3. Kapitel, Abschn. 3., dieser Arbeit. 124 Vgl. hierzu die Diskussion im 3. Kapitel, Abschn. 2.1., dieser Arbeit. Daß es beispielsweise im Fachhandel ebenfalls ein gewisses Maß an internationaler Zusammenarbeit gibt, die in Tab. 1.2. nicht erfaßt ist, dokumentiert Olesch (1993), S. 4ff., der supranationale Kooperationen in den Fachhandelssektoren Optik, Unterhaltungselektronik, Sport, Automobilersatzteile etc. vorstellt. 119
120
4. Vorgehensweise bei der Untersuchung
45
(2) Immer mehr Handelsunternehmen befassen sich mit dieser Strategie, und zwar unabhängig davon, in welcher Branche sie tätig sind und über welche Betriebstypen sie verfügen. Jedes Handelsunternehmen muß dabei sowohl Auslandsengagements detailliert bewerten als auch die Bedrohung seiner Marktposition durch Investitionen ausländischer Handelsbetriebe auf dem heimischen Markt analysieren.
4. Die Vorgehensweise bei der Untersuchung und die dieser zugrundeliegende Zielsetzung Das zentrale hier verfolgte Anliegen besteht darin, dazu beizutragen, die Lücke zwischen der offenbar stärker werdenden praxeologischen Relevanz der Internationalisierungsstrategie im Einzelhandel und der bislang festzustellenden Geringschätzung dieser strategischen Option in der theoretischen Diskussion zu verringern. Die theoriebildende Funktion dieser Arbeit erscheint insofern besonders wichtig, als bislang lediglich zu einzelnen Facetten der Problemstellung entweder empirische Befunde gewonnen oder theoretische Überlegungen angestellt wurden. Der Verfasser setzt sich somit im wesentlichen zur Aufgabe, zunächst theoretisch begründ- bzw. herleitbare generelle Vermutungen und Hypothesen zu Ursachen, Formen und Wirkungen der grenzüberschreitenden Betätigung im institutionellen Handel zu generieren. 125 Angesichts des Mangels an geeignetem sekundärstatistischem Material und der damit verbundenen Probleme (z. B. Vergleichbarkeit, Aktualität, Detailliertheit) sowie der Begrenztheit eigener primärstatistischer Befunde können im 3. Kapitel nur einige sog. Tendenzaussagen und Hypothesen mit empirischen Daten konfrontiert werden. Darüber hinaus bildet es ein Ziel dieses Teils, das zu untersuchende Phänomen in seinen vielfältigen Facetten auf heuristischem Weg zu beschreiben. Durch die Entdeckung bestimmter Zusammenhänge soll das Fundament für eine einzelhandelsbezogene Internationalisierungstheorie geschaffen werden. 126 125 Nach Köhler und Schneider bilden aufeinander bezogene Einzelaussagen in der Form von Wenn-Dann-Sätzen das Gerippe einer Theorie. Vgl. Köhler (1977); Schneider (1981), S. 36 f. Folglich verkörpert das 2. Kapitel den Versuch, die Internationalisierung des Einzelhandels auf ein tragfähiges theoretisches Fundament zu stellen. In diesem Zusammenhang werden generelle Vermutungen als Aussagen formuliert, die aufgrund ihrer bewußt unpräzisen Formulierung, der fehlenden Definition der Wirkungsrichtung von in ihnen enthaltenen Variablen etc. keinen Hypothesencharakter besitzen, sondern bei der weiteren Erforschung der Internationalisierung von Handelsbetrieben konkretisiert werden müssen. Für den Entwurf einer Theorie der Internationalisierung des Einzelhandels erscheinen solche "Vor-Hypothesen", die Raffee (1974), S. 36 ff., als Tendenzaussagen bezeichnet, jedoch wichtig. 126 Zur wissenschaftstheoretischen Konzeption, die dabei zugrunde liegt, vgl. Raffee (1974), s. 43.
46
1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
Den theoretischen Bezugsrahmen bilden, wie Abb. 1.1. verdeutlicht, volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze. Daneben spielen bestimmte strategische Konzepte für die Generierung von Hypothesen eine maßgebliche Rolle. 127 Dabei interessiert letztlich, ob und inwieweit die Internationalisierung im Einzelhandel und die davon ausgehenden Konsequenzen theoretisch erklärt und prognostiziert werden können. Durch die Vielzahl und die Heterogenität der herangezogenen Theorien soll der Multidimensionalität des komplexen, langfristigen Internationalisierungsprozesses Rechnung getragen werden. 128 Dabei gilt es zu beachten, daß insofern Neuland betreten wird, als die Internationalisierung im Einzelhandel noch nicht einer derart breiten, verschiedene Blickwinkel umfassenden theoretischen Diskussion unterzogen wurde. Beispielsweise aus dem Industriebereich oder dem binnenhandelspolitischen Kontext vorliegende Erkenntnisse müssen deswegen auf die vorliegende Problemstellung übertragen werden. Aus folgenden Gründen wird der Schwerpunkt der Analyse auf den Lebensmitteleinzelhandel gelegt: - Um zu möglichst konkreten Schlußfolgerungen zu gelangen, erweist sich die Konzentration auf eine Branche als unabdingbar. Andere Bereiche (z. B. Textil-, Drogeriewaren) werden allerdings nicht völlig negiert. - In den letzten Jahren wurde besonders der Lebensmittelhandel von der Internationalisierungswelle erfaßt. Daher erscheint es besonders wichtig, die damit einhergehende Wirkung (z. B. auf die Versorgungszufriedenheit von Verbrauchern) zu beleuchten.
- Der Lebensmitteleinzelhandel hat mit Blick auf Umsatz und die mit Handelsunternehmen direkt sowie indirekt zusammenarbeitenden Industrie- und Dienstleistungsbetriebe im Vergleich zu anderen Branchen ein großes Gewicht. Deswegen sind die einzel- und gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen einer Änderung des geographischen Aktionsradius von Handelsunternehmen dieses Sektors besonders nachhaltig. - Die Datenlage im Nahrungs- und Genußmittelbereich erscheint in bezug auf grenzüberschreitende Aktivitäten und deren Wirkungen im Vergleich zu anderen Branchen zufriedenstellend. Von daher können mit Hilfe empirischer Befunde nicht nur theoretische Erkenntnisse ergänzt, sondern zumindest teilweise auch verläßliche sekundärstatistische Daten in die Betrachtung einbezogen werden. Eine weitere Einschränkung betrifft die geographische Dimension, die sich im Bereich des internationalen Absatzes in der Konzentration auf den europäischen Raum niederschlägt. Aus naheliegenden Gründen (Erlös- und Gewinnpotential, gesamtwirtschaftliche Relevanz des institutionellen Handels etc.) stehen dabei die 127 128
Ähnlich geht Perlitz (1995), S. 74ff. und S. 140ff., vor. Vgl. Macharzina (1982), S. 132 ff.
47
4. Vorgehensweise bei der Untersuchung
sog. europäischen Kernländer des Lebensmitteleinzelhandels und die Anbieter im Vordergrund der Analyse, die diese als ihr Stammland betrachten. Wenn man nicht nur die Bevölkerungsstruktur, sondern auch die Kautkraft einbezieht, geht es also vor allem um die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. Bei der Erörterung der internationalen Beschaffung liegt das Interesse ebenfalls auf den Aktivitäten des Lebensmitteleinzelhandels in Europa. Jedoch werden hierbei auch andere Teile der Welt, denen eine hohe Bedeutung für den Einkauf von Absatzmittlern zukommt (z. B. Südostasien), berücksichtigt.
Volkswirtschaftliche Erkllrungsans!itze
Betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze
Strategische Konzepte
• Außenhandelstheorie
• Lehre von den Handelsfunktionen
• Global Sourcing
• Mikroökonomik • Wettbewerbstheorien • Industrieökonomik
...,
• Theorien des Wandels der Marktstellung von Handelsorganen
• Economies of )arge scaleund Erfahrungskurveneffekt
• Gate kceper- und Interaktionstheorien
• Strategische Netzwerke und strategische Allianzen
• Transaktionskostenthcorie
• Globalisierungskonzepte von Ohmae und Porter
• Erfolgsfaktorenforschung
• EPRG-Konzept
• Entscheidungstheorie
• Strategie Fit-Ansatz
...,
...,
Internationalisierung im Ein7.clbandcl • Ursachen • Felder und Formen • Konsequenzen
Abb. 1.1.: Der theoretische Bezugsrahmen der Untersuchung
Ferner bleibt festzuhalten, daß der Großhandelssektor aus der Analyse ausgeklammert und lediglich dann einbezogen wird, wenn eine bestimmte Entwicklung in diesem Wirtschaftszweig für die Internationalisierung des Einzelhandels Relevanz besitzt. 129 Angesichts der zu beobachtenden Integration von Groß- und Ein-
48
1. Kap.: Bearbeitung des europäischen Marktes
zelhandelsleistungen in einem einzigen Unternehmen (z. B. Metro) bzw. Unternehmensverbund (z. B. Spar) ist die Differenzierung dieser zwei Wirtschaftsstufen zwar noch juristisch, im wesentlichen wegen des Ladenschlußgesetzes, betriebswirtschaftlich aber kaum mehr bedeutsam. 130 Schließlich muß noch angemerkt werden, daß juristische Probleme mit Ausnahme einiger mit der politisch-rechtlichen Integration Europas einhergehenden besonders handelsrelevanten Normen nicht thematisiert werden. 131 Rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich aus in Europanach wie vor vorhandenen Unterschieden z. B. im Niederlassungsrecht Überall dort, wo juristische Normen die grenzüberschreitende Betätigung im Einzelhandel berühren, soll zumindest kurz darauf hingewiesen werden. Um, wie bereits angedeutet, generelle Vermutungen und Hypothesen zu Entscheidungstatbeständen und Problemen der Internationalisierung im Einzelhandel ableiten zu können, bedarf es zunächst einer für das 2. Kapitel vorgesehenen Diskussion verschiedener Theorien und strategischer Konzepte. Im Anschluß daran werden unter Rekurs auf theoretische Erkenntnisse sowie sekundär- und primärstatistisches Material Ursachen, Felder und Formen sowie Konsequenzen der Europäisierung im Einzelhandel untersucht. Hierbei sind, wie begründet, bestimmte branchenmäßige und länderbezogene Schwerpunkte zu setzen. Zu Facetten der im 3. Kapitel zu behandelnden Thematik werden eigene primärstatistische Erkenntnisse, die verschiedenen Teiluntersuchungen entstammen, in die Diskussion einbezogen. Dabei handelt es sich um - Ursachen des "going international" (3. Kapitel, Abschn. 1.2.), - die Art und Weise der Bearbeitung des europäischen Marktes (3. Kapitel, Abschn. 2.2.2.) und - die einzelwirtschaftlichen Wirkungen der Europäisierung des Einzelhandels (3. Kapitel, Abschn. 3.1.). Gestaltungsempfehlungen für die handelsbetriebliche Praxis werden im 3. Kapitel, Abschn. 3.1., in die Diskussion integriert. Dort sollen u.a. konkrete Handlungsanleitungen für die Realisierung wichtiger Module eines effektiven Euro-Einzelhandelsmanagements entwickelt werden, die sich vor dem Hintergrund des Ergebnisses der empirischen Branchenanalyse im 3. Kapitel, Abschn. 1. und Abschn. 2., aufdrängen. Die wesentlichen Befunde der Arbeit werden im 4. Kapitel zusammengefaSt Abb. 1.2. verdeutlicht die für die Untersuchung gewählte Vorgehensweise und die mit jedem Kapitel verfolgte Zielsetzung.
129 Strategien und Probleme der Internationalisierung im Großhandel erläutert Tietz (l993b), s. 655 ff. Bo Vgl. Dicht! (1989), S. 153ff. 131 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel3., Abschn. 1.1.1.1.
4. Vorgehensweise bei der Untersuchung
Bearbeitung des europäischen Marktes als Herausforderung für den Einzelhandel I. Kapitel
Hauptziel:
Bestimmung der Relevanz und Heterogenität der Internationalisierung
""-
Internationalisierung der..Geschäftstätigkeit des Einzelhandels als Gegenstand theoretischer Uberlegungen und strategischer Konzepte
• • •
Volkswirtschaftliche Erklärungsansätze Betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze Strategische Konzepte 2. Kapitel
Hauptziel:
Ableitung von generellen Vermutungen und Hypothesen zu Entscheidungstatbeständen und Problemen der Internationalisierung
-k Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung im Einzelhandel
•
Gründe fur die Europäisierung - Veränderungen der Makroumwelt -Wandlungen der Mikroumwelt - Modifikation interner Rahmenbedingungen
•
Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit - Internationale Beschaffungspolitik • Internationale Absatzpolitik
•
Konsequenzen der Europäisierung - Einzelwirtschaftliche Wirkungen - Gesamtwirtschaftliche Wirkungen 3. Kapitel
Hauptziele: Erfassung und Erklärung wesentlicher Elc;mente der Internationalisierungsstrategie im Lichte einer empirischen Branchenanalyse sowie Konkretisierung wichtiger Bausteineeines effektiven Euro-Managements .J.,
Zusammenfassung 4. Kapitel Hauptziel:
Vermittlung eines Überblicks über zentrale Erkenntnisse aus der Untersuchung
Abb. 1.2.: Der Gang der Untersuchung
4 Lingenfelder
49
2. Kapitel
Die Internationalisierung der Geschäftstätigkeit des Einzelhandels als Gegenstand theoretischer Überlegungen und strategischer Konzepte Das in diesem Kapitel verfolgte Ziel besteht in der Analyse ausgewählter wirtschaftswissenschaftlicher Theorien und strategischer Konzepte, die zur theoretischen Fundierung der Internationalisierung des Einzelhandels geeignet erscheinen. Dazu ist es zunächst erforderlich, - den Objektbereich der grenzüberschreitenden Betätigung im Einzelhandel zu skizzieren, - mit dieser Strategie einhergehende Problemfelder zu identifizieren und - auf Besonderheiten im Vergleich zum industriellen Sektor einzugehen. Erst dadurch wird es möglich, die Vorgehensweise im Rahmen der theoretischen Fundierung dieser Untersuchung inhaltlich zu begründen. In Abschn. 2. und Abschn. 3. sollen vor dem Hintergrund der diskutierten wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und strategischen Konzepte generelle Vermutungen und Hypothesen zu Ursachen, Feldern und Formen sowie zur Wirkung der Erweiterung des geographischen Aktionsfeldes in dem betrachteten Sektor formuliert werden. In Abschn. 4. wird dann die theoretische Erkenntnisbasis dieser Untersuchung zusammengefaßt.
1. Der Objektbereich der Internationalisierung im Einzelhandel und Implikationen für die Auswahl der heranzuziehenden Theorien sowie strategischen Konzepte Um die geschichtliche Dimension der Internationalisierung im Einzelhandel adäquat analysieren zu können, wurde dieses Phänomen im 1. Kapitel, Abschn. 1., bewußt weit definiert. Dies erschien nicht zuletzt auch deshalb sinnvoll, weil über lange Zeit hinweg die Mehrzahl der Einzelhandelsunternehmen nicht in einen internationalen Wettbewerb eingebunden war. Von daher war es gerechtfertigt, z. B. von US-amerikanischen Warenhausunternehmen im letzten Jahrhundert systema-
I. Objektbereich der Internationalisierung im Einzelhandel
51
tisch entfaltete länderübergreifende Informationsmaßnahmen, die auf Imitation bzw. Adaptation erfolgreicher Marktbearbeitungskonzepte abzielten, als internationale Unternehmensaktivitäten zu charakterisieren. 1 Wegen der im 1. Kapitel, Abschn. 3., nachgewiesenen zunehmenden internationalen Verflechtung nationaler Einzelhandelsmärkte müssen jedoch mittlerweile alle Unternehmen, unabhängig davon, ob sie selbst grenzüberschreitend tätig sind oder nicht, ihre Marktforschung länderübergreifend ausrichten; denn nur dann läßt sich dem möglichen Eintritt ausländischer Wettbewerber in den heimischen Markt etwas entgegensetzen. Länderübergreifende Informationsbeschaffung kann somit alleine nicht als konstitutives Wesensmerkmal für die begriffliche Abgrenzung einer internationalen Einzelhandelsunternehmung betrachtet werden. Folglich steht der marktbezogene Leistungsprozeß, der sich im institutionellen Einzelhandel bekanntlich in die Aktionsbereiche Beschaffung und Absatz aufteilt, im Mittelpunkt der Betrachtung. Von einer internationalen Unternehmenstätigkeit wird nachfolgend dann gesprochen, wenn Waren mit einer gewissen Regelmäßigkeit in einem nennenswerten Umfang in verschiedenen Ländern beschafft und/oder abgesetzt werden. Demzufolge sind folgende Sachverhalte nicht dem Objektbereich der Internationalisierung im Einzelhandel zu subsumieren: Gelegentliche, nicht systematisch betriebene Beschaffungstätigkeit im Ausland, wie sie z. B. im Zusammenhang mit der Partievermarktung von Waren zu beobachten ist,2 finanzielle Beteiligung an und Akquisition von ausländischen Handelsbetrieben, sofern davon lediglich die Finanzsphäre im Sinne einer Kapitalanlagestrategie bzw. Portfolioinvestition betroffen ist und keinerlei Konsequenzen für den marktbezogenen Leistungsprozeß der involvierten Unternehmen ausgehen, 3 sowie - Verkauf von Waren an Bewohner meist benachbarter Staaten, der nicht durch Marketingaktivitäten in den jeweiligen Ländern begründet und somit als passiver Absatz zu bezeichnen ist.
Vgl. die Ausführungen im I. Kapitel, Abschn. 2. Zur Partievermarktung im Einzelhandel siehe Panzer ( 1988), S. 39 ff. 3 Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn die jeweiligen Einkaufsvolurnina gebündelt würden und das akquirierende Unternehmen als Delkrederestelle fungierte. Allerdings ist es insbesondere bei einer Beteiligungsstrategie als Außenstehender oft schwierig bzw. unmöglich zu beurteilen, ob daraus nachhaltige Veränderungen des marktbezogenen Leistungsprozesses, also bei der Beschaffung und dem Absatz von Waren resultieren. 1
2
4*
52
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Zur zuletzt genannten Kategorie zählt z. B. der Verkauf von Einzelhandelsbetrieben mit einem Standort im grenznahen Bereich an Ausländer, und zwar dann, wenn der Absatz von Waren an Bewohner des Nachbarstaates nicht durch eine entsprechende Kommunikationspolitik im Nachbarland etc. forciert wird. Ebenso verhält es sich mit Versandhandelsunternehmen, sofern sie einige Kunden in Ländern mit Waren versorgen, in denen sie keine nennenswerten Marketinganstrengungen unternommen haben.
Eine eindeutige Abgrenzung dessen, was Regelmäßigkeit und nennenswerter Umfang des internationalen Geschäfts konkret bedeuten, fällt indessen schwer. Dies gilt vor allem in bezug auf die internationale Beschaffung. Theoretisch betrachtet müßten auf der Beschaffungsseite eines Absatzmittlers die zeitliche Verteilung der Einkaufsdispositionen und deren mengen- sowie wertmäßiges Volumen über mehrere Perioden hinweg beobachtet werden. Stellte man bei jedem Bestellvorgang dann noch fest, ob dieser den Inlandsmarkt oder Auslandsmärkte tangiert, wäre es möglich, Regelmäßigkeit und Umfang der internationalen Beschaffung quantitativ zu bestimmen. Gleichwohl fehlte dann noch immer die Festlegung der Grenze, ab der ein Einzelhandelsunternehmen mit Blick auf seine Beschaffungspolitik als international einzustufen wäre. Dieses Problem läßt sich letztlich nur im Wege der Vereinbarung von Konventionen lösen, die willkürlich zu definieren wären (z. B. mehr als I 0 % des gesamten Wareneingangswerts muß auf Auslandsorder entfallen). Ähnliches gilt für die Absatzseite. Ab welchem Anteil des Auslandsumsatzesam Gesamtumsatz kann davon gesprochen werden, daß ein Einzelhandelsbetrieb grenzüberschreitende Geschäfte betreibt, also gemäß obiger Definition regelmäßig und in nennenswertem Umfang im Ausland aktiv ist? Soll man beispielsweise bei einer Auslandsumsatzquote von 5 % von einer international tätigen Einzelhandelsunternehmung sprechen? Oder muß die Meßlatte höher gelegt werden? Diese Frage stellt sich auch dann, wenn man nicht auf die Relation Auslands- zu Gesamtumsatz (oder Beschäftigte im Ausland zur Gesamtzahl der Beschäftigten), sondern auf das Verhältnis Anzahl der Verkaufsstellen im Ausland zu denen im Inland oder das Verhältnis zwischen Verkaufsfläche im Ausland und Verkaufsfläche im Inland abhebt. In diesem Kontext interessieren nicht nur die entsprechenden Fakten, sondern auch die strategische Perspektive, die z. B. der Errichtung einiger weniger Filialen im Ausland innewohnt. Diese lassen sich nämlich neben der Erprobung eines unmittelbar bevorstehenden, breit angelegten Markteintritts4 als Brückenkopf für ein in weiter Zukunft liegendes stärkeres Engagement in diesem Land nutzen. 5 Zusammenfassend betrachtet ergeben sich somit bei dem Versuch einer operationalen Definition der internationalen Geschäftstätigkeit im Einzelhandel gravierende Probleme. Wenn jedoch im Rahmen dieser Untersuchung eher mit einer weiten Fassung geliebäugelt wird und somit auch Unternehmen berücksichtigt werden, deren grenzüberschreitende Tatigkeit derzeit noch als gering einzuschätzen ist, so auch deshalb, um der Dynamik, welche die Internationalisierung in diesem Wirtschaftszweig besitzt, gerecht werden zu können; denn durch ein zu restriktives Begriffsverständnis wäre es nicht möglich, die vielfältigen Facetten der Thematik zu erfassen. 4 Die Eröffnung von sog. Testfilialen ging z. B. dem Engagement von Lid! & Schwarz in Frankreich voraus. 5 Ein Beispiel hierfür bildet die geringe Anzahl von Filialen japanischer Warenhäuser in den USA und Europa.
I. Objektbereich der Internationalisierung im Einzelhandel
53
Deswegen erscheint es opportun, nachfolgend ein weites Verständnis der Internationalisierung im institutionellen Einzelhandel zugrunde zu legen. Eine internationale Einzelhandelsunternehmung verkörpert demnach eine Organisation in der Distributionskette, die Waren regelmäßig und in nennenswertem Umfang über Ländergrenzen hinweg beschafft und/oder ohne wesentliche Bearbeitung an Endverbraucher in verschiedenen Ländern absetzt. Da bei einer absatzmarktbezogenen Internationalisierung einerseits auf logistische Erfordernisse (Wegstrecke, Beförderungskosten etc.) und andererseits auf Präferenzen der Verbraucher in den jeweiligen Ländern Rücksicht zu nehmen ist, werden in der Regel auch Waren von Anbietern aus dem jeweiligen Gastland geführt. Inwieweit es dabei zu einer Standardisierung der Sortimentspolitik kommt, wird Gegenstand der Ausführungen im 3. Kapitel, Abschn. 2.2.2.3.2., sein. Wie die Praxis lehrt, geht unabhängig vom sortimentsbezogenen Standardisierungsgrad eine Internationalisierung auf dem Absatzmarkt fast immer mit einer grenzüberschreitenden Beschaffungspolitik einher. Im Gegensatz dazu führt die Ausweitung des Beschaffungsradius nicht zwangsläufig zur Internationalisierung der Absatzaktivität Folglich ergeben sich bei beiden Feldern der Internationalisierung unterschiedliche Entscheidungstatbestände und Problemfelder (vgl. Abb. 2.1. und Abb. 2.2.). Gemäß Abb. 2.1. erfordert die Bearbeitung von ausländischen Absatzmärkten zunächst die Schaffung einer geeigneten Datenbasis. 6 Der Informationsbedarf hängt dabei u.a. davon ab, welche Motive für die Verfolgung dieser Option aus einzelbetrieblicher Sicht maßgebend waren (Vorgabe bestimmter Unternehmensoberziele (z. B. Umsatzwachstum), Existenz von Unternehmensspezifika (Know-how in bezug auf relativ leicht in andere Länder übertragbare Betriebstypen etc.), Entwicklung im Bereich der Unternehmensumwelt (u.a. Internationalisierung von Wettbewerbern) usw.). Sollte die Initialzündung z. B. davon ausgelöst worden sein, daß der Hauptwettbewerber erfolgreich ins Ausland vorgestoßen ist, dann ergeben sich daraus u.a. Konsequenzen für die Auswahl der Länder, die in eine systematische Bewertung der Chancen und Risiken für ein eigenes Auslandsengagement aufzunehmen sind. In Abhängigkeit von Ressourcenausstattung und inhaltlicher Ausprägung der Konkurrenzstrategie (z. B. Offensiv-, Defensivstrategie) wird man sich möglicherweise auf andere Ländermärkte als der Hauptwettbewerber konzentrieren. Die Entscheidung hängt jedoch auch von der Größe der fraglichen Ländermärkte und der Intensität sowie den regionalen Schwerpunkten des Engagements des Konkurrenten in den einzelnen Ländern ab.
Im Rahmen der Länderchancen- und -risikenanalyse geht es nicht nur darum, Länder auf der Basis von Indikatoren, wie beispielsweise Anzahl und Struktur der Bevölkerung, Kaufkraft, Wettbewerbsintensität, politisch-rechtliche Situation, Einstellungen, Informations- und Kaufverhalten sowie Präferenzen von Verbrauchern, 6
Vgl. RaffeeiSegier (1992), S. 223 ff.
54
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
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2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
97
dem Wettbewerb bedarf es des Willens zu einem entsprechenden Marktverhalten bei jedem Anbieter. Der "spirit of competition" bietet die Grundlage dafür, daß die Wettbewerbsfreiheit die individuellen ökonomischen Vorteile sichert. Wenn dem so ist, kann es keinen Konflikt zwischen Wettbewerbsfreiheit und "guten ökonomischen Marktergebnissen" geben (Dilemmathese). 123 Dort, wo dies doch der Fall sein sollte, existieren sog. natürliche Wettbewerbsbeschränkungen (z. B. Marktaustrittsschranken, konstante Skaleneffekte), die als Ausnahmebereiche definiert werden. Alle anderen Marktprozesse sind bezüglich ihrer Ergebnisse gesamthaft zu bewerten, wobei auf der Basis von Wettbewerbsfreiheits- oder Marktmachttests eine unangemessene Beschränkung der Autonomie des Individuums festgestellt werden kann. Ansatzpunkte hierfür bilden bestimmte Kriterien für die Erfassung der Dyade von Nachfragern und Anbietern (Austauschprozesse; z. B. Kreuzpreiselastizität, Flexibilität der Nachfrager) und des Verhaltens von Anbietern gegenüber derzeitigen und potentiellen Wettbewerbern (Parallelprozesse ; Marktabschonung mit Hilfe technologischer Vorkehrungen usw.). 124 Stellt man fest, daß eine Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit vorliegt, muß auf politischer Ebene darüber befunden werden, ob diese beseitigt oder als Ausnahmebereich definiert werden soll.
Hoppmann unterscheidet zwischen Marktunvollkommenheit (z. B. unvollständige Information, Präferenzen, Produktdifferenzierung), die zwar Marktmacht schaffen kann, aber notwendige Begleiterscheinung eines evolutorischen Wettbewerbsprozesses bildet, und Verhinderung von Wettbewerb. Letzteres gilt es zu vermeiden, indem der Zugang zu Ressourcen freigehalten und unzulässiger Zwang, den Unternehmen auf andere Anbieter ausüben, sanktioniert werden. 125 Da ohne Marktzutrittsschranken der Wettbewerb unendlich andauert, sind Marktergebnisse in bezug auf den Gesamtmarkt oder Teilsegmente weder vorhersagbar noch von Erkenntniswert zur Beantwortung der Frage, welcher Grad an Wettbewerbsfreiheit "optimal" ist. Wichtig erscheint vielmehr, daß freier Marktzugang herrscht, weil sonst der "spirit of competition" beeinträchtigt wird. Die Wissenschaft sollte sich demzufolge vor allem mit Marktzutrittsbarrieren und Möglichkeiten zu deren Beseitigung beschäftigen. Im Hoppmannschen Sinne wäre die Internationalisierung des Einzelhandels zunächst als Vorstoß zur Erlangung individueller Vorteile zu betrachten. In dem Maße, in dem die Konkurrenten solch eines Unternehmens im Heimatmarkt und in den Auslandsmärkten darauf reagieren, kommen die betroffenen Volkswirtschaften in den Genuß der wohlstandssteigemden Impulse der Intemationalisierung. 126 Die landesspezifischen rechtlichen Normen stellen dabei künstliche Wettbewerbsbe123 124 12s
126
Aberle (1992), S. 38. Vgl. hierzu auch Schenk (1991 ), S. 533 f. Vgl. Hoppmann (1977), S. 13 ff. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 2.1.1. in diesem Kapitel.
7 Lingenfelder
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
98
schränkungen dar, welche die Wettbewerbsfreiheit begrenzen. Offenbar waren diese in Kombination mit anderen Faktoren (u.a. vorhandenes Marktpotential im Inland, für ein systematisches Auslandsengagement unzureichende Unternehmensgröße) bis Ende der 80er Jahre in der Lage, den Lebensmitteleinzelhandel von einer nennenswerten Betätigung auf Märkten im europäischen Ausland abzuhalten.'27 Vor dem Hintergrund des seit Anfang der 90er Jahre bei vielen Handelsunternehmen dramatisch beschleunigten Expansionstempos kann davon ausgegangen werden, daß zumindest bis Mitte der 90er Jahre das Marktverhalten europäischer Handelsunternehmen durch den "spirit of competition" determiniert ist. Jedoch werfen vor allem folgende Trends mit Blick auf das Konzept der Wettbewerbsfreiheit Probleme auf: (a) Durch die auf den Absatzmarkt bezogene Internationalisierung werden, sofern damit eine Verkaufsstellenexpansion einhergeht, Standorte besetzt und somit der Marktzugang für potentielle Wettbewerber wenn nicht verhindert, so doch wesentlich erschwert. Zusätzlich binden die internationale Beschaffungspolitik und die größeren Einkaufsvolumina von international tätigen Einzelhandelsbetrieben Beschaffungsquellen bzw. Produktionskapazität der Hersteller, und zwar in der Regel durch langfristige vertragliche Vereinbarung. Für neu in den Markt strebende selbständige Absatzmittler wird es damit immer schwieriger, attraktive Bezugsquellen zu erschließen und etablierte Beschaffungsbeziehungen aufzubrechen, was die Freiheit des Marktzugangs beeinträchtigt. (b) Herausbildung und Zunahme der Marktbedeutung von europaweit agierenden strategischen Allianzen können den Wettbewerb zwischen Handelsunternehmen erlahmen lassen; denn möglicherweise verlagert sich dieser immer mehr von Unternehmen auf kooperative Gebilde. Die Wahrscheinlichkeit für die Substitution des Unternehmenswettbewerbs durch einen Allianzenwettbewerb steigt in dem Maße, in dem Kooperationen nicht als Nachteilsausgleich relativ kleiner Absatzmittler fungieren, sondern von den großen europäischen Handelsunternehmen beherrscht und gesteuert werden. Dann wäre der Eintritt in den europäischen Markt für einen Anbieter faktisch nur als Mitglied einer europäischen Handelskooperation möglich. Die Modalitäten der Aufnahme in eine derartige Euro-Kooperation müßten bei einer solchen Entwicklung daher zweifellos im Hinblick auf ihre wettbewerbsbeschränkende Wirkung detailliert kontrolliert werden. (c) Ein in einen Markt eintretender Anbieterbenötigt aus Kostengründen in relativ kurzer Zeit ein entsprechendes Umsatzvolumen, um in die Gewinnzone zu gelangen.128 Expertenschätzungen zufolge belaufen sich das Break even-Umsatzvolumen für die Abdeckung eines Marktes in der Größe der Bundesrepublik Deutschland auf etwa zehn Mrd. DM und das einer Region vergleichbar Baden-WürttemVgl. Kapitel 1., Abschn. 3. Dies ist notwendig, um einerseits die anfallenden Logistikkosten decken und andererseits attraktive Beschaffungskonditionen fordern zu können. 121
128
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berg auf ca. zwei Mrd. DM. 129 Der Zwang, einen Marktanteil entsprechender Größenordnung rasch erobern zu müssen, stellt fraglos eine faktische Marktzutrittsbarriere dar. Ein Marktverhaltenstest auf der Ebene der Parallelprozesse sollte folglich vor allem die unter (a) und (b) geschilderten Sachverhalte berücksichtigen. Die zwischen Herstellern und Handelsbetrieben sowie Handelsbetrieben und Verbrauchern ablaufenden Austauschprozesse 130 wären sowohl auf europäischer als auch auf ländermarkt- bzw. regionenbezogener Ebene mit Blick auf Existenz und Wirkung von wettbewerbsbeschränkendem Verhalten europaweit agierender Handelsunternehmen zu analysieren. Damit ist fraglos ein weit gravierenderes Datenbeschaffungsproblem als bei der Prüfung der europäischen Parallelprozesse verknüpft. Anhänger der Konzeption der Wettbewerbsfreiheit sollten daher zunächst ihr Augenmerk auf die Parallelprozesse richten, zumal eine Beschränkung auf dieser Ebene auch die Handlungsautonomie im Austauschprozeß einengt. (2) Chicago School ofAntitrust Analysis
Den Kern des wettbewerbstheoretischen Ansatzes der Chicago School of Antitrust Analysis bildet die Überlegung, daß die Marktstruktur nicht exogen vorliegt, 131 sondern aus einem Selektionsprozeß resultiert, bei dem lediglich die leistungsfähigsten Unternehmen überleben. 132 Folglich ist eine Marktstruktur immer dann effizient, wenn sie sich ohne Reglementierung durch den Staat im Wettbewerbsprozeß herausbilden kann. Daher stellt die Existenz hochkonzentrierter Märkte und großer, multinationaler Unternehmen keine Gefahr für den Wettbewerb dar, sondern schafft vielmehr eine Voraussetzung für die Erzielung ökonomischer Effizienz; denn ein hoher Konzentrationsgrad kommt nur durch ein aggressives Marktverhalten mit Preisen nahe der langfristigen Stückkostenkurve zustande. Das Credo der Chicago School of Antitrust Analysis gipfelt somit in der Empfehlung, daß sich der Staat wettbewerbspolitisch abstinent verhalten solle. Es gibt auch keine Veranlassung, das Marktverhalten gerade von größeren Unternehmen auf bestimmte Marktergebnisse oder übergeordnete wirtschaftspolitische Ziele 133 129 Vgl. Lübbert (1992), S. 113. Diesen Schätzungen liegen eine Umsatzrendite von ca. 2% und eine für den filialisierten deutschen Lebensmittelhandel übliche Kostenstruktur zugrunde. Insofern können die Break even-Werte für andere Länder bzw. Regionen und Organisationsformen davon beträchtlich abweichen. 130 Im Austauschprozeß kommen Akteure unterschiedlicher Wirtschaftsstufen miteinander in Berührung, während der Parallelprozeß die Interaktion von Mitgliedern einer Marktstufe (z. B. Handelsbetriebe) bezeichnet. Vgl. Mantzavinos (1994), S. 159f. 131 Bei den Workability-Konzepten wird die Marktstruktur als unabhängige Variable betrachtet. 132 Vgl. hierzu Fritz (1990), S. 495 f., und die dort zitierte Literatur. 133 Das alleinige Ziel der Wettbewerbspolitik sollte in der Maximierung der Konsumentenwohlfahrt bestehen. Dabei wird angenommen, daß jegliches Wettbewerbsverhalten den Verbrauchern zum Vorteil gereicht, eine Prämisse, die sicher nicht der Realität entspricht.
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hin zu prüfen. Geradezu erwünscht, weil Ausdruck ökonomischer Effizienz, sind Preisaggressivität, Nutzung von Economies of large scale-Effekt, Übernahme von Unternehmen sowie andere, auf die Ausschaltung von Konkurrenten und damit das Wohl der Konsumenten gerichtete Maßnahmen. Macht man sich diese Sichtweise zu eigen, so ergeben sich vor allem drei Anknüpfungspunkte für eine wettbewerbstheoretische Beurteilung der Internationalisierung des Handels: (a) Zunächst spielt dabei die evolutionstheoretisch begründete Vorstellung eine Rolle, den Wettbewerb als Selektionsprozeß zu begreifen. Im Ausland erfolgreiche Handelsbetriebe haben es demgemäß verstanden, sich den jeweils geltenden Umweltbedingungen anzupassen. Die Internationalisierung verstärkt somit den Selektionsdruck und erhöht die ökonomische Effizienz der im Markt verbleibenden Anbieter. Damit einhergehend führt die grenzüberschreitende Betätigung dazu, daß Handelsbetriebe in den verschiedenen Ländermärkten Erfahrung sammeln und diese je nach unternehmensindividueller Lern- sowie Anpassungsfähigkeit nutzen. In diesem Sinne wäre jede Auslandstätigkeit ein v. Hayekscher Entdeckungsprozeß. 134 Enge Verbindung weist dieser Ansatz zur Theorie von Caves auf, deren Grundlage darin besteht, daß Unvollkommenheit auf dem sog. Markt für Produktkenntnisse besteht und Verbraucher in verschiedenen Ländern bzw. Regionen unterschiedliche Anforderungen an ein Gut stellen. Ein Anbieter mit speziellen Produktkenntnissen ist bei grenzüberschreitender Tatigkeit aufgrund seines reichhaltigeren Verhaltens- bzw. Problemlösungsrepertoires in der Lage, seine Produkte verschiedenartigen Nachfragerpräferenzen anzupassen. 135 Betrachtet man hier nun nicht Produktkenntnisse, sondern Wissen in bezug auf die Gestaltung und Positionierung von Betriebstypen, so dient die Internationalisierung der länderübergreifenden Vermarktung von Know-how hinsichtlich des Managements von Betriebstypen.
(b) Das mit der Internationalisierung einhergehende interne und/oder externe Wachstum läßt größere Handelsbetriebe entstehen, die gemäß der Chicago School die Nachfragerbedürfnisse besser zu befriedigen vermögen als lediglich in einem Land tätige und daher wahrscheinlich kleinere Einzelhandelsunternehmen. (c) Für die Wettbewerbspolitik auf nationaler oder europäischer Ebene liegt überhaupt keine Veranlassung vor, in den Internationalisierungsprozeß des institutionellen Handels einzugreifen. Daß sich größere Anbieter herausbilden und aggressives Wettbewerbsverhalten vorherrscht, ist im Interesse der Erreichung höherer Effizienz im Distributionssystem unvermeidlich. (3) New Austrian School
Vertreter dieser Denkrichtung, die auch als Theorie des Unternehmertums bezeichnet werden kann, fordern gleichfalls, daß sich der Staat jeglicher Wettbe134 135
Vgl. v. Hayek (1969), S. 249 ff. Vgl. Caves (1971), S. 5 ff.
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werbspolitik enthält. 136 Da bestimmte Marktergebnisse weder vorhersehbar noch beeinflußbar sind, können lediglich allgemeine Aussagen über die Struktur bzw. das Muster von Wettbewerbsprozessen gemacht werden. Vor dem Hintergrund des von dynamischen, kreativen Unternehmern in Gang gehaltenen Wettbewerbs lehnt die Neue Österreichische Schule jeden Versuch ab, den Marktprozeß empirisch zu ergründen. Unternehmer im Schumpeterschen Sinne nehmen folglich die Schlüsselrolle in diesem wettbewerbstheoretischen Konzept ein. Da sich jedoch gerade größere Anbieter durch eine Trennung von Eigentum und Leitung auszeichnen, sollten die Principal-Agent-Theorie und deren Einfluß auf die Wettbewerbsfunktion von Unternehmern in die Theorie des Unternehmertums integriert werden. 137 So erscheint es durchaus denkbar, daß von Managern geführte Handelsbetriebe deswegen nicht oder nur zögerlich Direktinvestitionen im Ausland tätigen, weil das Management die kurz- bis mittelfristige Beeinträchtigung der Rentabilität, die damit einherginge, gegenüber den Eigentümern nicht rechtfertigen kann bzw. will. Abgesehen von der Akzentuierung der Rolle von kreativen Unternehmern leistet dieser Ansatz jedoch keinen entscheidenden Beitrag zur theoretischen Fundierung der Internationalisierung im Einzelhandel. Den zweiten Pfeiler der Wettbewerbstheorien, der für die Zwecke dieser Untersuchung näher beleuchtet werden soll, bilden Konzepte, die auf das Konstrukt des funktionsfähigen Wettbewerbs rekurrieren (vgl. Abb. 2. 7.). 138 Von den Vertretern dieser Forschungsrichtung wird die "workability" von Marktprozessen unterschiedlich definiert. Im wesentlichen variieren diese Ansätze hinsichtlich Art und Anzahl der Kriterien, die zur Analyse des realen wettbewerbliehen Geschehens herangezogen werden. 139 Jedoch fußen alle auf dem Marktstruktur-Marktverhaltens-Marktergebnis-Paradigma und der zwischen dessen Elementen postulierten Interdependenz. 140
Wegen seiner hohen wettbewerbspolitischen Bedeutung und der Relevanz für die Praxis wird im folgenden das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität von Kantzenbach erörtert. Dieser operationalisiert das Konstrukt Funktionsfähigkeit durch folgende statischen und dynamischen Dimensionen: 141 - Schaffung einer marktleistungsbedingten Einkommensverteilung, 136 Vgl. u.a. Kirzner (1978), S. 79 ff. Zu zentralen Meinungsunterschieden, die zwischen der Neuen Österreichischen Schule und den anderen Neo-Klassikern bestehen, vgl. FehV Sehreiter (1993), S. 283f.; Kirzner (1978), S. 72ff. 137 Vgl. Bergen!Dutta!Walker (1992), S. 1 ff.; Pratt/Zeckhauser (1985). 138 Wegen der Realitätsferne der nur preistheoretischen Analyse von Wettbewerbsprozessen hat Clark dieses Konstrukt in die Diskussion eingeführt. Vgl. Clark (1940), S. 241 ff. Zur Entwicklung des Workability-Ansatzes siehe Hoppmann (1967), S. 151 ff. 139 V gl. die Aufzählung von Kriterien bei Scherer/Ross ( 1990), S. 53 f. 140 Siehe hierzu beispielsweise Hoppmann (1967), S. 156ff. 141 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Kautzenbach (1967), S. 16ff.
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- Zusammensetzung und Verteilung des Angebots gemäß den Käuferpräferenzen, Lenkung der Produktionsfaktoren in ihre produktivsten Einsatzmöglichkeiten, - flexible Anpassung der Produktion an sich ändernde Nachfragebedingungen und Technologie sowie Beschleunigung der Durchsetzung des technischen Fortschritts. Da Kantzenbach damit im wesentlichen auf Marktergebnisse abstellt, zählt er zu denjenigen, die der Effizienz des Wettbewerbsprozesses einen besonderen Stellenwert einräumen. Die Wettbewerbsintensität ist seiner Auffassung zufolge dann optimal, wenn die oben genannten Funktionen erfüllt sind. Das wiederum gewährleistet am besten ein weites Oligopol, d. h. das Vorhandensein einiger größerer, marktmächtiger Anbieter, die differenzierte Produkte offerieren und keine vollkommene Markttransparenz besitzen. Bei einer solchen Marktstruktur werden der Wohlstand und der technologische Fortschritt langfristig gesichert. 142 Wettbewerbsbeschränkung hält Kantzenbach für zulässig, allerdings nur dann, wenn sie zur dynamischen Effizienz des Wettbewerbs in Gestalt der Anpassungsflexibilität und des technischen Fortschritts beiträgt. 143 Nach Kantzenbach kommt die Intensität des Wettbewerbsprozesses in der Geschwindigkeit zum Ausdruck, mit der Innovationsgewinne durch den Anpassungsprozeß aufgezehrt werden. Die zentrale Ursache für das Nachahmen von Neuheiten stellt die Existenzgefährdung der betroffenen Anbieter dar. Diese steigt mit Zunahme der Oligopolistischen Interdependenz. Nachfragebeweglichkeit, Anzahl der Anbieter und Kapazitätsauslastung determinieren das Ausmaß der Reaktionsverbundenheit und verkörpern daher die Schlüsselfaktoren für die politische Steuerung der Wettbewerbsintensität.
Mit Blick auf den europäischen Einzelhandel garantiert folglich ein zahlenmäßig nicht näher bestimmbares weites Oligopol die Marktform mit der optimalen Wettbewerbsintensität Unter der Prämisse, daß eine solche Struktur auch in regionalen Teilmärkten zustande kommt, wäre somit das Ausscheiden von zahlreichen Handelsunternehmen aus dem europäischen Markt wünschenswert. Aufgrund der europäischen Dimension des Betätigungfeldes kann man realistischerweise nicht davon ausgehen, daß Einzelhandelsbetriebe vollkommene Transparenz über das Marktverhalten ihrer Konkurrenten, der Nachfrager und der Hersteller erlangen werden. Da zudem ein wesentlicher Teil der Leistung eines Handelsbetriebes in der von diesem verfolgten Betriebstypenpolitik besteht, erscheint auch die Heterogenität des Angebots gesichert. Bejaht man die Transferierbarkeit des Kantzenbachschen Ansatzes auf die Europäisierung des Einzelhandels, so sollten möglichst viele Handelsbetriebe über Ländergrenzen hinweg tätig werden. Dies böte die Gewähr für die Herausbildung eines weiten Oligopols, innerhalb dessen der Wettbewerb künftig stattfindet. 144 Jede Handlungsweise, die dann den 142 143
Vgl. Kantzenbach (1967), S. 44f. Vgl. hierzu Potucek (1987a), S. 53 ff.
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Wettbewerb beschränkt, muß im Einzelfall auf ihre Wirkung hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs geprüft und gegebenenfalls verboten werden. 145 Sowohl die neoklassischen Wettbewerbstheorien als auch die Workability-Konzepte wurden u.a. von Galbraith wegen der weitgehenden Vernachlässigung von Macht, sei es in Form von Anbieter- oder von Nachfragemacht, kritisiert. 146 Gerade er hat durch sein Konzept der Countervailing Power den Wettbewerbstheorien eine neue Dimension eröffnet. 147 Danach erhöht die Konzentration auf einer Marktstufe die Marktmacht einer immer kleineren Anzahl von Anbietern. Ab einem bestimmten Konzentrationsgrad, der allgemeingültig nicht bestimmbar ist, erliegt der Wettbewerb, so daß die Marktmacht nur durch die Entstehung eines kompensatorischen Machtpotentials auf der Marktgegenseite (horizontal und/oder vertikal) begrenzt werden kann. Die zentrale These von Galbraith lautet, daß in einem Oligopol zwischen den Anbietern kein Wettbewerb herrscht. Diese versucht er durch eine Fülle von Beispielen zu untermauern, im Rahmen deren Schilderung er u.a. auch auf den Konzentrationsprozeß im Handel eingeht. 148 Die Strategie der Internationalisierung von Handelsbetrieben führt demnach insofern zur Machtkumulation auf der Distributionsstufe, als damit die Anzahl von Einzelhandelsunternehmen in Europa verringert wird. Im Sinne der Theorie der Gegenmacht läßt sich das Streben nach größerer Marktbedeutung vor dem Hintergrund folgender unterschiedlicher Machtrelationen zwischen der Produzenten- und Distributionsstufe erklären: Einzelhandelsunternehmen treiben die Internationalisierung voran, um den Machtvorsprung von Herstellern aufzuholen. In einer (lediglich kurzen) Phase der Machtbalance strebt eine Seite danach, sich einen Vorteil im vertikalen Distributionsgefüge zu verschaffen. Die grenzüberschreitende Betätigung von Einzelhandelsbetrieben stellt somit einen den Wettbewerbsprozeß anregenden Vorstoß dar, auf den die Hersteller mit geeigneten Strategien reagieren müssen. Und schließlich verbleibt als dritte Möglichkeit, daß die Ausweitung des geographischen Aktionsradius Handelsbetrieben dazu dient, ihren Vorsprung an Macht gegenüber Herstellern weiter auszubauen. 149 144 Die Problematik des Marktzutritts klammert Kantzenbach aus seinen Überlegungen aus. Zu weiteren Kritikpunkten an dem Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs siehe Aberle (1992), S. 36. 145 Vgl. hierzu auch die Ausführungen im 3. Kapitel, Abschn. 1.1.1.1. 146 Macht spielt in dem Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität nur dann eine Rolle, wenn es zu einer weiteren Verringerung der Anbieterzabi in engen Oligopolen kommt. Dann tritt an die Stelle wirtschaftlicher Leistung als Selektionskriterium zunehmend der Aspekt der wirtschaftlichen Macht. Vgl. Kantzenbach (1967}, S. 45. 147 Vgl. Galbraith (1952). 148 Vgl. Galbraith (1987).
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Gemäß dem Konzept der Countervailing Power wird es zu einem Aufschaukeln von Marktmacht zwischen Herstellern und Handelsunternehmen kommen. Diese Machtspirale kann dann durchbrachen werden, wenn neue Anbieter in den Markt eintreten, die etablierten Handelsunternehmen Kunden z. B. durch eine innovative Betriebstypenkonzeption streitig machen. Da es plausiblerweise immer schwieriger wird, eine solche Innovationsstrategie zu verfolgen, wenn attraktive Standorte in ganz Europa von einigen wenigen Handelsunternehmen belegt sind, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Endstufe des Wettbewerbs in Europa ein zweiseitiges enges Oligopol sein wird. 150 Daß aufgrund der Ausweitung der Geschäftstätigkeit von Handelsbetrieben mittel- bis langfristig die Anzahl frei verfügbarer attraktiver Standorte zurückgeht, ist für den Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels unmittelbar einsichtig. 151 Ob die in diesem Bereich tätigen Unternehmen künftig einem spürbaren Wettbewerb durch die Anbieter des, wie 1ietz ihn bezeichnet, Nichtladenhandels ausgesetzt sind, erscheint zumindest auf der Basis der geringen Marktbedeutung der dazu zählenden Betriebstypen (Automatenhandel, Horne shopping, Zustelldienste etc.) eher zweifelhaft. 152 Bei einer solchen Entwicklung wird es im Sinne des Gegenmachtansatzes u.a. wichtig sein, die bislang weitgehend nur national tätigen Organisationen des Verbraucherschutzes zu europäisch agierenden Institutionen auszubauen. 153 Erst dann könnte Widerspruch von Verbrauchern gegen für sie nachteilige Praktiken in geeigneter Form geäußert werden und bei den europaweit agierenden Handelsbetrieben und Herstellern auf Gehör stoßen. Eine weitere Kategorie von wettbewerbstheoretischen Konzepten stellen sog. neuere Ansätze dar, wie z. B. die Theorie der Contestahle Markets und die Informationsökonomik.154 Erstere kann keinen nennenswerten Beitrag zu einer Theorie der Internationalisierung von Handelsbetrieben leisten, da im Einzelhandel Hitand-Run-Aktionen zu erheblichen Kosten für den Marktzutritt und -austritt führen würden. 155 149 Im 3. Kapitel, Abschn. 1.1.2.2., wird versucht zu ergründen, ob die Internationalisierung von Einzelhandelsbetrieben gegenmachttheoretisch fundiert werden kann und welche dieser hier angebotenen drei Erklärungen am plausibelsten erscheint. 150 Eine relativ kleine Anzahl von Herstellern und Einzelhandelsbetrieben würde dann den Markt für Nahrungs- und Genußmittel beherrschen und überließe unrentable Teilsegmente (bestimmte Regionen, Produktgruppen bzw. Produkte) kleineren Produzenten und Handelsbetrieben. 151 Vgl. hierzu auch Potucek (1987a), S. 307 f., S. 317 ff. und S. 320f. 1s2 Vgl. Tietz (1992a), S. 373ff. 153 Ähnlich Tietz (1993a), S. 355 f. Der Dachverband der europäischen Verbraucherschutzorganisationen, Bureau Europeenne des Unions des Consommateurs (BEUC), Brüssel, hat es bis 1995 nicht verstanden, aus dem Schatten der nationalen Institutionen herauszutreten. 154 Vgl. Abb. 2.7. 155 Vgl. hierzu Baumol (1982), S. 3 ff.; Fehl (1985), S. 29 ff. Der völlig freie und kostenlose Eintritt sowie Austritt stellen eine wichtige Prämisse der Perfectly Contestahle Markets
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Unter Verwendung spezifischer Prämissen leitet Baumol ab, daß sich ein paretooptimales Marktergebnis unabhängig von der herrschenden Marktform einstellt. Dieses wird inuner dann realisiert, wenn u.a. folgende Bedingungen vorliegen: Fehlen von Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren, Identität der Ausstattung mit Produktionsfaktoren bei allen Anbietern, Abwesenheit von Präferenzen der Nachfrager gegenüber bestirrunten Anbietern, Bestehen einer unendlichen Preiselastizität der Nachfrage und - Vorliegen eines Reaktionsvorsprungs bei potentiellen Konkurrenten in bezug auf die Preisstellung. Die Theorie der Contestahle Markets geht somit von vollkonunen informierten Akteuren aus. Das entspricht bekanntlich nicht der Realität. Bereits potentielle Konkurrenz wirkt gemäß Baumol verhaltensregulierend; denn die Anbieter müssen einen Eintritt von Wettbewerbern in den Markt dann befürchten, wenn das herrschende Preisniveau und die Zeit, die unter Konkurrenzgesichtspunkten zur Amortisation der Marktzutrittskosten zur Verfügung steht, einen Eintrittsversuch lohnend erscheinen lassen. Speziell im Lebensmitteleinzelhandel verursachen der Eintritt in einen und der Austritt aus einem Ländermarkt erhebliche Kosten. Man denke dabei nur an die für Raum, Personal, Informationstechnik, Logistik etc. anfallenden Aufwendungen. Diese stellen groBteils "sunk costs" dar und beeinflussen somit bereits im Markt etablierte Anbieter nicht mehr bei ihren Entscheidungen. Marktneulinge müssen diese Kosten jedoch in ihr Kalkül einbeziehen, wobei diese um so eher amortisiert werden können, je länger der Zustand anhält, daß die inländischen Handelsbetriebe auf das Auslandsengagement nicht reagieren. Die Frage der Amortisierbarkeit von Markteintritts-, Marktbearbeitungs- und Marktaustrittskosten hängt eng mit dem Erlös zusanunen; denn die Durchschnittskosten werden um so kleiner, je höher das innerhalb einer möglichst kurzen Zeitspanne erzielbare Umsatzvolumen ist. Der Lebensmitteleinzelhandel bildet daher keinen für die von Baumol beschriebenen Hit and run-Aktionen typischen AnwendungsfalL Allerdings bietet die Berücksichtigung der Variablen Kosten, die bei der Überwindung von Marktbarrieren entstehen, herrschendes Preisniveau und Reaktionszeit der im Markt befindlichen Anbieter möglicherweise eine Erklärung dafür, warum sich die genannte Strategie in manchen Ländern eines sehr kleinen und in anderen eines sehr großen Zuspruchs erfreut. dar. Je teurer Ein- und/oder Austritt werden, desto weniger kann von einem bestreitbaren Markt im Sinne Baumols gesprochen werden. Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1993), S. 143.
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Danach wäre eine intensive grenzüberschreitende Betätigung zu begründen mit - niedrigen Markteintrittskosten, - hohem Preisniveau (bei im Vergleich zum Stammland gleichwertigem oder niedrigerem Kostenniveau) sowie - langer Reaktionszeit der im Zielmarkt ansässigen Handelsuntemehmen.
Mit Hilfe verschiedener informationsökonomischer Ansätze versucht die neuere Preistheorie in ihren Modellen unvollkommene Information, Unsicherheit und begrenzte Rationalität der Marktteilnebmer abzubilden. Damit ist auch der Weg für die Berücksichtigung von Transaktionskosten geebnet. 156 Eine besondere Rolle für die Erklärung wettbewerbliehen Verhaltens spielt in diesem Kontext das Signaling. 157 Dabei geht es darum, ökonomisch zu ergründen, weshalb Anbieter Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, den lnteraktionsprozeß zwischen Sender und Empfänger von Informationen in einer von ersterem beabsichtigten Weise zu beeinflussen. Hierzu zählen neben Werbung 158 nicht dem Bereich der direkten Kommunikation zuzurechnende Maßnahmen, wie z. B. Gewährung von Garantien, Niedrigpreispolitik und spezielle Verhaltensweisen gegenüber anderen Anbietern. Im Rahmen des Chain-Store-Paradoxon liegt eine spieltheoretisch begründete Anwendung des Signaling für den Bereich des institutionellen Handels vor. 159 Das gezielte Aussenden von Informationen spielt in bezug auf den lnternationalisierungsprozeß vor allem in folgenden Bereichen eine Rolle: - Abwehr eines potentiellen ausländischen Eindringlings in den nationalen Markt, Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Euro-Kooperation, Aufbau von Reputation insbesondere bei ausländischen Nachfragern und Lieferanten sowie Einwirkung auf im Heimmarkt etablierte ausländische Handelsunternehmen mit dem Ziel, diese zu einem bestimmten Marktverhalten (Vermeidung von ruinösen Preiskämpfen und Herbeiführung eines ganz bestimmten Parallelverhaltens etc.) zu bewegen. In allen diesen Fällen geht es darum, Glaubwürdigkeit zu erlangen und zu demonstrieren, sei es durch Drohung oder sei es durch entsprechendes Marktverhalten. 160 Der Erfolg des Signaling eines Handelsunternehmens hängt einerseits von der Wirkung dieser Maßnahmen auf das Verhalten der Marktteilnehmer und andeDie Transaktionskostentheorie steht in Abschn. 2.2.4. dieses Kapitels zur Diskussion. Vgl. Spence (1973), S. 355 ff. 158 Vgl. z. B. Conrad (1982), S. 680ff. 159 Vgl. hierzu Illing (1990), S. 563 ff. Griebe! (1982) fundiert die Binnenhandelstheorie spieltheoretisch. 160 Beispielsweise kann damit glaubwürdig gedroht werden, daß "Iimit pricing" betrieben wird. Vgl. Heuß (1982), S. 276ff. 156 157
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rerseits von der Differenz zwischen der mit dem Informieren einhergehenden Gewinnschmälerung und derjenigen Gewinnreduktion ab, die ohne diese Aktivität vermutlich vorhanden wäre. 161 Bei der Entscheidung eines Handelsbetriebs, ob er Signaling betreiben soll, spielt die Erwartung eine zentrale Rolle, inwiefern mit den Informationssignalen die gewünschte Verhaltenswirkung bei dem Empfänger bzw. den Empfängern eintritt. Darüber hinaus kommt dem jeweiligen Planungshorizont von Signalgeber und -empfänger große Bedeutung zu.
Gemäß der dynamischen Limitpreis-Theorie hängt der Marktzutritt von der erwarteten Profitabilität ab; diese wiederum wird durch die Kostenpositionen der etablierten und der neuen Wettbewerber determiniert. Da ein Newcomer nur seine eigene Kostenstruktur kennt, ist er bezüglich seiner relativen Kostenposition unvollkommen informiert. Aufgrund von Beobachtungen und Erfahrung sowie vor allem einer Analyse des Preisverhaltens der etablierten Handelsbetriebe bildet sich der potentielle Newcomer ein Urteil über seine Wettbewerbsfähigkeit im anvisierten Markt. Da die etablierten Handelsunternehmen dies erkennen, neigen sie dazu, bewußt suboptimale Preise zu setzen und im Vorfeld des Markteintritts des Newcomers weitere Kampfmaßnahmen zu ergreifen. 162 Solche Verhaltensweisen bestehen z. B. in strategischen Investitionen, die Reservekapazität entstehen lassen,163 im Aufkauf von Eindringlingen und in der Erhöhung der Kosten des Newcomers (z. B. erhebliche Steigerung der Werbeaufwendungen). 164 Üblicherweise trennt man Markteintrittsbarrieren in strukturelle Bedingungen, die auf einem Markt herrschen (z. B. Economies of !arge scale und politisch-rechtliche Barrieren), und strategisches Marktverhalten (Preispolitik etc.), das etablierte Unternehmen praktizieren, um den Zutritt von Newcomern zu erschweren oder zu verhindern. Die Aufwendungen für strategisches Marktverhalten müssen um so höher sein, je niedriger die strukturellen Marktbarrieren sind, will ein Anbieter einem Newcomer den Eintritt versperren. 165
Bei jeder Form des Signaling müssen die Absatz- und die Beschaffungsseite von Handelsunternehmen berücksichtigt werden; denn beispielsweise könnte ein Vorgehen, das auf die Abwehr des Eintritts eines ausländischen Konkurrenten zielt, von der Öffentlichkeit und den Verbrauchern als Zeichen dafür interpretiert werden, daß der Sender preislich und/oder leistungsmäßig dem ausländischen Wettbewerber unterlegen ist. Ein derart konterkarierendes Signaling würde dann im Sinne 161 Jedes Signaling verursacht Kosten und schmälert dadurch c.p. den Gewinn. Ob die Informationskosten die Gewinnreduktion, die z. B. mit dem Markteintritt eines ausländischen Handelsunternehmens einhergeht, übersteigen, muß im Einzelfall geprüft werden. 162 Vgl. Graumann (1993b), S. 502ff. 163 Zum Kapazitätswettbewerb ohne und mit Markteintrittskosten vgl. Pfahler/Wiese (1993), s. 726ff. 164 Dies kann mittels einer Blockade von nationalen Beschaffungsquellen versucht werden. 165 Schewe (1993), S. 344 ff., insbesondere S. 346, berichtet von 35 empirischen Studien, die sich mit der Wirkung von Markteintrittsbarrieren befassen.
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des von der Sozialpsychologie beschriebenen Bumerang-Effektes wie ein Werbeprogramm für den Eindringling wirken, der, dieser ungewollten Unterstützung bewußt, die Aufwendungen für die Markterschließung senken und damit Kosten sparen könnte. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der in diesem Abschnitt herangezogenen Konzepte verwundert es nicht, daß sich teilweise widersprüchliche wettbewerbstheoretisch begründbare Ursachen und Konsequenzen des Internationalisierungsprozesses im Einzelhandel feststellen ließen. Es wird der Branchenanalyse im 3. Kapitel vorbehalten bleiben zu prüfen, welche der in diesem Abschnitt referierten Ansätze die größte Affinität zur Praxis aufweisen. Dem sollen folgende generelle Vermutungen und Hypothesen zugrunde liegen: (1) Die Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel stellt einen Vorstoß im wettbewerbstheoretischen Sinn dar, der belegt, daß bei den Akteuren ein "spirit of competition" herrscht. (2) Im Zuge der Zunahme von Internationalisierungsaktivitäten wird der freie Zutritt zu Einzelhandelsmärkten immer mehr eingeschränkt. Newcomer werden es daher künftig schwerer haben, sich im europäischen Lebensmitteleinzelhandel erfolgreich zu etablieren. (3) Herausbildung und Zunahme der Marktbedeutung von europäischen strategischen Allianzen lassen dann den Wettbewerb erlahmen, wenn diese von einigen wenigen Handelsunternehmen beherrscht werden. (4) Die grenzüberschreitende Expansion von Handelsbetrieben löst gemäß dem evolutionstheoretischen Paradigma Selektionsdruck aus, dem sich nur die anpassungsfähigen Unternehmen langfristig werden entziehen können. Die individuelle und organisationale Lern- sowie Anpassungsfähigkeit werden daher über den Erfolg von Handelsbetrieben in den einzelnen europäischen Ländermärkten entscheiden. (5) Mit der Zunahme der Größe von europäischen Handelsbetrieben wird deren Effizienz steigen, wovon die Verbraucher in Form niedriger Preise profitieren werden. (6) Das Ausscheiden von Handelsunternehmen aus dem europäischen Markt bildet bis zu einer nicht bestimmbaren zahlenmäßigen Grenze eine notwendige Begleiterscheinung der Entwicklung eines effizienten europäischen Distributionssystems. (7) Das Streben von Handelsunternehmen nach größerer Bedeutung im europäischen Markt ist gegenmachttheoretisch mit Blick auf die Machtakkumulation auf der Stufe der Produzenten begründbar. (8) Die voranschreitende Internationalisierung im Hersteller- und Handelsbereich wird zu einem Aufschaukeln von Marktmacht im Lebensmittelsektor führen, wobei die so entstehende Machtspirale immer schwieriger durch Ionovatoren zu durchbrechen sein wird.
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(9) In Anlehnung an die Theorie der Contestahle Markets werden Ländermärkte,
die sich durch niedrige Eintrittskosten, ein hohes Preisniveau bei einem mit dem Stammland vergleichbaren oder diesem gegenüber niedrigeren Kostenniveau und eine lange Reaktionszeit der im Markt etablierten Handelsunternehmen auszeichnen, stärker das Ziel von Internationalisierungsbemühungen von Handelsunternehmen darstellen als andere Märkte.
(10) Bei der Abwehr des Marktzutritts von ausländischen Wettbewerbern kommt dem Signaling der inländischen Einzelhandelsbetriebe gegenüber Herstellern, potentiellen Eindringlingen und Verbrauchern eine wichtige strategische Funktion zu, wobei jede Maßnahme direkt oder indirekt alle Marktstufen tangiert und somit eine multidimensionale Wirkung entfaltet.
2.1.4. Die Industrieökonomik Wie Abb. 2.7. verdeutlicht und eingangs des vorangegangenen Abschnitts erläutert, ging die industrieökonomische Forschung aus der Workability-Strömung der Wettbewerbstheorien hervor. Im wesentlichen vollzog sich die Verselbständigung durch die Akzentuierung von - durch Daten der Amtlichen Statistik abgrenzbaren Industriezweigen als Untersuchungsobjekten, - ökonometrischen Analysen und - unternehmensexternen Faktoren als das Marktverhalten prägenden Determinanten.'66 Vor diesem Hintergrund steht in der Theory of Industrial Organization die " ... Analyse industrieller Marktprozesse, nicht aber deren Kennzeichnung in wettbewerblieh oder nicht" im Vordergrund der Bemühungen. 167 Wenn auch mit unterschiedlichen Nuancen, halten alle Vertreter der Industrieökonomie an dem von Mason und Bain begründeten Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma fest. 168 Erst seit Anfang der 80er Jahre wird daran insofern fundamentale Kritik geübt, als manche es für ungeeignet halten, damit die zunehmende Komplexität der modernen Industriewelt adäquat zu erfassen. 169 Böbel und Fritz fassen die wesentlichen Einwände, die gegen die Industrieökonomik vorgebracht werden, zusammen. Dazu zählen u.a. die Statik des Ansatzes, die Überbetonung der Empirie, die Messung einzelner Dimensionen und das hohe Aggregationsniveau der erhobenen Daten. 170 166 167 168 169 170
Vgl. Bain (1968); Scherer/Ross (1990); Tirole (1989). Kaufer (1980), S. 10. Siehe hierzu Böbel (1984), S. 8 ff., und Fritz (1990), S. 494. Vgl. Scherer (1985), S. 3. Vgl. Böbel (1984), S. 9 ff., und Fritz (1990), S. 494.
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Daher versuchen Industrieökonomen in jüngerer Zeit verstärkt, von anderen Forschungszweigen (z. B. Spiel-, Entscheidungs-, Principal-Agent-Theorie) gewonnene Erkenntnisse in ihre Analysen einzubeziehen. Dabei geht es in erster Linie darum, das Marktverhalten von Unternehmen (verfolgte Marketingstrategie usw.) und dessen innerbetriebliche Einflußfaktoren (Struktur unternehmensinterner Entscheidungsprozesse etc.) realitätsnäher als bislang zu ermitteln und hinsichtlich deren Wirkung auf das Marktergebnis zu untersuchen. Je detaillierter dies geschieht, desto deutlicher tritt der Zusammenhang zutage, der zwischen Erfolgsfaktorenstudien auf Branchenebene und der modernen Industrieökonomik besteht. 171 In diesem Kontext ist insbesondere auch auf den sog. ,,resource-based-view" zu verweisen. Hierunter werden sämtliche Ansätze und Modelle verstanden, die den Erfolg einer Unternehmung durch die Existenz und den Einsatz einzigartiger Ressourcen zu erklären versuchen. 172 Vor dem Hintergrund der Prämisse der Ressourcenheterogenität und der sog. Inside-out-Perspektive erlangt eine Unternehmung auf der Basis spezifischer Ressourcen (Technologie, Mitarbeiter etc.; im Einzelhandel konkret z. B. Know-how in bezug auf das Betriebstypenmanagement) eine schwer angreifbare Marktposition, die sich in einem dauerhaften Wettbewerbsvorteil niederschlägt. Wendet man das Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma auf den Bereich des Handels an, 173 so ergeben sich für eine industrieökonomisch angelegte empirische Untersuchung die in Abb. 2.8. enthaltenen Kriteri~n. Wie hieraus unschwer hervorgeht, bestehen Datenerfassungsprobleme vor allem auf der Marktverhaltensebene. Wie sollen beispielsweise Anzahl und Höhe von Preisänderungen auf Artikelebene im Einzelhandel erfaßt und deren Konsequenzen für das Marktergebnis auf regionaler und überregionaler Ebene quantifiziert werden? Zweifellos bedarf es der Festlegung von solchen Dimensionen und Indikatoren (z. B. Anzahl der geHsteten Artikel, Art und Anzahl geführter Warengruppen, Anteil der Handelsmarken am gesamten Sortiment), die geeignet sind, die theoretisch denkbaren Handlungsmöglichkeiten von Handelsunternehmen auf strategischer und instrumenteller Ebene hinreichend abzubilden. Damit wird gleichzeitig das Dilemma einer industrieökonomischen Analyse des Handels deutlich; denn je valider das Marktverhalten von Anbietern operationalisiert wird, desto gravierendere Probleme treten bei der empirischen Messung dieses Konstrukts auf. Vertreter der Industrieökonomik haben sich unserer Kenntnis nach bislang nur vereinzelt mit dem institutionellen Handel befaßt. So untersucht beispielsweise Oberender die Metamorphose des deutschen Lebensmitteleinzelhandels vom m Zur Erfolgsfaktorenforschung vgl. Abschn. 2.2.5. in diesem Kapitel. Vgl. Rasche/Wolfrum (1993) und die dort zitierte Literatur. 173 Sog. ökonomische Basisbedingungen aufseitender Anbieterund Nachfrager (Verfügbarkeit von Technologie, Verlauf von Nachfragezyklen etc.) und deren Einfluß auf die Marktstruktur, das Marktverhalten sowie das Marktergebnis werden nachfolgend vernachlässigt. Vgl. hierzu Porter (1981), S. 616; Scherer/Ross (1990), S. 5. 172
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
Ebene
Kriterium
Markstruktur
Anzahl der Handelsunternehmen, Anzahl der Nachfrager, Grad der Betriebstypendifferenzierung, Marktanteil, Technologiestand, Kostenstruktur, Diversifikationsgrad usw.
Marktverhalten
Internationalisierungsstrategie, Sortimentspolitik, Preispolitik, Ladenlayout, Standortpolitik etc.
Marktergebnis
Preisniveau, Art und Menge des Güterangebots, Gewinn, technischer Fortschritt usw.
111
Abb. 2.8.: Ausgewählte Ausprägungen des Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigmas im Handel
Erfüllungsgehilfen der Hersteller zum selbständigen Akteur am Markt. 174 Die Vernachlässigung dieses Wirtschaftszweiges in der industrieökonomischen Forschung wurzelt u.a. in den im Vergleich zur Industrie größeren Schwierigkeiten, die mit der Schaffung einer verläßlichen Datenbasis verknüpft sind. 175 Da insbesondere Querschnittsuntersuchungen in einem Wirtschaftszweig, der sich durch einen raschen Wandel auszeichnet, einen nur geringen Beitrag zur Erklärung der zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis bestehenden Interdependenzen leisten, beschäftigt sich die empirische Handelsforschung häufig mit einzelnen Phänomenen des Strukturwandels im Handel. 176 Wie Schenk darlegt, bereitet die Erfassung des institutionellen Handels in der Amtlichen Statistik Schwierigkeiten. 177 Insofern fehlt die für Industrieökonomen wichtige Basis für die umfassende ökonometrische Analyse des Handels. Auch der von Scherer propagierte Rekurs auf Unternehmensdaten hilft für eine industrieökonomische Analyse des institutionellen Handels nicht wesentlich weiter. 178 So verweigert eine Reihe von maßgeblichen Handelsbetrieben die MitwirVgl. Oberender (1989), S. 297 ff. Die Geringschätzung des Handels als Forschungsobjekt resultiert sicher auch aus der Entstehungsgeschichte der Theory of lndustrial Organization, die sich von Anfang an auf den Industriebereich konzentrierte. Vgl. Kaufer (1980), S. 18 ff. Darüber hinaus spielt der Beschaffungsmarkt in industrieökonomischen Konzepten so gut wie keine Rolle. Daher erscheint es gerechtfertigt, im folgenden Erkenntnisse der Industrieökonomik ausschließlich in bezug auf die absatzmarktgerichtete Internationalisierung von Einzelhandelsbetrieben zu diskutieren. 176 Vgl. hierzu Tietz (1992b), S. 13 ff. 177 Vgl. Schenk (1991), S. 500 ff. 178 Vgl. Scherer (1985), S. 5. Das PIMS-Forschungsprogramm basiert auf Unternehmensdaten über etwa 3.000 strategische Geschäftsfelder. Weniger als 10% davon betreffen die 174
175
112
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
kung an wissenschaftlichen Studien, und zwar auch dann, wenn Anonymität und Vertraulichkeit der Angaben zugesichert werden. Manche Industrieökonomen wenden sich neuerdings verstärkt dem von Caves und Porter entwickelten Konzept der strategischen Gruppe zu. 179 Danach verkörpern Unternehmen, die die gleiche oder eine ähnliche Strategie in einem Wirtschaftszweig verfolgen, eine strategische Gruppe. Je höher die Barrieren sind, die bei einer Strategieänderung und damit einem Wechsel eines Unternehmens von einem Cluster zu einem anderen überwunden werden müssen, desto größer ist c.p. das Gewinnpotential der Mitglieder der strategischen Gruppe. 180 Der Schutz vor Nachahmung durch Newcomer, der in den Mobilitätsbarrieren zum Ausdruck kommt, erklärt auch die mittel- bis langfristige Varianz der Gewinne von Anbietern in einem Wirtschaftszweig. Darüber hinaus hat seit Vorliegen einer Studie von Hunt die These an Befürwortern gefunden, daß eine hohe Anbieterkonzentration in einem Wirtschaftszweig dann zu einer niedrigen Rentabilität führt, wenn strategische Gruppen mit fundamental divergierenden Strategien versuchen, Marktanteile hinzuzugewinnen. 181 Neuere Untersuchungen, wie z. B. diejenige von Cool/Dierickx, bestätigen diesen Befund und weisen einen Zusammenhang zwischen der Struktur einer strategischen Gruppe, den Wettbewerbsbedingungen innerhalb der und zwischen den einzelnen strategischen Gruppen sowie der Profilabilität von Unternehmen nach. Sinkende Umsatzrendite in einer Branche ist mit einer steigenden Rivalität der Anbieter verknüpft. Diese wiederum hängt mit der Veränderung der Zusammensetzung der in der Branche agierenden strategischen Gruppen und dem Übergang von einem Wettbewerb innerhalb der Unternehmenscluster auf einen solchen zwischen diesen zusammen. 182 Hawes/Crittenden greifen auf das Konzept der strategischen· Gruppe zurück, um den Erfolgsbeitrag unterschiedlicher Vermarktungsstrategien von No Names zu ermitteln. In amerikanischen Supermärkten stellten sie fest, daß aggressive Innovatoren183 einen höheren Bruttogewinn, ein größeres Umsatzvolumen und eine höhere Rentabilität erzielen als die anderen Cluster (Nichtanbieter von No Names, konservative Imitatoren und Nachzügler). 184 Sektoren Handel und Dienstleistungen. Vgl. Buzzell/Gale (1989), S. XI und S. 33. Soweit erkennbar, liegt keine speziell den Handel betreffende Analyse der PIMS-Daten vor. 179 Vgl. Caves/Porter (1977), S. 241 ff. ; McGee (1985), S. 293 ff.; McGeeffhomas (1986), s. 141 ff. 180 Eine empirische Analyse strategischer Gruppen im Handel liefern Lewisrrhomas (1990), S. 385 ff., und Meffertl Heinemann (1989), S. 119 ff. 181 Vgl. Hunt (1972). 182 Vgl. Cool/Dierickx (1993), S. 47 ff. 183 Diese zeichnen sich u.a. durch frühzeitiges Angebot von No Narnes zu Niedrigpreisen und durch hohen Werbedruck aus. Siehe Hawes/Crittenden (1984), S. 280 f. 184 Vgl. Hawes/Crittenden (1984), S. 275 ff.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
113
Lewisfl'honws analysieren im britischen Lebensmitteleinzelhandel den zwischen Strategie, Zugehörigkeit zu einer strategischen Gruppe und Marktergebnis bestehenden Zusammenhang. Sie kommen dabei u.a. zu dem Resultat, daß strategische Gruppen in Abhängigkeit von der von ihnen verfolgten Marketingstrategie Unterschiede in der Umsatzrentabilität aufweisen. Allerdings ist ihren Befunden zufolge das Konzept der strategischen Gruppe eher geeignet, eine bestehende Marktstruktur und bestimmte Wettbewerbsstrategien zu beschreiben, als ökonomische Leistungsunterschiede (z. B. Kapitalrentabilität, Verhältnis zwischen Unternehmenswert und Gewinn) zu begründen. 185
Überträgt man das Konzept der strategischen Gruppe auf die Internationalisierung des Handels, so ergibt sich aus mittel- bis langfristigem Blickwinkel, daß das Gewinnpotential in Abhängigkeit vom Internationalisierungsgrad variiert; 186 denn, wie bereits in Absch. 2.1.3. erläutert, erhöhen grenzüberschreitende Engagements von Handelsunternehmen insofern die Markteintrittsbarrieren für Newcomer, als für diese die Betätigung auf dem Absatzmarkt und die Nutzung von Beschaffungsquellen blockiert bzw. wesentlich erschwert werden. Je weiter die Internationalisierung voranschreitet, desto stärker wird dieser Effekt sein. Folglich erscheint es ökonomisch sinnvoll, daß jedes Handelsunternehmen, das über die erforderlichen Ressourcen verfügt, bestrebt ist, der strategischen Gruppe der international Aktiven anzugehören, und zwar auch dann, wenn damit kurzfristig betrachtet eine Beeinträchtigung des ökonomischen Ergebnisses verbunden wäre. Weiterhin drängt sich die Frage auf, ob international aktive Handelsunternehmen in unterschiedliche Cluster aufgespaltet werden können, die ihrerseits als strategische Gruppen aufzufassen sind. Denkbare Differenzierungskriterien bilden hierbei u.a. Intensität des Auslandsengagements, Rolle im branchenbezogenen Internationalisierungsprozeß (lnnovator, Polger etc.), Art der Betriebstypen, Form der gewählten Markteintrittsstrategie und Grad der Standardisierung der Marktbearbeitung von Ländermärkten. Hierbei ist zu vermuten, daß die Intensität des Auslandsengagements und die Übernahme der Innovatorenfunktion die Profitabilität von Handelsunternehmen generell positiv beeinflussen. Beides führt nämlich einerseits zur Besetzung von (noch) freien Standorten und andererseits zu statischen und dynamischen Skaleneffekten. 187 In bezug auf die Form des grenzüberschreitenden Markteintritts und die Art der internationalen Marktbearbeitung kann wegen der Vielzahl an Möglichkeiten und Erfolgsdeterminanten kein generelles Urteil getroffen werden. Einen allgemeingültigen Wirkungszusammenhang zwischen diesen Elementen einer InternationalisieVgl. Lewistrhomas (1990), S. 385 ff. Wegen der gravierenden Auswirkung auf Unternehmensstruktur, Kosten und Umsatz besitzt die Variable Art der verfolgten Internationalisierungsstrategie Diskriminanzkraft im Sinne des Konzepts der strategischen Gruppe. 187 Vgl. hierzu die AusfÜhrungen in Abschn. 3.2. in diesem Kapitel. 185
186
8 Lingenfelder
114
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
rungsstrategie und dem Unternehmenserfolg festzustellen, dürfte auch wegen der situativen Bedingtheit des Betriebsergebnisses kaum möglich sein. Im Verlauf der mittlerweile fast 60 Jahre währenden industrieökonomischen Tradition wurde eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Hypothesen postuliert und empirisch mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen überprüft. Böbel, Scherer/Ross und Tirole vermitteln einen Einblick in die Vielfalt und Heterogenität der Befunde der Industrieökonomik. 188 Nachfolgend werden diejenigen Hypothesen herausgefiltert und in bezug auf die theoretische Fundierung der Internationalisierung im Einzelhandel diskutiert, die einen relativ hohen Grad an empirischer Bestätigung erfahren haben. (1) Zwischen Marktstrukturvariablen, Innovation und Gewinnpotential bestehen-
der Zusammenhang
Daß die Variablen Anbieterkonzentration, Höhe der Markteintrittsbarrieren, Unternehmensgröße und Marktstärke die Rentabilität positiv beeinflussen, belegen zahlreiche empirische Studien. Trotz kontroverser Auffassungen hinsichtlich der Operationalisierung der unabhängigen Variablen und des konkreten Verlaufs der Regressionsfunktion 189 herrscht Einigkeit, was die grundsätzlich positive Wirkung oben genannter Größen auf Unternehmerische Erfolgsindikatoren anbelangt. So ermitteln Szymanski/Bharadwaj/Varadarajan in einer metaanalytischen Untersuchung von 48 empirischen Studien einen positiven Wirkungszusammenhang zwischen Marktanteil und Rentabilität. 190 Erklären läßt sich dieser Effekt damit, daß kollusives Anbieterverhalten mit kleiner werdender Anzahl von Unternehmen zunimmt, und zwar insbesondere dann, wenn es sich dabei um die gleichen Anbieter handelt, d. h. Eintritt in ein Land über einen längeren Zeitraum hinweg nicht stattfindet. Die Stabilität der Marktbedingungen fördert den Prozeß noch, der zur richtigen Antizipation von Reaktionen der Wettbewerber führt, und begünstigt somit das Entstehen großer Unternehmen.191 Übertragen auf die Internationalisierung des Einzelhandels kann dies dreierlei bedeuten:
188 Vgl. Böbel (1984); Scherer/Ross (1990); Tirole (1989). Grundlegend hierzu auch Ott (1985), s. 319ff. 189 Vgl. Bain ( 1968), S. 438 ff. und S. 448 ff.; Scherer/Ross (1990), S. 411 ff. Erinnert sei an dieser Stelle nur an die Kontroverse, ob der Grad an Anbieterkonzentration oder die Höhe der Marktanteile bestimmte Marktergebnisse präjudizieren. Nicht zuletzt aufgrund von Studien von Porter scheint der Marktanteil größere Erklärungskraft als die Unternehmensgröße für die Profitabilität von Unternehmen zu besitzen. Vgl. auch Neumann (1979), S. 647. 190 Vgl. Szymanski/BharadwajNaradarajan (1993), S. I ff. 191 Vgl. Kaufer (1980), S. 83 und S. 604.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
115
- In der Phase der grenzüberschreitenden Expansion von Handelsbetrieben erschwert bzw. verhindert der Markteintritt ausländischer Absatzmittler in der Regel eventuell bestehendes kollusives Verhalten nationaler Anbieter. - Nach dem Marktzutritt ausländischer Absatzmittler lernen die einheimischen Anbieter die Reaktion der Newcomer richtig vorherzusagen. - Mit Zunahme der Anbieterkonzentration, die durch das Marktverhalten und/oder die Form des Markteintritts ausländischer Handelsbetriebe (Akquisition bestehender Unternehmen etc.) verursacht wird, steigen die Wahrscheinlichkeit für kollusives Verhalten und damit die Rentabilität der dann im Markt verbleibenden Unternehmen. Einen weiteren Eckpfeiler des erwähnten Hypothesengebäudes bildet die Kapitalmarkttheorie. Größere Unternehmen vermögen Risiken besser zu streuen, womit bei höherer Verschuldung ein niedrigeres Geschäftsrisiko und der Leverage-Effekt zum Tragen kommen. Unternehmensgröße und -wachstum führen daher zu einem Anstieg der Gesamtkapitalrendite, und zwar so lange, wie die Fremdkapitalkosten niedriger sind als die Gesamtkapitalrendite. Mit steigendem Verschuldungsgrad wächst die Unternehmensgröße, was wiederum die Varianz der Gesamtkapitalrendite der Anbieter schwinden läßt: 192 International agierende Einzelhandelsbetriebe sind demnach prinzipiell eher als ausschließlich in einem Land aktive Unternehmen in der Lage, Marktrisiken, die sich z. B. aufgrund unterschiedlicher länderspezifischer Nachfrage ergeben, zu streuen. Bei hoher Umschlagsgeschwindigkeit des Kapitals, die im Lebensmittelbereich zweifellos vorliegt, genügt zudem schon eine relativ niedrige Umsatzrendite, um Wachstum ausschließlich mit Fremdkapital finanzieren zu können. Eine weitere Gruppe von Hypothesen rankt sich um die Beziehung zwischen Marktstruktur und Intensität von Innovationen. Es wird beispielsweise unterstellt, daß mit absoluter und relativer Unternehmensgröße die Innovationstätigkeit zunimmt.193 Weiterhin gilt es als empirisch relativ gesichert, daß zunehmende Marktgröße und abnehmende Anbieterzabi das einer Prozeßinnovation innewohnende Gewinnpotential positiv beeinflussen} 94 Und schließlich scheint eine Oligopolsituation den idealen Nährboden für Innovationen zu bilden. 195 Versteht man die internationale Absatzpolitik als (Strategie-)Innovation, die erhebliche Ressourcen bindet, 196 und alle damit einhergehenden Abläufe als ProVgl. Quartz (1976); Winn (1977), S. 157 ff. Dabei handelt es sich um die Neo-Schurnpeter-Hypothesen. Vgl. Schrnidt/E1ß1er (1990), s. 556 ff. 194 Vgl. Kaufer (1980), S. 336ff. 195 Vgl. Kaufer (1980), S. 200. 196 Gerneint ist hier eine systematische Erschließung des europäischen Marktes z. B. in Gestalt der Errichtung stationärer Verkaufsstellen in den verschiedenen Ländern. 192 193
8*
116
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
zesse, so führt der Transfer der oben geschilderten Befunde der Industrieökonomie zu folgenden Vermutungen: - Je mehr Umsatz bzw. Marktanteil Handelsunternehmen im Inlandsmarkt auf sich vereinen, desto eher werden sie versuchen, in andere Ländermärkte einzudringen. Das Erreichen einer kritischen Größe führt somit c.p. zur Internationalisierung. Da auch die relative Unternehmensgröße innovationsfördernd wirkt, ergreifen Handelsbetriebe aus kleineren Ländern gleichermaßen die Chance zur grenzüberschreitenden Expansion. - Diese Tendenz wird zusätzlich gestützt, wenn wenige Handelsunternehmen den nationalen Markt beherrschen und gegen einen Marktzutritt anderer absichern können. Sowohl der erstmalige Vorstoß eines Absatzmittlers in einen Auslandsmarkt als auch die Imitation dieser Strategie durch die anderen Oligopolisten sind rational, da bei dieser Struktur der heimische Markt aufgrund des kollusiven Verhaltens gegen den Eintritt von Newcomern abgeschottet erscheint. 197 - Die Erweiterung des geographischen Betätigungsfeldes führt unweigerlich dazu, daß die Verbesserung der Leistungserstellung (sog. Systemprozesse) in das Blickfeld der europäisch agierenden Einzelhandelsbetriebe gerät. Mit der Verringerung der Zahl von Handelsbetrieben steigt die Relevanz von Prozeßinnovationen (z. B. im Bereich Waren-, Informations- und Kapitalfluß) für den Gewinn. Kostensenkende Neuerungen auf Systemebene bieten dabei um so größere Vorteile, je preiselastischer die Nachfrage reagiert. 198 (2) Zwischen Marktphasen, Differenzierung des Angebots und Wettbewerbsintensität bestehender Zusammenhang Die Relevanz des Entwicklungsgrades von Märkten für das Marktverhalten von Unternehmen wurde bereits von Heuß erkannt und analysiert. 199 Industrieökonomen haben in diesem Kontext festgestellt, daß mit zunehmendem Reifegrad eines Marktes - die Entwicklung kostengünstiger Angebotsformen, - die Neigung zu Fusionen und - als Folge der ansteigenden Differenzierung des Angebots die Wettbewerbsintensität gefördert werden. 200 Unterstellt man, daß der europäische Lebensmittelmarkt einen gewissen Reifegrad erreicht hat, 201 so ergeben sich daraus folgende Schlußfolgerungen für unser Thema: Vgl. Knickerbocker (1973). Vgl. Schmidt/Elßler (1990), S. 559. 199 V gl. Heuß (1965), S. 25 ff. Siehe hierzu auch Oberender (1988), S. 14 f. 200 Vgl. Kaufer (1980), S. 199, S. 261 und S. 310; Scherer/Ross (1990), S. 404 ff. 201 Zumindest für Westeuropa kann man dieser Annahme wohl im großen und ganzen zustimmen. Vgl. Potucek (1987a), S. 88ff. 197 198
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
117
Da im europäischen Lebensmitteleinzelhandel künftig vor allem jene Betriebstypen Erfolg haben werden, die besonders kostengünstig operieren, können alle diskontierenden Betriebstypen mit nachhaltigen Marktanteilsgewinnen rechnen. Je größer der Sättigungsgrad des europäischen Marktes, desto mehr wird die Attraktivität einer Fusion im europäischen Lebensmitteleinzelhandel zunehmen. 202 Eine solche wird künftig aber nicht Hinger wegen des Eintritts in einen speziellen Ländermarkt, sondern mit Blick darauf vollzogen, durch die Akquisition eines anderen Anbieters den Zutritt zu mehreren europäischen Ländermärkten zu erreichen. Fusionen zwischen den umsatzstärksten internationalen europäischen Unternehmen bilden deshalb die logische Folge. Ein nur noch geringfügig wachsender europäischer Gesamtmarkt erfordert eine Heterogenisierung des Angebots, was sich im Einzelhandel durch die Etablierung verschiedener Betriebstypen vollzieht. Daher ist zu vermuten, daß sich im europäischen Markt künftig Handelsunternehmen als Wettbewerber gegenüberstehen, die aufgrund dieser "line extension" über ein breites und zunehmend ähnliches Betriebstypenportefeuille verfügen. Der Wettbewerb zwischen den Handelsbetrieben wird dadurch vielfältiger. Jeder Anbieter verfügt dann über mehrere, eigenständig im Markt positionierte Betriebstypen bzw. strategische Geschäftsfelder. Letztlich wird die Effektivität des Managements dieser Betriebstypen, z. B. mit Hilfe einer strategischen Managementholding, über den Erfolg eines europaweit agierenden Handelsbetriebes entscheiden. So erscheint es durchaus denkbar, daß zwei Handelsunternehmen lediglich bei einem bestimmten Betriebstyp "ernsthaft" miteinander konkurrieren, während bei anderen Angebotsformen kollusives Verhalten zu beobachten ist. Folglich wäre unter Bezug auf das Konzept der strategischen Gruppen die Ebene der Betriebstypen ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die adäquate Erfassung von Wettbewerbsbeziehungen. In Analogie zu Befunden von Neu17Ulnn/Böbel/Haid 203 lassen sich international unterschiedliche Handelsspannen c.p. auch dadurch erklären, daß ein Handelsunternehmen bzw. ein Betriebstyp eines Anbieters in einem Ländermarkt zur strategischen Gruppe der kleineren Anbieter zählt, die als Preisnehmer agiert, und in einem anderen Ländermarkt der strategischen Gruppe der marktprägenden Unternehmen angehört, die kollusives Verhalten und eine niedrige Wettbewerbsintensität pflegen. Allerdings läßt sich der Einfluß der Variablen ,,Zugehörigkeit zu einer strategischen Gruppe" auf die Handelsspanne empirisch kaum isolieren und exakt quantifizieren. 204
Hinter dieser Argumentation verbirgt sich die Marktmachthypothese. Vgl. Neumann!BöbeUHaid (1985), S. 184, die die Wirkung von Außenhandel aufinternationale Preis-Kosten-Margen auf der Basis von 283 deutschen Industrieaktiengesellschaften untersuchen. 204 Ähnlich Neumann/BöbeUHaid (1985), S. 184. 202 203
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
118
(3) Zwischen wirtschaftlichen Basisbedingungen und externem Wachstum bestehender Zusammenhang Der zyklische Verlauf, die Art und die wirtschaftszweigspezifische Frequenz von Fusionen lassen sich nicht mit einem reduktionistischen Ansatz, der auf Erweiterung der Marktmacht oder das Streben nach Größenersparnissen abhebt, hinreichend begründen. Daher hat Gort mit der Theorie der ökonomischen Störung ein Konzept entwickelt, das die Unterschiedlichkeit der Bewertung von Unternehmensressourcen durch Eigentümer und Akquisiteure zu erklären vermag. Wirtschaftliche Störungen bzw. Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen führen dazu, daß die Prognose künftiger Unternehmensergebnisse schwieriger wird und die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, daß Akquisiteure die Entwicklung eines Unternehmens positiver einschätzen als dessen bisherige Eigentümer. Dann kommt es verstärkt zu Fusion?05 Mit Blick auf den Einzelhandel könnten ökonomische Störungen im Gortsehen Sinne von der Realisierung des EU-Binnenmarkts, dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Eintritt von ausländischen Handelsbetrieben in den eigenen Markt ausgehen. 206 Die Formung des Gemeinsamen Marktes und die Möglichkeit zur Erschließung osteuropäischer Länder forcieren bei Einzelhandelsbetrieben den Wunsch, die Ressourcenbasis durch Aufkauf von Unternehmen zu erweitern. Zusätzlich wird bei allen Akteuren aufgrund der drastischen Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Unsicherheit zunehmen. Fusionen sollen in einer solchen Situation dazu beitragen, den Grad an Unkontrollierbarkeit zu senken.207 Infolge der Zunahme der Zusammenschlüsse entsteht neue Unsicherheit, weil der Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten für Unternehmen mit geringer relativer Marktbedeutung schwieriger wird. Dadurch setzt sich eine Fusionsspirale in Gang, die erst dann zum Erliegen kommt, wenn weitere Aufkäufe aufgrund finanzieller Restriktionen nicht mehr getätigt werden können. Am Ende dieses Abschnittes seien wichtige Erkenntnisse der industrieökonomischen Diskussion zu generellen Vermutungen und Hypothesen zusammengefaßt: (1) International tätige Handelsbetriebe besitzen ein höheres Gewinnpotential und
bessere Möglichkeiten zur Risikodiversifikation als ausschließlich in einem Land aktive Unternehmen.
Vgl. Gort (1969), S. 624ff., insbesondere S. 626ff. Siehe Gort ( 1969), S. 628 f., der die Anzahl an Fusionen mit dem Marktwachstum in Verbindung bringt. Auf den vermehrten Eintritt ausländischer Handelsbetriebe in europäische Ländermärkte wurde bereits im 1. Kapitel, Abschn. 3., hingewiesen. Die Relevanz der politisch-rechtlichen Integration für die Europäisierung von Einzelhandelsbetrieben wird im 3. Kapitel, Abschn. 1.1.1.1., thematisiert. 207 Eine Fusion wäre demzufolge als Reaktion auf einen intensivierten Wettbewerb in bislang abgeschotteten Märkten zu interpretieren. 205
206
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
119
(2) Je weiter die Internationalisierung in dem Wirtschaftszweig voranschreitet, desto größeres Ausmaß nehmen die Mobilitätsbarrieren an, die ein Einzelhandelsunternehmen bei der grenzüberschreitenden Expansion überwinden muß. In Erwartung dieser Entwicklung werden Handelsbetriebe ein möglichst großes Expansionstempo an den Tag legen, und zwar selbst dann, wenn der ökonomische Erfolg kurz- und mittelfristig beeinträchtigt wird. (3) Die Intensität des Auslandsengagements und die Übernahme der Innovatorenrolle im branchenbezogenen Internationalisierungsprozeß beeinflussen die Profitabilität von Handelsunternehmen positiv. (4) Die Internationalisierung von Handelsbetrieben verstärkt bzw. fördert kollusives Verhalten der Konkurrenten. (5) Ab dem Erreichen einer kritischen absoluten und relativen Größe im nationalen Markt streben Handelsunternehmen in Auslandsmärkte. (6) Mit der Erweiterung des relevanten Marktes werden Prozeßinnovationen für den Erfolg von Handelsunternehmen immer bedeutsamer. (7) Der hohe relative Reifegrad des europäischen Lebensmittelmarktes führt zu einem Anstieg an Fusionen und einem Zugewinn an Marktanteil für alle diskontierenden Betriebstypen. (8) Als Folge der Internationalisierung werden im europäischen Markt Handelsunternehmen miteinander konkurrieren, die über ein breites und zunehmend ähnliches Betriebstypenportefeuille verfügen. Gleichgültig, ob auf der Ebene von Ländermärkten, von europäischen Regionen oder von Gesamteuropa, immer wird der Wettbewerb zwischen den Anbietern auf der Betriebstypenebene ausgetragen. (9) Die Internationalisierung im Handellöst gemäß der Theorie der ökonomischen Störung eine Fusionswelle aus, die erst dann zum Erliegen kommt, wenn weitere Akquisitionen aufgrund begrenzter Kapitalressourcen nicht mehr finanziert werden können.
2.2. Die Fundierung von Internationalisierungsentscheidungen durch betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze 2.2.1. Die Lehre von den Handelsfunktionen
Bis eingangs der 70er Jahre hat in der Handelsbetriebslehre ein reger Diskurs darüber geherrscht, welche gesamt- und einzelwirtschaftlichen Funktionen diejenigen Institutionen erfüllen bzw. wahrnehmen sollen, die in den Distributionsprozeß von Waren eingeschaltet werden. 208 Die Analyse der Aufgaben von Handelsbetriezos Vgl. hierzu zusammenfassend Schenk (1970), der aufS. 12ff. u.a. den Begriff Funktion terminologisch klärt.
120
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
ben stellt gleichsam eine ordnende und klärende Durchdringung des beschaffungsund absatzwirtschaftlichen Tätigkeitsfeldes dar. In Abhängigkeit vom Differenzierungsgrad, Aggregationsgrad und Vorgehen entstanden zahlreiche unterschiedliche Funktionenschemata, die jedoch alle vorwiegend deskriptiven Charakter hatten und u.a. wegen der mit ihnen verbundenen Operationalisierungsprobleme (z. B. Abgrenzung von konstitutiven und akzessorischen Leistungen) in Vergessenheit gerieten. 209 Nach Schenk (1970) haben sich erst wieder Barthund Gümbel mit der Theorie der Handelsfunktionen gründlich befaßt. 210 Wahrend letzterer deren geringe theoretische Reichweite beklagt, die u.a. in dem Fehlen jeglicher kausalen Aussagen und der bedeutungslosen prognostischen Relevanz begründet ist, sieht Barth in dem funktionenorientierten Ansatz einen verkannten Zweig der Handelsforschung, der z. B. für die Erklärung der Betriebstypendynamik unverzichtbar sei. An dieser Stelle sollen weder die aus unserer Sicht abgeschlossene Diskussion über die Zweckmäßigkeit des funktionalen Ansatzes belebt noch ein neues Funktionenschema entworfen werden. Nachfolgend steht vielmehr im Zentrum des Interesses, ob und inwieweit die grenzüberschreitende Betätigung von Einzelhandelsbetrieben durch die von Schenk dokumentierten Gliederungen von Handelsfunktionen erlaßt wird. 211 Abb. 2.9.liefert hierzu einen Überblick. Die Internationalisierung von Einzelhandelsbetrieben wird wiederum danach differenziert, ob sie ausschließlich den Beschaffungs- und Absatzbereich oder beide Funktionen zugleich betrifft. Fraglos hängt die Veränderung von Handelsfunktionen von der konkreten Erscheinungsform und Intensität der grenzüberschreitenden Betätigung ab. 212 Jedoch läßt sich der in Abb. 2.9. enthaltene Einfluß, den die Internationalisierung auf die von Handelsunternehmen erbrachten Leistungen entfaltet, zumindest grob quantifizieren. Grundlage der Bewertung, die Abb. 2.9. widerspiegelt, bildet der Vergleich zwischen einem ausschließlich national und einem in breitem Umfang international tätigen Unternehmen. Auf eine ausführliche Begründung des in Abb. 2.9. enthaltenen Ergebnisses wird an dieser Stelle bewußt verzichtet. Generell betrachtet fällt auf, daß bei weitem nicht nur die räumliche Funktion eine Veränderung erfährt, sondern daß nahezu jede Handelsbetrieben zugeschriebene Aufgabe von der Auslandstätigkeit beeinflußt wird. Zweifellos bedeutet Internationalisierung im Einzelhandel nicht Management plus Wirtschaftsgeogra-
Vgl. Barth (1993), S.48ff.; Hansen (1990), S. 9 f., und die dort zitierte Literatur. Vgl. Barth (1982), S. 106ff.; Gümbel (1985), S. 47ff. 211 V gl. Schenk (1970), S. 69 ff. Im wesentlichen beschränkt sich die folgende Diskussion auf die Klassifikationen von Oberparleiter, Seyffert und Sundhoff. 212 Vgl. hierzu 3. Kapitel, Abschn. 2. 209
210
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
~ h
-
Absatz
Beschaffung und Absatz
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••• •••
• • 0 • •• •• •
•• • •• • •• •
•• • 0 • • • •
•• • 0 •• • •
n
Oberparleiter -Raum -Zeit -Quantität -Qualität - Krediticrung -Werbung
Seyffert I. Überbrückung -Raum -Zeit - Preisausgleich - Kreditierung 2. Waren -Quantität -Qualität -Sortiment 3. Makleramt - Markterschließung - Interessenwahrung -Beratung Sundhoff I. Güterumgruppierung -Sortiment -Quantität 2. Leistungsanpassung - Überbrückung -Sicherung 3. Marktausgleich - Markterschließung - Umsatzdurchflihrung 4. Aufbereitung -Qualität -Vollendung Legende:
Beschaffung
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0
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0
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• =Gravierende Veränderung • = Veränderung auf mittlerem Niveau 0 =Keine oder geringe Veränderung
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0
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Abb. 2.9.: Der Einfluß der Internationalisierung auf die von Handelsbetrieben ausgeübten Funktionen
•
122
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
phie, 213 eine Denkhaltung, die in den 70er Jahren die Diskussion um das internationale Marketing im Industriebereich prägte, 214 sondern eine Betätigung in verschiedenen kulturellen Umwelten, die fast alle makro- und mikrokonomischen Funktionen dieser Distributionsorgane tangiert. Gemäß Barth kann ein Handelsbetrieb nur solche Funktionen erfüllen, die gesamtwirtschaftlich von Bedeutung sind. 215 Offenbar besteht wegen der Zunahme der Verflechtung nationaler Märkte und der Existenz von gravierenden Unterschieden in bezugauf die Produktionsbedingungen ein wachsender Bedarf an distributiven Leistungen, die den grenzüberschreitenden Warenverkehr unterstützen. So verstanden stellt die Internationalisierung von Einzelhandelsbetrieben eine Funktionenexpansion dar, der eine weitreichende marktstrategische Bedeutung innewohnt; denn beispielsweise treten internationale Einzelhandelsbetriebe auf dem Sektor der Warenbeschaffung in Konkurrenz zu im Außenhandel tätigen Großhandelsbetrieben. 216
Wie weiterhin aus Abb. 2.9. hervorgeht, ist das Ausmaß der Veränderung von Aufgaben dann am höchsten, wenn die Internationalisierung sich sowohl im Absatz- als auch im Beschaffungsbereich vollzieht. Zur Illustration dieses Sachverhalts sei die Qualitätsfunktion (vgl. Abb. 2.9.) herausgegriffen: - Handelsbetriebe mit internationaler Warenbeschaffung besitzen in bezug auf die Zusammenstellung ihres Sortiments (Anteil ausländischer Waren, Partievermarktung von Produkten aus einem bestimmten Land etc.) größere Variationsmöglichkeiten als ausschließlich national tätige Anbieter, die sich auf das im Inland verfügbare Warenangebot2 17 konzentrieren müssen. Folglich wird die Qualität der Handelsleistung (verstanden als bedürfnisgerechte Sortimentsstruktur)218 positiv beeinflußt. - Die Spezialisierung eines Handelsbetriebs auf die Deckung eines eng umgrenzten Bedarfs einer bestimmten Zielgruppe (z. B. exklusive Möbel, Sportausstattung) erhält nachhaltigen Auftrieb, wenn die mit der Entwicklung und Positionierung eines entsprechenden Betriebstyps einhergehenden Kosten auf eine bestimmte Anzahl von Verkaufsstellen verteilt werden können.Z 19 Dieses Anliegen wird durch eine länderübergreifende Filialisierung, die 213 Dies würde bedeuten, daß die Internationalisierung ausschließlich die Überbrückung des räumlichen Spannungsfeldes zwischen Produktion im Ausland und Konsumtion im Inland berührt. Vielmehr führt, wie in Abschn. 2.1.1. und Abschn. 2.1.2. in diesem Kapitel bereits ausgeführt wurde, die internationale Warenbeschaffung zu einem internationalen Arbitrageprozeß, der u.a. in die Seyffertsche Preisausgleichsfunktion (allerdings auf internationaler Ebene) einmündet. 214 Vgl. Müller (1991), S. 39. 215 Vgl. Barth (1982), S. 107. 216 Vgl. Batzer/Ziegler (1984), S. 8ff. 217 Über Importgroßhandelsbetriebe können selbstverständlich auch national operierende Handelsbetriebe Waren aus dem Ausland beziehen. 21s Vgl. Schenk (1970), S. 60f. 219 Zu denken ist hier etwa an alle Formen des elektronischen Einzelhandels (z. B. Teleshopping, Catalogue Showroom, auf virtueller Informationstechnologie basierende Ange-
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auf kulturtibergeifende Zielgruppen abzielt, unterstützt. Die Qualitätsfunktion in Gestalt der Befriedigung spezialisierten Bedarfs220 wird somit durch den internationalen Absatz von Handelsunternehmen verbessert. - Ein Handelsbetrieb, der Waren über Ländergrenzen hinweg sowohl beschafft als auch absetzt, vermag den Bedürfnissen von Konsumenten in den einzelnen Ländermärkten durch eine entsprechende Steuerung seiner Markttätigkeit in idealer Weise Rechnung zu tragen. Extrem formuliert, kennt er die in allen Ländern der Welt hergestellten Waren und leitet sie im Zuge seiner Beschaffungsaktivitäten in diejenigen seiner Verkaufsstellen bzw. Betriebstypen in den Ländern, wo ein entsprechender Bedarf besteht. Daher ist zu vermuten, daß die Qualitätsfunktion durch die Internationalisierung gravierend beeinflußt wird.
Wendet man sich den einzelnen Marketing-Aktionsbereichen zu, so ergibt sich folgendes Bild: (1) Internationale Beschaffung
Die internationale Beschaffung verändert folgende Funktionen nachhaltig : - Überwindung des räumlichen Spannungsfelds zwischen Produktionsort und Verbrauchsorten, - Ausgleichsfunktion zwischen Herstellerpreisen und der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher, - Markterschließungsfunktion und - Wahrung der Interessen von Verbrauchern gegenüber den Produzenten. Durch die Ermittlung von kostengünstig produzierenden Herstellern im Ausland und den Import der Waren ül.s Inland221 werden nicht nur eine größere geographische Distanz überwunden, sondern auch die davon tangierten Hersteller in den internationalen Warenaustausch eingebunden (= Markterschließungsfunktion). Verbraucher könnten davon gleich mehrfach profitieren, und zwar insofern, als Handelsbetriebe ihre niedrigeren Wareneinstandskosten in Form attraktiverer Preise an die Verbraucher weitergeben (= Preisausgleichsfunktion) und inländische Produzenten unter Umständen veranlaßt werden, ihre Abgabepreise auf das Niveau des ausländischen Wettbewerbers zu senken (=Wahrung der Interessen von Verbrauchern gegenüber Produzenten). Insofern kommen Handelsbetriebe im Rahmen ihrer internationalen Beschaffung der von Seyffert beschriebenen Maklerfunktion nach. Je intensiver die internationale Beschaffung durch Einzelhandelsunternehmen betrieben wird, um so mehr verwischen sich die Grenzen zwischen Außenhandel botskonzepte), die hohe Vorlaufinvestitionen in Telekommunikationsendgeräte, -netze, Software etc. erfordern. 220 Vgl. Schenk (1970), S. 61. 221 Sundhoff subsumiert der Markterschließungsfunktion die Teilaufgaben Marktuntersuchung und Marktbeeinflussung.
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und Einzelhandel. 222 Dies gilt vor allem dann, wenn Einzelhandelsbetriebe in wichtigen Beschaffungsmärkten bzw. -regionen Unternehmen gründen und ihr Know-how vermarkten, 223 indem sie z. B. Beschaffungsaufträge für andere Handelsbetriebe abwickeln. Folglich führt die Internationalisierung der Distribution zu einer Integrationstendenz auf seiten der Betriebsformen.224 (2) Internationale Absatzpolitik Es leuchtet unmittelbar ein, daß ein Handelsunternehmen, das in einem Auslandsmarkt Filialen eröffnet, in besonderer Weise der von Seyffert beschriebenen Funktion des Makleramts und der Marktausgleichsfunktion nach Sundhoff gerecht wird (vgl. Abb. 2.9.). 225 Durch die Übertragung von betriebstypenspezifischem Know-how in einen Auslandsmarkt diffundieren die bislang im Binnenmarkt gesammelten Erfahrungen in einen neuen Markt. Dieser wird mit Hilfe von Direktinvestitionen erschlossen, wobei die Strategien und Instrumente der Marktbearbeitung vor dem Hintergrund des inländischen Erfolgs und der vermuteten Heterogenität von Inlands- und Auslandsmarkt an die Gegebenheiten vor Ort gegebenenfalls angepaßt werden. Der Markteintritt und das Streben nach Marktdurchdringung tangieren bis auf wenige Ausnahmen alle klassischen, in der Literatur diskutierten Handelsfunktionen auf die eine oder andere Weise. So werden etwa durch das Angebot von Handelsmarken, die der Auslandsinvestor offeriert, das quantitative und qualitative Warenangebot erweitert und durch das spezifische Sortiment des Newcomers die von Sundhoff erfaßte Güterumgruppierungsfunktion gefördert. In dem Maße, in dem der Newcomer sich im Markt erfolgreich betätigt, werden die etablierten Wettbewerber ihr Handelsmarketing ändern und damit zu der Wandlung von Handelsfunktionen beitragen. Darüber hinaus ist zu vermuten, daß mit zunehmender Internationalisierung die Bereitschaft zur Diversifikation bei den Einzelhandelsbetrieben steigt. Ein Beispiel hierfür mag die Vermarktung von Informationen sein, die europaweit agierende Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels mit Hilfe ihrer Warenwirtschaftssy222 Zu Funktionen, Bedeutung und Erscheinungsformen des Außengroßhandels siehe Tietz (1993b), s. 571 ff. 223 Eine derart betriebene internationale Warenbeschaffung stellt eine Rückwärtsintegration von Einzelhandelsbetrieben dar. Batzer/Ziegler (1984), S. 14ff., berichten, daß Außenhandelsunternehmen darauf mit einer Ausweitung ihres Dienstleistungsangebots (z. B. Abwicklung von Kompensationsgeschäften, Beratung von ausländischen Herstellern, damit diese die an sie gestellten Qualitätsanforderungen erfüllen können) reagieren. 224 Gemäß Barth (1993), S. 48, versteht man unter Betriebsform die Einordnung eines Handelsbetriebs auf einer bestimmten Wirtschaftsstufe. 225 Es nutzt einerseits Tendenzen einer Angleichung von internationalen Nachfragebedingungen und forciert diese andererseits abhängig vom Standardisierungsgrad der Marktbearbeitung. Insofern kommt es zu einem sich selbst verstärkenden Standardisierungsprozeß im Distributionsbereich.
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steme in den einzelnen Ländern gewinnen. Weiterhin scheint das Angebot von Dienstleistungen (z. B. Versicherungen, Kreditkarten, Finanzanlagen) ein zusätzliches Erlöspotential im europäischen Markt zu eröffnen. In Anlehnung an die Entwicklung von Allfinanzkonzepten kann man im europäischen Einzelhandel somit von einer Perspektive ausgehen, die am besten mit Allserviceangebot für Endverbraucher zu umschreiben ist. Module für eine solche Vision, die möglicherweise in fünf bis zehn Jahren Realität werden wird, existieren bereits heute. 226 Die Internationalisierung bietet dem Einzelhandel folglich den Nährboden für systematisch betriebene Diversifikationsprojekte und damit eine Funktionenexpansion in bislang noch nicht bearbeitete Marktbereiche. Offenbar erlauben es Allgemeingültigkeit und heuristische Kraft der Funktionenlehre,227 Strategieinnovationen wie die Internationalisierung deskriptiv zu erfassen. Jedoch bietet sie nur wenige konkrete Anhaltspunkte für die Prognose der Konsequenzen einer Internationalisierung beispielsweise für die Entwicklung der Distributionsstruktur. (3) Internationalisierung des Beschaffungs- und Absatzmarketing Wie bereits erörtert, vermag die Ausweitung der Geschäftstätigkeit dazu beizutragen, neuartige Betriebstypen durchzusetzen, die aufgrund ihrer Kostenstruktur und der Nachfragebedingungen in einem Ländermarkt allein nicht erfolgreich positioniert werden könnten. Nahezu alle in Abb. 2.9. aufgeführten Handelsfunktionen werden durch die Internationalisierung des Beschaffungs- und Absatzbereichs nachhaltig beeinflußt. Eine Ausnahme bildet lediglich die Sicherungsfunktion, die Sundhoff dem Bereich der Leistungsanpassung zurechnet. 228 Hier ergeben sich in bezug auf unser Untersuchungsobjekt, den Lebensmitteleinzelhandel, keine Leistungsänderungen, die durch den größeren Aktionsradius bedingt wären. Jedoch erscheint es wahrscheinlich, daß solche Absatzhelfer (z. B. Transportversicherungen oder Kreditinstitute), die Sicherungsfunktionen im internationalen Waren- und Geldverkehr übernehmen, von der Verzahnung der Distributionssysteme profitieren. Insgesamt betrachtet ergeben sich vor dem Hintergrund des Funktionenansatzes folgende generelle Vermutungen und Hypothesen: (1) Durch die Internationalisierung werden nahezu alle in der einschlägigen Literatur diskutierten Handelsfunktionen in ihrer Ausprägung verändert. (2) Mit einer Zunahme der Intensität und der organisatorischen Emanzipation der
internationalen Beschaffung von Einzelhandelsbetrieben steigt die Wahr-
226 So vermarktet z. B. REWE Scannerdaten, und Metro bietet seinen Kunden Versicherungen an. 227 Diese besteht in der Erklärung von Betriebstypen als spezifischen Kombinationen von Hande1sfunktionen. Vgl. Barth (1982), S. 106ff.; Schenk (1970), S. 68. 22s Als Beispiel führt Sundhoff Börsenterminhändler an.
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scheinlichkeit für eine Integration von bislang durch Betriebe des Außengroßhandels erbrachten Leistungen in das Funktionenspektrum von Unternehmen des Einzelhandels. (3) Aufgrund des größeren Aktionsradius beim Absatz können spezifischen Bedarf befriedigende Betriebstypen entwickelt und in verschiedenen Ländern positioniert werden, was wegen der hohen Einführungs- und Systemkosten nicht gelänge, wenn sich die Betroffenen auf ein einziges Land beschränken müßten.
2.2.2. Theorien des Wandels der Marktstellung von Handelsunternehmen Die Veränderung der Einbettung von Handelsunternehmen in den Warenverteilungsprozeß ist Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Anzahl von Erklärungsansätzen. Guiltinan klassifiziert diese auf der Basis der Kräfte, die den Wandel im Handel verursachen, in Theorien über "- constraints on evolutionary behavior, - institutional changes, - allocation of functions, - relationships among channel members". 229 Im vorangegangenen Abschnitt wurden bereits Veränderungen der Handelsfunktionen diskutiert. In Abschn. 2.2.3. werden Wandlungen im Beziehungsgefüge zwischen den Marktpartnern im Mittelpunkt stehen. Deshalb konzentrieren sich die Ausführungen an dieser Stelle auf die Theorien, die den beiden von Guiltinan zuerst genannten Bereichen zuzurechnen sind.
Bei dem Theorienkomplex über die Veränderungen von Handelsinstitutionen steht die Erklärung von Entstehung und Niedergang von Betriebstypen im Mittelpunkt des Interesses. Auf der Basis der Ursachen des Wandlungsprozesses werden Gesetzmäßigkeiten ermittelt, die die Prognose der Entwicklung der Handelsstruktur ermöglichen sollen. Gemäß Brungs kommt dabei Richtung und Intensität der Veränderung im Handel eine überragende Bedeutung zu. 230 Im einzelnen lassen sich in diesem Kontext folgende Gruppen von Erklärungsansätzen heranziehen: 231 Guiltinan (1974), S. 80. Vgl. Brungs (1991), S. 95 ff. 231 Die Klassifikation lehnt sich an eine von Brungs (1991), S. 93 ff., vorgeschlagene Strukturierung an. Allerdings wird die Value chain-Theorie um Netzwerktheorien erweitert. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 3.3. in diesem Kapitel. In der Literatur existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Systematisierungen. Vgl. z. B. Glöckner-Holme (1988), S. 60 ff. Levy/Weitz (1992), S. 108 ff., unterscheiden "cyclical theories", denen sie "wheel of retaiIing" und "accordian theory" subsumieren, und "evolutionary theories", zu denen sie "dialectic process" und "natural selection" rechnen. Evans/Bames/Schlacter (1993), S. 85 ff., diffe229 230
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- Polarisierungstheorien, - Lebenszyklustheorien, - Evolutionstheorien und - Netzwerktheorien. Im folgenden soll kurz dargelegt werden, was diese - mit Ausnahme der letzten Kategorie - zum Ausdruck bringen, um danach deren Relevanz für die theoretische Begründung der Internationalisierung im Einzelhandel zu hinterfragen. Auf Netzwerkansätzewird an späterer Stelle eingegangen. 232 ( 1) Polarisierungstheorien Das verbindende Element der Polarisierungstheorien besteht darin, daß das Aufkommen einer Angebotsform mit extremer Ausprägung von Merkmalen, die einen Betriebstyp prägen, quasi automatisch zur Entstehung eines innovativen Betriebstyps mit einem gegensätzlichen Profil führt. 233 Dabei wird die grundsätzliche Überlegenheit von Konzepten mit Extrempositionen, d. h. eindeutigem, unverwechselbarem Profil unterstellt. Wie Knee/Walters nachweisen, repräsentieren vier bis fünf Merkmale bereits 80 bis 90% der von Verbrauchern wahrgenommenen Betriebstypencharakteristika. 234 Drei wichtige Dimensionen stellen dabei fraglos Preislage, Standort und Sortimentspolitik dar, die unter Bezug auf weitere absatzpolitische Aktionsvariablen zu den Grundformen Erlebnis- und Versorgungskauf verknüpft werden können. Polarisierungstheoretisch betrachtet kommt es folglich zu einem Nebeneinander vielfältiger, in ihren Merkmalen jedoch gegensätzlicher Betriebstypen. Eine solche, z.B. sowohl Erlebnis- als auch Versorgungskauf ermöglichende Handelsstruktur bildet sich letztlich auch wegen der ambivalenten und differenzierten Werte sowie der daraus resultierenden hybriden Einkaufsstättenwahl von Verbrauchern heraus. (2) Lebenszyklustheorien Die Kernaussage dieser Erklärungsansätze besteht darin, daß sowohl Betriebstypen an sich als auch Marketingvariablen, die Angebotsformen prägen, einen in bezug auf Umsatz bzw. Marktanteil spezifischen zeitlichen Entwicklungsverlauf aufweisen, der sich in bestimmte Phasen (z. B. Entstehung und Aufstieg sowie Reife und Assimilation) untergliedern läßt. 235 Innovative Betriebstypen zeichnen sich renzieren zwischen "wheel of retailing", "dialectic theory", "crisis-change model", "darwinian evolution" und "core-fringe model". 232 Vgl. Abschn. 2.2.3. und Abschn. 3.3. in diesem Kapitel. 233 Vgl. Brungs (1991), S. 98f. 234 Vgl. Knee!Walters (1985), S. 26. 235 Zu Lebenszykluskonzepten in der Betriebswirtschaftslehre siehe Höft (1992), S. 15 ff. Anwendungen im Einzelhandel basieren u.a. auf McNair, Nieschlag, Hollander und Kacker.
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durch eine spezifische Marketingkonzeption aus, die darauf abzielt, Bedürfnisse von Verbrauchern bzw. -gruppen auf neue Weise zu befriedigen. Die innovative Zusammenstellung von Wettbewerbsparametern führt unter der Prämisse, daß sie von Nachfragern in Relation zu etablierten Betriebstypen als Nutzenvorteil wahrgenommen wird, zu einem Marktanteilszuwachs. Die Wachstumsphase dauert so lange an, - wie Wettbewerber nicht ihrerseits z. B. durch Imitation auf den innovativen Betriebstyp reagieren und der Innovator selbst von seinem ursprünglichen Konzept abrückt sowie bis die akquisitorische Wirkung des innovativen Betriebstyps erlahmt, weil bei den Verbrauchern ein Gewöhnungs- und Sättigungseffekt einsetzen. Nun können entweder Relaunchaktivitäten initiiert werden oder es kommt zu einem weiteren Umsatzrückgang bis hin zum Niedergang bzw. Marktaustritt. 236 Lebenszyklustheorien bilden daher im Grunde Verdrängungstheorien, indem sie vor dem Hintergrund der Marktphase, in der sich ein Betriebstyp befindet, wettbewerbs- bzw. positionierungsstrategische Maßnahmen implizieren. 237 Die Diskussion über einen allgemeingültigen Verlauf von Betriebstypen-Lebenszyklen wird von der ausschließlich am Preis als Innovationsimpuls ansetzenden "wheel of retailing"-Debatte 238 sowie dem von einem All-Parameter-Wettbewerb ausgehenden Gesetz der "Dynamik der Betriebsformen"239 beherrscht. (3) Evolutionstheorien Hierbei steht der Transfer von evolutionsgeschichtlichen Erkenntnissen auf den Wettbewerb im Handel im Mittelpunkt. 240 Evolutionstheoretische Veränderungsprozesse ergeben sich auf vier Ebenen eines international operierenden Einzelhandelsunternehmens :
Ansätze der Lebenszyklusanalyse ausgewählter Betriebstypen stellt Berger (1977), S. 107 ff., vor. Auf die insbesondere im amerikanischen Schrifttum diskutierte "general-specific-general theory", die eine bestimmte zeitliche Abfolge von Ausweitung und Straffung des Sortiments von Einzelhandelsbetrieben postuliert, soll hier nicht eingegangen werden. Vgl. hierzu Gist (1968), S. 97 ff. 236 Berger (1977), S. 220 ff., diskutiert Strategien zur Bekämpfung der Store Erosion. 237 Vgl. u.a. Davidson/Bates/Bass (1979), S. 46ff., insbesondere S. 50ff., und Bielefeld (1987), S. 82 ff., der Ergebnisse von Lifestyle-Analysen in das Lebenszykluskonzept von Betriebstypen integriert. 238 Vgl. McNair (1958), S. 1 ff., und Hollauder (1960), S. 37 ff. 239 Vgl. Nieschlag/Kuhn (1980), S. 85ff. Zu dem wissenschaftlichen Diskurs, der sich daran entzündet hat, siehe Müller-Hagedom (1985), S. 21 ff., Marzen (1986), S. 279ff., und Potucek (1987b), S. 289 ff., dem sich auch Praktiker, z. B. Köhler (1990), S. 59ff., nicht entziehen können. 240 Vgl. Gist (1968), S. 83 ff.
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- Wandlungen auf instrumenteller und strategischer Ebene innerhalb eines Betriebstyps, - Veränderungen auf Betriebstypenebene, Variationen auf der Ebene von national agierenden Tochtergesellschaften, die mehrere Betriebstypen unterhalten, sowie Modifikationen auf der Ebene des Gesamtuntemehmens, das Tochtergesellschaften in unterschiedlichen Ländern besitzt. Wandlung auf diesen vier Ebenen kann sich in Abhängigkeit von länderspezifischen Charakteristika, d. h. den in den jeweiligen Ländermärkten gültigen Umweltbedingungen hinsichtlich Ausmaß und zeitlichem Verlauf unterschiedlich vollziehen. Grundsätzlich steigt die Komplexität des Veränderungsprozesses von Ebene zu Ebene an. Deshalb wird es in Anlehnung an die Evolutionstheorie für das Handelsmanagement immer schwieriger, wenn nicht unmöglich, durch geplante Eingriffe einen gewünschten Zustand ansteuern zu können. "Nicht die Gestalter, sondern die Auslese durch die Umwelt entscheidet letztlich darüber, welche organisationalen Variationen von Nutzen sind und überleben." 241 Folglich wird die Flexibilität von Entscheidungsträgem und Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene zu einem zentralen Kriterium für den langfristigen Bestand eines international tätigen Handelsbetriebs. Die Säulen der evolutionstheoretischen Diskussion der Veränderungen im Distributionskanal bilden die Anpassungs- und die Marktlückentheorie. 242 In Analogie zur Darwinschen Selektionstheorie determinieren gemäß der Anpassungstheorie drei Faktoren die Entwicklung eines Betriebstyps: Innovation und Variation der Merkmale, die eine Angebotsform prägen (Mutabilität), - Multiplikation von Betriebstypen (Fortpflanzungsmöglichkeit) und Angebotskonkurrenz zwischen Betriebstypen (Überproduktion). Es werden nur solche Betriebstypen im Marktselektionsprozeß überleben, die sich an die Umweltbedingungen bestmöglich anzupassen vermögen. Die Konfrontation mit den Auslesefaktoren ist aber unerläßlich, damit sich dazu ideal stimmige Betriebstypen entwickeln können. 243 Demgegenüber empfehlen Marktlückentheoretiker244 ein Ausweichen gegenüber selektiven Wettbewerbskräften. Auf der Basis der Marktsegmentierung sollen Kieser (1993), S. 244. Siehe Brungs (1991), S. 109ff. Zur Evolutionsökonomie vgl. Maier (1992), S. 68f., und die dort angegebene Literatur. 243 Vgl. Brungs (1991), S. 109 f. 244 Vgl. Woll (1964), S. 206. Gemäß Woll entstehen neue Betriebstypen dann, wenn sie eine rationellere, d. h. kostengünstigere Warenverteilung ermöglichen. Ein höherer Kundennutzen kann aber neben niedrigeren Preisen (diskontierende Betriebstypen) auch durch eine 241
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9 Lingenfelder
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Marktnischen (vergleichbar einer ökologischen Nische) gesucht und mit darauf abgestimmten Betriebstypen besetzt werden, um das Überleben zu sichern. Unausweichlich verknüpft damit ist die Zunahme des Ausmaßes an Betriebstypendifferenzierung, die dann einen Selektionsdruck auslöst, wenn sich Varianten in der Wahrnehmung der Verbraucher bzw. Zielgruppen nicht mehr eindeutig voneinander unterscheiden. Die von einem Handelsunternehmen ursprünglich besetzte Marktnische bietet einen Zufluchtsort, zu dem dieses immer dann zurückkehrt, wenn andere Geschäftsfelder bzw. Marktnischen durch Eindringlinge gefährdet werden. Nach dem Rückzug bildet sich eine Marktlücke, die von Newcomern besetzt wird. Marktlükken entstehen somit durch Marktsegmentierung, d. h. durch Suche nach bislang vernachlässigten Verbrauchergruppen und Rückzug etablierter Wettbewerber. Jedes der skizzierten Theorienbündel vermag von dem komplexen Prozeß des Wandels der Marktstellung von Handelsunternehmen nur einen spezifischen und geringen Teil zu erklären. Teilweise bestehen auch Zusammenhänge zwischen den Ansätzen, indem z. B. sowohl Polarisierungs- als auch Evolutionstheorien die Bearbeitung von Marktnischen akzentuieren. 245
Welche Folgerungen lassen sich aus den Theorien, die den institutionellen Wandel in den Mittelpunkt stellen, für Ursachen, Verlauf und Konsequenzen der Internationalisierung im Einzelhandel ziehen? Zunächst ergeben sich in bezug auf die Ursachen für den "Export" von Betriebstypen Anknüpfungspunkte. Polarisierungstheoretisch betrachtet sind nur diejenigen Konzepte für eine Internationalisierung geeignet, die bereits im Inlandsmarkt ein klares, unverwechselbares und eigenständiges Profil besitzen. Nach der Marktlückentheorie kann davon ausgegangen werden, daß diese in Länder transferiert werden, in denen Bedarf an solchen Angebotsformen besteht, der von den dort tätigen Handelsunternehmen (noch) nicht befriedigt wird.246 Folglich kommt eine grenzüberschreitende Betriebstypenmultiplikation zustande, die solange andauert, bis markante länderspezifische Betriebstypen Marktlücken in anderen Ländern abgedeckt haben und sich in allen Ländern eine homogene Handelsstruktur herausgebildet hat. Die Internationalisierung eines Betriebstyps verlängert dessen Lebenszyklus und trägt dadurch dazu bei, Know-how mehrfach (in den verschiedenen Auslandsmärkten) zu vermarkten. In diesem Zusammenhang kann vermutet werden, daß der Transfer von Betriebstypen-Know-how in Auslandsmärkte erst dann vollzogen wird, wenn sich die Angebotskonzeption im Inlandsmarkt als erfolgreich erwiesen größere Bequemlichkeit (Heimservice etc.) und einen höheren Erlebniswert (Einkaufszentren usw.) geboten werden. Derlei Argumente spielen jedoch in der traditionellen preis- bzw. kostenorientierten mikroökonomischen Diskussion keine Rolle. 245 Vgl. Gist (1968), S. 111 f. 246 Mögliche Ursachen für derartige Angebotslücken bilden u.a. fehlendes Know-how in bezug auf Positionierung, Profilierung und Management von Betriebstypen, unzureichende finanzielle Ressourcen sowie kollusives Wettbewerbsverhalten, welche das Vordringen neuer Betriebstypen verhindern;
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hat. Das bedeutet, daß grundsätzlich weder Betriebstypen, die sich in der Degenerationsphase befinden, noch solche, die erst vor kurzem in den Markt eingeführt wurden, für die grenzüberschreitende Expansion in Frage kommen. Dies entspricht auch dem allgemeinen Lebenszykluskonzept von Organisationen, nach dem sich nach der Phase der Formalisierung eines zuvor weitgehend innovativen und informellen Geschäftsablaufs die Veränderung der Struktur anschließt, in der Dezentralisierung sowie Ausweitung des bearbeiteten Marktes vorherrschen. 247 In einem fortgeschrittenen Stadium der Verflechtung internationaler Einzelhandelsmärkte, das durch einen zunehmenden Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz bei allen größeren Handelsbetrieben gekennzeichnet sein wird, erscheint eine Strategieänderung wahrscheinlich: Handelsbetriebe mit weitreichender internationaler Erfahrung gehen dann dazu über, exportfähige Betriebstypen in einem frühen Stadium ihres Lebenszyklus in geeignete Auslandsmärkte zu transferieren248 und von vornherein innovative Betriebstypen mit Blick auf mehrere bzw. alle bearbeitete Länder zu entwickeln und ohne großen Time lag in den Zielmärkten einzuführen. Davidson/Bates/Bass proklamieren, daß neu eingeführte Betriebstypen eine immer kürzer werdende Zeitspanne aufweisen, in der ihre Marktanteile stetig anwachsen. Innovative Betriebstypen erreichen somit in geringerer Zeit die Systemreife, d. h. das Maximum des Marktanteils. 249 Wenn der Zeitraum zwischen Markteinführung und Stagnation des Marktanteils kleiner wird, steigt gleichzeitig der Druck, Fixkosten, die mit der Entwicklung und Einführung neuer Betriebstypen einhergehen, auf eine größere Basis, d. h. mehrere Länder zu verteilen. 250 Kacker geht der Frage nach, welche Quellen für die internationale Diffusion (definiert als unsystematisch betriebenes auslandsmarktbezogenes lnformationsmanagement) und den grenzüberschreitenden Transfer von einzelhandelsrelevantem Know-how verantwortlich sind. 251 Er diskutiert dabei vor dem Hintergrund zahlreicher skizzierter Fallbeispiele u.a. die Bedeutung von Markterkundung, Teilnahme an Seminaren, Besuchen bei ausländischen Handelsunternehmen, Direktinvestitionen, Joint venture, internationalen Franchisesystemen und internationalen Personalentwicklungsmaßnahmen allgemein sowie mit Blick auf den grenzüberschreitenden Transfer von Management-Know-how in bezug auf bestimmte Betriebstypen (z. B. Verbrauchermärkte).
Für Anfang der 90er Jahre jedoch dürfte die Internationalisierungsstrategie von Einzelhandelsbetrieben mit Suche nach Marktnischen im Ausland für im StammVgl. Kieser (1992), Sp. 1223 f. Der Time lag zwischen Markteinführung und Internationalisierung eines neuen Betriebstyps wird immer geringer. 249 V gl. Davidson!Bates/Bass ( 1979), S. 52.. 250 Ohmae (1991), S. 29, argumentiert für den Industriesektor analog. 251 Vgl. Kacker (1988), S. 41 ff. 247 248
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land erfolgreiche Betriebstypen zutreffend charakterisiert sein. 252 Internationale absatzmarktbezogene Beteiligungs- und Kooperationsstrategien werden von dieser Zielsetzung in zweierlei Hinsicht beeinflußt: Handelsbetriebe suchen Partner in den Ländern, in denen sie eine Marktnische für ihre im Inland erfolgreichen Betriebstypen identifiziert haben. Mit deren Hilfe sollen das Risiko des Markteintritts verringert und Fehler bei der Marktbearbeitung vermindert werden. Mit den Handelsunternehmen, die mit den Marktbedingungen des Ziellandes vertraut sind, wird zusammengearbeitet, um eine Voraussetzung für den erfolgreichen Transfer eigener Betriebstypen zu schaffen. Die Betriebstypenstruktur der in Frage kommenden Handelsbetriebe bildet daher ein wichtiges Kriterium für die Auswahl des idealen Partners. Darüber hinaus spielen geographische Marktabdeckung, Vereinbarkeil von Werte- und Organisationssystem sowie Kompatibilität der Unternehmensstrategien eine wichtige Rolle. 253
Internationalisierungswillige Unternehmen streben eine Beteiligung an und Kooperation mit denjenigen Handelsbetrieben im Ausland an, die profilierte und damit, polarisierungstheoretisch betrachtet, internationalisierungsfähige Betriebstypen entwickelt und positioniert haben. Der Nutzen einer solchen Strategie besteht u.a. darin, daß einzelne Betriebstypen in Drittländer gemeinschaftlich exportiert werden können.Z54 Vor dem Hintergrund der in den Lebenszyklustheorien proklamierten Assimilation der Marketingkonzeption von Newcomern und etablierten Anbietern ergeben sich drei Kernfragen, die den Verlauf und die Konsequenzen der Internationalisierung berühren: - Wie hoch ist im Zielmarkt das Umsatzpotential, das der exportierte Betriebstyp erobern kann? Bei dieser Prognose müssen vor allem das Reaktionsverhalten der Wettbewerber und das Nachfrageverhalten berücksichtigt werden. Unter Umständen können dabei die im Inland gesammelte Erfahrung, Reaktionen von Betreibern anderer Angebotsformen, der Grad des Verlustes der Attraktivität von Angebotselementen, die Betriebstypen prägen, etc. als Orientierungsgrößen herangezogen werden.
- Soll der exportierte Betriebstyp dann, wenn er in die Reife- und Assimilationsphase gerät, im Hinblick auf das Marketingkonzept geändert werden oder soll der Anbieter strikt an seiner ursprünglichen Angebotsphilosophie festhalten ?255
252 Dies gilt freilich nur dort, wo im Ausland Verkaufsstellen aus eigener Kraft aufgebaut werden. 253 Vgl. hierzu die Ausführungen im 3. Kapitel, Abschn. 2.2.1.4. und Abschn. 3.1.3. 254 Ein Partner bringt seine Internationalisierungserfahrung und der andere sein Knowhow in bezug auf das Betriebstypenmanagement ein. 255 Die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten bezeichnet Köhler als High-level-trading und Low-level-trading. Vgl. Köhler (1990), S. 61.
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- Welche Elemente können, falls eine Änderung des Marketingkonzepts erwogen wird, unter Beibehaltung konstitutiver Merkmale der Betriebstypenkonzeption (Standort, Verkaufsfläche, Personalintensität etc.) variiert werden?256 Gemäß der Anpassungstheorie wird es mindestens aus zwei Gründen zu einer Betriebstypendifferenzierung in jedem von der Internationalisierung betroffenen Land kommen: - Die Manager der sich in mehreren Ländern betätigenden Handelsunternehmen neigen dazu, ihre eigenen Betriebstypen als profiliert und somit internationalisierungsfahig einzuschätzen. Folglich werden in den Staaten, in denen die generellen Rahmenbedingungen für eine Markterschließung vorliegen (z. B. Renditeniveau, wirtschaftliche Stabilität), Handelsunternehmen aus mehreren Ländern Fuß zu fassen versuchen. Demzufolge wird eine Tendenz zur Überbesetzung von Standorten mit unterschiedlichen Betriebstypen zu beobachten sein. Diese Entwicklung mündet in einen Verdrängungswettbewerb, bei dem diejenigen Anbieter den Selektionsprozeß überstehen, die in der Wahrnehmung der Verbraucher ein unverwechselbares Profil erlangt haben. - Mit Rücksicht auf eventuell bestehende Unterschiede im Nachfrageverhalten in den einzelnen Ländern werden grenzüberschreitend expandierende Handelsbetriebe dazu neigen, ihre Betriebstypen an die lokalen Verhältnisse anzupassen. Damit sind gravierende Steuerungsprobleme auf Betriebstypen- und Unternehmensebene verbunden; denn je weiter die länderspezifische Differenzierung geht, desto schwerer fallt die internationale Koordinierung von Teilprozessen des Geschäftssystems, wie z. B. Beschaffung, Logistik, Personalwesen, Marketing und Controlling. Zusammenfassend betrachtet ergeben sich für diesen Teil der Untersuchung folgende generelle Vermutungen und Hypothesen: (1) In einer frühen Phase des branchen- und unternehmensspezifischen Internatio-
nalisierungsprozesses prägt die Suche nach Lücken in Auslandsmärkten für bestehende Betriebstypen die grenzüberschreitende absatzmarktbezogene Betätigung von Einzelhandelsbetrieben. Das führt zur Homogenisierung der Handelsstruktur der betroffenen Länder.
(2) Für die Internationalisierung kommen nur solche Betriebstypen in Frage, die sich im Stammland weder in der Einführungs- noch in der Degenerationsphase befinden. (3) Je mehr der Internationalisierungsprozeß im Einzelhandel voranschreitet und je kürzer der Zeitraum zwischen Markteinführung und Systemreife eines Betriebstyps wird, desto größer wird der Druck, Fixkosten, die mit der Entwick256 Beispiele hierfür verkörpern die Zunahme der Häufigkeit von Partievermarktung im Nonfood-Bereich, der Ausbau des Tiefkühl- und Frischesortiments sowie die Erweiterung der Handelsmarkenpalette.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
lung und Einführung neuer Betriebstypen einhergehen, auf eine größere Marktbasis, d. h. mehrere Länder, zu verteilen. (4) Handelsbetriebe reduzieren den Time lag zwischen Markteinführung und Internationalisierung von Betriebstypen in dem Maße, in dem ihre internationale Erfahrung wächst. (5) Im Rahmen der absatzmarktbezogenen Beteiligungs- und Kooperationsstrategie wird die Suche nach geeigneten Unternehmen durch die Identifikation von Marktnischen in den einzelnen Ländermärkten und die Ermittlung von profilierten Betriebstypen geprägt. (6) Die zunehmende absatzmarktgerichtete Internationalisierung führt bei denjenigen Einzelhandelsunternehmen, die in mehreren Ländern unterschiedliche Betriebstypen etabliert haben, zu gravierenden Problemen hinsichtlich der Koordinierung von Teilprozessen des internationalen Geschäftssystems (z. B. Beschaffung, Finanzwesen, Personalpolitik).
2.2.3. Gate keeper- und Interaktionstheorien Mit Hilfe des Gate keeper-Konzepts soll erklärt werden, welche Faktoren die Weiterleitung von materiellen und immateriellen Gütern in Distributionskanälen determinieren. Im Zentrum des Interesses stehen dabei Engpässe, die entweder von Regularien (z. B. Gesetze, Geschäftsbedingungen) oder von einzelnen Institutionen, den Gate keeper, kontrolliert werden. Diese haben die Macht, den Distributionskanal zu öffnen oder zu schließen. Darüber hinaus sind sie für die Weiterleitung von Gütern bis zum nächsten Engpaß zuständig. 257 Die Bedeutung von Einzelhandelsbetrieben als Gate keeper ist mittlerweile unbestritten. Sie wächst mit der Konzentration im Handel, der Warenfülle, den Anforderungen an die Kommunikationsleistung von Herstellern gegenüber den Endverbrauchern und der Komplexität sowie Intransparenz der Distributionsstruktur.258 Aufgrund der Einbettung von Handelsbetrieben in Absatz- und Beschaffungsmärkte wechselt die Gate keeper-Rolle zwischen Einzelhandelsbetrieben und Lieferanten. In 'bezug auf die Absatzmärkte stellen potente Absatzmittler aus der Sicht von Lieferanten Gate keeper dar, die über den Marktzugang zu den Endverbrauchern mitentscheiden. Hinsichtlich der Warenbeschaffung bilden einige Produzenten Schlüssellieferanten, und zwar dann, wenn keine andere Bezugsquelle mit vergleichbaren Leistungen existiert. In der Channel-Theorie, welche die Gate keeper-Funktion von Absatzmittlern thematisiert, wird zwar auf die wechselseitige Abhängigkeit von Schleusenwärtern einerseits und von deren Leistungen in Anspruch nehmenden Gruppen (Hersteller, Endverbraucher etc.) andererseits hingewiesen. Jedoch dominiert dort die institu257 258
Vgl. Hansen (1990), S. 44ff. Vgl. Bauer (1980), S. 13.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
135
tionelle Betrachtung von Distributionswegen, die als relativ starre, lediglich in eine Richtung benutzbare Kanäle begriffen werden. 259 Demgegenüber zielen interaktionstheoretisch fundierte Ansätze darauf ab, die zwischenAnbieterund Nachfrager bestehende Beziehung als eine zeitliche Abfolge von aufeinander bezogenen Aktionen und Reaktionen zu interpretieren. 260 Das Gate keeper-Konzept dient dem Aufspüren der über den Distributionskanal herrschenden Schleusenwärter und identifiziert die Bedingungen, die für die Öffnung oder Schließung der in einen Distributionsweg integrierten Schleusen verantwortlich zeichnen. Infolgedessen kann der Gatekeeper-Ansatz als Basiskonzept für die interaktionstheoretische Analyse (einzelner Abschnitte) von Distributionskanälen betrachtet werden. Die Vielfalt an in der Literatur diskutierten unterschiedlichen Interaktionstheorien läßt sich in Anlehnung an Kern anhand dreier Kriterien systematisieren: 261 - Interaktionssubjekt: Personale und Organisationale Ansätze - Anzahl der Beteiligten: Dyadische und Multi-Aktoren-Ansätze - Zeitliche Reichweite: Struktur-, episodenbezogene Prozeß- und episodenübergreifende Netzwerkansätze Um die Bedingungen, denen sich der institutionelle Handel gegenübersieht, mit Hilfe der Interaktionstheorie adäquat erfassen zu können, müßten alle mit dem Einzelhandel zusammenarbeitenden Institutionen (Lieferanten, Großhandel, Werbeagenturen, Marktforschungsunternehmen, Speditionen, EDV-Unternehmen, staatliche Stellen, Verbraucher etc.) bei einem Multi-Aktoren-Ansatz simultan in einer Längsschnittbetrachtung analysiert werden. Wegen der Komplexität eines solchen Unterfangens konzentriert man sich im Rahmen empirischer Untersuchungen zumeist auf eine Schnittstelle, wie sie z. B. das Hersteller-Handelsverhältnis262 oder die Zusammenarbeit zwischen Handelsunternehmen und Speditionen darstellen. Studien mit einem personalen Schwerpunkt existieren in bezug auf die Interaktion von Vertriebsleitern bzw. Verkäufern von Herstellern und Einkaufsleitern bzw. Einkäufern von Handelsunternehmen, 263 Verkäufern von Handelsunternehmen und Verbrauchern264 sowie Verkäufern von Großhandelsbetrieben und Einkäufern der Einzelhandelsebene.265 Weitere Analysen konzentrieren sich auf 259 Vgl. z. B. SternJEl-Ansary (1988), S. 10. Diverse Formen der Wertschöpfungspartnerschaft (z. B. gemeinsame Produktentwicklung, Personalschulung, unternehmensübergreifende Informationssysteme) zwischen Herstellern und Handelsunternehmen lassen sich beispielsweise mit einer solchen Grundhaltung nicht erfassen. 260 Vgl. Kern (1990), S. 9. 261 Vgl. Kern (1990), S. 16ff. 262 Vgl. Campbell (1985), S. 35 ff. ; Zentes (1989), S. 224ff. 263 Vgl. Lingenfelder (1990), S. 196'ff. 264 Vgl. Pennington (1968), S. 255 ff.; Weitzel/Schwarzkopf/Peach (1989), S. 27 ff. 265 Vgl. Tosi (1966), S. 516ff.
136
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
die Erklärung spezifischer Transaktionsepisoden, so z. B. auf die Entscheidung des Handels über die Listung neuer Produkte,266 oder die Zufriedenheit von Verbrauchern mit den Leistungen eines Handelsbetriebs.267 Die organisationsbezogene Betrachtung internationaler Anbieter-NachfragerDyaden fand zwar Anfang der 80er Jahre Eingang in die Debatte, aber eine vergleichsweise geringe Beachtung. 268 Erst neuerdings nimmt man sich der spezifischen Probleme des "cross-national face-to-face selling" an?69 Alle diese Bemühungen konzentrieren sich jedoch auf den industriellen Bereich. So erscheint es auch nicht weiter verwunderlich, daß für das internationale Beschaffungsmarketing lediglich industriebezogene Studien vorliegen. 270 Vor diesem Hintergrund ergibt sich in einem ersten Schritt der Analyse die Notwendigkeit, die im Zusammenhang mit der Internationalisierung eines Einzelhandelsbetriebs denkbaren Interaktionspartner zu ermitteln. (1) Die Identifikation internationaler Aktionspartner aus der Sicht eines inländischen Einzelhandelsunternehmens Aus Darstellungsgründen sei nachfolgend nicht zwischen Waren-, Informationsund Geldtransaktionen differenziert, sondern zunächst der Bereich der grenzüberschreitenden Beschaffung fokussiert. Danach wird der internationale Absatz im Blickpunkt stehen. Prinzipiell ergeben sich die in Abb. 2.10. enthaltenen Formen internationaler Interaktion. 271 Die im Ausland ansässigen Beschaffungsintermediäre272 können bei allen Kategorien internationaler Geschäftskontakte den Transaktionsprozeß zwischen der Einzelhandelszentrale im Inland und dem Produzenten im Ausland unterstützen. Ihre Einschaltung hängt von der Art und den konkreten Rahmenbedingungen der jeweiligen Transaktion ab (z. B. länderspezifische Gepflogenheiten im Rahmen der Kontaktanbahnung, Abwicklung der Bezahlung). Die internationale Beschaffung gemäß (1) in Abb. 2.10. erfordert nicht selten den Besuch von Messen im Ausland, um sich einen schnellen und kostengünstigen Überblick über Hersteller und Waren des betreffenden Landes zu verschaffen. 273 Einkäufer von HandelsunterVgl. Bauer (1980). Vgl. Lingenfelder/Schneider (1991), S. 109ff. 268 Vgl. Sheth (1983), S. 46 ff. 269 Vgl. Kale/Bames (1992), S. 101 ff. 210 Vgl. Sehröder (1993), S. 170ff. 271 Interaktionen, die im Rahmen der internationalen Warenbeschaffung (z. B. Einschaltung von inländischen Import-GroBhandelsbetrieben oder Verkaufsrepräsentanzen von Auslandsproduzenten) im Inland stattfinden, werden nachfolgend nicht berücksichtigt. 272 Hierunter seien neben Beschaffungshelfern alle diejenigen Institutionen verstanden, die in den internationalen Beschaffungsvorgang eingeschaltet werden müssen (z. B. Einholung einer Ausfuhrgenehmigung bei einer Behörde). 273 Der Besuch von Inlandsmessen, auf denen ausländische Anbieter ihre Waren offerieren, wird im Rahmen dieser Untersuchung vernachlässigt. 266 267
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
137
nehmen nutzen solche Veranstaltungen zum Ordern von Partien, zum Vergleich des Warenangebots in bezug auf Qualität und Preise etc.
Die Einzelhandelsunternehmung delegiert in Abhängigkeit von der Intensität Aufgaben der internationalen Beschaffung an zentrale Instanzen (europäische Zentrale, Beschaffungsgesellschaften in wichtigen Beschaffungsregionen usw.). In Abhängigkeit von Ort der Ansiedlung der Entscheidungskompetenz und der organisatorischen Verankerung der internationalen Beschaffungsaktivitäten können daher bei jeder der in Abb. 2.10. genannten zehn Kategorien Funktionen auf internationale Einrichtungen (z. B. weltweite Beschaffung durch eine mit mehreren Einkaufsrepräsentanzen in wichtigen Regionen versehene Tochtergesellschaft, die ausschließlich Beschaffungsaufgaben übernimmt) übertragen werdenP4
Beschaffungsintermediäre im ln- oder Ausland - Staatliche Stellen -Verbände - Kreditinstitute - Spediteure - Messeveranstalter - Marktforschungsunternehmen - Versicherungsgesellschaften
Legende: EB GH TG0 EK
= Einlcaufskommissionär oder Einlcaufsbüro bzw. Einlcaufsrepräsentanz des inländischen Einzelhandelsbetriebs im Ausland =Ausländischer Großhandelsbetrieb (Export-, Binnengroßhandel)
= Tochtergesellschaft des Einzelhandelsbetriebs im Ausland mit Verkaufsstellen und Bescbaf·
fungsabteilung (ohne Einlcaufsfunlction = TG) = Überbetriebliebe Einkaufskooperation mit Sitz im Ausland
:=: :~~~ }
Einfluß auflnteraktiou aus der Sicht der inländischen Einzelhandelszentrale
_.. --···-...,. - Indirelctcr
Abb. 2.10.: Formen internationaler Interaktion bei der grenzüberschreitenden Warenbeschaffung aus der Sicht eines inländischen Einzelhandelsbetriebs
274 Aus Darstellungsgründen wurde darauf verzichtet, diesen Sachverhalt in Abb. 2.1 0. zu berücksichtigen. Unter Umständen werden Einkaufsrepräsentanzen bzw. Beschaffungsgesellschaften im Ausland von den Interaktionspartnern vor Ort als inländische Unternehmen wahrgenommen. Sollte dies der Fall sein, könnte nicht länger von internationalen Interaktionen zwischen diesen Organen und deren Verhandlungspartnern gesprochen werden.
138
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Je weiter diese Zentralisierung auf internationaler Ebene voranschreitet, desto mehr wird die inländische Einzelhandelsunternehmung von internationalen Beschaffungsaufgaben entlastet, aber auch vom Erwerb spezifischer Kenntnisse, der damit verbunden ist (z. B. Informationen über Konditionen, Innovationen und Produkte, die als Ergänzung des Stammsortiments in Frage kommen), abgeschnitten. Um dieses Manko auszugleichen, muß der Informationsaustausch zwischen dem inländischen Einzelhandelsunternehmen, insbesondere der Marketingabteilung, und internationalen Beschaffungsorganen des Unternehmens mehr als nur Art, Menge und Preise georderter Waren umfassen. 275
Abb. 2.10. verdeutlicht die Vielfalt an denkbaren Dyaden im internationalen Beschaffungsprozeß. Berücksichtigt man zudem die Tatsache, daß nicht nur ein ausländischer Lieferant, sondern auch mehrere Hersteller in zahlreichen Ländern als Beschaffungsquellen in Frage kommen und damit die Einzelhandelszentrale im Inland mit vielen Einkaufsbüros, Tochtergesellschaften, Großhandelsbetrieben, Einkaufskooperationen und Beschaffungsintermediären in einigen Ländern interagieren muß, wird die Komplexität des internationalen Versorgungsmanagements deutlich. Mit steigender Intensität der Auslandsbeschaffung (Anzahl der betroffenen Länder, Anzahl der Lieferanten im Ausland, Anteil am Beschaffungsvolumen, marketingstrategische Bedeutung der im Ausland georderten Waren und Häufigkeit der Transaktionen) wird ein Einzelhandelsbetrieb danach streben, die internationale Beschaffung eigenständig (d. h. Ausschaltung von Großhandelsbetrieben, Exportkooperationen etc.) und professionell (durch Gründung von Einkaufsrepräsentanzen in den wichtigen Beschaffungsländern bzw. -regionen) zu organisieren. Spätestens dann, wenn ausländische Großhandelsbetriebe in den Beschaffungsprozeß eingreifen (Pfade (3), (6), (7) und (10) in Abb. 2.10.), endet die Handlungsautonomie. In diesem Fall kommt es somit nicht zu einer direkten Interaktion zwischen dem inländischen Einzelhandelsbetrieb und dem ausländischen Produzenten. Gleiches gilt abgeschwächt auch für die Einschaltung von Einkaufskooperationen mit Sitz im Ausland (Pfade (8), (9) und (10) in Abb. 2.10.). Allerdings hängt die Möglichkeit, auf Geschäftskontakte der Einkaufskooperation mit nachfolgenden Stufen Einfluß zu nehmen, von der Gestaltung der Kooperationsbedingungen ab.276 Im Bereich des grenzüberschreitenden Absatzes erscheinen die in Abb. 2.11. enthaltenen Kategorien internationaler Interaktionen relevant. Hier müssen ausländische Absatzintermediäre277 eingeschaltet werden, weshalb spezifische Verhandlungen, Konsultationen etc. erforderlich sind. Gleiches gilt auch für supranationale 275 276
net.
Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 3.1. in diesem Kapitel. Daher wird diese Kategorie der Einwirkung in Abb. 2.10. als .,indirekt" gekennzeich-
277 In Analogie zu Beschaffungsintermediären seien darunter neben den Absatzhelfern alle diejenigen Institutionen verstanden, die bei Aufnahme internationaler Absatzaktivitäten (z. B. bei dem Aufbau eines ausländischen Filialnetzes aus eigener Kraft) konsultiert werden (müssen).
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
139
Organe des Einzelhandelsuntemehmens, die die Marktbearbeitung mehrerer Auslandsmärkte koordinieren (z. B. Europazentralen). Die Kategorie (1) in Abb. 2.11. umfaßt den Versand bzw. die Zustellung von Waren über Ländergrenzen sowie den Verkauf an ausländische Pendler. Diese Form der Interaktion dürfte vorwiegend in grenznahen, dicht besiedelten Gebieten anzutreffen, aber insgesamt betrachtet in bezug auf den Anteil am gesamten internationalen Absatzvolumen unbedeutend sein.
Absatzintennediäre im in- und Ausland - Staatliche Stellen -Verbände - KreditinstiiUie - Spediteure - Marktforschungs· unternehmen
- Werbeagenturen
Einzelhandelsunternehmen im Inland
J
(2)
(3)
(4)
l
- Medienanbietcr - Unternehmensberatungsgesellschaften
Legende: TG JV
(I)
Akquirierte oder eigenstiindig aufgebaute ausländische Tochtergesellschaft mit Verkaufsstellen Gemeinschaftsunternehmen im Ausland mit in der Regel mehreren ausländischen Partnern und Verkaufsstellen FN - Ausländischer franchisenehmer
.__.
~
~
~
Direkter
..,. ..... ..,. = Indirekter
}
Einfluß auf Interaktion aus der Sicht der inländischen Einzelhandelszentrale
Abb. 2.11.: Formen internationaler Interaktion im Rahmen des internationalen Absatzes aus der Sicht eines inländischen Einzelhandelsbetriebs Anmerkung: Strenggenommen handelt es sich bei den Interaktionen zwischen TG, JV und FN einerseits und Verbrauchern im Inland andererseits nicht um internationale Transaktionen. Die Schaffung solcher Organisationen im Ausland zielt nämlich darauf ab, eine sog. Insiderposition zu erlangen, d. h. von den Verbrauchern als Inländer wahrgenommen zu werden. Ob die Zielgruppe den Handelsbetrieb als inländischen Anbieter wahrnimmt, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden?78
Faßt man die beschaffungs-und absatzmarktbezogenen internationalen Interaktionen eines Einzelhandelsunternehmens zusammen, ergibt sich das in Abb. 2.12. enthaltene Bild. Damit wird dreierlei deutlich: Internationale Aktivitäten im Einzelhandel erfordern eine Vielzahl unterschiedlicher Interaktionen. 278
Vgl. hierzu 3. Kapitel, Abschn. 2.2.2.4.
140
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Deren Handhabung bildet einen strategischen Erfolgsfaktor der Internationalisierung. Ein interaktionstheoretisches Modell, das sich allein auf die Dyade HerstellerHandel oder Handel-Verbraucher bezieht, wird der Realität nicht gerecht, da es nur einen geringen Teil möglicher Interaktionen abdeckt. Zu fordern ist vielmehr die Entwicklung eines allgemeingültigen, d. h. auf alle in Abb. 2.12. gezeigten Dyaden anwendbaren Interaktionsmodells. Dem sei die zweite Etappe der Diskusion in diesem Abschnitt gewidmet.
l'roduzall im Ausland
• St.dicbe Slellco ·Verbinde • Kreditimlti1ule • Spediteule -M-..-.Iter • Marklfanch......
-""-
• Versid>onmp-
aaelbc:haflen
AbsmintonDcdilre
im IDiaDd
- Stallliebe Stellen • Vetllladc
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• Marklfanchqo-bmm • Werbcagcftllllen • MeclieaoDbieler
TG
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acsclbct.ftn Verbnucber im Auslaad
Abb. 2.12.: Diebeschaffungs-und absatzmarktbezogene internationale Interaktion eines inländischen Einzelhandelsunternehmens Anmerkungen: I . Abkürzungen und Pfeile sind in den Legenden zu Abb. 2.1 0. und Abb. 2.11. erklärt. 2. Bei den Beschaffungs- und Absatzintermediären kann es sich teilweise um identische Institutionen handeln. Daher sind diese zwei Gruppen mit einer Linie verbunden.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
141
(2) Rahmenbedingungen und Grundstruktur eines Modells zur Erfassung internationaler Interaktion eines Einzelhandelsunternehmens Vor dem Hintergrund der Vielzahl unterschiedlicher Interaktionspartner im internationalen Geschäft und des komplexen Entscheidungsprozesses auf seiten eines Handelsunternehmens erscheint ausschließlich ein Netzwerkansatz zur Modeliierung des Beziehungsgeflechts geeignet. Als Basis der Überlegungen wird auf ein Interaktionsmodell der International Marketing and Purchasing-Group rekurriert, das neben den beteiligten Parteien den Interaktionsprozeß, die Atmosphäre bzw. Geschäftsbeziehung, innerhalb derer sich die Interaktion vollzieht, und die generellen Rahmenbedingungen, d. h. die Makroumwelt des Interaktionsprozesses, berücksichtigt. 279 Abb. 2.13 stellt dieses den Bedürfnissen der vorliegenden Studie augepaßte Modell dar. Damit läßt sich jede der in Abb. 2.12. abgebildeten Dyaden interaktionstheoretisch erfassen. Inhalt und Verlauf einer Transaktion sowie Verhalten der Partner innerhalb einer Transaktionsperiode können durch die vier Indikatoren der Dimension "Interaktion im engeren Sinn" operationalisiert werden. Die Institutionalisierung von interorganisationalen Kontakten (z. B. regelmäßiger Informationsaustausch, Einrichtung eines Buying- und Selling Center-Gremiums, gemeinsame Personalentwicklung) führt dabei zu einer Verstetigung der Geschäftsbeziehung, was von den Beteiligten sicherlich nur bei Existenz einer vertrauensvollen Atmosphäre angestrebt wird. Durch die Einschaltung von Dritten in den dyadischen lnteraktionsprozeß entstehen Netzwerke, die Anbieter auf gleich-, vor- und/oder nachgelagerter Ebene sowie ausländische Intermediäre umspannen können?80 Die Dimension Geschäftsbeziehung steht in Wechselwirkung mit konkreten Interaktionen. Sofern diese positiv ist, können dadurch der Verlauf und Ausgang von Transaktionen gefördert werden. 281 Sie bildet einen Hygienefaktor im Herzbergscben Sinn, der bei negativer Ausprägung Verhandlungen zwischen den Beteiligten empfindlich beeinträchtigt und die Bereitschaft, den Interaktionspartner zu wechseln, auf beiden Seiten erhöht. Die Möglichkeit eines solchen Wechsels hängt fraglos auch von der Existenz eines annähernd gleich qualifizierten Akteurs ab. Darüber hinaus prägt die ökonomische Situation, in die die Verhandlungspartner eingebettet sind, Geschäftsbeziehung zwischen Einzelhandelsbetrieb und Marktpartner sowie Verlauf einer Interaktion.
279 280 281
Vgl. TurnbulUValla (1986), S. Sff. Zu strategischen Netzwerken siehe Abschn. 3.3. in diesem Kapitel. Zum Management von Geschäftsbeziehungen vgl. Diller/Kusterer (1988), S. 2 11 ff.
- Austausch von Produkten, Geld, Informationen31 und Pflege sozialer Beziehungen - Institutionalisierung von interororganisationalen Kontakten - Strukturelle und personelle Anpassungsmaßnahmen an Bedürfnisse des IPs
-Ziele - Kulturund - Einstetlungen Struktur -Erfahrung -Ziele und Strategien - Ressourcen - Technologie
Anmerkungen: I) Gemäß Abb. 2.12. kann es sich hierbei auch um ein Einkaufsbüro bzw. eine Einkaufsrepräsentanz oder Niederlassung des Unternehmens im Ausland handeln. 2) In Analogie zu Abb. 2.12. können hier sämtliche unternehmensexterne Interaktionspartner aufgeführt werden, also z.B. staatliche Stellen im Ausland, ausländische Verbraucher, Produzenten oder Großhandelsbetriebe. Darüber hinaus sind noch ausländische Einzelhandelsunternehmen zu nennen, mit denen der inländische Betrieb beispielsweise verbraucherbezogene Kommunikationsmaßnahmen gemeinsam plant und realisiert. Dabei trifft unsere Differenzierung in Organisation und Individuen auch für diejenigen Verbraucher zu, die in einem Mehrpersonenhaushalt leben. So hat beispielsweise die geschlechterspezifische Rollenverteilung in bezugauf die Haushaltsführung maßgeblichen Einfluß auf das Kaufverhalten. 3) Bei einer Interaktion von Institutionen können in Einzelfällen auch Mitarbeiter "Gegenstand" des Austauschprozesses sein (z.B. im Hinblick auf Erfahrungsaustausch und Realisierung einer Wertschöpfungspartnerschaft).
Abb. 2.13.: Ein Modell zur Erfassung internationaler Interaktion eines Einzelhandelsunternehmens
Legende: EH= Einzelhandelsunternehmen IP = Interaktionspartner
-Ziele - Kulturund - Einstetlungen Struktur -Erfahrung -Ziele und Strategien - Ressourcen - Technologie
Interaktion i.e.S.
- Verteilung und Einsatz von Marktmacht - Unterordnung, Kooperation oder Konfrontation - Vertrauensvolle, freundschaftliche vs. mißtrauische, feindliche Atmosphäre
Geschäftsbeziehung
- Ökonomische Situation, insbes. Marktstruktur - Kulturelle Spezifika
Makroumwelt
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2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
143
In besonderer Weise determinieren kulturelle, landesbezogene Spezifika die internationale Transaktion;282 denn kulturelle Besonderheiten sind meist nicht direkt sichtbar und wirken implizit auf die Struktur der beteiligten Organisationen sowie Ziele und Einstellungen der betroffenen Individuen ein. Die Kultur des jeweiligen Landes, dem die Verhandlungspartner entstammen, bildet eine kollektive mentale Programmierung, die von Kale!Bames als Schlüsselfaktor internationaler Nachfrager-Anbieter-Dyaden betrachtet und diskutiert wird. 283 Zur Operationalisierung des nationalen Charakters greifen sie auf Hofstedes vierdimensionales Meßkonzept zurück, das Vermeidung von Unsicherheit, Individualismus, Machtdistanz und Maskulinität urnfaßt. 284 Vermeidung von Risiko beispielsweise ist ihren Ausführungen zufolge in Belgien, Japan und Frankreich stark und in Dänemark, Schweden und Hongkong schwach ausgeprägt. 285 Die internationale Beschaffung von deutschen Einzelhandelsbetrieben muß darauf Rücksicht nehmen, da in Ländern mit hohen Meßwerten bei der Risikovermeidung Transaktionspartner c.p. größeren Wert auf Verläßlichkeit und Maßnahmen zur Absicherung spezifischer Risiken der Interaktion legen (Vertragsgestaltung, Ausschaltung von Zahlungsrisiken etc.). Tab. 2.1. enthält einige kulturspezifische Besonderheiten, die bei der internationalen Beschaffung die Interaktion zwischen Lieferant (Hersteller) und Beschaffungsinstitution (Einzelhandel) prägen. 286 Daraus läßt sich insgesamt die Forderung ableiten, daß sich Beschaffungsgremien gerade auch mit Blick auf die Kompetenz von Mitarbeitern, sich in dem jeweiligen Kulturkreis adäquat verhalten zu können, zu bilden sind. Dies ist um so wichtiger, je mehr von seiten der Einzelhandelsunternehmen eine langfristige Geschäftsbeziehung zu einzelnen Lieferanten (z. B. im Rahmen der Produktion von Handelsmarken) angestrebt wird. Beispielhaft werden nachfolgend mit Hilfe des in Abb. 2.12. wiedergegebenen Modells die Interaktion zwischen einem inländischen Einzelhandelsunternehmen und einer überbetrieblichen Einkaufskooperation mit Sitz im Ausland einerseits sowie einem Joint venture im Ausland, das eigene Verkaufsstellen unterhält, andererseits konkretisiert. Interaktion von einem Einzelhandelsunternehmen im Inland und einer überbetrieblichen Einkaufskooperation mit Sitz im Ausland Es sei unterstellt, daß das inländische Handelsunternehmen Mitglied der international tätigen Einkaufskooperation ist und als solches gemäß den Statuten der Kooperation spezifische 282 In einer exploratorischen Studie untersuchen McGee/Spiro (1991), S. 21 ff., die Wechselwirkung zwischen kultureller Affinität von Verkäufern und Einkäufern, Country of originEffekt sowie Verhandlungserfolg in industriellen Transaktionsprozessen. Sie stellen fest, daß es häufig u.a. zu Friktion bei der Gesprächsführung kommt, die durch die unterschiedliche nationale Herkunft der Verhandlungspartner begründet ist. 283 Vgl. Kale/Barnes (1992), S. 101 ff. 284 Vgl. Hofstede (1993), S. 37ff. 285 Vgl. Kale/Barnes (1992), S. 105. 286 Zur Ableitung der Komponenten von Verhandlungsprozessen vgl. Kutschker!Kirsch (1978).
144
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Tabelle 2.1.
Ausgewählte kulturelle Besonderheiten im Rahmen von Beschaffungstransaktionen Asiatische Llnder
Lateinamerikanische Llnder
- Neutraler Ort
- Neutraler Ort
- Teezeremonie zum Abbau psychischer Distanz
- Ausklamrnerung der eigentlichen Verhandlungsthemen bei ersten Gesprächen
- Aufbau sehr persönlieber Beziehungen
Wichtige Komponente von Bescbaft"ungsverhandlungen
Arabische Llnder
Verhandlungsorganisation (Inhalt, Ablauf, Ort, Sitzordnung etc.)
- Keine eine Konfrontation fllrdemde Sitzordnung Teilnehmer (Anzahl, hierarchische Stellung usw.)
- Große Delegation - Hochrangige Besetzung - Keine bzw. geringe Akzeptanz von Frauen als VerhandJungspartDem
Problemlösungsverhalten (Verhandlungsstil etc.)
- Beziehungsorientiertes Verhalten - Implizite Kornmunikation
- Einbeziehung extemer Ex-perten - Teilnehmer in der Regel nicht der obersten Ebene zugehörig - Hohe Relevanz von Augen- und Kör- Aufbau einer Fürperkontakt sorgebeziehung zwischen Liefe- Symbolische Kornrnunikation rant und Beschaffer - Höfliche Distanz
- Wiederholung von Fragen als Gesprächstaktik Konzessionsgebaren (Anzahl von Zugestllndnissen, Umfang etc.)
- Einseitige Konzes- Holistisches Kon- - Hohe Bereitschaft zu Konzessionen sionsangebote zessionsgebaren zwecks Aufbau - Geringe Komproeiner langfristigen rnißbereitschaft Geschäftsbeziehung
Verhandlungsdauer (z.B. Zeit, Anzahl der Verhandlungsrunden und -vorschläge)
- "open end negotation concept"
- Lange Verhandlungsdauer
Art des formellen Verhandlungsabschlusses (inhaltliche Gestaltung, Verbindlichkeit etc.)
- Kurzgefaßter Vertragstext
- Zuwendungen und Gespräche unmittelbar vor und nach Vertragsunterzeichnung
Quelle: In Anlehnung an Sehröder (1993), S. 183ff.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
145
Rechte (insbesondere Mitbestimmung bei Zielen, Strategien und Organisation der Zusammenarbeit) und Pflichten (z. B. Entrichtung eines Finanzierungsbeitrags und Abwicklung eines bestimmten Beschaffungsvolumens über die Einkaufskooperation) hat. Diese determinieren Inhalt, Häufigkeit und Verlauf der Interaktionen zwischen den Transaktionspartnern. Die lnstitutionalisierung von interorganisationalen Kontakten kann sich beispielsweise in der Errichtung von Gremien vollziehen, die regelmäßig tagen, sich aus den Mitgliedsunternehmen zusammensetzen und Informations- sowie Aufsichtsfunktionen wahrnehmen. Beidseitig sollten ablauf- und aufbauorganisatorische Maßnahmen ergriffen werden, um den Waren-, Geldund Informationsfluß besser abzuwickeln. Schließlich können Dritte eingeschaltet werden, seien dies neue Kooperationsmitglieder oder Intermediäre, die zur Effizienzsteigerung der internationalen Einkaufskooperation beitragen. Auf seiten der ausländischen Einkaufskooperation werden die Interaktionen von den organisatorischen und personellen Gegebenheiten (vgl. Abb. 2.13.) geprägt. So kann sich diese Einrichtung aufgrund bestimmter Ziele von leitenden Mitarbeitern von den Kooperationsmitgliedern in gewisser Weise emanzipieren und beispielsweise in den internationalen Absatz von Waren der Mitgliedsunternehmen eingreifen (z. B. durch die Konzeption von internationalen Kommunikationsmaßnahmen und Handelsmarken). Ob diese Verselbständigung von den Kooperationsmitgliedern und damit auch vom inländischen Interaktionspartner geduldet wird, hängt u.a. auch von der Qualität der Geschäftsbeziehung zwischen den Kooperationsmitgliedern einerseits und zwischen einzelnen Kooperationsmitgliedern sowie der Einkaufskooperation andererseits ab. Nicht zuletzt determiniert die Makroumwelt die Stabilität und den Erfolg der Einkaufskooperation sowie somit auch die Interaktion des inländischen Einzelhandelsbetriebs und der ausländischen Einkaufskooperation. So fördern Unterschiede zwischen in- und ausländischen Herstellerabgabepreisen die Bedeutung internationaler Beschaffungsaktivitäten. Wenn durch BündeJung der Volumina günstigere Einkaufskonditionen erzielt werden können, besteht ein Anreiz zum Ausbau der Zusammenarbeit mit Kooperationen im Ausland. Interaktion von einem Einzelhandelsunternehmen im Inland und einem Joint venture im Ausland Basis der nachfolgenden Erörterung sei, daß das Joint venture paritätisch mit einem ausländischen Partner gebildet wird (sog. Equity-Joint venture) und Verkaufsstellen im Ausland betreibt. Die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten wird in einem solchen Fall in einem Jointventure-Vertrag geregelt. Dieser bestimmt u.a. die Aufgabenverteilung sowohl zwischen den Partnern im Gemeinschaftsunternehmen als auch zwischen der Kooperation und dem inländischen Handelsbetrieb. Inhalt, Häufigkeit und Verlauf von Interaktion (z. B. hinsichtlich Warenbelieferung des Joint venture von einem in Grenznähe liegenden Distributionszentrum des inländischen Handelsunternehmens) werden in besonderer Weise durch die organisatorischen und personellen Bedingungen der Joint venture-Partner determiniert. Da meist nicht alle Risiken vertraglich abgesichert werden können, erscheint eine stabile, vertrauensvolle Atmosphäre zwischen den Interaktionspartnern besonders wichtig. Eine solche entsteht in der Regel erst dann, wenn die Beteiligten ihren jeweiligen kulturellen Hintergrund verstehen und in ihre Handlungen (z. B. bei der Kontaktpflege und Bewältigung von Konflikten) einbeziehen.
Die beiden Beispiele verdeutlichen, daß mit Hilfe des entwickelten Interaktionsmodells (vgl. Abb. 2.13.) internationale Dyaden aus der Sicht des Einzelhandels 10 Lingenfelder
146
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
erlaßt und erklärt werden können. Eine Schlüsselrolle kommt dabei kulturellen Spezifika zu, die nicht nur als wichtiges Element der Makroumwelt fungieren, sondern sich insbesondere auch in der Unternehmenskultur und den Einstellungen der Interaktionspartner, aber ebenso auf der Ebene der Geschäftsbeziehung nachhaltig niederschlagen. Einen besonderen Stellenwert besitzt in diesem Kontext die Herkunft der handelnden Personen. Das grenzüberschreitend tätige Einzelhandelsunternehmen kann dabei ganz bewußt leitende Positionen in Auslandsniederlassungen mit Inländern und nicht mit (aus dem Stamm- oder einem Drittland) Entsandten besetzen, um Dyaden (mit Lieferanten, Großhandelsbetrieben etc.) nicht durch einen personengebundenen Bias zu belasten. Diesem Anliegen steht jedoch das Ziel einer ethnozentrischen Personalpolitik entgegen, den Einfluß der inländischen Zentrale auf Auslandsniederlassungen durch die Besetzung von Schlüsselpositionen mit Entsandten zu sichern. Mit Blick auf die zwischen Verbrauchern im Ausland und ausländischen Filialen von Handelsbetrieben entstehenden Beziehungen kommt vor allem der Existenz und Wirkung eines Country of origin-Effekts große Bedeutung für die Präferenzbildung zu. Liegt ein solcher vor, ist davon auszugehen, daß u.a. das Einkaufsstättenwahlverhalten einzelner Verbrauchersegmente davon maßgeblich beeinflußt wird. 287 Zusammenfassend ergeben sich folgende generelle Vermutungen und Hypothesen: (1) Die Internationalisierung der Beschaffungs- und Absatzpolitik von Einzelhan-
delsbetrieben kann nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsbeziehungen mit den ausländischen Partnern insbesondere mit Blick aufbestehende kulturelle Divergenzen adäquat zu steuern.
(2) Die dauerhafte Betätigung auf Auslandsmärkten setzt die Analyse des Beziehungsgeflechts voraus, das zwischen den in Frage kommenden Interaktionspartnern besteht. (3) Ein Beziehungsmanagement, das auf die Sicherung der Geschäftsbeziehung zu wichtigen Interaktionspartnern im Ausland ausgerichtet ist, bildet einen strategischen Erfolgsfaktor der grenzüberschreitenden Betätigung von Einzelhandelsuntemehmen. (4) Mit steigendem Volumen der Auslandsbeschaffung wird ein Einzelhandelsbetrieb c.p. danach streben, die internationale Warenbeschaffung eigenständig, d. h. ohne Einschaltung von Dritten (Großhandelsbetriebe, Einkaufskooperation etc.) abzuwickeln. (5) Interaktionstheoretisch betrachtet läßt sich jede Aktivität im Rahmen der Internationalisierung eines Einzelhandelsbetriebs durch folgende fünf Dimensionen erfassen bzw. erklären: 287 Im 3. Kapitel, Abschn. 2.2.2.4., wird dieser Aspekt unter Heranziehung von empirischem Datenmaterial untersucht.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
147
- Art der Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland,
- organisations- und personengebundene Spezifika des Einzelhandelsbetriebs, - organisations- und personengebundene Spezifika von Interaktionspartnern im Ausland, - Merkmale der zwischen dem Einzelhandelsbetrieb und Interaktionspartnern im Ausland bestehenden Geschäftsbeziehung sowie - Ausprägung der Makroumwelt, in die die Geschäftsbeziehung und die Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland eingebettet sind. 2.2.4. Die Transaktionskostentheorie
Im vorangegangenen Abschnitt wurden mit Hilfe des Gatekeeper-Ansatzes sowie der Interaktionstheorie Austauschbeziehungen untersucht, die ein Einzelhandelsunternehmen bei Aufnahme einer Auslandstätigkeit gestalten muß. Dabei standen macht- und verhaltenstheoretische Erklärungsversuche im Mittelpunkt der Diskussion. Im folgenden interessiert, inwiefern die Anbahnung und Aufrechterhaltung internationaler Austauschbeziehungen eines Einzelhandelsbetriebes transaktionskostentheoretisch fundiert werden können. Dabei geht es im wesentlichen um zwei Fragen: - Inwiefern läßt sich die internationale Warenbeschaffung mit Hilfe der Transaktionskostentheorie erklären? Jedem Produzenten, der sich für den Export seiner Leistungen entscheidet, stehen verschiedene distributionspolitische Alternativen zur Verfügung, und zwar- in der Terminologie der Transaktionskostentheorie - Hierarchie (Aufbau von Repräsentanzen, Vertriebsorganisationen, Niederlassungen etc. in den Zielländern) und Markt (u.a. Einschaltung von Einzelhandelsbetrieben mit internationaler Warenbeschaffung).288 Absatzmittler kommen dann zum Zuge, wenn sie dem Hersteller im Vergleich zu anderen distributionspolitischen Optionen bei der Erschließung von Auslandsmärkten geringere Transaktionskosten verursachen. 289 Ergeben sich aus der ·Transaktionskostentheorie spezifische Ansatzpunkte für die zweckmäßigste Form des Eintritts in einen Markt und dessen Bearbeitung für ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels? 288 Vgl. Williamson (1991), S. 296 ff. Sog. Hybridlösungen, die zwischen den genannten Extremen liegen (z. B. internationale Vertriebskooperation und Franchisesystem), seien hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt. 289 Vgl. Sharma/Dorninguez (1992), S. 1 ff. Aus der Sicht eines Auslandsproduzenten bedeutet dies, daß die Kosten für die Bewältigung der Distribution durch das Unternehmen selbst(= Make) größer sind als die Aufwendungen, die mit der Inanspruchnahme von Leistungen eines Handelsunternehmens verbunden sind(= Buy).
10*
148
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Da das eine das andere bedingt, steht im folgenden der Markteintritt im Mittelpunkt der Betrachtung. Vor dem Hintergrund der spezifischen Bedingungen, die im Lebensmitteleinzelhandel vorherrschen, gilt es dabei, diejenigen Faktoren herauszudestillieren, die den zwischen dem Verhalten der Transaktionspartner und den Einflußgrößen der Transaktionskosten sowie der Vorziehenswürdigkeit von Markteintrittsoptionen bestehenden Zusammenhang beeinflussen. Zu denken ist dabei u.a. an das Länderrisiko, die Höhe der Kapitalbindung bei einem Engagement und die Größe des Einzelhandelsbetriebs. Die Transaktionskostentheorie, eine der Säulen der Neuen Institutionenökonornie,290 basiert auf der Grundidee, daß jegliches Wirtschaften auf expliziten und/ oder impliziten Kontrakten fußt, wobei die Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle usw. von Verträgen zu spezifischen Kosten führen?91 Gemäß Williamson läßt sich das Entstehen von Transaktionskosten, die weder Einstandskosten für Inputfaktoren noch Herstellungskosten darstellen, durch Charakteristika des Verhaltens der Transaktionspartner (begrenzte Rationalität, Opportunismus und Risikoneutralität) und Annahmen über den Gegenstand von Transaktionen (Spezifität, Häufigkeit und Unsicherheit) begründen. 292 In Anlehnung an die Phasen einer Transaktion differenziert Picot folgende Arten von wiederkehrenden Transaktionskosten ? 93 - Anbahnungskosten (z. B. Kosten der Suche nach Transaktionspartnem), - Vereinbarungskosten (Verhandlungskosten, Kosten für Vertragsformulierung und Einigungskosten bei Unklarheit bzw. Streitigkeiten etc.), - Kontrollkosten (Kosten für Überwachung des Vertragsinhalts in bezug auf Qualität, Mengen, Termine, Preise und Geheimhaltungsvorschriften etc.) sowie - Anpassungskosten (Kosten infolge der Änderung von z. B. Qualität, Mengen, Terminen und Preisen während der Laufzeit der Vereinbarung). Diese Kostenarten variieren in ihrer Höhe in Abhängigkeit von dem konkret vorliegenden Gegenstand des Austausches und den an der Transaktion Beteiligten (Verbraucher, Einzelhandel, Hersteller), d. h. der zu untersuchenden Dyade. Weiterhin muß beachtet werden, daß Transaktionskosten sowohl vor als auch nach einem Kaufakt auftreten und daß sie nur teilweise monetär quantifiziert werden können.294 Schließlich seien einmalig anfallende Kosten erwähnt, die aus verschiede290 Vgl. Elsner (1986). Weitere Eckpfeiler der New Institutional Economics bilden die Agency Theorie, die Theorie der Verfügungsrechte und die Informationsökonomie. 291 Vgl. Bonus/Weiland (1992), S. 340. Zu Anwendungsgebieten der Transaktionsküstentheorie siehe Fischer (1993), S. 6f. 292 Vgl. Williamson (1975), S. 22ff. 293 Vgl. Picot (1986), S. 3. 294 Daher behilft man sich durch die Einbeziehung von Opportunitätskosten bzw. "costs of disadvantage", wobei allerdings teilweise erhebliche Quantifizierungsprobleme entstehen. Gemäß Sirnon (1978), S. 6, ist eine genaue Messungjedoch nicht notwendig, da bei dem Ver-
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nen Gründen für die Durchführung einer Transaktion erforderlich sind. Diese "sunk costs" können prinzipiell den oben genannten Kostenarten bzw. Verursachungskategorien zugerechnet werden. 295 Um nun beispielsweise die Eigenerstellung (z. B. Direktvertrieb) oder den Fremdbezug (z. B. Einschaltung von Einzelhandelsbetrieben) von Distributionsleistungen oder Mischformen davon (z. B. Franchising) hinsichtlich der Transaktionskosten bewerten zu können, bedarf es zuvor der Festlegung der Faktoren, die im konkreten Fall die Transaktion beeinflussen. Dabei spielen drei Dimensionen eine zentrale Rolle, und zwar Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit. 296 Diese müssen vor dem Hintergrund des Anwendungsgebiets, d. h. in unserem Kontext der Betätigungsfelder von international agierenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, operationalisiert werden. Unter Spezifität versteht man den Grad der Individualität der Leistung.297 Diese äußert sich nicht nur in einer bestimmten Form der Produktion (z. B. Einzelfertigung), sondern auch in der Gestaltung des Marketinginstrumentariums (z. B. Direktansprache potentieller Endverbraucher). Je niedriger die Spezifität ausfallt, desto geringer sind die Abhängigkeit von Herstellern und ihren Abnehmern sowie der Wunsch nach vertraglicher Absicherung einzelner Transaktionen. Der Hersteller kann jederzeit auf andere Kunden ausweichen. Er wird somit c.p. dazu neigen, Distributionsleistungen zu externalisieren, indem er den institutionellen Handel in den Warenverteilungsprozeß einschaltet. Mit zunehmender Spezifität erhöhen sich u.a. die Anbahnungskosten.Z98 Damit steigt auch für den Hersteller die Gefahr, daß opportunistisches Verhalten von Abnehmern seinen Gewinn schmälert. Er wird nach einer umfassenden vertraglichen Absicherung der Transaktion streben und unter Umständen der Produktion nachgelagerte Warenverteilungsleistungen selbst erbringen. Die zweite relevante Dimension in diesem Zusammenhang bildet die Unsicherheit, die bei der Gewinnung und Verarbeitung von transaktionsspezifischen Informationen auftritt. Erhöhte Unsicherheit führt zu steigenden Transaktionskosten, weil z. B. Aufwendungen für die Vertragsformulierung in dem Maße wachsen, in dem unvollständige Information und Informationsasymmetrie vorliegen. Mit wachsender Unsicherheit wird die Wahrscheinlichkeit für die Eigenerstellung von Distributionsleistungen c.p. zunehmen. 299 gleich institutioneller Regelungen eine Schätzung der jeweils anfallenden Transaktionskosten genügt, um eine Vorteilhaftigkeitsrangfolge ermitteln zu können. 295 Vgl. Kirzner (1978), S. 154 ff. 2% Vgl. Fischer (1993), S. 93 ff. 297 Diese entspricht den transaktionsspezifischen Investitionen, d. h. der Höhe von gebundenem Kapital, das außerhalb des konkreten Kontexts nicht sinnvoll eingesetzt werden kann. 298 Identifikation von und Kontaktaufnahme mit bestimmten Verbrauchersegmenten erfordern relativ hohe Investitionen in Marktforschung und Kommunikation. 299 Vgl. Fischer (1993), S. 244.
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Schließlich führt die Zunahme der Häufigkeit von Transaktionen c.p. zu sinkenden durchschnittlichen Kosten je Transaktion. Diese Dimension vermag jedoch allein keinesfalls die Wahl der adäquaten Koordinationsform zu determinieren, und zwar u.a. deshalb, weil Risiko durch Häufigkeit (im Sinne von Erfahrung über das Verhalten des Partners) begrenzt, aber nie eliminiert werden kann. Die Häufigkeit einer Transaktion bildet somit eine moderierende Dimension, die die Auswahl derjenigen Koordinationsform nahelegt, die aufgrund von Spezifität und Unsicherheit zu präferieren ist. In den letzten zehn Jahren zogen Marketingwissenschaftler die Transaktionskostentheorie u.a. dazu heran, die nationale und internationale Distribution zu erklären. In der Bundesrepublik Deutschland hat Gümbel als erster systematisch dargelegt, daß der institutionelle Handel seine (ökonomische) Legitimation der Fähigkeit verdankt, Transaktionskostenersparnisse zu erzielen. 300 Ergänzend bzw. darauf aufbauend diskutieren Picot, Müller-Hagedorn und Fischer Fragen der Organisation des Distributionssystems. 301 Für den angelsächsischen Raum sei auf Studien von Anderson, Coughlan, Sharma/Dominguez und Weitz hingewiesen, die teilweise auf empirischer Basis die Länge von Distributionskanälen und die Ein- bzw. Ausschaltung von Absatzmittlern transaktionstheoretisch zu deuten versuchen. 302 Im internationalen Kontext dominieren transaktionskostentheoretische Arbeiten, welche die Markteintrittsentscheidung von Industriebetrieben analysieren. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, unter welchen Bedingungen eine bestimmte Form des Markteintritts im Vergleich zu anderen Arrangements vorzuziehen sei. Die Möglichkeit einer Einflußnahme auf die Art der Distribution der Waren im Auslandsmarkt bildet hierbei die zentrale Überlegung, 303 vor deren Hintergrund sich das Entscheidungsproblem Make or Buy von Leistungen der internationalen Warenverteilung stellt. Bislang existiert erst eine einzige Untersuchung, die den Besonderheiten des Eintritts von Dienstleistungsunternehmen in Auslandsmärkte durch eine Modifikation des Transaktionskostenansatzes Rechnung trägt. 304 Erramilli/Rao beziehen gleichwohl nicht den Einzelhandel in ihre Überlegungen ein. Dennoch erscheinen ihre Hypothesen und empirischen Befunde geeignet, die internationale Markleintrittsentscheidung von Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben transaktionskostentheoretisch zu fundieren. Zunächst sei die am Beschaffungsmarkt orientierte Auslandstätigkeit von Handelsbetrieben diskutiert.
Vgl. Gümbel (1985), S. 168 ff. Vgl. Picot (1986), Beilage 13; Müller-Hagedorn (1990), S. 451 ff.; Fischer (1993). 302 Vgl. Anderson!Weitz (1986), S. 3ff.; Cough1an (1985), S. llOff.; Sharma/Dominguez (1992), S. 1 ff.; John!Weitz (1988), S. 121 ff. 303 Vgl. Gatignon/Anderson (1988), S. 305 ff.; Klein/Frazier/Roth (1990), S. 196ff. 304 Vgl. Erramilli/Rao (1993), S. 19 ff. 300
3ot
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
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(1) Die internationale Warenbeschaffung von Einzelhandelsbetrieben im Lichte der Transaktionskostentheorie Die Grundlage der Argumentation verkörpert Abb. 2.14. Thr liegt die Dyade "Hersteller im Ausland - inländischer Einzelhandelsbetrieb mit internationaler Beschaffung" zugrunde. Die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels stellt sich aus der Perspektive des Auslandsproduzenten, wie bereits erwähnt, als Make or Buy-Problem dar. Die ihm zur Verfügung stehenden Alternativen (z. B. Aufbau einer Vertriebsgesellschaft im Inland, Direktvertrieb an ausländische Kunden, Belieferung von inländischen Einzelhandelsbetrieben) müssen in bezug auf die Höhe der jeweils anfallenden Transaktionskosten bewertet und in eine Rangfolge gebracht werden?05 Zu einer internationalen Warenbeschaffung des Einzelhandels kommt es dann, wenn ein Einzelhandelsbetrieb Auslandsproduzenten im Vergleich zu anderen Organisationsformen der grenzüberschreitenden Warendistribution Transaktionskostenvorteile bietet. Zunächst müssen diejenigen Optionen festgelegt werden, die den Auslandsproduzenten zur Verteilung ihrer Waren offenstehen (vgl. Abb. 2.14.). Die Extrempole bilden dabei die Konfigurationen Markt (hier: Zukauf von Distributionsleistung, z. B. Abgabe der Waren arn Ort der Produktion an international beschaffende Einzelhandelsbetriebe) und Hierarchie (hier: Integration der Distributionsleistung, z. B. Aufbau einer eigenen Vertriebsgesellschaft im Inland durch den Hersteller, die unter Umständen die Endverbraucher direkt beliefert). Dazwischen existiert eine Vielzahl von hybriden Formen (z. B. Franchise-, Vertragshändlersystem), die hier allerdings nicht weiter betrachtet werden sollen. In Abb. 2.14. werden vier Einflußgrößen der Transaktionskosten identifiziert, 306 die nachfolgend in bezug auf die Einschaltung von inländischen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben in den internationalen Distributionsprozeß erläutert werden: - Produktspezifität Zunächst ist davon auszugehen, daß mit geringer Spezifität von Produkten die Einschaltung von Absatzmittlern zu niedrigeren Transaktionskosten führt als der Aufbau herstellereigener Distributionsorgane in den jeweiligen Ländermärkten. Letzteres ist zumeist mit hohen "sunk costs" (z. B. im Rahmen der Standortsuche für Verkaufsniederlassungen, für die Einholung von Informationen über die Distributionsstruktur und die Bedürfnisse von Endverbrauchern) verbunden. Die Wahrscheinlichkeit, daß Absatzmittler des Lebensmitteleinzelhandels relativ hochspezifische Produkte vermarkten können, wächst zudem in dem Maße, wie 305 Dabei werden Separierbarkeit und wechselseitige Unabhängigkeit von Produktionsund Transaktionskosten unterstellt. Vgl. Ebers/Gotsch (1993), S. 219ff. 306 Vgl. hierzu Picot (1986), S. 4ff.; Müller-Hagedom (1990), S. 454ff., insbesondere s. 456.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
die absatzmarktbezogene Internationalisierung voranschreitet, d. h. das Handelsunternehmen in mehreren Ländern immer mehr Verkaufsstellen errichtet. Dadurch läßt sich auch sehr kleiner länderbezogener Bedarf zu einem transaktionskostenoptimalen Bestellvolumen bündeln. Hersteller müßten demgegenüber in der Regel jedes einzelne Land mit einer speziellen Vertriebsmannschaft bearbeiten, was fraglos zu hohen einmaligen und wiederkehrenden Transaktionskosten führen würde.
Festlegwtg der vom Auslandsproduzenten zu bewertenden Alternativen hinsiehtlieh der Organisation der grenzüberschreitenden Distribution von Waren
1
1
Eintlußgrößen der Transaktionskosten bei der grenzüberschrei· Ienden Distribution von Waren
Verhalten der Transaktions· partner 1>
- Produktspezifität -Angebots- und Nachfragebedingungen - Häufigkeit und Volumen von Transaktionen - Unsicherheit
• Begrenzte Rationalität - Opportunistisches Verhalten - Risikoneutralität
I
1
I
Bewertung der Alternativen in bezug auf die mit ihnen verbundenen Transaktionskosten - Anbahnungskosten - Vereinbarwtgskosten - Kontrolllcosten - Anpassungskosten
l
Einschaltung von Einzelhandelsbetrieben in die grenzüberschreitende Distribution als Ergebnis eines Transaktionskostenvergleichs
Abb. 2.14.: Die internationale Warenbeschaffung von Einzelhandelsbetrieben: Transaktionskostenarten und deren Einflußgrößen aus der Sicht von Auslandsproduzenten Anmerkung: Dabei kann es sich einerseits um Absatzmittler (in diesem Fall um Einzelhandelsbetriebe mit internationaler Warenbeschaffung) und andererseits um Endverbraucher (z. B. bei einem länderübergreifenden Direktvertrieb) handeln.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
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Daß im Lebensmittelsektor Produkte mit niedriger Spezifität dominieren, läßt sich u.a. mit deren geringer Erklärungsbedürftigkeit begründen. Es handelt sich in der Regel um in Massenproduktion gefertigte und nicht auf einzelne Abnehmer zugeschnittene Erzeugnisse. Auch für das Nonfood-Sortiment werden von Absatzmittlern in der Regel nicht sehr beratungsbedürftige und an Bedürfnissen einzelner Abnehmer ausgerichtete Produkte geordert. 307
Weiterhin spricht die in der Mehrzahl der Fälle gegebene ungünstige Volumenbzw. Gewicht-Wert-Relation für die Einschaltung von Handelsbetrieben. Je kleiner der Wert und je größer das Volumen bzw. Gewicht der Erzeugnisse sind, als desto sinnvoller erweist sich c.p. die Einschaltung von Distributionsspezialisten, die den Transport der Ware entsprechend kostengünstig organisieren können. - Angebots- und Nachfragebedingungen Je schwieriger die zeitlich-mengenmäßige Abstimmung von Angebot und Nachfrage sowie die Möglichkeiten zur Kommunikation zwischenAnbieterund Nachfragern zu bewerkstelligen sind, desto mehr werden es ausländische Hersteller begrüßen, wenn Einzelhandelsbetriebe Waren international beschaffen. Mit wachsender räumlicher Distanz zwischen dem Produktionsort des Herstellers und der Operationsbasis des Einzelhandelsbetriebs sowie Restriktionen, die sich u.a. aus der fehlenden Kenntnis der spezifischen landestypischen Nachfragestruktur bei dem Hersteller und aus der Überwindung von Landesgrenzen ergeben, wird der Aufbau einer eigenen Vertriebsorganisation (eventuell in Verbindung mit der Errichtung einer Produktionsstätte) zu kostenintensiv. Dies gilt erst recht, wenn das Absatzvolumen in einem Land gering ist. Ein Auslandsproduzent wird schließlich auch dann danach streben, seine Erzeugnisse in der Regel indirekt abzusetzen, wenn die Anzahl potentieller Nachfrager hoch ist und die Produkte häufig im Verbund mit anderen Waren gekauft werden. Sofern ein ausländischer Hersteller bereits über Verkaufsniederlassungen etc. im Inland verfügt, wird er u.a. aus Gründen der Kostenremanenz, aber auch aufgrund seiner Marketingstrategie (z. B. Gefahr, in Abhängigkeit von Handelsunternehmen zu geraten) die internationale Warenbeschaffung von Einzelhandelsbetrieben versuchen zu unterlaufen. Ob ihm dies gelingt, hängt von der Handhabung von Parallelimporten innerhalb der Tochtergesellschaften des Produzenten, der Verfügbarkeit alternativer Bezugsquellen für den Einzelhandel etc. ab?08 - Häufigkeit und Volumen von Transaktionen Die internationale Warenbeschaffung von Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben erscheint Lieferanten vorteilhaft, wenn ein Markt relativ selten beliefert werden 307 Das stürmische Wachstum diskontierender Betriebstypen belegt eindrücklich, daß insbesondere Großbetriebe des Handels auf Selbstverkäuflichkeit setzen, wobei sie versuchen, diese auf immer mehr Warenbereiche auszudehnen. Als Beispiel hierfür mögen Baumärkte dienen. 3os Vgl. Sirnon/Wiese (1992), S. 250f.
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soll und nur ein geringes Volumen aufnimmt. Die einmaligen Aufwendungen für den Aufbau eines eigenen grenzüberschreitenden Vertriebs könnten dann ebensowenig wie die laufenden Transaktionskosten amortisiert werden. Weiterhin muß in diesem Kontext darauf verwiesen werden, daß ausländische Hersteller möglicherweise erst durch die internationale Warenbeschaffung von Einzelhandelsbetrieben das Erlöspotential entdecken, das einzelne, häufig weit voneinander entfernt liegende Ländermärkte in sich bergen. Im Sinne des der Transaktionskostentheorie inhärenten Opportunitätskostenkonzepts müßte dieser Nutzen als "cost of disadvantage" den anderen Alternativen (z. B. Errichtung einer Verkaufsniederlassung) zugeschlagen werden. 309 - Unsicherheit Besonders relevant für die Beantwortung der Frage des Make or Buy internationaler Distributionsleistung ist die Existenz von Unsicherheit. Diese bezieht sich u.a. auf makroökonomische Risiken (z. B. Wahrungsrisiko), Markteintritts- und Marktbearbeitungsrisiken sowie Risiken des nichtökonomischen Umfelds (z. B. kulturelle Distanz)? 10 Je nach Land, in das der ausländische Hersteller zu liefern beabsichtigt, ist solche Unsicherheit mehr oder weniger gravierend. In diesem Kontext wirkt nun die asymmetrische Informationsverteilung zwischen international beschaffenden Handelsunternehmen und ausländischem Hersteller. Sie führt dazu, daß Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels die Risiken der Vermarktung von Waren in ihrem Stammland bzw. den von ihnen bearbeiteten Ländermärkten besser einzuschätzen vermögen als Auslandsproduzenten, die über keine oder nur geringe Auslandserfahrung verfügen. Den Informationsvorteil der Händler müßten ausländische Hersteller durch entsprechende Datenerhebung erst wettmachen. Folglich führt Unsicherheit in Verbindung mit einer asymmetrischen Informationsverteilung generell zur Einschaltung von Handelsbetrieben. 311 Der Lebensmitteleinzelhandel sucht im Rahmen seiner internationalen Warenbeschaffung gezielt nach solchen Transaktionspartnern, bei denen er seinen Informationsvorsprung bezüglich der Risiken der Vermarktung von Erzeugnissen nutzen kann. Zusammenfassend betrachtet ergibt sich somit eine Vielzahl von Bedingungskonstellationen, die im Bereich des Lebensmittelsektors vorherrschen und in Abhängigkeit von den diskutierten Einflußgrößen die Einschaltung von Einzelhandelsbetrieben in die grenzüberschreitende Distribution nahelegen.
309 310 311
Vgl. Coase (1937), S. 391. Vgl. Dichti/Beeskow/Köglmayr (1984), S. 208 ff. Vgl. Erramilli/Rao (1993), S. 25.
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(2) Transaktionskostentheoretische Ansatzpunkte für den Eintritt in Märkte und die Bearbeitung von Auslandsmärkten durch Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe Aufbau von Verkaufsstellen, Übernahme von bereits bestehenden Filialen, Kooperation und dabei insbesondere Franchising stellen die wichtigsten Alternativen für einen Markteintritt im Einzelhandel dar? 12 Die ersten beiden Formen gewährleisten u.a. einen im Vergleich zu den zuletzt genannten Optionen höheren Grad an Kontrolle über das Auslandsengagement Gemäß der Transaktionskostentheorie wird nun das Ausmaß an Kontrolle gewählt, das unter Berücksichtigung des Verhaltens der Partner und der Besonderheiten, die das Umfeld prägen (branchenbedingte Faktoren des Lebensmitteleinzelhandels), zu den vergleichsweise geringsten Transaktionskosten führt. Die Formen des Markteintritts werden als institutionelle Arrangements aufgefaßt, die unterschiedliche Kosten verursachen und daher in eine Rangordnung gebracht werden können. Für den Eintritt in einen Auslandsmarkt ergibt sich daher das in seinen Grundzügen schon erläuterte Entscheidungskalkül (vgl. Abb. 2.14.), das Abb. 2.15. wiedergibt. Wie ein Vergleich beider Modelle unschwer erkennen läßt, lassen sich bei den Einflußgrößen der Transaktionskosten zwei Unterschiede feststellen. Zunächst bilden im Einzelhandel nicht Produkte, sondern das Sortiment und der Betriebstyp die zentralen Objekte der Vermarktung. Zwar können durchaus einzelne Artikel mit hoher Intensität vertrieben werden, doch dominiert zumindest im Lebensmitteleinzelhandel wegen der Geringwertigkeit der Waren und des überwiegend zu beobachtenden One stop-Shopping von Konsumenten das Sortiment bzw. der Betriebstyp. 313 Schließlich entfällt der Einflußfaktor Häufigkeit und Volumen von Transaktionen, weil der Markteintritt eines Einzelhandelsbetriebs nicht durch (gelegentlichen) Export von Waren vollzogen werden kann, sondern immer die Präsenz vor Ort voraussetzt.
Nachfolgend werden die in Abb. 2.15. aufgeführten Einflußgrößen der Transaktionskosten in bezug auf ihre Bedeutung beim Eintritt in einen Auslandsmarkt diskutiert. Diese stehen im Zentrum der Bemühungen zur Ermittlung einer Transaktionskosten-Rangordnung der denkbaren Eintrittsoptionen. - Sortiments- und Betriebstypspezifität Eine der Grundaussagen der Transaktionskostentheorie lautet, daß mit Zunahme der Spezifität der Wunsch nach voller Kontrolle über wettbewerbsrelevante Prozesse größer wird? 14 Übertragen auf unser Problem führt dies dazu, von folgendem Zusammenhang auszugehen:3 15 Es besteht eine inverse Beziehung zwischen Spezifität des Sortiments und des Betriebstyps einerseits sowie der Präferenz für Markteintrittsformen, bei denen die 312 313 314 315
Vgl. George/Diller (1993), S. 174. Vgl. Tietz (1993c), S. 323ff. Vgl. Picot (1986), S. 5. Vgl. Erramilli/Rao (1993), S. 26.
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Kontrolle mit Unternehmensexternen geteilt wird, andererseits. Je höher die Spezifität ausfällt, desto mehr wird der Aufbau von Verkaufsstellen aus eigener Kraft gegenüber anderen Optionen bevorzugt; je niedriger die Spezifität ist, desto mehr neigt man zur Kooperation. Worin konkretisiert sich die Spezifität im Handel? Erramilli/Rao setzen bei ihrer Analyse des Servicebereichs an den Investitionen in Sachwerte und Mitarbeiter an, die außerhalb des speziellen Kontexts nicht produktiv eingesetzt werden könnten.316 Angewandt auf den Einzelhandel geht es daher um alle Investitionen, die die Schaffung des Angebots und dessen Vermarktung (insbesondere die Gestaltung des Sortiments) betreffen. Daraus resultierend müssen folgende die Bindung von Mitteln in Sortiment und Betriebstyp charakterisierende Fragen beantwortet werden: - Sortiment - Bedarf die Zusammenstellung des Sortiments eines spezifischen Know-how? - Aus wie vielen Warenbereichen setzt sich das Sortiment zusammen? - Ist das Sortiment schmal und tief strukturiert? - Erfordert die Vermarktung des Sortiments hohe Investitionen in das Verkaufspersonal, die Ladeneinrichtung etc.? - Wird mit dem Sortiment eine eng umrissene Zielgruppe angesprochen? Je häufiger solche und weitere auf die Ausrichtung des Sortiments bezogene Fragen bejaht werden, desto eher liegt hohe Sortimentsspezifität vor. Beispiele für Sortimente mit hoher Spezifität stellen das Angebot von orthopädietechnischen Fachgeschäften und Einzelhandelsbetrieben dar, die sich auf die Befriedigung eines bestimmten Freizeitbedarfs konzentrieren (z. B. Jagd, Golf, Fliegen). Der Lebensmitteleinzelhandel wird demgegenüber in der Regel (Ausnahmen bilden beispielsweise Feinkostprodukte, bei denen es u.a. auf Frische ankommt) eine niedrige Sortimentsspezifität aufweisen. - Betriebstyp - Erfordert die Suche nach einem geeigneten Standort für ein Outlet einen hohen Aufwand? - Ist die Errichtung einer Verkaufsstelle bzw. eines Verkaufsstellennetzes kapitalintensiv? - Führt die Gestaltung des Betriebstyps (Größe des Verkaufsraums, Personalund Beratungsintensität, Sortimentsstruktur etc.) zu hohen Fixkosten? - Sind zum Führen des Betriebstyps hohe Anforderungen an das Management bzw. die Mitarbeiter zu stellen (z. B. in bezug auf Logistik, Datenverarbeitung, Warenbeschaffung)?
316
Vgl. Errarnilli/Rao (1993), S. 23.
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ErnrittJung der Rangfolge von Aufbau von Verkaufsstellen, Übernahme von bestehenden Filialen, Kooperation und Franchising nach Maßgabe der damit jeweils verbw1denen Transaktionskosten
1
1
Einflußgrößen der Trrmsaktionskosten bei Eintritt in einen AusIandsmarkt
Verhalten der Transaktionspanner I)
- Sortiments- und Betriebstypspezifität - Angebots- und Nachfragebedingungen - Unsicherheit
- Begrenzte Rationalität - Opportunistisches Verhalten - Risikoneutralität
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Bewertung der Alternativen in bezugauf die mit ihnen verbundenen Transalctionskosten - Anbahnungslcosten - Vereinbarungskosten - Kontrollkosten - Anpassungskosten
1 Auswahl der mit Blick auf die Transaktionskosten günstigsten Markteintrittsoption
Abb. 2.15.: Die transaktionskostentheoretische Fundierung des internationalen Markteintritts durch Einzelhandelsbetriebe Anmerkung: Hierbei handelt es sich, abhängig von der zu bewertenden Option, um Kooperationspartner, Franchisenehmer etc. aus dem relevanten Auslandsmarkt
Die Operationalisierung der Betriebstypspezifität führt offenbar zu weniger eindeutigen Ergebnissen als die Konzeptualisierung der Sortimentsspezifität von Absatzmittlem des Lebensmittelsektors. Kleinflächige, diskontierende Betriebstypen werden zwar überwiegend eine geringere Spezifität aufweisen als z. B. Warenhäuser, doch können im Einzelfall enorme Investitionen in bestimmte Managementbereiche (Warenbeschaffung, Logistik etc.) erforderlich sein, um auf Dauer einen Wettbewerbsvorteil aufrechterhalten zu können.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Je höher die Sortiments- und Betriebstypspezifität ausfallen, desto mehr steigen die Transaktionskosten an, die bei dem Eintritt in einen Auslandsmarkt entstehen. Generell gilt dabei, daß mit Zunahme der Spezifität c.p. die Neigung zu kooperativen Formen des Markteintritts abnimmt. 317 Im Hinblick auf das Sortiment müßten daher Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels Kooperationen als Eintrittsoption generell präferieren. Die Vorziehenswürdigkeit von Kooperation wird durch die Spezifität des in einen Auslandsmarkt zu transferierenden Betriebstyps gegebenenfalls konterkariert. Je größer der Aufwand für die Standortsuche, der Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten, die Anforderungen an das Personal und die Kapitalintensität sind, desto eher neigt man c.p. zum Aufbau bzw. zur Übernahme von bestehenden Filialen im Ausland, die sich im Besitz eines Konkurrenten oder eines in einem anderen Sektors tätigen Absatzmittlers befinden. - Angebots- und Nachfragebedingungen Die Konkurrenzintensität, die Frage, ob bestimmte Aktivitäten des Wertschöpfungsprozesses für den Auslandsbereich im Stammland organisiert werden können (z. B. Zentral- und Auslieferungslager, Einkauf, Personalentwicklung), und Merkmale der Makroumwelt (Güte des Transportwesens, Mobilität der Bevölkerung, Existenz von Werbeträgem etc.) prägen die Angebotsbedingungen. Da mit Zunahme der Konkurrenzintensität im Auslandsmarkt und der Notwendigkeit, dort alle Glieder der Wertkette ansiedeln zu müssen, die Transaktionskosten steigen, wird c.p. die Präferenz für kooperative Formen des Markteintritts wachsen. Mit größer werdender geographischer Distanz zwischen Stamm- und Zielland verstärkt sich diese Tendenz noch. Hohe Konkurrenzintensität erfordert nämlich beispielsweise die Beschaffung von detaillierten Marktinformationen, was u.a. die Anbahnungskosten erhöht. Eine im Vergleich zum Inlandsmarkt heterogene Nachfrage im Auslandsmarkt, die mit größerer kultureller Distanz zwischen den Ländern gravierender wird, führt ebenso zu kostenintensiven Marktforschungsanstrengungen. Diese können bei kooperativen Eintrittsstrategien zumindest teilweise umgangen bzw. mit Partnern geteilt werden. Jedoch müssen dabei in der Regel höhere Vereinbarungs- und Kontrollkosten in Kauf genommen werden; diese fallen an, um sich z. B. vor opportunistischem Verhalten von Kooperationspartnern zu schützen. Je schwieriger und heterogener die Angebots- und Nachfragebedingungen im Auslands- im Vergleich zum Inlandsmarkt werden, desto eher werden sich Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe c.p. für den kooperativen Markteintritt entscheiden. - Unsicherheit Zwar können mit größeren Marktforschungsanstrengungen bestimmte Risiken besser abgeschätzt bzw. eingegrenzt werden, doch beherrscht gerade im internationalen Kontext Unsicherheit in bezug auf makroökonomische Indikatoren (Wech317
Vgl. Errarnilli/Rao (1993), S. 22f.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
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selkurs, Kaufkraft, Konjunktur etc.), mikroökonomische Faktoren (z. B. Geschäftspolitik der Wettbewerber, Nachfrageverhalten im Auslandsmarkt) und das nichtökonomische Umfeld (divergente Lebensstile, andersartiges Ernährungsbewußtsein und -verhalten usw.) die Markteintrittsentscheidung. Wachsende Unsicherheit führt bei einem kooperativen Markteintritt c.p. zu höheren Transaktionskosten als der Eigenaufbau von Filialen, weil die Zusammenarbeit bei instabilen Umweltbedingungen erheblich aufwendiger ist. Insgesamt ergibt sich somit das in Abb. 2.16. enthaltene Beziehungsgeflecht Besondere Umstände können jedoch im Einzelfall die aus der Transaktionsküstentheorie abgeleiteten Befunde konterkarieren. Hierzu zählen u.a. der Faktor Zeit in Verbindung mit unternehmensstrategischen Überlegungen. 318 Wenn ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels beispielsweise in einem Auslandsmarkt Fuß fassen möchte, um von dort aus einen weiteren Ländermarkt erschließen zu können, so wird es auch bei niedriger Spezifität und Unsicherheit sowie Existenz zahlreicher, den Markteintritt erschwerender Angebots- und Nachfragebedingungen eine volle Kontrolle über das Auslandsengagement anstreben; denn nur dann wird die Eroberung eines weiteren Lands durch die Gesellschaft im Ausland weitgehend reibungslos, ohne auf die Wünsche eines Partners eingehen zu müssen, zu bewerkstelligen sein. Die Art der Marktbearbeitung im Ausland durch Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe vollzieht sich transaktionskostentheoretisch in einem von Gümbel, MüllerHagedom und Picot aufgespannten Rahmen. Daher sei an dieser Stelle auf die entsprechenden Literaturbeiträge verwiesen.3 19 Das größere Aktionsfeld von international agierenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels verbessert aufgrund von Größeneffekten und Übungsgewinnen deren Fähigkeit, Transaktionskosten zu reduzieren. 320 Die Einschaltung von Handelsbetrieben in den Distributionsprozeß wird daher tendenziell zunehmen. Abschließend sei die Frage beantwortet, wie sich die zutage geförderten theoretischen Erkenntnisse mit der Kritik an der Transaktionskostentheorie vereinbaren lassen. 321 Die unzureichende Öffnung im Hinblick auf verhaltenswissenschaftliche 318 Die für die Erreichung einer bestimmten Marktpenetration erforderliche Zeit führt dazu, daß der Transaktionskostenvorteil des Aufbaus von Filialen im Vergleich zur Kooperation schwindet oder gar egalisiert wird; denn die Errichtung eines eigenen Verkaufsstellennetzes ist in der Regel nicht nur mit einem hohen Aufwand verbunden, sondern auch langwierig. Daher bildet die Akquisition eines bereits bestehenden Filialnetzes (z. B. durch die Übernahme eines Handelsuntemehmens) eine sinnvolle Alternative. Jedoch muß auch hier berücksichtigt werden, daß die Integration des übernommenen Unternehmens in die eigene Geschäfts- und insbesondere Marketingkonzeption Zeit erfordert. Vgl. Gerpott (1993). 319 Vgl. Gümbel (1985), S. 168ff.; Müller-Hagedom (1990), S. 454ff.; Picot (1986), s. 1 ff. 320 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 3.2. dieses Kapitels. 321 Vgl. hierzu Kieser (1988), S. 309ff.; Ebers/Gotsch (1993), S. 234ff., und die dort angegebene Literatur.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Erkenntnisse stellt unzweifelhaft einen zentralen Nachteil dar?22 So setzt die Abwägung der Transaktionskostenwirkung unterschiedlicher Optionen voraus, daß Inforrnationsquellen, -kosten und -nutzen bekannt sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch die Vernachlässigung des Phänomens Macht und dessen Wirkung auf zu bewertende Transaktionen erscheint insbesondere im Kontext länderübergreifender Kooperation problematisch. So wird einem marktmächtigen Einzelhandelsunternehmen beispielsweise der Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit einem kleineren ausländischen Partner leicht möglich sein. Weiterhin sei noch auf die Problematik der Quantifizierung von Transaktionskosten und der Identifikation der sie determinierenden Größen hingewiesen. Schließlich wird der mit Alternativen verbundene Ertrag, also beispielsweise die unterschiedliche Erlöswirkung von Aufbau von Filialen oder Franchising, nicht explizit berücksichtigt, sondern als entgangener Gewinn und damit als Opportunitätskosten behandelt, was leicht zu deren Ausufern führt.
Sortiments- und Betriebstypspezifität
Existenz von markteintrittsfördemden Angebots- und Nachfragebedingungen
+
Unsicherheit
Legende: "+" bedeutet, daß ein positiver Wirkungszusammenhang zwischen den Variablen besteht. Beispielsweise führt der Aufbau von Filialen bei einer hohen Sortiments- und Betriebstypspezifität im Vergleich zu einem kooperativen Markteintritt c.p. zu geringeren Transaktionskosten. Er wird daher präferiert.
Abb. 2.16. : Der Wirkungszusammenhang zwischen transaktionskostenrelevanten Faktoren und Form des internationalen Markteintritts
322 Beispielsweise erscheint es gerechtfertigt, die Annahme opportunistischen Verhaltens, hinter der sich die Vorstellung verbirgt, daß die Akteure vielfach Drückeberger sind und ausschließlich ihren eigenen Vorteil durchzusetzen versuchen, zu kritisieren.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
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Als kompakten Befund erhält man folgende transaktionskostentheoretisch fundierten generellen Vermutungen und Hypothesen: (1) Die vergleichsweise niedrige Produktspezifität in Verbindung mit dem insbesondere von Großbetrieben des Handels an den Tag gelegten Bestreben, immer mehr Warenbereiche gemäß dem Diskontprinzip anzubieten, wirkt sich positiv auf die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels aus. (2) Schwierige länderbezogene Angebots- und Nachfragebedingungen, denen sich Auslandsproduzenten ausgesetzt sehen, führen zu einer Einschaltung von Einzelhandelsbetrieben in die internationale Distributionskette. (3) Da bei einer relativ seltenen Belieferung eines Ländermarktes mit zudem noch geringen Mengen einmalige und laufende Transaktionskosten eines grenzüberschreitenden Vertriebs von Herstellern deren Gewinne stark schmälern, wird ein Produzent in einem solchen Fall die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels bevorzugen. (4) Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung bzw. des Informationsvorsprungs von Einzelhandelsbetrieben in bezug auf Vermarktungsrisiken werden alle Hersteller ohne internationale Erfahrung (Kenntnis der Spezifika einzelner Ländermärkte etc.) die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels c.p. positiv beurteilen, was entsprechende Aktivitäten auf seiten des Handels fördert. (5) Je höher die spezifischen Investitionen sind, die in der Entwicklung und dem Management eines zu internationalisierenden Betriebstyps gebunden werden, desto weniger werden kooperative Formen des Markteintritts präferiert. (6) Im Vergleich zum Inlandsmarkt schwierigere und andersartige Angebots- und Nachfragebedingungen im Auslandsmarkt veranlassen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels dazu, kooperative Eintrittsstrategien gegenüber dem Aufbau eigener Outlets zu bevorzugen. (7) Mit wachsendem Risiko, das mit dem Eintritt in einen Auslandsmarkt verknüpft ist, steigt die Präferenz für ein möglichst hohes Maß an Kontrolle über das Auslandsengagement (8) Spezifische unternehmensstrategische Überlegungen (z. B. Verschaffung eines Zeitvorteils gegenüber Wettbewerbern im Kampf um lukrative Standorte) können dazu führen, daß bewußt nicht die transaktionskostenminimale Eintrittsstrategie gewählt wird.
2.2.5. Die Erfolgsfaktorenforschung Die systematische Analyse aller in Frage kommenden Determinanten des Unternehmenserfolgs und ihre Komprimierung führen zu ~trategischen Erfolgsfaktoren. Hierunter werden solche Rahmenbedingungen oder Konstrukte verstanden, die den II Lingenfelder
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Erfolg Unternehmerischen Handeins entscheidend beeinflussen und nicht kurzfristig veränderbar sind. Strategische Erfolgsfaktoren erlauben es, erfolgreiche von erfolglosen Unternehmen zu unterscheiden, sind langfristig wirksam und können sowohl dem inner- als auch dem außerbetrieblichen Umfeld entstammen?23 Von den vielen Strömungen der Erfolgsfaktorenforschung324 interessieren hier nur jene, die sich mit dem institutionellen Handel und der Internationalisierung von Unternehmen beschäftigen. Auf die Diskussion von Erfolgsfaktorenstudien mit großer Reichweite (z. B. Peters!Waterman, P/MS-Projekt, Goldsmith/Clutterbuck)325 sei an dieser Stelle verzichtet, weil diese aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung und der ihr zugrundeliegenden Forschungsmethodik keine konkreten Anhaltspunkte für die theoretische Fundierung der Internationalisierung im Einzelhandel zu geben vermögen. 326 Weiterhin muß als Ergebnis der eigenen Literaturrecherche festgestellt werden, daß keine Untersuchung vorliegt, die sich mit Erfolgsfaktoren bei der Internationalisierung im Einzelhandel beschäftigt. 327 Auch hinsichtlich der nationalen und internationalen Beschaffung von Handels-, aber auch Industriebetrieben existieren keine theoriegeleiteten empirischen Studien, die den Erfolg des Versorgungsmanagements in Abhängigkeit von moderierenden und determinierenden Prädiktoren unter Einsatz problemadäquater multivariater Analyseverfahren herausarbeiten. Eine der wenigen empirischen Untersuchungen, die die Beschaffungspolitik als Erfolgsdeterminante untersucht, bildet eine Arbeit von Freter/Barzen/Wahle. Sie stellen u.a. fest, daß erfolgreiche Radio- und Fernsehfacheinzelhandelsbetriebe weniger Ware über den Großhandel beziehen als erfolglose Unternehmen. 328
Ein weiteres zentrales Problem besteht darin, daß nur wenige den üblichen Anforderungen an empirische Forschung (Reliabilität, Validität, Objektivität) entsprechende Untersuchungen vorliegen, die auf nationaler Ebene nach strategischen Erfolgsfaktoren im Einzelhandel fahnden. Es dominieren qualitative Studien, die
323 Zu methodischen Besonderheiten und zentralen Befunden der Erfolgsfaktorenforschung vgl. Lingenfelder (1990), S. 54ff. 324 Es lassen sich nicht nur wirtschaftsstufenübergreifende, industrie- und handels- bzw. dienstleistungsspezifische Studien differenzieren (vgl. Fritz (199Gb), S. 91 ff.), sondern auch Untersuchungen, die sich mit den strategischen Erfolgsfaktoren von strategischen Gruppen, Geschäftsfeldern bzw. Betriebstypen, Strategien, Marketinginstrumenten etc. befassen. Jacobs (1992) fahndet z. B. nach den Determinanten des Erfolgs von Diversifikationsstrategien. 325 Vgl. z. B. Buzzell/Gale (1989). 326 Vgl. Lingenfelder (1990), der 35 Erfolgsfaktorenstudien metaanalytisch untersucht, und Kube (1991), S. 29ff. 327 Vgl. z. B. Burmann (1995), S. 16ff., der zehn handelsbezogene Erfolgsfaktorenstudien vergleichend bewertet und sich selbst mit der Flächenproduktivität sowie Personalintensität als strategischen Erfolgsfaktoren im bundesdeutschen Warenhaussektor beschäftigt. 328 Vgl. Freter/Barzen/Wahle (1989), S. 189ff.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
163
hauptsächlich wichtige Einzelhandelsmärkte betreffen (z. B. Großbritannien, USA, Bundesrepublik Deutschland und Frankreich). 329 Auch eine Studie von Reiche[, die nach dessen eigenem Bekunden einen ersten Versuch zur Erfolgsfaktorenforschung im schwedischen Handel bildet, läßt z. B. in bezug auf die Operationalisierung von Erfolg (neben der Umsatzsteigerung werden u.a. die Vergrößerung der Verkaufsfläche und der Zuwachs an Personal als Erfolgsindikatoren aufgefaßt, wobei völlig unklar bleibt, welche theoretischen Überlegungen der diskriminanzanalytischen Identifikation dieser Variablen zugrunde liegen) und die herangezogenen Auswertungsverfahren (lediglich explorative Faktoren- und Diskriminanzanalyse) einige Wünsche offen. 330
Die Extraktion von Schlüsselfaktoren des Erfolgs im internationalen Geschäft leidet daher an einem Mangel an Befunden, die auf nationaler Ebene die Ursachen des Erfolgs von Einzelhandelsunternehmen identifizieren. Von Fritz und Kube gewonnene Ergebnisse rechtfertigen diese Behauptung insbesondere mit Blick auf den Handel. 331 Zählt man die von beiden Autoren gleichzeitig herangezogenen Studien nur einmal, verbleiben etwa 30 Untersuchungen. Bei diesen fallt auf, daß überwiegend umsatzbezogene Indikatoren (Umsatz, Umsatzwachstum, Umsatzrentabilität etc.) zur Operationalisierung des Unternehmenserfolges herangezogen werden. Marktanteil, Deckungsbeitrag und Gewinn stehen angesichts der Schwierigkeiten ihrer Ermittlung nur selten im Brennpunkt des Interesses. Auch Hartwig stellt bei dem Versuch, die Erfolgsfaktoren von regionalen Einkaufszentren zu identifizieren, auf den Umsatz ab. 332 Jacobs/Dobler messen den Erfolg von Diversifikationsprojekten im Einzelhandel unter Rekurs auf Befunde von Kitching und Chakravarthy ausschließlich durch eine Einschätzung, die die Auskunftspersonen anhand einer vorgegebenen Skala vornehmen. 333 Lediglich Patt beschreitet einen Weg, der der Multidimensionalität und dem dynamischen Charakter des Unternehmenserfolgs Rechnung trägt. Er erfaßt das Umsatzwachstum und den Gewinn für einzelne Abteilungen und Verkaufsstellen von Bekleidungsfachhandelsgeschäften für einen Dreijahreszeitraum auf der Basis der internen Betriebsergebnisrechnung. Weiterhin bezieht er eine Schätzung des Erfolgs der einzelnen Verkaufsstellen eines Handelsunternehmens ebenso ein wie den des Gesamtunternehmens (sofern mehrere Verkaufsstellen betrieben werden). 334 Somit verknüpft Patt die objektive und die subjektive Erfolgsmessung miteinander 329 Vgl. die Beiträge von Brady (1986), S. 254 ff., Karch (1986), S. 264 ff., und Barrenstein/Kaas (1986), S. 279 ff. 330 Vgl. Reiche! (1993), S. 285 ff. 331 Vgl. Fritz (1990b), S. 91 ff., Kube (1991), S. 29 ff. Die Metaanalyse, die Sehröder (1994), S. 89ff., vorgelegt hat, berücksichtigt sechs Erfolgsfaktorenstudien neueren Datums. Auch diese bieten jedoch keine Anhaltspunkte für die theoretische Fundierung der Internationalisierung im Einzelhandel. 332 Vgl. Hartwig (1990), S. 400 ff. 333 Vgl. Jacobsillobler (1989), S. 7, und die dort zitierte Literatur. 334 Vgl. Patt (1988), S. 71 f. und S. 295.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Olbrich wählt ein ähnliches Operationalisierungskonzept wie Patt, indem er einerseits Manager von Handelsunternehmen um eine Einschätzung des Unternehmenserfolgs im Vergleich zum stärksten Konkurrenten bittet und andererseits zwei Größen aus dem internen Rechnungswesen heranzieht, und zwar die Veränderung des Umsatzes und des Betriebsergebnisses gegenüber einem Fünfjahresdurchschnittswert 335
Der Erfolg von Internationalisierungsstrategien sollte multidimensional, longitudinal und in Abhängigkeit vom Objekt (Betriebstypen etc.) bzw. Aktionsbereich (Absatz oder Beschaffung) der grenzüberschreitenden Betätigung differenziert operationalisiert werden. Zentraler Ausgangspunkt müßte dabei die operative und strategische Zielsetzung sein, auf der die länderübergreifende Beschaffungs- und/ oder Absatzpolitik basiert. Folglich kommt der empirischen Identifikation derjenigen Motive, die der Internationalisierung im Einzelhandel zugrunde liegen, zentrale Bedeutung zu. 336 Auch Ahlert versucht im Rahmen eines längerfristig angelegten Forschungsvorhabens den verschiedenen Facetten des Erfolgs von Handelsbetrieben gerecht zu werden, indem er zwischen einer - räumlichen (standortspezifisch, regional, national und international), - sachlichen (Einzelbetrieb, Handels- (z. B. Kooperation, Filialsystem), Distributionssystem und Geschäftsstättenagglomeration einerseits sowie branchenbezogenen und -übergreifenden Betrachtung andererseits) 337 und - zeitlichen Dimension (zeitpunkt- vs. zeitraumbezogen) - des Unternehmenserfolges differenziert. 338
Für eine multidimensionale und longitudinale Erfassung des Internationalisierungserfolgs sprechen auch Befunde von Gemünden, der 50 industriebezogene Exporterfolgsfaktorenstudien miteinander verglich, und von Müller. 339 Ersterer ermittelte u.a., daß insgesamt 84 verschiedene Operationalisierungen von Erfolg Verwendung fanden, die nur eine geringe inhaltliche Übereinstimmung aufweisen. Die relativ niedrige Interkorrelation zwischen den Erfolgsmaßen Exportumsatz, -quote und -rendite einerseits sowie deren Veränderung andererseits unterstreicht nach Müller die These von Gemünden. Offenbar besitzen aus betriebswirtschaftlieber Sicht verschiedene Erfolgskriterien von Auslandsengagements einen spezifischen Informationswert, und zwar in Abhängigkeit davon, welche Ziele ein Unternehmen im Auslandsgeschäft verfolgt. 340 So dürfte ein Einzelhandelsunternehmen 335 Vgl. Olbrich (1992), S. 34. Mit welcher Skala der subjektive Unternehmenserfolg gemessen wird, bleibt ebenso im dunkeln wie die Vorgehensweise bei der Berechnung der Veränderungsraten. 336 Vgl. hierzu 3. Kapitel, Abschn. 1.2. 337 Während Hise/Kelly/Gable/McDonald (1983), S. 22 ff., nach den strategischen Erfolgsfaktoren auf Verkaufsstellenebene fahnden, widmet sich Hartwig (1990), S. 400 ff., den Erfolgsdeterminanten von Geschäftsstättenagglomerationen. 338 Vgl. Ahlen (1992), S. 4. 339 Vgl. Gemünden (1989) und Müller (1991), S. 226 ff. 340 Vgl. Müller (1991), S. 229.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
165
z. B. während des Markteintritts den Umsatz und den Marktanteil auf Gesamtunternehmens- sowie Verkaufsstellenebene favorisieren, während im Zuge der Marktpenetration Gewinn- und Wachstumsmaße im Vordergrund stehen. 341 Weiterhin erscheint der Rückgriff auf Daten des internen und externen Rechnungswesens deswegen problematisch, weil in den einzelnen Ländern u.U. jeweils andere Richtlinien und Konventionen bei der Bewertung einzelner Positionen (z. B. kalkulatorische Kosten) gelten. Auf der Basis einer empirischen Untersuchung weist Frankenberg nach, daß allein die zwischen dem deutschen und dem OS-amerikanischen Recht bestehenden Unterschiede in der Rechnungslegung dazu führen, daß ein transnationaler Vergleich von Unternehmen auf der Basis bestimmter Kennzahlen (z. B. Eigenkapitalrentabilität) nicht sinnvoll ist bzw. nur bei Anpassung der länderspezifischen Bilanzierungsusancen zu verläßlichen Ergebnissen führen kann. 342 Aufgrund der Heterogenität der Operationalisierung von Erfolg kommt es in der empirischen Handelsforschung zur Ermittlung völlig unterschiedlicher strategischer Erfolgsfaktoren? 43 Diese differieren sowohl in bezug auf ihre inhaltliche Ausprägung als auch hinsichtlich ihrer Anzahl. So ermittelt Patt mehr als 70 Variablen, die die von ihm herangezogenen Erfolgskriterien von Bekleidungsfachhandelsbetrieben signifikant beeinflussen und mittels einer exploratorischen Faktorenanalyse auf zehn Dimensionen komprimiert werden können (u.a. Wettbewerbsstärke, Überschaubarkeit, Zielgruppenstrategie, Erlebnisorientierung). 344 Kube fördert demgegenüber auf kausalanalytischem Wege acht strategische Erfolgsfaktoren zutage, die den Umsatz und Ertrag von Gastronomiebetrieben einer Brauerei determinieren. Dabei handelt es sich um Marktpotential, Wettbewerbsintensität, Standortqualität, Betriebsgröße, Serviceniveau, Sortiment, Preisniveau und Personalintensität 345 Hildebrandt bzw. Hildebrandtffrommsdorff stellen Qualitätsimage, Ladenatmosphäre, Preisimage, Personaleinsatz und Ladengröße als Erfolgsdeterminanten von filialisierten Einzelhandelsbetrieben fest. 346
Auch die im Rahmen der Erforschung von Erfolgsfaktoren des industriellen Auslandsgeschäfts festgestellten Befunde sind heterogen. Dies gipfelt darin, daß manche Autoren resignierend den Schluß ziehen, die Suche nach generell gültigen Erfolgsfaktoren der Internationalisierung von Industrieunternehmen sei zwangsläu341 Darauf, daß im Rahmen der internationalen Beschaffung ganz andere Erfolgskriterien als bei internationalen Absatzstrategien gelten (z. B. Reduktion der Wareneinstandskosten, Beschaffung von Waren, die ausschließlich im Ausland hergestellt werden), sei an dieser Stelle hingewiesen. 342 Vgl. Frankenberg (1994), S. 426ff. 343 Siehe hierzu die Befunde der metaanalytischen Untersuchung von Kube (1991), S. 162 ff. 344 Vgl. Patt (1988), S. 219ff. 345 Vgl. Kube (1991), S. 230. 346 Vgl. Hildebrandt!frommsdorff (1989), S. 23 f.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
fig vergeblich. 347 Da es sich hierbei jedoch um eine angreifbare Minderheitsposition handelt, ist an dieser Stelle eine Synopse der vorliegenden empirischen Ergebnisse sinnvoll. Folgende Befunde der industriebezogenen Forschung erscheinen auch den Erfolg absatz- und/oder beschaffungsmarktbezogener Internationalisierungsbemühungen zu garantieren: 348 - Konzentration auf das und positive Einstellung des Managements gegenüber dem Auslandsgeschäft, - Vorgabe eindeutiger Ziele für die Internationalisierung, - Existenz einer die Internationalisierung fördernden Organisationsstruktur, - Vorhandensein einer bestimmten Unternehmensgröße, wobei diese ab einem nicht näher quantifizierbaren Schwellenwert den Erfolg in Auslandsmärkten nur noch schwach beeinflußt, - Aufbau und Vertrauen in die Tragfahigkeit persönlicher Kontakte mit Interaktionspartnern im Ausland sowie - Vorhandensein eines effektiven auslandsmarktbezogenen Informationsverhaltens. In einer neueren Untersuchung bestätigen Cavusgii/Zou viele bekannte Hypothesen zur Internationalisierung im Industriesektor weitgehend. Teilweise konkretisieren sie jene sogar noch?49 Auf der Basis von 202 Exportaktivitäten amerikanischer Industriebetriebe ermitteln sie folgende Zusammenhänge: - Der Exporterfolg, den sie mit vier Indikatoren zu erfassen suchen (Ausmaß der Erreichung strategischer Ziele, wahrgenommener Erfolg, durchschnittliches Umsatzwachstum und durchschnittliche Profitabilität in den ersten fünf Jahren nach Aufnahme der Exportaktivität), wird am stärksten durch die internationale Kompetenz eines Unternehmens determiniert. Dahinter verbergen sich Indikatoren wie die Anzahl der bearbeiteten Auslandsmärkte, die für Exportaktivitäten zur Verfügung stehenden Ressourcen und die Erfahrung des Unternehmens auf internationaler Ebene. - Der Exporterfolg steigt, wenn das Leistungsangebot an die spezifischen Ländermarktbedingungen angepaßt wird, wobei die Angleichung wiederum von der Kulturgebundenheit und der Einzigartigkeit der Leistung sowie der Wettbewerbsfahigkeit des Exporteurs auf dem Auslandsmarkt, der Erfahrung des Unternehmens mit dem Leistungsangebot und dem Ausmaß der technologischen Orientierung der Branche geprägt wird. Vgl. Lange (1982), S. 27ff. Vgl. Müller (1991), S. 70, der seine Argumentation u.a. auf die Metaanalyse von 50 Export-Erfolgsfaktorenstudien, die Gemünden durchgeführt hat, stützt. Der hier vorgenommene Transfer erscheint aus Gründen der Plausibilität zu-lässig. 349 Vgl. CavusgiVZou (1994), S. 1 ff. 347 348
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
167
- Ebenso positiv auf den Exporterfolg wirken sich die Unterstützung des ausländischen Distributeurs bzw. der Auslandsniederlassung und die Fähigkeit des Unternehmens, einen Preiswettbewerb zu bestehen, aus. - Das Commitment auf seiten des Managements, Auslandsrisiken einzugehen, bildet einen weiteren Erfolgsfaktor. Dieser lädt verständlicherweise auch in hohem Maße auf den Erfolgsfaktor "Unterstützung des ausländischen Distributeurs bzw. der Auslandsniederlassung". - Demgegenüber diagnostizieren Cavusgif/Lou einen inversen Zusammenhang zwischen länderspezifischer Anpassung der Kommunikationspolitik und Exporterfolg. Faßt man die von Cavusgif/Lou streng theoriegeleitet und mit Hilfe eines anspruchsvollen empirischen Designs gewonnenen Erkenntnisse zusammen, so wird der Exporterfolg von der internationalen Kompetenz, der Gestaltung der grenzüberschreitenden Marketingstrategie und dem Commitment des Managements, Auslandsrisiken in Kauf zu nehmen, determiniert. Wenngleich im Einzelhandel die Internationalisierungsstrategie einige Besonderheiten gegenüber der von Industriebetrieben aufweist (z. B. Fehlen der Exportoption), dürften die Ergebnisse von Cavusgif/Lou doch auch auf den hier interessierenden Wirtschaftszweig zutreffen. Demnach wäre der Erfolg von absatzmarktbezogenen Auslandsaktivitäten dann gewährleistet, wenn ein Einzelhandelsunternehmen über folgende Erfolgsfaktoren in ausreichendem Umfang verfügte: - Internationale Kompetenz, die durch Akquisition und Kooperation relativ schnell oder durch Aufbau von Filialen im Ausland relativ langsam erworben werden kann, - Risikobereitschaft auf der Managementebene und - Existenz einer tragfähigen länderübergreifenden Marketingstrategie, die sich insbesondere durch länderspezifische Anpassung des Sortiments, nachhaltige Unterstützung der Auslandsniederlassungen durch die Zentrale (des Stammlands) und die Fähigkeit, einen Preiswettbewerb zu bestehen, auszeichnet; demgegenüber sollten im Rahmen der Kommunikationspolitik die Realisierung einer bestimmten Marktposition von Betriebstypen und der grundlegende Werbeapproach länderübergreifend standardisiert werden. Allerdings sei abschließend zur Studie von Cavusgif/Lou bemerkt, daß es sich hierbei um eine Querschnittsuntersuchung mit den dafür typischen Mängeln handelt, die zudem nicht repräsentativ ist und z. B. organisationsstrukturelle Erfolgsdeterminanten vernachlässigt. 350 So ist in Anlehnung an die von Olbrich gewonnenen empirischen Ergebnisse zu vermuten, daß Filialsysteme beim Auslandsgeschäft in bezug auf die mittel- und langfristige Entwicklung des Betriebsergebnisses erfolgreicher als Kooperationsgruppen abschneiden. 351 350 351
Diese und weitere Schwächen erkennen Cavusgil/Zou (1994), S. 16f., selbst. Vgl. Olbrich (1992), S. 36.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Trotz der Probleme, mit der die Erfolgsfaktorenforschung behaftet ist, und der Heterogenität der empirischen Befunde seien auch am Ende dieses Abschnitts zentrale Erkenntnisse der Diskussion in generelle Vermutungen und Hypothesen gekleidet: (1) Die empirische Erfassung der mit einem Auslandsengagement verfolgten ope-
rativen und strategischen Ziele bildet die zentrale Voraussetzung für die Ermittlung strategischer Erfolgsfaktoren des international tätigen Einzelhandels.
(2) Die Multidimensionalität des Unternehmenserfolges, die permanente Veränderung der Umweltsituation sowie der internationale bzw. -kulturelle Bias stellen so hohe Anforderungen an die Erforschung der strategischen Erfolgsfaktoren der Internationalisierung im Einzelhandel, daß sie nur mit erheblichem Aufwand betrieben werden kann. (3) Erfolg im Auslandsgeschäft haben Einzelhandelsbetriebe insbesondere dann, wenn folgende Bedingungen gegeben sind: - Hohe Kompetenz des Unternehmens in bezug auf die Internationalisierung, - Vorhandensein einer bestimmten Unternehmensgröße, - Bereitschaft und Fähigkeit (auslandsmarktbezogenes Informationsverhalten, Aufbau persönlicher Kontakte zu Interaktionspartnern im Ausland usw.) des Managements, Auslandsmärkte zu bearbeiten, sowie - Vorgabe langfristiger Internationalisierungsziele und Existenz einer grenzüberschreitende Aktivitäten fördernden Organisationsstruktur. (4) Der Erfolg von absatzmarktbezogenen Auslandsaktivitäten erscheint unter langfristigem Blickwinkel dann gewährleistet, wenn - das Leistungsangebot von Handelsbetrieben an länderspezifische Erfordernisse (z. B. Nachfragerpräferenzen) angepaßt wird, - die Auslandsniederlassungen durch die Zentrale des Stammlandes nachhaltig unterstützt werden, - das Unternehmen die Fähigkeit besitzt, in einen Preiswettbewerb einzutreten und diesen erfolgreich zu bestehen, sowie - die Positionierung von Betriebstypen und die Werbestrategie länderübergreifend vereinheitlicht werden.
2.2.6. Die Entscheidungstheorie
Die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie befaßt sich mit der zieladäquaten Lösung von Wahlproblemen unter Berücksichtigung bestimmter Nebenbedingungen. In der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre wird hinsichtlich des Erkenntnisobjekts zwischen präskriptiver und deskriptiver Entscheidungstheo-
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rie differenziert. Während sich erstere auf Rationalität, vollkommene Information und Existenz von zu optimierenden Zielen bzw. Zielfunktionen stützt, fußt letztere darauf, daß mit Hilfe sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse das tatsächlich vorfindbare Entscheidungsverhalten erfaßt und erklärt werden soll. 352 Für die theoretische Fundierung der Internationalisierung im Einzelhandel sind daher solche Ansätze relevant, die auf der Basis der deskriptiven Entscheidungstheorie353 ergründen, warum ein Unternehmen das Auslandsgeschäft aufnimmt, welches Entscheidungsverhalten Manager dabei an den Tag legen, welche Phasen der Entscheidungsprozeß, im Ausland tätig zu werden, konkret durchläuft, welche Bedingungen die Entscheidung über die Form des Markteintritts und der Marktbearbeitung in welcher Form beeinflussen usw. Die Motive der Auslandsmarktbearbeitung spielten bereits im Zusammenhang mit der Suche nach geeigneten Indikatoren für die Operationalisierung des Erfolgs internationaler Betätigung (vgl. Abschn. 2.2.5.) eine Rolle. Alexander hat dazu schon 1988 eine empirische Untersuchung bei 26 britischen Einzelhandelsbetrieben durchgeführt, die angaben, im Durchschnitt 11,4 % ihres Gesamtumsatzes im Ausland zu erzielen. 354 Als Eintrittsstrategie in fremde Länder wählten die befragten Unternehmen in etwa drei Vierteln aller Fälle internes Wachstum in Gestalt des eigenständigen Aufbaus von Verkaufsstellen. Ungefahr die Hälfte gab an, den Einstieg über die Akquisition eines lokal tätigen Einzelhandelsunternehmens vollzogen zu haben. Etwa ein Viertel der Probanden bzw. jedes achte Unternehmen entschied sich für die Gründung eines Joint venture bzw. für ein internationales Franchisesystem (Mehrfachnennung war zulässig). Die von Alexander ermittelten Motive der grenzüberschreitenden Absatzpolitik zeigt Tab. 2.2. Wie daraus hervorgeht, wird die Entscheidung zur Internationalisierung maßgeblich von solchen Faktoren induziert, die mit den Bedingungen des anvisierten Auslandsmarktes zusammenhängen. Diese Pullfaktoren dominieren den Befunden von Alexander zufolge die Pushfaktoren, welche einem Einzelhandelsunternehmen das Auslandsgeschäft "aufzwingen" und z. B. in der Marktsättigung im Inland bestehen.355 Unternehmensspezifische Rahmenbedingungen, wie etwa die Existenz eines internationalisierungsfähigen Betriebstyps und Sortiments, spielen gemäß Tab. 2.2. lediglich eine untergeordnete Rolle. Entscheidend scheint somit zu sein, daß Auslandsmärkte eine hohe Attraktivität für ein Einzelhandelsunternehmen besitzen. 352 Vgl. zur Entscheidungstheorie Bamberg/Coenenberg (1992), Eisenführtweber (1993) und Heinen (1976). Zur deskriptiven Entscheidungstheorie im organisationstheoretischen Kontext siehe Berger/Bernhard-Mehlich (1993), S. 136ff. 353 Bedauerlicherweise existieren kaum empirische Untersuchungen darüber, wie Manager in Handelsunternehmen Entscheidungen fällen. 354 Vgl. Alexander (1990), S. 79 ff. 355 Die Unterscheidung zwischen Pull- und Pushfaktoren der Internationalisierung geht auf Kacker (1985), S. 74, zurück.
170
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Tabelle 2.2.
Motive der Internationalisierung aus der Sicht britischer Einzelhandelsbetriebe Motiv
Mittelwert
Besetzung von freien Marktnischen im Auslandsmarkt
3,6
Größe des Auslandsmarktes
3.5
Wohlstandsniveau des fraglichen Landes
3,4
Eignung des Betriebstyps für Internationalisierung
3,2
Eignung des Sortiments für Internationalisierung
3,2
Unterentwicklung des Einzelhandels im Auslandsmarkt
3,1
Günstiger Wechselkurs
2,9
Günstiges Umfeld für Tätigkeit im Auslandsmarkt
2,8
Sättigung im Inland
2,2
Verfügbarkeit von attraktiven Standorten im Auslandsmarkt
2,1
Positives Arbeitsklima im Auslandsmarkt
2,1
Attraktiver Preis für die Akquisition einer ausländischen Unternehmung
2,1
Anmerkung: Die Skala reicht von "I =unwichtig" bis "5 =äußerst wichtig".
Wie das von der Uppsala-Schule entwickelte Modell der Exportneigung eindrücklich vor Augen führt, wirken die von Auslandsmärkten ausgehenden Anreize nur insofern, als sie von den Entscheidungsträgem wahrgenommen werden und in eine bestimmte Internationalisierungsstrategie münden. 356 Diese von Dülfer als Filterfunktion des Managements beschriebene Dimension357 wurde für den Industriebereich insbesondere von Müller ausgiebig beleuchtet. Seinen Befunden zufolge hängen die Wahrnehmung von Internationalisierungsanreizen und deren Umsetzung in Internationalisierungsstrategien von der internationalen Mobilität, Risikobereitschaft, psychischen Nähe zu ausländischen Märkten, Änderungsbereitschaft auf Unternehmensebene und Akzeptanz der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit als tragfähiger Unternehmensstrategie ab. 358 Die von Müller identifizierten psychischen Dimensionen korrelieren folglich mit dem von Cavusgil/Zou errnittel356 357 358
Vgl. Olson/Wiedersheim-Pau1 (1978), S. 283 ff. Vgl. Dü1fer (1981), S. 34ff. Vgl. Müller (1991), S. 256.
2. Internationalisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht
171
ten strategischen Erfolgsfaktor "Cornrnitrnent des Managements, Auslandsrisiken einzugehen" positiv.359 Wenngleich insbesondere die empirische Methodik der Vertreter der UppsalaSchule kritisiert wurde, 360 erscheinen folgende Befunde für die theoretische Begründung der Internationalisierung im Einzelhandel bedeutungsvoll: 361 - Je stärker interne und/oder externe Anreize zur Internationalisierung wahrgenommen werden, desto eher ist das Informationsverhalten von Managern darauf ausgerichtet, ein Engagement auf Auslandsmärkten gezielt vorzubereiten. - Das Auslandsmarketing von Einzelhandelsbetrieben ist als Prozeß aufzufassen, der in einer graduell ansteigenden Intensität der Internationalisierung zum Ausdruck kommt. Handelsbetriebe tasten sich demzufolge schrittweise in Auslandsmärkte hinein. Ihr lnternationalisierungsprozeß ähnelt deshalb zumeist einem kaskadenartigen Wasserfall. 362 - Die Auswahl der zu bearbeitenden Auslandsmärkte hängt wesentlich von der durch die Entscheidungsträger wahrgenommenen kulturellen Nähe zwischen Stammland und Auslandsmarkt ab. - Die Einschätzung der Höhe des ökonomischen Risikos, das der Bearbeitung eines Auslandsmarktes innewohnt, determiniert die Wahl der Betätigungsform, d. h. mit zunehmendem Risiko wird, sofern ein Engagement überhaupt noch tragbar erscheint, weniger Kapital gebunden. Weiteren Aufschluß über die Bedeutung des zielbezogenen Entscheidungsverhaltens von Handelsmanagern für die Konfiguration internationaler Distributionssysteme vermag die Channel Stage Theory von Guiltinan zu bieten?63 In deren Mittelpunkt steht die Aussage, daß sich die Beschaffenheit von Distributionskanälen deswegen im Zeitablauf wandelt, weil wichtige Institutionen des Distributionssystems (sog. ,,key channel members") ihre strategischen Vorstellungen ändern. Eine Neuorientierung der Ziele von Handelsunternehmen wird durch Bürokratisierung der Organisation, ineffiziente Funktionserfüllung und/oder Konflikte im Distributionskanal (z. B. aufgrund eines verschärften horizontalen und vertikalen Wettbewerbs) induziert. Der Wunsch, Auslandsmärkte zu erschließen, stellt eine solche Neuorientierung der Zielsetzung dar. Er wird durch unternehmensbedingte oder umweltbezogene Determinanten ausgelöst. Der branchenbezogene Internationalisierungsprozeß kommt gemäß der Channel Stage Theory dann in Gang, wenn Unternehmen, die für die Distribution eine SchlÜsselstellung einnehmen (in bezug auf Marktanteil, 359
360 361 362 363
Vgl. CavusgiVZou (1994), S. 13 ff. Vgl. hierzu auch Abschn. 2.2.5. in diesem Kapitel. Vgl. Dichtlet al. (1983), S. 436. Vgl. z. B. Johanson!Vahlne (1990), S. 1 ff., und Welch/Luostarinen (1988), S. 34ff. Vgl. Engelhard/Eckert (1993), S. 172f. Vgl. Guiltinan (1974), S. 79 ff.
172
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
erfolgreiche Durchsetzung von Innovationen etc.) und sowohl auf der Herstellerals auch der Handelsebene tätig sein können, Auslandsgeschäfte als strategisch sinnvolle Alternative erkennen und konsequent in Angriff nehmen. Nach weiteren Hypothesen von Guiltinan wird das Verhalten der ,,k:ey channel members" dann zügig imitiert werden, wenn dadurch offenkundig Skalenerträge zu erreichen sind und eine relativ homogene Nachfrage in den verschiedenen Ländermärkten vorliegt. Die Geschwindigkeit des Strukturwandels bzw. Evolutionsprozesses von einem vorwiegend binnenmarktorientierten zu einem international tätigen Wirtschaftszweig hängt folglich von der Existenz eines Erfahrungskurveneffektesund der Homogenität der Nachfragerpräferenzen im In- und Ausland ab. 364 Zusammenfassend ergeben sich folgende entscheidungstheoretisch begründeten generellen Vermutungen und Hypothesen: (1) Der Entschluß, in Auslandsmärkten Fuß zu fassen, wird von der ökonomischen
Attraktivität der Ländermärkte dominiert.
(2) Das Entscheidungsverhalten von Managern in bezug auf die Internationalisierung hängt von ihrer Bereitschaft ab, Risiken der Auslandstätigkeit in Kauf zu nehmen. (3) Je stärker interne und/oder externe Anreize zur Internationalisierung wahrgenommen werden, desto eher ist das Informationsverhalten von Managern auf die aktive Vorbereitung einer Auslandsmarktbetätigung ausgerichtet. (4) Der Intemationalisierungsprozeß von Einzelhandelsbetrieben ist durch eine graduell ansteigende Intensität gekennzeichnet. (5) Je ähnlicher Stammland und Auslandsmarkt in kultureller Hinsicht von den Entscheidungsträgem wahrgenommen werden, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit für ein Engagement in dem betreffenden Land. (6) Mit zunehmendem ökonomischem Risiko, das mit der Bearbeitung eines Auslandsmarktes verknüpft ist, wird um so eher eine Betätigungsform gewählt, die relativ wenig Kapital bindet (z. B. Franchising, Jointventure). (7) Der branchenbezogene Intemationalisierungsprozeß kommt nach der Channel Stage Theory dann in Gang, wenn Handelsunternehmen und/oder Hersteller, die in der Distributionskette eine Schlüsselstellung einnehmen, Auslandsgeschäfte als strategische Alternative identifizieren und solche konsequent betreiben. (8) Die Geschwindigkeit des Strukturwandels im Einzelhandel, der in dem Übergang von einem binnenmarktorientierten zu einem internationalen Wirtschaftszweig zum Ausdruck kommt, ist hoch, weil in den Ländermärkten relativ homogene Nachfragerpräferenzen existieren und daher Erfahrungskurveneffekte realisiert werden können. 364
Vgl. die Ausführungen in Abschn. 3.2. in diesem Kapitel.
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
173
3. Die Internationalisierung von Handelsunternehmen als Gegenstand strategischer Konzepte Im Rahmen der Internationalisierungsdebatte wurden von Wissenschaftlern und Praktikern, insbesondere Unternehmensberatern Konzepte entwickelt, die die Entwicklung von Internationalisierungsstrategien unterstützen sollen. Dazu zählen Global Sourcirig, Economies of large scale- bzw. Erfahrungskurveneffekt, strategische Netzwerke und strategische Allianzen, Globalisierungsansätze, wie sie von Ohmae und Porter entwickelt wurden, EPRG-Konzept sowie Strategie Fit-Approach. Alle diese Ansätze versuchen relativ aktuelle, unmittelbar praxisbezogene Phänomene zu erfassen, die auf zum Teil völlig unterschiedlichen Ebenen (z. B. Beschaffung, Marketing, Unternehmensstrategie, Führung) zu beobachten sind und eine große Rolle für die Gestaltung der grenzüberschreitenden Betätigung von Unternehmen spielen. Neben dem unterschiedlichen Alter bzw. Reifegrad soll auf die verschiedenartige Reichweite der genannten Ansätze hingewiesen werden. Streng betrachtet fällt der Strategie FitApproach insofern aus dem Rahmen, als es sich dabei im Gegensatz zu den anderen Elementen um ein theoretisches Basiskonzept handelt, das auf dem Gestaltansatz und dem Prinzip der externen Abhängigkeit fußt sowie dazu dient, Strategie, In- und Umsystem eines Unternehmens miteinander in Einklang zu bringen. 365 Aus verschiedenen, in Abschn. 3.6. dieses Kapitels zu erläuternden Gründen erscheint es trotzdem zulässig, das Konzept der strategischen Stimmigkeit hier zu behandeln.
Zur Herleitung von deskriptiven und explikativen Aussagen werden im Rahmen dieser Ansätze entweder Fallstudien, empirische Daten und/oder Theorien aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. Organisations-, Transaktionskostentheorie) herangezogen. Allerdings erscheint das bis heute erreichte Ausmaß an empirischer und theoretischer Begründung der einzelnen explizit formulierten und impliziten Hypothesen noch nicht ausreichend, um von einer Bewährung des jeweiligen Ansatzes ausgehen zu können. Es handelt sich daher groBteils um Erkenntnisse mit zum Teil explorativem und spekulativem Charakter, was sich auch aus der Tatsache ergibt, daß die empirische Prüfung jeweils auf einer kleinen Fallzahl beruht und selten theoriegeleitet ist. Nichtsdestotrotz soll die nachfolgende Diskussion dieser strategischen Konzepte Anregungen für die Herleitung von generellen Vermutungen und Hypothesen zu Ursachen, Formen und Konsequenzen der Internationalisierung im Einzelhandel liefern.
365
Vgl. Scholz (1987), S. 61 ff.
174
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
3.1. Das Global Sourcing Global Sourcing ist in der Literatur nicht eindeutig definiert. 366 Die Begriffsexplikation streut zwischen den Polen internationaler Einkauf367 und effiziente, weltweite Nutzung von Ressourcen?68 Nachfolgend wird unter Global Sourcing ein Versorgungsmanagement von Unternehmen verstanden, das aufgrundseiner strategischen Ausrichtung zur Erreichung und Sicherung von Erfolgspotential dadurch beiträgt, daß - alle Länder der Welt als (potentielle) Beschaffungsmärkte für Inputfaktoren (Güter, Personal, Kapital und Information) betrachtet werden und - es in für das Unternehmen wichtige Entscheidungsprozesse (z. B. im Marketing) von Anfang an eingebunden ist. Strategische Ausrichtung, weltweite Beschaffungsaktivitäten und hoher Integrationsgrad verkörpern somit konstitutive Merkmale des Global Sourcing. 369 Daher läßt es sich leicht von einem national oder international ausgerichteten operativen Einkauf trennen, der ausschließlich zur möglichst kostengünstigen Deckung eines ihm vorgegebenen Bedarfs verpflichtet ist und bei strategischen Entscheidungen in der Regel nicht mitwirkt. 370 Ein derart verstandenes Global Sourcing vermag einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der betrieblichen Wertschöpfung von Handelsunternehmen zu erbringen; denn zunächst führen die auf dem Weltmarkt bezogenen Vorleistungen zu niedrigeren Einstandskosten als bei nationaler Beschaffung. Gleichzeitig wird die Abhängigkeit von inländischen Herstellern reduziert. Weiterhin regt man Inlandsproduzenten durch Verfolgung eines systematisch betriebenen Global Sourcing dazu an, ihr Leistungsprofil und Konditionengefüge den Weltmarktbedingungen anzupassen.371 Schließlich besteht die Möglichkeit, daß durch Global Sourcing die Struktur des Beschaffungsprogramms eine Veränderung erfährt. Wenn dem so wäre, würde das Versorgungsmanagement in eine aktive Rolle bei der Konstituierung des Angebots hineinwachsen.372 Mit fortschreitender Intensität dieser das Angebot prägenden Dimension des Global Sourcing steigt die Bedeutung dieser Funktion für den Unternehmenserfolg.
Vgl. Kummer/Lingnau (1992), S. 419. Vgl. Koppelmann (1989), S. 26. 368 Vgl. Hefler (1981), S. 7. 369 Vgl. Amold (1990), S. 57f.; Gruschwitz (1993), S. 66ff. 370 Vgl. Kraljic (1986), S. 74ff. 371 Wenn eine solche Anpassung aufgrund der inländischen Produktionsbedingungen nicht möglich ist, müssen die Hersteller u.a. eine Verlagerung von Poduktionsstätten in das Ausland erwägen. 372 Vgl. Amold (1989), S. 24; o.V. (1990c), S. 56ff. 366 367
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
175
Umfangreiche Partievermarktungsaktivitäten, eine dauerhafte Änderung der Sortimentsbreite und/oder -tiefe sowie die Schaffung neuer Betriebstypen (Dritte Welt-Läden etc.) stellen im Lebensmitteleinzelhandel absatzmarktbezogene Konsequenzen eines Global Sourcing dar. Darüber hinaus vermag dieses einem Unternehmen völlig neue Marktperspektiven zu eröffnen. Die Beschaffungstätigkeit vor Ort und die damit einhergehende Verbesserung der Marktkenntnis (z. B. in bezug auf Beschaffungsmärkte, Wettbewerber, Makroumwelt) können einen Anstoß zum Markteintritt bilden. Wenngleich zwischen internationaler Warenbeschaffung und absatzmarktbezogener Erschließung des Marktes ein Time lag bestehen wird, 373 ist dem Global Sourcing eine Katalysatorwirkung für das internationale Absatzmarketing zuzubilligen. Eine weitere marktstrategisch bedeutsame Option stellt die durch Global Sourcing wesentlich verbesserte Möglichkeit dar, im Zuge des Contract Manufacturing Handelsmarken im Ausland herstellen zu lassen. 374 Global Sourcing im Einzelhandel tangiert neben dem Marketingbereich noch andere primäre und sekundäre Wertaktivitäten im Portersehen Sinn (z. B. Eingangs- und Ausgangslogistik, Personalmanagement, Informationssysteme als Teil der Unternehmensinfrastruktur). Das Ausmaß deren Beeinflussung hängt von der Intensitäe75 und konkreten inhaltlichen Ausgestaltung des Global Sourcing ab. Intensität und inhaltliche Ausprägung wiederum werden von der verfolgten Unternehmensstrategie determiniert. Strebt ein Einzelhandelsunternehmen wie im sog. Hard discount-Bereich eine Strategie der Kostenführerschaft an, muß das Global Sourcing vor allem kostengünstige Beschaffungs~ quellen (u.a. in osteuropäischen Ländern) erschließen. Steht die auf Qualität, tiefes Sortiment und besonderer Einkaufsatmosphäre fußende Differenzierungsstrategie im Vordergrund (z. B. im Warenhaussektor), sollte es solche Waren beschaffen, die den Konkurrenten nicht ohne weiteres zugänglich sind.
Die sich so ergebenden unterschiedlichen Anforderungen an das Global Sourcing führen zu einer spezifischen organisatorischen, personellen und logistischen Gestaltung dieses Konzeptes. Beispielsweise müssen die personelle Ausstattung von Beschaffungseinheiten im Ausland und der durch diese verursachte Aufwand bei einem Kostenführerschaft unterstützenden Global Sourcing niedriger sein, als wenn eine Differenzierung des Angebots im Vordergrund steht. 376 Transportfähigkeit, Haltbarkeit und Kosten für die physische Distribution der Beschaffungsgüter determinieren im Lebensmitteleinzelhandel die Auswahl der 373 Dieser Time lag resultiert bereits daraus, daß die Warenbeschaffung in einem Ländermarkt erst nach einer gewissen Zeit zum Aufbau einer Insiderposition führen wird. 374 Vgl. zur Handelsmarkenpolitik z. B. Batzer/Greipl ( 1992), S. 197 ff., und Grafe ( 1991 ). 375 Diese läßt sich durch die Anzahl der zu bearbeitenden ausländischen Beschaffungsmärkte, den Anteil des Warenimports am gesamten Beschaffungsvolumen und das Ausmaß, in dem die Beschaffungsinstanzen in Auslandsmärkten vertreten sind bzw. agieren, operationalisieren. 376 Vgl. Gruschwitz (1993), S. 72.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Beschaffungsländer in besonderer Weise. 377 Die Entfernung zwischen Outlet, in dem die Ware verkauft werden soll, und Ort der Herstellung bildet daher insbesondere bei (leicht) verderblichen Produkten sowie Waren mit einem großen Volumen bzw. Gewicht, aber niedrigem Ladenverkaufspreis, d. h. einem geringen absoluten Rohertrag, einen Kontrapunkt zu Global Sourcing-Bestrebungen. In der betrieblichen Praxis erlangen daher die Festlegung von warengruppen- bzw. artikelspezifischen Radien um Verkaufsstellen, innerhalb derer die entsprechenden Beschaffungsgüter produziert werden müssen, eine große Bedeutung. Ceteris paribus wird daher die internationale Beschaffung überproportional in relativ kleinflächigen Ländern und in grenznahen Regionen zu finden sein. Durch die Zunahme der absatzmarktbezogenen Internationalisierung spielt in diesem Kontext die Trennung zwischen physischer Distribution von Ware (vom Herstellungsort bzw. Auslieferungslager des Produzenten über Zentral- und Zwischenläger bis hin zur Verkaufsstelle des Einzelhandelsunternehmens) und dem Ort des Entscheidungs- bzw. Verhandlungsprozesses eine besondere Rolle. Die Zentralisierung von Beschaffungsentscheidungen des Einzelhandels, welche sich auf der Ebene von Artikeln bzw. Warengruppen und Betriebstypen in unterschiedlichem Ausmaß vollziehen kann, vermag somit zu einer Internationalisierung der Beschaffungspolitik beizutragen, obwohl sich die physische Distribution innerhalb von Landesgrenzen vollzieht. Wenn ein Einzelhandelskonzern über viele Betriebstypen verfügt (z. B. Metro) , besteht grundsätzlich die Option, bestimmte Artikel bzw. Warengruppen über mehrere oder gar alle Vertriebslinien hinweg länderübergreifend zu beschaffen. Ob es dabei tatsächlich zu einem Global Sourcing kommt, bei dem eine Zentralinstanz den weltweiten Einkauf verantwortet, oder ob ein regionales Sourcing realisiert wird, bei dem bestimmte Organisationseinheiten Waren innerhalb ausgewählter Länder (z. B. Westeuropa) beschaffen, hängt von den Gegebenheiten auf dem Beschaffungsmarkt (Sitz und Anzahl potentieller Lieferanten etc.) und den unternehmensindividuellen Rahmenbedingungen ab (Einkaufsvolumen in einzelnen Ländermärkten, Know-how im Rahmen der internationalen Beschaffung, Kompetenzregelung zwischen internationaler Einkaufsinstanz und regionalen bzw. nationalen Organisationseinheiten usw.). Da einem Einzelhandelsunternehmen für die Ausgestaltung der Einkaufsfunktion lediglich begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen, müssen die Anstrengungen auf klug selektierte Märkte bzw. Regionen konzentriert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Unternehmen keine oder nur sehr geringe Erfahrung in bezug auf den internationalen Einkauf besitzt und eine Intensivierung des grenzüberschreitenden Versorgungsmanagements beabsichtigt. Wegen der mit der Öffnung osteuropäischer Märkte einhergehenden Effekte (Zugang zu Produzenten etc.) dürfte im Lebensmitteleinzelhandel Europa als Beschaffungsregion an Be377
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 2.1.1. in diesem Kapitel.
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
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deutung gewinnen (z. B. Fleisch, Milchprodukte). 378 Im Nonfood-Bereich spielen Südostasien und bei dem Einkauf von Südfrüchten, Kakao, Kaffee, Tee etc. Südamerika, Nordafrika sowie der Nahe Osten eine große Rolle. 379 Die Verwirklichung eines umfassenden Global Sourcing erfordert es daher, daß in diesen hinsichtlich der Breite des warengruppenspezifischen Angebots und der Attraktivität der Einkaufspreise wichtigen Beschaffungsregionen Einkaufsbüros bzw. Einkaufsniederlassungen errichtet werden.
Gemäß den im Rahmen des Global Marketing diskutierten Ländererschließungsstrategien380 bestehen bei der Realisierung des Global Sourcing folgende Optionen: - Simultane Erschließung aller Länder der Welt, gleichzeitige Bearbeitung bedeutsamer Beschaffungsmärkte bzw. -regionen (sog. Sprinklerstrategie) sowie sukzessive Erschließung von wichtigen Beschaffungsmärkten bzw. -regionen (sog. Wasserfallstrategie) Vor dem Hintergrund der limitierten Ressourcenbasis, des vorhandenen Beschaffungs-Know-how und der Anzahl sowie Struktur der Länder, in denen ein Einzelhandelsunternehmen Verkaufsstellen unterhält bzw. errichten will, erscheint die Sprinklerstrategie dann als vorteilhaft, wenn bei den in Frage kommenden Artikeln oder Warengruppen eine hohe Nachfragekonkurrenz herrscht. Die mit Blick auf die zeitliche Abfolge und das geographische Betätigungsfeld zu differenzierenden aufgeführten Optionen erfordern jeweils eine ganz spezifische organisatorische Umsetzung des grenzüberschreitenden Supply Managements. Dabei lassen sich in Abhängigkeit von der Intensität des Global Sourcing idealtypisch folgende Phasen erkennen: Phase 1: Die internationale Beschaffung wird ausschließlich vom Stammland aus abgewickelt, wobei entweder Stabsstellen eingerichtet oder eine matrixähnliche Einkaufsorganisation aufgebaut werden, bei der Einkäufer mit nationaler und internationaler Zuständigkeit für die Versorgung der Verkaufsstellen im Stammland bzw. in den einzelnen Ländern verantwortlich zeichnen. Sofern Stabsstellen gebildet werden, sind diese dem Bereich Zentraleinkauf zugeordnet. Eine derartige Lösung bietet sich insbesondere dann an, wenn das Beschaffungsvolumen im Ausland gering ist bzw. vorwiegend einmalige Orders (z. B. Saisongeschäft, Partievermarktung) getätigt werden müssen. Vgl. o.V. (1990c), S. 65; Piontek (1993), S. 15 ff. Nach einer Mitteilung der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) führen Italien (17,4), China (13,0), Hongkong (12,1), die Türkei (8,6), Taiwan (6,0), Sürdkorea (5,3), Thailand (3,1), Indien (2,2), Brasilien (1,9) und Dänemark (1,8) die Rangliste der für den Einzelhandel wichtigen Importländer an. In Klammern ist der jeweilige Anteil in % an dem Volumen direkter Importe des Einzelhandels der Bundesrepublik Deutschland aufgeführt. Vgl. o.V. (1993e), S. 7. 380 Vgl. Kreutzer (1989), S. 238 ff. 378
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Denkbare Strukturierungskiterien für den internationalen Einkauf bilden Beschaffungsländer bzw. -regionen und Warengruppen. Es versteht sich von selbst, daß die Gestaltung der ganz konkreten Aufbauorganisation von der Intensität der internationalen Beschaffung abhängt. Darüber hinaus wird der Erfolg eines ausschließlich vom Stammland aus betriebenen internationalen Einkaufs dann gefährdet, wenn der absatzmarktbezogene Internationalisierungsgrad des Einzelhandelsunternehmens steigt.
- Phase 2: Es werden Einkaufsinstanzen in den Auslandsmärkten etabliert, sei es als Einkaufsrepräsentanz (mit einer geringen Personalausstattung) oder als analog zur Beschaffungsorganisation im Stammland strukturierte Einheit, die Bestandteil einer Tochtergesellschaft mit Verkaufsstellen sein kann. Die Dimensionierung der personellen Kapazität richtet sich dabei vor allem nach dem Beschaffungsvolumen und dem Grad der Vertrautheit mit den Rahmenbedingungen des Beschaffungsmarktes (Rechtsordnung, Geschäftsgepflogenheiten etc.)?81 Die Organisation der Einkaufsabteilung in einem Auslandsmarkt hängt darüber hinaus von den Kompetenzen ab, die jener von der Zentrale im Stammland eingeräumt bekommt (Verantwortung für die Warenbeschaffung in Drittländern usw.). Phase 3: Hierbei kommt es zur Errichtung einer Instanz im Stammland oder in einem Drittland, die mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet die internationalen Beschaffungsaktivitäten steuert und mit den Einkaufsanstrengungen der einzelnen Landesgesellschaften koordiniert. Dabei ist es denkbar, daß die Zentralisierung zunächst auf regionaler Ebene (z. B. Süd-, Mittel-, Osteuropa, Südostasien, China) verharrt und erst nach einer gewissen Zeit den Weltmarkt umspannt. Da bei der Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen Konflikte zwischen den Auslandsniederlassungen und der Muttergesellschaft entstehen, bietet sich ein Kompromiß in Gestalt des Lead country-Konzepts an. Dabei wären ausländische Beschaffungseinheiten für bestimmte Regionen, Warengruppen etc. zuständig und verantwortlich. 382 Einkaufsrepräsentanzen aus den unterschiedlichen Ländern müßten für die jeweilige Lead country-Beschaffungsinstanz Zuarbeitungsfunktionen übernehmen. Mit Hilfe eines solchen Lead country-Konzepts ließen sich zweifellos auch wichtige Entscheidungsprobleme (z. B. Listung neuer Produkte in den Ordersätzen verschiedener Landesgesellschaften zeitgleich oder zeitversetzt) des Global Sourcing lösen. Wenn eine länderübergreifende Standardisierung des Sortiments bzw. von Sortimentsteilen gegeben ist, muß entweder ein Buying Center gebildet werden, das die Listungskompetenz für mehrere Märkte besitzt, oder die Listungsentscheidung dem in dem speziellen Fall zuständigen Buying Center des Lead country übertragen werden.
Vgl.Gruschwitz(1993),S.I76f. Die Gestaltung des Lead country-Konzepts kann sich auch daran orientieren, daß diejenigen Einkaufsinstanzen für das internationale Versorgungsmanagement verantwortlich zeichnen, die in bezug auf Waren und/oder wichtige Lieferanten die größte Erfahrung besitzen. Vgl. Kraljic (1988), S. 486ff. 381
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3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
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Die Beantwortung der Frage, von welchem Standort bzw. Land aus Global Sourcing realisiert wird, hängt von speziellen Rahmenbedingungen ab. Je weniger ein Handelsunternehmen umsetzt (um so niedriger sind die Beschaffungsvolumina bei einzelnen Warengruppen), je mehr es auf Kostenführerschaft setzt und je niedriger der Internationalisierungsgrad ist, desto eher wird eine internationale Beschaffungsstrategie vom Stammland aus organisiert. Liegen zudem noch relativ instabile politische Bedingungen, eine kleine, überschaubare Anbieterzahl, geringer Nachfragerwettbewerb, eine gute Infrastruktur und eine kulturelle Konvergenz von Inlands- und Auslandsmarkt vor, so spricht grundsätzlich wenig für die Verlagerung von Global Sourcing-Aktivitäten in das Ausland. 383 Schließlich spielen bei der Entscheidung, an welchem Standort internationales Supply Management verankert werden soll, steuerliche Überlegungen und Risiken eine Rolle, die aus finanziellen Transaktionen erwachsen (z. B. Wechselkursschwankungen, Einschätzung der Bonität und Lieferzuverlässigkeit ausländischer Produzenten). Letztlich mag es unerheblich sein, ob Global Sourcing zu einer räumlichen Zentralisierung der Beschaffungsfunktion führt; denn aufgrundmoderner Informations- und Kornmunikationstechnologie sowie datentechnischer Vernetzung der u.U. räumlich dezentral agierenden Beschaffungseinheiten erscheint ein Global Sourcing im Einzelhandel auch dann realisierbar, wenn die Beschaffungskompetenz nicht an einem Ort verankert wird. Damit ein Global Sourcing effizient betrieben werden kann, muß eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Aus dem Kanon makroökonomischer Bedingungen seien die politische Stabilität in dem Beschaffungsland, aber auch den Transitländern und die Rechtssicherheit genannt. Protektionistische Bestrebungen, die sich beispielsweise in der Festlegung von lmportkontingenten, der Besteuerung von Warenimporten und diversen administrativen Handelshemmnissen niederschlagen, beeinträchtigen das Global Sourcing von Einzelhandelsunternehmen. Voraussetzungen für ein wirksames Global Sourcing auf seiten eines Einzelhandelsunternehmens bilden neben der Erlangung einer bestimmten Unternehmensgröße, die zu einem adäquaten Beschaffungsvolumen bzw. einer gewissen Einkaufsmacht führt, eine Professionalität der Mitarbeiter, die mit entsprechenden Aufgaben betraut sind, und die Deklarierung des internationalen Beschaffungsbereichs als für den Top Management-Nachwuchs zwingend zu durchlaufende Station in der Laufbahn.384 Die großen informatorischen und logistischen Herausforderungen, welche die Realisierung des Global Sourcing an einen Handelsbetrieb stellt, erscheinen nur mit Hilfe datentechnisch und logistisch vernetzter Informations- und Transportsysteme bewältigbar. 385 Kommunikation und Warenverteilung Vgl. Gruschwitz (1993), S. 160ff. Vgl. Kraljic (1988), S. 496. 385 Diese Vernetzung muß sich nicht nur auf die Auslandsstützpunkte eines Einzelhandelsbetriebs, sondern auch auf Logistikdienstleister und Auslandsproduzenten sowie alle anderen im Rahmen des Global Sourcing relevanten Transaktionspartner (z. B. internationale Be383
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
über Ländergrenzen hinweg erfordern eine detaillierte Abstimmung von Warenbedarf in einzelnen Verkaufsstellen, Logistik und Einkaufstätigkeit in den verschiedenen Beschaffungsmärkten. 386 Die Diskussion in diesem Teil der Untersuchung führt zu folgenden generellen Vermutungen und Hypothesen: (1) Global Sourcing erhöht die Wertschöpfung von Einzelhandelsbetrieben.
(2) Je intensiver Einzelhandelsunternehmen Global Sourcing betreiben, desto mehr werden Inlandsproduzenten dazu angeregt, ihr Leistungsprofil und Konditionengefüge den auf dem Weltmarkt herrschenden Bedingungen anzupassen. (3) Durch Global Sourcing öffnen sich einem Einzelhandelsunternehmen sog. strategische Fenster im Absatzmarketing (Anstoß zum Markteintritt in bislang nur beschaffungsseitig bearbeitete Länder, Produktion von Handelsmarken im Ausland etc.). (4) Die verfolgte Unternehmensstrategie determiniert die Intensität und organisatorische Ausgestaltung des Global Sourcing. (5) Die Möglichkeit zur länderübergreifenden informationstechnologischen Vernetzung fördert die Trennung von physischer Distribution der Ware und räumlicher Verankerung der Kompetenz in bezugauf Global Sourcing-Entscheidungen. (6) Wenn bei den zu beschaffenden Artikeln bzw. Warengruppen eine hohe Nachfragekonkurrenz herrscht, dann erscheint ein simultaner Eintritt in alle dafür wichtige Beschaffungsmärkte bzw. -regionen ratsam. (7) Durch ein Lead country-Konzept, das einerseits auf Beschaffungsmärkte bzw. -regionen und andererseits auf Beschaffungsgüter sowie Lieferanten ausgerichtet ist, lassen sich organisatorische Probleme, die durch eine unbefriedigende Abstimmung des Aufgabenbereichs von internationalen Beschaffungsinstanzen entstehen können, bewältigen. (8) Jedwede Form von protektionistischen Maßnahmen erschwert bzw. verhindert Global Sourcing im Einzelhandel.
schaffungskooperationen, Marktforschungsuntemehmen) erstrecken. Allerdings fehlt es hierzu noch teilweise an den technologischen Voraussetzungen (z. B. in bezugauf die Standardisierung des Datenaustausches (EDIFACT); vgl. Simmet (1993), S. 255 ff.). Elemente eines Netzwerkmanagements werden in Abschn. 3.3. in diesem Kapitel erläutert. 386 Vgl. Kummer/Lingnau (1992), S. 420. Möglicherweise können in diesem Kontext Expertensysteme wertvolle Hilfe leisten. Vgl. Mahnkopf (1992).
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
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3.2. Economies of large scale- und Erfahrungskurveneffekt Die Standardversion des Erfahrungskurveneffekts lautet, daß ein Unternehmen mit jeder Verdoppelung der im Zeitablauf kumulierten Ausbringungsmenge eine inflationsbereinigte, auf die von ihm geschaffene Wertschöpfung bezogene Stückkostensenkung von 20 bis 30% erzielen kann. Die Ursachen dafür bestehen zunächst in dem statischen Skaleneffekt, der sich durch eine Stückkostensenkung aufgrund der Steigerung der Ausbringungsmenge in einer Periode ergibt (Fixkostendegression, Betriebsgrößenvariation, kostengünstigere Produktionstechnologie). Weiterhin begründet der im Zeitablauf eintretende dynamische Skaleneffekt (Lerneffekt, Rationalisierung und qualitative Verbesserung der Produktionstechnik) das Stückkostensenkungspotential.387 Die durch Betriebsgrößenvariation entstehenden Vorteile werden häufig als Economies of !arge scale bezeichnet. Sie bilden als Element des statischen Skaleneffekts somit eine Teilmenge des (gesamten) Erfahrungskurveneffekts. Bei der Festlegung des Verlaufs der Erfahrungskurve und der Ableitung von Handlungsempfehlungen entsteht eine Reihe von Problemen, die in bezug auf den industriellen Sektor von Bauer thematisiert wurden. 388 Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die Zurechnung von bestimmten Kostenarten zu einzelnen Produkten bei Mehrproduktunternehmen und die damit verbundene Schwierigkeit der Berechnung von exakten Stückkosten hingewiesen. Unter Erfahrungskurveneffekt im Einzelhandel sei im folgenden eine im statischen und dynamischen Sinn eintretende Degression der Kosten bei steigendem Umsatz verstanden?89 Mit Blick auf die Handelspraxis ergeben sich Größenersparnisse somit sowohl auf der Ebene von Verkaufsstellen als auch auf der von Gesamtunternehmen (innerhalb eines oder mehrerer Betriebstypen390). Diese basieren auf Verkaufsstellenebene auf folgenden Ursachen:391 - Statischer Skaleneffekt - Unterproportionaler Anstieg der fixen Kosten Beispielsweise nennt das EuroHandelsinstitut e. V. im Bereich Beleuchtungseinrichtung für Supermärkte eine Bandbreite von DM 40,- bis 140,- pro m2 Verkaufsfläche und für Verbrauchermärkte sowie SB-Warenhäuser eine solche von DM 15,- bis 80,-.392 Ein unterproportionaler Anstieg fixer Kosten ergibt sich auch aus der aufgrund eines UmsatzVgl. Bauer (1986), S. 3 f. Vgl. Bauer (1986), S. 5 ff. 389 Vgl. Potucek (1987a), S. 100, und die dort zitierte Literatur. 390 Bei Unternehmen mit mehreren Betriebstypen stellen Verbundvorteile, die sich aufgrund der Erschließung synergetischer Effekte beim Management einzelner Betriebstypen ergeben, Economies of scope dar. 391 Siehe hierzu u.a. Bucklin (1972), S. 81 ff., und Potucek (1987a), S. 99 ff. 392 Vgl. EuroHandelsinstitut e.V. (1993), S. 272. 387 388
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit zuwachses möglich werdenden vollständigen Auslastung von vorher nur teilweise genutzter Faktorkapazität (Personal, EDV, Fuhrpark, Fläche etc.).
- Kostengünstigere Vorhaltung von Kapazitätsreserven (z. B. Kassenplätze, Personal) - Von der Umsatzhöhe abhängiger Übergang zu einer kostengünstigeren Angebotstechnologie (Schaltung von Werbung in überregionalen Hörfunk- bzw. Fernsehsendern, Substitution von Personal durch (Informations-)Technologie usw.) - Überproportionaler Anstieg der Kaufkraftbindung Dieser Effekt fußt einerseits auf dem Verlangen von Verbrauchern nach One stop shopping und andererseits auf einer Effizienzsteigerung durch eine mit der Größe einhergehende Verbesserung der Sortimentsgestaltung. So berichtet das EuroHandelsinstitut e. V. von einem durchschnittlichen Einkaufsbetrag im Jahr 1991 von DM 31,87 bei Verbrauchermärkten mit 1.500 bis 2.499 m2 , DM 43,73 bei 2.500 bis 3.999 m 2 großen Verbrauchermärkten und DM 54,13 bei SB-Warenhäusern (ab 4.000 m2) . 393 Jedoch wird die Sogwirkung der Betriebsgröße dadurch konterkariert, daß der Umsatz je m 2 Verkaufsfläche bei Objekten unter 1.500 m 2 höher (DM 8.807,-) als bei solchen mit mehr als 5.000 m2 ist (DM 8.021,-). 394 Folglich verlaufen sowohl die Gesamtkosten als auch der Gesamtumsatz in bezug auf die Verkaufsfläche degressiv, wobei beim Betriebsergebnis zwei Schwellenwerte existieren: eine untere Grenze, unterhalb derer das Betriebsergebnis negativ ist, und eine obere, über der das Betriebsergebnis ebenfalls in den negativen Bereich abrutscht. Dies läßt sich betriebswirtschaftlich dadurch erklären, daß der Gesamtumsatz einer Verkaufsstelle ab einer bestimmten Verkaufsfläche (oberer Schwellenwert) aufgrund von Sättigung etc. nicht mehr genügend steigt, um die anwachsenden Gesamtkosten kompensieren zu können.
Dynamischer Skaleneffekt - Erzielung von Übungsgewinnen durch wiederholte Arbeitsverrichtung auf der Ebene von Lagerarbeitem, Verkäufern und Verwaltungsangestellten einer Verkaufsstelle - Verbesserung der Betriebsorganisation (Lagerhaltung, Rationalisierung durch die Nutzung eines Warenwirtschaftssystems etc.) Größenersparnisse auf Unternehmensebene395 können auf folgenden Ursachen basieren:
Vgl. EuroHandelsinstitut e.V. (1993), S. 201. Vgl. EuroHandelsinstitut e.V. (1993), S. 198. Allerdings ist diese Entwicklung nicht über mehrere Jahre hinweg zu beobachten. 395 Es handelt sich hierbei um sog. Zentralkosten, d. h. solche Kosten, die nicht direkt Verkaufsstellen zugerechnet werden können und die auf der Übernahme von Leistungen durch die Hauptverwaltung beruhen (z. B. Kosten für Zentraleinkauf, Zentralläger, Bilanzerstellung). 393 394
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
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Statischer Skaleneffekt - Unterproportionaler Anstieg von Kosten der Zentrale bei einer Ausweitung der Anzahl von Verkaufsstellen Der prozentuale Anteil der Zentralkosten am Gesamtumsatz hängt wesentlich davon ab, in welchem Umfang den einzelnen Verkaufsstellen Entscheidungskompetenz eingeräumt wird. In der Literatur wird eine Bandbreite von 3 bis ca. 9% vom Umsatz genannt. 396
- Von der Gesamtumsatzhöhe abhängiger Übergang zu einer kostengünstigeren Angebotstechnologie (Faktorsubstitution) - Nutzung von volumenbedingter Kosteneinsparung auf seiten der Beschaffung und physischen Distribution Dynamischer Skaleneffekt - Erwirtschaftung von Übungsgewinnen durch wiederholte Arbeitsverrichtung auf der Zentralebene - Effizienzsteigerung durch Synergie (im Rahmen der Führung mehrerer Verkaufsstellen und Vertriebslinien) - Effizienzsteigerung durch Änderung der Technologie bzw. Angebotspalette (neue Betriebstypen-und Handelsmarkenkonzepte usw.) Dem tnit Zunahme des Umsatzes zu erwartenden Erfahrungskurveneffekt stehen steigende Kosten für die Finanzierung, das Management der komplexeren Aufbauorganisation und die Überwindung von Marktwiderstand in bezug auf eine expansive Unternehmensstrategie gegenüber?97 Wie Sho.w/Nisbet/Dawson in einer metaanalytischen Betrachtung von 13 empirischen Studien zur quantitativen Erfassung des Erfahrungskurveneffekts auf Verkaufsstellenebene feststellen, existieren in der Literatur unterschiedliche, sich teilweise widersprechende Auffassungen: 398 Thorpe/Shepherd ermitteln einen degressiven Zusammenhang zwischen Personalkosten und Größe von Verkaufsstellen. Demgegenüber stellt lngene eine konstante Beziehung zwischen Umsatz und Anzahl der Beschäftigten sowie Verkaufsfläche fest. Tilley/Hicks beobachteten, daß die Handlungskosten als Prozentsatz vom Umsatz einer Verkaufsstell~ einen U-förmigen Verlauf annehmen. 399 Moir fördert in seiner Studie über den Wettbewerb im britischen Lebenstnitteleinzelhandel zutage, daß sich zwischen 1980 und 1986 die Relation zwischen der Arbeitsproduktivität in Kleinbetrieben und der in Großbetrieben von 1 : 2,37 zu 396 Vgl. Potucek (1987a), S. 107; Rominslei (1992a), S. 105. In dem Grad der Zentralisierung von Aufgaben drückt sich das Bestreben aus, auf Unternehmensebene den Erfahrungskurveneffekt zu nutzen. 397 Vgl. Wacker (1980), S. 62 ff. 398 Vgl. Shaw/Nisbet/Dawson (1989), S. 12ff. 399 Beide Studien sind zitiert nach Shaw/Nisbet/Dawson (1989), S. 16.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
1:2,70 verändert hat. 400 Offenbar verstanden es Großbetriebe in Großbritannien, Economies of scale-Vorteile zu nutzen bzw. auszubauen. Konsequenterweise weist die Gruppe der größeren Einzelhandelsunternehmen eine im Durchschnitt um 2 % höhere Handelsspanne als das Cluster der Kleinbetriebe auf. 401 Für 1984 diagnostizieren Matschuck/Vieth im deutschen Nahrungs- und Genußmittelhandel folgenden Zusammenhang zwischen Erfolgsindikatoren und Umsatzgröße: Die zehn führenden Unternehmen erzielen eine Eigenkapitalrentabilität von 36,5 %, während die Handelsbetriebe, die auf Platz 41 bis 49 der Umsatzrangliste stehen, einen Vergleichswert von 4,7% aufweisen. Die Umsatzrendite liegt bei den Großbetrieben bei 1,0 % und bei den kleineren Unternehmen bei 0,2 %.402 Potucek weist für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel auf der Basis statistischer Daten nach, welche Schwierigkeiten bei dem Versuch entstehen, den Erfahrungskurveneffekt im Handel exakt zu quantifizieren. 403 Tietz geht sogar so weit, daß er behauptet, im Handel lasse sich kein Erfahrungskurven-, sondern lediglich ein auf einer Veränderung des Volumens beruhender Degressionseffekt (d. h. Economies of !arge scale in der Beschaffung, Logistik, Kommunikation und Organisation) feststellen. 404
Mindestens zwei Erscheinungen nähren für die Bundesrepublik Deutschland jedoch die Vermutung, daß ein Erfahrungskurveneffekt im Einzelhandel existiert, und zwar das Ansteigen der durchschnittlichen Größe von Verkaufsstellen, das in den letzten Jahren zu beobachten war, 405 und die Konzentration auf Unternehmensebene. 406 Der quantitative Nachweis des Erfahrungskurveneffekts fallt u.a. deswegen schwer, weil - dynamische Skaleneffekte nur mit Hilfe von Längsschnittuntersuchungen der relevanten Objekte (Verkaufsstellen, Unternehmen) verläßlich zu ermitteln sind, - sowohl dynamische als auch statische Skaleneffekte die Gestaltung von Betriebstypen, d. h. die Abstimmung von Angebotskonzeption und Bedürfnissen bestimmter Verbrauchersegmente determinieren sowie deswegen ex post nur Vgl. Moir (1990), S. 102. Vgl. Moir (1990), S. 95. Existenz und Ursachen von Economies of scale im britischen Lebensmitteleinzelhandel thematisiert auch McCielland (1990), S. 119ff. 402 Vgl. Matschuck!Vieth (1989), S. 144. Die herangezogenen Daten basieren auf Erhebungen des Bundeskartellamtes. 403 Vgl. Potucek (1987a), S. 102ff. 404 Vgl. Tietz (1993d), S. 116. Diese auf einem Volumeneffekt beruhende Degression stellen Economies of !arge scale dar. 405 So hat sich die durchschnittliche Verkaufsfläche je Ladengeschäft von 168m2 im Jahr 1979 auf200m2 im Jahr 1985 erhöht. Vgl. Batzer et al. (1991), S. 366. 406 Beispielsweise ist der Anteil von Unternehmen des Nahrungs- und Genußmitteleinzelhandels mit 50 und mehr Filialen am Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels von 31 ,6 (1979) auf 44,8 % (1985) gestiegen. Vgl. Batzer et al. (1991), S. 400. 400 401
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
185
schwierig von anderen den Output beeinflussenden Faktoren (z. B. Marketingkonzeption, makroökonomische Bedingungen) isolierbar sind, und die statistische Datenbasis Lücken aufweist. 407 Da sich auf der Ebene der Verkaufsstellen im Vergleich zum binnenwirtschaftlichen Bereich keine Unterschiede ergeben, ist im internationalen Kontext ausschließlich der Erfahrungskurveneffekt auf Unternehmensebene von Interesse. Sofern ein Handelsunternehmen mehrere Betriebstypen besitzt, sind bei der grenzüberschreitenden Betätigung Economies of scope dann relevant, wenn durch eine Zusammenführung von Aufgaben des Managements einzelner Betriebstypen Synergie und Kostenreduktion erzielt werden. Konkret kann es sich dabei um ein betriebstypenübergreifendes Logistik-, Beschaffungs-, Personal- und Informationsmanagement handeln. Damit ein Erfahrungskurven- und/oder Economies of scope-Effekt vorliegt, dürfen die Kosten, die mit dem Markteintritt und der -bearbeitung verbunden sind, vorhandene Größenersparnisse nicht aufzehren. Tab. 2.3. enthält Quellen für Größendegression im Bereich der internationalen Beschaffungs- und Absatzpolitik. Ein Beispiel für eine volumenbedingte Kostenreduktion bildet die Forderung nach einem sog. Europabonus von bis zu 0,5% des mit einem Lieferanten getätigten Umsatzes. Die Übernahme der von Herstellern gewährten länderspezifisch günstigsten Zahlungsbedingungen (z. B. Einräumung einer Zahlungsfrist) auf die europäische Ebene strebt offenbar Metro an.408 Einen Beleg für den absatzbezogenen Einsatz einer kastengünstigeren Technologie stellt die Errichtung eines Distributionszentrums in Ottendorf-Okrilla, Sachsen, durch Tengelmann dar, von dem aus die Plus-Verkaufsstellen in Osteuropa (u.a. Tschechische Republik und Polen) beliefert werden. 409
Eine Grundvoraussetzung dafür, daß die in Tab. 2.3. wiedergegebenen Größenersparnisse Realität werden, bildet die Standardisierbarkeit von Entscheidungen und Abläufen auf internationaler Ebene. Selbst wenn man unterstellt, daß bei dem Eintritt in ein europäisches Land und der Bearbeitung des Marktes die dort anzutreffende konkrete Situation berücksichtigt werden müssen (z. B. Wettbewerbsintensität, Verbraucherverhalten, niederlassungsrechtliche Vorschriften), ist von der Existenz eines Lernprozesses auszugehen. Mit jedem zusätzlichen Ländermarkt, in den jemand eintritt, und der Zunahme des Internationalisierungsgrades können Erfahrungen, die man in ähnlichen Fällen gesammelt hat, sowie Synergie genutzt werden.410 Vgl. Potucek (1987a), S. 102ff. Vgl. o.V. (1991a), S. 3. Die Extrempole verkörpern gemäß den Ergebnissen einer Studie der Creditreforrn ein durchschnittliches Zahlungsziel von 90 Tagen in Italien und von 36 Tagen in Dänemark. 409 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 87. 410 Bei der Übernahme des OS-amerikanischen Versenders Spiegel Inc. hat der Otto-Konzern Synergie durch internationalen Know-how-Transfer erschlossen. Vgl. Demmer/Messinger (1989), S. 108 f. 407 408
186
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit Tabelle 2.3.
QueUen für Größenersparnisse bei international tätigen Einzelhandelsbetrieben
~
-
s
Beschaffung
h
Absatz
- Unterproportionaler An- - Bessere Auslastung der -Übernahme zentral entKapazitlt (u.a. Personal wickelter Marketingstieg von Zentralkosten von internationalen Be- maßnahmen in LändermArkten schaffiwngso~anen li - Einsatz einer kosten-Aufbau von internatio- - Errichtung von Groß~ günstigeren Technologie nalen, automatischen verteilzentren Bestellsystemen - Niedrigere Beschaf- Niedrigere Werbekosten ~ , - Volumenbedingte fungskonditionen, z.B. durch Nutzung von u I Kostenreduktion .Cl I ! durch Erlangung eines Rundfunkprogrammen, ~ Europa-Bonus "j die durch Satelliten abVl gestrahlt werden und in zahlreichen Undern empfangen werden können
~
- Lerneffekt
li
I§ ~ ~ u
- Nutzung von Synergie
13
s
•i
- EffiZienzsteigerung durch Änderung der Technologie bzw. Angebotspalette
- Übernahme der Iänder- - Übungsgewinn durch internationales Controlspezifisch günstigsten ling von AbsatzaktiviZahlungsmodalitlten (z.B. Zahlungsziel) auf taten internationale Ebene - Zusammenfassung von - Kreation eines neuen Betriebstyps Beschatfungs-Knowhow in einer Abteilung, die sich speziell mit Global Sourcing beschäftigt - Einsatz eines Experten- - Bildung eines international standardisierten systems Sortiments
Gegenläufige Effekte sind jedoch nicht zu vernachlässigen. Diese bestehen in den mit der Internationalisierung einhergehenden Informations-, Finanzierungs-, Komplexitätskosten und Kosten für die Überwindung von Marktwiderstand (Belieferungsboykott durch Lieferanten etc.). So stehen z. B. die Transferkosten von Kreditinstituten dem Aufbau eines grenzüberschreitenden Verrechnungsverkehrs entgegen, eine Tatsache, die dazu führt, daß in jedem einzelnen Währungsraum separat fakturiert wird.411 411
Vgl. Rominski (l992a), S. 106.
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
187
Die Absicherung von Währungsrisiken, die angesichts der Volatilität von Devisenkursen bedeutsam ist, verursacht ebenso steigende Kosten wie die Aufnahme von Fremdkapital, die erforderlich wird, um in überschaubarer Zeit bei zu geringem Cash Flow einen bestimmten Internationalisierungsgrad erreichen zu können. Da aufgrund der Internationalisierung eine neue Organisationsstruktur geschaffen werden muß, um beispielsweise die Länderengagements adäquat steuern bzw. überwachen zu können, entstehen Komplexitätskosten, die insbesondere in einem frühen Stadium des Internationalisierungsprozesses einen sprungfixen Verlauf annehmen. Mit Blick auf den raschen Anstieg der Anzahl an Internationalisierungsprojekten im Absatz- und Beschaffungsbereich scheinen insbesondere die Unternehmen, die eine starke inländische Marktposition und ein überdurchschnittliches Know-how in bezug auf das Betriebstypenmanagement besitzen, davon auszugehen, daß sie durch eine rasche Eroberung und Durchdringung von europäischen Märkten nicht nur Standorte für (potentielle) Wettbewerber blockieren, sondern auch den Erfahrungskurveneffekt für ihre Ziele nutzen können. Dadurch entsteht gemäß Spence eine Markteintrittsbarriere für Nachzügler.412 Zusammenfassend werden folgende generelle Vermutungen und Hypothesen abgeleitet: (1) Es kommt deswegen zu einer Zunahme von Internationalisierungsaktivitäten im europäischen Lebensmitteleinzelhandel, weil die auf der Erfahrungskurve bzw. auf Economies of scope basierenden Größenvorteile höher eingeschätzt werden als eine mit der grenzüberschreitenden Betätigung einhergehende Kostensteigerung. (2) Eine volumenbedingte Kosteneinsparung, die Erzielung von Lerneffekten und die Nutzung von Synergie auf der Ebene des internationalen Managements führen zu einem Erfolg der Internationalisierungsstrategie eines Einzelhandelsunternehmens. (3) Die Zentralisierung von Entscheidungskompetenz bildet die zentrale Voraussetzung für die Konzipierung und erfolgreiche Implementierung länderübergreifend vereinheitlichter Marktbearbeitungsstrategien. (4) Die Standardisierbarkeit von Entscheidungen und Abläufen auf internationaler Ebene stellt eine wichtige Bedingung für das Entstehen von Größenersparnissen dar. (5) Ein Handelsunternehmen, das als Pionier (d. h. als erster Auslandsinvestor) in einem Auslandsmarkt tätig wird, vermag als eine Konsequenz des Erfahrungskurveneffekts Markteintrittsbarrieren gegenüber Imitatoren zu errichten, wobei deren Höhe von der Zeit, die bis zum Eintritt der ersten Nachahmer verstreicht, und dem Ausmaß, in dem sich die Erfahrungsrate der Betroffenen unterscheidet, abhängen. 412
Vgl. Spence (1981), S. 49 ff.
188
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
3.3. Strategische Netzwerke und strategische Allianzen Die Bildung von strategischen Allianzen, strategischen Familien, strategischen Netzwerken und strategischen Partnerschaften kennzeichnet eine Entwicklung in der betrieblichen Praxis, die etwa seit Mitte der 80er Jahre verstärkt zu beobachten ist. Es geht dabei allgemein betrachtet darum, den Wirkungsradius eines einzelnen Unternehmens dadurch auszuweiten, daß unter Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit Interessen gemeinschaftlich verfolgt und Aufgaben kooperativ bewältigt werden. Angesichts der in vielen Branchen festzustellenden Verringerung der Fertigungstiefe und Zunahme des erforderlichen Aufwands für bestimmte Funktionsbereiche (Forschung und Entwicklung, Vertrieb im High Tech-Sektor usw.) erhalten strategisch angelegte Kooperationen große Bedeutung für die Absicherung ausgelagerter Wertschöpfungsaktivitäten, Risikoteilung im Innovationsprozeß etc. In der Literatur werden für dieses Phänomen unterschiedliche Bezeichnungen mit teils komplementärem, teils substitutivem Inhalt verwendet. Beispielsweise versteht Albach unter einer strategischen Familie " . . . mehrere Unternehmen, deren Erfolg am Markt entscheidend voneinander abhängig ist und deren Strategien komplementär sind". Innerhalb einer strategischen Familie herrscht seiner Meinung nach kein Wettbewerb, und als Beispiele verweist er auf das Netzwerk von Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen sowie die Interaktion von Industriebetrieben und deren jeweiliger Hausbank.413 Zentes setzt strategische Partnerschaft mit strategischer Allianz und strategischer Koalition gleich. Er begreift darunter " ... eine Koalition von zwei oder mehreren rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen zur Ergänzung individueller Stärken bzw. zur Kompensation individueller Schwächen ...". Dabei geht es um die Schaffung eines langfristig anhaltenden ,joint competitive advantage", der durch die Ausschöpfung von Synergiepotential und die Teilung Unternehmerischen Risikos angestrebt wird. 414 Der Autor differenziert strategische Partnerschaften u.a. danach, ob sie der gemeinsamen Durchführung einer geschäftsfeldbezogenen Aktivität dienen (sog. Y-Koalition) oder insofern übergreifend angelegt sind, als sie die Zusammenlegung von Potential bzw. Ressourcen umfassen (sog. X-Koalition).415 Bucklin/Sengupta sprechen in dem hier zu diskutierenden Kontext von Co-Marketing-Allianz. Sie begreifen darunter eine laterale Partnerschaft zwischen Unternehmen, die in unterschiedlichen Geschäftsfeldern, aber auf gleicher Ebene hinsichtlich der Wertschöpfungskette tätig sind. 416 413 414 415 416
Albach (1992), S. 665. Zentes ( 1992), S. 20. Vgl. Zentes (1992), S. 21. Vgl. Bucklin/Sengupta (1993), S. 32.
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
189
Unter einem Unternehmensnetzwerk wird in der Literatur eine durch Beziehungen eines bestimmten Typs verbundene Menge von rechtlich selbständigen Organisationen verstanden. 417 Strategische Netzwerke zeichnen sich dadurch aus, daß sie in der Regel von einer (im Mittelpunkt des Netzes stehenden) Unternehmung dominiert und geführt werden, indem diese Art und Inhalt der Marktbearbeitungsstrategie sowie Form und Ausprägung der Beziehungen zwischen den Mitgliedern des Netzwerks festlegt. 418 Backhaus!Meyer differenzieren auf der Basis der Kooperationsrichtung strategische Netzwerke als vertikale und/oder diagonale Formen der Zusammenarbeit, während sie die strategische Allianz als horizontale Kooperation von derzeitigen bzw. potentiellen Konkurrenten eines Geschäftsfelds abgrenzen (z. B. Joint venture, Beschaffungs- und Forschungsallianz).419 Strategische Netzwerke und strategische Allianzen sind demzufolge als Unterformen von Netzwerkarrangements aufzufassen. Das von Albach in die Debatte eingebrachte Konstrukt der strategischen Familie läßt sich ebenso wie die Formen strategischer Partnerschaft gemäß Zentes als Ausprägung eines Netzwerkarrangements auffassen, nämlich als vertikale und/oder laterale Variante. Insofern erscheint es zweckmäßig, an der von Backhaus vorgeschlagenen Terminologie festzuhalten. Im Handel besitzen Netzwerkarrangements eine lange Tradition, und zwar besonders in folgenden Bereichen:420 Zunächst verkörpern Freiwillige Ketten vertikale Kooperation. Auch manches Franchisingsystem verzahnt zwei Wirtschaftsstufen miteinander, indem es die Hersteller- mit der Handelsebene verknüpft (z. B. Benetton, Escada). 421 Weiterhin ist auf Einkaufskooperationen hinzuweisen, die als strategische Allianzen meist zum Nachteilsausgleich gegenüber Großbetrieben eingegangen werden. Manche dieser Beschaffungskooperationen mutierten mittlerweile zu Marketingkooperationen bzw. Verbundgruppen, bei denen der gemeinsame Einkauf zwar ein wichtiges, aber längst nicht mehr das alleinige Anliegen darstellt. Schließlich existieren Allianzen, die wie im deutschen Warenhaussektor teils der Vorbereitung einer Fusion, teils der Verbesserung der gemeinsamen Marktposition dienen sollen. 422 Zieht man die zwei bislang diskutierten Kriterien Umfang und Hauptstoßrichtung der Kooperation heran und überträgt diese auf die internationale Ebene, ergeben sich die in Tab. 2.4. ausgewiesenen Ausprägungen grenzüberschreitender Netzwerkarrangements im Einzelhandel. Im Zuge der Bildung strategischer Alli417 Vgl. Pappi (1987), S. 13. Beziehungstypen werden durch die Kombination verschiedener Ausprägungen von Beziehungsinhalt, -qualität und -atmosphäre gebildet. 418 Vgl. Sydow (1994), S. 97. Sydow (1992) diskutiert zahlreiche theoretische Ansätze in bezug auf die Evolution und die Organisation strategischer Netzwerke. 419 Vgl. Backhaus/Meyer (1993), S. 332. Siehe hierzu auch Backhaus/Piltz (1990), S. 3. Gemäß der Literatur zur Diversifikation erscheint es sinnvoller, anstatt von diagonalen von lateralen strategischen Netzwerken zu sprechen. Vgl. z. B. Jacobs (1992), S. !Off. 420 Vgl. hierzu auch die Ausführungen im I. Kapitel, Abschn. 2. 421 Vgl. Sydow (1992), S. 32ff., und Sydow (1994), S. 95ff. 422 Vgl. Rominski (1992b), S. 30ff.
190
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
anzen erscheint es bei der Partnerwahl bzw. der Konfiguration des Systems wichtig, darauf zu achten, daß in den jeweiligen Hauptgeschäftsfeldern nicht miteinander direkt im Wettbewerb stehende Einzelhandelsunternehmen koalieren. Folglich ist eine Analyse der Konkurrenzbeziehungen in den berührten Ländermärkten eine zentrale Voraussetzung, um eine stabile internationale strategische Allianz bilden zu können. Tabelle 2.4.
Erscheinungsformen internationaler Netzwerkarrangements im Einzelhandel
~ g
Horizontal g (= strategische Allianz)
Vertikal [ Lateral (=strategisches Netzwerk) Aufbau eines internationalen Traineeprogramms gemeinsam mit einem Hersteller
Dominanz Länderübergreifende eines oder Kooperation im mehrerer FunkBeschaffungsbereich tionsbereiche Funktionsbereichsübergreifende Ausrichtung
Aufbau einer europaweiten Fachhandelsverbundgruppe
Errichtung eines Verbraucherpanels auf europäischer Ebene
Information und Unterstützung politiEintritt in einen scher EntscheidungsLändermarkt gemeinträger bei der Umsam mit Herstellern setzung europäischen Rechts in nationales Recht
Wie Roxin herausgearbeitet hat, lassen sich zwei Schlüsselprobleme im Kontext der Internationalisierung identifizieren, bei denen die Anwendung der Netzwerktheorie fruchtbare Resultate zu liefern vermag. 423 Dabei geht es zunächst darum, das grenzüberschreitend tätige Unternehmen selbst als Netzwerk zu begreifen, das eine bestimmte Flexibilität aufweisen muß, um je nach Umwelt erfolgreich agieren zu können. Ein international tätiges Einzelhandelsunternehmen verfügt über Absatz- und/oder Beschaffungseinheiten, die ihren Sitz in verschiedenen Ländern haben. Unterschiedliche Ziele, eine divergierende Ausstattung mit Ressourcen und ein heterogenes Ausmaß der Verkettung mit Unternehmensexternen (z. B. Lieferanten, Medien, staatlichen Stellen) kennzeichnen gemäß Ghoshal/Bartlett die in den einzelnen Staaten agierenden Absatz- und Beschaffungsorgane.424 In jedem bearbeiteten Ländermarkt wird ein Beziehungsnetz unterhalten, das von den Absatz- bzw. Beschaffungseinheiten mit Hilfe von Verträgen, informellen Kontakten, Gesprächen oder Intermediären (z. B. Kreditinstituten, Unternehmensberatern, Werbeagenturen) koordiniert wird. 423 424
Vgl. Roxin (1992), S. 241 ff. Vgl. Ghoshal/Bartlett (1990), S. 603 ff.
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
191
Länderspezifische Netzwerke eines internationalen Einzelhandelsunternehmens interagieren miteinander dadurch, daß die jeweilige Absatz- bzw. Beschaffungseinheit des Absatzmittlers Kontakte herstellt und somit internationale Beziehungen der Netzwerkelemente knüpfen hilft. Dies führt zu einer Stärkung der Marktsteilung des Einzelhandelsunternehmens in den einzelnen Ländern insofern, als es die Beziehungsstabilität der Ländernetzwerke erhöht. Ein international operierendes Handelsunternehmen bietet daher den Netzwerkmitgliedern einen über die eigentliche Geschäftstransaktion hinausgehenden Nutzen. Weiterhin stehen die nationalen Netzwerke indirekt miteinander in Kontakt, da sie zumindest über die intraorganisationale Schiene des Einzelhandelsunternehmens, d. h. zwischen Absatzbzw. Beschaffungsorganen in den einzelnen Ländern und der Zentrale sowie untereinander, verflochten sind. Neben länderspezifischen Netzwerken ergeben sich im Zuge der Internationalisierung von Einzelhandelsunternehmen grenzüberschreitende Netzwerke. Beispielsweise fungiert im Rahmen eines internationalen Franchisingsystems die Stammlandzentrale als ,,hub fmn", die diese spezielle Form der Auslandsmarktbearbeitung initiiert und marktbezogen steuert. Zur Koordination von Netzwerken wird seit Anfang der 90er Jahre eine virtuelle Organisationsstruktur empfohlen.425 Kennzeichnend dafür ist, daß zur flexiblen und effizienten Verteilung von Aufgaben in einem interorganisatorischen Netzwerk Informations- und Kommunikationstechnologie eingesetzt werden. Ohne die in traditionellen Organisationsformen herrschende rechtliche, finanzielle und bürokratische Verflechtung können in einer virtuellen Organisation zentrale Kontrolle und dezentrale Koordination gleichermaßen realisiert werden. Die Internationalisierung im Einzelhandel vollzieht sich gemäß dem Netzwerkansatz als Etablierung und Weiterentwicklung von Beziehungen in einem bzw. mehreren ausländischen und/oder grenzüberschreitenden Netzwerken. Gemäß Johanson/Mattson bestehen dabei drei Optionen: 426 - Aufbau von aus der Sicht eines Einzelhandelsunternehmens völlig neuen Netzwerkpositionen in verschiedenen Ländermärkten (z. B. internationale Expansion), - Ausbau von bereits vorhandenen Beziehungen in ausländischen Netzwerken (höhere Penetration in den Ländermärkten etc.) und - Verknüpfung verschiedener nationaler Netzwerke (internationale Integration usw.). Je engmaschiger das internationale Netzwerk in einer Branche ist, desto höher fällt der Internationalisierungsgrad aus. Vor diesem Hintergrund ergibt sich das in Abb. 2.17. wiedergegebene Vierfelder-Tableau. 427 425 426
Vgl. Klein (1994), S. 309 ff. Vgl. Johanson!Mattson (1988), S. 296f.
192
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Unter wettbewerbsstrategischem Aspekt erscheint eine Alleinstellung besonders ratsam. Durch die Chance, strategisch wichtige Positionen in nationalen und grenzüberschreitenden Netzwerken besetzen zu können, vermag ein Einzelhandelsunternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu erzwingen. Ein Frühstarter hingegen muß entweder selbst ein geeignetes Netzwerk formen oder über Partner in Auslandsmärkten verfügen, die ihm zu einer günstigen Position im Netzwerk eines Landes verhelfen. 428 Einem späten Folger wird es kaum gelingen, sich in geeignete Netzwerke adäquat einzuklinken, weil Einzelhandelsunternehmen mit einem hohen Internationalisierungsgrad strategisch bedeutsame Beziehungsgeflechte bereits kontrollieren. Der Wettbewerbsnachteil besteht folglich in dem Aufwand, den ein Spätstarter für das Aufbrechen und das Neugestalten von Netzwerken benötigt. In der "Einer unter vielen-Situation" erscheint es erforderlich, in mehreren Netzwerken zu agieren (Erzeugung von sog. Multiplexität);429 denn durch die Schaffung und Nutzung von netzwerkübergreifenden Kontakten lassen sich die Risiken, die die Teilhabe an nur einem einzigen Beziehungsgeflecht in dieser speziellen Branchensituation mit sich brächte, begrenzen.
Ausmaß der Internationalisierung im Einzelhandel Niedrig Ausmaß der Niedrig Internationalisierung eines Einzelhandels- Hoch betriebs
Friihstarter Alleinstellung
Hoch Später Folger Einerunter vielen
Abb. 2.17.: Die netzwerktheoretische Fundierung internationaler Marketingstrategien Quelle: In Anlehnung an Johanson!Mattson (1988), S. 298.
427 Dabei und in den folgenden Erörterungen soll nicht zwischen absatz- und beschaffungsmarktgerichteter Internationalisierung unterschieden werden, da sich bei einer Differenzierung kein zusätzlicher Erklärungsgehalt ergäbe. 428 Vgl. Roxin (1992), S. 262f. 429 In Anlehnung an die entsprechende Literatur wird das Ergebnis der Verzahnung von mehreren Netzwerken als Multikomplexität bezeichnet. Vgl. Sydow (1992), S. 84.
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
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Die rasche Zunahme der Anzahl an Internationalisierungsprojekten im Einzelhandel seit Ende der 80er Jahre kann netzwerktheoretisch durch den Versuch begründet werden, attraktive Positionen in nationalen und grenzüberschreitenden Netzwerken zu besetzen, um dadurch eine Alleinstellung gemäß Abb. 2.17. zu erreichen. Einzelhandelsuntemehmen, die aus welchen Gründen auch immer zur Gruppe der Spätstarter zählen, müssen den mühsamen, zeitaufwendigen Weg des Aufbaus eines neuen Netzwerkes beschreiten oder versuchen, sich in bestehende Netzwerkarrangements einzuklinken. Daraus erwächst Spätstartern ein gravierender Wettbewerbsnachteil, der nur schwer beseitigt werden kann. Allerdings folgt der Euphorie, mit der Einzelhandelsunternehmen auch im Hinblick auf risikopolitische Erwägungen heraus scheinbar attraktive internationale Netzwerkpositionen besetzen, eine Phase der Ernüchterung. Nicht jedes Netzwerk stellt sich im nachhinein als geeignete Basis für eine unternehmensindividuelle absatz- und beschaffungsmarktbezogene Internationalisierung heraus, so daß manche zuvor mühsam erarbeitete Position aufgegeben wird. Grenzüberschreitende Netzwerkarrangements tragen dazu bei, die internationale Marktstellung von Einzelhandelsunternehmen zu stärken. Dieses generelle Ziel läßt sich konkretisieren, indem auf den offensiven oder defensiven Charakter einer Koalition abgehoben wird. Defensiv ausgerichtete internationale Netzwerkarrangements sollen im wesentlichen gegenüber Konkurrenten bestehende Nachteile ausgleichen oder Risiken, die aus der zunehmenden Internationalisierung resultieren, begrenzen.4 30 Solche Konzeptionen sind gemäß Abb. 2.17. vor allem für Frühstarter und späte Folger relevant, um Wettbewerbsvorteile von Einzelhandelsunternehmen, die bereits über einen hohen Internationalisierungsgrad verfügen, egalisieren zu können. Internationale Koalitionen mit offensivem Charakter streben nach der Erschließung neuen Gewinnpotentials, sei dies durch die Bündelung von Teilaufgaben bestimmter Funktionsbereiche (z. B. Beschaffung, Logistik, Personalentwicklung) in Gestalt von strategischen Allianzen431 oder sei dies durch die gegenseitige Hilfe von Netzwerkmitgliedern bei dem Eintritt in einzelne Auslandsmärkte und deren Bearbeitung. Die im Zuge der horizontalen Verkettung von Einzelhandelsunternehmen angesprochene Bündelung von Teilfunktionen zielt auf die Realisierung eines Erfahrungskurven- bzw. Economies of !arge scale-Effekts ab. 432 Dies führt zu einer Verbesserung der Effizienz, die sich sowohl auf den Auslandsmärkten als auch dem Inlandsmarkt positiv niederschlägt.
430 Ein Beispiel hierfür stellt die internationale Kooperation im Fachhandel dar. Vgl. Olesch (1993), S. 4 ff. 43 1 Vgl. Gahl (1991), S. 18ff., MacNeary/Shriver (1991), S. 7ff. 432 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschn. 3.2. in diesem Kapitel.
13 Lingenfelder
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Bei der Gestaltung eines Netzwerkarrangements, das die internationale Betätigung eines Einzelhandelsbetriebes unterstützen soll, spielen vor allem folgende Faktoren eine Rolle: 433 - Herkunft, Anzahl, Betätigungsfeld bzw. institutionelle Zugehörigkeit, geographischer Wirkungs- und Interessenbereich der (potentiellen) Mitglieder, - strategische Bedeutung der involvierten Geschäftsfelder bzw. Funktionsbereiche und - Modalitäten des Ein- und Ausschlusses von Organisationen sowie Art der Strukturierung interorganisationaler Beziehungen. Das zuerst genannte Bündel an Kriterien determiniert nicht nur Umfang und Dichte, sondern auch die sog. Diversifität, Stabilität und Konvergenz des Netzwerkarrangements. So erscheint es beispielsweise im Zuge des Eintritts in einen Auslandsmarkt zweckmäßig, staatliche Stellen, politische Entscheidungsträger, Lieferanten, Kreditinstitute, Unternehmensberater etc. in ein Netzwerk einzubeziehen. Die Heterogenität der beteiligten Institutionen und damit der Diversifitätsgrad sollten folglich dann hoch sein. Steht hingegen die Erzielung von Degressionseffekten im Logistik- und Beschaffungsbereich im Vordergrund, besitzt eine niedrigere Diversifität Vorzüge. Die optimale Konfiguration eines internationalen Netzwerkarrangements hängt daher immer von der verfolgten Zielsetzung ab. In bezugauf die im Einzelhandel in den 90er Jahren wahrscheinlich noch weiter zunehmende Internationalisierung scheint der geographische Wirkungs- und Interessenhereich der (potentiellen) Mitglieder auch bedeutsam zu sein; denn sollte sich ein Einzelhandelsunternehmen an ein internationales Netzwerk binden, muß es den Marktinteressen anderer an dieser Koalition beteiligten Handelsunternehmen Rechnung tragen, indem es z. B. den Aufbau von Filialen in bestimmten Ländern unterläßt Sonst entstünden zwischen den Mitgliedern Konflikte, die zum Auseinanderbrechen des Netzwerks führen würden. Die Gestaltung eines internationalen Netzwerkarrangements wird deshalb wesentlich von Existenz und Inhalt der langfristig angelegten Internationalisierungsstrategie der beteiligten Handelsunternehmen determiniert. Die Bereitschaft eines Einzelhandelsunternehmens, in einem internationalen Netzwerkarrangement Ressourcen zu binden, hängt entscheidend davon ab, welche strategische Bedeutung die involvierten Geschäftsfelder (Betriebstypen etc.) und Funktionsbereiche (Beschaffung, Marketing usw.) für den Unternehmenserfolg besitzen. Hierbei spielen auch die Wahrnehmung von Chancen und Risiken der grenzüberschreitenden Betätigung sowie die Einschätzung, ob diese aus eigener Kraft erschlossen oder beherrscht werden können, eine zentrale Rolle. Schließlich erscheint bedeutsam, ob ein Einzelhandelsunternehmen bereit ist, Know-how hinsichtlich Geschäftsfeldern oder Funktionsbereichen anderen Netzwerkmitgliedern zu überlassen. Bildung und Konfiguration einer internationalen Koalition werden 433
Vgl. Sydow (1992), S. 83 ff.
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
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letztlich von dem Bestreben gekennzeichnet sein, wettbewerbsrelevantes Wissen vor Imitation durch (potentielle) Konkurrenten zu schützen. Je größer die Imitationsgefahr eingeschätzt wird, desto eher wird ein Einzelhandelsunternehmen jede Form einer Beteiligung an internationalen strategischen Allianzen ablehnen, das Know-how, auf das sich der eigene Wettbewerbsvorteil gründet, der Koalition vorenthalten oder darauf achten, solche Economies of large scale-Effekte zu erzielen, bei denen die Gefährdung durch opportunistisches Verhalten der Partner minimiert wird.434 Sofern die Initiierung von oder der Beitritt zu internationalen strategischen Netzwerken erwogen werden, vollzieht sich dies in einer solchen Situation so, daß eine Allianz mit einer kleinen Anzahl von Institutionen präferiert wird, die möglichst von dem Einzelhandelsunternehmen abhängen. Mit zunehmendem Formalisierungsgrad sowie Informations- und Leistungsaustausch wird die Regelung der Modalitäten der Aufnahme und des Ausschlusses von Teilnehmern eines Netzwerkarrangements notwendig. Die von der ,,hub firm", meist dem Initiator, geprägten Bedingungen sind auf dessen Interessenlage zugeschnitten und daher für andere, später eintretende Einzelhandelsunternehmen nicht optimal. Auch die Art der Strukturierung interorganisationaler Beziehungen zwischen den Mitgliedern eines Netzwerkarrangements wird von der im Mittelpunkt stehenden Einzelhandelsunternehmung geprägt. Dabei läßt sich in Anlehnung an Sydow zwischen strukturellen und kulturellen Kriterien unterscheiden. 435 Zur ersten Kategorie zählen u.a.: Intensität des Leistungsaustausches (niedrig/hoch) Richtung des Leistungsaustauschs (einseitig/wechselseitig) Machtverteilung (verteilt/konzentriert) Bucklin/Sengupta haben im Rahmen einer empirischen Untersuchung in der informations-
technologischen Industrie einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen einer ungleichen Machtverteilung und der wahrgenommenen Effizienz von lateralen Partnerschaften zutage gefördert.436
Formalisierungsgrad (niedrig/hoch) - verfügbare Ressourcen für Koordination (wenig/viel) Personaltransfer (selten/häufig) - Regularien der Steuerung (keine/viele) Zur zweiten Kategorie sind beispielsweise zu rechnen: Kongruenz der Ziele (niedrig/hoch) Vertrauen (niedrig/hoch) Erwartungen (diffus/konvergent) 434 435 436
13*
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 2.2.4. in diesem Kapitel. Vgl. Sydow (1992), S. 85. Vgl. Bucklin/Sengupta (1993), S. 42.
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2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Konfliktbereitschft (niedrig/hoch) Die herausragende Bedeutung, die die kulturelle Kompatibilität von Netzwerkpartnern für den Erfolg einer Allianz besitzt, bestätigen Bucklin/Sengupta ebenso wie den negativen Einfluß von Konflikten auf die wahrgenommene Effizienz der Beziehung. 437
Solche Merkmale können herangezogen werden, um den Grad der Organisiertheit von Netzwerkarrangements zu erfassen. Dieser wird in der Regel dann hoch sein müssen, wenn der Input an Humanressourcen, Zeit, Information, Kapital etc., der von den einzelnen Mitgliedern zu erbringen ist,438 ein bestimmtes (nicht objektiv quantifizierbares) Niveau erreicht und/oder ein erwirtschafteter Output (z. B. Reduktion der Wareneinstandskosten oder mit einer europäischen Handelsmarke erzielter Ertrag) auf die Mitglieder verteilt werden muß. Die aufgeführten kulturellen Merkmale sollten nicht nur dazu dienen, die Kompatibilität der in einem Netzwerkarrangement vereinten Unternehmen zu messen, sondern auch im Rahmen der Selektion neuer Mitglieder verwendet werden. 439 Vor allem bei Existenz einer im internationalen Kontext zwangsläufig gegebenen geographischen Distanz zwischen den Netzwerkelementen erhält organisationskulturelle Divergenz eine besondere Bedeutung für den Erfolg grenzüberschreitender Koalitionen. 440 Daher sollte durch die ,,hub firm" z. B. die Vereinbarkeit von Zielen und Erwartungen zwischen dem bestehenden Netzwerkarrangement und einem Interessenten sorgfaltig geprüft werden.441 Bei der Steuerung eines solchen Gebildes gilt es schließlich, mit der Entfernung zwischen den berührten Ländermärkten und der unterschiedlichen Umweltsituation einhergehende Besonderheiten zu berücksichtigen. Die geographische Distanz schlägt sich zunächst in einem großen Netzwerkumfang (im regionalen Sinne zu verstehen) bei abnehmender Dichte nieder. Mit Hilfe informationstechnologischer Vernetzung ist es zwar möglich, die Kommunikation zwischen den Partnern auch bei großen Entfernungen aufrechtzuerhalten, doch leidet hierbei die Beziehungsqualität. Zur Vermeidung solch einer Entwicklung, die sich vor allem auf eine Kooperation nachteilig auswirkt, die nicht durch explizite Kontrakte abgesichert werden kann, sollten, durch die ,,hub firm" initiiert, in den verschiedenen Regionen organisatorische Einheiten mit dem Zweck geschaffen werden, die Ziele des Netzwerks zu koordinieren.
Vgl. Bucklin/Sengupta (1993), S. 42. In einem solchen Fall bedarf es der Existenz von Mechanismen, mit Hilfe derer der unterschiedliche Input bewertet werden kann; denn nur die Vergleichbarkeit der eingebrachten Leistungen schafft die Voraussetzung dafür, daß bei den Partnern keine kognitive Dissonanz entsteht. 439 Vgl. Gahl (1991), S. 43 ff. 440 Vgl. Lorange!Roos (1992), S. 177 ff. 441 Wie bei der Suche und Auswahl von Partnern vorgegangen werden kann, demonstrieren Urban!Vendemini (1992), S. 189ff. 437 438
3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
197
Weiterhin äußert sich die Distanz in der kulturbedingten unterschiedlichen Wahrnehmung von marktrelevanten Sachverhalten der Entscheidungsträger in einzelnen Netzwerkinstitutionen. Interkulturelle Kompetenz wird daher auf personaler Ebene zu einem unverzichtbaren Qualifikationselement eines effizienten Netzwerkmanagements. Sich schnell ändernde länderspezifische Umweltbedingungen erfordern ein flexibles Steuerungskonzept Dieses konkretisiert sich in der Substitution formal, starr und zentralisiert geregelter Abläufe durch informale, flexible und dezentralisierte Interaktion von Netzwerkpartnern. 442 Sofern es einem Einzelhandelsunternehmen gelingt, ein schlagkräftiges, seinen eigenen Zielen dienendes internationales Netzwerkarrangement zu formen, verfügt es über eine geeignete Basis, um sich dauerhaft Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Bei der Realisierung eines derartigen transorganisationalen Konzepts sind in Anlehnung an die aus der empirischen Organisationsforschung bekannten Entwicklungsphasen mindestens zwei Stadien zu unterscheiden: - Zunächst müssen die Anstrengungen darauf gerichtet sein, relativ "kleine" grenzüberschreitende Netzwerke ausgerichtet auf bestimmte, gut gegenüber Imitation abschirmbare Funktionsbereiche zu bilden. Vertikale und laterale Zusammenarbeit verharrt in diesem Stadium auf Projektebene. - Im Zuge des höheren Internationalisierungsgrades gewinnt eine systematisch betriebene funktionsübergreifende Zusammenarbeit auf horizontaler, vertikaler und lateraler Ebene an Bedeutung. Damit wird aufgrund des immer komplexer werdenden Netzwerkarrangements ein professionelles Steuerungskonzept notwendig. Zusammenfassend ergeben sich in diesem Teil der Untersuchung folgende generelle Vermutungen und Hypothesen: (1) Der Erfolg einer internationalen strategischen Allianz hängt entscheidend da-
von ab, daß die beteiligten Einzelhandelsunternehmen weder auf der Ebene von Betriebstypen noch jener des Gesamtunternehmens in einem Konkurrenzkampf miteinander stehen.
(2) Ausschließlich diejenigen Einzelhandelsunternehmen werden auf internationaler Ebene erfolgreich sein, die es verstehen, Netzwerkarrangements in den jeweiligen Auslandsmärkten zu etablieren (internationale Expansion) und diese weiterzuentwickeln (internationale Penetration und Integration). (3) Die rasche Zunahme der Internationalisierungsprojekte seit Ende der 80er Jahre läßt sich durch das Bemühen erklären, attraktive Positionen in internationalen und ausländischen Netzwerkarrangements zu besetzen. (4) Die optimale Konfiguration eines internationalen Netzwerkarrangements im Einzelhandel hängt von der zugrundeliegenden Zielsetzung, der Gefährdung 442
Vgl. Sydow (1992), S. 295 ff.
198
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
durch opportunistisches Verhalten der Partner, der zwischen den Mitgliedern bzw. bertihrten Ländern bestehenden geographischen und psychischen Distanz sowie unterschiedlichen Umweltsituation, in der sich die Mitglieder befinden, ab. (5) Eine internationale strategische Allianz und ein grenzüberschreitendes vertika-
les strategisches Netzwerk werden nur dann langfristig Bestand haben, wenn die Internationalisierungsstrategie und Unternehmenskultur der Beteiligten kompatibel sind.
(6) Erbringen die Netzwerkmitglieder einen Input, der über einen losen Informations- und Erfahrungsaustausch hinausgeht, und gilt es, einen erwirtschafteten Output auf die Partner zu verteilen, ist ein hoher Grad an formaler Organisation in Verbindung mit einer operationalen Definition der Ziele und Aufgaben des Netzwerkarrangements unabdingbar. (7) Der ,,hub firm" kommt im Rahmen des Managements des Netzwerkarrangements insbesondere die Aufgabe zu, organisationskulturelle Divergenz zwischen (potentiellen) Partnern zu ermitteln, zu prtifen, ob diese überwindbar ist, und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
3.4. Das EPRG-Konzept Um die internationale Tätigkeit von Unternehmen beschreiben und klassifizieren zu können, hat Perlmutter bereits in den 70er Jahren das EPRG-Konzept entwikkelt.443 Hierbei stellt er auf die auf einer bestimmten Grundhaltung von Entscheidungsträgern beruhende grenzüberschreitende Führungsphilosophie von Unternehmen ab, die an den Ausprägungen der internationalen Organisationsstruktur sichtbar wird und die Bearbeitung von Auslandsmärkten prägt. Im Rahmen des EPRGKonzepts werden eine ethnozentrische (Stammlandorientierung), polyzentrische (Gastlandorientierung), regiozentrische (Regionenorientierung) 444 und geozentrisehe (Weltorientierung) Führungsphilosophie unterschieden (vgl. Tab. 2.5.).445 Perlmutter behauptet, daß in einem Unternehmen mehrere dieser Orientierungsrichtungen simultan vorhanden sein können. Angesichts der Existenz von internationalen Profit Centern ist dies sicher realistisch. Weiterhin postuliert er einen typischen Entwicklungspfad, den Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Internationalisierungsaktivität beschreiten und der in Abhängigkeit von der vorhandenen einschlägigen Erfahrung bzw. Intensität der grenzüberschreitenden Betätigung von Vgl. Perlmutter (1969), S. 9ff. Die Regionenorientierung wurde von Heenan!Perlmutter (1979), S. 17 ff., dem Schema, das ursprünglich drei Bereiche umfaßt hat, hinzugefügt. 445 Perlitz (1995), S. 140ff., erläutert diese organisationsbezogenen Führungsphilosophien. 443
444
Muttergesellschaft
Zentrale
Hohe Anreize in Zentrale; niedrige Anreize in Tochtergesellschaft
I
I
I
I
Entscheiduttgskompetenz
Herkunftvon Kontrollstandards
Anreizsystem
Intensität und Richtung der Kommunikation
Muttergesellschaft
Wahrnehmung von Personalmanagemeotfunktionen
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I
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I
Tochtergesellschaft
Kultur der Tochtergesellschaft
Wenig ausgeprägter Informationsfluß
Unterschiedlieb
Niederlassung vor Ort
Tochtergesellschaft; geringer Einfluß durch Stammlandzentrale
Unterschiedlich• voneinander unabbangig
Polyzenlrierung
Quellen: In Anlehnung an Heenan!Perlmutter (1979), S. 18 f., und Perfitz (1995), S.l42f.
Kulturder Muttergesellschaft
Basis der Identität
Vielzahl von Direktiven aus der Zentrale
Hoch J Niedrig
Ethnozenlrierung
I
I
Komplexität -Stammland -Ausland
mal der Organisationsstruktur
I
I
I
I
I
I
Zentrale einer Ländergruppe
Kultur der Zentrale einer Ländergruppe
Innerhalb der Region intensive Kommunikation
Anreize für Erreichung regionaler Ziele
Zentrale einer Ländergruppe
Zentrale einer Ländergruppe
Unterschiedlich; fegenseitige Abhängigkeil au regionaler .Cbcne
Regiozenlrierung
Tabelle 2.5.: Die Elemente des EPRG-Modells
I
I
I
I
I
I
Weltweite Zuständigkeit
Weltkultur unter Waltrung nationaler Identität
Informationsfluß zwischen allen Einheiten
Globale Belohnung fiir nationale und internationale Führungskräfte
Inländische Zentrale in Verbindung mit Zentralen von Ländergruppen und lokalen Niederlassungen
Muttergesellschaft und Tochlergesellschaflcn
Hoch; weltweit hohe gegensettige Abhängigkeit
Geozentrierung
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Organisation
--Leistungserstellung und -ve+ertung
Abb. 2.20.: Die Internationalisierung des Einzelhandels im Lichte des Strategie Fit-Approach
Intra-Strategien-Fit
• Felder • Formen -Niveau
Internationalisierung
Quelle: In Anlehnung an Scholz (1987), S. 65.
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3. Internationalisierung als Gegenstand strategischer Konzepte
217
Für die Formulierung und Implementierung der Internationalisierungsstrategie ergeben sich aus dem Strategie Fit-Ansatz weitere Konsequenzen. 486 Zunächst erscheint für ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels die Realisierung einer bestimmten Internationalisierungsstrategie mit relativ geringer Gewinnerwartung dann rational, wenn jene aufgrund eines zu erwartenden hohen Fit effizienter als eine andere Option umzusetzen ist. Der Erfolg der Auslandsmarktbetätigung hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, ein auf das jeweilige Umsystem abgestimmtes Irrsystem zu schaffen. Sofern dies nicht möglich ist (z. B. Schwierigkeiten bei der Besetzung von Top Management-Positionen durch Inländer wegen der Arbeitsmarktsituation), müssen negative Konsequenzen einer fehlenden Kompatibilität (Misfit)487 durch entsprechende Maßnahmen (Versetzung von solchen inländischen Führungskräften in das Ausland, sog. "expatriates", die hohe Kompetenz hinsichtlich der fremden Kultur usw. besitzen) abgeschwächt bzw. kompensiert werden. Schließlich sollte insbesondere das internationale Controlling auf die Prüfung und Verbesserung der strategischen Stimmigkeit einer Internationalisierungsstrategie ausgerichtet werden. Zur Diagnose dieses Phänomens stehen auf unternehmensindividueller Ebene verschiedene Instrumente zur Verfügung (Fit-Chart-Methode, Tree-Matrix, Kompatibilitätsmatrix und Strategie-Fit-Matrix etc.),488 die von Controllern eingesetzt werden können. Im Rahmen unternehmensübergreifender empirischer Studien kann die Mustererkennung als komplexitätsreduzierendes Verfahren zur Ermittlung eines Fit Verwendung finden. So akzentuieren z. B. Engelhard/Eckert den Gesichtspunkt der Regelmäßigkeit im Eintrittsverhalten deutscher Industrieunternehmen in osteuropäische Märkte. Als typisch haben sie einen Verlauf ermittelt, der durch den Übergang von direktem zu indirektem Export mit Errichtung einer eigenen Repräsentanz, zu der Bildung eines Jointventure und zu der Gründung einer Tochtergesellschaft charakterisiert ist. 489 Gemäß der evolutionstheoretisch herleitbaren Prämisse, daß sich über eine gewisse Zeit hin beobachtbare Phänomene, wie sie in dem Internationalisierungsverhalten zum Ausdruck kommen, als überlebensfähig erwiesen haben, ist der diagnostizierte Internationalisierungspfad in hohem Maße stimmig. 490
Vgl. Scholz (1987), S. 67f. Folgerichtig spricht Perlitz von Misfit-Analyse. Er versteht darunter die Prüfung, ob eine realisierbare Form der Auslandsmarktbetätigung mit der Unternehmensumwelt in Einklang gebracht werden kann. Vgl. Perlitz (1995), S. 226. Dieses Problem ist gemäß der hier verwandten Terminologie der Diagnose der Kompatibilität von Strategie und System zu subsumieren. 488 Vgl. hierzu Perlitz ( 1995), S. 226 ff., und Scholz ( 1987), S. 68 ff. 489 Vgl. Engelhard/Eckert (1993), S. 178. 490 Vgl. Scholz (1987), S. 82ff. 486 487
218
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
Da der Strategie Fit-Approach einen auf mehreren Theorien fußenden Basisansatz darstellt, erlaubt er keine konkreten Schlußfolgerungen für die Internationalisierung im Einzelhandel zu ziehen. Immerhin kann man damit aber einen theoretischen Bezugsrahmen großer Reichweite aufspannen, der insbesondere auch die mit Hilfe strategischer Konzepte zutage geförderten Erkenntnisse integriert und belegt. So läßt sich beispielsweise das EPRG-Schema unmittelbar in den Kontext des Intra-System-Fit einordnen, während das Triade-Modell von Ohmae den Strategien-System-Fit berührt. Dahtrr erschien es auch opportun, das Konzept der strategischen Stimmigkeit am Ende des 2. Kapitels der Untersuchung, als Abschluß des theoretischen Teils, einzuordnen. Zusammenfassend ergeben sich mit Blick auf den Strategie Fit-Ansatz folgende generelle Vermutungen: (1) Erfolgreiche Internationalisierungsstrategien des Einzelhandels zeichnen sich durch hohe strategische Stimmigkeit innerhalb Strategien, zwischen Strategien sowie zwischen In- und Umsystemen aus. (2) Ein hoher Fit einer Auslandsmarktbearbeitungsstrategie erleichert deren Implementierung und führt daher dazu, daß diese selbst bei einer im Vergleich zu anderen Internationalisierungsstrategien niedrigeren Erlöserwartung realisiert werden sollte. (3) Das internationale Controlling muß auf die Prüfung und Verbesserung der Kompatibilität der internationalen Unternehmensstrategie ausgerichtet werden; denn nur dadurch können Fehler bei der Strategieformulierung und -implementierung vermieden werden.
4. Die theoretische Basis der Untersuchung im Überblick Im 2. Kapitel dieser Arbeit wurden insgesamt 112, unterschiedlich detaillierte generelle Vermutungen und Hypothesen aufgestellt. Sie verkörpern einerseits das theoretische Fundament der sich im 3. Kapitel anschließenden empirischen Analyse der grenzüberschreitenden Aktivitäten im europäischen Einzelhandel und bilden andererseits ein eigenständiges Ergebnis dieser Arbeit, an dem künftige Forschungsbemühungen anknüpfen können. Versucht man, die in diese Form gekleideten Fragmente zu einer einzelhandelsbezogenen Internationalisierungstheorie zusammenzufügen, stößt man unweigerlich auf folgende Schwierigkeit: Da jede Hypothese unter Rekurs auf eine bestimmte Theorie hergeleitet wurde, müssen bei einer Synthese der postulierten Wirkungszusammenhänge die spezifischen Annahmen, die jeweils zugrundeliegen, beachtet werden. Deswegen ist eine Symbiose von auf unterschiedlichen Prämissen beruhenden Hypothesen eigentlich nicht zulässig. Wenn-Dann-Aussagen behalten nämlich ausschließlich im Kontext der gesetzten Annahmen ihren (vol-
4. Theoretische Basis der Untersuchung
219
len) Gehalt. 491 Weil jedoch einerseits keine Metaanalyse der Erklärungskraft unterschiedlicher Theorien versucht wird, es allerdings andererseits angestrebt wird, theoriebildend zu wirken, besteht ein Zwang zu einer Synthese der 112 Tendenzaussagen und Hypothesen; denn nur dadurch wird offenkundig, an welchen Stellen Übereinstimmung oder Widerspruch existieren und noch Lücken bestehen. Die Zusammenfassung der generellen Vermutungen und Hypothesen, die volkswirtschaftlichen (insgesamt 40) und betriebswirtschaftliehen Theorien (insgesamt 34) sowie strategischen Konzepten entspringen (insgesamt 38), schärft den Blick für die zwischen einer einzel- und gesamtwirtschaftlichen Perspektive bestehenden Wechselbeziehungen. Insofern steht das Anliegen dieser Untersuchung, eine Zusammenführung der theoretischen Argumentation zu erreichen, in der Tradition der Handelsbetriebslehre, wie sie z. B. von Vertretern des funktionenorientierten Ansatzes seit jeher propagiert wird. Der Grad an Übereinstimmung theoretischer Aussagen stellt ein wichtiges Datum für die konzeptionelle Gestaltung der empirischen Analyse der grenzüberschreitenden Betätigung von Handelsbetrieben dar. Dichte und Struktur des Netzes an generellen Vermutungen und Hypothesen verdeutlichen nämlich einerseits den Bedarf an weiterer theoretischer Forschung und andererseits das Ausmaß, mit dem die Internationalisierung im Einzelhandel theoriegeleitet empirisch untersucht werden kann. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die 112 generellen Vermutungen und Hypothesen in den nachfolgenden Tabellen danach systematisiert, ob sie Ursachen (vgl. Tab. 2.6a. - Tab. 2.6c.), Gestaltungsdimensionen (vgl. Tab. 2.7a.- Tab. 2.7c.) oder Konsequenzen (vgl. Tab. 2.8a. -Tab. 2.8c.) der Internationalisierung im Einzelhandel betreffen. Aussagen, die verschiedene dieser Bereiche berühren, werden mehrfach aufgeführt. Eine trennscharfe Zuordnung erweist sich dabei als schwierig; denn beispielsweise führen einzelne Ursachen der Auslandsmarktbetätigung zu bestimmten Realisationsformen, und einzelwirtschaftliche Wirkungen schlagen sich häufig in gesamtwirtschaftlichen Größen nieder. Um die Orientierung in den nachfolgenden Tabellen zu erleichtern, sei als Ordnungskriterium die im 3. Kapitel gewählte Abfolge der Diskussion gewählt. Die jeweilige Datenbasis und die Vorgehensweise im Rahmen der Hypothesenprüfung werden an der entsprechenden, jeweils angegebenen Stelle des 3. Kapitels erläutert sowie begründet. Sofern aufgrund der Datenlage zu den in den nachfolgenden Tabellen enthaltenen Aspekten im 3. Kapitel keine empirischen Befunde zur Diskussion herangezogen werden können, ist dies entsprechend vermerkt. Die acht generellen Vermutungen und Hypothesen, die ausschließlich Ursachen der internationalen Beschaffungspolitik thematisieren, enthält Tab. 2.6a. Zieht man zusätzlich die elf Aussagen aus Tab. 2.6c. heran, die sich auf das Management eines internationalen Handelsunternehmens beziehen und daher auch die grenzüber491
Vgl. Raffee (1974), s. 30ff.
220
2. Kap.: Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
schreitende Beschaffung betreffen, erhält man ein relativ breites theoretisches Fundament. Wie aus Tab. 2.6a. unschwer zu erkennen ist, kommt aus theoretischem Blickwinkel internationaler Einkauf nicht nur zustande, wenn die Wareneinstandskosten niedriger als im Inland sind, sondern auch dann, wenn entsprechende makro- und mikroökonomische Bedingungen vorliegen, zu denen u.a. das Nachfrageverhalten der inländischen Verbraucher und die Unternehmenspolitik der ausländischen Hersteller zählen (vgl. Tab. 2.6a.). Die Akkumulation von Herstellermacht, eine hohe Wettbewerbsintensität im Stammland und vom Staat gesetzte Rahmenbedingungen, die für das Entstehen leistungsfahiger Einzelhandelsbetriebe förderlich sind, vermögen die Internationalisierung des gesamten Unternehmens (vgl. Tab. 2.6c.) und insbesondere die grenzüberschreitende Beschaffung anzuregen. Ausschließlich den internationalen Absatz betreffen gemäß Tab. 2.6b. zehn generelle Vermutungen und Hypothesen. Wie ein Vergleich der darin enthaltenen Variablen mit den Ursachen einer grenzüberschreitenden Beschaffungspolitik (vgl. Tab. 2.6a.) zeigt, spielen Motive, die unmittelbar auch auf der Beschaffungsseite vorhanden sind, mit einer Ausnahme, und zwar Gefahrdung des Marktzugangs durch protektionistische Maßnahmen, keine Rolle. Diejenigen Ziele, die der Internationalisierung des Beschaffungsbereichs zugrunde liegen, unterscheiden sich offenbar grundsätzlich von denen, die ausschließlich einen grenzüberschreitenden Absatz induzieren. Deswegen wurde in der handelsbetriebliehen Praxis der Einkauf im Ausland auch bereits wesentlich früher realisiert als das internationale Absatzmarketing.492 Gemäß Tab. 2.6b. spielen Bedingungen, die in einem Auslandsmarkt herrschen Cerzielbare Kapitalrendite, Existenz einer Marktlücke, Homogenität von in- und ausländischen Nachfragerpräferenzen, Marktpotential etc.), eine zentrale Rolle, wenn ein Einzelhandelsunternehmen erwägt, dort in irgendeiner Form tätig zu werden. Daneben wirken der Erfahrungskurveneffekt, das Ausmaß an wahrgenommener kultureller Ähnlichkeit von Auslandsmarkt und Stammland durch die Entscheidungsträger, die Effektivität des Betriebstypenmanagements, der Zwang zur Imitation der von Wettbewerbern verfolgten lnternationalisierungsstrategie, die Unternehmensgröße und die internationale Erfahrung eines Einzelhandelsbetriebs positiv auf die Motivation, Auslandsmärkte zu erschließen. Hierbei ist anzunehmen, daß nicht jede metrischskalierte Variable eine linear steigende Wirkung auf das Schlüsselkonstrukt, Intensität des internationalen Absatzes, entfaltet. Vielmehr dürfte durch das Erreichen von variablenspezifisch unterschiedlichen Schwellenwerten (hinsichtlich der Unternehmensgröße, des Potentials eines Auslandsmarktes usw.) ein nachhaltiger Anstoß zum Eintritt in einen Markt ausgelöst werden, dessen Wirkung mit größerer Ausprägung der Variablen
492
Vgl. hierzu die Ausführungen im 1. Kapitel, Abschn. 2.
4. Theoretische Basis der Untersuchung
221
nachläßt. Die Höhe des Schwellenwertes hängt u.a. von der Risikobereitschaft auf seiten der Handelsmanager ab. Mit Blick auf Tab. 2.6c. rücken jedoch solche Antriebsfaktoren in den Mittelpunkt der Betrachtung, die für die Ausdehnung des Aktionsradius von Absatz- und Beschaffungspolitik gleichermaßen ursächlich sind. Tab. 2.6c. belegt den Stellenwert, den unternehmensinterne Rahmenbedingungen (z. B. Entscheidungs- und Informationsverhalten, internationale Steuerung, Lerneffekt sowie Synergie auf der Ebene des internationalen Managements) als Initialzünder und Katalysatoren der Internationalisierung im Einzelhandel besitzen. Durch das Diamanten-Modell von Porter wird darüber hinaus eine Vielzahl von groBteils inlandsmarktbezogenen makro- und mikroökonomischen Ursachen der Auslandsmarktbetätigung in die Diskussion eingebracht. Diese weisen teilweise eine starke Interdependenz zu Aussagen anderen theoretischen Ursprungs auf (vgl. Tab. 2.6c.). Beispielsweise fördert die starke Rivalität unter Anbietern, die zu internationalen Wettbewerbsvorteilen führen soll, die Tendenz zu einer Strategieimitation und setzt damit gemäß der Channel Stage Theory einen Automatismus in Gang, der zur Intensivierung der Internationalisierung in dem betrachteten Wirtschaftszweig führt. Ein weiteres Beispiel hierfür bildet folgende Schlußfolgerung: Eine überdurchschnittliche Ausstattung mit Humanressourcen auf der Führungsebene von Einzelhandelsbetrieben schlägt sich in einer entsprechenden Leistung von Führungskräften nieder. Daher wird das Management keinen Begrenzungsfaktor für das auslandsmarktbezogene Entscheidungs- und Informationsverhalten bilden, die, wie die entscheidungstheoretische Diskussion gezeigt hat, eine wichtige Rolle für das "going international" spielen. 493
493 Solche Zusammenhänge bestehen zwischen einer Reihe weiterer in Tab. 2.6c. enthaltener genereller Vermutungen und Hypothesen, auf die nicht eingegangen werden soll.
-
-
Protektionistische Maßnahmen Preise ausländischer Hersteiler Präferenzstruktur der Verbraucher
Entfernung zwischen Produktionsstätte und Verteilzentrum Beschaffungskosten
Variable
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
Theoretische Basis
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt .•. Im Lebensmittelsektor gegebene Spezifika (Haltbarkeit, Volumen-Wert- Außenhandels- 1.1.1.1. Relation der Güter etc.) fUhren dazu, daß die Entscheidung, ob eine Produk- theorie tionsstätte als Bezugsbasis gewählt wird, entschieden mehr davon abhängt, wie weit sie von einem Verteilzentrum entfernt ist, als davon, ob sie in einem Niedriglohnland liegt. 1.1.1.1. Jedwede Form von protektionistischen Maßnahmen erschwert bzw. verhin- Global Sourcing dert Global Sourcing im Einzelhandel. 1.1 .1.1 ., (I) Die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels wird durch Mikroöko1.1. 1.3., Preisvorteile ausländischer Hersteller und/oder eine hohe Präferenz der nomik 1.1.2.1., Verbraucher gegenüber Produkten ausländischer Unternehmen aus1.1.2.2. gelöst. (2) Die Katalysatorwirkung der internationalen Beschaffung von Einzel- Außenhandelshandeisbetrieben auf den internationalen Warenaustausch wird durch theorie bestehende Kostenunterschiede auf seiten der Hersteller aus unterschiedlichen Ländern gefördert und durch die vorhandene Präferenzstruktur auf seiten der Endverbraucher in den jeweiligen Ländern (Country of origin-Effekt, Markentreue etc.) gehemmt.
Tabelle 2.6a.: Die theoretische Fundierung von Ursachen der Internationalisierung der Beschaffungspolitik im Einzelhandel
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Eine Abwertung der Auslands- bzw. Aufwertung der Inlandswährung beeinflußt die internationalen Beschaffungsaktivitäten von Handelsbetrieben positiv. Da bei einer relativ seltenen Belieferung eines Ländermarktes mit zudem noch geringen Mengen einmalige und laufende Transaktionskosten eines grenzüberschreitenden Vertriebs von Herstellern deren Gewinne stark schmälern, wird ein Produzent in einem solchen Fall die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels bevorzugen. Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung bzw. des Informationsvorsprungs von Einzelhandelsbetrieben in bezug auf Vermarktungsrisiken werden alle Hersteller ohne internationale Erfahrung (Kenntnis der Spezifika einzelner Ländermärkte etc.) die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels c.p. positiv beurteilen, was entsprechende Aktivitäten auf seiten des Handels Rirdert. Schwierige länderbezogene Angebots- und Nachfragebedingungen, denen sich Auslandsproduzenten ausgesetzt sehen, führen zu einer Einschaltung von Einzelhandelsbetrieben in die internationale Distributionskette. Transaktionskostentheorie
Transaktionskostentheorie
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Mikroökonomik
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- Akkumulation von Herstellennacht
Das Streben von Handelsunternehmen nach größerer Bedeutung im europäischen Markt ist gegenmachttheoretisch mit Blick auf die Machtakkumulation auf der Stufe der Produzenten begründbar. (I) Es kommt deswegen zu einer Zunahme von Internationalisierungsakti- Erfahrungskurveneffekt vitäten im europäischen Lebensmitteleinzelhandel, weil die auf der bzw. Economies of scope Erfahrungskurve bzw. auf Economies of scope basierenden Größenvor- Kosten der Internationaliteile höher eingeschätzt werden als eine mit der grenzüberschreitenden sierung Betätigung einhergehende Kostensteigerung. (2) Eine volumenbedingte Kosteneinsparung, die Erzielung von Lerneffekten und die Nutzung von Synergie auf der Ebene des internationalen Managements fUhren zu einem Erfolg der Internationalisierungsstrategie eines Einzelhandelsunternehmens. Interaktionstheoretisch betrachtet läßt sich jede Aktivität im Rahmen der - Art der Interaktion - Organisations- und perso- Internationalisierung eines Einzelhandelsbetriebs durch folgende filnf Dimensionen erfassen bzw. erklären: nengebundene Spezifika - Merkmale der Geschäfts- - Art der Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland, beziehung - organisations- und personengebundene Spezifika des Einzelhandels- Makroumwelt betriebs, - organisations- und personengebundene Spezifika von Interaktionspartnern im Ausland, - Merkmale der zwischen dem Einzelhandelsbetrieb und Interaktionspartnern im Ausland bestehenden Geschäftsbeziehung sowie - Ausprägung der Makroumwelt, in die die Geschäftsbeziehung und die Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland eingebettet sind.
Variable
1.1.1.1., 1.2.
1.1.
Gate keeperund Interaktionstheorien
Empirische 1 Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt ••• 1.1.1.1., 1.1.2.2.
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Economies of large scaleund Erfahrungskurveneffekt
Wettbewerbstheorien
Theoretische Basis
Tabelle 2.6c.: Die theoretische Fundierung von Ursachen der Internationalisierung des Managements von Einzelhandelsbetrieben
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Einzelhandelsunternehmen besitzen gemäß dem Diamanten-Modell von Porter dann internationale Wettbewerbsvorteile, wenn im Stammland - eine überdurchschnittliche Ausstattung mit Humanressourcen auf der Managementebene von Einzelhandelsbetrieben besteht; eine für die Einzelhandelstätigkeit förderliche Infrastruktur vorherrscht; - einzelhandelsrelevantes Know-how in hohem Maße vorhanden ist; ein großes und anspruchsvolles Nachfragepotential besteht; eine Nachfrage herrscht, die mit derjenigen in Auslandsmärkten vergleichbar ist; eine starke Rivalität unter den Anbietern existiert; eine an langfristigen Überlegungen ausgerichtete Unternehmenspolitik betrieben wird; international wettbewerbsfähige unterstützende (Hersteller, Marktforschungs-, Logistikunternehmen, Werbeagenturen etc.) und verwandte Wirtschaftszweige (Einzelhandelsbetriebe mit einem anderen Sortimentsschwerpunkt, Anbieter von komplementären Dienstleistungen etc.) vorhanden sind; ein ideales Klima für das Entstehen von Unternehmertum im Einzelbandet herrscht; sich der Staat mit einer moderierenden Rolle in bezug auf die Entstehung leistungsfähiger Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel begnügt. Die internationale Koordination der an verschiedenen Orten angesiedelten Unternehmensteile wird durch den Einsatz von grenzüberschreitend kompatibler Informations- und Kommunikationstechnologie wesentlich erleichtert. Deswegen ist die Zentralisierung von Entscheidungskompetenz (an einem Standort) nicht notwendig, um Erfahrungskurveneffekte erzielen zu können. Erfolgreiche Internationalisierungsstrategien des Einzelhandels zeichnen sich durch hohe strategische Stimmigkeit innerhalb Strategien, zwischen Strategien sowie In- und Umsystemen aus. --
Strategie FitA:pproach --
Globalisierungskonzepte vonOhmae und Porter
Globalisierungskonzepte von Ohmae und Porter
Fortsetzung
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1.1.1.4.
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Strategieimitation
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Fortsetzung Tabelle 2.6c.:
Entscheidungstheorie
Theoretische Basis Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt ... 1.1.2.4., 1.2.
Keine Strategische Netzwerke und ·strategische Allianzen Keine Das Entscheidungsverhalten von Managern in bezug auf die Internationali- Entscheisierung hängt von ihrer Bereitschaft ab, Risiken der Auslandstätigkeit in dungstheorie Kauf zu nehmen. Keine Je stärker interne und/oder externe Anreize zur Internationalisierung wahr- Entscheigenommen werden, desto eher ist das Informationsverhalten von Managern dungstheorie auf die aktive Vorbereitung einer Auslandsmarktbetätigung ausgerichtet.
Der branchenbezogene Internationalisierungsprozeß kommt nach der Channel Stage Theory dann in Gang, wenn Handelsunternehmen und/oder Hersteiler, die in der Distributionskette eine Schlüsselstellung einnehmen, Auslandsgeschäfte als strategische Alternative identifizieren und solche konsequent betreiben. Die rasche Zunahme der Internationalisierungsprojekte seit Ende der 80er Jahre läßt sich durch das Bemühen erklären, attraktive Positionen in internationalen und ausländischen Netzwerkarrangements zu besetzen.
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
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4. Theoretische Basis der Untersuchung
229
Wie Tab. 2.7a. belegt, betreffen elf Aussagen verschiedene Dimensionen der Gestaltung der internationalen Beschaffungspolitik Handelsspanne, Einstandskosten, das Bestreben von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, immer mehr Waren in Selbstbedienung zu offerieren, und andere in Tab. 2.7a. genannte Variablen führen dazu, daß grundsätzlich alle Artikel, die in dem Sortiment eines Unternehmens des Lebensmitteleinzelhandels üblicherweise zu finden sind, im Ausland beschafft werden können. Entscheidungen des internationalen Absatzmarketing determinieren in besonderer Weise Gegenstand, Intensität und organisatorische Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Einkaufsstrategie. So geht beispielsweise mit der Konstituierung eines in allen europäischen Ländern identischen Basissortiments ein entsprechend hohes Beschaffungsvolumen einher, das wiederum eine wichtige Determinante für die Auswahl von Lieferanten (Dimensionierung der Produktionskapazität, Nähe der Produktionsstandorte zu Verteilzentren etc.) bildet. Tab. 2.7b. enthält 31 generelle Vermutungen und Hypothesen, die sich auf verschiedene Dimensionen der Gestaltung der internationalen Absatzpolitik beziehen. Die in einem Staat herrschenden Bedingungen (Eintrittsbarrieren, Nachfragepotential usw.), die mit dem Erfahrungskurvenkonzept einhergehenden Konsequenzen (u.a. Zeitvorteil, hohe Erfahrungsrate) und die internationale Länderphilosophie prägen die Form des Eintritts in Länder sowie der Bearbeitung von Auslandsmärkten. Beide Elemente ein.er Internationalisierungsstrategie sind untrennbar miteinander verknüpft, weil z. B. der Aufbau von Filialen einen größeren Handlungsspielraum hinsichtlich der Gestaltung des operativen Marketing eröffnet als die Beteiligung an einem ausländischen Handelsunternehmen. Transaktionskostentheoretisch betrachtet steigt mit Zunahme des Risikos, das mit dem Eintritt in einen Auslandsmarkt verknüpft ist, die Vorliebe für ein möglichst hohes Maß an Kontrolle über ein Auslandsengagement Da dies nicht gleichbedeutend mit einer hohen Kapitalbindung sein muß, sondern der Einfluß durch entsprechende Vertragsgestaltung (Franchising-, Joint venture-Vertrag etc.) gesichert werden kann, besteht kein Widerspruch zur entscheidungstheoretisch begründeten Hypothese, nach der bei hohem ökonomischem Risiko eine Betätigungsform mit relativ niedriger Kapitalbindung gewählt wird.
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-
-
Produktspezifität Angebot gemäß Diskontprinzip
Transaktionskosten der Hersteller
Beschaffungskonkurrenz
Unternehmensstrategie
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Theoretische Basis
Global Sourcing Die verfolgte Unternehmensstrategie determiniert die Intensität und organi- Global Sourcing satorische Ausgestaltung des Global Sourcing. Die Konkurrenz von Einzelhandelsbetrieben um kostengünstige Beschaf- Mikroökofungsquellen wird bei Existenz länderspezifisch unterschiedlicher Her- nomik steilerabgabepreise sowie bei Homogenität von Inlands- und Auslandserzeugnissen steigen. Da bei einer relativ seltenen Belieferung eines Ländermarktes mit zudem Transaktionsnoch geringen Mengen einmalige und laufende Transaktionskosten eines kostentheorie grenzüberschreitenden Vertriebs von Herstellern deren Gewinne stark schmälern, wird ein Produzent in einem solchen Fall die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels bevorzugen. Die vergleichsweise niedrige Produktspezifität in Verbindung mit dem ins- Transaktionsbesondere von Großbetrieben des Handels an den Tag gelegten Bestreben, kostentheorie immer mehr Warenbereiche gemäß dem Diskontprinzip anzubieten, wirkt des Einzelhandels aus. sich positiv auf die internationale Warenbeschaffung ---- ------ ----_---:....:_L_
Global Sourcing erhöht die Wertschöpfung von Einzelhandelsbetrieben.
-
Wertschöpfung
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
Variable
2.1.2.2
2.1.2.2.
2.1.2.2.
2.1.2.2.
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt ... 2.1.2.1.
Tabelle 2.7a.: Die theoretische Fundierung der Gestaltung der internationalen Beschaffungspolitik von Einzelhandelsbetrieben
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- Internationalisierungsgrad (I) Je mehr der lnternationalisierungsprozeß im Einzelhandel voranschreitet und je kürzer der Zeitraum zwischen Markteinflihrung und System- Zeit reife eines Betriebstyps wird, desto größer wird der Druck, Fixkosten, - Mobilitätsbarrieren die mit der Entwicklung und Einflihrung neuer Betriebstypen einhergehen, auf eine größere Marktbasis, d.h. mehrere Länder, zu verteilen. (2) Je weiter die Internationalisierung in dem Wirtschaftszweig voranschreitet, ein desto größeres Ausmaß nehmen die Mobilitätsbarrieren an, die ein Einzelhandelsunternehmen bei der grenzüberschreitenden Expansion überwinden muß. In Erwartung dieser Entwicklung werden Handelsbetriebe ein möglichst großes Expansionstempo an den Tag legen, und zwar selbst dann, wenn der ökonomische Erfolg kurz- und mittelfristig beeinträchtigt wird. ( 1) Es erscheint sinnvoll, daß Einzelhandelsunternehmen Niederlassungen - Präsenz in Märkten in den bereits bestehenden und sich herausbildenden Binnenmärkten - Penetration von Märkten (ASEAN, EU und NAFTA) simultan aufbauen. Langfristig betrachtet müssen Einzelhandelsunternehmen in diesen Schlüsselregionen eine hohe Marktpenetration erreichen. (2) Für Handelsuntemehmen, die bislang hauptsächlich in Europa agierten, bietet sich ein sukzessives Vorgehen dergestalt an, daß zunächst die Länderpräsenz innerhalb der EU, und zwar in möglichst kurzer Zeit, und danach die Marktanteile in anderen Schlüsselmärkten schrittweise erhöht werden. ( 1) Gemäß dem Prinzip der kritischen Masse werden beim Ausbau des - Nachfragepotential Engagements innerhalb eines Binnenmarktes (z.B. EU) Länder mit - Homogenität der Markteinem großen Nachfragepotential präferiert, in denen die Marktbedinbedingungen gungen ein im Vergleich zum Stammland hohes Maß an Übereinstim- Internationales Führungsmung aufweisen. konzept (2) Die Ethnozentrierung des internationalen Führungskonzepts von Einzelhandelsbetrieben schlägt sich darin nieder, daß bei der Inter- und Intraländersegmentierung die Homogenität der Marktbedingungen von Stamm- und Auslandsmarkt akzentuiert wird.
2.2.1.2., 2.2.1.5.
EPRGKonzept
Fortsetzung
Globalisie12.2.1.2., rungskonzepte 2.2.2.2.1. von Ohmae und Porter
Globalisie12.2.1.2., rungskonzepte 2.2.1 .5. von Ohmae und Porter
Theorien des Wandelsder Marktstellung von Handelsunternehmen Industrieökonomik
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Generelle Vermutung bzw. Hypothese
Der Erfolg von absatzmarktbezogenen Auslandsaktivitäten erscheint unter langfristigem Blickwinkel dann gewährleistet, wenn - das Leistungsangebot von Handelsbetrieben an länderspezifische Erfordernisse (z.B. Nachfragerpräferenzen) angepaßt wird, die Auslandsniederlassungen durch die Zentrale des Stammlandes nachhaltig unterstUtzt werden, das Unternehmen die Fähigkeit besitzt, in einen Preiswettbewerb einzutreten und diesen erfolgreich zu bestehen, die Positionierung von Betriebstypen und die Werbestrategie IänderObergreifend vereinheitlicht werden. Wettbewerbsstrategie (1) Die Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel stellt einen Vorstoß im wettbewerbstheoretischen Sinn dar, der belegt, daß bei den Akteuren "spirit ofcompetition" herrscht. (2) Als Folge der Internationalisierung werden im europäischen Markt Handelsunternehmen miteinander konkurrieren, die Ober ein breites und zunehmend ähnliches Betriebstypenportefeuille verfügen. Gleichgültig, ob auf der Ebene von Ländermärkten, von europäischen Regionen oder von Gesamteuropa, immer wird der Wettbewerb zwischen den Anbietern auf der Betriebstypenebene ausgetragen. Für die Internationalisierung kommen nur solche Betriebstypen in Frage, Internationalisierungsfähigkeit von Betriebstypen die sich im Stammland weder in der Einführungs- noch in der Degenerationsphase befinden.
Anpassung des Angebots Unterstützung von AusIandsniederlassungen Preiswettbewerb Positionierung von Betriebstypen Werbestrategie
Variable
Fortsetzing Tabelle 2.7b.:
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt .••
Theorien des Wandels der Marktstellung von Handelsunternehmen
Industrieökonomik
Wettbewerbstheorien
2.2.1.3.
2.2.1 .2., 2.2.2.3.4., 2.2.2.4.
2.2.1.2., Erfolgsfaktorenforschung 2.2.2.2., 2.2.2.2.1 ., 2.2.2.3., 2.2.2.4.
Theoretische Basis
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Akquisitionspolitik
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Standardisierbarkeit von Entscheidungen und AbIäufen
Zentralisierung der EntScheidungskompetenz
Erfahrungskurve Zeitvorteil Erfahrungsrate Markteintrittsbarrieren
Detenninanten der Partnersuche Theorien des Wandels der Marktstellung von Handelsunternehmen Economies of large scaleund Erfahrungskurveneffekt
Ein Handelsunternehmen, das als Pionier (d.h. als erster Auslandsinvestor) in einem Auslandsmarkt tätig wird, vennag als eine Konsequenz des Erfahrungskurveneffekts Markteintrittsbarrieren gegenüber Imitatoren zu errichten, wobei deren Höhe von der Zeit, die bis zum Eintritt der ersten Nachahmer verstreicht, und dem Ausmaß, in dem sich die Erfahrungsrate der Betroffenen unterscheidet, abhängen. Die Zentralisierung von Entscheidungskompetenz bildet die zentrale Vor- Economies of aussetzung fiir die Konzipierung und erfolgreiche Implementierung Iänder- large scaleund Erfahübergreifend vereinheitlichter Marktbearbeitungsstrategien. rungskurveneffekt Die Standardisierbarkeit von Entscheidungen und Abläufen auf internatio- Economies of naler Ebene stellt eine wichtige Bedingung ftlr das Entstehen von Größener- large scaleund Erfahspamissen dar. rungskurveneffekt Handelsbetriebe reduzieren den Time lag zwischen Markteinftlhrung und Theorien des Internationalisierung von Betriebstypen in dem Maße, in dem ihre interna- Wandels der tionale Erfahrung wächst. Marktstellung von Handelsunternehmen Die Internationalisierung im Handel löst gemäß der Theorie der ökono- Industrieökomischen Störung eine Fusionswelle aus, die erst dann zum Erliegen kommt, nomik wenn weitere Akquisitionen aufgrund begrenzter Kapitalressourcen nicht mehr finanziert werden können.
Im Rahmen der absatzmarktbezogenen Beteiligungs- und Kooperationsstrategie wird die Suche nach geeigneten Unternehmen durch die ldentifikation von Marktnischen in den einzelnen Ländennärkten und die Ennittlung von profilierten Betriebstypen geprägt.
Fortsetzung
Keine
Keine
2.2.2.3.2.
2.2.2.2.2.
2.2.1.5.
2.2.1.4.
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Strukturierung des _internationalen Absatzmarketing Länderphilosophie
Entwicklung von Betriebstypen
Lern- und Anpassungsfähigkeit
Variable
Fortsetzung Tabelle 2.7b.:
Die grenzüberschreitende Expansion von Handelsbetrieben löst gemäß dem evolutionstheoretischen Paradigma Selektionsdruck aus, dem sich nur die anpassungsfähigen Unternehmen langfristig werden entziehen können. Die individuelle und Organisationale Lern- sowie Anpassungsfähigkeit werden daher über den Erfolg von Handelsbetrieben in den einzelnen europäischen Ländermärkten entscheiden. Aufgrund des größeren Aktionsradius beim Absatz können spezifischen Bedarf befriedigende Betriebstypen entwickelt und in verschiedenen Ländem positioniert werden, was wegen der hohen Einfllhrungs- und Systemkosten nicht gelänge, wenn sich die Betroffenen auf ein einziges Land beschränken müßten. ( 1) Da der internationale Absatz der internationalen Beschaffung in bezug auf Erfahrung und Intensität nachhinkt, erhält die Organisation des grenzüberschreitend tätigen Einkaufs eine gewisse Vorbildfunktion fllr die organisatorische Verankerung des internationalen Absatzmarketing. (2) Da sich die absatzmarktgerichtete Internationalisierung von Einzelhandelsbetrieben auf der Ebene von Betriebstypen vollzieht, müssen in einem Unternehmen verschiedene Orientierungsrichtungen des internationalen Managements existieren, weil nur dann der grenzüberschreitende Transfer von Betriebstyp-Know-how glückt. (3) Mit zunehmendem Internationalisierungsgrad eines Einzelhandelsunternehmens dominiert ein polyzentrisches Steuerungskonzept, und zwar solange, wie der Expansionsstrategie des Unternehmens kein spürbarer Widerstand entgegentritt.
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
EPRGKonzept
Keine
Keine
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt ••. Keine
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Lehre von den Handelsfunktionen
Wettbewerbstheorien
Theoretische Basis
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Strategische Stimmigkeit
Marktzutrittsschranken Preispolitik
(4) Spätestens in einer Phase der Konsolidierung des Internationalisierungsprozesses übernehmen Ländergruppenzentralen die Steuerung der angeschlosseneo Ländergesellschaften. (5) Das internationale Management von Einzelhandelsbetrieben sollte von vornherein der sich abzeichnenden sog. Multiregionalität der Marktbedingungen Rechnung tragen, und zwar dadurch, daß Ländergruppenzentralen eingerichtet werden, die in enger Abstimmung mit den Länderzentralen den internationalen Markteintritt und die Bearbeitung der Auslandsmärkte steuern. Die Eroberung von Auslandsmärkten und die Besetzung von Standorten schaffen Marktzutrittsschranken, welche dazu filhren, daß dort ansässige Einzelhandelsbetriebe ihre Preispolitik insofern autonom gestalten können, als sie bei relativ hohen Preisen nicht der Gefahr ausgesetzt sind, neue Anbieter anzulocken. Ein hoher Fit einer Auslandsmarktbearbeitungsstrategie erleichtert deren Implementierung und fUhrt daher dazu, daß diese selbst bei einer im Vergleich zu anderen Internationalisierungsstrategien niedrigeren Erlöserwartung realisiert werden sollte. -
Strategie FitApproach
Mikroökonomik
Globalisierung skonzepte von Ohmae und Porter
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Internationalisierung als Determinante des Unternehmenserfolges
Globalisierungskonzepte von Ohmae und Porter ( l) Die dauerhafte Betätigung auf Auslandsmärkten setzt die Analyse des Gate keeperBeziehungsgeflechts voraus, das zwischen den in Frage kommenden und Interaktionstheorien Interaktionspartnern besteht. (2) Ein Beziehungsmanagement, das auf die Sicherung der Geschäftsbeziehung zu wichtigen Interaktionspartnern im Ausland ausgerichtet ist, bildet einen strategischen Erfolgsfaktor der grenzüberschreitenden Betätigung von Einzelhandelsunternehmen.
Gate keeperund Interaktionstheorien
Interaktionstheoretisch betrachtet läßt sich jede Aktivität im Rahmen der Internationalisierung eines Einzelhandelsbetriebs durch folgende fünf Dimensionen erfassen bzw. erklären: - Art der Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland, - organisations- und personengebundene Spezifika des Einzelhandelsbetriebs, - Organisations- und personengebundene Spezifika von Interaktionspartnern im Ausland, - Merkmale der zwischen dem Einzelhandelsbetrieb und Interaktionspartnern im Ausland bestehenden Geschäftsbeziehung sowie - Ausprägung der Makroumwelt, in die die Geschäftsbeziehung und die Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland eingebettet sind. Da der Einzelhandel zu einem globalen Wirtschaftszweig im Sinne Porters mutiert, wird die Gestaltung der Internationalisierungsstrategie zu einem strategischen Erfolgsfaktor.
- Art der Interaktion - Organisations- und personengebundene Spezifika - Merkmale der Geschäftsbeziehung - Makroumwelt
-
Theoretische Basis
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
Variable
Absatzpolitik betreffende generelle Vermutungen und Hypothesen
Tabelle 2.7c.: Die Gestaltung sowohl der internationalen Beschaffungspolitik als auch der internationalen
2.1.2.2.
2.1.2.1., 2.1.2.2., 2.2.2.4.
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt ... 2.1.1.
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Internationale Organisation
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(I) Im Rahmen der internationalen Organisation eines Einzelhandelsunter- Globalisienehmens sollten alle sekundären Aktivitäten der Wertkette länderilber- rungskonzepte greifend zentralisiert werden. von Ohmae (2) Abhängig von den in den Auslandsmärkten verfolgten Zielen sowie und Porter Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien erscheint es ratsam, instrumentalstrategische Entscheidungen, welche die primären Aktivitäten der Wertkette betreffen, zu zentralisieren. - Bestimmungsfaktoren des (I) Erfolg im Auslandsgeschäft haben Einzelhandelsbetriebe insbesondere ErfolgsfakErfolges im Auslandsgedann, wenn folgende Bedingungen gegeben sind: Iorenforschung • Hohe Kompetenz des Unternehmens in bezug auf die Internationaschäft lisierung, • Vorhandensein einer bestimmten Unternehmensgröße, • Bereitschaft und Fähigkeit (auslandsmarktbezogenes Informationsverhalten, Aufbau persönlicher Kontakte zu Interaktionspartnern im Ausland usw.) des Managements, Auslandsmärkte zu bearbeiten, sowie • Vorgabe langfristiger Internationalisierungsziele und Existenz einer grenzüberschreitende Aktivitäten fördernden Organisationsstruktur. (2) Ausschließlich diejenigen Einzelhandelsunternehmen werden auf Strategische internationaler Ebene erfolgreich sein, die es verstehen, Netzwerk- Netzwerke und arrangements in den jeweiligen Auslandsmärkten zu etablieren strategische (internationale Expansion) und diese weiterzuentwickeln (internationale Allianzen Penetration und Integration). (3) Erfolgreiche Internationalisierungsstrategien des Einzelhandels zeich-, Strategie Fit· nen sich durch hohe strategische Stimmigkeit innerhalb Strategien, Approach zwischen Strategien sowie zwischen ln· und Umsystemen aus. • Wettbewerbsverhalten der Herausbildung und Zunahme der Marktbedeutung von europliseben Wettbewerbsstrategischen Allianzen lassen dann den Wettbewerb erlahmen, wenn diese thcorien Anbieter von einigen wenigen Handelsunternehmen beherrscht werden.
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Fortsetzung
2.1.3.2.
2.2.2.3 ., 2.2.2.4.
2.2.1.4 .• 2.2.2.2.,
2.1.2.2., 2.2.1.2.,
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(I) Die optimale Konfiguration eines internationalen Netzwerkarrangements im Einzelhandel hängt von der zugrundeliegenden Zielsetzung, der Geflihrdung durch opportunistisches Verhalten der Partner, der zwischen den Mitgliedern bzw. berührten Ländern bestehenden geographischen und psychischen Distanz sowie unterschiedlichen Umweltsituation, in der sich die Mitglieder befinden, ab. (2) Eine internationale strategische Allianz und ein grenzüberschreitendes vertikales strategisches Netzwerk werden nur dann langfristig Bestand haben, wenn die Internationalisierungsstrategie und Unternehmenskultur der Beteiligten kompatibel sind. (3) Der "hub firm" kommt im Rahmen des Managements des Netzwerkarrangements insbesondere die Aufgabe zu, organisationskulturelle Divergenz zwischen (potentiellen) Partnern zu ermitteln, zu prüfen, ob diese überwindbar ist, und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen einzuleiten. (4) Erbringen die Netzwerkmitglieder einen Input, der über einen losen Informations- und Erfahrungsaustausch hinausgeht, und gilt es, einen erwirtschafteten Output auf die Partner zu verteilen, ist ein hoher Grad an formaler Organisation in Verbindung mit einer operationalen Definition der Ziele und Aufgaben des Netzwerkarrangements unabdingbar. (I) Das internationale Controlling muß auf die Prüfung und Verbesserung der Kompatibilität der internationalen Unternehmensstrategie ausgerichtet werden; denn nur dadurch können Fehler bei der Strategieformulierung und -implementierung vermieden werden. (2) Die internationale Koordination der an verschiedenen Orten angesiedelten Unternehmensteile wird durch den Einsatz von grenzüberschreitend kompatibler Informations- und Kommunikationstechnologie wesentlich erleichtert. Deswegen ist die Zentralisierung von Entscheidungskompetenz (an einem Standort) nicht notwendig, um Erfahrungskurveneffekte erzielen zu können.
- Erfolgsbedingungen internationaler Netzwerkarrangements
- Internationale Steuerung - Informations- und Kornmunikationstechnologie
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
Variable
Fortsetzung 2.7c.:
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Die Internationalisierung der Beschaffungs- und Absatzpolitik von Einzelhandelsbetrieben kann nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsbeziehungen mit den ausländischen Partnern insbesondere mit Blick auf bestehende kulturelle Divergenzen adäquat zu steuern. Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels müssen sich in den Ländern Marktpotential Geflihrdung des Marktzu- eine Insiderposition schaffen, die über ein großes Marktpotential verfügen und bei denen der Marktzugang durch protektionistische Maßnahmen gangs geflihrdet ist. Verlauf des Internationa- Der Internationalisierungsprozeß von Einzelhandelsbetrieben ist durch eine graduell ansteigende Intensität gekennzeichnet. lisierungsprozesses Einzelhandelsunternehmen besitzen gemäß dem Diamanten-Modell von Humanressourcen Porter dann internationale Wettbewerbsvorteile, wenn in dem Stammland Infrastruktur - eine überdurchschnittliche Ausstattung mit Humanressourcen auf der Know-how Managementebene von Einzelhandelsbetrieben besteht; Nachfragepotential - eine für die Einzelhandelstätigkeit förderliche Infrastruktur vorherrscht; Wettbewerbsintensität - einzelhandelsrelevantes Know-how in hohem Maße vorhanden ist; Wettbewerbstahigkeit - ein großes und anspruchsvolles Nachfragepotential besteht; anderer Wirtschafts- eine Nachfrage herrscht, die mit derjenigen in Auslandsmärkten zweige und Branchen vergleichbar ist; Klima für Unternehmer- eine starke Rivalität unter den Anbietern existiert; tum - eine an langfristigen Überlegungen ausgerichtete Unternehmenspolitik Rolle des Staates betrieben wird; - international wettbewerbsfähige unterstützende (Hersteller, Marktforschungs-, Logistikunternehmen, Werbeagenturen etc.) und verwandte Wirtschaftszweige (Einzelhandelsbetriebe mit einem anderen Sortimentsschwerpunkt, Anbieter von komplementären Dienstleistungsgütern etc.) vorhanden sind; - ein ideales Klima für das Entstehen von Unternehmertum im Einzelhandel herrscht; - sich der Staat mit einer moderierenden Rolle in bezug auf die Entstehung Ieistungsfiihiger Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel begnügt.
Steuerung der Interaktion mit ausländischen Geschäftspartnern 2.2.1.2.
I 2.1.4.
Fortsetzung
Entscheidungs ,2.2.1.2., theorie 2.2.2.4. Globalisie,2.2.1.3., rungskonzepte 2.2.2.4. von Ohmae und Porter
Globalisierungskonzepte von Ohmae und Porter
Gate keeperund Interaktionstheorien
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Handelsfunktion
Anforderungen an die Erfolgsfaktorenforschung
Wechselkursrisiko
Variable
Fortsetzung Tabelle 2.7c.:
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt ... Keine
Lehre von den Handelsfunktionen
Keine
Keine Erfolgsfaktorenforschung
Mikroökonomik
Das einem Auslandsengagement inhärente Wechselkursrisiko wird ft.ir einen Einzelhandelsbetrieb dann maximal, wenn - dieser in ein stark abwertungsverdächtiges Land eindringt, die Waren, die ft.ir die Outlets in diesem Markt beschaffi werden, nicht in der gleichen Währung wie der Absatz fakturiert werden, eine hohe Umschlagsgeschwindigkeit erzielt wird sowie der erwirtschaftete Gewinn vollkommen in das Stammland transferiert werden soll. (I) Die empirische Erfassung der mit Auslandsengagements verfolgten operativen und strategischen Ziele bildet die zentrale Voraussetzung für die Ermittlung strategischer Erfolgsfaktoren des international tätigen Einzelhandels. (2) Die Multidimensionalität des Unternehmenserfolges, die permanente Veränderung der Umweltsituation sowie der internationale bzw. -kulturelle Bias stellen so hohe Anforderungen an die Erforschung der strategischen Erfolgsfaktoren der Internationalisierung im Einzelhandel, daß sie nur mit erheblichem Aufwand betrieben werden kann. Durch die Internationalisierung werden nahezu alle in der einschlägigen Literatur diskutierten Handelsfunktionen in ihrer Ausprägung verändert.
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Theoretische Basis
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
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- Akquisitionspolitik - Fusion - Marktanteilsverteilung
- Wettbewerbsstrategie
- Strategische Erfolgsfaktoren flir Auslands- und Inlandsproduzenten
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I
Fortsetzung
(I) Von den internationalen Beschaffungsaktivitäten des Einzelhandels Außenhandels-~3.1.1., profitieren Produzenten aus den Ländern, die in der Lage sind, die theorie 3.1.4. güterspezifischen Anforderungen an Transportzeit und Transporttechnik zu erfüllen und eventuell anfallende höhere Transaktionskosten durch eine effiziente Produktionstechnologie und/oder niedrige Kosten für die erforderlichen Produktionsfaktoren auszugleichen. (2) Je intensiver Einzelhandelsunternehmen Global Sourcing betreiben, Global desto mehr werden Inlandsproduzenten dazu angeregt, ihr Leistungspro- Sourcing fil und Konditionengefüge den auf dem Weltmarkt herrschenden Bedingungen anzupassen. (I) Die Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel stellt einen Vor-~ Wettbewerbs- I 3.1.2. stoß im wettbewerbstheoretischen Sinn dar, der belegt, daß bei den Ak- theorien teuren "spirit of competition" herrscht. (2) Als Folge der Internationalisierung werden im europäischen Markt llndustrieHandelsunternehmen miteinander konkurrieren, die über ein breites und ökonomik zunehmend ähnliches Betriebstypenportefeuille verfilgen. Gleichgültig, ob auf der Ebene von Ländermärkten, von europäischen Regionen oder von Gesamteuropa, immer wird der Wettbewerb zwischen den Anbietern auf der Betriebstypenebene ausgetragen. I 3.1.2. ( 1) Die Internationalisierung im Handel löst gemäß der Theorie der ökono-~ Industriemischen Störung eine Fusionswelle aus, die erst dann zum Erliegen ökonomik kommt, wenn weitere Akquisitionen aufgrund begrenzter Kapitalressourcen nicht mehr finanziert werden können. (2) Der hohe relative Reifegrad des europäischen Lebensmittelmarktes führt zu einem Anstieg an Fusionen und einem Zugewinn an Marktanteil für alle diskontierenden Betriebstypen.
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- Erfahrungskurve - Zeitvorteil - Erfahrungsrate - Markteintrittsbarrieren - Kostenreduktion - Lerneffekt - Synergie - Managementprobleme
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(I) Jeder Markteintritt eines ausländischen Handelsbetriebs, der mit einer MikroökoVermehrungder Anzahl an Verkaufsstellen verknüpft ist, fUhrt bei den nomik inländischen Wettbewerbern zu einer Anfachung des Preiswettbewerbs und zu einer Verringerung deren Gewinne. (2) International tätige Handelsbetriebe besitzen ein höheres Gewinnpoten-1 Industrietial und bessere Möglichkeiten zur Risikodiversifikation als ausschließ- ökonomik lieh in einem Land aktive Unternehmen. (3) Global Sourcing erhöht die Wertschöpfung von Einzelhandelsbetrieben. Global Sourcing (4) Die Intensität des Auslandsengagements und die Übernahme der IndustrieInnovatorenrolle im branchenbezogenen Internationalisierungsprozeß ökonomik beeinflussen die Profilabilität von Handelsunternehmen positiv. (5) Mit der Erweiterung des relevanten Marktes werden Prozeßinnovationen für den Erfolg von Handelsunternehmen immer bedeutsamer. (I) Ein Handelsunternehmen, das als Pionier (d.h. als erster Auslandsin- Economies of vestor) in einem Auslandsmarkt tätig wird, vermag als eine Konsequenz Iarge scaledes Erfahrungskurveneffekts Markteintrittsbarrieren gegenüber Imita- und Erfahtoren zu errichten, deren Höhe von der Zeit, die bis zum Eintritt der rungskurvenersten Nachahmer verstreicht, und dem Ausmaß, in dem sich die effekt Erfahrungsrate der Betroffenen unterscheidet, abhängen. (2) Eine volumenbedingte Kosteneinsparung, die Erzielung von Lerneffekten und die Nutzung von Synergie auf der Ebene des internationalen Managements fUhren zu einem Erfolg der Internationalisierungsstrategie eines Einzelhandelsunternehmens. (3) Die zunehmende absatzmarktgerichtete Internationalisierung fUhrt bei Theorien des denjenigen Einzelhandelsunternehmen, die in mehreren Ländern unter- Wandels der schiedliche Betriebstypen etabliert haben, zu gravierenden Problemen Marktstellung hinsichtlich der Koordinierung von Teilprozessen des internationalen von HandelsGeschäftssystems (z.B. Beschaffung, Finanzwesen, Personalpolitik). unternehmen
Gewinn Preiswettbewerb VVertschöpfung Risikodiversifikation Innovatorenrolle Prozeßinnovation
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Basis
I Theoretische
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
Variable
Fortsetzung Tabelle 2.8a.:
3.1.3.
3.1.2.,
3. 1.2.,
3.1.3.
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt ...
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Größenbedingte Effizienz Mit der Zunahme der Größe von europäischen Handelsbetrieben wird deren Effizienz steigen, wovon die Verbraucher in Form niedriger Preise profiPreisniveau tieren werden. Unter der Annahme, daß die absatzmarktbezogene Internationalisierung von Preisniveau Einzelhandelsbetrieben zu einer Erhöhung der Anzahl an Verkaufsstellen führt und die Investoren einen gewissen Marktanteil erobern wollen, werden die Verbraucher von dieser Entwicklung in Form vergleichsweise niedriger Preise profitieren. (I) Direktinvestitionen des Einzelhandels werden zu einer Angleichung der Angleichung der Handelsstruktur der betroffenen Länder führen. Handelsstruktur (2) In einer frühen Phase des branchen- und unternehmensspezifischen Internationalisierungsprozesses prägt die Suche nach Lücken in Auslandsmärkten für bestehende Betriebstypen die grenzüberschreitende absatzmarktbezogene Betätigung von Einzelhandelsbetrieben. Das fUhrt zur Homogenisierung der Handelsstruktur der betroffenen Länder. Beschaffungskonkurrenz (I) Die Konkurrenz von Einzelhandelsbetrieben um kostengünstige Beschaffungsquellen wird bei Existenz länderspezifisch unterschiedlicher Markteintritt Herstellerabgabepreise sowie bei Homogenität von Inlands- und AusRelevanz des Global Iandserzeugnissen steigen. Sourcing für das interna(2) Wenn bei den zu beschaffenden Artikeln bzw. Warengruppen eine hohe tionale Absatzmarketing Nachfragekonkurrenz herrscht, dann erscheint ein simultaner Eintritt in alle dafilr wichtigen Beschaffungsmärkte bzw. -regionen ratsam. (3) Durch Global Sourcing öffnen sich einem Einzelhandelsunternehmen sog. strategische Fenster im Absatzmarketing (Anstoß zum Markteintritt in bislang nur beschaffungsseitig bearbeitete Länder, Produktion von Handelsmarken im Ausland etc. ). Die Internationalisierung des Einzelhandels fllhrt zu einer größeren WarenWarenvielfalt vielfalt und einer Zunahme der Verkaufsfläche in denjenigen Ländern, in Verkaufsfläche denen relativ betrachtet ein hohes Wohlstandsniveau herrscht. Bei der Abwehr des Marktzutritts von ausländischen Wettbewerbern kommt Signaling inländischer dem Signaling der inländischen Einzelhandelsbetriebe gegenüber HerstelUnternehmen lern, potentiellen Eindringlingen und Verbrauchern eine wichtige strategisehe Funktion zu, wobei jede Maßnahme direkt oder indirekt alle Marktstufen tangiert und somit eine multidimensionale Wirkung entfaltet. 3.1.2., 3.1.4.
Mikroökonomik
Wettbewerbstheorien
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Global Sourcing
Außenhandels- 3.1.2., theorie 3.1.4. Theorien des Wandelsder Marktstellung von Handelsunternehmen Keine Mikroökonomik
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(I)
(3)
Theoretische Basis Das Ausscheiden von Handelsunternehmen aus dem europäischen Markt bildet bis zu Wettbewerbseiner nicht bestimmbaren zahlenmäßigen Grenze eine notwenige Begleiterscheinung theorien der Entwicklung eines effizienten europäischen Distributionssystems. Die Internationalisierung von Handelsbetrieben verstärkt bestehendes bzw. fördert Industriekollusives Verhalten der Konkurrenten. ökonomik Herausbildung und Zunahme der Marktbedeutung von europäischen strategischen Allianzen lassen dann den Wettbewerb erlahmen, wenn diese von einigen wenigen WettbewerbsHandelsunternehmen beherrscht werden. theorien Direktinvestitionen des Einzelhandels werden zu einer Angleichung der Handelsstruk- Außenhandelstheorie tur der betroffenen Länder fUhren. In einer frühen Phase des branchen- und unternehmensspezifischen Internationalisie- Theorien des rungsprozesses prägt die Suche nach Lücken in Auslandsmärkten fllr bestehende Wandelsder Betriebstypen die grenzüberschreitende absatzmarktbezogene Betätigung von Einzel- Marktstellung handelsbetrieben. Das fUhrt zur Homogenisierung der Handelsstruktur der betroffenen von HandelsLänder. unternehmen In den Warenbereichen, die durch Low involvement und eine Dominanz des Preises Außenhandelsbei der Kaufentscheidung von Konsumenten gekennzeichnet sind, wird der internatio- theorie nal beschaffende Einzelhandel den Standortwettbewerb weiter anfachen. Da Einzelhandelsbetriebe Handelsmarken in erster Linie mit Blick auf Kosten beschaffen, die in vielen Ländern niedriger sind, kommt es zwangsläufig dazu, daß man Handelsmarken ienseits der deutschen Grenze herstellen läßt.
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
(I) Anzahl der Anbieter Wettbewerbsverhalten der Anbieter (2)
Variable
Tabelle 2.8b.: Die theoretische Fundierung von gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen der Internationalisierung im Einzelhandel
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Internationaler Warenaus- Die Katalysatorwirkung der internationalen Beschaffung von Einzelhandelsbetrieben auf tausch den internationalen Warenaustausch wird durch bestehende Kostenunterschiede auf seiten der Hersteller aus unterschiedlichen Lllndern gemrdert und durch die vorhandene Präferenzstruktur auf seilen der Endverbraucher in den jeweiligen Lllndern (Country of origin-Effekt, Markentreue etc.) gehemmt. Einkommensverlagerung Durch die internationale Warenbeschaffung des Einzelhandels wird Einkommen vom Inland in das Ausland verlagert. Der im jeweiligen Einkaufsland entstehende Einkorn· menseffekt wird bei Erteilung von Aufträgen an dort ansässige Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen durch einen Gewinntransfer abgeschwächt. Reaktionsinterdependenz Aufgrund der internationalen Beschaffung durch Einzelhandelsbetriebe wird die Reaktionsinterdependenz sowohl zwischen Inlands- und Auslandsproduzenten als auch inlän· Substitution des inländidischen und ausländischen Handelsbetrieben steigen. Als Folge davon werden unter der sehen Angebots Annahme, daß internationaler Einkaufaufgrund niedrigerer Abgabepreise zustande kommt Preisniveau im Ausland und der Inlandsmarkt gesättigt ist, das inländische Angebot substituiert, und die Preise im Ausland steigen. Unterstellt man im In- und Auslandsmarkt sowohl auf der Produzenten- als auch der HanGewinnverlagerung von delsstufe eine Oligopolsituation, löst der internationale Einkauf von Waren eine Gewinnder Produzenten- zur ~erlagerung von der Produzenten- zur Handelsstufe aus. Handelsstufe Mikroökonomik
Mikroöko· nomik
Außenhandelstheorie
Außenhandelstheorie
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Handelsfunktion
Empirische Befunde im 3. Kapitel, Abschnitt •.• 3.1.1., 3.1.2., 3. 1.3.
Lehre von den I Keine Handelsfunktionen
I
Globalisierungskonzepte von Ohmae und Porter
Einzelhandelsunternehmen besitzen gemäß dem Diamanten-Modell von Porter dann internationale Wettbewerbsvorteile, wenn in dem Stammland - eine überdurchschnittliche Ausstattung mit Humanressourcen auf der Managementebene von Einzelhandelsbetrieben besteht; - eine für die Einzelhandelstätigkeit flirderliche Infrastruktur vorherrscht; - einzelhandelsrelevantes Know-how in hohem Maße vorhanden ist; - ein großes und anspruchsvolles Nachfragepotential besteht; - eine Nachfrage herrscht, die mit derjenigen in Auslandsmärkten vergleichbar ist; - eine starke Rivalität unter den Anbietern existiert; - eine an langfristigen Überlegungen ausgerichtete Unternehmenspolitik betrieben wird; - international wettbewerbsfähige unterstützende (Hersteller, Marktforschungs-, Logistikunternehmen, Werbeagenturen etc.) und verwandte Wirtschaftszweige (Einzelhandelsbetriebe mit einem anderen Sortimentsschwerpunkt, Anbieter von komplementären Dienstleistungsgütern etc.) vorhanden sind; - ein ideales Klima für das Entstehen von Unternehmertum im Einzelhandel herrscht; - sich der Staat mit einer moderierenden Rolle in bezug auf die Entstehung leistungsfähiger Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel begnügt. Durch die Internationalisierung werden nahezu alle in der einschlägigen Literatur diskutierten Handelsfunktionen in ihrer Ausprägung verändert.
Humanressourcen Infrastruktur Know-how Nachfragepotential Wettbewerbsintensität Langfristige Unternehmenspolitik - Wettbewerbsfähigkeit anderer Wirtschaftszweige und Branchen - Klima für Unternehmertum - Rolle des Staates
-
Theoretische Basis
Generelle Vermutung bzw. Hypothese
Variable
Tabelle 2.8c.: Die theoretische Fundierung sowohl von einzel-als auch von gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen der Internationalisierung im Einzelhandel
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Erfolgreiche Internationalisierungsstrategien des Einzelhandels zeichnen sich durch hohe strategische Stimmigkeit innerhalb Strategien, zwischen Strategien sowie zwischen In- und Umsystemen aus. Anforderungen an die Er- (I) Die empirische Erfassung der mit Auslandsengagements verfolgten operativen und strategischen Ziele bildet die zentrale Voraussetzung filr folgsfaktorenforschung die Ermittlung strategischer Erfolgsfaktoren des international tätigen Einzelhandels. (2) Die Multidimensionalität des Unternehmenserfolges, die permanente Veränderung der Umweltsituation sowie der internationale bzw. -kulturelle Bias stellen so hohe Anforderungen an die Erforschung der strategischen Erfolgsfaktoren der Internationalisierung im Einzelhandel, daß sie nur mit erheblichem Aufwand betrieben werden kann. Interaktionstheoretisch betrachtet läßt sich jede Aktivität im Rahmen der Art der Interaktion Organisations- und perso- lnternationalisierung eines Einzelhandelsbetriebs durch folgende filnf Dimensionen erfassen bzw. erklären: nengebundene Spezifika Merkmale der Geschäfts- - Art der Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland, beziehung - Organisations- und personengebundene Spezifika des EinzelhandelsbeMakroumwelt triebs, - Organisations- und personengebundene Spezifika von Interaktionspartnern im Ausland, - Merkmale der zwischen dem Einzelhandelsbetrieb und Interaktionspartnern im Ausland bestehenden Geschäftsbeziehung sowie - Ausprägung der Makroumwelt, in die die Geschäftsbeziehung und die Interaktion im engeren Sinn von Einzelhandelsbetrieb und Geschäftspartnern im Ausland eingebettet sind.
-
-
-
-
- Strategische Stimmigkeit
Keine Keine
Keine
Strategie FitApproach
ErfolgsfakIorenforschung
Gate keeperund Interaktionstheorien
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3. Kapitel
Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung im Einzelhandel Auf der Basis sekundär- und primärstatistischer Befunde sollen zunächst wesentliche Gründe für die seit Ende der 80er Jahre zunehmenden grenzüberschreitenden Aktivitäten von in Europa beheimateten Einzelhandelsbetrieben identifiziert werden. An der einen oder anderen Stelle (z. B. politisch-rechtlich relevante Entwicklung in der EU) muß in Ermangelung einer quantitativen Datenbasis eine Inhaltsanalyse der maßgeblichen Literatur an deren Stelle treten. In Abschn. 2. werden Formen der internationalen Beschaffungs- und Absatzpolitik von Einzelhandelsunternehmen einer empirischen Prüfung unterzogen, um sodann die damit verbundenen einzel-sowie gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen in Abschn. 3. zu diskutieren. Am Ende der Abschn. 1., 2. und 3. findet sich eine Zusammenfassung wesentlicher empirischer Untersuchungsbefunde.
1. Gründe für die Europäisierung im Einzelhandel Wenn es gelänge, Ursachen für die Europäisierung im Einzelhandel auf empirischem Wege zu identifizieren, könnte der künftig zu erwartende Internationalisierungsverlauf in diesem Wirtschaftszweig in Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung der relevanten Determinanten zuverlässig prognostiziert werden. 1 Das Ergebnis wäre zweifellos nicht nur für den Einzelhandel selbst, sondern auch für alle mit ihm zusammenarbeitenden Institutionen (Hersteller, Absatzhelfer etc.) sowie sämtliche Träger der Handelspolitik in den einzelnen Ländern, aber auch auf europäischer Ebene von hohem Interesse. Die denkbaren Einflußfaktoren des Europäisierungsprozesses, die dem Bereich der Makro-, der Mikroumwelt oder unternehmensinternen Rahmenbedingungen entspringen können, werden in Abschn. 1.1. zunächst auf ihren Beitrag zur Erklärung des branchenbezogenen und unternehmensindividuellen Internationalisierungsprozesses hin untersucht. Hierzu werden eine Vielzahl sekundärstatistischer Befunde, die unterschiedlichen Quellen entspringen, her' Arndt, S. 40 ff., beschreitet diesen Weg, indem er die Handelsstruktur eines Landes als von makroökonomischen Rahmenbedingungen abhängig betrachtet. Mit dem Time lag, in dem sich das gesamtwirtschaftliche Niveau zwischen zwei diesbezüglich unterschiedlichen Ländern aufeinander zubewegt, wird sich seiner Meinung nach auch die Handelsstruktur beider Länder angleichen.
1. Gründe für die Europäisierung
253
angezogen. Sodann stehen in Abschn. 1.2. die Ergebnisse einer primärstatistischen Untersuchung zur Diskussion, in der u.a. der Frage nachgegangen wurde, welche Ziele der grenzüberschreitenden Betätigung zugrunde liegen und welche Antriebsfaktoren für eine Unternehmerische Betätigung im Ausland verantwortlich zeichnen.
1.1. Antriebskräfte des "going international" im Lichte sekundärstatistischer Befunde 1.1.1. Die Veränderung der Makroumwelt von Einzelhandelsbetrieben
Die Makroumwelt2 soll nachfolgend daraufhin analysiert werden, ob sie gemäß den in den Tab. 2.6a. bis Tab. 2.6c. enthaltenen generellen Vermutungen und Hypothesen als Ursache der Internationalisierung des Einzelhandels in Betracht kommt. Dabei müssen einzelne Indikatoren ausgewählt und damit Schwerpunkte gebildet werden, weil ansonsten der dieser Untersuchung vorgegebene Rahmen gesprengt würde. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Hypothesen nicht im statistischen Sinne, sondern lediglich auf einer qualitativen Ebene geprüft werden können. Dabei wird so vorgegangen, daß die verfügbaren Daten mit Blick auf die entsprechenden Hypothesen (und auch die generellen Vermutungen) interpretiert werden. Dadurch soll deren Bewährungsgrad erhellt werden. Am Ende des Abschn. I . wird ein zusammenfassender Überblick über die Ergebnisse der Prüfung der diesen Teil der Untersuchung betreffenden Hypothesen und generellen Vermutungen geboten (vgl. Tab. 3.22.).
Empirische Befunde von George/Winter deuten darauf hin, daß Handelsmanager dann, wenn sie über die Ähnlichkeit von Zielländern der Auslandsmarktbetätigung und dem Stammarkt nachdenken, insbesondere die wirtschaftliche Umwelt meinen.3 Auf einer fünfstufigen Skala ("1 = überhaupt keine Bedeutung", "5 = von höchster Bedeutung") weisen 34 Probanden bei der entsprechenden Frage der wirtschaftlichen Umwelt den Wert 4,3, der politischen und rechtlichen 3,3 bzw. 3,1, der kulturellen 2,7 und der geographischen 2,6 zu. In der Wahrnehmung der Entscheidungsträger spielen demzufolge harte Fakten eine größere Rolle als Antriebsfaktoren für die Internationalisierung als weiche. Diese Interpretation wird durch Ergebnisse einer Studie von Liebmann/Jungwirth gestützt. Demnach schätzt lediglich ein Viertel der Auskunftspersonen (es handelt sich um Führungs-
z Vgl. zu deren Elementen Nieschlag/Dichti/Hörschgen (1994), S. 877 ff. Abschn. 1.1.2. dieses Kapitels befaßt sich mit der Wandlung der Mikroumwelt von Einzelhandelsbetrieben. 3 Fragebogen und eine Grundauszählung der Daten erhielt der Verfasser von George zur Verfügung gestellt. Die Studie wird im folgenden als George (1992) zitiert. Hier wird aufS. 6 Bezug genommen. Das Ziel, das der Untersuchung zugrunde lag, bestand darin, die Internationalisierungsaktivitäten von großen, d. h. über 200 Mio. DM Umsatz erzielenden Einzelhandelsbetrieben (ohne Beschränkung auf bestimmte Branchen) zu erfassen und zu analysieren. Von den 197 angeschriebenen Unternehmen haben 38 % (n = 71) geantwortet. Davon waren zum Zeitpunkt der Untersuchung (Juli 1992) 38% grenzüberschreitend aktiv und 14% planten dies.
254
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
kräfte europäischer Handelsuntemehmen) die kulturelle bzw. mentale Nähe als sehr wichtiges oder wichtiges Motiv für die Erschließung osteuropäischer Märkte ein. Das Absatzpotential, das im Gastland vorhanden ist, wird hingegen von 91% der Befragten als maßgebende Ursache einer Betätigung in Osteuropa angesehen. 4
Wie z. B. die Entwicklung in Osteuropa zeigt, bereitet allerdings häufig erst die politisch-rechtliche Ebene den Boden dafür, daß ökonomische Überlegungen umgesetzt werden können. Deshalb wird nachfolgend zuerst dieser Determinante handelsbetrieblicher Betätigung nachgegangen. 1.1.1.1. Die politisch-rechtliche Integration Europas5
Bei der Planung der Internationalisierungsstrategie sehen sich Einzelhandelsbetriebe wie auch andere Unternehmen mit einer Vielzahl von rechtlichen Problemen konfrontiert. Ursachen hierfür stellen länderspezifisch und supranational geltende Regelungen dar, die zahlreiche Entscheidungen bezüglich der grenzüberschreitenden Betätigung in mehr oder weniger direkter Form und hoher Intensität betreffen. Tab. 3 .1. wirft zunächst ein Schlaglicht auf rechtliche Sachverhalte, welche die Gestaltung des Absatzmarketing von Handelsbetrieben in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich reglementieren. 6 Wie daraus hervorgeht, reicht die Bandbreite von einer Laissez-faire-Politik bis zu einer relativ starken Regulierung der Tätigkeit von Absatzmittlern. Sofern die Einzelhandelsaktivitäten in einem Land weniger stark als in einem anderen begrenzt werden, leuchtet es ein, daß dieses bei sonst gleichen Rahmenbedingungen eine gewisse Anziehungskraft auf ausländische Handelsbetriebe ausübt. Ähnlich divergierende Regelungen existieren hinsichtlich der Besteuerung von Handelsunternehmen, des Arbeitsrechts, der Berufsausbildung usw. 7 Eine Geschäftspolitik, die in einem Land erfolgreich ist, kann daher in der Regel nicht ohne Anpassung an die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in einem speziellen Auslandsmarkt herrschen, in ein anderes Land übertragen werden. Dies galt uneingeschränkt mindestens bis Mitte 1985. Ab diesem Zeitpunkt griffen, wie nachfolgend erläutert wird, in einigen für Handelsbetriebe relevanten Bereichen die Be4 Vgl. Liebmann/Jungwirth (1994), S. 14. Siehe hierzu auch Tab. 3.19. in Abschn. 1.1.2.4. dieses Kapitels. 5 Abschn. 1.1.1.1. und Abschn. 1.1.1.2. fußen auf Lingenfelder (1995a), S. 267 ff. Die dort enthaltenen Überlegungen wurden wesentlich ergänzt und überarbeitet. 6 Die Auswahl wurde auch im Hinblick auf die Diskussion, die hierzulande im Frühjahr 1994 eingesetzt hat, über die Liberalisierung bzw. den Wegfall des Rabattgesetzes vorgenommen. In der von Ahrens/Halbach!fäger (1993) herausgegebenen Publikation werden Art und Wirkung rechtlicher Rahmenbedingungen der marktwirtschaftliehen Transformation planwirtschaftlicher Distributionssysteme am Beispiel von Estland, Polen, Rußland, der Slowakischen und der Tschechischen Republik sowie Ungarn beschrieben. Hierauf wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. 7 Vgl. Overlack (1992), S. 34.
Maximal 3 %bei Verboten BarzahlWIR In Ausnahmeillien Erlaubt zullssig
L
p
In Ausnahmeflllen zulassig
Quellen: o.V. ( 1994b), S. 13; o.V. (1990d), S. 3 ff.; Tietz (1993a), S. 773 und S. 746 ff.
Legende: I) K.A. bedeutet, daß in den angegebenen Quellen dazu keine Information enthalten war.
Anmerkung: Die Zulassungsregeln sind extrem verkürzt und vereinfacht wiedergegeben.
NL
Erlaubt
Erlaubt
lRL
Nach GenelunigWtg erlaubt Erlaubt
Verboten, aber üblich Nur zu festgelegten Nach Provinzen unterschiedlich; überwiegend bis 20.00 Uhr bzw. bis 22 Uhr Zeiten Jederzeit erlaubt Mo-Sa: 17.00 Uhr Do : 21.00 Uhr M~a: 19.00 Uhr(I.I0.-31.3.); 20.00 Uhr Jederzeit erlaubt (1.4.-30.9.); So: 13.00 Uhr Jederzeit erlaubt Mo-Fr: 18.30 Uhr; Sa: 18.00 Uhr; seit I.9.94 auch sanntags ÖffnWig zu1assig; Do oder Fr: 21.00 Uhr Jederzeit erlaubt Regional Wlterschiedlich; überwiegend 24.00 Uhr
Verboten
Verboten, aber üblich Erlaubt
GR
1
Jederzeit erlaubt Jederzeit erlaubt Jederzeit erlaubt
Erlaubt Verboten Erlaubt
Erlaubt Erlaubt Erlaubt
Mo-Fr: 20.00 Uhr, Sa : 14.00 Uhr; zusatzlieh max. 6 Std. aufbis zu drei Werktaae frei verteilbar Mo-Sa: 21.00 Uhr Keine Begrenzung Mo-Sa: 20.00 Uhr; eirunal werktags bis 21.00 Uhr wtd bis 13.00 Uhr, seit 1.9.1994 auch sanntags OffnWill. zulassia Mo-Sa: Keine Begrenzung
E F GB
Jederzeit erlaubt
Maximal 3 % bei Bis zu einem geringftlgigen Warenwert B8I7.8h1Wig Wld Wlter bestimmten BedinRURaen zulassia Erlaubt Bis zu einem Warenwert von ca. DM I ,50 zulassig
D
DK
Schluß- wtd M~o: 20.00 Uhr; : 21.00 Uhr, ein obligatorischer, frei RlumWigsverkaufe Fr wahlbarer Ruhetag pro Woche Jubillwns-, Schluß- Mo-Sa: 18.30Uhrbzw. 14.30Uhr Wld RawnWigsDo : 20.30 Uhr verkaufe
Erlaubt
B
Verboten
Zeltrwum und An- Ladenschlußregelunr; laß mr Sonderverkiufe
Zulässigkelt von Zuliulgkelt von Rabatt Zugaben
Land
SI
52
K.A.
K.A.
44
K.A.
45 56 58
K.Al)
48
Durcbschnlttll
28,5
Genossenschaft
71 ,4
Staatlieber Handel
70
K.A.
2,6
4,8
K.A.
57
55
62
9,34 ) K.A.
60
69
Lebensmittel
K.A.
43
45
38
30
40
31
NichtIebensmittel
Anteil am Einzelhandelsumsatz 1988 (in%)
K.A.
0,1
Privater Handel
Umsatz nach Organisationsform 1986 (in%)
5,0
Privater Handel
Anzahl der Geschäfte nach Organisationsform 1988 (in%)
29,3
16,5
11,0
21,6
Anteil des ambulanten Handels 1988 (in%)
Der ambulante Handel wurde einbezogen. Es handelt sich um Schätzungen der Handelshochschule Leipzig. Diese Daten reflektieren den Stand von 1987. Die Daten beruhen auf Angaben des Statistischen Zentrums von Ungarn. K.A. bedeutet, daß in den angegebenen Quellen dazu keine Information enthalten war.
1.192,3
736,0
58,8
227,0
63,7
62,8
44,0
1988
Stationäre Geschäfte je 10.000 Einwohner 1988
Quelle: Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften- Eurostat (1993), S. 33.
Legende: I) 2) 3) 4) 5)
1.108,7
203,7
PL
MOE
46,9
H
695,2
64,8
ExCSFR
ExUSSR
40.0
1980
Anzahlder Einzelhandelsgeschärte (in 1.oool>
BG
Land
K.A.
189
K.A.
362
226
306
224
Verkaufsfläche (in m 2 ) je 1.000 Einwobner 1988
Tabelle 3.9.: Strukturelle Merkmale des Einzelhandels in Mittel- und Osteuropa in den Jahren 1980, 1986 und 1988
K.A.
95
K.A.
70
50
85
60
Verkaufsfläche (in m 2 ) je Geschäff> 1986
~ \C)
OQ
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= ...2! ...e,
2:
0
:-'
280
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Während sich gemäß Abb. 3.4. Supermärkte in allen Ländern der EU in der Reifephase befinden, ist bei Verbrauchermärkten und (insbesondere kleinflächigen) Discount-Betrieben von einer Zunahme des Marktanteils in vielen Staaten auszugehen. Italien wäre für beide Angebotsformen und Frankreich für Discounter gemäß der Marktlückenhypothese ein ideales Betätigungsfeld.5 9 Die Ergebnisse einer 1992 vom Roland Berger Forschungs-Institut durchgeführten Expertenbefragung, in die 91 Einkaufsleiter, Vertriebsleiter und Geschäftsführer von in Europa tätigen Handelsinstitutionen einbezogen waren, bestätigen dies großteils. Danach werden die Wachstumschancen der Betriebstypen Verbrauchermarkt und SB-Warenhaus in Italien sowie diejenigen von Discount-Betrieben in Frankreich und Großbritannien als sehr gut eingestuft. 60 Im Bereich des Nichtlebensmitteleinzelhandels ergeben sich insbesondere bei Fachmärkten noch Wachstumsmöglichkeiten. Wenn man von Großbritannien und Frankreich einmal absieht, verkörpern alle anderen Länder, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, Italien und Spanien, für die Setreiber von Fachmärkten ein ideales Betätigungsfeld. Vor diesem Hintergrund wird auch erklärlich, warum z. B. die Kaufhof AG vor allem in der Internationalisierung von Fachmärkten eine zentrale Aufgabe für die Zeit bis Ende des Jahrtausends sieht. Eine weitere Ursache für die Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel kann eine länderspezifisch unterschiedliche Kapitalrendite sein. Diese hängt vom Kapitalumschlag und von der Umsatzrendite ab, wobei letztere durch die Handelsspanne und die Handlungskosten determiniert wird. Daten über die in den einzelnen europäischen Ländern erzielte Kapitalrendite liegen indessen nicht vor. 61
Tietz zitiert eine Untersuchung des Institut de Commerce et de Ia Consommation, Paris, aus dem Jahr 1988. Darin werden ausgewählte Großbetriebe u.a. des Lebensmittelhandels verschiedener Länder der EU anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen verglichen. Den Befunden dieser Studie zufolge besitzen Unternehmen in Frankreich mit 4,7 den niedrigsten Kapitalumschlag. Den höchsten Wert erzielen niederländische Betriebe (6,8). Britische (5,1) und deutsche Unternehmen (5,5) nehmen mittlere Plätze ein.62 Die höchste Umsatzrendite, 63 nämlich 5,6 %, wird in 59 Auch die Monopolkommission (1994), S. 99, bedient sich der Marktlückenhypothese, um das Vordringen ausländischer Handelsunternehmen in die Bundesrepublik Deutschland zu erklären. 60 Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 3 und S. 64ff. 61 Entsprechende Angaben sind beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich bei börsennotierten Aktiengesellschaften des Warenhaussektors zu finden. Diese decken jedoch nur einen Bruchteil des hierzulande erzielten Lebensmitteleinzelhandelsumsatzes ab. 62 Vgl. Tietz (1989), S. 484. Das Design der Untersuchung (insbesondere die Anzahl der Unternehmen) wird nicht erläutert. 63 Die Umsatzrendite wird auf der Basis des Gewinns vor Steuern zuzüglich der Zinsen auf das Anlagevermögen in % vom Umsatz berechnet. Durch die Berücksichtigung von Zin-
281
1. Gründe für die Europäisierung
Großbritannien, gefolgt von Frankreich (2,6), den Niederlanden (2,2) und der Bundesrepublik Deutschland (2,0), erwirtschaftet. Multipliziert man beide Indikatoren, ergibt sich folgende Gesamtkapitalrentabilität: Großbritannien: 28,6, Niederlande: 15,0, Frankreich: 12,2, Bundesrepublik Deutschland: ll,O. Einfiihrung Markt-
anteil
'
Wachstum
Reife
Rückgang
Alk LMoln"
Lebensmitteleinzelhandel Supermärkte Verbrauchermärkte
Discounter
Nichtlebensmitteleinzelhandel Warenhäuser Versandhandel Fachmärkte
Abb. 3.4.: Das Lebenszyklusstadium wichtiger Betriebstypen des Einzelhandels zu Beginn der 90er Jahre in den EU-Ländern Quelle: Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaft- Eurostat (1993), S. 20.
Gemäß Overlack bewegte sich die Umsatzrendite bei britischen Lehensmitteleinzelhandelsbetrieben im Jahr 1990 zwischen 3,5 und 4,5 %. Bei den vom Umsatz her größten Anbietern wurden Werte zwischen 6 und 7 % erreicht. 64 Schätzungen von Management Horizons für 1992 bestätigen die Angaben von Overlack. Die sen auf das Anlagevermögen soll der Einfluß, den dessen unterschiedliche Finanzierung auf das Ergebnis hat, eliminiert werden. 64 Vgl. Overlack (1992), S. 55.
282
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
umsatzstärksten britischen Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe erzielten demnach 1991 eine Umsatzrendite zwischen 7,2 und 7,7%.65 Auf den ersten 20 Plätzen der von Management Horizons aufgestellten UmsatzrenditeRangfolge rangieren 13 britische, drei französische und je ein schwedisches, dänisches, finnisches und deutsches Unternehmen. Fünf der Top 20 sind vorwiegend im Lebensmittelsektor tätig. Von den in einem europäischen Land beheimateten Konkurrenten vermag nur noch die finnische Kesko mit einer Umsatzrendite von 7,2% mit den britischen Schritt zu halten. Die überwiegende Anzahl der Top I 00-Unternehmen liegt in einer Bandbreite von 1 bis 3 %. Auffällig ist noch, daß die zwei belgiseben Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe Colruyt und Delhaize "Le Lion" mit 3,4 bzw. 4,3% eine vergleichsweise hohe Umsatzrentabilität erwirtschaften. Daß im britischen Einzelhandel eine hohe Umsatzrendite erreicht wird, belegen auch Ergebnisse einer empirischen Studie von Nooteboom/l'hurik/Vollebregt.66 In einem regressionsanalytischen Ansatz für die Länder Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg, bei dem die Umsatzrendite die abhängige Variable bildet, stellen die Autoren fest, daß dieser Erfolgsindikator c.p. in der Bundesrepublik Deutschland um 3 % und in Luxemburg sowie Großbritannien um 6% höher als in Frankreich ist. Sie vermuten, daß dies mit einer höheren vertikalen und horizontalen Konzentration insbesondere in Luxemburg und Großbritannien zusammenhängt.
Je höher die Verkaufspreise in einem Land sind, desto größer wird c.p. die Umsatzrendite. Deswegen kann ein nach Warenbereichen differenzierter Preisindex die länderspezifisch unterschiedliche Rendite zumindest teilweise erklären. Wie aus Tab. 3.10. hervorgeht, läßt sich die herausragende Stellung britischer und beigischer Unternehmen mit dem hohen Preisniveau begründen. Demgegenüber verstehen es italienische und spanische Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe offenbar nicht, die dort herrschenden hohen Preise zur Erzielung eines entsprechenden Gewinns zu nutzen. Es scheint, als ob das Gros der Anbieter nicht in der Lage sei, günstige Beschaffungskonditionen und/oder niedrige Handlungskosten zu erwirken.67 Die Höhe des Preisindex bei den in Tab. 3.10. berücksichtigten Warenbereichen bildet darüber hinaus einen Indikator für die in einem Land herrschende Konkurrenzintensität. Aus wettbewerbstheoretischem Blickwinkel läßt diese, folgt man der Argumentation von Kantzenbach, bei größer werdender Umsatzkonzentration (enges Oligopol) nach. Tatsächlich besitzen sämtliche Länder mit einem hohen 65 Vgl. Management Horizons (1992), S. XVI ff. Dabei handelt es sich um Argyll, Tesco und Sainsbury. 66 Vgl. Nooteboom!ThurikNollebregt (1988), S. 155 ff. Die Autoren greifen zwar auf Daten der Amtlichen Statistik zurück, doch beziehen sich diese zum einen auf unterschiedliche Jahre und zum anderen spiegelt sich in ihnen der gesamte institutionelle und funktionelle Einzelhandel wider. Deswegen und aufgrund weiterer Einschränkungen können die Befunde nicht unmittelbar auf den Lebensmitteleinzelhandel bezogen werden. 67 Darauf deuten die niedrigen Werte in bezug auf den Umsatz pro Beschäftigten in diesen Ländern hin. Vgl. Tab. 3.8.
1. Gründe für die Europäisierung
283
Preisniveau (Preisindex> 100) gemäß Tab. 3.10. in mindestens zwei Warenbereichen eine überdurchschnittliche Konzentrationsrate CR 10 (vgl. Tab. 3.11.).68
Tabelle 3.10.
Der Preisindex nach Warenbereichen (Stand 1990) Land
B D (West) E GB I NL p EU
Nahrungs-
mittel
109 95 111 93 113 89 91 100
Getränke 119 87 113 139 83 91 79 100
Frisch-
waren lll 82 117 101 133 79 82 100
KiirJlcrtlflCi!C 112 108
96 96 112 103 80 100
Quelle: A.C. Nielsen GmbH.
Ein grenzüberschreitender Preisverg1eich, der von Verbraucherorganisationen 1990 in Belgien, der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden durchgeführt wurde, bestätigt die Daten in Tab. 3.10. Auch diesen Befunden zufolge war der Gesamtwarenkorb für Lebensmittel und Reinigungsmittel in den Niederlanden am preiswertesten. Für Ausländer lohnt sich dort besonders der Einkauf von Molkereiprodukten, Kaffee und alkoholfreien Getränken. 69
Eine Sekundäranalyse von 0 'Riordan bestätigt den Befund, nach dem in Großbritannien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern der Lebensmittelsektor die größte Handelsspanne erzielt. Er ermittelt für 1988, daß diese Kenngröße in Großbritannien 21,6% betrug, wohingegen in Deutschland (West), Frankreich und den Niederlanden deutlich niedrigere Werte erreicht wurden, und zwar 19,2, 17,6 bzw. 19,5 %.70 Die in Großbritannien, den Niederlanden und Belgien tatsächlich vorhandene sowie in Italien und Spanien erreichbare hohe Kapitalrendite führt zu Auslandsinvestitionen von Einzelhandelsbetrieben, die in ihrem Stammland keinen so großen Gewinn zu erzielen vermögen. Für einen Eintritt in den britischen, italienischen und spanischen Markt spricht das dort vorhandene hohe Umsatzvolumen (vgl. Tab. 3.11.), während die Niederlande und Belgienaufgrund ihrer geringen Bevöl68
Der Durchschnittswert für CR 10 in den in Tab. 3.11. enthaltenen EU-Ländern beträgt
69
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften ( 1990b), S. 3. Vgl. O'Riordan (1993), S. 36.
67,5. 10
284
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
kerungszahl diesbezüglich abfallen. Jedoch müssen zu einem Markteinstieg entschlossene Anbieter mit der Gegenwehr der teilweise einen hohen Marktanteil auf sich vereinenden, etablierten Unternehmen rechnen. Tabelle 3.11.
Kenngrößen des Lebensmitteleinzelhandels im europäischen Vergleich (Stand 1990) Land
B DlWesl) DK
E
F
GB GR I IRL
NL p
A
CH N
s
SF
Umsatz (in Mrd. ECU)
Umsatz je Einwohner (in ECU)
12.0 91.7 8.6 33.4 101.6 58.2 4.0 29.9 4.7 13.9 5.3 9.3 12.0 8.0 15.9 8.6
1.210 1.151 1.682 859 1.803 1.042 393 523 1.343 952 567 1.191 1.791 1.900 1.896 1.722
Veriinderung der Annhl der Verkaufs· stellen (19861991; in%) -13 -13 -30 -20 -7 -13 0 -8 -9 -20 -10 -15 -8 -20 -13 -30
Umsatz je Verkaufsstelle (in 1.000 ECU; Stand 1991) 890 1.061 1.961 360 2.296 1.026 158 213 609 1.699 140 961 1.600 1.356 2.160 1.524
Anzahl der Ver· kaufsstellen pro 1.000 Einwohner (Stand 1991) 1,3 1,1 0.9 2,4 0.8 0 ,9 2.5 2.5 2.2 0,6 4.1 1,2 1, 1 1.4 0,9
1.1
Anteil der zehn größten Unternehmen am Umsatz . lin %) 80
55 50
73 83 85 70 71 68 44 63 47 44 47 45 46
Anmerkung: Das außerordentlich rasante Fonschreiten der Konzentration wird anband der von der Monopolkommission (1994), S. 51, vorgelegten Daten für D (West) offenkundig. Wahrend der Umsatzanteil der zehn größten Unternehmen am Umsatz 1990 bei rund 51 % gelegen war, stieg er 1992 auf ca. 69 % an. Die Zahl für 1990 weicht deswegen von der von Nietsen ermittelten ab, weil die Monopolkommission auf andere Quellen rekurriert hat.
Quellen: Nietsen Marketing Research, zitiert mit geringfügigen Modifikationen gemäß Tager (1993), S. 12 und S. 27; Veitengruber (1992b), S. 194.
Daß ausländische Unternehmen in den deutschen Lebensmitteleinzelhandel nicht eindringen, führt die Monopolkommission auf die vergleichsweise niedrige Umsatzrendite in Verbindung mit einer hohen Wettbewerbsintensität und einer enormen Leistungsfähigkeit der Anbieter zurück. 7 1 Lediglich zwei ausländische Unternehmen, Promodesund Dansk Supermarked, betätigen sich hierzulande, wobei jedoch ersteres seit der Übernahme der ehemaligen Plaza-Märkte nach fast regelmäßig in einschlägigen Organen erscheinenden Meldungen (z. B. LebensmittelZeitung) mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. 71
Vgl. Monopolkommission (1994), S. 112.
1. Gründe für die Europäisierung
285
Der von Nielsen ermittelte durchschnittliche Umsatz pro Verkaufsstelle des Lebensmitteleinzelhandels in den in Tab. 3.11. aufgeführten Ländern betrug 1991 764.000 ECU. In Irland, Spanien, Italien, Griechenland und Portugal waren deutlich niedrigere Werte zu verzeichnen. Dort herrscht demgegenüber eine überdurchschnittliche Verkaufsstellendichte. 72 Daraus kann man ableiten, daß die Leistungsfahigkeit der in diesen Staaten angesiedelten Handelsunternehmen zu wünschen übrig läßt. Zieht man zusätzlich den Gesamtumsatz, der jeweils erzielt wird, heran, erlangen Italien und Spanien für ausländische Handelsunternehmen, die sich in diesen Nationen engagieren wollen, große Attraktivität. Zur Untermauerung dieser Interpretation können abschließend noch von der International Self-Service Organization (ISSO) zusammengestellte Daten über Supermärkte und SB-Warenhäuser in verschiedenen europäischen Ländern herangezogen werden. 73 Relativiert man die Anzahl dieser Betriebstypen in der Bundesrepublik Deutschland, Italien und Spanien mit der jeweiligen Bevölkerungszahl, so stellt man folgendes fest: 74 - Wahrend hierzulande 8.127 Einwohner auf einen Supermarkt entfallen, betragen die Vergleichswerte für Italien 17.080 und für Spanien 52.178. Amdt ennittelte bezogen auf 1969 in der Bundesrepublik Deutschland 32.400, in Italien 174.000 und in Spanien 383.000 Einwohner je Supermarkt.75 Trotz des in den letzten rund 20 Jahren festzustellenden Aufholprozesses, der sich in Italien und Spanien im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland vollzog, ergeben sich für ausländische Handelsunternehmen im Bereich Supermärkte Chancen in Italien und Spanien.
In Italien kamen Anfang der 90er Jahre 558.994 Einwohner auf ein SB-Warenhaus, wohingegen die Ausstattung mit Großbetriebstypen in der Bundesrepublik Deutschland (155.428 Einwohner pro SB-Warenhaus) deutlich besser ist. Spanien besitzt mit einem Wert von 288.330 zweifellos auch Nachholbedarf bei dieser Angebotsform.
n Der Durchschnittswert über alle erfaßten Länder hinweg lag bei 1,5 Verkaufsstellen pro 1.000 Einwohner. 73 In der Studie werden Supermärkte als Lebensmittelgeschäfte mit einer Verkaufsfläche mit mehr als400m2 definiert. Bei der Abgrenzung von SB-Warenhäusern ergeben sich insofern Unterschiede, als in Italien und Spanien eine Verkaufsfläche von mehr als 2.500 m2 , in der Bundesrepublik Deutschland aber eine von mehr als 5.000 m2 zugrunde gelegt wird. Folglich werden die Supermarktdichte überschätzt und die SB-Warenhausdichte unterschätzt. Vgl. ISSO (1992), S. 8. 74 Da sich die Daten auf unterschiedliche Jahre ( 1990-1992) beziehen, sind sie eigentlich nicht miteinander vergleichbar. Jedoch dürfte die Tendenz, die nachfolgend zum Ausdruck kommt, davon unberührt sein. 1s Vgl. Arndt, S. 42.
286
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
1.1.1.3. Die Überwindung sozio-kultureller Divergenz in den Kernländern Europas
Sozio-kulturelle Gegebenheiten schlagen sich in Werthaltung, Tradition, Mentalität, Sprache bzw. Dialekt, Lebensstil usw. nieder. Sie wirken sich auf das Informations-, Kauf-, Konsum- sowie Entsorgungsverhalten von Verbrauchern aus76 und sind daher für das Absatzmarketing von Einzelhandelsbetrieben von großer Bedeutung. Weiterhin beeinflussen sie, wie in Abschn. 2.2.3., 2. Kapitel, bereits gezeigt wurde, die Interaktion von Lieferanten und Handelsunternehmen. Wenn im Rahmen der internationalen Beschaffungspolitik Hersteller aus fremden Kulturkreisen zu kontaktieren sind, sollte sich das Beschaffungsmarketing darauf einstellen, indem z. B. Verhandlungen in bezug auf Inhalt, Ablauf, Teilnehmer, Stil, Konzessionsgebaren, Dauer etc. anders als im Stammarkt geführt werden. Sofern sozio-kulturelle Divergenz in den Ländern Europas besteht, wären folglich ein kultur- bzw. länderspezifisches Absatz- und Beschaffungsmarketing notwendig. Wenn ein Unternehmen dazu nicht in der Lage oder bereit ist, verbliebe ihm die Option, lediglich in solchen Ländern aktiv zu werden, die eine im Vergleich zur heimischen Operationsbasis ähnliche sozio-kulturelle Umwelt aufweisen.77 Zu dem Einfluß, den sozio-kulturelle Faktoren auf das Verhältnis zwischen international beschaffenden Einzelhandelsbetrieben und ihren Lieferanten in verschiedenen Auslandsmärkten entfalten, liegen nur fragmentarische empirische Befunde vor. Einer Studie von Europages zufolge, die sich auf Hersteller konzentriert, meinen Einkaufsverantwortliche von Unternehmen, daß Verständigungsprobleme und kulturelle Unterschiede die Beschaffung im Ausland stark behindern. Besonders französische, britische, irische und skandinavische Hersteller beklagen die mangelnde Berücksichtigung ihrer sprachlichen und kulturellen Eigenheiten. 78 Gemäß Daten, die Reader 's Digest in der Studie Eurodata zusammengestellt hat,79 sprechen 42% aller Erwachsenen in der EU nach eigener Einschätzung zwei oder mehr Sprachen. Während Italien (30% ), Spanien (30%) und Großbritannien (33 %) die Schlußlichter bilden, führen kleinere Länder, wie z. B. Luxemburg (97 %), die Niederlande (88 %), Dänemark (71 %), und Belgien (58 %) die Liste der Nationen an, in denen man mehrere Sprachen beherrscht. Die Bundesrepublik Deutschland (49 %) und Österreich (45 %) belegen mittlere Plätze. Demgegenüber schneiden die skandinavischen Staaten deutlich besser ab (zwischen 57 % und Vgl. hierzu Abschn. 1.1.2.1. in diesem Kapitel. Die auf der Basis sekundärstatistischer Daten ennittelten regionalen lntemationalisierungspfade, die bei Einzelhandelsbetrieben aus verschiedenen europäischen Ländern zu beobachten sind, belegen diese Schlußfolgerung. Vgl. Abschn. 2.2.1.2. in diesem Kapitel. 78 Vgl. o.V. (l993h), S. 22. 79 Vgl. Reader's Digest (1991), S. 25. 76 77
I. Gründe für die Europäisierung
287
78 %). Fraglos können diese Befunde nicht als repräsentativ für die fremdsprachliche Kompetenz von Handelsmanagern gelten. Jedoch erscheint die Schlußfolgerung plausibel, daß niederländische, dänische und belgisehe Einzelhandelsbetriebe sprachlich versiertere Mitarbeiter als ihre Wettbewerber aus anderen Ländern besitzen. Wenn z. B. Einkaufsverantwortliche in Handelsbetrieben unter Defiziten bei der Beherrschung von Fremdsprachen leiden, werden ihnen nicht nur kulturelle Besonderheiten einzelner Beschaffungsländer verborgen bleiben, sondern auch Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme und bei Verhandlungen mit ausländischen Lieferanten erwachsen. Die Wahrnehmung und Handhabung von sozio-kulturellen Unterschieden durch die für das internationale Beschaffungsmarketing Verantwortlichen beeinflussen die Entstehung von Vertrauen zwischen den Transaktionspartnern wesentlich. Das Ausmaß der Ähnlichkeit in kultureller Hinsicht sowie die Wahrnehmung der Kultur auf seiten internationaler Einkaufsmanager determinieren daher die Auswahl von Beschaffungsmärkten bzw. Lieferanten. In diesem Kontext erscheint es durchaus plausibel, daß Einzelhandelsbetriebe, die bereits in verschiedenen Kulturräumen tätig sind, sozio-kulturelle Risiken als weniger schwerwiegend empfinden als Unternehmen ohne internationale Erfahrung. 80 In bezug auf den möglichen Einfluß sozio-kultureller Gegebenheiten auf die Schnittstelle zwischen Verbrauchern und Handelsunternehmen liegen weitaus mehr und differenzierte Daten vor. Beispielsweise berichtet Leibiger über soziale Schichten in der EU, die auf Veranlassung der europäischen Markt forschungsvereinigung ESOMAR identifiziert wurden. 81 Die soziale Schichtung in sieben Gruppen basiert darauf, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe und das Alter bei Ausbildungsabschluß miteinander kombiniert werden. Angesehene Berufsgruppen (z. B. Geschäftsführer, Freiberufler) und ein vergleichsweises hohes Alter bei Ausbildungsabschluß (17 Jahre und älter) bilden die Gewähr für die Einordnung in die Spitzengruppe der sozialen Schichtung. Deren Verteilung spiegelt Tab. 3.12. wider. Im europäischen Vergleich lassen sich gravierende Unterschiede hinsichtlich des Alters bei Ausbildungsabschluß diagnostizieren. Während der Durchschnittswert für die EU bei 18 Jahren liegt, erzielen südliche Länder (Portugal: 14, Spanien: 16, Italien und Griechenland: jeweils 17 Jahre) deutlich niedrigere Vergleichswerte als Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande, wobei es die Dänen sogar auf 22 Jahre bringen.
Wie Leibiger weiter ausführt, korreliert der Besitz bestimmter Gebrauchsgüter (Farbfernsehgerät, Fotoapparat, Gefriertruhe, PKW etc.) nicht nur mit dem Haushaltseinkommen, sondern er vermag auch die wirtschaftliche Lage von Haushalten insgesamt zutreffend zu charakterisieren. Der Durchschnitt in der EU liegt bei 4, I hochwertigen Konsumgütern, wobei ein Nord-Süd-Gefälle zu konstatieren ist. Die 80
81
Vgl. Menze (1993), S. 149. Vgl. Leibiger (1992), S. 30ff.
288
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Bandbreite der Skala des Besitzstandes reicht von durchschnittlich 4,9 Utensilien in Großbritannien und Belgien bis zu 3,1 in Griechenland. 82 Hierzulande werden für die alten Bundesländer 4,8 und die neuen 3,5 pro Haushalt gemessen. Tabelle 3.12.:
Die soziale Schichtung in der EU und der Bundesrepublik Deutschland (West)
Soziale Schicht A
B
c
D
EI E2 E3
Anteil an der Bevölkerun.: (in%) D (West) EU 14 ll 24 20 21 23 27 20 8 ll 9 3 7 I
Anmerkungen: I. Aufgrund von Rundung ergeben sich in der Spalte ftir die EU nicht 100%. 2. Zur Beschreibung der sozialen Schichten sei auf die Literaturquelle verwiesen. Quelle: Leibiger (1992), S. 31.
Als Konsequenz daraus läßt sich ableiten, daß die Sortiments- und die Preispolitik an diesem Nord-Süd-Gefälle in groben Zügen auszurichten ist, und zwar so, daß einerseits dem Nachholbedürfnis südeuropäischer Haushalte in bezugauf entsprechende Warengruppen Rechnung getragen wird und andererseits das Preisniveau eine gemäß der dort vorhandenen Kaufkraft noch akzeptable Höhe nicht übersteigt. Zu Iisten wären demzufolge Waren bzw. Artikel, die ein mittleres Preis/ Leistungsverhältnis besitzen. Hochpreisige Markenartikel ließen sich dagegen lediglich in wenigen Ballungszentren erfolgreich distribuieren. Der für das Handelsmarketing wichtigen immateriellen Dimension des soziokulturellen Umfelds spüren Initiatoren international angelegter Life style-Studien nach. 83 Unterzieht man die in der betrieblichen Praxis besonders bekannten kommerziellen Vertreter dieses Forschungszweigs84 einer Metaanalyse, so läßt sich bei 82 Diese Werte werden u.a. von dem Anteil an Zweitwohnungen beeinflußt. V gl. Leibiger (1992), s. 32. 83 Die internationale Lifestyle-Forschung wird an anderer Stelle ausführlich beschrieben und gewürdigt. Vgl. Lingenfelder (1995b), Sp. 1377 ff. 84 Dazu zählen Burnett Life Style Research der Werbeagentur Leo Burnett, Anticipating Change in Europe des Research Institute on Social Change, Values and LifeStyles des Stanford Research Institute und Euro-Styles desCentrede Communication Avance. Vgl. Kramer (1991), s. 151 ff.
1. Gründe für die Europäisierung
289
den Untersuchungsbefunden große Heterogenität feststellen. Darüber hinaus ist daraus die Erkenntnis abzuleiten, daß (weitgehend) identische Lebensstile über nationale Grenzen hinweg vorkonunen. Diese Tatsache basiert darauf, daß viele Kulturen europäischer Länder gemeinsame Wurzeln aufweisen und Werte, Einstellungen, Verhaltensweisen etc. durch die international verfügbaren Medien beeinflußt sowie dadurch zumindest in gewissem Umfang vereinheitlicht werden. 85 Daß die Herausbildung sozio-kultureller Trends nicht an Landesgrenzen haltmacht, wird nicht zuletzt durch die höhere Mobilität von Individuen (Urlaubsreisen etc.) und insbesondere durch den sog. Einkaufstourismus in Nachbarländern gewährleistet. 86 Diese führen nicht nur zu einer größeren Transparenz über Sitten, Gebräuche etc., die in verschiedenen Ländern gepflegt werden, sondern auch zu einer Übernahme bestinunter Elemente der Kultur von anderen Staaten. Wie eine Befragung deutscher und französischer Verbraucher in der Region Oberrhein zutage gefördert hat, 87 greifen von den deutschen Verbrauchern, die in Frankreich Waren einkaufen, ca. zwei Drittel bei Nahrungsmitteln, etwas mehr als die Hälfte bei Wein bzw. anderen Alkoholika sowie rund jeder Zehnte bei Kosmetika zu. Demgegenüber kaufen nur ca. ein Drittel der hierzulande aktiven Franzosen Nahrungsmittel und rund jeder Achte Wein bzw. andere Alkoholika ein. Als Ursachen hierfür, daß nicht noch öfter Waren im Nachbarland beschafft werden, wurden von den französischen Verbrau ehern in erster Linie die Unkenntnis über die Lage von Einkaufsstätten in der Bundesrepublik Deutschland, der zu hohe Aufwand für die Anfahrt und Verständigungsprobleme genannt. Deutsche Konsumenten haben neben den auch für Franzosen relevanten Faktoren das Fehlen von Parkplätzen besonders häufig bemängelt. Bei einer im Auftrag des ifo-Instituts vom Sampie Institut im Sommer 1992 durchgeführten Befragung von 1.000 Westdeutschen ab 14 Jahren 88 stellten sich als Gründe dafür, daß sie Waren nicht in einem anderen EU-Land kaufen bzw. bestellen, folgende heraus (in Klammem prozentualer Anteil; Mehrfachnennung war möglich): - Unkenntnis über Verkaufsbedingungen (55%), - Uninformiertheit über Qualität und Sicherheitsstandards (45 %), - Probleme bei der Durchsetzung von Rücktrittsrecht, Garantieleistung und Produkthaftpflichtansprüchen (42 %), - Befürchtungen über Auslieferungsverzögerung ( 16 %) sowie - Existenz von Problemen bei der Bezahlung (12% ).
Vgl. Anders (1989), S. 416. Hauptsächlich vor Wochenenden und deutschen Feiertagen werben u.a. niederländische und belgisehe Super- und Verbrauchermärkte unter Hinweis auf ein entsprechendes Warenangebot, gute Erreichbarkeil mit dem PKW, niedrige Preise und attraktive Öffnungszeiten in Tageszeitungen des Rheinlands. Vgl. Röck (1994), S. 33 ff. 87 Vgl. Röck (1994), S. 30ff. 88 Vgl. Breitenacher (1993), S. 208. 85
86
19 Lingenfelder
290
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Das Centre de Communication Avance ermittelt für Westeuropa89 16 Lebensstile, die in den einbezogenen Ländern allesamt zwar vorzufinden sind, aber einen unterschiedlich hohen Anteil der Bevölkerung auf sich vereinen. Die identifizierten Lebensstile werden mit folgenden plakativen Bezeichnungen belegt (in Klammem prozentualer Anteil an der Bevölkerung in Westeuropa und in der Bundesrepublik Deutschand (West)): 90 -
Euro- Dandy Euro- Rocky Euro- Business Euro- Squadra Euro- Protest Euro- Scout Euro- Pioneer Euro-Olvidados Euro- Vigilante Euro- Romantic Euro - Defense Euro- Prudent Euro- Moralist Euro -Gentry Euro- Citizen Euro- Strict
(6,6 und 8,3) (13,5 und 8,8) (4,9 und 5,0) (7,2 und 4,7) (1,9 und 1,0) (5,5 und 4,0) (6,5 und 9,7) (4,1 und3,1) (5,8 und 5,8) (7,8 und 12,3) (8,5 und 3,0) (4,8 und 8,0) (7,2 und 14,8) (5,8 und 4,0) (5,3 und 4,0) (4,6 und 3,5)
Der Lebensstil der sog. Euro-Gentry beispielsweise wird so beschrieben: "Diese Gruppe mittleren Alters hat eine hohe Bildung und eine konservative Grundeinstellung. Ihr hohes Einkommen erlaubt ihnen einen gehobenen Lebensstandard... Sie stehen positiv zu der Industriegesellschaft, lehnen aber Gewerkschaften ab. Sie geben wenig Geld für Mode aus. Das meiste investieren sie in Haus und Auto... Luxusgüter und anspruchsvolle Konsumgüter kaufen sie in großen Warenhäusern ein... ".91
Die Entwicklung und Positionierung eines beispielsweise speziell auf das Lebensstilsegment Euro-Gentry zugeschnittenen Betriebstyps wäre angesichts des nur 4 % ausmachenden Anteils an der westdeutschen Bevölkerung wenig sinnvoll. Berücksichtigt man jedoch, daß dieses Cluster in Großbritannien 16%, in Norwegen 13 %, Schweden 9 %, Spanien 8 % und Frankreich 6% der Bevölkerung umfaßt,92 wird die Konzeption einer entsprechenden Angebotsform allein mit Blick auf das summierte Kaufkraftpotential dieser Länder attraktiv. National unbedeutende sozio-kulturelle Gruppen erhalten damit im europäischen Maßstab eine entschieden größere Bedeutung für das Absatzmarketing. 93 Ein international agierendes Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels sollte daher seine Betriebstypen89 Nach Angaben der GfK Life-Style Forschung ist 1995 mit empirischen Befunden über Lebensstile in Osteuropa zu rechnen. 90 Vgl. Anders (1991), S. 245. 91 GfK Life-Style Forschung, zitiert gemäß Hildebrandt (1993), S. 203. 92 Vgl. Hildebrandt (1993), S. 203. 93 Vgl. Anders (1989), S. 416.
1. Gründe für die Europäisierung
291
politik überdenken und z. B. in solche Angebotsformen investieren, mit denen es bislang noch nicht im Stammarkt tätig war.94 Die 16 Euro-Styles werden mit Hilfe der ca. 3.500 Items, die dem Erhebungskonzept zugrunde liegen, auf clusteranalytischem Wege ermittelt, in einem durch die drei Dimensionen Bewegung vs. Beharrung, Güter vs. Werte und Emotionalität vs. Rationalität gebildeten Raum positioniert und je nach Untersuchungszweck zu größeren Gruppen zusarnmengefaßt. 95 Beispielsweise führten die 16 Euro-Styles im Hinblick auf das Einkaufsverhalten bei Food-Produkten zu folgenden fünf sog. sozio-kulturellen Targets: 96 - Young and Restless: Die Mitglieder dieser Gruppe sind dynamisch, ambitioniert, technikgläubig, impulsiv, verschwenderisch und statusorientiert. Sie suchen ständig danach, was gerade "in" ist. Ihnen erscheint soziale Verantwortung fremd. Convenience, Innovationsgrad und Prestige dominieren ihr Einkaufsverhalten. - Selectives: Sie sind als progressiv, tolerant, ökologieinteressiert, gut informiert und ausgebildet zu bezeichnen. Sie reflektieren ihr eigenes Konsumverhalten kritisch. Für Waren des täglichen Bedarfs sind sie nicht bereit, mehr Geld als notwendig auszugeben. Bei Lebensmitteln wird ihre Kaufentscheidung stark von der Qualität (vor allem Frische der Waren) detenniniert. - Thrifty: Sie gelten als sehr familienorientiert und leben meist sehr zurückgezogen in den eigenen vier Wänden. Ihr knapp bemessenes Haushaltsbudget bestimmt ihr Kaufverhalten. Sie benutzen Super- und Verbrauchermärkte wegen der hohen Einkaufsbequemlichkeit ebenso als Einkaufsstätten wie Geschäfte, die nahe an ihrem Wohnort liegen. - Demanding: Deren Mitglieder verkörpern die Elite in bezug auf Ausbildung, Infonniertheit und Kaufkraft. Sie beklagen den Verlust konservativer Werte und besitzen eine hohe Treue zu Einkaufsstätten, bei denen sie sehr qualitätsorientiert einkaufen. - Orthodox: Sie pflegen eine konservative, traditionsbewußte Lebensweise in ihrem Familienverband und direkten sozialen Umfeld. Es handelt sich zumeist um Arbeiterhaushalte, in denen ältere Menschen leben, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation relativ stark gesellschaftlich isoliert sind. Sie kaufen am liebsten im Nachbarschaftsladen ein. Großflächige Verkaufsstellen präferieren sie aufgrund von deren unpersönlichem Charakter und der sie häufig überfordernden Warenfülle nicht.
Den Befunden zufolge unterscheiden sich die westeuropäischen Länder vor allem im Hinblick darauf, was die Größe des als Orthodox bezeichneten Segments betrifft.97 In den südlichen Ländern wird der prozentuale Anteil der Bevölkerung, der dazu zu zählen ist, größer geschätzt als in den nördlichen. In bezug auf die anderen vier Cluster scheint offenbar eine relativ große Homogenität vorhanden zu sein. Vgl. hierzu auch Abschn. 2.2.1 .2. und Abschn. 2.2.1.5. in diesem Kapitel. Vgl. zur Vorgehensweise Anders (1991), S. 237 ff., und Lingenfelder (1995b), Sp. 1382 ff. 96 Vgl. Winkler (1993), S. 94. Die Vorgehensweise bei der Ermittlung dieser Targets wird in dieser Publikation nicht erläutert. 97 In der angegebenen Literaturquelle sind hierzu keine Angaben enthalten. 94
95
19*
292
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Weiterhin streben diese fünf Segmente der Analyse zufolge in ganz Westeuropa immer weiter auseinander. 98 Eine Ursache hierfür bildet die Polarisierung der sozio-kulturellen Bedingungen, und zwar in erster Linie das von Schicht zu Schicht größer werdende Wohlstandsgefälle. Die Erkenntnis, daß sich zumindest in Westeuropa länderübergreifend identische sozio-kulturelle Cluster herausgebildet haben, wird auch durch Untersuchungsbefunde des Roland Berger Forschungs-Instituts gestützt.99 Demnach halten es 23% der befragten Top Manager des europäischen Lebensmittelhandels für sinnvoll, daß Konsumgüterhersteller ein standardisiertes Euro-Marketing betreiben. Immerhin 49% sind der Auffassung, Hersteller sollten ihre Produkt- und Markenpolitik europaweit identisch und ihre Kommunikationspolitik länderspezifisch gestalten. Eine einheitliche Produkt-, aber eine länderspezifische Markenpolitik von Lieferanten präferieren 11 % der Auskunftspersonen, und 16 % halten ein vollkommen differenziertes Vorgehen für zweckmäßig. Konsequenterweise spiegelt sich diese Auffassung auch in der von den Befragten erbetenen Vorausschau darüber wider, welchen Marktanteil ausländische Erzeugnisse am jeweiligen nationalen Marktvolumen im Bereich Nahrungs- und Genußmittel erzielen werden. Während die Auskunftspersonen bezogen auf 1991 einen Marktanteil von 27% schätzen, steigt dieser Wert für 1995 auf 33 % und für 2000 auf 39 % an. 100 Man kann nur darüber spekulieren, ob für diese Prognose der befragten Handelsmanager das Ausschöpfen von ungenutztem Internationalisierungspotential durch Hersteller, die erwartete Angleichung sozio-kultureller Faktoren oder beides verantwortlich sind. Untersuchungen wie jene von Gruber, Titze & Partner, die der Kulturgebundenheit von Produkten nachspüren, schärfen das Bewußtsein dafür, daß sozio-kulturelle Faktoren die Produkt-, Geschmackspräferenzen und Verbrauchergewohnheiten prägen. Während beispielsweise für Brot, Wurst, Bier, Babynahrung, Speiseeis und Marmelade eine hohe kulturelle Abhängigkeit zu diagnostizieren ist, werden Einkauf und Verbrauch von Haushaltsfolien, Streichhölzern, Windeln, Cola-Getränken und Waschmitteln von sozio-kulturellen Gegebenheiten nicht oder wenig berührt. 101 Demzufolge können Betriebstypen, die über ein Sortiment mit niedriger Kulturgebundenheit verfügen (z. B. Hard discounter), den Schritt über die Landesgrenzen viel leichter vollziehen als Angebotsformen, die einen relativ hohen Anteil von Vgl. Winkler (1993), S. 94. Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 84 f. 100 Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 86. Nach einer Studie des ifo-Instituts kauft über die Hälfte der deutschen Bevölkerung regelmäßig ausländische Waren ein. Mit diesem Wert liegen die Deutschen etwa auf dem Niveau des EU-Durchschnitts. Vgl. Breitenacher (1993), S. 161 f. 1o1 Vgl. Walda (1992), S. 109. Siehe auch Abschn. 1.1.2.1. und Abschn. 2.2.2.3.1. in diesem Kapitel. 98 99
1. Gründe für die Europäisierung
293
Frischwaren am Sortiment besitzen (z. B. Supermärkte). Die warenspezifisch unterschiedlich hohe Beeinflussung, die das vorhandene sozio-kulturelle Umfeld auf das Verbraucherverhalten ausübt, führt einerseits dazu, daß die Bildung internationaler Sortimente diesem Kriterium Rechnung tragen muß. Andererseits erscheint vor dem Hintergrund der gezeigten, teilweise segmentspezifischen Angleichung kultureller Dimensionen in den westeuropäischen Ländern der Boden dafür bereitet, daß wesentliche Teile des Sortiments länderübergreifend und ausgerichtet an den Bedürfnissen von transnational existenten Zielgruppen vereinheitlicht werden können. 102 1.1.1.4. Die informationstechnologische und infrastrukturelle Verzahnung europäischer Länder
Die Verbreitung internationaler Kodierungssysteme und Komrnunikationsstandards, die in Europa vorzufindende Medienstruktur sowie die grenzüberschreitende Vernetzung des Verkehrs bilden wichtige Dimensionen des technologischen Umfelds, die als Ursachen für die Aufnahme einer Auslandsmarktbetätigung im Einzelhandel in Frage kommen können. Eine hohe europaweite Adoption und Effektivität der für Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels maßgeblichen Technologie vermögen u.a. Rationalisierungspotential zu eröffnen, das als Anstoß zur Aufnahme von Auslandsgeschäften fungieren kann. Im Lebensmittelbereich hat sich in Europa die Artikelkodierung EAN weitgehend durchgesetzt. Beschaffungs- und Absatztransaktionen können deswegen überall mit demselben Datenschlüssel abgewickelt werden, was einerseits Kostenund andererseits Marketingvorteile erschließen hilft. Da zudem EAN in der Regel auch von allen bedeutenden Lieferanten verwendet wird, die außerhalb dieses Kontinents produzieren, besteht die Möglichkeit, ein, wenn erforderlich, über Europa hinausgehendes integriertes Warenwirtschaftssystem aufzubauen. 103 Ein solches enthält alle warenbezogenen Daten der Beschaffung, des Operating (Lager, Logistik etc.) und des Absatzes, die in den verschiedenen Ländermärkten, in denen der Einzelhandelsbetrieb tätig ist, anfallen. Durch die Einbeziehung von Lieferanten, Absatz- und Beschaffungshelfern sowie Abnehmern besteht darüber hinaus die Möglichkeit, nationale Beschaffungskonditionen problemlos miteinander vergleichen, Fehlmengen in einem Land mittels Belieferung durch das nächstgelegene Verteilzentrum eines anderen Staates zu vermeiden etc. Die operative internationale Steuerung von Waren-, Geld- und Informationsströmen ist mittels eines solchen Warenwirtschaftssystems jedoch erst dann realisierbar, wenn sich die Scanningtechnologie in den verschiedenen Ländern durchsetzt und nationale Standards bzw. Informationssysteme grenzüberschreitend kompatibel gemacht werden. 102 103
V gl. hierzu auch Abschn. 2.2.2.3.2. in diesem Kapitel. Vgl. Marschner (1993), S. 143 ff.
294
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Schaut man danach, welcher Anteil des Umsatzes am Gesamtumsatz eines Landes von Scannern erfaßt wird, führen Dänemark, Finnland und Schweden die Rangfolge an. Offenbar besteht ein loser Zusammenhang zwischen der am Umsatzanteil gemessenen Bedeutung von Scannern, der Konzentrationsrate (vgl. Tab. 3.11.) und dem bei den Akteuren herrschenden "spirit of competition". Je größer die Umsatzkonzentration, desto höher ist c.p. die Wahrscheinlichkeit, daß finanzkräftige Filialunternehmen entstehen, für die die Installation eines Scanningsystems besonders sinnvoll erscheint (z. B. in Belgien, Frankreich und Großbritannien). Wenn allerdings der Wille, im Markt zu konkurrieren, nur mäßig ausgeprägt ist (z. B. in Griechenland), wird auch in einer Situation, die als enges Oligopol gekennzeichnet werden kann, neue Technologie nicht oder nur zögernd genutzt.
Faßt man die Verbreitung der Scannertechnologie als einen, wenn auch unzureichenden Indikator für die Existenz eines professionellen Handelsmanagements auf, so ergibt sich in Griechenland, Ungarn und der Schweiz ein gravierendes Defizit.104 Diesbezüglich schneidet auch die Bundesrepublik Deutschland nicht gut ab. Jedoch muß vor einer zu weitgehenden Schlußfolgerung gewarnt werden; 105 denn zu welchen in Tab. 3.13. ausgewiesenen Werten es kommt, ist bedingt durch die in einem Land herrschende Konstellation von Marktanteilen und Betriebstypen. Beispielsweise nutzen Hard discounter die Scannertechnologie in der Regel nicht. Weiterhin ändert sich die Rangfolge in Tab. 3.13. dann unverzüglich, wenn sich bedeutende Filialbetriebe mit vielen Verkaufsstellen plötzlich für den Einsatz von Scannern entscheiden. Die Erarbeitung eines länderübergreifenden Standards für den elektronischen Austausch von Daten zwischen Unternehmen wird von der International Article Numbering Association, Brüssel, koordiniert und von den jeweiligen nationalen Organisationen (hierzulande der Centrate für Coorganisation, Köln) unterstützt. Auf der Basis des EDIFACT-Standards (Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transports) wurde das EANCOM-Subset entwickelt, mit dem der internationale elektronische Datentransfer in der gesamten Konsumgüterwirtschaft vollzogen werden soll. EANCOM sieht vor, daß Informationen über Teilnehmer, Produkte, Bestellungen, Versand, Rechnungen und Zahlungsvorgänge zwischen Handelsunternehmen und Lieferanten auf der Basis des EAN in einem einheitlichen Verfahren ausgetauscht werden können. Wie Simmet berichtet, scheitert das Unterfangen bislang daran, daß in den EUund EFTA-Ländern mehr als zehn unterschiedliche nationale Standards (z. B. SEDAS (D), TRADAKOM (GB), AECOM (E) und ALLEGRO (F)) gelten. 106 Der Übergang auf EANCOM wird aufgrund der Vielfalt der etablierten nationalen Regelungen noch einige Abstimmungsprobleme mit sich bringen. Solange ein einSiehe hierzu die Ausführungen in Abschn. 1.1.3. (u.a. Tab. 3.20.) in diesem Kapitel. Das Ausmaß der Qualifikation von Handelsmanagern eines Landes läßt sich nicht ausschließlich an der Verbreitung von Warenwirtschaftssystemen messen. Weitere Kriterien, wie z. B. Ausbildungsstand, fachbezogene . Kenntnisse und Beherrschung von Fremdsprachen, müssen dabei auch berücksichtigt werden. 106 Vgl. Simmet (1993), S. 261 f. 104
!OS
1. Gründe für die Europäisierung
295
beidieher Standard nicht existiert, kann man zwar ein europaweites Warenwirtschaftssystem aufbauen, aber nicht den vollen, theoretisch denkbaren Nutzen daraus erschließen. Tabelle 3.13.
Die Verbreitung des Scanning in Europa
Land
D
I F GB E
s
SF
B
DK
NL A N
CH
IRL
p
H
GR
Anzahl der Scannergeschäfte 1992 6.255 4.750 4.300 3.412 3.072 2.518 2.254 1.956 1.620 1.239 991 889 225 114 62 50 0
Anteil des mit Scannern erfallten Umsatzesam Gesamtumsatz des Landes (in%) 1992 36 33 60 57 30 66 71 60 72 43 30 41 5 34 20 1 0
1994 39 56 74 76 57 81 80 77 81 55 51 58 10 39 52
Anmerkungen: I. Die Länder sind gemäß der Anzahl der Scannergeschäfte aufgelistet. 2. Ein Leerfeld bedeutet. daß in den angegebenen Quellen dazu keine Information enthalten war. Quellen: Maurer (1993), S. 250 und S. 252; o.V. (1995b), S. 121.
Wie die hierzulande mit SEDAS gemachte Erfahrung zeigt, beteiligen sich an einem innovativen Datenaustauschsystem zunächst Großbetriebe des Einzelhandels, bevor dann mittelständische Unternehmen und Verbundgruppen das in der neuen Technologie steckende Potential erkennen. 107 Ähnliches ist für die Diffusion von EANCOM zu erwarten, so daß zuerst Innovatoren und frühe Adopter die damit verbundenen Möglichkeiten, die zu Kostenreduktion und höherer Marketingeffizienz führen, nutzen werden. Folglich profitieren vom künftig europaweit geltenden EANCOM-Standard hauptsächlich große Unternehmen, die in mehreren Ländern 107
Vgl. Simmet (1993), S. 263.
296
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Verkaufsstellen unterhalten. Dies leistet der Konzentration auf europäischer Ebene Vorschub. In der bereits erwähnten empirischen Untersuchung von Zentes/Anderer erkennen ca. 93 % der befragten internationalen Handelsmanager die große Bedeutung von Computergestützen Warenwirtschaftssystemen für die Effizienzsteigerung an. Etwa 80% glauben, daß durch Electronic Data Interchange Kostensenkungspotential langfristig erschlossen werden kann. Diesen und weiteren Befunden zufolge sind die Experten offenbar der Auffassung, daß diese Technologie im internationalen Einsatz vorwiegend dazu beiträgt, einen Rationalisierungseffekt zu erzielen. 108 Die Anzahl der Anwender von Electronic Data Interchange schwankt von Land zu Land ganz erheblich. Wahrend in den USA mit über 10.000 für 1993 auszugehen ist, liegen Schweden (450), Dänemark (400), Irland (200), Belgien (135) und Italien (140) noch weit zurück. Lediglich Großbritannien vermag mit 10.000 mit den USA Schritt zu halten. Österreich und Frankreich folgen mit 4.000 bzw. l. 750. In den Niederlanden (900) und hierzulande (780) besteht offenbar ein gewaltiges Nachholpotential. 109 Daß dies insbesondere von Großbetrieben des Einzelhandels erkannt wird, belegen z. B. Verlautbarungen der KARSTADT AG, wonach die Bereitschaft von Lieferanten, sich am elektronischen Datenaustausch zu beteiligen, eine zentrale Forderung bei den Jahresgesprächen für 1995 war. 110
Tab. 3.14. enthält einige Kenngrößen zu verschiedenen Werbeträgem im europäischen Vergleich. Wenngleich manche Protagonisten von Euro-Werbung von einer immer ähnlicher werdenden Medienstruktur sprechen, lll zeigt doch Tab. 3.14., daß es Unterschiede gibt. Beispielsweise schwankt die verfügbare tägliche Werbezeit im Fernsehen zwischen 20 (in Österreich) und 1.188 Minuten (in Frankreich). Darüber hinaus sind einige Werbeträger, z. B. die für die Werbung von Handelsbetrieben wichtigen Anzeigenblätter und Beilagen von Tageszeitungen, in manchen europäischen Ländern überhaupt nicht vertreten. Ganz Europa abdeckende Werbeträger existieren nach wie vor kaum. Sprachprobleme, fehlende technische Ausstattung auf seiten der Werbezielgruppen (bei elektronischen Medien) und die mangelnde Bereitschaft von Unternehmen, in paneuropäischen Medien Werbung zu betreiben, bilden die Gründe für die Probleme, die sich bei der Streuplanung für in mehreren Staaten tätige Unternehmen ergeben. So erreichen Eurosport, M1V und Super Channel, die fast überall empfangen werden können, lediglich 7,1, 4,0 bzw. 2,6 Mio. (über vier Jahre alte) Bürger der EU. 112 Vgl. Zentes/Anderer (1993), S. 42f. und S. 47f. Vgl. Koeppen (1994), S. 18. IIO Vgl. Koeppen (1994), S. 18. Allerdings weichen die in der Literatur (vor allem in der Zeitschrift Electronic Trades) zu findenden Schätzungen in bezugauf die Anzahl der Nutzer neuer Informations- und Kommunikationstechnologie (z. B. von EANCOM) teilweise erheblich voneinander ab. 111 Vgl. hierzu Stelzer (1994), S. 16f. 112 Vgl. Gruner & Jahr (1993), S. 73. Diese Programme sprechen eng umrissene Zielgruppen an. Gleiches gilt für Zeitungen und Zeitschriften, die europaweit identisch gestaltet sind (z. B. Financial Times, Fortune). 108
109
315/99 2) 1.150 40 850 !.IRR 2RR 123 1.030 60 150 305 20 70 150 96 91 600 23 7 330 0 35 400 150 3) 52
550
300 187 225 2.500 412 115 180 2.500 60 800 1.000 2.434 62 500 12 150 250 250 119 150 95 171
Anzahl Anzahl prh·ater an ZeitHörfunk- schriftcn sender
33 456 58 119 114 1.070 210 110 56 49 440 101 234 150 176 61
Anzahl
57 82 76 32 57 62 53 41 69 76 40 73 46 97 90 R2 4,6
13,5
1,7 32,6 1,7
GesamtReichaullage weite (in %) 1> (in Mio.)
Tageszeitungen
21
45
20 66 6
Gesamtaullage von Anzeigenbliittern (in Mio.)
95 365 17 27 450 106 24 94 7 70 15 128 170 6 21 53
Anzahl an Plakatllächen (in 1.000)
24,6 68,1 44,4 45,5 36,3
0,5
93,1 38,4 54,8 11,5 2,8 7,6 0,2 0,2 45,7 83,4
Anteil der über einen Kabelanschluß oder eine Satellitenempfangsanlage verfügenden Haushalte an der Gesamtzahlaller Haushalte (in •;.; Stand 1991)
Quellen: Gruner & Jahr AG & Co. (1993); SPIEGEL-Verlag (1993), S. 85; Ste1zer (1994), S. 86.
Anmerkungen : I. Für lsland, Luxemburg und die osteuropäischen Staaten enthielten die Quellen überhaupt keine und für andere Länder teilweise (mit Leerfeldern kenntlich gemacht) keine Angaben. 2. Anzeigenblätter sind in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien so gut wie überhaupt nicht bekannt. Legende: 1) Diese Daten entstammen der zitierten SPIEGEL-Dokumentation und reflektieren den Stand von 1991. 2) Der erste Wert steht für den französisch, der zweite für den flämisch sprechenden Teil des Landes. 3) Es wird keine Werbung geschaltet.
SF
s
N
CH
A
NL p
IRL
GB GR I
F
E
D DK
B
Land Verfügbare tägliche Werbezeit (in Minuten)
Tabelle 3.14.: Indikatoren zur Struktur von Werbeträgern in Europa (Stand 1992)
-.J
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Tabelle 3.18.: Die länderspezifischen Marktanteile von Betriebstypen bei der Distribution von Milchprodukten, Obst und Gemüse (in % ; Stand 1992)
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1. Gründe für die Europäisierung
307
Bautz hat den Pro-Kopf-Verbrauch bei Joghurt und Desserts in ausgewählten EU-Ländern im Jahr 1991 untersucht. Den meisten Joghurt verzehren den Daten zufolge die Niederländer (21,9 kg) und die Franzosen (17,0 kg). Die Italiener bilden mit 2,6 kg hier ebenso das Schlußlicht wie bei Dessert (0,1 kg). Bei letzterem liegen wiederum die Niederländer (15,6 kg) vorn. 133 Trotz dieser Unterschiede stellt die Autorin in beiden Warenkategorien eine, wenn auch langsame Annäherung des Konsumverhaltens in den betrachteten Staaten fest.
Die Verbrauchsangleichung in europäischen Ländern untersuchte Berekoven bereits 1978 empirisch. 134 Der Autor hat in Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, in Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, der Niederlande, in Schweden und Spanien die Warengruppen Nahrungsmittel und Getränke, Textilien, Waschmaschinen und -mittel, ausgewählte Haushaltsgeräte, Heimelektronik, Kraftfahrzeuge sowie Wohnverhältnisse in einer auf den Zeitraum Mitte der 50er bis Anfang der 70er Jahre bezogenen Analyse berücksichtigt. Für den hier besonders interessierenden Sektor der Nahrungsmittel und Getränke ließ sich nur bei wenigen Warenkategorien eine quantitative Verbrauchsangleichung 135 feststellen. Eine Konvergenz des Pro-Kopf-Verbrauchs ermittelte der Autor bei Aeisch, Kartoffelprodukten, Stärkemehl, Körnerfrüchten, Zucker, Bier und Wein. 136 In allen untersuchten Ländern wurde darüber hinaus ein einkommensabhängiger Trend zu hochwertiger, gesunder Nahrung und Convenience-Produkten diagnostiziert. Eine neuere und methodisch anspruchsvollere Untersuchung zur internationalen Angleichung des Nahrungsmittelverbrauches hat Hernnann vorgelegt. 137 Für 15 Produkte bzw. Warengruppen ermittelt der Autor für den Zeitraum von 1968 bis 1988 in Belgien/Luxemburg, der Bundesrepublik Deutschland, in Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, der Niederlande, in Österreich, Schweden, der Schweiz, in Spanien und den USA das Ausmaß an Konvergenz bzw. Divergenz. 138 Hernnann berechnet auf der Basis von loglinearen und linearen Algorithmen absolute und relative Konvergenzgrade. Alle überprüften Modelle weisen folgende Grundstruktur auf: Vgl. Bautz (1993), S. 69. Vgl. Berekoven (1978). 135 Berekoven definiert Verbrauchsangleichung als einen Zustand, bei dem sich der Konsum von identischen oder vergleichbaren Gütern für festgelegte Zwecke und in bestimmter Weise (Menge, Dauer, Intensität etc.) in verschiedenen Ländern aufeinander zubewegt oder in gleicher Richtung entwickelt. Vgl. Berekoven (1978), S. 16f. Da ausschließlich der ProKopf-Verbrauch als Indikator verwendet wurde, handelt es sich um ein rudimentäres, lediglich den quantitativen Angleichungsprozeß abbildendes Meßkonzept. 136 Eine internationale Verbrauchsangleichung nahm Berekoven dann an, wenn sich die Pro-Kopf-Verbrauchskurven verschiedener Länder aufeinander zubewegen oder in dieselbe Richtung bei gleichbleibendem Abstand zueinander verlaufen. Die statistische Signifikanz wurde nicht geprüft. 137 Vgl. Herrmann (1994), S. 371 ff. 138 Zum Design der Studie vgl. Herrmann (1994), S. 375 f. Bei den Warengruppen handelt es sich ausnahmslos um Grundnahrungsmittel, wie z. B. Butter, Eier, Fleisch, Gemüse, Milch und übst. 133
134
20*
308
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung VA,= f (E, VG,.J, VA,. 10)
Dabei bedeuten: VA,
= Differenz zwischen dem Pro-Kopf-Verbrauch eines Landes und dem niedrig-
E
= Pro-Kopf-Einkommen
VG
= Selbstversorgungsgrad in t-1
VA.-10
sten Pro-Kopf-Verbrauch der in den Vergleich einbezogenen Länder in t
= VA, in t-10
VA, bildet den Indikator, der das Ausmaß der internationalen Verbrauchsangleichung zu erfassen erlaubt. Herrmann kann unter Verwendung eines loglinearen Algorithmus teilweise über 90% und bei der Anwendung der linearen Regression in 13 von 15 Warengruppen über 50% der Streuung der abhängigen Variablen erklären.139 Folgende Ergebnisse erscheinen für die Internationalisierung von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels relevant: 140 Bei den meisten Produkten ist eine Verbrauchsangleichung zu konstatieren. Statistisch signifikant lassen sich bei neun von 15 Warengruppen eine relative und bei fünf von 15 Produkten eine absolute Konvergenz diagnostizieren. Lediglich bei Käse, Obst und Geflügel ist eine teils relative, teils absolute Divergenz des Verbrauchs festzustellen. Der Nahrungsmittelverbrauch gleicht sich vor allem bei den Produkten an, bei denen die Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch das Sättigungsniveau erreicht haben. Insgesamt betrachtet bestätigt sich den Befunden von Herrmann zufolge ein deutlicher Trend zur Annäherung der Konsummuster in den untersuchten Staaten. Daraus sind wichtige Schlußfolgerungen für die Gestaltung u.a. der internationalen Sortimentspolitik zu ziehen. Länderübergreifend einheitliche Sortimentsteile erscheinen vor allem in den Warenbereichen sinnvoll, die eher Grundbedürfnisse abdecken (insbesondere Waren des täglichen Bedarfs) und hinsichtlich des Pro-KopfVerbrauchs in einem bzw. mehreren europäischen Nationen an die Sättigungsgrenze stoßen. 141 Wheelock/Frank kommen in einer Studie zu ähnlichen Ergebnissen wie Herrmann. 142 Sie stellen in westeuropäischen Ländern und den USA ein immer ähnlicher werdendes Konsummuster im Grundnahrungsmittelsektor fest. 143 Die Autoren weisen weiterhin nach, daß sich Vgl. Herrmann (1994), S. 376. Vgl. Herrmann (1994), S. 378 ff. 141 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 2.2.2.3.2. in diesem Kapitel. 142 Vgl. Wheelock/Frank (1989), S. 47 ff. 143 Für einen nahezu 30 Jahre umfassenden Zeitraum wurde der Pro-Kopf-Verbrauch für Milch, Kartoffel, Gemüse, Fleisch, Zucker, Öl, Eier, Butter, Reis etc. in Belgien/Luxemburg, 139
140
1. Gründe für die Europäisierung
309
die pro Kopf und Tag in Kalorien gemessene Nahrungsaufnahme und der Anteil der tierischen Nahrung an den aufgenommenen Kilokalorien pro Tag zwischen 1960-1961 und 19791980 angeglichen haben.
Die in mehreren Studien belegte Vereinheitlichung des Konsums im Nahrungsmittelbereich darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen, daß noch immer teilweise erhebliche Unterschiede im Pro-Kopf-Verbrauch existieren. So reicht z. B. 1991 die Spannweite bei Butter von 8,1 kg (Belgien) bis 0,5 kg (Spanien). 144 Offenbar weichen die Verzehrsgewohnheiten in Buropa teilweise so stark voneinander ab, daß in den Regalen des Handels diese Artikelgruppe unterschiedlich angeboten werden muß. In Frankreich sollte süße, gesalzene, halbgesalzene, runde, rechteckige Butter als Kleinund Großpackung in attraktiver Plazierung vorrätig sein. Demgegenüber kann man spanische Verbraucher mit viel weniger Sorten und einer Randplazierung zufriedenstellen. 145
Um festzustellen, inwieweit sich die Homogenisierung des Konsum- und Kaufverhaltens in der Sortimentspolitik von Handelsbetrieben bereits niedergeschlagen hat, wurden von der GfK die Angebotsstruktur in der Süßwarenabteilung führender Verbrauchermarktbetreiber in Frankreich und jene hierzulande miteinander verglichen. 146 Das Ergebnis enthält Abb. 3.5. In bezug auf die untersuchten Artikelgruppen besteht bei Schokoriegeln mit etwa 10% der Gesamtzahl an Produkten der größte Homogenitätsgrad. In den beiden anderen Bereichen liegt der Anteil sowohl in Frankreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland angebotener Artikel bei ca. 2 bis 3 % aller Waren, die im betreffenden Sektor geführt werden. Folglich war die Schnittmenge zumindest bis Ende 1993 noch relativ gering. Ob sich dies mit der internationalen Marktbearbeitung von Herstellern begründen läßt 147 oder auf die Angebotspolitik von Handelsunternehmen zurückzuführen ist, kann nicht beantwortet werden. 148
Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Norwegen, Schweden, Spanien und den USA ermittelt. 144 Vgl. Veitengruber (l992a), S. 48. 14 5 Vgl. Veitengruber (1992a), S. 48, der eine Vielzahl weiterer Beispiele zum unterschiedlichen Verzehr von Lebensmitteln in verschiedenen westeuropäischen Ländern aufführt. 146 Vgl. Berthold (1994), S. 14. 147 Im Schokoriegelbereich verfolgen namhafte Hersteller (z. B. Mars) eine europaweit identische Markenpolitik. Demgegenüber dürfte bei Herstellern von Bonbons die internationale Standardisierung der Marktbearbeitung (hier: Produktpolitik) noch nicht so weit fortgeschritten sein. 148 Aus den Ausführungen von Berthold geht nicht hervor, ob unter den Betreibern von Verbrauchermärkten lediglich nationale oder auch internationale Anbieter zu finden sind. Daher läßt sich auch nicht die Vermutung prüfen, nach der in mehreren Ländern unterhaltene Verbrauchermärkte c.p. mehr identische Artikel im Sortiment führen als in einem Land allein agierende Betriebe.
310
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Tafelschokolade
Schokoriegel
D
F
Abb. 3.5.: Die Anzahl der nur in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich sowie der in beiden Ländern geführten Artikel Lesebeispiel: In der Bundesrepublik Deutschland werden insgesamt 925 verschiedene Tafelschokoladesorten geführt. In Frankreich hat der Kunde noch 698 zur Auswahl. Von den 925 bzw. 698 Artikeln werden 49 sowohl hierzulande als auch in Frankreich angeboten.
Quelle: Berthold (1994), S. 14.
George!Winter haben in der bereits erwähnten empirischen Studie einen überraschend hohen Grad an Identität zwischen dem in Auslandsmärkten etablierten Sortiment und dem Angebot im Stammland festgestellt. Den Angaben von 26 international tätigen Handelsbetrieben zufolge sind im Durchschnitt etwa zwei Drittel der Sortimente gleich. 149 Möglicherweise ist dieser hohe Wert darauf zurückzuführen, daß der Lebensmitteleinzelhandel nur ca. ein Viertel jener in der Auswertung berücksichtigten Betriebe ausmacht, die international tätig sind. Bei der grenzüberschreitenden Distribution von Schuhen, Unterhaltungselektronik, Textilien und Baubedarf, deren Anbieter ebenfalls in die Stichprobe einbezogen wurden, dürften die Voraussetzungen für eine Sortimentsstandardisierung auf seiten sowohl der Lieferanten als auch der Abnehmer eher vorliegen als im Nahrungs- und Genußmittelsektor.
149
Vgl. George (1992), S. 11.
1. Gründe für die Europäisierung
311
1.1.2.2. Die Internationalisierung von Lieferanten als Anstoß zur Europäisierung Die in den verschiedenen westeuropäischen Ländern tätigen Lieferanten von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels waren wegen der Besonderheiten der Ernährungsindustrie (Vielfalt der Produkte, unterschiedlicher Veredelungsgrad von Rohstoffen, hoher Transportkostenanteil am Produktumsatz etc.) bis etwa Mitte der 80er Jahre überwiegend mittelständisch strukturiert. Von etwa 1975 bis 1985 stagnierte beispielsweise der Anteil am Umsatz, den die zehn größten Unternehmen des Ernährungsgewerbes in der Bundesrepublik Deutschland erzielten, bei ungefähr 11 %. 150 Darüber hinaus konzentrierte sich die Mehrzahl der Betriebe auf die Bearbeitung des jeweiligen Stammlands. 151 Export diente im wesentlichen dazu, ein Ventil für die im heimischen Markt nicht benötigte Produktion zu finden. Lediglich einige wenige Großunternehmen (z. B. Allied Lyons, BSN, Henkel, Nestle, Mars, Philipp Morris, Procter & Gamble und Unilever), die sich mit bestimmten Warenbereichen beschäftigen (Wasch- und Körperpflegemittel, Cerealien, Tiefkühlkost, Fette und Öle, Süßwaren etc.), unterhielten Produktionsstätten und Vertriebsniederlassungen in mehreren westeuropäischen Ländern. Im Zuge der Vorbereitung auf den Europäischen Binnenmarkt haben seit etwa Mitte der 80er Jahre die grenzüberschreitende Betätigung und die internationale Kapitalverllechtung in der Lebensmittelindustrie beträchtlich zugenommen. In mehreren Ländern aktive Großunternehmen waren Vorreiter dieser Entwicklung, während Betriebe mittlerer Größe mit einem Time lag von etwa drei bis fünf Jahre folgten. 152 Von 1975 bis 1985 stieg die Exportquote bei Ernährungsgütern in allen westeuropäischen Ländern bis auf Dänemark, Norwegen, Österreich und Spanien kontinuierlich an. Während die Werte für die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien zwischen 7,9 und 21,5 % schwankten, erreichten die Exportquoten Belgiens/Luxemburgs (68,7 %), der Niederlande (55,1 %), Irlands (44,1 %) und Dänemarks (41 ,8%) eine andere Dirnension. 153 Dieser Sachverhalt kann u.a. auf die Existenz einer leistungsfähigen Landwirtschaft und das für den Export in andere Länder geeignete Produktionsprograrnrn zurückgeführt werden. 154 Rohstoffbasis und Verbraucherpräferenzen führen nämlich zu bestimmten Angebotsschwerpunkten in jedem Land. So entfallen z. B. in Frankreich von der Gesamtproduktion in der Ernährungsindustrie 34% auf Milchprodukte, 8% auf Tiefkühlkost und 5 % auf Backwaren, während in Großbritannien die Vergleichswerte 18%, 14% und 12% betragen. 155
Wie Befragungsergebnisse aus einer Studie, die das manager magazin und Roland Bergerbeiden 600 umsatzstärksten Unternehmen in den EU- und EFTAVgl. Monopolkornmission (1988), S. 93. Vgl. Breitenacherffäger (1990), S. 96. Das geringe Auslandsengagement läßt sich u.a. durch die mittelständische Struktur des Ernährungssektors und die Besonderheiten der Produkte erklären. 152 Vgl. o.V. (1992b), S. 78 ff. 153 Vgl. Breitenacherffäger (1990), S. 91. 154 Vgl. Borrrnann/Michaelis (1990), S. 37 ff. 155 Vgl. Breitenacherffäger (1990), S. 43. 150
15 1
312
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Ländern 1989 durchführte, zeigen, beabsichtigte mehr als die Hälfte der antwortenden Unternehmen, neue Vertriebswege und Produktionsstandorte im westeuropäischen Ausland durch den Aufkauf von Unternehmen zu erschließen bzw. aufzubauen. Eine ähnlich hohe Zustimmungsquote erzielte die Option, ein eigenes internationales Vertriebsnetz zu schaffen und Tochtergesellschaften mit Produktionsstätten im Ausland zu gründen. 156 Daten von Bain & Company bestätigen diese Befunde. Demnach haben die fünf größten europäischen Nahrungsmittelhersteller ihre Unternehmensaufkäufe im Zeitraum von 1986 bis 1989 im Vergleich zu den Jahren 1982 bis 1985 mehr als vervierfacht. 157 Daß sich diese Tendenz bis 1995 fortgesetzt hat, belegen beispielsweise die spektakulären Erwerbungen, die Nestle mit Perrier und Procter & Gamble mit den Vereinigten Papierwerken getätigt haben. Neben dem Zukauf von Marktanteilen und dem Einstieg in bislang noch nicht bearbeitete Produktmärkte dienten Fusionen den Großunternehmen dazu, erfolgreiche Markenkonzepte in bislang noch nicht bearbeitete Länder exportieren zu können.158 Kostenorientierte Ziele und andere Motive (z. B. Sicherung bzw. Erschließung von Rohstoff- und Beschaffungsquellen) spielen demnach bei solchen Anbietern eine untergeordnete Rolle, wenn es um die Gestaltung der Akquisitionsund Beteiligungsstrategie geht. Von den 1988 beim ifo-lnnovationstest befragten Unternehmen des deutschen Nahrungs- und Genußmittelgewerbes wollten 58% die Produktionsstrategie, 57% die Produktpolitik und 44% die Distributionsstrategie ändern. 159 Bei den Anbietern, die den Herstellungsprozeß neu zu strukturieren beabsichtigten, dachten nur 3 % an eine Produktionsverlagerung in andere Staaten, und 30% strebten eine Kooperation (hinsichtlich der Produktion) mit ausländischen Unternehmen an. Da in dieser empirischen Untersuchung überwiegend kleinere und mittelständische Produzenten des interessierenden Wirtschaftszweiges erfaßt wurden, verwundert die Zurückhaltung gegenüber der Errichtung von Produktionsstätten im Ausland nicht. In dieses Bild passen auch Befunde, nach denen lediglich 14% und 21 % aller Nennungen darauf entfielen, in der gesamten EU den Ausbau unternehmenseigener Vertriebsorgane bzw. Vertriebskooperationen voranzutreiben. Die deutsche Wiedervereinigung und die Öffnung osteuropäischer Staaten haben der - Akquisitions- und Beteiligungsstrategie, - Nutzung von Kostenvorteilen durch Produktionsverlagerung sowie - Errichtung eines internationalen Vertriebs
156 157 158 159
Vgl. Wilhelm (1989), S. 191. Vgl. Staudacher (1993), S. 31 f. Vgl. Staudacher (1993), S. 31. Vgl. Penzkofer (1989), S. 11 ff.
1. Gründe für die Europäisierung
313
neuen Auftrieb gegeben. Pioniere waren hierbei wiederum Großunternehmen mit internationaler Erfahrung. 160 Wie empirische Ergebnisse von Engelhard/Ecken belegen, verfolgen jene mit dem Markteintritt in Osteuropa in erster Linie das Ziel, neue Absatzmärkte zu erschließen, während die Nutzung von Kostenvorteilen als relativ unwichtig eingestuft wird. 161 Das zuletzt genannte Motiv schätzen hingegen kleinere Unternehmen als bedeutend ein, und zwar dann, wenn in Osteuropa investiert werden soll. Gleichzeitig verliert die Zielkategorie Eroberung neuer Absatzmärkte bei dieser Gruppe von Herstellern an Relevanz. Beleuchtet man die deutsche Situation näher, so ist zu erkennen, daß seit Mitte der 80er Jahre von ausländischen Unternehmen (insbesondere Großbetrieben aus der Schweiz, Frankreich, Großbritannien bzw. den Niederlanden) hierzulande wesentlich mehr investiert wurde als von deutschen Lebensmittelherstellern im Ausland. 162 Die Wiedervereinigung und der Nachfragesog, der davon ausging, sowie die mittelständische Struktur deutscher Anbieter waren hierfür die wesentlichen Ursachen. 163 Von 1986 bis 1991 stieg der Anteil, den die Hersteller tätigten, die sich in ausländischem Mehrheitsbesitz befinden, am gesamten Inlandsumsatz für Waren des typischen Sortiments von Absatzmittlern des Lebensmittelsektors von 15% auf immerhin 31 %. Im enger abzugrenzenden Bereich der Nahrungs- und Genußmittel war mehr als eine Verdoppelung (von 11 %auf 27%) zu verzeichnen. 164 Gemäß einer empirischen Studie, die die Lebensmittel-Zeitung 1991 auf der Basis von 450 Unternehmen der deutschen Ernährungsindustrie durchgeführt hat, lassen sich folgende größenbedingte Unterschiede in bezug auf die Internationalisierung von Produzenten in der EU (zuzüglich Schweiz und Österreich) feststellen:I65 - Kleinere Hersteller (bis zu 100 Mio. DM Umsatz) sind lediglich zu 77% im Ausland (hauptsächlich in Belgien und den Niederlanden) in irgendeiner Weise tätig, während 97% aller Großbetriebe (Unternehmen mit mehr als 400 Mio. DM Umsatz) nahezu sämtliche europäischen Länder bearbeiten. - Großbetriebe verfügen zu 79 % über Tochtergesellschaften bzw. Niederlassungen im Ausland. Der Vergleichswert bei der Kontrastgruppe beträgt nur 23 %. - Während Großbetriebe in allen von ihnen abgedeckten Warengruppen europaweit so stark wie möglich expandieren wollen (61 %) und dabei hauptsächlich auf die Schaffung von einheitlichen Euromarken setzen (58%), beabsichtigen 160
Vgl.Jansen (1993), S. 45 ff.; Störmer (1993), S. 350 ff. ; Wesnitzer (1993), S. 140 ff.
161 Vgl. Engelhard/Eckert (1993), S. 175f. 162 Vgl. Monopolkommission (1994), S. 125. Das hat dazu beigetragen, daß von 1981 bis
1987 die Anzahl der Lebensmittelhersteller um mehr als 12%, nämlich auf 6.363 Unternehmen abgenommen hat. Vgl. BreitenacherfTäger (1990), S. 59. 163 Vgl. BreitenacherfTäger (1990), S. 94. 164 Vgl. Monopolkommission (1994), S. 125f. 165 Vgl. o.V. (1992b), S. 78 ff.
314
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Kleinbetriebe in der Regellediglich die Forcierung einiger Produkte (52%), indem sie danach streben, erfolgreiche nationale Marken in Auslandsmärkte ein. zuführen (59%). Wenngleich es aufgrund der durch die deutsche Wiedervereinigung und die Öffnung Osteuropas ausgelösten Strukturbrüche schwerfällt, Trends auf der Lieferantenstufe mit der Internationalisierung im Lebensmitteleinzelhandel direkt in Verbindung zu bringen, läßt sich doch folgendes konstatieren: In bestimmten Warenbereichen ist eine Entwicklung hin zu einer höheren Konzentration auf seiten der Hersteller unverkennbar. Wegen der in der Amtlichen Statistik nicht enthaltenen finanziellen (Minderheits-) Beteiligungen und personellen Verflechtung dürften die von größeren Lebensmittelherstellern kontrollierten Marktanteile in Europa zudem relativ stark unterschätzt werden. - Bedeutende Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels sind spätestens seit Ende der 80er Jahre in allen (wichtigen) europäischen Ländern (mit Tochtergesellschaften bzw. Niederlassungen) vertreten. Kleinere Lebensmittelhersteller besitzen in der Regel eine geringe internationale Erfahrung. Sie konzentrieren sich entweder auf die Produktion von Spezialitäten und die Besetzung von Marktnischen im Stammland oder versuchen seit Anfang der 90er Jahre, sich zunächst in Nachbarstaaten zu betätigen, um danach den Eintritt in entferntere, aber attraktive Märkte zu wagen. Diese drei Schlußfolgerungen nähren die Vermutung, nach der die Internationalisierung des Lebensmitteleinzelhandels durch die Konzentration und grenzüberschreitende Betätigung der Schlüssellieferanten Auftrieb erhalten hat. 166 Dies läßt sich folgendermaßen begründen: Um als Abnehmer von Leistungen nicht Boden gegenüber immer weniger Markenartikelherstellern zu verlieren, muß die eigene Marktbedeutung durch eine Expansionsstrategie gesteigert werden. 167 Sofern diese im Stammland nur noch durch Einsatz unverhältnismäßig hoher Mittel zu verwirklichen ist (wie z. B. Ende der 80er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland, in Dänemark und Frankreich), verbleibt Einzelhandelsbetrieben vielfach lediglich der Schritt über Ländergrenzen. Da die namhaften Produzenten ihre Premiummarken nahezu in jedem europäischen Land vertreiben, können Einzelhandelsbetriebe zudem auf die bekannten Beschaffungsquellen rekurrieren. Dadurch lassen sich u.U. vorhandene Schwierigkeiten bei der Warenbeschaffung vor Ort abfedern. 168 Die 50 bedeutendsten (von insgesamt 3.000) Lieferanten der REWE-Gruppe, durchweg multinationale Hersteller, vereinen etwa 47% des Beschaffungsumsatzes auf sich. Dabei läßt 166 Für Ahrens (1994), S. 77, stellen diese Faktoren Ursachen für die Entstehung supranationaler Verbundgruppen dar. 167 Folglich treiben Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels ihre Internationalisierung voran, um den Machtvorsprung von Herstellern aufzuholen. Vgl. hierzu 2. Kapitel, Abschn. 2.1.3. 168 Vgl. hierzu Tab. 3.15. in Abschn. 1.1.1.4. in diesem Kapitel.
1. Gründe für die Europäisierung
315
sich eine kontinuierlich steigende Konzentration auf immer weniger Produzenten festste1len.169 Folglich verwundert es nicht, daß die REWE versucht, ihre Position im Beschaffungsmarkt dadurch zu sichern und zu stärken, daß sie in der Eurogroup eine enge Zusammenarbeit mit anderen europäischen Handelsbetrieben pflegt. 170
Kleinere Lebensmittelhersteller, die etwa seit Beginn der 90er Jahre danach streben, den Vorsprung ihrer größeren Wettbewerber auf internationalen Märkten aufzuholen, werden wegen ihrer geringen Auslandspräsenz und -erfahrung versuchen, die Chance zu nutzen, mit den Handelspartnern in andere Staaten vorzustoßen. Ob sich eine solche bietet, erscheint jedoch fraglich; denn das wertmäßige Volumen, das in verschiedenen europäischen Ländern tätige Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe bei mittelständischen Auslandslieferanten ordern, soll Schätzungen von internationalen Handelsmanagern zufolge von 10 % (1992) auf lediglich 11 % im Jahr 2002 ansteigen. Gewinner sind demnach eindeutig grenzüberschreitend agierende Großunternehmen, deren Anteil wahrscheinlich von 36% auf 47 % im gleichen Zeitraum anwächst, während ausschließlich in einem Land engagierte Hersteller an Boden verlieren werden.171 Trifft diese Prognose zu, dann wird sich die Marktmacht der Großbetriebe auf seiten des Handels und der Hersteller weiter erhöhen.172 Von Aldi wird berichtet, daß 70 % der in den verschiedenen europäischen Ländern angebotenen Waren jeweils von einem einzigen Hersteller stammen. Derjenige Produzent, der es schafft, die Bedingungen von Aldi zu erfüllen (im wesentlichen eine zum Marktführer vergleichbar hohe Qualität, niedriger Einstandspreis, entsprechende Liefermoda1itäten und hohe Lieferzuverlässigkeit), erhält die Listung in ganz Europa. Die Ware wird dann in der Regel mit gleicher Rezeptur, aber unterschiedlicher Kennzeichnung (Name, Verpackungsbeschriftung etc.) in allen europäischen Aldi-Verkaufsstellen distribuiert. 173
1.1.2.3. Die Verfügbarkeif von kompetenten Absatz- und Beschaffungshelfern in den einzelnen europäischen l.iindem
Um die Vielzahl komplexer, unterschiedlicher Interaktionen, die bei der internationalen Absatz- und Beschaffungspolitik anfallen, zu bewältigen, erscheint die Existenz kompetenter Absatz- und Beschaffungshelfer in dem Stammland und in den Zielmärkten unentbehrlich. 174 Im Rahmen der Informationsgewinnung über 169 Vgl. Reischi (1994), S. 11. 110 Siehe dazu Abschn. 2.1.3.2. in diesem Kapitel. 171 Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 224. 172 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 3.1.2. in diesem Kapitel. 173 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 43. Weil Aldi zwei Brüdern gehört, die das Unternehmen in Aldi Süd und Aldi Nord aufgeteilt haben, erfolgt die europäische Listung nur in den Ländern automatisch, die entweder von Aldi Süd oder von Aldi Nord gesteuert werden. Weil beide Bereiche jedoch im Beschaffungsbereich eng miteinander kooperieren, werden erfolgreiche Produkte relativ schnell im gesamten Aldi-Konzern geführt. 174 Vgl. hierzu Kapitel2., Abschn. 2.2.3., insbesondere Abb. 2.10. und Abb. 2.11.
316
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
ausländische Absatz- und Beschaffungsmärkte spielen naturgemäß Marktforschungsunternehmen, Verbände, Forschungsinstitute, Statistische Ämter und Messen eine zentrale Rolle. Wie nachstehende Beispiele belegen sollen, haben folgende Institutionen seit etwa Mitte der 80er Jahre versucht, durch entsprechende Leistungen der aus der Internationalisierungsstrategie des Einzelhandels erwachsenen Informationsnachfrage gerecht zu werden: Corporate Intelligence Group und M+M-Eurodata publizierten 1991 bzw. 1993 die ersten vergleichend angelegten Markforschungsberichte über den europäischen LebensmitteleinzelhandeL 175 Das Münchner ifo-Institut veröffentlichte neuere Daten zum Handel in Europa Anfang der 90er Jahre. 176 Das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften-Eurostat hat erstmals 1993 aktuelle amtliche Vergleichsdaten über den Einzelhandel in Europa zusammengestellt. 177 Darüber hinaus verfolgt Eurostat gemäß einer Resolution des Rates der EU aus dem Jahr 1989 und einer entsprechenden Entscheidung von 1992 das Ziel, eine europäische Handelsstatistik zu erstellen.
- Kommerzielle Marktforschungsinstitute (z. B. A. C. Nie/sen, GfK, Sofres/ Cecodis, Research International, International Research Institutes, International Research Associates, Gallup) haben sich im Zuge ihrer Internationalisierungspolitik178 zuerst mit Fragen beschäftigt, die insbesondere von seiten der Markenartikelindustrie im Kontext mit deren grenzüberschreitender Expansionsstrategie geäußert wurden.179 Die Entwicklung von Dienstleistungen, die auf die Informationsbedürfnisse von international expandierenden Handelsunternehmen zugeschnitten sind (z. B. Untersuchung der Betriebstypenstruktur in verschiedenen Ländern, Informationen über ausländische Beschaffungsquellen), setzte Anfang der 90er Jahre ein und weist nach wie vor einen Rückstand zur europäischen Marktforschung auf, die sich an die Industrie als Kunden wendet. ISO - Die Gilde der Unternehmensberatungsgesellschaften versucht ebenfalls, die von seiten der Einzelhandelsunternehmen geäußerte Nachfrage nach Informationen zu befriedigen. Beispielsweise gibt Arthur Andersen seit 1984 die Zeitschrift Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991); M+M-Eurodata (1993). Vgl. z. B. Ahrens/Halbachffäger (1993) und Beuthien/Schwarz!fäger (1993). m Vgl. Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften - Eurostat (1993), Vorwort. 178 Diese schlug sich in einer Vielzahl von strategischen Allianzen und Direktinvestitionen sowie 1992 in der Gründung eines europäischen Dachverbandes, der EFAMRO- European Federation of Associations of Market Research Organizations, nieder. Vgl. o.V. (1992c), S. 26. 179 Auf den Time lag zwischen der Internationalisierung von Konsumgüterherstellern und jener von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels wurde in Abschn. 1.1.2.2. dieses Kapitels bereits hingewiesen. 180 Vgl. o.V. (1989c), S. 85 ff. Siehe hierzu auch Covi/Marschner (1994), S. 255 ff., die den Status quo der empirischen Handelsforschung in zahlreichen EFTA- und EU-Ländern quantitativ untersucht haben. 175
176
1. Gründe für die Europäisierung
317
"International Trends in Retailing" heraus, die zweimal jährlich erscheint. Die Firma Management Horizons veröffentlicht in dem Kunden monatlich bereitgestellten Magazin Retail Europe aktuelle Daten über Unternehmen und Märkte des europäischen Einzelhandels. Darüber hinaus versucht die auf den Handel spezialisierte und in diesem Sektor weltweit bekannte Beratungsgesellschaft ihrer Klientel u.a. durch spezielle Aktivitäten (Veranstaltung von Kongressen, Seminaren etc.) und Publikationen (z. B. den statistische Daten über in Buropa tätige Handelsunternehmen enthaltenden Band mit dem Titel "Europe's Leading Retailers 1992") 181 bei der Gestaltung und Implementierung ihrer Internationalisierungsstrategie zu helfen. - Hierzulande hat bereits 1991 die BBE-Unternehmensberatung GmbH Berichte über die Struktur des Handels in den ehemaligen Staaten des Ostblocks herausgebracht. 182 Das Roland Berger Forschungs-Institut veröffentlichte 1992 Befunde aus einer empirischen Untersuchung über Strategien europäischer Handelsunternehmen und Verbundgruppen. 183 - Die im Frühjahr 1993 vollzogene Gründung der EuroCommerce als Dachverband des gesamten europäischen Handels 184 und die internationale Vernetzung von Organisationen wie z. B. des Deutschen Handelsinstituts-DHI, das 1993 in EuroHandelsinstitut-EHI umbenannt wurde, bilden weitere Indizien dafür, daß in letzter Zeit zunehmend Kontaktstellen für internationalisierungswillige Handelsbetriebe geschaffen wurden. Nicht nur die Informationsgewinnung über für Handelsbetriebe relevante Auslandsmärkte hat einen Auftrieb erfahren, sondern auch das Unterstützungspotential, das in- und ausländische Absatz- und Beschaffungshelfer bei der Gestaltung der Internationalisierungsstrategie konkret bereitstellen. Folgende Beispiele, die verschiedene Felder und Elemente der Auslandsmarktbetätigung berühren, mögen als Beleg hierfür dienen: - Anbieter von Betriebsmitteln (Regale, Kassen, Waagen etc.) mußten groBteils neue Produkte kreieren, um die in Buropa unterschiedlichen Anforderungen bzw. Konventionen erfüllen zu können. So hat beispielsweise Mettier Toledo für die in zahlreichen Ländern agierenden Mitglieder der Handelskooperation Eurogroup eine Waage entwickelt, die im Frischwarensektor eingesetzt und den Besonderheiten verschiedener Ländermärkte (z. B. unterschiedliche Bedienungsform, spezifische Warenwirtschaftssysteme) flexibel angepaßt werden kann. 185 Der Hansa Kontor-Gruppe, einer Kooperation sich im Angebotsprogramm ergänzender Ladenbauer, ist es gelungen, ein alle europäischen Standards erfüllenVgl. Management Horizons (1992). Vgl. BBE-Unternehmensberatung GmbH (1991a, b, c, d). 183 Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992). 184 Darauf wurde bereits im 1. Kapitel, Abschn. 2., hingewiesen. 185 Diese Angaben beruhen auf einer Information von Mettier Toledo GmbH, Gießen, und o.V. (1994g), S. 22. 181
182
318
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
des Regalsystem zu schaffen. Dadurch läßt sich dieses europaweit einsetzen. Es bietet somit die Gewähr dafür, daß die Ladeneinrichtung (zumindest in bezug auf die Gestaltung von Regalen) in mehreren Ländern standardisiert werden kann.ts6 - Dem Vordringen von Konsumgüterherstellern in immer mehr Auslandsmärkte sind auch große Werbeagenturen gefolgt. Beispielsweise berichtet Dahm darüber, daß in Ungarn die den Weltmarkt dominierenden Anbieter (Ogilvy & Mather, McCann-Erickson, Young & Rubicam, Grey, Leo Burnett etc.) ab etwa 1988 auftauchen. 187 Dadurch besitzen auch Handelsunternehmen, die dieses Land bearbeiten wollen, kompetente Ansprechpartner. Jedoch müssen z. B. hinsichtlich der äußeren Gestalt von Werbemitteln (Papier- und Druckqualität von Beilagen usw.), der Geschwindigkeit der Erstellung einer Dienstleistung sowie Existenz und_ Kosten bestimmter Werbeträger landestypische Besonderheiten in Kauf genommen werden. - Die Consultingbranche zählt zu denjenigen Sektoren, die bereits frühzeitig einen hohen Internationalisierungsgrad erreicht haben. Dieser hat sich seit Anfang der 80er Jahre noch erhöht. 188 Allgemeine Unternehmensberatung und Hilfestellung in bezugauf einzelne Funktionsbereiche (z. B. Personalberatung) 189 dürften daher für internationalisierungswillige Handelsunternehmen in jedem europäischen Land in dem erforderlichen Ausmaß existieren. So können Einkäufer des Lebensmitteleinzelhandels beispielsweise das Angebot von externen Dienstleistern nutzen, die sich auf die internationale Beschaffung spezialisiert haben. Diese helfen ihren Kunden gegen entsprechendes Honorar u.a. bei Recherchen in anderen Staaten, der Bewertung und Selektion von ausländischen Lieferanten und der Pflege der Geschäftsbeziehung zu Produzenten in verschiedenen Nationen.L90 - Anbieter von Logistik-Dienstleistungen, Kreditinstitute und Versicherungsgesellschaften, die ihr Angebot zunehmend europäisch ausrichten/ 91 tragen dazu bei, die Internationalisierungspolitik von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels effizienter zu gestalten. Beispielsweise führt die enge Kooperation von Handels- und Logistikunternehmen dazu, daß Verteilzentren, die Verkaufsstellen in mehreren Ländern beliefern, einerseits durch entsprechende Transportlosgrößen und andererseits durch eine bessere Auslastung der Lagerkapazität niedrigere Logistikkosten erreichen. 186 Dieses Beispiel basiert auf einer Anzeige in der vom EuroHandelsinstitut e.V. herausgegebenen Broschüre "Handel aktuell '94", S. 2 f. 187 Vgl. Dahm (1994), S. 63 f. 188 Vgl. Meurer (1993), S. 3. 189 Vgl. Kreikebaurn!Jahnke/John ( 1994). 190 Vgl. o.V. (l994h), S. 39. 191 Zur Internationalisierung von Finanzintermediären siehe Robock/Simmonds (1989), s. 89ff.
l. Gründe für die Europäisierung
319
Vermarktungskonzepte von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels fußen insbesondere bei preisaggressiven Betriebstypen auf einer ausgeklügelten Logistikkonzeption. Dabei spielen Speditionen und andere Logistikdienstleister eine Rolle. Will ein Einzelhandelsbetrieb einen Auslandsmarkt erschließen, muß er entweder vor Ort ansässige Logistikunternehmen finden, die die von ihm gestellten Anforderungen erfüllen, oder dafür Sorge tragen, daß sich solche Anbieter vor Ort ansiedeln. Möglicherweise expandieren auch Betriebe ins Ausland, mit denen das Unternehmen im Inland erfolgreich zusammenarbeitet. Expertenmeinungen zufolge basiert beispielsweise die von Lidl & Schwarz in Frankreich, Italien und Spanien betriebene Internationalisierungspolitik wesentlich auf einer bestimmten distributionslogistischen Konzeption. Ohne die Einschaltung von vor Ort ansässigen Absatzhelfern, die in diesem Bereich die erforderliche Kompetenz besitzen, wären die Warenverteilung bei Lidl & Schwarz und das enorme Tempo, das bei der Marktpenetration an den Tag gelegt wird, nicht möglich. 192 Durch die Nutzung eines europaweiten Cash Management-Systems können ebenfalls Kosten gesenkt werden. Damit lassen sich u.a. eine Unter- oder Überdeckung an Zahlungsmitteln auf verschiedenen Konten automatisch ausgleichen, internationale Liquiditätssteuerung betreiben und leichter Finanzanlagen tätigen. Nach einer Studie der EU-Kommission belaufen sich die Kosten, die bei grenzüberschreitendem Zahlungsverkehr anfallen, auf ca. I % des Rechnungsbetrages, worin die unternehmensinternen Aufwendungen (für die komplizierten Buchführungsvorgänge etc.) noch nicht enthalten sind. 193 Bei der letztgenannten Aufwandskategorie vermögen Informationssysteme zu helfen, in die ein Währungsmodul integriert ist. 194 Ob die relevanten Absatz- und Beschaffungshelfer den Anforderungen der internationalisierungswilligen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels entsprechen, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht abschließend geklärt werden. Vieles (auch die oben genannten Beispiele) deutet jedoch darauf hin, daß der mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf in den 80er Jahren verstärkt von Konsumgüterherstellern in Gang gesetzte Intemationalisierungsprozeß zu einem Aufbau von Standorten und einem Angebot spezieller Dienstleistungen auf seiten der Intermediäre geführt hat. Diese können auch von Handelsunternehmen genutzt bzw. für ihre Bedürfnisse modifiziert werden. In der Literatur sind keine empirischen Untersuchungen darüber zu finden, ob und inwiefern das Dienstleistungsangebot von in- und/oder ausländischen Absatz- und Beschaffungshelfern den Internationalisierungsprozeß von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels konkret beeinflußt hat. 195 So kann lediglich darüber spekuliert werden, ob das Scheitern einiVgl. hierzu auch Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1994), S. 212. Vgl. Stuker (1992), S. 50f. 194 Rittenbruch (1993), S. 48 ff., stellt ein auf die Belange der internationalen Beschaffung von Frischeprodukten zugeschnittenes Informationssystem vor. 195 Das liegt wohl u.a. daran, daß Absatz- und Beschaffungshelfer in der handelsbetriebliehen Literatur bislang weitgehend vernachlässigt werden. Vgl. z. B. Hansen (1990); Müller-Hagedorn (1993); Tietz (1993c). 192 193
320
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
ger absatzmarktbezogener Auslandsaktivitäten in den 70er Jahren 196 auch durch das Fehlen kompetenter Absatzhelfer bedingt war. Beispielsweise hätten detaillierte ländervergleichende Untersuchungen über die Geschmackspräferenzen und das Konsumverhalten das hohe Risiko des Mißerfolgs der damals mit Vorliebe verfolgten Strategie vor Augen geführt, die in dem Transfer des im Stammarkt realisierten Betriebstyp- bzw. Vermarktungskonzepts in den Zielmarkt ohne jegliche Anpassung bestand.
I.I.2.4. Die Imitation der Internationalisierungsstrategie von Wettbewerbern
Die Nachahmung der Internationalisierungsstrategie von Wettbewerbern kann sich auf seiten des Absatzes auf die Gestaltung sowohl des Markteintritts (in bezug auf Auswahl der Zielmärkte, Festlegung des Eintrittsobjektes, institutionelles Arrangement bzw. Formen und Timing) als auch der Marktbearbeitung (hinsichtlich Management, Strategien und operativen Maßnahmen des internationalen Marketing) beziehen. Fraglos birgt eine (nahezu) vollkommene Imitation (sofern sie überhaupt rechtlich möglich ist) erhebliche Risiken in sich. Dazu zählen z. B. eine häufig mangelhafte Vorbereitung des Auslandsmarktengagements und die Tatsache, daß man gegenüber dem Konkurrenten, dessen Strategie übernommen wird, dauerhaft im Nachteil ist; denn dieser profitiert als Pionier von einem Zeitvorteil, der sich gemäß dem Erfahrungskurveneffekt in einem höheren Zielerreichungsgrad niederschlägt. Einer Imitation der Strategie eines Wettbewerbers sind darüber hinaus neben rechtlichen Schranken informatorische Grenzen gesetzt. Deswegen spielt in diesem Kontext auch die Akquisition von Mitarbeitern aus der Riege der Führungskräfte des relevanten Konkurrenten eine große Rolle. 197 Können dadurch oder durch andere Wege nicht die notwendigen Informationen beschafft werden, beschränkt sich die Nachahmung auf durch Außenstehende wahrnehmbare Aktivitäten des Pioniers (z. B. Auswahl der Zielmärkte, Form des Markteintritts, Marktbearbeitungsstrategie, Sortiments- und Preispolitik). 198 Bei der Imitation der internationalen Beschaffungspolitik von Wettbewerbern verhält es sich, was die Risiken und Schwierigkeiten der Umsetzung betrifft, nicht wesentlich anders. Konkret geht es in diesem Kontext um Intensität, d. h. im wesentlichen um den Anteil des in Auslandsmärkten getätigten Einkaufsvolumens, Beschaffungsländer, -güter und -wege. Sekundärstatistische Befunde zu den hier angesprochenen Facetten liegen nur wenige vor. In einzelnen Publikationen zur Europäisierung von Hard discounter wird z. B. die wettbewerbsorientierte Gestaltung der Internationalisierungsstrategie Im 1. Kapitel, Abschn. 2.4., werden einige Beispiele hierfür aufgeführt. Einer Pressemeldung zufolge besetzt z. B. Norma hochkarätige Führungspositionen am liebsten mit ehemaligen Managern von Aldi. Vgl. o.V. (1995c), S. 36. 198 Brezski skizziert den Informationsbedarf, der sich im Rahmen einer Konkurrentenforschung ergibt. Dazu zählen Informations- und Investitionspolitik, aber auch Intensität, Richtung sowie Zeit des Markteintritts und der Marktbearbeitung. Vgl. Brezski (1993), S. ?Off., insbesondere S. 78 ff. 196
197
1. Gründe für die Europäisierung
321
thematisiert. So erörtert man die grenzüberschreitenden Aktivitäten von Aldi, Netto (Dansk Supermarked), Lid[ (Lidl & Schwarz), Norma und Plus (Tengelmann), die etwa seit 1988 beträchtlich zunahmen, unter diesem Blickwinkel. Beispielsweise berichtet M+M-Eurodata, daß Dansk Supermarked den Betriebstyp Netto deswegen in Großbritannien einführte, um Anschluß an Aldi halten zu können.199 Die Entschlossenheit, mit der Lidl & Schwarz seinen Betriebstyp Lidl u.a. in Spanien, Frankreich, Großbritannien und Italien forciert, führt die LebensmittelZeitung darauf zurück, daß dieses Unternehmen aus der Entwicklung des deutschen Marktes seine Lehren gezogen hat; denn hierzulande konnte sich Aldi in den 60er und 70er Jahrenaufgrund der Untätigkeit der Konkurrenten einen nahezu unaufholbaren Vorsprung verschaffen. Um in europäischen Märkten nicht den gleichen Fehler noch einmal zu begehen, versuchen die deutschen und alle anderen Wettbewerber von Aldi, ein mindestens so großes, wenn nicht gar höheres Expansionstempo an den Tag zu legen. 200
Lidl & Schwarz ist im Herbst 1989 zeitgleich mit Norma in den französischen Markt eingedrungen. 1993 haben nahezu zur gleichen Zeit Tengelmann und Lid/ & Schwarz ihre ersten Discountfilialen in Spanien eröffnet. 201 Im Rahmen der bereits im 1. Kapitel, Abschn. 2.4., erwähnten empirischen Untersuchung kam Burt u.a. zu dem Ergebnis, daß die ersten Unternehmen, die Mitte der 70er Jahre den Sprung über die Landesgrenzen wagten, zu den führenden nationalen Anbietern gezählt haben. Deswegen war auch eine gewisse Anzahl an Internationalisierungsprojekten festzustellen, weil die jeweiligen Konkurrenten den Innovatoren, die zugleich Marktführer waren, folgen mußten. 202 Dieser Boom hielt jedoch nur kurz an, weil die Euphorie in bezug auf die internationale Absatzpolitik aufgrund der Mißerfolge, die manche der Vorreiter erlitten, einen herben Dämpfer erhielt.
Diese Beispiele bzw. empirischen Befunde mögen als Indizien für zweierlei gelten: Bestimmte Ländermärkte sind aufgrund der generellen Bedingungen, die dort herrschen,203 für ausländische Handelsbetriebe attraktiv. Ein oligopolistisches Parallelverhalten erscheint hinsichtlich des Timing des Markteintritts und der Auswahl der zu bearbeitenden Länder unverkennbar?04 Die Motive, die Liebmann/Jungwirth bezüglich der Erschließung osteuropäischer Märkte aus der Sicht von Managern europäischer Handelsunternehmen zutage gefördert haben, gibt Tab. 3.19. wieder. 205 Danach ist das Ziel, einen Vorsprung 199 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. DK, I, 4. zoo In Großbritannien plant Lidl & Schwarz bis Ende 1996 mehr Hard discount-Verkaufsstellen zu eröffnen und zu unterhalten als Aldi sowie Dansk Supermarked zusammen. Vgl. o.V. (1995a), S. 36. 201 Vgl. Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1994), S. 210 und S. 212. 2o2 Vgl. Burt (1991), S. 500f. 203 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 1.1.1. in diesem Kapitel. 204 Vgl. 2. Kapitel, Abschn. 2.1.1.
21 Lingenfelder
322
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung Tabelle 3.19.
Motive für den Eintritt in osteuropäische Märkte Absatzpotential im Gastland Marletsättigung im Stammland Der Konkurrenz
zuvorkommen
Unterndunerische
Ambitionen
Rawnliche Nahe
Kostenvorteile
Mit der Konkurrenz "gleichziehen"
Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrades
Kulturelle/mentale Nähe
0% Legende:
20%
40%
60%
80%
100%
0 =Wenig wichtig bzw. nicht wichtig Cl = Weder noch
• = Sehr wichtig bzw. wichtig Quelle: Liebmann/Jungwirth (1994), S . 14.
gegenüber den Konkurrenten zu erreichen, nach den ökonomischen, marktbezogenen Kriterien, nämlich Absatzpotential im Gastland und Marktsättigung im Stammland, für die Aufnahme von Geschäften in Osteuropa maßgebend. Wenn man der Konkurrenz allerdings nicht mehr zuvorkommen kann, so wollen Handelsbetriebe zumindest mit den Wettbewerbern, die in einem osteuropäischen Land bereits Fuß gefaßt haben, gleichziehen (vgl. Tab. 3.19.). Offenbar sind die Befragten der Auffassung, daß die attraktiven Standorte in den verschiedenen osteuropäi205
Vgl. Liebmann!Jungwirth (1994), S. 14.
1. Gründe für die Europäisierung
323
sehen Staaten (insbesondere Ungarn, Tschechien, Polen und Slowakei)206 rasch besetzt sein werden. Dadurch ergibt sich ein Zwang, vor, zeitgleich mit oder unmittelbar nach den Hauptwettbewerbern in diese Märkte einzudringen. Wahrscheinlich wurde bei dieser Untersuchung nicht zwischen internationalem Absatz und grenzüberschreitender Beschaffung differenziert; denn der Wert, welcher der Erzielung von Kostenvorteilen als Motiv für den Eintritt in osteuropäische Märkte beigemessen wird, erscheint nur so plausibel. Wäre zwischen Absatz und Beschaffung getrennt worden, hätte dieser Antriebsfaktor im ersten Bereich keine und im zuletzt genannten Funktionsbereich vermutlich die entscheidende Rolle gespielt. 1.1.3. Die Veränderung interner Rahmenbedingungen von Einzelhandelsbetrieben
Aufgrund von internem und externem Wachstum haben sich insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, in Frankreich und Großbritannien in den 70er und vor allem 80er Jahren Großbetriebe herausgeschält. In keinem Staat der EU und der EFTA besitzen die zehn größten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels einen kleineren kumulierten wertmäßigen Marktanteil als 44 %?07 Tietz schätzt, daß 1990 die 50 größten Anbieter 70% des Marktvolumens im europäischen Lebensmittelsektor umgesetzt haben?08 Nach Daten von M+M-Eurodata erzielen die zwanzig umsatzstärksten Anbieter jeweils weit mehr als 10 Mrd. DM Umsatz, wobei der Spitzenreiter, die Metro-Gruppe, bei etwa 71 Mrd. DM rangiert.209 Dies deutet darauf hin, daß große Unternehmen entstanden sind, die u.a. ein entsprechendes Innenfinanzierungspotential aufweisen. 210 Insbesondere für deutsche Handelsbetriebe erscheint dieser Gesichtspunkt bedeutsam; denn im Gegensatz zu Großbritannien, wo die fünf führenden Anbieter im Lebensmittelhandel an der Börse notiert sind, befinden sich einige der deutschen Absatzmittler mit nennenswertem Marktanteil in (Gründer-)Familienbesitz. Wenn die Eigentümerstruktur nicht verändert werden soll, können z. B. der Aufbau von Filialen oder der Aufkauf eines geeigneten Unternehmens in einem Auslandsmarkt nur durch SelbstfiVgl. Liebmann/Jungwirth (1994), S. 13. Vgl. hierzu Tab. 3.11. 2os Vgl. Tietz (1994), S. 23. Bezieht man sowohl Einzelunternehmen als auch supranationale Verbundgruppen ein, stützt M+M-Eurodata (1993), S. ·11, 3, diese Prognose. Dort wird der Marktanteil der 20 umsatzstärksten Akteure für 1992 auf74 % geschätzt. Berücksichtigt man lediglich Einzelunternehmen, kommt M+M-Eurodata (1993), S. II, 8, zu einem wertmäßigen Marktanteil der Top 50 von ca. 62 % für 1992. 209 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. II, 3 und S. li, 8. 210 Bruins (1990), S. 98, argumentiert folgendermaßen: "Um auf internationaler Ebene operieren zu können, fehlten sowohl die finanziellen Mittel als auch die erforderlichen Marktkenntnisse." 206
201
21*
324
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
nanzierung und, je nach Sicherungsmöglichkeit, sorgfaltig dosierter Fremdfinanzierung bewerkstelligt werden. Eine weitere im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Betätigung wichtige unternehmensinterne Determinante bildet das HumankapitaL 211 Wie empirische Befunde von Zentes/Anderer belegen, messen europäische Handelsmanager dem Funktionsbereich Personalwesen neben Logistik und Beschaffung eine hohe Bedeutung für den Unternehmenserfolg bei. Daher müssen sich zahlreiche der in der Stichprobe vertretenen Unternehmen mit den Problemen befassen, die mit dem Generationenwechsel an der Unternehmensspitze einhergehen (vgl. Abb. 3.6.)?12 Darüber hinaus gewinnt man den Eindruck, daß die Personalpolitik auf allen Ebenen neu auszurichten ist.
Stark abnehmende Bedeutung
Mittelwen Stark zunehmendeBedeutung
Indikator
I
Förderung des Führungsnachwuchses
1,6
Generationenwechsel in der Untemehmensleitung
2,5
Rekrutierung von Mitarbeitern
2,3
Qualifikation von Mitarbeitern
1,8
3
2
4
5
~
/
1
Abb. 3.6.: Der Stellenwert personalpolitischer Probleme aus der Sicht europäischer Handelsmanager Quelle: In enger Anlehnung an Zentes/Anderer ( 1993), S. 34.
Die Validität der von Zentes/Anderer zutage geförderten Erkenntnisse, die vorwiegend von deutschsprachigen Auskunftspersonen aus der Bundesrepublik Deutschland, aus Österreich und der Schweiz stammen, wird durch Befunde des Roland Berger Forschungs-Instituts bestätigt. Auf die Frage, ob einzelne Absatzmittler des eigenen Landes gegenüber Wettbewerbern aus anderen Staaten im Bereich des Personals überlegen sind, billigten sich lediglich belgisehe und schwedische Handelsmanager einen sehr deutlichen Know-how-Vorsprung zu (vgl. Tab. 3.20.). Deutschland und Österreich besitzen lediglich einen schwach ausge211 Vgl. Müller (1991). Auf die Bedeutung des Humankapitals für die Marktposition von Handelsbetrieben hat bereits Woll (1964), S. 55 ff., hingewiesen. 212 Es handelt sich dabei um schwierige Nachfolgerprobleme, weil nicht selten vom Eigentümer geführte Handelsbetriebe davon betroffen sind.
1. Gründe für die Europäisierung
325
prägten bzw. kleinen Vorteil. 213 Folglich gilt es, das erkannte Defizit, das sich auch negativ auf den Erfolg der Internationalisierungsstrategie auswirkt, zu beheben. Das Mitte der 90er Jahre betriebene Personalmarketing der Kaufhof AG und der Tengelmann-Gruppe, das sich u.a. in Anzeigenserien zwecks Gewinnung von hochqualifiziertem Führungsnachwuchsniederschlägt (Betonung der Internationalität des jeweiligen Unternehmens usw.), und die sich mehrenden Stimmen, die eine Besetzung von Schlüsselpositionen durch entsprechend qualifizierte Manager fordern (und zwar unabhängig davon, welcher berufliche Hintergrund vorhanden ist), 214 deuten die Veränderung an, die sich im Personalwesen von Großbetrieben des Einzelhandels vollzieht. In diesem Zusammenhang erscheinen auch Ergebnisse von empirischen Untersuchungen der Beratungsunternehmen Ji Cra'!field European Enterprise Centre und Egon Zehnder relevant (vgl. Abb. 3.7. und Abb. 3.8.). Wie Abb. 3.7. verdeutlicht, besitzen deutsche Führungskräfte in nahezu allen Qualifikationsdimensionen Vorteile gegenüber Managern aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. Vor allem in bezug auf Kompetenz und Effizienz schneiden sie wesentlich besser ab als ihre Kollegen aus anderen Ländern. Dieser Untersuchung lagen ca. 8.000 Antworten von Betroffenen aus mittelständischen Unternehmen zugrunde. Abb. 3.8. enthält das Mobilitätsprofil von Managern aus europäischen Ländern, das das Beratungsunternehmen Egon Zehnder durch Befragung von 300 Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern der jeweils 100 größten Industrieunternehmen in den entsprechenden Ländern ermittelt hat. Ländervergleichende Untersuchungen über die Qualifikation und das Mobilitätsverhalten von Führungskräften im Bereich des institutionellen Handels liegen nicht vor. Da keine Gründe für die Vermutung zu erkennen sind, daß es gravierende Unterschiede geben sollte, lassen sich aus Abb. 3.7. und Abb. 3.8. folgende Schlüsse ziehen: - Deutsche Unternehmen besitzen in stärkerem Maße als ihre Wettbewerber aus anderen europäischen Ländern qualifizierte Führungskräfte. - In bezug auf die Bereitschaft, im Ausland zu arbeiten, und die Sprachkompetenz schneiden italienische Manager, dicht gefolgt von den nahezu gleiches Niveau aufweisenden Deutschen und Franzosen, am besten ab. Somit ergeben sich unter der Voraussetzung, daß die Befunde auch für den Einzelhandel zutreffen, internationale Wettbewerbsvorteile für den deutschen Handel.
Aufgrund der Integration von Geschäftsfeldern, die vor allem in den 80er Jahren durch Aufkauf oder aus eigener Kraft erschlossen wurden, und der altersbedingten Fluktuation von Führungspersonal war bei fast allen in Europa tätigen Handelsbetrieben eine Reorganisation notwendig, die auch die oberste Führungsebene betraf. In diesem Zusammenhang konnte der internationalen Expansion auf seiten des Absatzes ebenso wie auf der der Beschaffung durch die Bildung entsprechender Stel213 Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1993), S. 60. Schweizer Unternehmen wurden in diesem Teil nicht berücksichtigt. 214 So weist z. B. ein Vorstandsmitglied der Asko darauf hin, daß die Position des Wareugruppenmanagers auch durch eine Führungskraft mit Industrieerfahrung besetzt werden könne. Vgl. o.V. (1994i), S. J 10.
326
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Kompetenz
Effizienz
D E F
GB
'
Zuverlässigkeit
D E l'
GB
I
Arbeitseifer
0 E
F Gll I
D
Unternehmertum ~
GB I
0
Bildungsniveau
e
F
GB
'
D
Menschlichkeit
E
F
GB
' Teamfähigkeit
D E F GB I
D
Pünktlichkeit
1!
F
GB
'
Abb. 3.7.: Die Qualifikation von Managern aus verschiedenen westeuropäischen Ländern Anmerkung: "0" reflektiert den internationalen Durchschnittswert. Quelle: o.V. (1993j), S. 104.
len und Abteilungen Rechnung getragen werden. 215 Erst auf der Basis einer adäquaten aufbauorganisatorischen Verankerung, die sich u.a. durch gezielte Delegation von Entscheidungskompetenz an die einzelnen Regionen und Zuweisung der Verantwortung für Betriebstypen sowie Länder bzw. Gebiete an Mitglieder der Ge215 Promodes stellt eines der wenigen Handelsunternehmen dar, das die internationale Expansion in der Führungsorganisation verankert hat. V gl. Ruoff (1994), S. 83.
1. Gründe für die Europäisierung
327
schäftsführung auszeichnet, können Auslandsmärkte simultan und nachhaltig bearbeitet werden.
D
E
F
GB
2
0
4
5
6
Häufigkeit des Wechsels der beruflichen Position Legende:
• 0 0 llJ • 0
: : : : : :
Vertikale Mobilität, d.h. ranghierarchischer Aufstieg Untemehmensmobilität, d.h. Wechsel des Unternehmens Ressortbezogene Mobilität, d.h. Wechsel des Funktionsbereichs Inlandsmobilität, d.h. geographische Mobilität im Inland Branchenmobilität, d.h. Wechsel der Branche Auslandsmobilität, d.h. geographische Mobilität im Ausland
Abb. 3.8.: Das Mobilitätsprofil europäischer Manager Quelle: o.V. (1992d), S. 9.
An dieser Stelle sei auf Tab. 3.15. in Abschn. 1.1.1.4. in diesem Kapitel verwiesen. Die wichtigste allgemeine Voraussetzung dafür, daß Handelsunternehmen osteuropäische Länder erschließen, bildet die Existenz eines entsprechend qualifizierten und mobilen Managements. Besitzt ein Unternehmen die für erforderlich gehaltene Führungsqualifikation nicht, unterläßt es demzufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Markteintritt Die in Tab. 3.20. dargebotenen Befunde weisen darauf hin, daß Handelsunternehmen aus Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, aus Großbritannien und der Niederlande die Logistik am besten beherrschen. Da dieser Funktionsbereich gerade bei der Internationalisierung eine Schlüsselrolle für den Erfolg dieser Strate-
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
328
gie spielt, verwundert es nicht, daß die betreffenden Anbieter aus den jeweiligen Ländern weit mehr Auslandsprojekte realisiert haben als Konkurrenten aus Staaten, die in diesem Sektor Schwächen aufweisen.Z 16 Tabelle 3.20.
Die Einschätzung des Know-how-Vorsprungs von Handelsbetrieben bei bestimmten Funktionsbereichen Linder, in denen einzelne Handelsbetriebe einen sehr deutlichen Knowhow-Vonpnmg aufweisen')
Linder, in denen einzelne Handelsbetriebe keinen Know-how-Vonpnmg besitzen Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien
Marketing
Belgien, Bm1desrepublik Deutschland, Großbritannien, Niederlande Dänemark, Großbritannien, Schweden
Belgien, Griechenland, Österreich, Portugal
Einkauf
Großbritannien, Schweden
Italien, Österreich, Portugal
Personalpolitik
Belgien, Schweden
Griechenland, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Portugal Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Niederlande, Österreich, Portugal
~ Logistik
eh
Finanzierung/ Zah!Wlgsverkehr
-
Legende: I) Folgende Skala lag zugrunde: +++ Sehr deutlicher Know-how-Vorsprung ++ Deutlicher Know-how-Vorsprung + = Know-how-Vorsprung - = Kein Know-how-Vorsprung
= =
Anmerkung: Es wurde danach gefragt, in welchen der Funktionsbereiche einzelne Handelsunternehmen des eigenen Landes Anbietern aus anderen Ländern überlegen sind.
Quelle: Roland Berger Forschungs-Institut (1993), S. 56, S. 58 und S. 60.
Bundesdeutsche Einzelhandelsunternehmen weisen gemäß Tab. 3.20. dagegen hinsichtlich des Funktionsbereichs Marketing Defizite auf. Dies belegen auch Resultate einer Befragung von 200 Einzelhandelsbetrieben, die Barth/Hartmann 1990 durchgeführt haben? 17 Demnach werden mit Ausnahme der Portfolio- und Konkurrentenanalyse kaum strategische Konzepte bzw. Instrumente im Rahmen des strategischen Marketing eingesetzt. 90% der Großbetriebe und lediglich ein Drittel kleinbetrieblicher Handelsbetriebe verwenden die Portfolioanalyse. Etwa 48 % des Sampie nutzen die Konkurrenzanalyse. Barth/Hartmann zufolge verzichtet die Mehrzahl der Einzelhandelsbetriebe trotz hoher Konkurrenzintensität vollkommen auf das Instrumentarium der strategischen Marketingplanung, was sich auch darin niederschlägt, daß keines der befragten Unternehmen eine Planungsabteilung besitzt und die Notwendigkeit, strategische Geschäftsfelder zu definieren, vom Großteil nicht erkannt wird? 18 2 16 217 21s
Vgl. hierzu auch 1. Kapitel, Abschn. 3., insbesondere Tab. 1.2. Vgl. Barth/Hartmann (1992), S. 137 ff. Vgl. Barth/Hartmann (1992), S. 139f.
1. Gründe für die Europäisierung
329
Jedoch bestätigen die Befunde auch, daß Großbetriebe in stärkerem Maße strategische Planungs- und Analyseinstrumente nutzen als kleinere Unternehmen. Dies läßt den Schluß zu, daß größere Absatzmittler den Stellenwert einer Professionalisierung des Managements und Akkumulation von Wissen erkannt haben. Für die Realisierung einer Internationalisierungsstrategie stellen beide Sachverhalte wichtige Voraussetzungen dar. 219 Die in Abschn. 1.1.1.4. dieses Kapitels erläuterten informationstechnologischen Trends (zunehmende Verbreitung des Scanning, Nutzung von Electronic Data Interchange, grenzüberschreitende Vernetzung von Informationssystemen etc.) bestätigen die Schlußfolgerung, nach der sich die internen Rahmenbedingungen von Handelsbetrieben derart gewandelt haben, daß eine Internationalisierung nunmehr leichter zu vollziehen ist. Allerdings erschließt z. B. der bundesdeutsche Lebensmitteleinzelhandel das Rationalisierungs- und Marketingpotential, die den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien innewohnen, bei weitem noch nicht voll. 220 So ermittelt die Coca-Cola Retail Research Group in einerneueren Untersuchung, daß u.a. wegen dieses Defizits der deutsche Handel auf 1,8 % Umsatzrendite verzichtet. 221 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß zahlreiche Fakten eine Veränderung solcher unternehmensinternen Rahmenbedingungen belegen, die für die Ergreifung einer systematisch betriebenen internationalen Absatz- und Beschaffungspolitik wichtige Voraussetzungen bilden (z. B. Unternehmensgröße, Kapitalkraft, Führungsorganisation, Managementkompetenz, Informationsmanagement). Manche dieser hier nur skizzierten Maßnahmen mußten aufgrund äußeren und/oder inneren Drucks in Gang gesetzt werden (z. B. Änderung der Führungsorganisation infolge altersbedingter Fluktuation), andere wurden mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende Internationalisierung und manche als Konsequenz der grenzüberschreitenden Betätigung initiiert. Da deutsche Handelsunternehmen im internationalen Vergleich in bezug auf die Umsatzrentabilität relativ schlecht abschneiden, scheint bei ihnen Nachholbedarf vorhanden zu sein, was die Organisation und die Zusammenarbeit mit wichtigen Lieferanten betrifft. Die fortschreitende Internationalisierung führt in diesem Kontext zwangsläufig zu einem Benchmarking mit profitabler arbeitenden internationalen Wettbewerbern im Ausland, so daß interne strategische Erfolgsfaktoren künftig noch schneller über Ländergrenzen hinweg imitiert werden.
219 Aufgrund u.a. von risikopolitischen Erwägungen bedarf die internationale Absatzpolitik im Lebensmitteleinzelhandel in stärkerem Maße als die internationale Beschaffungspolitik einer fundierten strategischen Planung. 22o Vgl. Meissner/Simmet (1990), S. 32. Die Autoren stellen fest, daß amerikanische, japanische, britische und französische Großbetriebe des Einzelhandels im Vergleich zu ihren deutschen Konkurrenten über Wettbewerbsvorteile hinsichtlich des Einsatzes neuer Informations- und Kommunikationstechnologie verfügen. 221 Vgl. o.V. (1994i), S. 110.
330
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Wie Liebmann/Jungwirth festgestellt haben, 222 glauben ca. 63% bzw. 53% der befragten Manager von europäischen Handelsunternehmen, daß die Bündelung von nationalen Einkaufsvolumina und die Realisierung einer Global SourcingStrategie einen sehr hohen E~nfluß darauf haben, ob ein Anbieter Wettbewerbsvorteile zu erzielen vermag. Daneben rangieren noch Customer Service (92% ), Preisaggressivität (84% ), Total Quality Management (73% ), Ausbau des Controlling (63 %) und LeanManagement (61 %) auf den vorderen Plätzen der Rangfolge derjenigen Strategien bzw. Maßnahmen, die einen Vorsprung gegenüber Konkurrenten sicherstellen können. Eine wesentliche Triebfeder dafür, daß Handelsunternehmen ihre Beschaffung international ausrichten, liegt diesen Befunden zufolge darin, im Vergleich zu Wettbewerbern bessere Einkaufskonditionen zu erlangen und über andere, leistungsfähigere Beschaffungsquellen zu verfügen. Auch in dieser Untersuchung kommt somit die zentrale Bedeutung interner Rahmenbedingungen für den Erfolg von Handelsbetrieben generell und das Gelingen der grenzüberschreitenden Betätigung im speziellen zum Ausdruck.
1.2. Eine primärstatistische Analyse der Ursachen des "going international" Die nachfolgende Erörterung basiert auf einer im Frühsommer 1991 durchgeführten schriftlichen Befragung von 284 in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen deutschen und ausländischen Unternehmen des Einzelhandels. Die Zielgruppe der empirischen Untersuchung stellten Geschäftsführung und Marketingleitung von nach dem Konzentrationsprinzip ausgewählten größeren Handelsunternehmen dar_223 Nach Abschluß einer Nachfaßaktion lagen 83 Fragebogen vor, von denen letztlich 51 in die statistische Auswertung aufgenommen werden konnten. 32 waren unvollständig bzw. mit oder ohne Angabe von Gründen überhaupt nicht ausgefüllt. Von den 51 Einzelhandelsbetrieben erzielen 19 einen Umsatz von über 1 Mrd. DM. Neun Unternehmen gaben an, daß der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz mehr als 10 % beträgt. Insgesamt 17 Absatzmittler, d. h. ein Drittel, war zum Befragungszeitpunkt international tätig, wobei das Datum des erstmaligen Eintritts in einen Auslandsmarkt zwischen 1947 und 1990 variiert. 224 Vier Fälle beziehen sich auf die 60er Jahre, vier auf die erste Hälfte der 80er Jahre und fünf auf die zweite Hälfte dieser Dekade. Vgl. Liebmann/Jungwirth (1994), S. 8. Grundlage der Auswahl der Stichprobenelemente bildeten Adressen des HoppenstedtVerlages und am Institut für Marketing der Universität Mannheim verfügbare Adreßdateien des Einzelhandels. 224 Ein Unternehmen verweigerte bei der entsprechenden Frage die Antwort. 222 223
1. Gründe für die Europäisierung
331
Daß in der Stichprobe vor allem Großbetriebe repräsentiert sind, belegt auch die durchschnittliche Mitarbeiterzahl von rund 12.300. Bei den 17 Unternehmen, die eine internationale Absatzpolitik verfolgen, liegt der Anteil der im Ausland Beschäftigten an der Gesamtmitarbeiterzahl bei etwa 17 %, wobei der Spitzenwert 60 % beträgt. Hinsichtlich der Betriebstypen weist die Stichprobe von Fachhandelsbetrieben, Supermärkten und Fachmärkten bis hin zu Warenhäusern ein breites Spektrum auf. Auch vertikal integrierte, d. h. Groß- und Einzelhandel betreibende Anbieter sind im Sampie enthalten. Die im Sortiment vorhandenen Schwerpunkte verkörpern (je nach Betriebstyp) Nahrungs- und Genußmittel, Textilien, Schuhe sowie Waren verschiedener Art . In Tab. 3.21. und Abb. 3.9. sind Befunde enthalten, die einerseits die mit der Internationalisierung verbundenen Ziele (Tab. 3.21.) und andererseits die Stärke des Einflusses verschiedener Faktoren auf die Entscheidung, den Absatzradius über Ländergrenzen hinaus zu erweitern, reflektieren (Abb. 3.9.). Das vorrangige Motiv, das der internationalen Absatzpolitik zugrunde liegt, stellt gemäß Tab. 3.21. die Erschließung von neuem Wachstums- und Ertragspotential dar. Sicherung der Arbeitsplätze, Streuung bzw. Minderung des Risikos sowie insbesondere Erlangung internationaler Anerkennung spielen demnach nur eine vernachlässigbare Rolle. Tabelle 3.21.
Der internationalen Absatzpolitik zugrundeliegende Ziele Ziel
Durchschnittlicher Rangplatz
Erschließung von ncucm Wachstums- und Ertragspolentin I
1,5
Erzielung von Gewinn
2,9
Sicherung der erreichten Marktposition
3, 1
Steigerung des Umsatzes
3,3
Sicherung der Arbeitsplätze
4,8
Streuung bzw. Minderung des Risikos
5,0
Erlangung internationaler Anerkennung
6, 1
Anmerkung: Die Probanden mußten die hier genannten, vorgegebenen Ziele in eine Rangfolge bringen, indem sie dem wichtigsten Ziel den Rangplatz 1, dem zweitwichtigsten den Rangplatz 2 (usw.) zuweisen sollten.
332
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung Kein
Mittel- Sehr starker Einfluß wert
Variable
7
Nutzung von Synergie durch international abgestimmte Ziele, Strategien und Maßnahmen
5,0
Möglichkeit zur Bearbeitung osteuropäischer Märkte
4,9
Nachholbedarf ausländischer Konsumenten
4,3
Vollendung des EU-Binnenmarktes
4,2
Marktsättigung im Inland
4,1
Verbesserung der Wettbewerbsposition im Inland durch Umsatzsteigerung im Ausland
4,1
Steigerung der Macht gegenüber Marktpartnern
4,0
Lücken in Auslandsmärkten in bezug auf die vorhandene Betriebstypenstruktur
3,9
Höhere Rendite im Ausland
3,9
Angleichung der Vcrbraucherpräferenzen in einigen Konsumhereichen in Europa
3,8
Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch Einbindung in den internationalen Erfahrungsaustausch
3,6
Sicherung und Vertiefung der Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartnern
3,4
Hoher Bekanntheitsgrad deutscher Markenartikel im Ausland
2,9
Geschäftserfolg konkurrierender deutscher Unternehmen im Ausland
2,8
Hohe Steuerbelastung im Inland
2,4
Hohe Arbeitskosten und kurze Arbeitszeit im Inland
2,1
Investitionsforderung im Ausland
1,8
Einfluß
5
4
3
2
Abb. 3.9.: Antriebsfaktoren der grenzüberschreitenden Expansion aufseitendes Absatzes Anmerkung: Es handelt sich um Angaben der befragten international tätigen Einzelhandelsuntemehmen.
1. Gründe für die Europäisierung
333
Gefragt nach der Stärke des Einflusses, den bestimmte Faktoren auf die Entscheidung, in anderen Ländern tätig zu werden, ausüben, ergab sich das in Abb. 3.9. enthaltene Bild. Demnach besitzen Investitionsförderung im Ausland, hohe Arbeitskosten und kurze Arbeitszeit sowie hohe Steuerbelastung im Inland so gut wie keinen Einfluß auf die Internationalisierungsentscheidung. Eine geringe Rolle spielen der hohe Bekanntheitsgrad deutscher Markenartikel im Ausland und der Geschäftserfolg konkurrierender deutscher Unternehmen im Ausland. Allerdings muß bei der zuletzt genannten Variablen darauf hingewiesen werden, daß Handelsbetriebe nach Abschluß der empirischen Untersuchung im Frühsommer 1991 eine Vielzahl von Internationalisierungsprojekten in Frankreich, Italien, Spanien und in osteuropäischen Staaten (Tschechische Republik und Ungarn) in Angriff genommen haben. Wie anband von Beispielen, die in diesen Zeitraum fallen, in Abschn. 1.1.2.4. in diesem Kapitel dargestellt wurde, scheint eine nicht unerhebliche Tendenz zur Imitation der grenzüberschreitenden Expansionsstrategie von Wettbewerbern zu bestehen. Zweifelsohne existieren im deutschen Lebensmittelsektor Handelsunternehmen, die als Vorreiter der Internationalisierung bei bestimmten Betriebstypen gelten können (z. B. Aldi im Hard discount-Sekt01; Metro bei Cash & Carry). Diese haben sicherlich wesentlich dazu beigetragen, daß mittlerweile auch andere Unternehmen versuchen, Auslandsmärkte zu erobern. Insofern schlägt sich hierin oligopolistisches Parallelverhalten nieder, indem bei einer geringen Anzahl bedeutender Anbieter Strategieinnovationen mehr oder weniger unverzüglich imitiert wurden. Die Internationalisierung wird dadurch zu einem sich selbst verstärkenden Prozeß, der immer mehr Handelsbetriebe und Länder erlaßt. Wie ein weiterer Blick auf Abb. 3.9. offenbart, scheint es eine zentrale Ursache für die Ergreifung der internationalen Absatzpolitik nicht zu geben. Der höchste Skalenwert beträgt 5,0. Folglich liegt die Vermutung auf der Hand, daß ein Bündel an Variablen Handelsbetriebe dazu motiviert, den Schritt über Ländergrenzen hinweg zu wagen. Verknüpft man vor diesem Hintergrund die Ziele der Betätigung auf Auslandsmärkten (vgl. Tab. 3.21.) mit der Stärke des Einflusses verschiedener Antriebsfaktoren (vgl. Abb. 3.9.), so läßt sich folgendes konstatieren: - Der Wunsch, neues Wachstum- und Erfolgspotential im Ausland zu erschließen, korrespondiert mit der Öffnung des Marktzugangs nach Osteuropa, der Vollendung des EU-Binnenmarktes und der Marktsättigung im Inland. Dies scheinen die vordringlichen Motive bzw. Anlässe der Aufnahme internationaler Geschäftstätigkeit zu sein. Die relativ große Bedeutung, die der Steigerung des Umsatzes beigemessen wird (vgl. Tab. 3.21.), unterstreicht diese Interpretation. Wenn man sich die in einigen Ländern vorhandene hohe Unternehmenskonzentration vor Augen führt (vgl. Tab. 3.11.), wird deutlich, daß im Inlandsmarkt eine weitere Verdrängung oder ein Aufkauf von inländischen Wettbewerbern an (Finanzierungs-) Grenzen stoßen. Um auch künftig wachsen zu können, ver-
334
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
bleibt einem Anbieter daher häufig keine andere Option als die Erschließung von Auslandsmärkten. 225 - Die Absicht, Gewinn zu erzielen, stellt gemeinsam mit der Nutzung von Synergie, einer höheren Rendite in fremden Staaten, Lücken in Auslandsmärkten und Nachholbedarf ausländischer Konsumenten ein weiteres Ziel bzw. eine Ursache dar, die zur Verbreiterung der Absatzbasis von Einzelhandelsunternehmen führt. Dieses Bündel an Motiven verkörpert den empirischen Befunden zufolge die zweitwichtigste Kategorie. Folglich vermag die Marktlückentheorie zwar nicht alleine, aber doch zumindest zu einem gewissen Teil Intensität und Richtung der Internationalisierung zu erklären. Wenn eine Ansiedlung eines Betriebstyps ohne wesentliche Änderung der Konzeption möglich ist, der Auslandsmarkt ein entsprechendes Marktpotential aufweist und die Verbraucher den fraglichen Betriebstyp als Einkaufsstätte akzeptieren, dann sind Intensität und Richtung der grenzüberschreitenden Betätigung vorgezeichnet. 226 Von den hier untersuchten Faktoren übt das Bestreben, Synergie zu nutzen (vgl. Abb. 3.9.), den stärksten Einfluß auf die Internationalisierungsentscheidung aus. Dahinter verbirgt sich der Erfahrungskurveneffekt Je ähnlicher das Betriebstypenkonzept ist, das sowohl im In- als auch im Ausland realisiert wird, 227 desto größer fällt die entsprechende Synergie aus, die durch eine spezifische Aufbauund Ablauforganisation erschlossen werden kann. 228 Erfahrungsvorteile bei der Marktbearbeitung, was z. B. die Gestaltung strategischer und operativer Maßnahmen (europäische Handelsmarkenpolitik, Werbung, Verkaufsförderung etc.) betrifft, und Rationalisierungspotential, das auf länderübergreifend einheitlichen Informations-, Planungs- und Kontrollprozessen basiert, bilden wichtige Eckpfeiler einer auf Synergie fußenden Internationalisierungsstrategie. Zum Rationalisierungspotential zählt freilich auch, daß der im Ausland erwirtschaftete Umsatz zu einem größeren Beschaffungsvolumen mit entsprechend niedrigeren Wareneinstandskosten und Aufwand für die Beschaffungsabteilung führt.
Eher defensiv ausgerichtete Motive der Internationalisierung, die in der Sicherung der erreichten Marktstellung, der Verbesserung der Wettbewerbsposition im Inland durch Steigerung des Auslandsumsatzes, der Erhöhung der Macht gegenüber Marktpartnern, der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch Einbin225 Dies erscheint auch deswegen vernünftig, weil die Erschließung zusätzlicher strategischer Geschäftsfelder (z. B. neue Betriebstypen, laterale Diversifikation) in der Regel höhere Risiken in sich birgt als die grenzüberschreitende Expansion in einem vertrauten Sektor. 226 Regionale Schwerpunkte des Auslandsengagements werden in Abschn. 2.2.1.2. dieses Kapitels ermittelt und diskutiert. 227 In diesem Zusammenhang spielen die Verbraucherpräferenzen, die in den einzelnen Ländern vorherrschen, eine große Rolle. Daß die Probanden dieser Variablen einen gewissen Einfluß auf die Internationalisierungsentscheidung zubilligen, belegt der in Abb. 3.9. enthaltene Mittelwert von 3,8. 228 Vgl. hierzu die Ausführungen im 3. Kapitel, Abschn. 3.1.3.
1. Gründe für die Europäisierung
335
dung in den internationalen Erfahrungsaustausch und der Sicherung sowie Vertiefung der Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartnern zum Ausdruck kommen, erscheinen im Vergleich zu den zuvor ermittelten Ursachenbündeln weniger bedeutsam. Basiert die Internationalisierungsstrategie darauf, dann ist damit zugleich eine ethnozentrische Orientierung verknüpft. Das Auslandsgeschäft würde schwerpunktmäßig dazu benötigt, das Beschaffungsvolumen zu erhöhen. Dadurch bestünde die Chance, den bislang im Inland erreichten Marktanteil zu verteidigen. Allerdings könnten die der Internationalisierung inhärenten Vorteile bei weitem nicht voll erschlossen werden.
1.3. Zwischenfazit: Empirische Untersuchungsbefunde im Überblick In den Abschn. 1.1. und 1.2. wurde eine Fülle von empirischen Daten bezüglich der Gründe für die Aufnahme einer grenzüberschreitenden Betätigung von Einzelhandelsbetrieben zusammengetragen und vor dem Hintergrund der theoretischen Basis, die im 2. Kapitel gelegt wurde, interpretiert. Zusammenfassend dazu ist festzustellen, daß ein Bündel von makro-, mikroökonomischen, Unternehmens- und personenbezogenen Ursachen für die Ergreifung einer Internationalisierungsstrategie verantwortlich zeichnet. Die Motivcluster unterscheiden sich gravierend in Abhängigkeit davon, ob ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels das grenzüberschreitende Engagement auf seiten des Absatzes und/oder der Beschaffung vorantreiben will. Da es nicht sinnvoll erscheint, an dieser Stelle die zahlreichen Einzelresultate der vorangegangenen Abschnitte in Sätze gekleidet zu wiederholen, sei auf Tab. 3.22. verwiesen. Die Aufstellung dokumentiert unter Bezug auf die Tab. 2.6a.c. (2. Kapitel, Abschn. 4.) das Ausmaß an empirischer Fundierung bzw. Bestätigung der aufgestellten generellen Vermutungen und Hypothesen. 229 Dabei wird so vorgegangen, daß die in Abschn. 1 dieses Kapitels referierten empirischen Befunde sowohl hinsichtlich ihres Informationsgehalts als auch bezüglich ihrer Anzahl in eine entsprechende Skala auf qualitativem Wege transformiert werden. Genaueres zur Vorgehensweise kann der Legende zu Tab. 3.22. entnommen werden.
229 Weitere, auf induktivem Wege gewonnene Erkenntnisse, die über die extrahierten Tendenzaussagen und Hypothesen hinausgehen, müssen in den einzelnen Abschnitten nachgelesen werden.
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
336
Tabelle 3.22.
Die Relevanz ausgewählter Variablen für die Ergreifung der Internationalisierungsstrategie durch Einzelhandelsbetriebe Bereich
Internationale Beschaffungspolitik
Internationale Absatzpolitik
Internationales Management
Variable
Entfernung zwischen Produktionsstätte und Verteilzentrum Beschaffungskosten Protektionistische Maßnahmen Preise ausländischer Hersteller Präferenzstruktur der Verbraucher Wechselkurs Transaktionskosten der Hersteller Vermarktungsrisiken der Hersteller Einschätzung des Auslandsmarktes durch Hersteller Okonomische Attraktivität der Ländermärkte Kulturelle Distanz Marktwachstum Effektivität des Betriebstypenmanagements Imitation von Wettbewerbern Erfahrungskurveneffekt Homogenität in- und ausländischer Nachftagerpräferenzen Kapitalrendite Marktlücke Marktpotential Gefll.hrdung des Marktzugangs Rendite Economies of large scale Risikodiversifikation Unternehmensgröße Akkumulation von Herstellermacht Erfahrungskurveneffekt bzw. Economies of scope Kosten der Internationalisierung Art der Interaktion Organisations- und personengebundene Spezifika Merkmale der Geschäftsbeziehung Makroumwelt Humanressourcen Infrastruktur Know-how Wettbewerbsintensität Wettbewerbsfll.higkeit anderer Wirtschaftszweige und Branchen Klima ftlr Unternehmertum Rolle des Staates Internationale Steuerung Informations- und Kommunikationstechnologie Strategische Stimmigkeit Strategieimitation
Ausmaß an Bestätigung bzw. empiriscber Fundierung +
++ +++ ++ + ++ 0 0
+ +++
-
+++ ++ ++ + + +++ +++ +++ + +++ ++
-
+++ ++ ++ 0
+ + + + ++ ++ ++ ++ ++ ++ ++ + + + ++
Legende siehe S. 337 unten.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
337
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit in der Praxis des Einzelhandels 2.1. Der Beschaffungsbereich im Lichte sekundärstatistischer Befunde Vor dem Hintergrund der in Tab. 2.7a. 230 konzentriert dargebotenen theoretischen Erkenntnisse und der Erfordernisse der handelsbetriebliehen Praxis sollen im folgenden Befunde empirischer Untersuchungen verschiedener Autoren vermittelt sowie Fallstudien in bezug auf die Gestaltung der internationalen Beschaffungspolitik erörtert werden. Zunächst sei kurz der Gegenstand der grenzüberschreitenden Beschaffung im Spiegel statistischer Daten beleuchtet. Besonderes Augenmerk soll in Abschn. 2.1.2. der Diskussion von Intensität, Strategien und institutionellen Arrangements der internationalen Beschaffungspolitik gewidmet werden, wobei europäische Beschaffungskooperationen in Abschn. 2.1.3. aufgrund ihrer besonderen Stellung separat erläutert werden. Schließlich gilt es, die Konsequenzen einiger Trends in bezug auf das Management von Handelsbetrieben für die grenzüberschreitende Beschaffungspolitik zu hinterfragen (Abschn. 2.1.4.).
2.1.1. Der Gegenstand einer grenzüberschreitenden Beschaffungspolitik Ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels kann im Ausland sowohl Absatzobjekte als auch mobile Inputfaktoren, die es für die handelsbetriebliche Leistungserstellung benötigt, für den Inlands- oder einen Drittlandsmarkt beschaffen. Im ersten Falllassen sich Sach-, Dienstleistungen und selbständige, verkehrsfähige Rechte unterscheiden. 231 Sekundärstatistische Befunde liegen hinsichtlich des internationalen Einkaufs von Sachleistungen vor. Sie werden in den nachfolgenden Abschnitten gewürdigt. Zur grenzüberschreitenden Beschaffung von Dienstleistungen und Rechten existie230 231
Siehe Kapitel 2., Abschn. 2.4. Diese Differenzierung geht auf Gümbel (1963), S. 54, zurück.
Zu Tabelle 3.22.
Legende:
+++ = Volle Bestätigung durch mehrere empirische Befunde ++ = Überwiegende Bestätigung durch empirische Befunde + = Schwache Bestätigung durch teilweise widersprüchliche empirische Befunde o = Weder Bestätigung noch Ablehnung durch empirische Befunde - = Schwache Ablehnung durch teilweise widersprüchliche empirische Befunde - - = Überwiegende Ablehnung durch empirische Befunde -- - = Volle Ablehnung durch empirische Befunde
Anmerkung: Der Wortlaut der generellen Vermutungen und Hypothesen, die den Variablen zugrunde liegen, ist Tab 2.6a.-c. zu entnehmen. 22 Lingenfelder
338
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
renbislang keine e~pirischen Studien,232 so daß dieser Bereich nachfolgend nicht thematisiert wird. Im zweiten Fall geht es um Informationen, Kapital, Dienstleistungen (z. B. im Zusammenhang mit der Errichtung großflächiger Verkaufsstellen), Elemente des Anlagevermögens (Ladenausstattung, Fuhrpark, Lagerhaltungs-, Informations- sowie Kommunikationstechnologie 233 etc.) und Personal. Diese Inputfaktoren werden im Ausland nachgefragt, um sie an der im Inland oder in einem Drittland benötigten Stelle einzusetzen. Die Datenlage hierzu ist äußerst spärlich. Lediglich zur Beteiligungsfinanzierung von Ausländern bzw. ausländischen Unternehmen234 und zur Gewinnung von ausländischen Managern für Führungspositionen gibt es Fallbeispiele bzw. bruchstückhafte empirische Befunde. Beispielsweise hat Gobbers ermittelt, daß hauptamtliche Vorstandspositionen in international tätigen Großhandelskooperationen, die in der Bundesrepublik Deutschland ihren Stammsitz haben, nur zu etwa 6 % mit Ausländern besetzt sind.235 Die 32 von der Autorin befragten und ausschließlich im Nonfood-Sektor tätigen Verbundgruppen erwirtschaften im Durchschnitt aber nur ca. 3,5 % ihres Umsatzes im Ausland, 236 was die geringe Internationalität der Führungscrew erklärt. Auch der Befund, wonach nur rund 13 % der Auskunftspersonen Auslandsmärkten eine höhere Priorität als dem Stammland in bezug auf die Warenbeschaffung zuerkennen, läßt die ethnozentrische Personalpolitik der befragten Großhandelsverbundgruppen plausibel erscheinen.237 Von den von George!Winter untersuchten Handelsbetrieben wählen zur Besetzung der obersten Leitungsebene nur ca. 3% Mitarbeiter unabhängig von ihrer Nationalität aus. Fach- und/oder Führungspositionen in der Marketingabteilung werc den überwiegend durch entsandte Stammhausmitarbeiter (ca. 33% der befragten Handelsbetriebe) und Personal aus dem jeweiligen Gastland (rund 54%) besetzt. In der Einkaufsabteilung (etwa 3 %), im Außendienst (ca. 7 %), auf der Ebene von Filialleitern (ca. 7 %) und in bezug auf das Verkaufspersonal (rund I 0%) ist ebensowenig eine ausgeprägte Bereitschaft vorhanden, Personal unabhängig von dessen Nationalität auf dem internationalen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. 238
232 Die wenigen und überwiegend erst seit Beginn der 90er Jahre publizierten Studien über die Internationalisierung im Dienstleistungssektor berücksichtigen den Einzelhandel als Nachfrager in der Regel nicht. Vgl. z. B. Giger (1994), S. 36f.; Köhler (1991). 233 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 1.1.1.4. in diesem Kapitel. 234 Darauf wird jedoch nicht hier, sondern in Abschn. 2.2.1.4. dieses Kapitels kurz eingegangen. 235 Vgl. Gobbers (1992), S. 181. 236 Vgl. Gobbers (1992), S. 147. 237 Vgl. Gobbers (1992), S. 177. 238 Vgl. George (1992), S. 13. Da diese Frage nur 31 Unternehmen beantwortet haben, entsprechen ca. 3 % einem Betrieb.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
339
Es wurde danach gefragt, welchen Weg der Personalrekrutierung bei Fach- und Führungskräften die Auslandsniederlassungen überwiegend wählen. Da nicht anzunehmen ist, daß tatsächlich 10% (das entspricht drei Unternehmen) der befragten Handelsbetriebe mehrheitlich auf dem internationalen Arbeitsmarkt (und nicht jenem des jeweiligen Gastlandes) nach geeigneten Kräften suchen, erscheint es plausibel, daß die Probanden zumindest in bezug auf dieses Item die Frage mißverstanden haben. Möglicherweise kreuzten sie bereits dann die entsprechende Alternative an, wenn für Positionen im Verkauf Ausländer eingestellt wurden.
Insgesamt betrachtet läßt sich somit eine nur verschwindend geringe Bereitschaft erkennen, das Potential des ausländischen Arbeitsmarktes speziell für Führungspositionen zu nutzen. Will ein Handelsunternehmen jedoch den in einzelnen Ländern nach Meinung von Experten vorhandenen Know-how-Vorsprung hinsichtlich einzelner Funktionsbereiche239 erschließen, sollte die bislang betriebene ethnozentrische Personalbeschaffungspolitik geändert werden.
2.1.2. Intensität, Strategien und institutionelle Arrangements der internationalen Beschaffung 2.1.2.1. Die Intensität
Die Intensität der internationalen Beschaffung soll daran gemessen werden, wie hoch der Anteil ausländischer Güter am gesamten Wareneingangswert ist. Dies bedeutet, daß der indirekte Import, d. h. der Bezug von im Ausland hergestellten Produkten über im Inland tätige Importeure, Vertriebsgesellschaften ausländischer Hersteller, Großhandelsbetriebe etc. ebenso einbezogen wird wie die Beschaffung über im Ausland angesiedelte Beschaffungsmittler. Aufgrund des FehJens einer sekundärstatistischen Datenbasis kann hier nicht differenziert nach Betriebstypen und Warengruppen argumentiert werden.240 Weiterhin besteht aus dem gleichen Grund die Möglichkeit nicht, die Anzahl der Beschaffungsländer und den dort jeweils getätigten Umsatz als Indikatoren für die Intensität des internationalen Einkaufs heranzuziehen.
Bereits in Abschn. 2.4. des 1. Kapitels dieser Untersuchung wurde auf eine Schätzung von netz hingewiesen, nach der der Anteil ausländischer Produkte am Umsatz des westdeutschen Einzelhandels bei ca. 50 % liegen soll. Entsprechende Angaben für den Lebensmitteleinzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Ländern existieren nicht. Jedoch läßt sich näherungsweise ermitteln, daß der deutsche Lebensmitteleinzelhandel 1994 ungefahr 25 % Vgl. hierzu Tab. 3.20. Dies wäre insofern wichtig, als davon auszugehen ist, daß leicht verderbliche Waren insbesondere von Supermärkten, die auf Frische und hohe Qualität ihres Angebots setzen, bei Lieferanten bzw. Erzeugern aus der näheren Umgebung einer Verkaufsstelle beschafft werden. 239 240
22•
340
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
seines wertmäßigen Wareneingangs direkt und/oder indirekt auf Auslandsmärkten beschafft hat. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes tätigte der deutsche Einzelhandel 1991 1,4% seiner Bestellungen von Nahrungsmitteln und Tabakwaren direkt im Ausland. Der Anteil des Direktimports ist somit seit 1985 stabil. 241 Die Monopolkommission berichtet, daß in der gleichen Güterklasse das Volumen an indirekten Importen, für das u.a. die Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels verantwortlich zeichnen, 1991 bei etwa 20% lag. Im Bereich des typischen Lebensmittelsortiments betrug der entsprechende Wert 18%. Zwischen 1986 und 1991 nahm das Volumen indirekter Importe um nahezu 62% zu.242 Zu den Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels, über die diese Importe abgewickelt werden, zählen Großhandelsunternehmen im In- und Ausland, Importgroßhandelsbetriebe, Verbundgruppen oder Vertriebsgesellschaften ausländischer Produzenten. Für Verbundgruppen, die in der Bundesrepublik Deutschland tätig sind, hat das ifo-lnstitut bei Nahrungs- und Genußmitteln eine Importquote von 16% im Eigengeschäft und von 12% (bei Kooperationen von Einzelhandelsbetrieben) bzw. 18% (bei Einkaufsgemeinschaften von Großhandelsbetrieben) im Vermittlungsgeschäft festgestellt. 243 Schließlich ermittelt 1ietz auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamts und eigenen Berechnungen, daß der Anteil des Außenhandelsam Gesamtumsatz des Großhandels bei Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren zwischen 1980 und 1988 nahezu unverändert bei rund 20% verharrte?44 Davon entfielen 1988 ca. 80% auf Importe, die daher den Außenhandel in dieser Warengattung dominierten. Faßt man die hier wiedergegebenen Schätzungen, die unterschiedlichen Quellen entstammen, zusammen, so erscheint die Aussage, daß das internationale Beschaffungsvolumen 1994 ca. 25 % des Wareneingangs im Lebensmitteleinzelhandel ausmacht, plausibel.
Im Vergleich zu anderen Sektoren des Einzelhandels, insbesondere des Nonfood-Bereiches (Unterhaltungselektronik, Textilien, Schuhe etc.), ist die Intensität der internationalen Beschaffung (Anfang der 90er Jahre) als niedrig zu bezeichnen. Bei Großbetrieben kann zwar vermutet werden, daß ein wesentlich höherer Anteil der Waren in Auslandsmärkten direkt oder indirekt eingekauft wird als in Kleinbetrieben;245 denn das höhere Einkaufsvolumen, die größere Kompetenz und die Erfahrung in bezug auf die grenzüberschreitende Beschaffung erleichtern die systematische Bearbeitung ausländischer Beschaffungsmärkte. Doch aufgrund fehlender empirischer Daten kann diese Hypothese nicht geprüft werden. Gleiches gilt für die Behauptung, daß der Anteil des internationalen Einkaufs am gesamten Wareneingang in dem Maße zunimmt, wie der Umsatz, den ein Einzelhandelsbetrieb in verschiedenen Auslandsmärkten erwirtschaftet, steigt.
241 242 243
244
245
1985 betrug der Anteil 1,5 %. Vgl. Dude (1989), S. 18. Vgl. Monopolkommission (1994), S. 117. Vgl. Ahrens (1994), S. 23. Die Erhebung wurde im Herbst 1993 durchgeführt. Vgl. Tietz (1993b), S. 583. Vgl. hierzu auch Tab. 3.23. in Abschn. 2.1.2.2. in diesem Kapitel.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
341
Wie Befragungsergebnisse des Roland Berger Forschungs-Instituts verdeutlichen, beschäftigen sich 42% der in Europa tätigen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels mit der Optimierung des Einkaufs, die im wesentlichen durch fortschreitende Internationalisierung der Beschaffung bewerkstelligt werden soll. 246 Nach dem Verdrängungswettbewerb auf internationaler Ebene, mit dessen Konsequenzen sich etwajedes zweite Unternehmen auseinandersetzen muß, bildete diese Strategie den zum Zeitpunkt der Befragung (1992) zweitwichtigsten Problembereich. Bei der Prognose, mit welcher zentralen Aufgabe sich der Lebensmittelhandel in zehn Jahren konfrontiert sehen wird, belegt die Verbesserung der Beschaffung durch grenzüberschreitende Aktivitäten mit 46% aller Nennungen den ersten Platz. 247 Daraus ist zu folgern, daß der internationale Einkauf an Intensität weiter zunehmen wird. Besonderes Augenmerk schenken die Befragten den Befunden zufolge dabei dem Food-Einkauf; denn diesem Teilbereich des Beschaffungsmanagements billigen immerhin 26% der Auskunftspersonen zu, daß ein Unternehmen sich damit gegenüber Konkurrenten Wettbewerbsvorteile verschaffen kann. Der Vergleichswert für den Nonfood-Einkauf liegt bei lediglich 10%.248 2.1.2.2. Strategien und institutionelle Arrangements
Das derzeit vorhandene und künftig zunehmende internationale Beschaffungsvolumen bringt es mit sich, daß die auf ausländischen Beschaffungsmärkten verfolgten Strategien und die gewählten Formen des grenzüberschreitenden Einkaufs für den Unternehmenserfolg an Bedeutung gewinnen werden; denn nur bei einer adäquaten Gestaltung der Beschaffungsmarketingstrategie und -Organisation lassen sich die aus der internationalen Einkaufspolitik erwachsenden Risiken begrenzen und Chancen nutzen. 249 Darüber hinaus ist eine enge Verzahnung mit dem absatzmarktbezogenen (evtl. länderspezifischen) Handelsmarketing für den Erfolg des Einkaufs auf Auslandsmärkten unverzichtbar; denn nur dadurch lassen sich z. B. Lagerbestände abbauen und Fehleinkäufe vermeiden. Mehrere sekundärstatistische Befunde legen die Vermutung nahe, daß die internationale Beschaffung weitgehend zentralisiert wird.250 Das Roland Berger For246 Gemäß den in Abschn. 1.1.3. in diesem Kapitel erläuterten Befunden, die Liebmann/ Jungwirth (1994), S. 8, zutage gefördert haben, zielt diese Strategie auf die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen ab. 247 Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 41. 248 Der Food-Einkauf wird jedoch bei der entsprechenden Frage nicht so häufig genannt, daß er andere Funktionsbereiche dominieren würde. Mit 43% bzw. 39% liegen Logistik sowie Marketing/Vertrieb mit an der Spitze der nach Meinung der Befragten vorhandenen Erfolgsfaktoren. Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 46 ff. 249 Vgl. hierzu auch Abb. 2.2. in dem 2. Kapitel, Abschn. 1. 250 Siehe dazu auch Tab. 3.23. in diesem Abschnitt.
342
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
schungs-Institut ermittelte auf die Frage, für wie wahrscheinlich man es hält, daß europäische Handelsunternehmen den Einkauf für mehrere westeuropäische Länder, in denen sie tätig sind, im Jahr 2000 über eine Euro-Zentrale abwickeln, einen Mittelwert von 2,5?51 Hinsichtlich des Status quo der Zentralisierung des internationalen Einkaufs haben George!Winter auf einer fünfstufigen Skala einen Durchschnittswert von 2,1 festgestellt, 252 was einer eher zentralen Organisation entspricht.
Aufgrund warenspezifischer Besonderheiten leuchtet es ein, daß die Einrichtung einer Euro-Zentrale im Nonfood-Bereich noch sinnvoller als im Food-Sektor erscheint. So meinen denn auch die vom Roland Berger Forschungs-Institut Befragten, daß im Jahr 2000 38% des Nonfood- und 28% des Food-Beschaffungsvolumens aller westeuropäischen Länder über eine Euro-Zentrale abgewickelt werden.Z53 Die Aufgaben, die eine solche Euro-Zentrale erfüllen muß, unterscheiden sich, je nachdem, ob es sich um eine Einrichtung einer supranationalen Verbundgruppe oder eines einzelnen Unternehmens handelt. 254 Das Erzielen günstiger Konditionen und die Sicherung der Warenversorgung dürften jedoch in allen Fällen bedeutsam sein. In dem zuletzt genannten Gesichtspunkt schlägt sich auch die Zunahme der Konkurrenz um attraktive Beschaffungsquellen nieder. Folglich muß die Geschäftsbeziehung zu wichtigen internationalen Lieferanten gepflegt werden. Daher wird erklärlich, warum die von George!Winter befragten Handelsbetriebe angaben, im Rahmen ihrer internationalen Einkaufspolitik eine dauerhafte Bindung zu wichtigen Auslandslieferanten anzustreben. 255 Wenn die Zusammenführung der grenzüberschreitenden Beschaffung in ein für die entsprechenden Länder zuständiges Einkaufsorgan mehr sein soll als der Versuch, die nationalen Einkaufsvolumina zu bündeln, länderspezifische Preisunterschiede zu nutzen sowie Rabatte und Zahlungsmodalitäten zu verbessern, dann muß eine Euro-Zentrale einem Lieferanten Leistungen, die in den verschiedenen Ländern erbracht werden sollen, verläßlich zusagen können. Dazu gehören u.a. die Listung in allen Ländern, für die die Euro-Zentrale Verhandlungen führt, und die 251 Die Skala reichte von "1 = sehr wahrscheinlich" bis "6 = völlig unwahrscheinlich". Immerhin 55 % aller Nennungen entfielen auf die Skalenwerte 1 und 2. Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 31. 252 Vgl. George (1992), S. 8. Die Extrempole der Skala bilden "1 =zentral" und "5 = dezentral". 253 Vgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 32. 254 Formen und Strategien europäischer Beschaffungskooperationen werden in Abschn. 2.1.3. in diesem Kapitel behandelt. 255 Der Durchschnittswert in bezug auf dieses Item beträgt 4,3 (auf einer fünfstelligen Skala, die von "1 = stimme überhaupt nicht zu" bis "5 = stimme voll und ganz zu" reicht). Vgl. George (1992), S. 8.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
343
Verwirklichung von Art und Anzahl vereinbarter Promotionsmaßnahmen in den Ländermärkten. Es sollte folglich gewährleistet sein, daß konkrete Vereinbarungen, die zwischen Lieferanten und europäischem Einkauf getroffen werden, von beiden Seiten erfüllt werden. Die Euro-Zentrale muß daher gegenüber nationalen Einheiten bei den Sachverhalten, die für das Erreichen bestimmter Verhandlungsergebnisse mit Herstellern wichtig sind (z. B. Listung, Vereinbarung von Absatzmengen und Anzahl sowie Art von Verkaufsförderungsmaßnahmen in den europäischen Verkaufsstellen) Weisungsrecht besitzen. Tengelmann hat 1992 Tengelmann European Merchandising Allowance (Tema) mit Sitz in Mühlheim geschaffen. Tema bietet Lieferanten weitreichende Leistungsverpflichtungen für alle Betriebstypen, die der Anbieter in der Bundesrepublik Deutschland, in Italien, der Niederlande und in Österreich unterhält. Es gewährleistet somit Hersteilem die Durchsetzung der getroffenen Vereinbarungen in den angegebenen Ländermärkten.Z56 Allerdings können bzw. wollen zahlreiche renommierte Markenartikelhersteller keine für ganz Europa bindenden, insbesondere einen (niedrigen) Abgabepreis betreffenden Verträge abschließen.Z57
Die Zentralisierung von Einkaufsverhandlungen auf europäischer Ebene geht mit einer Streckenbelieferung von Warenverteilzentren, die entweder als nationale oder regionale Zwischen- oder Transitlager fungieren, einher?58 Hersteller werden in dem mit der Euro-Zentrale eines Einzelhandelsunternehmens geschlossenen Kontrakt verpflichtet, ganz bestimmte Logistikzentren mit Waren zu beliefern. Die Weiterbeförderung der Waren von dort in die jeweils angeschlossenen Verkaufsstellen steuert dann die Landesgesellschaft des Handelsbetriebs, die für das Verteilzentrum zuständig ist. 259 Folglich sollten die Standorte von europäischen Warenverteilzentren des Einzelhandels nahe bei den Produktionsstätten sowie Auslieferungslägern der Hersteller bzw. anderer Lieferanten liegen?60 Es wird vor diesem Hintergrund auch erklärlich, warum der wertmäßige Marktanteil, den international agierende GroßunterVgl. o.V. (l992e), S. 4. Da die einzelnen Ländergesellschaften häufig nach dem Profit Center-Prinzip geführt werden, besitzen europäische Zentralen von Herstellern gegenüber nationalen Gesellschaften keine bzw. nur in eng umrissenen Fällen Weisungsbefugnisse. Dies wird sich möglicherweise erst dann ändern, wenn die Nachfragemacht der Euro-Zentralen des Handels steigt (z. B. glaubwürdige Drohung mit der Auslistung in allen Ländergesellschaften). Solche Erfahrungen hat die für internationale Beschaffung der Promodes-Gruppe zuständige Promodes World Trade (vgl. o.V. (l992f), S. 3) gesammelt. 258 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 2.1.4. in diesem Kapitel. 259 Von einer Streckenbelieferung der einzelnen Verkaufsstellen rücken als Folge der Einsichten, die im Rahmen des "efficient consumer response"-Projektes gewonnen wurden, immer mehr Großbetriebe des Lebensmitteleinzelhandels ab. Vgl. o.V. (l994i), S. Jl 0 ff. 260 Die Bedeutung von Bezugsquellen z. B. für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel ist je nach Warengruppe unterschiedlich. Im Frischwarensektor hat der Spezialgroßhandel einiges Gewicht. Generell werden vor allem industrielle Hersteller, handwerkliche Produzenten, landwirtschaftliche Erzeuger, Sortiments- und Spezialgroßhandel als Bezugsquellen genutzt. Vgl. Tietz (1993b), S. 472. 256 257
344
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
nehmen erobern werden, nach Meinung europäischer Handelsexperten von 36% auf 47% im Jahr 2002 ansteigen soll. 261 Dabei geht es nicht darum, daß ein Lieferant in möglichst vielen Ländern vertreten ist,262 sondern um die Synchronisation der Beschaffungsreichweite wichtiger Absatzmittler mit dem Absatzradius von bedeutenden Herstellern. 263 Was damit konkret gemeint ist, läßt sich am Beispiel des internationalen Einkaufs von Aldi nachvollziehen :264 Etwa 70% aller in den verschiedenen europäischen Ländern angebotenen Waren, in denen Aldi Verkaufsstellen unterhält, werden jeweils von einem Hersteller produziert. Falls dessen Kapazität an den verschiedenen Produktionsstandorten für die Menge, die Aldi ordert, nicht ausreicht, werden weitere Unternehmen für die Auftragsproduktion gesucht. Die Produktgestaltung ist für ganzEuropaweitgehend identisch. Lediglich die Verpakkung und der Name der Handelsmarke, unter dem Aldi (nicht der Hersteller) den Artikel offeriert, werden in der Regellandesspezifischen Gegebenheiten angepaßt. Das Unternehmen arbeitet mit seinen (internationalen) Lieferanten nahezu ausschließlich in Form der Kontraktproduktion zusammen, d. h. es werden frühzeitig (oft über sechs Monate vor der Lieferung) Abnahmemenge, Termine und Orte der Lieferung sowie Abnahmepreis vereinbart. Für Hersteller ergibt sich dadurch die Chance, den Erfahrungskurveneffekt voll nutzen und Marketing- bzw. Vertriebskosten senken zu können. Durch die langfristige Abnahmegarantie und die damit verbundene sichere Absatzplanung sind zahlreiche mittelständische Lieferanten mit Aldi sozusagen mitgewachsen. Zwar haben sich die Betroffenen in eine Abhängigkeit von Aldi begeben, 265 doch erzielen viele aufgrundder Art und Weise der Zusammenarbeit Erfolg.
Die in Tab. 3.23. enthaltenen Angaben bestätigen den Eindruck, daß die internationale Warenbeschaffung in naher Zukunft eine neue Dimension erreichen wird. Diese äußert sich nicht nur in der Zunahme der in Auslandsmärkten georderten Warenmenge und in der Bündelung von Einkaufsvolumina durch grenzüberschreitende Kooperation, sondern auch in einer durch Zentralisierung und stärkere Koordination zu kennzeichnenden Veränderung der Beschaffungsorganisation. In Abhängigkeit von der Führungsphilosophie, d. h. dem Ausmaß an Entscheidungsautonomie, das Filialen gegenüber der nationalen Zentrale besitzen, wirft die Abstimmung zwischen internationalem, nationalem und regionalem Einkauf (WarenVgl. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 224. Folgerichtig nahmen die von George/Winter untersuchten international agierenden Handelsbetriebe bei dem Statement "ein potentieller Lieferant muß in möglichst vielen Ländern tätig sein" eine Position der Indifferenz ein. Vgl. George (1992), S. 8. 263 Die Beschaffungsreichweite von Absatzmittlern wird im wesentlichen durch den Standort der Warenverteilzentren determiniert, während die Lage von Produktionsstätten und Auslieferungslägern den Absatzradius von Herstellern prägt. In beiden Fällen beeinflussen zusätzlich Charakteristika der Ware (Haltbarkeit, Transporteigenschaften etc.) sowohl die Absatz- als auch die Beschaffungsreichweite wesentlich. 264 Die nachfolgenden Ausführungen lehnen sich an M+M-Eurodata ( 1993), S. IV, 43 f., an. Vgl. dazu auch Tab. 3.23. 265 Bei einer Auslistung durch Aldi bzw. Nichtverlängerung des Vertrages für die Kontraktproduktion droht einem Lieferanten allerdings ein existenzgefährdender Umsatzverlust 261
262
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
345
beschaffung durch Verkaufsstellen) spezifische Probleme auf. Je größer der Entscheidungsspielraum ist, den Filial- bzw. Marktleiter und nationale Einkäufer besitzen, desto schwieriger wird die Position des internationalen Einkaufs. Bei einer der Maxime nach weitgehender Dezentralisierung verpflichteten Führungsphilosophie muß die für die internationale Beschaffung zuständige Instanz die nationalen Einkaufsgremien und die regionalen Einkäufer in den Verkaufsstellen von der Vorteilhaftigkeit der grenzüberschreitenden Aktivitäten überzeugen und Widerstand der betroffenen Personen abbauen? 66 In einer solchen Konstellation spielen kurzfristig erzielbare Erfolge (z. B. günstigere Konditionen), die hohe Qualifikation und das große Ausmaß an Empathie der Verantwortlichen sowie die Güte der persönlichen Beziehungen zwischen den nationalen und internationalen Einkäufern eine Schlüsselrolle dabei, daß die internationale Beschaffung einen höheren Stellenwert gewinnt. Die damit angeschnittene Problematik läßt sich am Beispiel von Metro verdeutlichen. 267 Das von Deuro Buying abgewickelte Einkaufsvolumen beläuft sich Schätzungen zufolge auf 400 bis 500 Mio. DM. Das entspricht weit weniger als 1 % des Umsatzes der Kooperationspartner. Es können erst dann Artikel in größeren Mengen geordert werden, wenn sich alle betroffenen nationalen Einkaufsorganisationen auf bestimmte Produkte geeinigt haben. Dieser Abstimmungsprozeß268 wird von einem Projektteam geleitet, das aus Einkaufsverantwortlichen aus zwei bis drei Ländern besteht und unter Federführung des Landes, aus dem das jeweilige Produkt bezogen werden soll, tagt. Dabei dominiert die deutsche Einkaufszentrale die Entscheidungsfindung. Die Koordinierung gestaltet sich in der Regel dann schwierig, wenn nicht nur Einkaufsmengen für identische Artikel gebündelt und durch Deuro Buying günstiger geordert werden können, sondern auch Eingriffe in die Sortimentspolitik der Kooperationspartner (Makro, Metro etc.) bzw. der Landesgesellschaften eines angeschlossenen Unternehmens (Metro Deutschland, Metro Frankreich usw.) damit verbunden sind. Da bei Metro mehr als 50 % des Beschaffungsvolumens von der nationalen Einkaufsorganisation und 10 bis 15 % von den einzelnen Verkaufsstellen vor Ort geordert werden, ergibt sich für Deuro Buying in bezug auf dieses Unternehmen ein kurzfristig realisierbares Potential von etwa einem Drittel des Wareneingangs. 269
Die strategische Ausrichtung der internationalen Beschaffungspolitik besteht gemäß Tab. 3.23. im wesentlichen darin, eine internationale Beschaffungskooperation zu initiieren und zu pflegen, mit ausgewählten Lieferanten stärker zusammenzuarbeiten, 270 266 Dieser Widerstand kann aus der Angst resultieren, neue Aufgaben wahrnehmen zu müssen, Entscheidungskompetenz abgeben zu müssen etc. 267 Die Basis der Ausführungen bildet Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1994), S. 30f. 268 Es wird berichtet, daß dafür nicht selten ein halbes Jahr benötigt wird. 269 In Abschn. 2.1.3. in diesem Kapitel wird auf die Aktivitäten der Deuro Buying und anderer supranationaler Verbundgruppen noch näher eingegangen. 270 Dies kann sowohl die Optimierung und Verzahnung der jeweiligen Wertketten als auch eine langfristige Vereinbarung über die Kontraktproduktion von Handelsmarken umfassen.
346
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
zunehmend die ganze Welt als potentiellen Beschaffungsmarkt zu begreifen und eine stärkere Verzahnung mit der internationalen Absatzpolitik anzustreben.
Tabelle 3.23.
Sekundärstatistische Befunde zur internationalen Beschaffungspolitik von europäischen Filialunternehmen im Lebensmittelsektor Untemehmuna Aldi
Charakteristikum Langfristige Konlnlktproduktion vor allem mit mitteistindischen Unternehmen. aber auch namhaften Marlcenartikelhentellem - Weitgehende Eigenslindigkeit des Einlcaufs bei Aldi.SIId und Aldi-Nord (Austausch von Infonnationen llber Beschatrungsmlrlcte und LiefCIUrten), die ftlr jeweils venclliedene Under zustAndig sind Produktion von 70% aller in Europa mit einem Warenzeichen vonA/di angebotenen Artilcel durch jeweils einen einziaen Hersteller - Eigenverantwortlicher Einlcauf der Waren durch Lander&esellschaflcn - Europaweite Beschaffimg in Planung Zusammenarbeit mit Metro (gemeinsame Grllndung der Einlcaufsgenossenschaft Comecta 1978), der sich auchMa/cro.SHV anschloß (1990 Grtlndung der europliseben Einlcaufsgesellschaft Deuro Buying) in GB Kooperation im Einlcaufmit der Tochtergesellschaft Netto vonDatuk Supermarkd - Bis zwn Eintritt in den deutschen Marlet (Joint venture mit der Spar} Mitglied der europliseben Beschaffungslcooperation AMS, danach auf Druck der AMS-Mitglieder Austritt und seitdem weitachend eigenstandiaer Einlcauf(Ausnahme z.B. Beschaffima in GB aemeinsam mit Caf!Y/our) - 1994 GrllndW13 der Kooperatinn SEDD gemeinsam mit Sai~~.tbury, Eutlunga und Dockr dt Fronet die zunac:hst Marlctinformationea.austauschen soll - Einlcauf von Frischwaren und regionalen SpezialitAten durch Zentraleinlcauf jedes Landes; Beschaffung des verbleibenden Rests der in Hard discouni-Betriebstypen in Europa angebotenen Waren durch deutsche Einlcaufszentrale - in D Steigerung des Imports von Nonfood-Waren von 19% (1993) auf etwa 30% des Beschaffungsvolumens beabsichtigt. - GrllndW18smitglied der Deuro Buying, die den europliseben Einlcauf von Ma/ao.SHV, Metro, Cai'!Yfour und (seit 1994) NAF anlcurbeln soll - Obernahme der Dellcrederefunlction ftlr auslandische Tochtergesellschaften duteh MIAG, die intemationale FOhrungsholding der Metro - Im Nonfood-Sektor Direktimport durch Geme.r, eine Tochtergesellschaft der Metro mit Sitz in Honglcong - Einlcauf von ca. 10 bis 15 % der Waren eines Cash & Carry-Marktes durch Filiale vor Ort, der Rest in der Regel durch die Einlcaufszentrale des betreffenden Landes, die deutsche Einlcaufszen. tralc, die somit auch internationale Beschatrungsfunlctionen wahrnimmt, und die Deuro Buying - Mindestens die Halfte des Beschaffungsvolumens einer auslandischen Tochtergesellschaft ordert diese derzeit in eiJener VerantwortunJ Koordination der europliseben und US-amerilcanischen BeschaffimgsalctivitAten durch die 1992 gegrtlndete PromodiI World Trodt mit Sitz in Genf; im Vordergrund stehen die Erschließung von S~ergie und die Verbesserung_der Konditionen - Grllndung der Ttma mit dem Ziel, eine Europazentrale zu schaffen, um u.a. die europlisehe BeschatrunJ weitachend an einem Ort zusammenzufassen
-
Auchan Carrefour
Dansk Supermarked Delhaize le Lion Lid/ & &hwarz
Metro
Promodes Tengelmann
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Anmerkungen: Die Auswahl der Unternehmen kommt dadurch zustande, daß im wesentlichen auf M+M-Eurodata (1993), S. IV, 36ff., rekurriert wird. Dort sind die 22 umsatzstärksten Handelsbetriebe aufgeführt, die mit Tochtergesellschaften oder in Form von Mehrheitsbeteiligungen außerhalb ihres Stammlandes in Europa agieren. Die Quellen enthalten nicht bei jedem Unternehmen Informationen über dessen internationale Beschaffungspolitik Deswegen wurden weitere, unten angegebene Publikationen zur Ergänzung herangezogen. Schließlich sind nur solche Unternehmen enthalten, die ihren Sortimentsschwerpunkt im Lebensmittelsektor haben.
Quellen: M+M-Eurodata (1993}, S. IV, 36ff.; o.V. (I994j), S. 5; o.V. (1992e), S. 4; o.V. (1992f), S. 3; o.V. (1992h}, S. 3; o.V. (1992), S. 3; Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1994), S. 30f. und S. 2 12.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
347
Welche dieser Optionen die internationale Beschaffungspolitik dominiert, hängt von einer Reihe von unternehmensinternen und -externen Determinanten ab. Dazu zählen u.a. die Stellung des Handelsunternehmens auf den internationalen Absatzund Beschaffungsmärkten, Schwierigkeiten bei der Bearbeitung von Beschaffungsmärkten (insbesondere Außenhandelsrestriktionen), die mit der Internationalisierung verfolgten Ziele sowie die Bereitschaft und die Fähigkeit des Managements, die internationale Beschaffung voranzutreiben. Während sich kleinere Einzelhandelsunternehmen aufgrund ihres niedrigen Beschaffungsvolumens und ihrer begrenzten finanziellen Mittel hauptsächlich durch regelmäßige Auslandsreisen von Mitarbeitern über die Entwicklung vor Ort informieren und Angebote einholen, bedienen sich Großbetriebe sog. Einkaufsagenten oder Einkaufsgesellschaften bzw. -büros, um sich in Beschaffungsmärkten mit strategischer Bedeutung zu etablieren. Dadurch sollen Kontakte zu derzeitigen und potentiellen Lieferanten, Behörden, Verbänden und Logistikdienstleistern hergestellt und gepflegt sowie eine Änderung der Makroumwelt frühzeitig erkannt werden.271 Möglicherweise ergibt sich dadurch auch die Möglichkeit, in einem Beschaffungsmarkt Verkaufsstellen zu errichten. Die Markant AG, eine deutsche Verbundgruppe des Einzelhandels, unterhält eine Tochtergesellschaft in Hongkong, die MTO-Markant Trading Organisation Ltd. Diese hat die Aufgaben, für die Mitglieder preisgünstige, qualitativ hochwertige Waren zu suchen und bei der Auftragsabwicklung (von der Qualitätskontrolle bis zur Verschiffung und zur Vermittlung günstiger Finanzierungsmöglichkeiten) zu helfen. Weiterhin besitzt Markant seit 1994 die lberiana Frucht S.A., Valencia, die im spanischen Erzeugerland die Versorgung der Mitgliedsbetriebe mit Obst und Gemüse sicherstellen soll. 272 Wie einem Geschäftsbericht der REWE-Zentral AG zu entnehmen ist, hat das Unternehmen in Hongkong, Shanghai und Ho Chi Minh-Stadt Einkaufsbüros etabliert, um das Beschaffungspotential der jeweiligen Märkte genauer analysieren zu können. 273 Dies geschah aus der Erkenntnis heraus, daß eine intensive Markterkundung und -bearbeitung nur durch eine ständige Präsenz gewährleistet werden können.
In den Ländern, in denen sich aufgrund ihres geringen Potentials die Errichtung einer Beschaffungsniederlassung nicht lohnt, schalten auch große Handelsbetriebe Einkaufsagenten ein. Diese mit den Gepflogenheiten des Ländermarktes vertrauten Personen erhalten für ihre Dienstleistung eine Provision, die sich in der Regel auf den Wert des Beschaffungsauftrages bezieht. 274 Deswegen ist die Qualität von Buying Agents als Informationsquelle als gering einzuschätzen.
211 272
273 274
Vgl. Kraus (1992), S. 42ff. Vgl. Markant AG (1995), S. 7 und S. 19. Vgl. REWE-Zentral AG (1993), S. 35. Vgl. Knoblich (1980), S. 1091.
348
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
2.1.3. Die Etabtierung von Formen der Beschaffungskooperation auf europäischer Ebene 2.1.3.1. Arten international tätiger Beschaffungskooperationen
Die freiwillige Zusammenarbeit rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Handelsbetriebe hat im internationalen Einkauf eine lange Tradition. 275 Im Zuge des in den 80er Jahren im Lebensmittelsektor in Gang gekommenen Internationalisierungsprozesses formierte sich in Buropa eine Vielzahl supranationaler Verbundgruppen. Gleichzeitig weiteten nationale Kooperationen die Intensität ihrer grenzüberschreitenden Beschaffungsaktivitäten beträchtlich aus. Diese Entwicklung führte dazu, daß das Spektrum international tätiger Beschaffungskooperationen nahezu unübersichtlich geworden ist. Um Ordnung und eine Grundlage für das Verstehen bestimmter Probleme dieser Organisationen zu schaffen, erscheint es zweckmäßig, zunächst die in der Realität vorhandenen Erscheinungsformen mit Hilfe bestimmter Kriterien zu systematisieren. Dazu werden solche Merkmale herangezogen, die mit Blick auf Ziele, Aufgaben und Probleme der internationalen Beschaffungspolitik unmittelbar bedeutsam erscheinen. 276 Jede in der Praxis bestehende international tätige Beschaffungskooperation läßt sich mit den in Abb. 3.10. aufgeführten Variablen kennzeichnen. Vor dem Hintergrund des Schwerpunktes dieser Untersuchung, der auf dem Lebensmittelsektor liegt, wird Abb. 3.10. mit Blick auf diese Branche erörtert. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß sich die dargebotene Systematik auch auf andere Sektoren anwenden läßt. Das für die Bewertung von Euro-Kooperationen wichtigste Kriterium bilden Art und Entscheidungskompetenz der für die internationale Beschaffung zuständigen Instanz. Hier muß zunächst zwischen einer supranationalen Verbundgruppe und einer nationalen Einkaufskooperation unterschieden werden. Im ersten Fall kann es sich um den freiwilligen Zusammenschluß von Filialunternehmen, die in einem oder in mehreren Ländern Verkaufsstellen besitzen, oder von Einkaufskooperationen handeln, deren Mitgliedsbetriebe in der Regel nur in einem Staat tätig sind und kein flächendeckendes Filialnetz unterhalten. Im zweiten Fall wird Ware von der Zentrale einer nationalen Einkaufskooperation für Mitgliedsbetriebe in Auslandsmärkten beschafft. Entscheidend sind das Ausmaß vertraglich festgelegter Weisungsbefugnisse und die Möglichkeit der Einflußnahme, welche die internatio275 Beispielsweise fallen im Genossenschaftsbereich Gründungsjahr (in vielen Fällen Anfang des 20. Jahrhunderts) und Beginn der Internationalisierung häufig zusammen. Vgl. Gobbers (1992), S. 198. 276 Konstitutive Entscheidungen berührende Kriterien, wie z. B. Rechtsform und Mitgliederzahl, werden ebensowenig berücksichtigt wie Merkmale, die die (nationalen und internationalen) Absatzaktivitäten charakterisieren (z. B. Intensität der internationalen Absatzpolitik der Mitgliedsbetriebe).
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
349
nale Beschaffungsinstanz gegenüber den Mitgliedsbetrieben bzw. Verkaufsstellen besitzt. 277 Es muß darauf hingewiesen werden, daß die in Abb. 3.10. enthaltene Trennung zwischen supranationalen Verbundgruppen von Filialunternehmen und solchen von Einkaufskooperationen der Realität nur bedingt gerecht wird; denn Verbundgruppen haben sich in ihrer Mehrzahllängst davon verabschiedet, lediglich den Einkauf für ihre Mitglieder zu regeln. 278 Insofern wäre es angebracht, statt Einkaufskooperation den Terminus Verbundgruppe (oder Marketingkooperation) zu verwenden. Da es in dem hier zu behandelnden Zusammenhang aber um die Beschaffung geht, erscheint es zweckmäßig, an dem Begriff Einkaufskooperation festzuhalten. Ein mit der gewählten Differenzierung verbundenes inhaltliches Problem verkörpert die Tatsache, daß Einkaufskooperationen sowohl eine genossenschaftliche als auch eine privatwirtschaftliche Rechtsform und meist einen davon abhängigen unterschiedlich ausgeprägten inneren Zusammenhalt aufweisen können. Je nach Ausgestaltung der Kooperation279 ist der Übergang zu Filialunternehmen fließend. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an Regiebetriebe oder an ein Franchisesystem, wie sie von Verbundgruppen betrieben werden. Einen weiteren Beleg für diesen Befund bildet der Umstand, daß manchmal große Filialunternehmen Mitglied einer Einkaufskooperation sind (z. B. Lidl & Schwarz bei Markant). Letztlich ist auch eine Zusammenarbeit von Filialunternehmen und Einkaufskooperationen in einer supranationalen Verbundgruppe denkbar.280 Vor dem Hintergrund dieser Spezifika wäre der Oberbegriff supranationale Verbundgruppe viel stärker zu differenzieren, als in Abb. 3.10. geschehen. Mit Blick auf das Anliegen, Ziele, Aufgaben und Probleme europäischer Beschaffungskooperationen (Abschn. 2.1.3.2.) sowie deren Relevanz für die Absatzpolitik der angeschlossenen Handelsbetriebe zu diskutieren (Abschn. 2.1.3.3.), erscheint die gewählte Zweiteilung jedoch ausreichend.
Die Felder der grenzüberschreitenden Beschaffung konkretisieren sich in Sortimenten,281 Warengruppen und Ländern. In jedem dieser Bereiche kann eine unterschiedlich intensive internationale Einkaufspolitik verfolgt werden. Dabei ist es wichtig, nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Indikatoren zur Operationalisierung des Niveaus der Beschaffung im Ausland heranzuziehen. Ein Beispiel hierfür stellt die Struktur der internationalen Warenverteilung, d. h. des Distributionssystems dar, dessen man sich zur logistischen Abwicklung von Auslandsordern bedient. In Abschn. 2.1.3.2. werden diese unter Verwendung von Praxisbeispielen erläutert. Bereits 1972 hat z. B. Schäfer in seiner Dissertation die über den reinen Einkauf hinausgehenden Leistungen von Beschaffungskooperationen untersucht. Vgl. Schäfer (1972), s. 16ff. 279 Diese wird im Gesellschafts- und/oder im Partnervertrag geregelt. 280 Ein Beispiel dafür bildet der Beitritt der NAF International, einer grenzüberschreitend tätigen Einkaufsorganisation von Konsumgenossenschaften, zu Deuro Buying, einem europäischen Zusammenschluß der Filialisten Carrefour, Makro und Metro. Vgl. Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1994), S. 30. 281 Da Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe in der Regel einen, wenn auch unterschiedlich hohen Anteil von Nonfood-Waren in ihrem Sortiment führen, läßt sich hier zwischen Foodund Nonfood-Sortiment trennen. 277
278
.f
Groß- und Einzelhandel
Einzelhandel
Großhandel
Einbezogene Handelsstufe
-.-
I
,
I
nalen Einkaufskooperation
einer natio-
~
Zentrale
I
Struktur der internationalen Warenverteilung (z.B. Anzahl unterhaltener Logistikzentren)
Anzahl der Mitarbeiter im Innen- und Außendienst (Einkaulsreisende) sowie Anzahl der Beschaffungsrepräsentanzen im Ausland
Anteil des (direkten und indirekten) Importsam Beschaffungsvolumen (in bezugauf Sortiment und einzelne Warengruppen)
Anzahl und geographische Verteilung der bearbeiteten Auslandsmärkte
Single und Modular Sourcing
Global Sourcing
Kooperation bzw. strategische Allianz (z.B. durch Anbindung an eine supranationale Verbundgruppe)
l
Strategie der internationalen Beschaffungsmarktbearbeitung
Abb. 3.10.: Merkmale zur Typisierung international tätiger Beschaffungskooperationen
Möglichkeit der Einflußnahme aufMitgliedsbetriebe durch Beziehungsmanagement w1d technologische Maßnahmen
Ausmaß vertraglich festgelegter Weisungsbefugnisse gegenOber Mitgliedsbetrieben
~eje"
unter-
I
Einkaufskooperation
Supranationale Verbundgruppe
~
I
I
~ Feld und Intensität der internationalen Beschaffung
--r
Struktur und Entscheidungskompetenz der für die internationale Beschaffung zuständigen Instanz
rt== Filial-
Wareneinkauf (Eigengeschäft)
Verhandlungen mit Auslandslieferanten (Delkredere, Vermittlungsgeschilfl)
Aufbau und Forcierung der Eigenmarkenpolitik
Mitwirkung an Kommunikationsaktivitllten (z.B. Messen, VerkaufsR!rderung)
Informationsaustausch
Gegenstand bzw. Umfang der internationalen Zusammenarbeit
Internationaltätige Beschaffungskooperation
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Countertrade
Errichtung von Beschaffungsrepräsentanzen in Auslandsmärkten
Kontraktproduktion (bis hin zur RUckwärtsintegration)
Direkter Import
Indirekter Import
Form bzw. institutionelles Arrangement der internationalen Beschaffung
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2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
351
Da im Vordergrund dieser Untersuchung der Einzelhandel steht, werden in den nachfolgenden Abschnitten solche international tätige Beschaffungskooperationen nicht einbezogen, die sich ausschließlich mit dem Großhandel von Lebensmitteln beschäftigen. Beispiele hierfür verkörpern BÄKO-Europa, Lekkerland Europa und SÜGRO International. BÄKO-Europa setzt sich aus neun Mitgliedern, d. h. nationalen Verbundgruppen zusammen und erzielt einen Gesamtumsatz von ca. 4 Mrd. DM. SÜGRO International weist 13 Gesellschafter mit insgesamt ca. 240 Großhandelsbetrieben und ca. 3 Mrd. DM Umsatz aus. Die deutsche SÜGRO-Gruppe ist nicht nur Gesellschafterin von SÜGRO International, sondern hält auch eine Beteiligung an ihrem britischen Pendant. Darüber hinaus sind sechs ausländische Großhandelsbetriebe der deutschen Kooperation angeschlossen. 282
Das Beispiel SÜGRO verdeutlicht, daß sich die Internationalisierung einer nationalen Verbundgruppe auf zwei Wegen vollziehen kann, und zwar einerseits durch den Beitritt zu einer supranationalen Kooperation (hier: SÜGRO International) und andererseits durch Aufnahme ausländischer Betriebe sowie durch Kapitalbeteiligung an bzw. Zusammenarbeit mit einer oder mehreren ausländischen Verbundgruppen. 283
Die Kriterien Gegenstand bzw. Umfang der internationalen Zusammenarbeit, Strategie der internationalen Beschaffungsmarktbearbeitung und Form bzw. Arrangement der internationalen Beschaffung, die zur Typisierung grenzüberschreitend tätiger Beschaffungskooperationen herangezogen werden können (vgl. Abb. 3.10.), seien an dieser Stelle nur der Vollständigkeit wegen erwähnt. Sofern Angaben dazu verfügbar sind, werden diese in Abschn. 2.1.3.2. mit Blick auf die zu erläuternden realen Fallbeispiele erörtert. 2.1.3.2. Ziele, Aufgaben und Probleme europäischer Beschaffungskooperationen
Im folgenden werden supranationale Verbundgruppen von Einkaufskooperationen und Filialunternehmen näher betrachtet (vgl. Abb. 3.10.). Diese Beschränkung erscheint aus mehreren Gründen gerechtfertigt: Der Warenbedarf, der durch internationalen Einkauf gedeckt werden kann, d. h. das Potential für Auslandsbeschaffung ist bei supranationalen Verbundgruppen in der Regel viel größer als bei grenzüberschreitend tätigen nationalen Einkaufskooperationen. Durch die Bildung einer europäischen Verbundgruppe entsteht die organisatorische Voraussetzung dafür, daß das strategische Potential des internationalen Wareneinkaufs systematisch ausgeschöpft werden kann. Während die Zentrale einer nationalen Beschaffungskooperation vorwiegend auf die Reduzierung von Ein282 283
Die Angaben sind Ahrens (1994), S. 81, entnommen. Vgl. Neumann (1992), S. 81 f.
352
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
standskosten abhebt, wird eine supranationale Verbundgruppe aufgrund ihres breiter angelegten Leistungsspektrums284 eher die Steigerung der Effizienz der Mitgliedsbetriebe im Auge haben, die in verschiedenen betrieblichen Funktionsbereichen erreicht werden kann. Durch die Initiierung einer supranationalen Verbundgruppe rückt das internationale Marktgeschehen in das Blickfeld der Mitglieder. Allein dadurch, so kann vermutet werden, steigen die Intensität der internationalen Beschaffung und auch die Bereitschaft, die in verschiedenen Märkten gewonnenen Erkenntnisse für die nationale und internationale Absatzpolitik zu nutzen. 285 Schließlich sind, wie noch zu zeigen sein wird, Ende der 80er Jahre zahlreiche supranationale Verbundgruppen etabliert worden, so daß es sinnvoll erscheint, sich damit auseinanderzusetzen. Tab. 3.24. und Tab. 3.25. vermitteln einen Überblick über ausgewählte supranationale Verbundgruppen. Zunächst seien Ziele, Aufgaben und Probleme der europäischen Gruppen nationaler Einkaufskooperationen erörtert.286 BIGS wird im wesentlichen von der internationalen Spar-Gruppe geführt. Sie unterstützt die Mitglieder bei der Warenbeschaffung, indem Listungsempfehlungen ausgesprochen werden. Sobald es zu einem Abschluß kommt, erhält BIGS von der Industrie besondere Konditionen eingeräumt. 287 Darüber hinaus werden Artikel aus einigen Warengruppen von BIGS für die Mitgliedsbetriebe importiert. Unter Federführung der Zentrale der internationalen SparGruppe arbeitet BIGS an der Entwicklung von Eigenmarken, für die sie Beschaffungsfunktionen übernehmen soll. CEM besteht mit Ausnahme von Booker aus genossenschaftlich organisierten Handelsbetrieben, wobei Edeka das umsatzstärkste Mitglied verkörpert. Das langfristige Ziel besteht darin, auf europäischer Ebene Zentralvereinbarungen mit multinationalen Herstellern zu treffen. Bislang beschränkt sich die Zusammenarbeit noch weitgehend auf den Informationsaustausch zwischen den angeschlossenen Handelsbetrieben. Dies mag u.a. darauf zurückzuführen sein, daß die Durchsetzungsfahigkeit der nationalen Zentralen gegenüber den Genossen gering ist und es deswegen Hersteller CEM nicht zutrauen, Vereinbarungen einhalten zu können. CEM will sich künftig der Entwicklung von europaweiten Verkaufsförderungsmaßnahmen und dem Aufbau von europäischen Eigenmarken zuwenden. 288 EMD besteht aus Einkaufskooperationen von Groß- und Einzelhandelsbetrieben unterschiedlicher Struktur und Größe, die elf Länder abdecken. Ihr Außenumsatz von ca. 161 Mrd. DM weist sie als größte europäische Verbundgruppe aus. Voraussetzungen für die Aufnahme in EMD sind ein nationaler Marktanteil von 10 % (Selex erfüllt diese Norm nicht), die
284 Vgl. hierzu die in Abb. 3.10. zum Kriterium Gegenstand bzw. Umfang der internationalen Zusammenarbeit aufgeführten Elemente. 285 Darauf wird in Abschn. 2.1.3.3. in diesem Kapitel eingegangen. 286 Die Basis der Erörterung bildet Ahrens (1994), S. 83 ff., wobei diese an einzelnen Stellen durch Angaben anderer Publikationen ergänzt wird. 287 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 18. 288 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 20; o.V. (19941), S. 7.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
353
Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit in EMD und die Kompetenz, Vereinbarungen, die EMD trifft, auf nationaler Ebene durchzusetzen. Es bietet folgende Leistungen an :289 - Bereitstellung von Informationen über Absatz- und Beschaffungsmärkte (z. B. internationale Preisvergleiche für Eigenmarken), - Unterstützung des Know-how-Transfers zwischen den Mitgliedern, - Organisation eines EMD-Networks, durch das die Kommunikation der Mitglieder untereinander und mit den Lieferanten verbessert werden soll, - Import von Waren im Eigen- und Vermittlungsgeschäft, - Aufbau von Euro-Handelsmarken, - Entwicklung von europäischen Basissortimenten,290 - Planung von europaweiten Verkaufsförderungsmaßnahmen (z. B. europäische Messen und Bemusterungen) und - Unterstützung des Datenaustausches mit der Lebensmittelindustrie. Tabelle 3.24.
Ausgewählte europäische Verbundgruppen nationaler Einkaufskooperationen des Lebensmitteleinzelhandels Europäische Verbundgruppe BIGS Buying International GroupSPAR CEM Cooperation Europeenne de Marketing EMD Europeon Marketing Distribution AG Eurogroup S.A.
Gründungsjahr 1990
Anzahl der Mitglieder bzw. Länder 9 bzw. 12
1989
5
1989
10 bzw. 11
1988
4
Mitglied Bernag (CH), BWG (IRL), Despar (1), Dagrofa (DK), Hellaspar (GR), SPAR (A, CR, D, GB), Tukospar (SF), Unigro (NL), UniJ;!robel (B) Booker (GB), Conad (1), CRAI (1), Edeka (D, DK), Systeme U (F) DA GAB (S), Euromodi Iberica (E), Markant (D, NL), Musgrave (lRL), Nisa Today 's (GB), Se/ex (1), Superkob (DK), Uniarme (P), Uni/ (N), Z.E. V.-Markant (A) Coop (CH), GIB Group (B), REWE!Für Sie (D), Vendex (NL)
GesamtAußenumsatz {inMio. DM) 50.000 (1995)
88.600 (I 993) 161.000 (1995)
75.500 (1993)
Anmerkungen: 1) Die Angaben von Ahrens, die als eine Quelle fungiert, basieren auf Daten aus M+MEurodata (1993), S. IV, 8 ff. Der Gesamt-Außerrumsatz beruht teilweise auf Schätzungen. 2) DAGAB und Uni waren 1992 noch Mitglieder der BIGS. Diese hatte einen Gruppenumsatz von ca. 64 Mrd. DM, EMD einen solchen von 140 Mrd. DM. 3) Der Vorläufer der Eurogroup wurde gemäß Huber (1969), S. 67, berets 1965 gegründet. Quellen: Ahrens (1994), S. 82; o. V. (1994k), S. 7; o. V. (19941), S. 55.
Vgl. Markant AG (1995), S. 38f.; M+M-Eurodata (1993), S. IV, 27. Durch Vereinbarungen mit EMD konnten Hersteller in Länder exportieren, in denen sie bisher nicht vertreten waren. Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 27. 289 290
23 Lingenfelder
354
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Eurogroup widmet sich im wesentlichen den gleichen Aufgaben wie EMD. Sie unterhält Auslandsrepräsentanzen für die Warenbeschaffung in Italien, Spanien, der Niederlande und Hongkong, über die jedes Mitglied auf eigene Rechnung ordern kann. Die europäischen Einkaufsbüros konzentrieren sich auf die Warengruppen Obst, Gemüse und Tiefkühlkost, während Nonfood-Artikel und Textilien in Hongkong beschafft werden. Durch die Einrichtung eigener Auslandsniederlassungen werden der Zwischenhandel ausgeschaltet und Kosten eingespart. Weiterhin kann Eurogroup dadurch Qualität und Verpackung von Waren direkt beeinflussen. Eurogroup verfügt über ein Komrnissionierungsbüro in der Niederlande, das die Importe aus Südeuropa und Fernost sammelt und weiterleitet. Dabei versucht man, europaweit einheitliche Transporthilfsmittel (Mehrwegtransportverpackung, Paletten etc.) zu entwickeln und einzusetzen. Die Mitglieder von Eurogroup wickeln etwa ein Beschaffungsvolumen von 1 Mrd. DM über ihre europäische Verbundgruppe ab?91 Das entspricht einem Anteil von ca. 1,5% des gesamten Außenumsatzes (vgl. Tab. 3.24.). Dieser Wert, der bei den anderen bislang vorgestellten europäischen Verbundgruppen auch nicht wesentlich überschritten wird, verdeutlicht, daß das Potential, das im gesamten Mitgliederumsatz zum Ausdruck kommt, bei weitem noch nicht erschlossen ist.
Der grenzüberschreitenden BündeJung von gTößeren Beschaffungsmengen zu renommierten Markenartikelherstellern stehen die nationale Eigenständigkeil der Mitgliedsbetriebe und ihrer Angebotsformen sowie die länderspezifische Produkt- und Preisgestaltung der Markenartikel entgegen. Beispielsweise hat ein Vergleich der Konditionen ergeben, daß der belgisehe Vertreter mit Coca Cola die günstigsten Bedingungen vereinbart hatte. Der Versuch von Eurogroup, künftig gemeinschaftlich über Belgien Coca Cola einzukaufen und damit für alle Mitgliedsbetriebe die günstigsten Konditionen durchzusetzen, wurde jedoch von dem Produzenten erfolgreich abgewehrt.292 Nicht zuletzt auch deswegen konzentriert sich Eurogroup auf die Schaffung von europäischen Handelsmarken. Weiterhin versucht man, eine EDV-gestützte Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu bewerkstelligen.
Faßt man die Ausführungen zu den vier europäischen Verbundgruppen von EiDkaufskooperationen zusammen, so läßt sich festhalten, daß folgende Ziele im Vordergrund stehen: Verbesserung der Einkaufskonditionen, Sicherung bzw. Stärkung der Position der Mitgliedsbetriebe in den Beschaffungsmärkten und Reduzierung der Funktionskosten der Beschaffung sowie des Aufwands für die Warenlogistik Weiterhin pflegen die europäischen Gruppierungen den Kontakt und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern, um einen annähernd gleichen Kenntnisstand über Absatz- und Beschaffungsmärkte im In- und Ausland zu gewährleisten. Die Aufgaben, denen man sich zuwendet, lassen sich in zwei Bereiche trennen:
291 292
Vgl. o.V. (l994k), S. 7. Vgl. o.V. (1992i), S. 1.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
355
Bereitstellung von Serviceleistungen (z. B. Planung der europaweiten Warenlogistik, Aufbau eines EDV-gestützten Kommunikationssystems zwischen Mitgliedsbetrieben einerseits und Lieferanten andererseits, Aufbereitung von internationalen Marktdaten) und Übernahme von Beschaffungsaktivitäten (Abschluß von europaweit gültigen Zentralvereinbarungen mit Herstellern, Beschaffung von Handelsmarkenwaren, Errichtung von Auslandsrepräsentanzen in wichtigen Beschaffungsmärkten zur Durchführung von Importen, Übernahme von Verrechnungs- und Delkrederefunktion etc.). Bei der Verfolgung der Ziele und der Bewältigung der Aufgaben müssen die europäischen Gruppierungen spezifische Probleme meistem. Diese resultieren im wesentlichen aus dem verschieden hohen inneren Zusammenhalt, der aus der Heterogenität unterschiedlich strukturierter Mitgliedsbetriebe resultiert und u.a. darin zum Ausdruck kommt, daß die Einkaufskooperationen die Mitgliedschaft in einer supranationalen Verbundgruppe kündigen und einer anderen beitreten können, - dem Einfluß, den die Unternehmenspolitik dominierender Mitglieder auf die Gruppierung entfalten, der Marktstellung der europäischen Verbundgruppe, die sich im summierten Außenumsatz, den abgedeckten Ländern, dem Marktanteil der Mitglieder etc. niederschlägt, und der Entscheidungskompetenz, die die europäische Zentrale gegenüber den Mitgliedsbetrieben besitzt. Folgendes Beispiel mag die spezifischen Schwierigkeiten der Führung einer Euro-Kooperation verdeutlichen :293 Bei BIGS war ursprünglich auch Gedelfi, das Einkaufskontor der deutschen Spar, engagiert. Mit deren Ausscheiden aus Gedelfi, die seitdem als Importkontor für Edeka fungiert, und dem Anschluß an Markant ist Spar Mitglied einer zweiten europäischen Verbundgruppe geworden, der EMD. Von daher wäre angesichts der Umsatzbedeutung von Spar eine MegaKooperation zwischen BIGS und EMD denkbar. Da jedoch unter den Mitgliedern beider Gruppierungen in nahezu allen europäischen Ländern große Rivalität besteht, erscheint eine solche Zusammenarbeit kaum vorstellbar. Deswegen wird sich die Spar-Gruppe in absehbarer Zeit für die Mitwirkung in nur einer europäischen Verbundgruppe entscheiden müssen.
Euro-Verbundgruppen von Einkaufskooperationen müssen daher noch als instabil, relativ unbedeutend, aber mit einem großen strategischen Potential versehen charakterisiert werden. Um dieses zu erschließen, ist zu gewährleisten, daß die hier genannten Probleme die Realisierung der internationalen Beschaffungs- und Absatzziele nicht gefährden. Dazu zählen z. B. die adäquate Auswahl der Mitglieder
293
23*
Vgl. Ahrens (1994), S. 83 f.
356
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
(u.a. hinsichtlich der bearbeiteten Länder, Marktstellung, Betriebstypenstruktur sowie Wettbewerbsbeziehung zu anderen Mitgliedern) und die Verankerung der Möglichkeit (im Gesellschafts- und/oder Partnervertrag) zur Einflußnahme auf bestimmte Parameter der Marktbearbeitung der Mitglieder durch die europäische Kooperationszentrale. 294 Weiterhin bedarf es einer effizienten Organisation der EuroZentrale, wobei insbesondere auf die informatorische und personelle Verzahnung mit den nationalen Einkaufsabteilungen zu achten ist. 295
Tab. 3.25.
Ausgewählte europäische Verbundgruppen von Filialunternehmen des Lebensmittelhandels Europäische Verbundgruppe A.MS. Marketing Service AG
Gründungsjahr 1988
Deuro Buying AG
1990
Dl.FRA Distributeurs Fran9ais
1968
Mitglied Anzahl der Mitglieder bzw. Länder Ahold (NL), Allkauf(D), 11 Argyll (GB), Casino (F), Hakon (N), JCA (S), JMR (P), Kesko (SF), Mercadona (E), Rinascente (!), Superquinn (IRL) Carrefour (F, P), Metro (A, 4 bzw. 13 D, DK, F, I), Makro (B, E, GB, NL, P), NAF (A, DK, GB, I, N, S, SF) Casai!Printemps (F), Casino 7 bzw. 2 (F), Catteau (F), Froncop Distribution (F), Louis Delhaize (B), Rallye (F), S.C.A. (F)
GesamtAußenumsatz (inMio. DM) 96.779 (1992)
114.000 (1994) 40.000 (1992)
Anmerkungen: Die Angaben von Ahrens basieren auf M+M-Eurodata (1993), S. IV, 8ff. Der GesamtAußenumsatz beruht teilweise auf Schätzungen.
Quellen: Ahrens (1994), S. 89; Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1994), S. 30.
Wie Tab. 3.25. verrät, bündeln auch Filialunternehmen Beschaffungsvolurnina in supranationalen Verbundgruppen. Deren summierter Außenumsatz erreicht ebenfalls eine stattliche Größenordnung. Allerdings betrug das z. B. von Deuro 294 Allerdings darf dies nicht so weit gehen, daß gegen das europäische Wettbewerbsrecht (Einschränkung des internationalen Warenaustauschs infolge einer Diskriminierung von Lieferanten u.a. ) verstoßen wird. V gl. Tietz (1992c), S. 45 f. 295 Vgl. MacNeary/Shriver (199l) •. S. 12. Einen Schritt in diese Richtung stellt die Etablierung von international besetzten Teams (aus leitenden Mitarbeitern des Ein- und Verkaufs der Mitglieder bestehend) für einzelne Warengruppen dar, die sich unter Führung eines Vertreters der Euro-Zentrale mit der Beschaffung (und dem Verkauf) beschäftigen.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
357
Buying abgewickelte Volumen 1994 lediglich etwa 400 bis 500 Mio. DM?96 Das entspricht einem Anteil von ca. 0,4% am Außenumsatz. Somit weichen fraglos auch bei diesen Formen der internationalen Beschaffung strategisches Potential und Status quo der Marktbedeutung gravierend voneinander ab. Ein Hauptgrund hierfür liegt sicherlich darin, daß die nationalen Tochtergesellschaften der jeweiligen Mitgliedsbetriebe hohe Entscheidungsautonomie besitzen. Dadurch fällt es relativ schwer, eine einheitliche europäische Beschaffungsstrategie zu formulieren und umzusetzen.
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum beispielsweise AMS versucht, länderübergreifende Rahmenvereinbarungen mit Lieferanten zu treffen. Diese führen selten zu Sonderkonditionen, sondern heben auf Informations- und Erfahrungsaustausch sowie Vermittlung von Kontakten zwischen Mitgliedsbetrieben und Herstellern ab. Mit 100 Produzenten konnten solche Kontrakte, die sich auch auf die Gestaltung und Durchführung von europaweiten Verkaufsförderungsmaßnahmen beziehen, geschlossen werden. Jedoch soll künftig die Zusanunenarbeit der nationalen Einkäufer der Mitgliedsbetriebe verstärkt werden, um den Lieferanten verbindliche Zusagen machen und damit Sonderkonditionen erwirken zu können.297 Ziele, Aufgaben und Probleme der in Tab. 3.25. genannten Gruppierungen sind grundsätzlich vergleichbar mit denen von supranationalen Verbundgruppen von Einkaufskooperationen. Im Einzelfall kommt es jedoch zu Unterschieden. So versteht sich z. B. AMS nicht als Beschaffungs-, sondern als Dienstleistungsgesellschaft. Konsequenterweise findet daher auch kein Austausch von Informationen über Konditionen statt, die Hersteller den einzelnen Mitgliedern einräumen. 298 Eine Besonderheit besteht weiterhin darin, daß dann, wenn die Geschäftsleitung der Filialunternehmen der europäischen Kooperationszentrale Entscheidungsbefugnisse in bestinunten Angelegenheiten einräumt, Beschlüsse wesentlich leichter und schneller umzusetzen sind als bei den Euro-Organisationen von Verbundgruppen. Deswegen erscheint es auch möglich, daß die in Tab. 3.25. genannten Gebilde rasch den von ihnen abgewickelten Anteil am summierten Außenumsatz erhöhen und infolgedessen zu einem für Lieferanten bedeutenden Verhandlungspartner heranwachsen werden. Die in Tab. 3.24. und Tab. 3.25. aufgelisteten Euro-Kooperationen vereinen in bezug auf den Gesamt-Außenumsatz einen Anteil am westeuropäischen Markt von mehr als 50 % (Stand 1991) auf sich. 299 Wenn sich diese Einrichtungen künftig bewähren, werden sie für Lieferanten so wichtig, daß ein speziell auf deren Struktur und Bedürfnisse zugeschnittenes Key Account Management eingerichtet werden muß. 296 Vgl. Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1994), S. 30. Bei AMS belief sich der Vergleichswert für 1991 auf ca. 3%. Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 13. 297 Vgl. Ahrens (1994), S. 90. 298 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 13. 299 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 8.
358
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Einige marktbedeutende, international stark expandierende Absatzmittler beteiligen sich bewußt nicht an Euro-Kooperationen. Dies mag einerseits an deren Aufnahmebedingungen (z. B. Vermeidung von intensiver Konkurrenz zwischen Mitgliedern) und andererseits an der Unternehmenspolitik der Handelsunternehmen liegen (z. B. Verfolgung des Grundsatzes, keine unternehmensinternen Daten Dritten zugänglich zu machen, ferner aggressive Expansion in Auslandsmärkten, die zu Konflikten mit Mitgliedern der Euro-Organisation führen würde).
Supranationale Verbundgruppen des Lebensmitteleinzelhandels haben bislang noch keine Unternehmen oder Einkaufskooperationen aus Staaten des ehemaligen Ostblocks aufgenommen. Im Zuge der Erschließung der einzelnen Absatzmärkte durch westeuropäische Mitglieder wird diese Region in das bestehende Netz europäischer Gruppierungen jedoch einbezogen werden. 2.1.3.3. Die Relevanz einer Euro-Kooperationfürdie nationale und internationale Absatzpolitik der angeschlossenen Handelsbetriebe
Sofern supranationale Verbundgruppen die Vereinheitlichung absatzpolitischer Instrumente verbindlich festlegen, leuchtet unmittelbar ein, daß dadurch das Absatzmarketing der Mitgliedsbetriebe determiniert wird. Beispiele hierfür bestehen in der Vereinbarung von Art und Anzahl von Euro-Promotions, der Übernahme von Handelsmarken von Partnerunternehmen bis hin zur Etablierung neuer EuroHandelsmarken300 und Angleichung der Sortimentsstruktur, die eine wichtige Vorbedingung für die nachhaltige Steigerung der Effizienz der internationalen Beschaffung darstellt. 1994 vertrieb EMD neun Produkte (Wasch- und Spülmittel) unter der Euro-Marke Mine/. Bis Ende 1995 soll das Eigenmarkensortiment, das alle Mitglieder führen wollen, auf 150 Artikel ausgedehnt werden. Darüber hinaus ist beabsichtigt, die Zusammenarbeit mit der Industrie zu vertiefen, indem u.a. monatlich zwei Euro-Promotions veranstaltet werden. 301 Eurogroup entwickelte mehrere Euro-Handelsmarken (Eurocuisine, Mondofino etc.), die neben dem Eurogroup-Logo das Signet der Mitgliedsbetriebe tragen und in allen Verkaufsstellen angeboten werden. Sie sollenjeweils weit mehr als 70 Artikel umfassen.. 302
Da die internationale Beschaffung zu einer Verringerung der Wareneinstandskosten beiträgt, wird jedes Mitglied in die Lage versetzt, entweder mehr Gewinn zu erwirtschaften oder seine Verkaufspreise zu senken? 03 Darüber hinaus erhöht sich durch den Informations- und Erfahrungsaustausch, die Verbesserung der Warenlogistik und alle anderen die Wertschöpfung beeinflussenden Aktivitäten die 3oo Vgl. Reischi (1992), S. 264. Siehe hierzu auch Abschn. 2.2.2.3.1. in diesem Kapitel. Vgl. o.V. (19941), S. 7. 302 Vgl. o.V. (1995e), S. 36. 303 Der Kostenvorteil, den z. B. REWE durch die Warenbeschaffung bei Eurogroup erzielt, beträgt laut Kalmbach (1994), S. 16, etwa 20 Mio. DM. 301
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
359
Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsbetriebe. Zu den Vorteilen einer Beteiligung an einer supranationalen Verbundgruppe zählen auch der Informations- und Erfahrungsaustausch über ausländische Absatzmärkte, 304 der im Einzelfall zu einer kooperativen Marktbearbeitung oder einer Beteiligung an einem Unternehmen führen kann. 305 Wenn sich die grenzüberschreitende Absatzpolitik eines Mitglieds zu den Geschäftsinteressen anderer Kooperationspartner konfliktär verhält, resultieren daraus Probleme, die die Zusammenarbeit in der supranationalen Verbundgruppe nachhaltig beeinträchtigen. 306 Ein international stark expandierendes Unternehmen legt sich daher durch den Beitritt zu einer Euro-Kooperation selbst Fesseln an. 307 Durch ein internationales Engagement kann u.U. sogar die Mitgliedschaft in einer derartigen Institution gefährdet werden, und zwar dann, wenn die eigenen Geschäftsinteressen mit der Politik der supranationalen Verbundgruppe kollidieren. Dansk Supe17TU1rked mußte beispielsweise 1992 AMS verlassen, weil es mit der deutschen Spar ein Jointventure zur Bearbeitung der fünf neuen Länder gebildet hatte; denn AMS legt
Wert darauf, daß ausschließlich bei ihr mitgearbeitet wird. Durch das Gemeinschaftsunternehmen von Dansk Supennarked und Spar, die das maßgebliche Mitglied von BIGS ist, war der dänische Setreiber von Hard discounter auch mit BIGS verbunden, was den Interessen von AMS und wichtiger Lieferanten widersprach. 308 Die Industrie befürchtete, daß Spar bzw. BIGS in den Genuß der Dansk Supennarked gewährten Konditionen kommen wollte und daß zwischen AMS und BIGS Informationen über Herstellerabgabepreise ausgetauscht würden.
2.1.4. Konsequenzen der Implementierung ausgewählter Managementphilosophien für die Beschaffungspolitik im europäischen Markt
Aus der Fülle aktueller Managementansätze, die seit Anfang der 90er Jahre insbesondere in Großbetrieben des Lebensmitteleinzelhandels thematisiert und teilweise bereits praktiziert werden, seien Outsourcing, Lean Management, Category Management und Efficient consumer response (ECR) ausgewählt und in bezug auf deren Konsequenzen für die Gestaltung der europäischen Beschaffungspolitik be-
304 AMS fördert den Austausch von Daten über das Konsumentenverhalten in verschiedenen Ländern zwischen den Mitg1iedsbetrieben. 305 Die Kapitalbeteiligung von REWE an Budgens kam u.a. deswegen zustande, weil sich beide Unternehmen als Mitglieder der Eurogroup näher kennenlernen konnten. Die Zusammenarbeit war jedoch, wie bereits an anderer Stelle in dieser Arbeit berichtet, nicht von Erfolg gekrönt. Kaum verwunderlich erscheint deshalb, daß Budgens aus Eurogroup ausgetreten ist. 306 Vgl. Zentes (1992), S. 30. 307 Vgl. Mac Neary/Shriver (1991), S. 12. 3os Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 13.
360
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
leuchtet. 309 Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß in der Realität nicht nur eine geographische Ausweitung des Beschaffungsradius mit allen damit verbundenen Konsequenzen, sondern gleichzeitig auch eine Veränderung des Beschaffungsmanagements zu beobachten sind. Deswegen erscheint es notwendig, die in der Praxis besonders intensiv diskutierten neuen Managementphilosophien und -konzeptionen nachfolgend näher zu untersuchen. Alle vier Konzepte zielen, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln, darauf ab, die Effizienz der Distribution zu erhöhen. Mittels Outsourcing310 strebt ein Handelsunternehmen danach, durch Auslagerung bislang selbst erbrachter Leistungen (z. B. Warentransport vom Zentrallager zu Filialen durch eigenen Fuhrpark) Fixkosten zu reduzieren bzw. sie in variable Kosten zu transformieren und dadurch seine Flexibilität zu steigern. Durch Ausgliederung des betreffenden Organisationsbereichs in eine Tochtergesellschaft, welche ihre Dienstleistungen auch anderen Marktteilnehmern anbieten darf, oder Beauftragung Dritter werden Wertschöpfungsaktivitäten externalisiert.3 11 Folglich kommt es zu einer Bündelung der Ressourcen auf die im Unternehmen verbleibenden Aufgaben. 312 In Tab. 3.26. sind einige denkbare Konsequenzen der Auslagerung von Aufgaben des Funktionsbereichs Beschaffung für die europäische Einkaufspolitik genannt. Die Verbindung zur Philosophie und zu den Maßnahmen, die im Rahmen des von der Coca-Cola Retailing Research Group-Europe verfolgten sog. Efficient consumer response-Projekts propagiert werden, besteht darin, daß die Möglichkeit zur Einflußnahme auf ausgelagerte Aufgaben (z. B. im Rahmen der Versorgung von Lägern mit Waren) durch die Konstituierung eines vertikalen strategischen Netzwerkes aufrechterhalten bzw. gewährleistet werden kann. Die Zusammenführung von internationalen Beschaffungsvolumina verschiedener Betriebstypen eines Handelsunternehmens in einer Tochtergesellschaft bietet die Chance, diesen Bereich als Profit Center zu führen, Synergie zu nutzen und Kompetenz aufzubauen. Weiterhin wird das Betriebstypenmanagement dadurch von der Wahrnehmung von Einkaufsaufgaben entlastet. Die Auslagerung der internationalen Beschaffungsmarktforschung und die Beauftragung von auf bestimmte Teilfunktionen des grenzüberschreitenden Einkaufs (z. B. Kontaktanbahnung, Einkaufsvollzug) spezialisierten Dienstleistungsbetrieben bilden weitere Konsequenzen des Outsourcing. 313 309 Die vier genannten Konzepte beeinflussen fraglos auch die internationale Absatzpolitik von Handelsunternehmen, worauf an dieser Stelle nicht eingegangen werden soll. 310 Grundsätzlich dazu Köhler-Frost (1995). Die Publikation konzentriert sich auf die Auslagerung von Aktivitäten der Informationsverarbeitung. 311 Vgl. Schneider (1994), S. 28 ff. 312 Insofern stellt Outsourcing ein Element eines umfassend zu verstehenden Lean Managements dar. Vgl. dazu auch Hanser (1993), S. 39. 313 Durch das Outsourcing des gesamten internationalen Einkaufs (u.a. durch Einschaltung einer supranationalen Verbundgruppe) beraubt sich ein Handelsunternehmen eines wichtigen Profilierungs- und Wettbewerbsinstrumentes. Folglich erscheint es ratsam, hierbei mit Be-
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
361
Die Auslagerung einzelner Teilbereiche der internationalen Beschaffung kann sich auch auf andere Nebenfunktionen erstrecken. 314 Bei der Beantwortung der Frage, ob und welche Dienstleister in welchem Umfang beauftragt werden, spielen Länderspezifika eine wichtige Rolle. Folgende Daten verdeutlichen dies für den Logistiksektor: Nach einer im Auftrag des Institute of Logistics & Distribution Management und der European Logistics Association durchgeführten Studie verwenden z. B. italienische Einzelhandelsbetriebe 89,1% ihres Logistikbudgets dazu, externe Dienstleister für Transport und Lagerhaltung von Waren zu entlehnen. In Deutschland liegt der Vergleichswert bei 31,2 %, während er in Großbritannien 41% ausmacht. Ob dieser Unterschied auf eine bestimmte Geschäftsphilosophie oder die Angebotssituation im Logistikbereich zurückzuführen ist, kann nicht geklärt werden. Mit 3,69% vom Umsatz wenden die Briten weniger als die Hälfte des Wertes auf, den der kontinentaleuropäische Konsumgütereinzelhandel für die Logistik benötigt (7 ,56%). 315
Outsourcing von Beschaffungsaufgaben führt in der Regel zu einem Verlust an Kontrolle über die betroffenen Prozesse. Hier setzen die indirekten Konsequenzen der Outsourcingstrategie an; denn durch den Abschluß langfristiger Verträge, die u.a. eine Exklusivklausel enthalten, die Geheimhaltungspflicht verankern und eine Konventionalstrafe bei Vertragsbruch vorsehen, und die Vertiefung der Zusammenarbeit mit den Unternehmen, in die man internationale Beschaffungsaufgaben auslagert, werden einerseits die Flexibilität des internationalen Einkaufs verringert und andererseits neue Perspektiven eröffnet. Die enge Kooperation mit multinational tätigen Schlüssellieferanten kann beispielsweise dazu führen, daß künftig von diesen nicht nur einzelne Artikel eingekauft werden, sondern auch "modular sourcing" betrieben wird, indem ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels u.a. die Verantwortung für die Bestückung ganzer Regale in verschiedenen Warengruppen einem einzelnen Hersteller überträgt. 316 Die Implementierung des Lean Managements in der internationalen Beschaffung kann zu den in Tab. 3.26. aufgezählten Konsequenzen führen. 317 Besonders bedeutsam erscheint in diesem Kontext, daß sich der internationale Einkauf nicht verselbständigt, indem er Ziele verfolgt, die nicht auf die Befriedigung von Kundacht vorzugehen, indem z. B. nur ein kleiner Teil der Einkaufsfunktion unverbundenen Unternehmen übertragen wird. 314 Auch das Outsourcing der nationalen Lagerlogistik vermag die internationale Beschaffung zu beeinflussen, indem nämlich größere Warenposten nicht mehr ohne weiteres abgenommen und zwischengelagert werden können. Dadurch verschlechtert sich die Stellung des Absatzmittlers auf den internationalen Beschaffungsmärkten. Zum Fremdbezug logistischer Leistungen und zu deren Konsequenzen siehe Zentes (1992), S. 220f. 315 Vgl. o.V. (1992j), S. 67 f. Der Logistikkostenvorteil britischer Handelsbetriebe läßt sich auch dadurch erklären, daß deren Lieferanten wesentlich mehr Funktionen im Warenverteilungsprozeß übernehmen (müssen) als z. B. in Deutschland üblich. 316 Vgl. Amold (1995), S. 97 ff. Mögiicherweise führt ein "modular sourcing" auch zu einer Veränderung der Shop in the Shop-Strategie; denn die Intensivierung der Kooperation mit Schlüssellieferanten kann zur Einrichtung von derartigen Bereichen in verschiedenen Warenbereichen führen. 317 In Tab. 3.26. sind zur Charakterisierung des Lean Managements lediglich auf die kulturelle Ebene abzielende Merkmale aufgeführt. Vgl. Scholz (1994), S. 181 f.
362
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
denbedürfnissen abheben, und mit den nationalen Einkaufsabteilungen bei seinen Dispositionen abstimmt. Um dies zu gewährleisten und das erforderliche Maß an Bürokratie so niedrig wie möglich zu halten, kommt der quantitativen und qualitativen personellen Ausstattung eine Schlüsselrolle zu. Es soll jedoch nicht verkannt werden, daß auch die Sachausstattung, insbesondere der Aufbau eines EDV-gestützten europaweiten Beschaffungsmarktinformationssystems, das mit den Daten der nationalen Warenwirtschaftssysteme gefüttert wird, eine wichtige Rolle dabei spielt, ob Lean Management im Beschaffungsbereich erfolgreich praktiziert werden kann. Die Übertragung des Lean Managements auf den Handelssektor vollzieht sich erst allmählich.318 Die Diskussion über Lean Retailing krankt vor allem daran, daß dieser Ansatz in seinen vielfältigen Facetten nicht erkannt und ausschließlich unter dem Primat der Kostenreduktion betrachtet wird. Die Verringerung der Anzahl an Hierarchieebenen und die Fokussierung von Leistungen, die direkt zur Wertschöpfung beitragen, bei gleichzeitiger Elirninierung (evtl. Auslagerung) unproduktiver Tätigkeiten stellen zwar wichtige Teilbereiche von Lean Retailing dar, doch verkörpern sie nur einen Bruchteil dessen, was sich hinter der Lean Management-Konzeption verbirgt. 319
Category Management bildet einen neuartigen Ansatz zur Strukturierung der Führungsorganisation gemäß Bedürfnis- bzw. Warenkategorien. Alle Tätigkeiten, die mit der Steuerung von diesen zusammenhängen, werden einem Category Manager zugewiesen, der als Unternehmer im Unternehmen diesen ihm übertragenen Bereich führt. Dies umfaßt insbesondere den Ein- und Verkauf aller Waren, die einer Kategorie zugerechnet werden.320 Weitere konstitutive Merkmale enthält Tab. 3.26. Bislang haben lediglich einzelne Großbetriebe Category Management implementiert, und zwar auf nationaler Ebene. Es ist zu vermuten, daß es im Zuge der fortschreitenden Internationalisierung der Absatzpolitik zur Herausbildung eines internationalen Kategorienmanagements kommen wird. Auf jeden Fall wird die grenzüberschreitende Beschaffung in das nationale und/ oder internationale Kategorienmanagement integriert. Damit dürfte einhergehen, daß mit der Vermarktung von im Ausland beschaffter Waren vorhandene Probleme reduziert werden; denn der internationale Einkauf muß sich an den Anforderungen des Verkaufs orientieren und gemeinsam mit ihm die bestmögliche Kategorienpolitik (in bezugauf Sortimentsbreite und -tiefe, Handelsmarken, Preislage etc.) betreiben. Falls ein Absatzmittler ein Category Management etabliert hat, erleichtert dies die Zusammenarbeit mit solchen Lieferanten, die eine dazu passende Vertriebsor318 Vgl. Barth/Helpup (1994), S. 223 ff., die sich mit Grundsatzfragen hinsichtlich der Transferierbarkeit des Lean Managements auf den Handel auseinandersetzen. 319 Vgl. Scholz (1994), S. 180ff. O' Connor hat bereits 1991 das dem Lean Retailing innewohnende Veränderungspotential und seine Verzahnung mit anderen Managementansätzen (z. B. Category Management) diskutiert. Vgl. O'Connor (1991), S. 31 ff. 320 Vgl. z. B. Jauschowetz (1995), S. 299ff.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
363
ganisation (z. B. ebenfalls ein Kategorienmanagement oder ein Key account-Management) aufweisen. Folglich wird der Konflikt, der üblicherweise mit Einkaufsverhandlungen einhergeht, zugunsten einer ganzheitlichen Betrachtung entschärft. Dabei geht es u.a. darum, systematisch solche Lösungen (z. B. im Logistikbereich) zu suchen, von denen sowohl Lieferanten als auch Handelsunternehmen profitieren?21 In die gleiche Richtung wirken die bei ECR propagierten Strategien und Maßnahmen. 322 Durch eine enge Kooperation von Lieferanten und Handelsbetrieben sollen bislang ungenutztes Rationalisierungs- und Marketingpotential erschlossen werden. Wenngleich im Rahmen des ECR-Projekts kleinflächige Discounter nicht in die Analyse einbezogen wurden und folglich zahlreiche Vorschläge insbesondere hinsichtlich der Kooperation im Marketing für diesen Betriebstyp inadäquat sind, wird ECR in allen größeren Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels diskutiert. Die Aussicht, einen Zuwachs von 2,3 bis 3,4 % bei der Umsatzrendite zu erreichen,323 macht angesichts stagnierender Märkte eine intensive Beschäftigung mit dieser Neuerung unabdingbar. Für die europäische Beschaffungspolitik ergeben sich aus ECR u.a. die in Tab. 3.26. genannten Konsequenzen. Wenn auch die grenzüberschreitende Steuerung der Produktionsstätten von Herstellern durch Point of sale-Daten von Handelsbetrieben allenfalls eine Zukunftsperspektive darstellt, weist sie doch die Richtung, in die sich die grenzüberschreitende Beschaffung entwickeln dürfte.324 Wiederkehrende, standardisierbare Aktivitäten werden automatisiert, was zu einer Entlastung der internationalen Beschaffungsabteilung von operativen Maßnahmen führt. Dadurch wird Potential frei, das für strategische Aufgaben (z. B. für die sorgfältige Selektion von Lieferanten, mit denen man eng zusammenarbeitet will, und die Veränderung der Beschaffungslogistik325 sowie -administration gemäß den ECR-Befunden) dringend benötigt wird.
Vgl. Jauschowetz (1995), S. 301 f. Vgl. Coca-Cola Retailing Research Group-Europe (1994). 323 Das entspricht bei deutschen Betrieben in der Regel einer Verdoppelung der Umsatzrendite. Vgl. Coca-Cola Retailing Research Group-Europe (1994), S. 18. 324 Zentes (1992), S. 224, geht davon aus, daß es in Westeuropa zu einer nachfragesynchronen Belieferung von Verkaufsstellen aus einer begrenzten Anzahl von Lägern kommen wird. 325 Dies umfaßt u.a. die Formierung von Logistikallianzen in Gestalt gemeinsam unterhaltener europäischer Warenverteilzentren. Vgl. Zentes (1992), S. 224. 321
322
Lean Management
-
Auslagerung von Aktivitäten - Nutzung der mit Fremdbezug verbundenen Flexibilitäts- und Kostenvorteile - Verlust der Kontrolle über ausgelagerte Bereiche Auf die kulturelle Ebene abzielende Merkmale: - Lern- und Prozeßorientierung - Dominanz des Denkens in Wertschöpfungskategorien Vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens und zwischen Unternehmen - Verwirklichung des Prinzips der Einfachheit
-
-
-
-
-
-
-
Konsequente Ausrichtung der Beschaffungsaktivitäten auf' Bedürfnisse der Verbraucher in verschiedenen Länderrnärk· • ten; ständige Rückkopplung zwischen europäischer Absatz· und Beschaffungspolitik Etablierung einer umfassenden Qualitätskontrolle bei allen Lieferanten Professionalisierung der internationalen Beschaffung durch Gewinnung hochqualifizierter Mitarbeiter Bildung einer schlanken, aber effektiven internationalen Einkaufsorganisation Entwicklung eines EDV-gestützten europäischen Beschaffungsmarktinforrnationssystems (u.a. Aufbau und Pflege einer internationalen Lieferantendatenbank)
Beauftragung von Logistikdienstleistern mit Steuerung von internationalen Warenverteilzentren Nutzung von Beschaffungshelfern (z.B. bei der Kontaktaufnahme zu ausländischen Lieferanten) Verlagerung von Beschaffungsaufgaben auf supranationale Verbundgruppen Vertiefung der Zusammenarbeit mit multinationalen Schlüssellieferanten
Konsequenz fdr die europäische Beschaffungspolitik
Im Diskussionsstadium; aufgrund eines häufig falschen Verständnisses ausschließlich als Möglichkeit zur Kostenreduktion begriffen
Geschäftsfeld- und funktionsbereichsspezifisch unterschiedlich intensive Diskussion und Anwendung
Outsourcing
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Stand der Realisierung im europäischen Lebensmitteleinzelhandel
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Tabelle 3.26.: Merkmale ausgewählter Managementansätze und deren Konsequenzen für die europäische Beschaffungspolitik
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Bei einzelnen GroßbeZusammenfassung von Kundenbedürfnissen und trieben bereits hauptWarengruppen zu Kate- sächlich in Form eines gorien, die als Kriterium nationalen Kategorienfür die Bildung der Auf- managements realisiert bauorganisation dienen Integration von Beschaffungs- und Absatzaufgaben in das Kategorienmanagement Planung und Umsetzung kategorienbezogener Strategien und Instrumente Kategorienbezogene Analyse des Angebotes von Lieferanten und des Verbraucherpotentials
Dienstleistungsorientierung Humankapitalorientierung Akzeptanz von Fremdund Selbstkontrolle Individualismus bei gleichzeitiger Integration Ganzheitlichkeil
-
-
-
Fortsetzung
Integration der grenzüberschreitenden Beschaffung in das nationale und/oder internationale Kategorienmanagement Erleichterung der Zusammenarbeit mit Lieferanten, die eine zum Kategorienmanagement des Handels passende Struktur des Trade Marketing besitzen Reduktion von Problemen bei der Vermarktung von im Ausland beschafften Waren
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Enge, auf die Befriedigung der Verbraucherbedürfnisse abzieleode Kooperation zwisehen Handelsunternehmen und Lieferanten in folgenden Bereichen: - Belieferung von Lägern des Handels - Warenfluß - Administration - Sortimentsgestaltung - Verkaufsförderung - Neuproduktentwicklung und -einftlhrung
ManageCharakteristikum mentansatz
Fortsetzung Tabelle 3.26.
Diskussion und Umsetzung einzelner Bausteine (vorwiegend solche, die relativ schnell implementierbar sind)
Stand der Realisierung im europäischen Lebensmitteleinzelhandel
-
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-
-
Fähigkeit und Bereitschaft internationaler Lieferanten zur Kooperation gemäß den ECR-Prinzipien als Listungskriterien Stärkere Bindung zwischen multinational tätigen Handelsunternehmen und Lieferanten Koordination der internationalen Logistik von Herstellern mit den Warenverteilzentren von supranationalen Verbundgruppen und international aktiven Handelsbetrieben Steuerung von in- und ausländischen Produktionsstätten von Herstellern durch Point of sale-Daten des Handels (Just in time-Produktion)
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2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
367
2.2. Der Absatzbereich im Spiegel empirischer Befunde 2.2.1. Internationale Markteintrittsstrategien des Einzelhandels und ihre Determinanten 2.2.1.1. Vorbemerkungen
In der Literatur zum internationalen Marketing wird der Begriff Markteintritt einerseits eng und andererseits weit umschrieben. Meffert/Bolz verstehen lediglich das institutionelle Arrangement und das Timing als Elemente der Markteintrittsentscheidung. Dem gemäß ihrer Systematik vorgeschalteten Modul der Planung einer lnternationalisierungsstrategie, der Marktwahlentscheidung, werden in Anlehnung an die Abellsche Methodik zur Abgrenzung von Geschäftsfeldern die Auswahl der zu bearbeitenden Ländermärkte und die Bestimmung des dort anzubietenden Leistungsprogramms subsumiert. 326 Demgegenüber betrachtet Wesnitzer die Festlegung von Auslandsmarkt, Leistungsprogramm, Form bzw. institutionellem Arrangement und Zeitpunkt bzw. Timing als Teilbereiche der internationalen Markteintrittsstrategie. 327 Vieles spricht dafür, einer solch weitgehenden Interpretation zu folgen; denn die internationale Absatzpolitik im institutionellen Handel bedarf des dauerhaften Transfers von Ressourcen in Form von Kapital, Know-how und Mitarbeitern, eine Tatsache, die u.a. die Auswahl der in Frage kommenden Ländermärkte maßgeblich beeinflußt. Die Bestimmung der Angebotspalette, die ein Handelsbetrieb im Ausland offerieren will, konkretisiert sich in der Regel in der Entscheidung, mit einem oder mehreren Betriebstypen in bestimmte Staaten einzudringen. Durch die Einführung einer Angebotsform in ein Land werden häufig bereits so viele Ressourcen gebunden, daß davon u.a. auch das Timing der gesamten, d. h. auch andere Märkte betreffenden internationalen Absatzpolitik determiniert wird. Diese und weitere Besonderheiten lassen es geboten erscheinen, den internationalen Markteintritt von Handelsbetrieben auf die bereits genannten vier Dimensionen zu beziehen. Dabei gilt es, folgende Eingrenzung zu beachten: - Im Gegensatz zur Industrie spielen für Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels regionale Besonderheiten, die in einem Land herrschen, eine größere Rolle bei der internationalen Marktsegmentierung. Das in geographischer Hinsicht zu definierende Zielgebiet besteht bei Industrieunternehmen in der Regel aus einem Staat, während bei Handelsunternehmen Regionen eines Landes durch mehr oder weniger viele Verkaufsstellen bearbeitet werden. 328 Beim Aufbau von Filialen wird man zunächst in einer Region tätig, um dann Vgi. Meffert/Bolz (1994), S. 101 ff. und S. 118ff. Vgl. Wesnitzer (1993}, S. 27 f., und die dort angegebene Literatur. 328 Im Gegensatz zu stationären Betriebstypen wird ein Versandhandelsunternehmen (im Lebensmittelsektor z. B. Spezialversender) aus Kostengründen nicht urnhinkommen, den gesamten Markt eines Landes abzudecken. Allerdings kann es auch in großflächigen Staaten (Indien, USA etc.) sinnvoll sein, lediglich einzelne Regionen zu bearbeiten. 326 327
368
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
zumeist sukzessive in weiteren Regionen Standorte für Verkaufsstellen zu erschließen. Selbst Handelsbetriebe mit einer relativ hohen Anzahl von Outlets in einem Ländermarkt besitzen in der Regel regionale Schwerpunkte, was die Anzahl der Filialen in bestimmten Gebieten betrifft, und verzichten aus ökonomischen Gründen auf die Errichtung von Verkaufsstellen in bestimmten, dünn besiedelten, mit einer niedrigen Kaufkraft versehenen Gegenden. Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels müssen folglich regionale Gegebenheiten bei der internationalen Markteintrittsentscheidung in stärkerem Maße als Industrieunternehmen berücksichtigen. Da jedoch in bezug auf die Marktwahl empirische Daten hauptsächlich über die Vorgehensweise bei der Länderselektion und die ausgewählten Staaten vorliegen, kann in Abschn. 2.2.1.2. der regionalen Dimension nur am Rande nachgespürt werden. - Die Beantwortung der Frage, was ein Einzelhandelsbetrieb auf einem Auslandsmarkt anbietet, ist komplex; denn es lassen sich vier Entscheidungsebenen erkennen: -
Internationale Penetration auf der Einzelhandelsstufe329 Grenzüberschreitendes Angebot von Dienstleistungen für Endverbraucher330 Erschließung neuer Geschäftsfelder durch länderübergreifende vertikale Integration 331 Internationale laterale Diversifikation332
In Abschn. 2.2.1.3. geht es vor allem um die internationale Penetration auf der Einzelhandelsstufe. Die Vermarktung von nicht warenbegleitenden Dienstleistungen (z. B. Tourismus) wird ebensowenig in die Diskussion einbezogen wie die internationale laterale Diversifikation; denn hierbei verläßt man den Bereich des institutionellen Handels, weshalb andere strategische Erfolgsfaktoren als im angestammten Betätigungsfeld vorliegen. Gleiches gilt mit einer Ausnahme (Rückwärtsintegration in den Großhandel) auch für die Erschließung neuer Geschäftsfelder durch länderübergreifende vertikale Integration. Sofern empirische Daten verfügbar sind, sollen diese im folgenden berücksichtigt werden, allerdings nur dann, wenn primäre Aktivitäten in der Wertkette eines Unternehmens des Lebensmitteleinzelhandels direkt und nachhaltig berührt werden. - Wie an anderer Stelle in dieser Untersuchung bereits erläutert wurde, besitzen Einzelhandelsbetriebe im Unterschied zur Industrie nicht die Option des direkten und indirekten 329 Es geht hierbei um die Auswahl des Betriebstypenkonzepts, mit dem der größtmögliche Erfolg in einem Ländermarkt zu erzielen ist. Grundsätzlich läßt sich ein im Vergleich zum Stammarkt unveränderter, modifizierter oder innovativer Betriebstyp unterscheiden, mit dem ein Auslandsmarkt bearbeitet werden kann. Bei der Modifikation und der Innovation eines Betriebstyps spielt neben der Änderung der Sachleistungspolitik (z. B. Erhöhung der Sortimentstiefe bei bestimmten Warengruppen) die Dienstleistungspolitik (in Gestalt einer Veränderung des Serviceniveaus usw.) eine zentrale Rolle. 330 In diesem Kontext muß entschieden werden, welche der Dienstleistungen, die bereits im Inland vermarktet werden, in standardisierter oder differenzierter Form im Gastland offeriert werden. Da Dienstleistungen meist komplementär zu Sachleistungen angeboten werden, erscheint es sinnvoll, hier nicht von lateraler Diversifikation zu sprechen. 331 Zu denken ist hier etwa an eine Rückwärtsintegration in den Großhandel oder in die Herstellerstufe (z. B. Aufbau einer eigenen Produktion für internationale Handelsmarken). Darüber hinaus käme eine Diversifikation in den Bereich der Absatz- und Beschaffungshelfer in Betracht. 332 Das Eintrittsobjekt steht in diesem Fall in keinem Zusammenhang mit der im Inland angebotenen Leistungspalette.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
369
Exports. 333 Andere Formen des internationalen Markteintritts, die in der Literatur mit Blick auf Industrieunternehmen diskutiert werden, haben für Unternehmen des Einzelhandels keine Relevanz bzw. müssen auf die spezifischen Belange des Handels zugeschnitten werden. 334 In Abschn. 2.2.1.4. sollen daher der Aufbau von Filialen, die Beteiligung an bzw. die Akquisition von ausländischen Handelsbetrieben, die Kooperation (inkl. Gründung von Jointventure) und das Franchising als denkbare institutionelle Arrangements des .Markteintritts thematisiert werden. - Aufgrund der Datenlage sei die dynamische Komponente des Timing des Markteintritts weitgehend vernachlässigt. 335 Somit werden die Erschließung von Drittländern aus einem Gastland heraus, die im Zeitablauf notwendige bzw. geplante Änderung oder Erweiterung des Eintrittsobjektes und Variation des institutionellen Arrangements des Vordringens in einen fremden Staat nur vereinzelt angesprochen. Im Zentrum der Erörterungen in Abschn. 2.2.1.5. steht folglich der Zeitpunkt des Eintritts in ein Gastland.
2.2.1.2. Bei einem Auslandsengagement bevorzugte liinder Wie in Abschn. 1.1.1.1. dieses Kapitels bereits erörtert, messen Einzelhandelsbetriebe, die ihren Stammsitz in der EU haben, dieser die größte Bedeutung als Absatzmarkt bei. Der Europäische Binnenmarkt baut empirischen Befunden von Zentes/Anderer zufolge seine Schlüsselrolle künftig noch aus. Steigende Relevanz wird den EFTA-Ländem und den osteuropäischen Staaten zuerkannt. 336 Bei der internationalen Absatzpolitik dominiert demzufolge die euröpaweite Betätigung eindeutig die Erschließung des nord-, südamerikanischen und asiatischen Raums. Als Ursachen für diese Einschätzung kommen folgende in Frage: Da von den 85 von Zentes/Anderer in die Auswertung einbezogenen Fragebögen 75 von Einzelhandelsbetrieben stammen, die ihren Stammsitz in der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz oder Österreich haben, verwundert die Schlüsselstellung, die Europa als Absatzmarkt zuerkannt wird, nicht. Wie Tab. 1.2. zeigt, haben demgegenüber französische 337 und britische Handelsbetriebe jeweils rund ein Viertel ihrer Auslandsprojekte in den USA, Japan und weiteren Staaten außerhalb Europas realisiert. Weiterhin kann die ermittelte Rangfolge der Ländergruppen auch Ausdruck einer bestimmten Abfolge der Internationalisierungsstufen und damit Konsequenz einer Timingstrategie sein. So erscheint es mit Blick auf die schon mehrfach erläuterten Besonderheiten des Lebensmitteleinzelhandels und das Konzept der psychischen Distanz338 plausibel, daß Handelsunternehmen in einer ersten Phase zunächst in relativ vertraute und räumlich nicht weit vom Stammsitz entfernt liegende Ländermärkte eindringen. Sofern dies von Erfolg gekrönt Vgl. hierzu die Ausführungen im 2. Kapitel, Abschn. 2.1.1. Gemeint sind hier die Errichtung von Vertriebsniederlassungen und die Aufnahme von Auslandsproduktion. · 335 Vgl. Wesnitzer (1993), S. 27, und die dort angegebene Literatur. 336 Vgl. Zentes/Anderer (1993), S. 25, und Abb. 3.1. 337 Beispielsweise erzielt Carrefour 9 % seines Umsatzes in Südamerika. Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 49. 338 Vgl. Müller (1991), S. 165 ff. 333
334
24 Lingenfelder
370
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
ist, wird man sich in einer sich anschließenden zweiten Etappe der grenzüberschreitenden Betätigung den bis dahin ausgesparten Ländergruppen zuwenden. 339
Wie George!Winter festgestellt haben, gehen nahezu 50% der Einzelhandelsbetriebe bei der Marktauswahl so vor, daß sie lediglich hocbaggregierte makroökonomische Daten in den Selektionsprozeß einspeisen. 16 % untersuchen einzelne Regionen in einem Staat näher und interessieren sich folglich überhaupt nicht oder nur am Rande für die generelle Situation im gesamten Land. 25 % beziehen beide Ebenen in ihr Marktauswahlkalkül ein, d. h. sie legen ihrer Eintrittsentscheidung Länderdaten und mehr oder weniger detaillierte Informationen über einzelne Regionen zugrunde?40 An dieser Stelle sei an die in Abschn. 1.1.1.2. in diesem Kapitel diskutierten Befunde einer Studie des ifo-Instituts über die ökonomische Situation und eine Nietsen-Prognose über die Entwicklung von Pro-Kopf-Ausgaben im Lebensmitteleinzelhandel in Europa sowie über bevölkerungsstrukturelle Charakteristika erinnert. Danach ergeben sich lukrative Absatzperspektiven in West- und Süddeutschland, Norditalien, Ost-, Nordost-, Südfrankreich und Südengland. Die osteuropäischen Staaten hinken Westeuropa nach, wobei vor allem in Ungarn, der Tschechischen Republik und einzelnen Agglomerationszentren (z. .B. Warschau) eine Betätigung Erfolg verspricht. Vernachlässigt man zunächst das Engagement in Osteuropa und wendet man sich Aktivitäten in den EU- und EFTA-Ländem zu, ergibt sich auf Unternehmensebene das in Tab. 3.27. enthaltene Bild der geographischen Marktabdeckung. Es wird deutlich, daß sich der Lebensmitteleinzelhandel bei seiner Internationalisierungspolitik häufig auf Nachbarstaaten konzentriert?41 Dies hängt u.a. mit Problemen zusammen, die aus der Warenlogistik erwachsen. Offenbar strebt die Mehrzahl der Unternehmen danach, Verkaufsstellen und Warenverteilzentren in Auslandsmärkten in einem Anfangsstadium auch von inländischen Logistikzentren beliefern zu können. Weiterhin spielt die Verfügbarkeil von Lieferanten in den Zielländern vor allem im Food-Sektor eine große Rolle im Rahmen der Länderselektion. Schließlich dürften den Entscheidungsträgem benachbarte Ländermärkte vertrauter als entfernte sein, so daß ihnen die mit dem Eintritt verbundenen Risiken eher kalkulierbar erscheinen. Aus diesem Erklärungsmuster fallen französische Unternehmen insofern etwas heraus, als sie in Belgien, der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz kaum aktiv sind. Folglich müssen noch andere Faktoren die räumliche Expansion deter339 Vgl. hierzu auch Abschn. 2.2.1.5. in diesem Kapitel. Burt (1991), S. 501 f., bestätigt diese Argumentation durch eine eigene empirische Untersuchung und die Analyse der Ergebnisse von Studien, über die in der Literatur berichtet wird. 340 Der Rest der antwortenden Unternehmen konzentriert sich auf die Suche nach und Auswahl von länderübergreifenden Regionen, die in bezug auf Sprache, Kultur, Infrastruktur etc. eng miteinander verbunden sind. Vgl. George (1992), S. 5. 341 Zum gleichen Ergebnis gelangt Burt (1991), S. 501.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
371
minieren. Neben der Bevölkerungsstruktur und dem Kaufkraftpotential342 spielen die in einem Land erzielbare Rendite (absolut und im Vergleich zu in anderen Ländern erwirtschaftbaren Werten), die damit zusammenhängende Wettbewerbsintensität, die Verfügbarkeit von für die Ansiedlung bestimmter Betriebstypen geeigneten Standorten und die Frage, ob in dem betreffenden Ländermarkt Marktlücken für die unterhaltenen Betriebstypen bestehen, eine zentrale Rolle für die Länderselektion. Da sich im Lebensmitteleinzelhandel der Wettbewerb vor allem auf der Ebene von Betriebstypen konkretisiert, ist anzunehmen, daß bei einer hohen Konkurrenzintensität wirtschaftlich tragfähige Marktlücken allenfalls kurzfristig existieren. In einer solchen Konstellation, die aus der Sicht französischer Betriebe den deutschen Markt kennzeichnet, unterbleibt der Markteintritt, weil keine (absolut und im Ländervergleich betrachtet) attraktive Kapitalverzinsung erreicht werden kann. 343 Da, wie in Abschn. 2.2.1.3. noch zu zeigen sein wird, die Expansion in andere Länder meist durch die Einführung von solchen Betriebstypen geschieht, die im jeweiligen Stammland erfolgreich geführt werden, bildet die Verfügbarkeit von Standorten, die genau für die betreffenden Angebotsformen benötigt werden, ein wichtiges Kriterium dafür, ob sich ein Land für einen ausländischen Lehensmitteleinzelhandelsbetrieb als Absatzmarkt eignet. Beispielsweise wird Marks & Spencer nachgesagt, daß es nach Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Spanien u.a. den deutschen Markt ins Visier genommen hat. Allerdings fallt das Finden von Standorten, die in lA-Citylagen ca. 4.000 bis 7.000 m2 Verkaufsfläche zu einem akzeptablen Mietpreis bieten, extrem schwer. 344 Daneben ist der bei französischen Unternehmen in Tab. 3.27. erkennbare Internationalisierungspfad durch die Ressourcenbindung zu erklären, die mit der gewählten Abfolge des Markteintritts (gemäß Tab. 3.27. Engagements in Italien, Spanien und Portugal) und der Intensität der Bearbeitung der Länder, in denen man zuerst investiert hat, einhergeht. 345 Das Timing der grenzüberschreitenden Betätigung konkretisiert sich folglich in einer bestimmten Prioritätensetzung hinsichtlich der Selektion bzw. Abfolge der Erschließung von Ländermärkten. Diese wird wiederum maßgeblich von der erzielbaren Rendite und dem wahrgenommenen Risiko determiniert. Das heißt, die für ein Engagement in Frage kommenden Märkte bringt man gemäß ihrer ökonomischen Attraktivität und Unsicherheit in eine Siehe hierzu die Ausführungen in Abschn. 1.1.1.2. in diesem Kapitel. Darüber hinaus sind nach Meinung vieler Experten die attraktiven Standorte für nahezu alle Betriebstypen des Lebensmitteleinzelhandels in der Bundesrepublik Deutschland besetzt. 344 Vgl. Diehl-Wobbe (1995), S. 12f. Möglicherweise bietet die Aufgabe von Standorten durch Karstadt und Kaufhof, die der Eingliederung von Hertie bzw. Horten folgt, Marks & Spencer die Chance, die fraglichen Objekte zu übernehmen. Ob diese jedoch auf die potentiellen Kunden genug Anziehungskraft ausüben, darf bezweifelt werden. 345 Es sei in Erinnerung gerufen, daß französische Betriebe in stärkerem Maße als ihre deutschen Konkurrenten außerhalb Europas Stützpunkte errichtet haben. 342 343
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des Lebensmitteleinzelhandels (Stand 1992)
Tabelle 3.27.: Die länderbezogene Europäisierungspolitik ausgewählter deutscher und französischer Unternehmen
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
373
Rangfolge. Es wird zuerst das Land erschlossen, das die höchste Rendite bei vergleichbarem Risiko verspricht. Daß Aldi in Großbritannien Fuß gefaßt hatte, bevor es in Italien und Spanien mit der Marktbearbeitung begann, leuchtet vor dem Hintergrund dieser Argumentation ein. 346 Mit Blick auf Tab. 3.27. vermag man auch Anzeichen dafür zu erkennen, daß manche Länder (z. B. Spanien) eine Brückenkopffunktion für die Erschließung weiterer Märkte (Portugal etc.) besitzen. Die bei einem Markteintritt anfänglich auftretenden logistischen Probleme und die Schwierigkeiten, die mit der Beschaffung von geeigneten Waren einhergehen, lassen sich in der Regel bei räumlicher Nähe zu einem bereits in Betrieb befindlichen Warenverteilzentrum im benachbarten Land leichter bewältigen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß manche ausländische Handelsunternehmen (z. B. Dansk Supermarked) bestrebt waren, unmittelbar nach der Wende in den fünf neuen Ländern Fuß zu fassen, um von dort aus nach Polen, Ungarn und in die Tschechische Republik sowie in die alten Bundesländer vordringen zu können. Die Verbreiterung der Betätigungsbasis deutscher Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in England (vgl. Tab. 3.27.) muß auf der Basis oben vorgetragener Argumente zwangsläufig zu einem Engagement in Irland führen, das gemäß einer Nie/sen-Studie 1993 genau so hohe Pro-Kopf-Ausgaben im Lebensmitteleinzelhandel aufweist wie z. B. Südwestengland und bis zum Jahr 2003 Großbritannien in bezug auf diesen wichtigen Indikator für das Marktpotential überflügelt haben wird. 347 Ländermärkte, die ein Anbieter bislang nicht bearbeitet hat, stehen dann mehr oder weniger permanent auf dem Prüfstand, wenn durch ein Engagement eine Lükke bei der räumlichen Expansion geschlossen werden kann. Das bedeutet, daß z. B. französische und niederländische Einzelhandelsbetriebe, die in Osteuropa Stützpunkte errichten und die Bundesrepublik Deutschland derzeit aussparen, bei der geringsten Veränderung der Gründe für das passive Verhalten (z. B. unerwartet sich bietende Möglichkeit zur Übernahme eines Unternehmens, nachlassende Wettbewerbsintensität, freiwerdende attraktive Standorte) hierzulande Verkaufsstellen aufbauen werden. Im Hinblick auf Osteuropa haben LieblrUlnn/Jungwirth festgestellt, daß europäische Handelsunternehmen mittelfristig mehrheitlich Ungarn, der Tschechischen Republik und Polen eine sehr hohe bzw. hohe Attraktivität als Absatzmärkte zubilligen. Bei allen anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks überwiegt die Einschätzung, sie verfügten über eine sehr geringe bzw. geringe Attraktivität. 348 Daher ist 346
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Wie bereits erläutert, erzielen Anbieter in Großbritannien die höchste Rendite in Eu-
Vgl. Löhmer (1993), S. 55. Vgl. Liebmann/Jungwirth (1994), S. 13. Als die am wenigsten attraktiven Länder gelten deren Befunden zufolge Rumänien, Bulgarien und die Ukraine. Dies bedeutet jedoch nicht, daß dort keinerlei Engagements ausländischer Handelsbetriebe zu registrieren sind. In 347 348
374
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
es auch verständlich, warum Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels Ungarn, die Tschechische Republik und Polen im Rahmen ihrer Expansionspolitik favorisieren, was auch Tab. 3.28. belegt. Die Mehrzahl deutscher Unternehmen hat gemäß Tab. 3.28. im Gegensatz zu Konkurrenten aus anderen Ländern bis Ende 1992 den Markteintritt lediglich vorbereitet oder Testfilialen vorwiegend in den Hauptstädten der drei genannten Staaten errichtet. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß deutsche Anbieter die bis dahin erzielten Erfolge des marktwirtschaftliehen Transformationsprozesses zurückhaltender als ihre Wettbewerber beurteilen, oder damit zusammenhängen, daß die für eine nachhaltige Marktbearbeitung notwendigen Ressourcen durch die zügige Expansion in die süd-, südwest- und westeuropäischen Länder349 gebunden sind. Mit den Bestrebungen vieler Anbieter, in den Reformländern zumindest ein paar Verkaufsstellen aufzubauen, ist die Zielsetzung verknüpft, Erfahrung vor Ort zu sammeln und gegebenenfalls von dort aus die Marktbearbeitung intensivieren zu können. Weiterhin besteht dadurch die Möglichkeit, die mit dem Privatisierungsprozeß verbundenen Chancen und Risiken als im Markt agierender Insider zu verfolgen. Angesichts des gemäß Tab. 3.28. häufig vorzufindenden Ziels, ein nationales Filialnetz aufzubauen, liegt die Vermutung auf der Hand, daß innerhalb eines Zeitraumes von maximal fünf Jahren gewinnbringende Standorte besetzt sein werden und sich eine Betriebstypenstruktur herausgebildet haben wird, die mit der in Westeuropa vergleichbar sein dürfte? 50 Ob dies jedoch Realität wird, hängt vom weiteren Verlauf des ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesses in den einzelnen Ländern ab. 351 Gleiches gilt auch für Rußland, die Ukraine und die baltischen Staaten. Bislang betreiben nur wenige westeuropäische Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels dort alleine oder in Kooperation mit einheimischen Partnern einzelne Verkaufsstellen, und zwar vorwiegend in den Hauptstädten bzw. großen regionalen Zentren, wie z. B. Moskau, Kiew und St. Petersburg?52 Agglomerationsräumen erscheint auch hier eine Ansiedlung bestimmter Betriebstypen lukrativ. 349 Vgl. Tab. 3.27. 350 Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob sich noch in diesem Jahrzehnt in nennenswertem Umfang SB-Warenhäuser angesichts der nach wie vor zögerlichen Verbesserung der Kaufkraft etablieren werden. Lediglich in Ungarn und in der Tschechischen Republik hat sich bis Mitte der 90er Jahre ein günstiger makroökonomischer Rahmen herausgebildet, der eine volle und zügige Angleichung der Handelsstruktur an das westliche Niveau zuläßt. Daher ist es auch kein Wunder, daß Ungarn von 67% und Tschechien von 41% der von Liebmannl Jungwirth befragten Handelsunternehmen als die von allen osteuropäischen Staaten wettbewerbsintensivsten eingestuft worden sind. Vgl. Liebmann/Jungwirth (1994), S. 13. 351 Je nachdem, in welcher Richtung und mit welcher Geschwindigkeit sich dieser weiterentwickelt, wird die Herausbildung einer effizienten Distributionsstruktur gehemmt oder gefördert. 352 Vgl. Halbach (1993), S. 215 ff.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
375
Tabelle 3.28.
Engagements ausländischer Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn Unternehmen aus D •Aidi • Dohle • Edeka •Norma •REWE •Spar
• Tengelmann
Unternehmen aus A •Bi/la
• Ju/ius Mein/
•Spar
PL - Test in Warschau -Nationales Filialnetz als Ziel - Planung eines Verbrauchermarktes in Warschau -Test mit Penny in Warschau - Etwa 60 Spargeschäfte in Betrieb -Ziel: ca. 1000 Verkaufsstellen - Test mit Plus
o
Crai(l)
• Delhaize le Lion (B)
•GIB(B)
o Lec/erc (F) • Louis De/haize (B) • Safeway (USA) •SUPA (P) • Supermercados (E)
-Test in Nordböhmen - Test in Prag - Test mit Penny in Prag - Ca. I 00 Spargeschäfte in Betrieb -Ziel: ca. 1000 Verkaufsstellen - Aufkauf, Beteiligung - Test mit Plus und Joint venture -Test mit Plus
- Jointventure im Ver- Test in mehreren Regiobrauchermarktsektor nen - Planung von mehreren Supermärkten - Franchising f\lr Geschäf- - Jointventure mit natiote des gehobenen Benalem Filialnetz als Ziel darfs; zunächst in Danzig
Unternehmen aus anderen Lindern •Ahold(NL)
-Jointventure (derzeit drei Geschäfte) - Nationales Filialnetz als Ziel
- Joint venture mit angestrebter weiterer Expansion - Planung eines Joint venture im Supermarktsektor -Jointventure (derzeit 60 Supermärkte) - Test von Supermärkten in Warschau
H
CR
- Joint venture (derzeit insgesamt ca. 250 Verkaufsstellen) -Test im Supermarktsektor
- Joint venture im Supermarktsektor - Mehr als 300 Verkaufsstellen als Ziel
- Joint venture (derzeit zehn Supermärkte) -Nationales Filialnetz als Ziel
-Jointventure im Discountsektor
-Test von Verbrauchermärkten in Pral!
Anmerkung: In den Quellen werden Engagements bis ca. Ende 1992 berücksichtigt. Quellen: PL: Halbach (1993), S. 57ff., teilweise ergänzt durch Schmitz (1993), S . 52.; CR: Ahrens (1993), S. 116ff., teilweise ergänzt durch M+M-Eurodata (1993), S . IV, 78.; H: Ahrens (1993), S. 166ff.
376
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
2.2.1.3. Die Festlegung des Eintrittsobjekts
Nach Tab. 3.28. haben ausländische Handelsbetriebe in den relativ weit vorangeschritteneo Reformländern des ehemaligen Ostblocks bis Ende 1992 vor allem im Bereich von kleinflächigen Discount-Verkaufsstellen und Supermärkten investiert. Verbrauchermärkte wurden selten und großflächige Angebotsformen des Lebensmitteleinzelhandels, wie z. B. SB-Warenhäuser, überhaupt nicht transferiert. Offenbar glauben die Anbieter, die Nachfrage der Bevölkerung nach Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs angesichts der noch niedrigen Kaufkraft der Bevölkerung am besten durch ein kleinflächiges und preislich attraktives Angebotskonzept befriedigen zu können. Da zudem bei den in Frage kommenden Betriebstypen einerseits in den verschiedenen Staaten Marktlücken bestehen und andererseits die Mehrzahl der in Tab. 3.28. genannten Handelsbetriebe eine hohe Kompetenz besitzt (z. B. Aldi, REWE, Tengelmann, Julius Meint, Spar, Ahold, Delhaize le Lion, Ledere und Safeway), erscheint der bisherige Verlauf der Internationalisierung erklärbar. Erst mit der weiteren Verbesserung der makroökonomischen Lage werden sich Betreiber von großflächigen Betriebstypen in diesen Märkten engagieren, und zwar solche, die in ihrem Stammland bei den betreffenden Angebotsformen eine herausragende Marktstellung bzw. Kompetenz (z. B. Carrefour, Docks de France, Globus, Promodes) besitzen. Wenn Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in einen Auslandsmarkt eindringen, so wählen sie dafür ein Angebotskonzept aus, das sie bereits im Stammland und in anderen Ländern erfolgreich praktizieren. Tab. 3.28. belegt dies insofern, als dort kein einziger Fall dokumentiert ist, bei dem ein Auslandsinvestor mit einem für ihn innovativen Handelskonzept den Vorstoß in einen fremden Staat gewagt hätte. 353 Für die Eintrittsstrategie in die EU- und EFTA-Länder gilt vergleichbares. Ein Einzelhandelsunternehmen, das mehrere Betriebstypen unterhält, wird demzufolge c.p. diejenigen für die Internationalisierung auswählen, bei denen es glaubt, die nachhaltigsten Stärken im Vergleich zu den in einem Staat etablierten Anbietern und den potentiellen Konkurrenten aus anderen Ländern zu besitzen. Genau deshalb stellen nahezu alle Eintrittsobjekte in Europa solche Betriebstypen dar, die sich im Stammland des Investors in der Wachstums- oder Reifephase befinden. 354 Beispiele hierfür verkörpern die internationalen Expansionsbestrebungen von deutschen Hard discount-Unternehmen, französischen Hypermarche- bzw. SB-Warenhaus-, niederländischen, belgiseben und französischen Supermarkt- und Verbrauchermarktbetreibern dar. 353 Im Zuge der Intensivierung der Marktbearbeitung kann sich jedoch herausstellen, daß z. B. die Sortimentspolitik (hinsichtlich des Anteils inländischer Waren und von Handelsmarken am Sortiment etc.) an die Nachfragerpräferenzen und andere Rahmenbedingungen angepaßt werden muß. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 2.2.2.2.1. in diesem Kapitel. 354 Siehe hierzu Abb. 3.4.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
377
Zumindest in bezug auf die bislang realisierten Internationalisierungsprojekte läßt sich nicht erkennen, daß innovative Betriebstypen simultan in mehreren Ländern etabliert wurden. Folglich existiert nach wie vor ein Time lag zwischen der Einführung in einem Land355 und der weitgehend unveränderten Übernahme der Neuerung in einem anderen Markt. Darüber hinaus eignen sich Hard discounter wegen ihres überschaubaren und Grundbedürfnisse abdeckenden Sortiments für das Vordringen in fremde Staaten. So besteht in bezug auf diese Vertriebslinie keine bzw. allenfalls eine geringe interkulturelle Divergenz.356 2.2.1.4. Formen des Markteintritts
Die einem Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels zur Verfügung stehenden Optionen in bezug auf das institutionelle Arrangement des Vorstoßens in Auslandsmärkte lassen sich mit Hilfe folgender Kriterien systematisieren: Höhe der erforderlichen Ressourcen, vor allem Kapital, Mitarbeiter und Zeit, 357 Intensität der Kontrolle, Grad des Risikos, Ausmaß der Kooperation mit anderen Unternehmen und - Ort, an dem wichtige Entscheidungen gefällt werden. 358 Diese Dimensionen weisen unzweifelhaft Überschneidungen auf, die beispielsweise daran deutlich werden, daß George!Diller Risiko und Kosten des Markteintritts als eine Ebene der Typisierung von internationalen Markteintrittsstrategien des Einzelhandels begreifen. 359 Wie Meffert!Bolz zu Recht ausführen, reichen jedoch z. B. zwei der oben genannten Kriterien nicht aus, um die Markteintrittsproblematik in der Realität hinreichend zu erfassen. 360 Wie das Beispiel der fünf neuen Bundesländer eindrucksvoll vor Augen führt, spielt die Zeit, innerhalb der eine erkannte Marktlücke besetzt werden muß, eine große Rolle. Daher sollte ein Unternehmen bei der Auswahl der idealen Eintrittsform nicht nur z. B. die Höhe der Kosten und die Intensität der Kontrolle der Alternativen, sondern auch alle anderen Kriterien systematisch bewerten (z. B. mit Hilfe eines Scoringmodells). Meistens handelt es sich dabei um das Stammland des Innovators. Siehe hierzu Abschn. 1.1.1.2., Abschn. 1.1.1.3. und Abschn. 1.1.2.1. in diesem Kapitel. 357 In einem Land wie Bulgarien oder Rumänien, das in den vor Ort zu beschaffenden Warenkategorien nicht über geeignete Lieferanten verfügt, müssen erst zeitraubende Vorgespräche mit potentiellen Herstellern geführt werden, um diese zum Aufbau entsprechender Kapazität zu motivieren. Vgl. zur damit ausgelösten Steigerung der Wohlfahrt eines Landes auch Drucker (1958), S. 252. 358 Vgl. hierzu z. B. Meffert/Bolz (1994), S. 118 f., und die dort angegebene Literatur. 359 Vgl. George!Diller (1993), S. 175. 360 Vgl. Meffert/Bolz (1994), S. 120. 355
356
378
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
George/Diller evaluieren auf der Basis von Grad der Kontrolle, Zeitdauer der Markterschließung und Risiko sowie Kosten des Markteintritts vier prinzipielle Formen des Auslandsengagements, die sie als Eigenautbau, Akquisition, Kooperation und Franchising bezeichnen.361 Positiv fällt dabei auf, daß nicht nur Kosten und Kontrollmöglichkeiten als Bewertungskriterien fungieren. Allerdings wird der Akquisition von Handelsbetrieben im Zielland auch die Beteiligung am Kapital eines ausländischen Anbieters subsumiert. Weiterhin zählen die Autoren zur Kooperation neben der Zusammenarbeit ohne Kapitalbeteiligung die verschiedenen Spielarten von Joint venture. Vor diesem Hintergrund erscheint die von George!Diller erarbeitete zusammenfassende Bewertung der vier Markteintrittsoptionen problematisch. Nichtsdestotrotz soll die von den Autoren in die Debatte eingeführte Systematisierung als grundsätzliche Orientierung für die nachfolgende Diskussion herangezogen werden. Um jedoch die angeschnittenen Probleme zu lösen, läßt sich die Eintrittsoption Akquisition im Einklang mit der herrschenden Meinung in der Literatur als Aufkauf aller Geschäftsanteile begriffen. Weiterhin wird anstaU von Kooperation von Joint venture gesprochen, wobei keine Aktivitäten gemeint sind, die im Sinne von Finanzanlagen als Portfolioinvestitionen getätigt werden. Die verschiedenen Varianten von Joint venture werden in zwei Gruppen geteilt, und zwar in eine Zusammenarbeit mit (unterschiedlich hoher) und eine solche ohne Kapitalbeteiligung.
Wie Abb. 3.11. zeigt, kommt dem internen Wachstum die größte Bedeutung im Rahmen des Markteintritts zu. 362 Offenbar schätzen Handelsunternehmen die damit verbundenen Vorteile (z. B. vollkommen an den eigenen Vorstellungen ausgerichtete Planung des Markteintritts, Möglichkeit, sich allmählich mit den Bedingungen, die im Auslandsmarkt herrschen, vertraut zu machen, hohes Maß an Kontrolle über Auslandsmarktengagement) weit positiver als die Nachteile ein (beachtliche Kosten, großer Zeitbedarf für die Marktdurchdringung, hohe Risiken, Schwierigkeiten bei der Erlangung notwendiger detaillierter Marktkenntnis etc.). Die überragende Stellung des Aufbaus von Filialen als Form des Markteintritts wird mit Blick auf osteuropäische Länder durch die Option Jointventure relativiert (vgl. Tab. 3.29.). Wenngleich dort die Gründung von Tochtergesellschaften den Spitzenplatz einnimmt, gewinnen angesichts der mit der Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft einhergehenden Probleme die intensive Zusammenarbeit mit einheimischen Partnern und die Nutzung von deren Kontakten sowie Marktkenntnissen an Bedeutung. 363 Für diese Interpretation spricht auch die dort vorzufindende Dominanz der Kapitalbeteiligung an einheimischen Handelsbetrieben gegenüber deren Akquisition. Ganz generell betrachtet weisen, wie Abb. 3.11. verdeutlicht, Handelsmanager der Akquisitionsstrategie einen größeren Stellenwert als Form des Markteintritts zu als der Beteiligung an Unternehmen des Zielmarktes. 361 Vgl. George/Diller (1993), S. 175. 362 Dieser Befund wird durch empirische Ergebnisse von Zentes/Anderer (1993), S. 22, bestätigt, wonach die Filialisierung diejenige Eintrittsoption verkörpert, der europäische Handelsmanager die höchste Bedeutung beimessen. 363 Vgl. hierzu auch Tab. 3.28.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
Form des Markteintritts
Mittelwert
Überhaupt keine Bedeutung
2 Lose Kooperation mit international tätigen Unternehmen
1,9
Lose Kooperation mit Unternehmen des Zielmarktes
2,4
Franchising
2,1
Joint venture
2,2
Beteiligung an Unternehmen des Zielmarktes
2,6
Akquisition von Unternehmen des Zielmarktes
2,9
Aufbau von Filialen
4,0
379 \Ion
3
höchster Bedeutung
4
5
Abb. 3.11.: Die Bedeutung institutioneller Arrangements des Eintritts in Auslandsmärkte Quelle: George (1992), S. 8.
Bei der Interpretation der in Abb. 3.11. enthaltenen empirischen Befunde sei jedoch in Erinnerung gerufen, daß der Lebensmitteleinzelhandel lediglich 13 % der Stichprobe ausmacht. Da in dieser Branche (im Gegensatz beispielsweise zum Textileinzelhandel und Baumarktsektor) Franchising kaum praktiziert wird, 364 dürfte die Relevanz dieser Form des Markteintritts noch deutlich niedriger sein, als in Abb. 3.11. zum Ausdruck kommt. Auch Joint venture besitzen eine geringe Bedeutung, wenn es um den Eintritt in einen Auslandsmarkt geht (vgl. Abb. 3.11.). 365 Verschiedene Beobachtungen spre364 Die Julius Mein! AG bildet eine Ausnahme, da sie einige wenige Verkaufsstellen für den gehobenen Bedarf in Polen im Wege des Franchising betreibt. Vgl. Tab. 3.28. 365 In dem Fragebogen, der der empirischen Untersuchung zugrunde lag, wurde nicht erläutert, was unter Joint venture verstanden werden soll. Es erscheint wahrscheinlich, daß sich
380
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
eben dafür, daß es sich dabei um eine für Westeuropa und speziell das Auslandsengagement von deutschen Handelsbetrieben, die die Stichprobe der zugrundeliegenden Untersuchung bilden, typische Erscheinung handelt: - In bezugauf den Eintritt in ein EU- oder ein EFTA-Land berichtet M+M-Eurodata lediglich über zwei größere Projekte, bei denen ein Gemeinschaftsunternehmen von einem aus- und einem inländischen Handelsbetrieb zum Zwecke der Markterschließung gegründet wurde. In dem einen Fall hat die französische Auchan mit der italienischen Conti das Joint venture Rio Sari gegründet, wobei das Beteiligungsverhältnis 51 :49 betrug. 366 Bei dem anderen Beispiel handelt es sich um das Gemeinschaftsunternehmen Netto Supermarkt GmbH & Co., an dem Dansk Supermarked und die deutsche Spar paritätisch beteiligt sind. 367 Die von Burt untersuchten 230 Fälle internationaler Absatzaktivitäten von in Europa beheimateten Unternehmen des Lebensrnitteleinzelhandels, die zwischen 1953 und 1989 datieren, zeigen, daß deutsche, britische und niederländische Anbieter die Akquisition als Markteintrittsform eindeutig präferieren. Das Verhältnis der Anzahl von Akquisitionen zu Joint venture beträgt bei deutschen Unternehmen 10 : I. Beispielsweise beläuft sich bei französischen Betrieben, die in der Datenbasis von Burt für etwa ein Drittel aller untersuchten Projekte verantwortlich zeichnen, das Verhältnis auf rund I : 2. Der Autor führt dies u.a. darauf zurück, daß französische Einzelhandelsbetriebe einer Kooperation bei der Bearbeitung von Auslandsmärkten größere Akzeptanz als einer Akquisition im Gastland unterstellen. Darüber hinaus besitzt der gemeinsame Einkauf in Frankreich eine lange Tradition, so daß die betreffenden Anbieter unter keinerlei Berührungsängsten mit anderen Unternehmen leiden?68 Auch eine empirische Untersuchung der Markteintrittsstrategien schweizerischer Einzelhandelsunternehmen kommt zu dem Resultat, daß von allen 129 erfaßten Fällen lediglich 6% auf Joint venture zurückgehen. 369 Ursächlich dafür sind die schwierige Suche nach geeigneten Partnern, der konfliktträchtige Abdie Auskunftspersonen etwas ganz verschiedenes darunter vorstellten, wobei das Spektrum von der Neugründung eines paritätischen Gemeinschaftsunternehmens bis hin zu einer über der Sperrminorität liegenden Beteiligung am Kapital eines ausländischen Handelsbetriebs gereicht haben kann. 366 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. I, IV, 5. 367 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 51. 368 Vgl. Burt (1991), S. 503 ff. Daß die Bereitschaft zur engen Zusammenarbeit einen strategischen Erfolgsfaktor von Jointventure bildet, haben Raffee/Eisele (1995), S. 90, ermittelt. Häufig ist ihren im Industriebereich gewonnenen empirischen Befunden zufolge das Streben nach Erlangung einer Mehrheit am Kapital Ausdruck einer geringen Kooperationsbereitschaft 369 45 %, 32% bzw. 17% der analysierten Internationalisierungsprojekte entfielen auf Gründung einer Tochtergesellschaft, Franchising und Akquisition. Die besondere Stellung des Franchising ist auf die im Nonfood-Sektor tätigen Unternehmen Bally und Fogal zurückzuführen, die davon oft Gebrauch machen. Vgl. Blümle/Halm (1994), S. 216 f.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
381
stimmungsprozeß in bezug auf die Führung eines Joint venture und die unterschiedliche Unternehmenskultur der beteiligten Firmen. Wie Tab. 3.28. und Tab. 3.29. belegen, scheinen Handelsbetriebe demgegenüber beim Eintritt in osteuropäische Märkte häufiger Joint venture zu errichten. Gemäß Tab. 3.28. halten sich deutsche Unternehmen dabei aber deutlich zurück. Eine Ausnahme hiervon stellt das Joint venture von Tengelmann in Ungarn dar. Gerade in bezug auf die osteuropäischen Märkte überwiegen offenbar insbesondere "weiche" Vorteile (z. B. Verbesserung des Informationsniveaus über Absatz- und Beschaffungsmarktsegmente, Erleichterung der Zusammenarbeit mit Behörden, höhere Akzeptanz in der Öffentlichkeit) in Kombination mit harten Faktoren in Gestalt eines niedrigen Kapitaleinsatzes und einer geringen Risikobelastung die mit Gemeinschaftsunternehmen verbundenen Nachteile.
Tabelle 3.29.
Die Relevanz von Formen des Eintritts in osteuropäische Märkt'
Joint venture
21.9
Franchising
Beteiligung
Akquisition
Griindung einer Tochtergesellschaft
17,8
0% Legende:
20%
40%
60%
0 = Wenig wichtig bzw. nicht wichtig = Weder noch • = Sehr wichtig bzw. wichtig
a
Quelle: In enger Anlehnung an Liebmann/Jungwirth (1994), S.lS.
80%
100%
382
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Empirische Befunde, die im Industriebereich in bezug auf den Bestand und Erfolg von Joint venture gewonnen wurden, lassen vermuten, daß Gemeinschaftsunternehmen lediglich als eine zeitlich befristete Lösung gelten können. Entweder kommt es alsbald zu einer Auflösung oder zur Übernahme des Ganzen durch einen der Beteiligten. Nur ein Drittel hat sechs Jahre nach ihrer Gründung noch Bestand. 370 Diese Vermutung wird für den Einzelhandel durch eine Studie von Blümle/Halm gestützt, die bei sieben Jointventure von Schweizer Unternehmen ermittelt haben, daß davon zwei bereits kurz nach ihrer Gründung wieder aufgelöst wurden und sich ein weiteres in Schwierigkeiten befindet. 371 Vor diesem Hintergrund erscheint die Präferenz dafür, den Markteintritt entweder aus eigener Kraft, durch Akquisition oder (Mehrheits-)Beteiligung und nicht durch Joint venture zu vollziehen, grundsätzlich gerechtfertigt. Daher kann davon ausgegangen werden, daß die in Tab. 3.28. enthaltenen Unternehmen, die in Osteuropa auf Gemeinschaftsunternehmen setzen, dort wahrscheinlich auf Schwierigkeiten stoßen und die institutionelle Form ändern werden. Wie Abb. 3.11. zeigt, schätzen Einzelhandelsbetriebe eine lose Kooperation mit Unternehmen des Zielmarktes bedeutsamer ein als eine Zusammenarbeit mit anderen international tätigen Anbietern. Zur zuletzt genannten Kategorie zählen zweifellos auch supranationale Verbundgruppen, und zwar dann, wenn sie die Mitglieder bei der Erschließung von ausländischen Absatzmärkten durch Bereitstellung von Marktinformationen etc. unterstützen. Darüber hinaus vermag die Mitwirkung in einer Euro-Kooperation dazu beizutragen, daß man einen potentiellen Kandidaten für ein Joint venture, eine Beteiligungsstrategie oder die Akquisition aus dem Kreis der Mitgliedsbetriebe identifiziert. Ein Beispiel hierfür verkörpert die Zusammenarbeit von Budgens und REWE mit Discounter in England, die mittlerweile allerdings beendet wurde. 372 Die Kooperation mit Unternehmen des Zielmarktes, die auf eine Kapitalbeteiligung verzichtet, erstreckt sich zumeist auf Informations- und Erfahrungsaustausch sowie auf Gewährung von Hilfe bei der Vorbereitung des Markteintritts sowie in der sich anschließenden Erprobungsphase. Beispielsweise arbeitet Carrefour bei seiner Expansion mit Discount-Geschäften in Großbritannien mit der dort ansässigen Tochtergesellschaft von Dansk Supermarked, Netto, zusammen. In den vorerst etwa zehn Verkaufsstellen wird ein Teil des Sortiments von Netto zur Verfügung gestellt, wobei es sich dabei interessanterweise selbst um Handelsmarken dieses Unternehmens handelt, die somit auch außerhalb der Netto-Läden zu erwerben sind. 373 Ob es sich dabei um eine langfristige Kooperation handelt, die in GroßbriVgl. Pauseoberger (1994), S. 22, und die dort zitierte Literatur. Vgl. Blümle/Halm (1994), S. 216. Allerdings ist die Datenbasis so schmal, daß die Vermutung in hohem Maße spekulativ erscheint. 372 Budgens und REWE gehörten während der Zusammenarbeit der Eurogroup an. 373 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 49. 370 371
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
383
tannien und in anderen Ländern vertieft und z. B. durch ein- oder wechselseitige Kapitalbeteiligung stabilisiert wird, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. 2.2.1.5. Das Timing des Markteintritts
Die zeitliche Dimension der Aufnahme der internationalen Absatzpolitik soll im folgenden anband von verschiedenen sekundärstatistischen Befunden erhellt werden. Zunächst sei auf die bereits im L Kapitel, Abschn. 3., erörterte Studie der Corporate lntelligence Group rekurriert. 374 Von den weit mehr als 1.000 untersuchten Auslandsengagements entfielen ca. 60% auf die 80er Jahre und rund 18% auf den Zeitraum 1990 bis August 1991.375 In etwa 1,5 Jahren wurden mehr Projekte realisiert als in den 70er Jahren (ca. 17 %) zusammen. Gemäß einer empirischen Untersuchung, die Blümle!Halm im Schweizer Einzelhandel über alle Branchen hinweg durchgeführt haben,376 entfalten lediglich 9,1% der eidgenössischen Betriebe grenzüberschreitende Absatzaktivitäten. Die 33 Anbieter betätigen sich in insgesamt 115 Fällen außerhalb der Schweiz. Im Durchschnitt sind international aktive Schweizer Betriebe in ca. drei Ländern vertreten. Lediglich 17,5% der Auslandsengagements fallen in die Zeit vor 1981. 54 Projekte wurden zwischen 1981 und 1990 realisiert. Von 1991 bis zum Abschluß der Studie im September 1993 haben die Unternehmen immerhin 31mal versucht, in einem Auslandsmarkt Fuß zu fassen. Wie die Autoren herausfanden, hat sich die Anzahl der Fälle seit 1987 nahezu verdoppelt. Dies korrespondiert damit, daß 19 der 31 Einzelhandelsbetriebe, bei denen der Zeitpunkt des ersten Auslandsengagements ermittelt werden konnte, ihre internationalen Aktivitäten nach 1985 aufgenommen haben. 377 Blümle/Halm stellen weiterhin fest, daß die Unternehmensgröße bzw. Marktanteilsposition die Neigung, ins Ausland vorzustoßen, zu einem Großteil zu erklären vermag. Diejenigen Anbieter, die in ihren Branchen zu den vier größten Unternehmen zählen, sind signifikant stärker im Ausland engagiert als ihre kleineren Konkurrenten.
Von den erwähnten 33 international tätigen Schweizer Betrieben gehören lediglich drei dem Lebensmittelsektor an. Es handelt sich dabei um Merkur, Coop und Migros, wobei sich die grenzüberschreitenden Aktivitäten der beiden zuletzt genannten im Anfangsstadium befinden. Kein Anbieter im Lebensmittelbereich erreicht einen Internationalisierungsgrad (Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz) von mehr als I%. Der Vergleichswert für den Nonfood-Sektor beläuft sich demgegenüber auf durchschnittlich 37 %. 374 375 376
377
Vgl. The Corporate Intelligence Group (1991, S. 3 f. Die Untersuchung wurde im August 1991 abgeschlossen. Zum methodischen Vorgehen siehe Blümle/Halm ( 1994), S. 205 f. Hierzu und zum folgenden siehe Blümle/Halm (1994), S. 206ff.
384
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Dieser geringe Internationalisierungsgrad stellt jedoch eine Schweizer Besonderheit dar. Wie Tab. 3.30. verdeutlicht, sollen die Umsatzanteile, die deutsche, französische, englische und italienische Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels im EU-Ausland erzielen wollen, teilweise stark steigen. Die dort enthaltenen Angaben können mit Ausnahme der Werte für italienische Handelsbetriebe durch andere sekundärstatistische Befunde zumindest tendenziell bestätigt werden. Beispielsweise erwirtschaftete der Branchenführer in Frankreich, Carrefour, 1994 ca. 37% seines Umsatzes im Ausland, wobei der Löwenanteil auf Spanien entfiel. 378 Das Unternehmen will bis zum Jahr 2000 die Hälfte seines Umsatzes in fremden Staaten tätigen. Der Branchenzweite, Promodes, hat 1994 einen Internationalisierungsgrad von immerhin ca. 35 % erreicht. 379 Tabelle 3.30.
Der Umsatzanteil von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels imEU-Ausland(in %)
Herkunft der Handelsbetriebe D F GB
I
1995
2000
2010
9 11 7 22
15 16 9 31
19 21 12 35
Anmerkung: Es handelt sich jeweils um Schätzungen von Handelsmanagern des jeweiligen Landes in bezug auf den Internationalisierungsgrad der nationalen Anbieter.
Quelle: Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 29.
In bezugauf deutsche Handelsbetriebe sei auf Tab. 3.27. verwiesen, aus der die länderbezogene Europäisierungspolitik bedeutender Anbieter hervorgeht. Daraus läßt sich zweifellos das Bestreben namhafter deutscher Anbieter erkennen, einen zunehmenden Anteil ihres Umsatzes in Auslandsmärkten zu erzielen. Die in Tab. 3.30. wiedergegebenen hohen Ausprägungen des im Ausland erzielten Umsatzsanteils für italienische Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels scheinen demgegemüber eher Wunschdenken als realem Handeln zu entspringen. So stellt auch M+M-Eurodata fest, daß nennenswerte Auslandsaktivitäten von italienischen Anbietern bislang nicht ausgehen. 380 378 Vgl. Huppert (1995), S. 36. Immerhin rund 15% des Gesamtumsatzes erzielt Carrefour in Brasilien und Argentinien. 1995 wird das Unternehmen mehr Verkaufsstellen im Ausland als in Frankreich betreiben. Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. IV, 49. 379 Vgl. BBE DATA KOMPAKT (1995), S. 4. 380 Vgl. M+M-Eurodata (1993), S. I, I, 5.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
385
Tab. 3.30. kann in zwei Richtungen interpretiert werden. Einerseits spiegelt ein höher werdender Internationalisierungsgrad die zunehmende Anzahl von Engagements in Auslandsmärkten wider. Andererseits symbolisiert der Trend den Willen international tätiger Anbieter, die Bearbeitung von Auslandsmärkten zu intensivieren, um einen höheren nationalen Marktanteil und damit ein größeres Umsatzvolumen im Ausland zu erreichen. Vieles spricht dafür, daß sich beide Erklärungsmuster überlagern. Jedoch dürfte zu Beginn der einzelbetrieblichen Internationalisierung die Etablierung von Stützpunkten in möglichst vielen Auslandsmärkten vorherrschen. Zug um Zug werden diese dann zu mehr oder weniger dichten nationalen Filialnetzen ausgebaut. Vor diesem Hintergrund wird auch das Engagement ausländischer Unternehmen in Osteuropa erklärbar. Wie Tab. 3.28. gezeigt hat, bildete eine Vielzahl von vorwiegend aus den westlichen Nachbarländern stammenden Anbietern nahezu unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Ostblocks Keimzellen in Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn. Da fast jeder Eintritt dadurch motiviert war, zunächst einen oder mehrere Betriebstypen zu testen, um diesen im Erfolgsfall dann im ganzen Land zu etablieren, hinkt folglich der Umsatz, der in osteuropäischen Märkten erzielt wird, bis etwa Mitte der 90er Jahre der Anzahl der Auslandsprojekte nach. Mit dieser Vorgehensweise wollen die Auslandsinvestoren einerseits so früh wie möglich in relativ unsichere Ländermärkte eindringen und andererseits das Risiko des Scheiteros von Anfang an auf ein kalkulierbares, erträgliches Maß begrenzen. Gleichzeitig lassen sich so das Timing und die Art der Marktbearbeitung von Konkurrenten beobachten, vorhandene Akzeptanzprobleme auf seiten der Verbraucher analysieren sowie Schwierigkeiten mit Gewerkschaften, Lieferanten, staatlichen Einrichtungen etc. meistern. 381
2.2.2. Die Bearbeitung des europäischen Marktes Zwischen den Markteintrittsstrategien, die ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels verfolgt, und der Art der Marktbearbeitung besteht Interdependenz.382 Ein Engagement in Form einer Minderheitskapitalbeteiligung geht wahrscheinlich damit einher, daß das fragliche Land im Vergleich zum Heimatmarkt differenziert bearbeitet werden muß. Demgegenüber führt z. B. der Aufbau von Filialen im Ausland dazu, daß ein standardisiertes Marketing grundsätzlich möglich ist. Vereinfacht ausgedrückt besteht folgender Zusammenhang: Mit zunehmender Kontrolle über das Auslandsengagement läßt sich im Bedarfsfall ein zum Stamm381 Herold (1992), S. 146ff., erläutert untemehmensinteme, interessengruppen-, konkurrenten- und konsumentenbezogene Determinanten des Timing des Markteintritts. Weiterhin bewertet der Autor unterschiedliche Timingoptionen (z. B. Pionier vs. früher Folger). 382 Vgl. Zentes/Ferring (1995), S. 429.
25 Lingenfelder
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3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
land völlig identisches Marketing verwirklichen. Bei fehlendem Durchgriff muß der Partner von der Sinnhaftigkeit einer bestimmten Vorgehensweise erst überzeugt werden. Gelingt dies nicht, ist notgedrungen eine differenzierte Marktbearbeitung in Kauf zu nehmen. Nachfolgend sei zunächst ein Überblick über die für die Bearbeitung des europäischen Marktes zur Verfügung stehenden Basisstrategien geboten. Im Anschluß daran wird das Spannungsfeld zwischen differenziertem und standardisiertem Absatzmarketing diskutiert. Vor diesem Hintergrund gilt es danach, die Gestaltung von fünf Elementen eines europäischen Marketing-Mix zu.thematisieren. 2.2.2.1. Basisstrategien zur Bearbeitung des europäischen Marktes im Überblick Meffert/Bolz verstehen unter einer grenzüberschreitenden Marktbearbeitungsstrategie einen langfristigen Verhaltensplan, der die Verwirklichung eines oder mehrerer Wettbewerbsvorteile auf internationalen Märkten zum Inhalt hat. 383 In Anlehnung an Porter ergeben sich in Abhängigkeit davon, ob ein Handelsunternehmen den Gesamtmarkt (im folgenden wird darunter der europäische Kontinent verstanden) oder nur einen Ausschnitt davon bearbeitet, drei verschiedene generische internationale Basisstrategien. Die Fokussierung auf Nischen äußert sich z. B. darin, daß nicht alle, sondern nur einige wenige europäische Länder bearbeitet werden. Gemeinsames Ziel für alle generischen Basisstrategien ist es, Absatzmittlern einen Wettbewerbsvorteil auf den verschiedenen Ländermärkten zu verschaffen.
Mit Hilfe der Kostenführerschaft oder der Differenzierung vermag ein Anbieter auf dem europäischen Markt zu bestehen. Im Rahmen der Konzentration auf Schwerpunkte, bei der man sich einzelner Elemente sowohl der Kostenführerschaft als auch der Differenzierung bedienen kann, versucht ein Handelsunternehmen ein bestimmtes Segment, eine Nische, zu erschließen? 84 Weiterhin wäre eine Beschränkung auf bestimmte Zielgruppen, die beispielsweise vorwiegend in Supermärkten und Hard discount-Verkaufsstellen ihren Bedarf an Lebensmitteln decken, Ausfluß einer europabezogenen Nischenstrategie. Demzufolge setzen Anbieter, die nicht über die gesamte Bandbreite von Betriebstypen verfügen und deshalb bestimmte Verbrauchersegmente ansprechen, auf Konzentration.385
Vgl. Meffert/Bolz (1994), S. 137. Vgl. Porter (1988). Siehe hierzu auch Müller-Hagedom (1993). 385 Bei der Bearbeitung einer auf welche Weise auch immer gebildeten Nische des europäischen Gesamtmarktes kann auf Kostenführerschaft, Differenzierung oder beides zusammen abgehoben werden. Vgl. Nieschlag/Dichti!Hörschgen (1994), S. 921. 383 384
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
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Akteure, die den gesamten Kontinent als ihr (potentielles) Betätigungsfeld betrachten, versuchen im Rahmen der Strategie einer europabezogenen Kostenführerschaft einen Kostenvorteil gegenüber den derzeitigen und möglichen Wettbewerbern in den verschiedenen Ländermärkten zu erreichen. Die Marktbearbeitung fußt hierbei wesentlich auf einer niedrigen Preislage und dem Verzicht auf Bedienung sowie Beratung bzw. Service. Während sich die Kostenführerschaft den Erfahrungskurveneffekt zunutze macht, basiert die Differenzierung darauf, daß ein Anbieter in der Wahrnehmung der Nachfrager eine bessere Leistung erbringt als ein anderer. Der Wettbewerbsvorteil kann sowohl an Sachleistungen (Sortimentstiefe, Qualität und Innovationsgrad der Produkte etc.) als auch an Dienstleistungen (z. B. Beratungskompetenz des Verkaufspersonals, Zustellservice) ansetzen. Entscheidend ist es, daß ein europaweit agierendes Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels Bedürfnisse der europäischen Verbraucher durch eine zielgruppenkonforme Angebotspolitik befriedigt, die sich von derjenigen der in den verschiedenen Ländern tätigen Konkurrenten leistungsmäßig positiv abhebt. Um eine der drei internationalen Basisstrategien erfolgreich verwirklichen zu können, benötigt ein grenzüberschreitend tätiges Einzelhandelsunternehmen jeweils spezifische Ressourcen (z. B. qualifizierte Mitarbeiter im Verkauf im Rahmen der Differenzierung) und Kompetenz (u.a. Fähigkeit, die Kosten für den Wareneinstand und die Beschaffungsfunktion zu reduzieren, bei der Verfolgung von Kostenführerschaft). Insbesondere ein Monobetriebstypenunternehmen muß daher eine klare Vorstellung darüber entwickeln, welche der drei Optionen verfolgt werden sollen; denn der Aufbau von spezifischen Produktionsfaktoren erfordert Zeit. Ein grundlegender Wechsel der Marktbearbeitungsstrategie führt in der Regel zu unternehmensinternen Problemen und Friktionen im Absatzmarkt, so daß die Entscheidung, wie Wettbewerbsvorteile im europäischen Markt erzielt werden sollen, einen Anbieter langfristig bindet. Unternehmen, die mehrere Betriebstypen unterhalten, müssen in bezug auf die Wettbewerbsstrategie jeder einzelnen Angebotsform ebenfalls eine eindeutige Position beziehen. Grundsätzlich erscheint dabei zwar denkbar, daß jede Vertriebslinie eine unterschiedliche Basisstrategie verfolgt, doch führt eine solche Politik zu erheblichen Managementproblemen 386 und zu Nachteilen im Absatzmarkt (z. B. Verlust an Glaubwürdigkeit, wenn den Nachfragern bekannt ist, daß ein Allbieter verschiedene Vertriebslinien unterhält, die bei denselben Produkten extrem unterschiedliche Preise fordern).
386 So stellen u.a. die vollkommen unterschiedlichen beschaffungs- und distributionslogistischen Systeme in West- und Osteuropa nach Auffassung von Zentes (1992), S. 226, erhebliche Probleme für das europäische Logistik-Controlling und Personalmanagement dar. Wenn man zudem unterstellt, daß jeder Ländermarkt spezifisch bearbeitet wird, ist die Komplexität des internationalen Managements zu erahnen.
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3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Ein Unternehmen, das voll auf Kostenführerschaft zielende Hard discounter betreibt und mit einer anderen Angebotsform eine dazu unterschiedliche Basisstrategie verfolgen möchte, müßte beispielsweise eine hohen Service bietende Feinkostladen-Kette unterhalten. Liegen die Wege zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (im Sinne von Kostenführerschaft und Differenzierung) zu weit auseinander, wird ein Multibetriebstypenunternehmen langfristig keinen Erfolg haben, weil es keinerlei Synergie hinsichtlich der Führung und Marktbearbeitung erschließen kann.
Alle in Europa agierenden Anbieter müssen gemäß dem sog. Resourced based view-Ansatz eine Basisstrategie wählen, die ihren Produktionsfaktoren und ihrer Kompetenz sowie den vorzufindenden Marktbedingungen am besten entspricht. Diese liefert gleichzeitig den Rahmen zur Klärung der Frage, inwieweit ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in den verschiedenen Ländermärkten standardisiert oder differenziert vorgehen sollte. Die Anpassung an nationale Bedingungen, somit das Ausmaß an Differenzierung, darf aus den erläuterten Gründen nicht so weit gehen, daß in einzelnen Staaten Kostenführerschaft und in anderen Profilierung durch hohe Qualität angestrebt werden. 387 2.2.2.2. Das europäische Absatzmarketing im Spannungsfeld von Standardisierung und Differenzierung Daß grenzüberschreitend aktive Einzelhandelsbetriebe eine klare Vorstellung in bezug auf das Spannungsfeld Standardisierung und Differenzierung besitzen, belegen empirische Befunde von Zentest Anderer. 388 Nur rund 5% der von den Autoren befragten europäischen Handelsmanager gaben an, keine explizit formulierte Strategie in bezugauf die Marktbearbeitung zu verfolgen. Ca. 41% waren der Auffassung, daß es vor dem Hintergrund der Internationalisierung zukünftig zu einer Mischung aus beiden grundsätzlichen Formen der Bearbeitung von Ländermärkten kommen wird. 34% votierten für eine Anpassung und 31 % für eine Vereinheitlichung des Handelsmarketing. 389 Daraus läßt sich folgern, daß die in der Praxis vorzufindende Art der Auslandstätigkeit von Einzelhandelsunternehmen die volle Bandbreite des Standardisierungs-Differenzierungs-Kontinuums abdeckt. Eine eindeutige Präferenz für eine Option scheint es somit nicht zu geben. Daher sollen im folgenden zunächst verschiedene Ebenen der Standardisierungsentscheidung beleuchtet und Kriterien aufgezeigt werden, die es erlauben, den "richtigen" Grad an Vereinheitlichung festzulegen. Danach werden die damit verbundenen Implikationen für die internationale Organisationsstruktur kurz erörtert. 387 Vgl. hierzu auch die empirischen Befunde, die Abb. 3.9. enthält. Demnach wollen grenzüberschreitend tätige Einzelhandelsunternehmen Synergie durch international abgestimmte Ziele, Strategien und Maßnahmen nutzen. 388 Vgl. Zentes/Anderer (1993), S. 25f. 389 Mehrfachnennung war möglich, obwohl diese eigentlich keinen Sinn ergibt.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
389
2.2.2.2.1. Ebenen der Standardisierungsentscheidung und Entscheidungskriterien In bezug auf die grenzüberschreitende Absatzpolitik von Absatzmittlern lassen sich vier Ebenen der Standardisierung identifizieren: Vereinheitlichung der Marktbearbeitung hinsichtlich deren Inhalt, geographischer Aktionsradius, Zielgruppen und Bezugsbasis. Ein Handelsunternehmen muß, will es den für sich idealen Standardisierungsgrad ermitteln, alle vier Bereiche simultan untersuchen. 390 Aus Darstellungsgründen wird nachfolgend jedoch eine Ebene nach der anderen erörtert. Bei der Vereinheitlichung des Inhalts der Bearbeitung des europäischen Marktes soll zwischen einer Adaptation von Prozessen, Strategien und Instrumenten des Absatzmarketing differenziert werden. 391 Zum ersten Bereich zählen Vorgänge im Bereich von Information, Planung, Kontrolle und Personalmanagement Deren länderübergreifend identische Gestaltung führt einerseits zu einem Rationalisierungseffekt (z. B. Reduktion von Verwaltungskosten, Streichung von Stellen für das nationale Management) und andererseits zu einer Steigerung der Führungseffizienz (Zuwachs an Know-how durch hohen Spezialisierungsgrad, Vermeidung von Fehlern durch nationale Manager etc.). Als Nachteil einer solchen Vorgehensweise ist auf die Gefahr einer Bürokratisierung hinzuweisen. Weiterhin besteht ein gewisses Risiko darin, daß Abläufe infolge ihrer Vereinheitlichung nicht mehr allen Anforderungen, die die einzelnen Ländermärkte an das Management stellen, gerecht werden. Eine Strategiestandardisierung konkretisiert sich im wesentlichen in der Betriebstypenpolitik. Dabei geht es um zwei Fragen, und zwar einerseits darum, ob eine Vertriebslinie europaweit einheitlich zu konfigurieren ist oder ob eine Konzeption (z. B. Standort, Sortimentsstruktur, Größe der Verkaufsfläche) an die Gegebenheiten eines Landes angepaßt werden muß. Andererseits steht zur Diskussion, ob ein Unternehmen, das mehrere Angebotsformen unterhält, in allen Auslandsmärkten ein im Vergleich zum Stammland identisches Betriebstypen-Portefeuille etabliert oder ob, je nach den herrschenden Angebots- und Nachfragebedingungen, für jedes Land unterschiedliche Vertriebslinien gewählt werden.
390 Dazu kann es sich objektiver (z. B. Bevölkerungsdichte, Verbrauchsintensität, Mediennutzungsverhalten) und subjektiver Daten (Einstellungen, Präferenzen etc.) bedienen. Vorund Nachteile der Standardisierung des Handelsmarketing wurden bislang in der Literatur, soweit erkennbar, ausschließlich mit Blick auf in einem Staat agierende Filialsysteme des Einzelhandels systematisch diskutiert. Vgl. Boyens (1981), S. 36 ff. und S. 64 ff., sowie Falter (1992), s. 56 ff. 391 Vgl. Bolz (1992). Der Vergehensweise von Rudolph (1993), S. 79, der zwischen einer Standardisierung im System-, Beschaffungs- und Absatzbereich unterscheidet, wird nicht gefolgt; denn einerseits soll hier nicht die gesamte Untemehmensführung, sondern lediglich das Absatzmarketing auf Standardisierungspotential hin untersucht werden. Andererseits erscheint die vom Autor vorgenommene Untergliederung u.a. des Absatzsektors problematisch.
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3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Die Ausprägungen der zahlreichen, in Abschn. 1.1. in diesem Kapitel erläuterten Kenngrößen entscheiden darüber, ob eine Standardisierung der Betriebstypenpolitik möglich bzw. von Erfolg gekrönt ist. Erinnert sei beispielsweise an Vorschriften aus dem Bauplanungsrecht, die die Ansiedlung großflächiger Einkaufsstätten in manchen Staaten unmöglich machen oder erschweren. Weiterhin spielt die Konvergenz des Konsumentenverhaltens eine große Rolle dafür, ob überall einheitliche Angebotsformen eingeführt und forciert werden können. Die Konsumgewohnheiten (z. B. häufiger, meist täglicher Einkauf von Italienern im Gegensatz zu wöchentlichem, mit relativ langen Anfahrtswegen verbundenem Einkauf in Hypermarches von Franzosen)392 kann ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels zwar versuchen in seinem Sinn zu beeinflussen, doch erscheint eine völlige Vereinheitlichung der Angebotspolitik angesichts der in Abschn. 1.1.2.1. dieses Kapitels geführten Diskus sion kaum möglich. Beispielsweise hat Aldi sein Discountkonzept in Frankreich an die dortigen Nachfragebedingungen angepaßt. Das Unternehmen bietet Frischfleisch und mehr Frischgemüse als z. B. hierzulande an. 393
Im europäischen Lebensmitteleinzelhandel ist aufgrundder Ergebnisse zahlreicher Expertenbefragungen davon auszugehen, daß Verbrauchemiärkte, SB-Warenhäuser und vor allem Hard discounter ein erhebliches Wachstumspotential besitzen.394 Diese Einschätzung kommt zustande, weil sich die genannten Vertriebslinien in zahlreichen Ländern nicht in der Reifephase befinden. 395 Folglich werden in diesen Bereichen tätige und kompetente Einzelhandelsbetriebe eher ein länderübergreifend standardisiertes Betriebstypen-Portfeuille aufweisen als z. B. Handelsunternehmen, die u.a. Supermärkte unterhalten. 396 Eine Strategiestandardisierung äußert sich weiterhin in einer identischen Gestaltung instrumentalstrategischer Optionen in allen Staaten (z. B. Preislage, Schwerpunkt des Sortiments). Der Erörterung der damit verbundenen Überlegungen ist Abschn. 2.2.2.3. gewidmet. Die Vereinheitlichung des Marketing-Mix bezieht sich auf das Ausmaß der Angleichung der operativen Bearbeitung der europäischen Ländermärkte. Wie Rudolph in einer empirischen Untersuchung festgestellt hat, messen europäische Handelsmanager in diesem Kontext der Sortimentspolitik die mit Abstand höchste Bedeutung (gefolgt von Preis- und Standortpolitik) für die erfolgreiche Expansion Vgl. Rudolph (1993), S. 82. Vgl. Rudolph (1993), S. 85. Siehe hierzu auch Abschn. 2.2.2.4. in diesem Kapitel. 394 Vgl. z. B. Roland Berger Forschungs-Institut (1992), S. 61 ff., M+M-Eurodata (1993), S. 0, I, 2, Rudolph (1993), S. 83. 395 Vgl. hierzu Abb. 3.4. 396 Wenn ein Einzelhandelsunternehmen in jedem Land, das es bearbeitet, eine identische Betriebstypenstruktur besitzt, können Economies of scope-Vorteile (durch vertriebslinienübergreifende Gestaltung der Beschaffung, Logistik etc.) relativ leicht erschlossen werden. Vgl. hierzu 2. Kapitel, Abschn. 3.2. 392 393
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
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im EU-Binnenmarkt bei?97 Die befragten Experten im Food-Sektor berichten von erheblichen Problemen (u.a. Widerstand von multinational tätigen Herstellern) bei dem Versuch, dieselben Produkte in mehreren Ländern zu offerieren. 398
Preispolitik Werbepolitik Sortimentspolitik Öffentlichkeitsarbeit Verkaufspersonalpolitik Verkaufsförderung Servicepolitik Warenpräsentation Qualitätspolitik Betriebstypenkonzept
Ulnderspezifische Differenzierung in %
Abb. 3 .12.: Der Grad der länderspezifischen Differenzierung von Instrumenten des Absatzmarketing Anmerkung: Ein Wert von 0% würde eine vollkommene Standardisierung, ein Wert von 100 % dagegen vollkommene länderbezogene Differenzierung bedeuten. Quelle: George (1992), S. 10.
Den Grad der internationalen Angleichung von Marketinginstrumenten haben George/Winter ermittelt. 399 Wie Abb. 3.12. zeigt, führt die Preispolitik die Rangfolge der von Nation zu Nation unterschiedlich gestalteten Instrumente mit AbVgl. Rudolph (1993), S. 89. Weiterhin prognostiziert ein Teil der Stichprobe eine Reduktion der Sortimentstiefe als Konsequenz der Herstellerkonzentration, während ein anderer Teil von einer größeren Vielfalt aufgrund der Ergänzung nationaler Sortimente durch ausländische Produkte bzw. Sortimentsteile ausgeht. Vgl. Rudolph (1993), S. 88. 399 In Abschn. 2.2.2.3. in diesem Kapitel geht es darum zu erörtern, warum das Ausmaß der Standardisierung bei den dort behandelten Maßnahmen so unterschiedlich ausfällt. 397
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3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
stand an. Kommunikationspolitische Maßnahmen (Werbung und Öffentlichkeitsarbeit) sowie die Sortimentspolitik folgen mit Werten, die andeuten, daß nach Meinung von etwa der Hälfte der befragten Handelsmanager die diese Bereiche betreffenden Aktivitäten mit Erfolg international vereinheitlicht werden können. Das Ausmaß an Standardisierung ist bei der Verkaufspersonalpolitik, Verkaufsförderung sowie Servicepolitik deutlich höher und liegt etwa bei 60 %. Die Warenpräsentation, die Qualitätspolitik und das Betriebstypenkonzept werden den empirischen Befunden zufolge am wenigsten an die nationalen Bedingungen angepaßt. Kritik muß an der Auswahl der zugrundeliegenden Instrumente geübt werden; denn zumindest die Betriebstypenpolitik paßt in die Systematik insofern nicht, als es sich hierbei um ein strategisches Element des Absatzmarketing handelt. Auch ist bedauerlich, daß die Standortpolitik nicht in die ltembatterie aufgenommen wurde. Die in Abb. 3.12. wiedergegebenen empirischen Befunde deuten an, daß grenzüberschreitend tätige Absatzmittler die Standardisierung der operativen Marktbearbeitung zwar generell anstreben, aber in einer von Instrument zu Instrument unterschiedlichen Intensität. Diese Tatsache birgt auch Konsequenzen für das europäische Management der relevanten Funktionsbereiche in sich, das im nachfolgenden Abschnitt zur Debatte stehen wird. Eine Vereinheitlichung der Marktbearbeitung hinsichtlich des geographischen Aktionsradius setzt voraus, daß es einem Einzelhandelsunternehmen gelingt, homogene Ländercluster zu bilden. Dazu können sowohl objektive (z. B. Bruttosozialprodukt, Kaufkraft, Vermögenssituation, Struktur der Bevölkerung, Verbrauchsverhalten bei Lebensmitteln) als auch subjektive Indikatoren (Ausprägung der Landeskultur, Präferenz für bestimmte Einkaufsstätten etc.) herangezogen werden. Manche der bereits in vorangegangenen Abschnitten enthaltenen empirischen Befunde deuten darauf hin, daß Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels ihre internationale Expansion und Marktsegmentierung hauptsächlich an objektiven Kenngrößen ausrichten. 400 Von verschiedenen Autoren geäußerte Vermutungen bzw. zutage geförderte empirische Erkenntnisse401 bestätigen die Einschätzung, daß sich das Handelsmarketing in westeuropäischen Nationen von demjenigen in osteuropäischen Staaten gravierend unterscheidet (z. B. in bezugauf die Sortiments-, Preis- und Kommunikationspolitik). Innerhalb dieser beiden Cluster existieren zwar auch Differenzen von Land zu Land, was die Gestaltung der Angebotspolitik betrifft, doch sind diese weit geringer als jene zwischen den zwei Gruppen. Die grundsätzliche Form der Marktbearbeitung, die sich in der Betriebstypenpolitik niederschlägt, ist jedoch in der Regel gleich (vgl. Abb. 3.12.). Internationalisierungswillige Handelsunternehmen engagieren sich sowohl in West- als auch in 400 401
Vgl. z. B. Abschn. 2.2.1.2. in diesem Kapitel. Vgl. hierzu Abschn. 2.2.1.4. in diesem Kapitel und z. B. Zentes (1992), S. 215 ff.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
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Osteuropa mit den Betriebstypen, mit denen sie in ihrem Stammland Erfolg haben. Durch die Kombination einer solchen Vertriebslinienpolitik mit einem in Teilbereichen auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort angepaßten Marketing-Mix (insbesondere Sortimentstiefe, Artikelpreise und Werbung) gelingt es, einen Ausgleich zwischen den Vorteilen einer Vereinheitlichung der Marktbearbeitung (Kostensenkung bei der Warenbeschaffung, Rationalisierungsvorteile in einzelnen Funktionsbereichen, wie z. B. Lagerhaltung, Warenlogistik und Verwaltung, Verbesserung der Führungseffizienz, etc.) und einer flexiblen Bearbeitung von Ländermärkten zu finden. 402 Eng mit einer solchen Politik in Beziehung steht auch die Identifikation länderübergreifender Zielgruppen. Knapp mehr als die Hälfte der von George/Winter befragten international tätigen Einzelhandelsbetriebe gab an, sich auf ganz bestimmte Abnehmergruppen in allen Nationen zu konzentrieren. Ca. 42% bekundeten, in jedem Staat verschiedene Abnehmergruppen bzw. Marktsegmente anzuvisieren, und etwa 7 % bearbeiten alle vorhandenen Segmente. Da ein Vordringen in einen Auslandsmarkt nur dann nachhaltigen Erfolg verspricht, wenn eine Zielgruppe anvisiert wird, beschreiten mehr als 90% aller Absatzmittler den richtigen Weg. Zur Identifikation von Abnehmergruppen können sowohl objektive (zumeist soziodemographische), wie z. B. Alter, Stand im Familienzyklus, Wohnort und Haushaltsstruktur, als auch subjektive (in der Regel psychographische) Merkmale, wie z. B. Risikowahrnehmung und Lebensstil,403 herangezogen werden. Während beispielsweise Versandhandelsunternehmen im Rahmen der Bearbeitung von internationalen Märkten relativ stark auf psychographische Kriterien rekurrieren, dominieren bei Betrieben des Lebensmitteleinzelhandels, die in der Regel auf Massendistribution ausgerichtet sind, objektive Indikatoren. Um so erstaunlicher ist es, daß in derselben Studie immerhin 39% der Befragten angaben, Marketinginstrumente bei allen Marktsegmenten identisch bzw. undifferenziert einzusetzen. Lediglich knapp zwei Drittel entwickeln ein zielgruppenspezifisches Handelsmarketing. 404 Diese Befunde deuten zweifellos auf Schwachstellen des grenzüberschreitenden Marketing hin. Die Ursache hierfür bildet möglicherweise das hohe Tempo der internationalen Expansion seit Ende der 80er Jahre, mit dem die Entwicklung segmentbezogener Marktbearbeitungskonzepte nicht Schritt halten konnte. Schließlich sei an dieser Stelle eine weitere Ebene der Standardisierungsentscheidung angesprochen, nämlich die Bezugsbasis. Bei einer ethnozentrischen Internationalisierungsstrategie würde ein Anbieter versuchen, die Bearbeitung von Auslandsmärkten an der Marketingkonzeption auszurichten, die im Heimatmarkt erfolgreich ist. Eine Abweichung davon nähme er nur dann in Kauf, wenn sich Vgl. Zentes/Perring (1995), S. 424 f. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 1.1.1.2. und Abschn. 1.1.1.3. in diesem Kapitel. 404 Vgl. George (1992), S. 7. 402
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3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
diese (z. B. aus rechtlichen Erwägungen) nicht vermeiden ließe. Ob eine solche Vorgehensweise den Königsweg darstellt, mag indessen mit Recht bestritten werden. Eine andere Politik bestünde darin, den europäischen Ländermarkt mit der höchsten Wettbewerbsintensität als Referenzbasis für die Gestaltung eines europaweit identischen Marketing-Mix auszuwählen. 405 Die Bearbeitung aller anderen europäischen Staaten müßte sich dann daran orientieren. Bei den Marketinginstrumenten, die von rechtlichen Nonnen betroffen sind (z. B. Verkaufsförderung), böte es sich an, den kleinsten überall zulässigen Nenner zu finden. 406 In den Ländennärkten, die tolerantere Regelungen besitzen, könnte dann gegebenenfalls davon abgewichen werden.
Mit der Festlegung der Bezugsbasis wird der erste konkrete Schritt zur Implementierung des internationalen Handelsmarketing vollzogen. Damit ist zugleich die Gestaltung der Organisationsstruktur angesprochen. 2.2.2.2.2. lmplikationen für die Gestaltung der internationalen Organisationsstruktur Je stärker die Marktbearbeitung vereinheitlicht werden kann, desto mehr gilt es, um Kosten zu sparen, Entscheidungskompetenz zu zentralisieren. Folgerichtig müssen alle grenzüberschreitenden Maßnahmen des Marketing-Mix zentral koordiniert werden. Um den hiermit postulierten Zusammenhang zu prüfen, sei wiederum auf den Datensatz von George/Winter zurückgegriffen. Die Autoren haben den Grad der länderbezogenen Differenzierung von Marketinginstrumenten (vgl. Abb. 3.12.) und gleichzeitig das Ausmaß der Koordination jeder Maßnahme auf europäischer Ebene ermittelt. 407 Mit Durchschnittswerten von 1,9 führen die Qualitätspolitik und das Betriebstypenkonzept die Rangfolge der weitgehend zentralisierbaren Funktionen an. Zwischen Verkaufspersonal-, Preis- und Werbepolitik sowie Verkaufsförderung und Servicepolitik, die sich mit Werten von 3,1 bis 2,9 in der Mitte der Skala befinden, existieren diesbezüglich kaum Unterschiede. Warenpräsentation und Öffentlichkeitsarbeit schneiden mit 2,6 gleich ab, und die Sortimentspolitik wird mit 2,4 als eher zentralisiert steuerbar eingeschätzt.408 Im Lebensmittelsektor handelt es sich hierbei um den deutschen Markt. Unter Umständen führt eine solche Analyse auch dazu, daß ein Einzelhandelsbetrieb ganz bewußt diejenigen Länder überhaupt nicht bearbeitet, die eine zu restriktive gesetzliche Regelung aufweisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn erfolgskritische Elemente des Handelsmarketing betroffen sind. Experten führen z. B. das Fehlen von Warehause Clubs hierzulande u.a. auf das Rabattgesetz und die Zugabenverordnung zurück, die der Realisierung dieser Vertriebslinie entgegenstehen. 407 Dazu haben sie eine Skala von "I = zentral" bis "5 =dezentral" verwendet. Vgl. George (1992), S. 10. 408 Vgl. hierzu auch Abschn. 2.2.2.3.2. in diesem Kapitel. 405
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Folglich läßt sich die obige Aussage tendenziell bestätigen. Diejenigen Aufgaben der internationalen Marktbearbeitung, die in starkem Maße europaweit vereinheitlicht sind bzw. werden können, sollten nach Meinung von Praktikern von europäischen Zentralen wahrgenommen werden. Je mehr die Differenzierung bei den einzelnen Elementen des grenzüberschreitenden Marketing-Mix dominiert, desto weniger sinnvoll erscheint es, Aufgaben und Entscheidungskompetenz an eine europäische Zentrale zu delegieren. Diese wird dann daran zu arbeiten haben, den einzelnen Landesgesellschaften konkrete Vorschläge zur Gestaltung des operativen Handelsmarketing zu unterbreiten und einen Rahmen zu entwickeln, innerhalb dessen die Vermarktungskonzeption in jedem Staat frei gestaltet werden darf. 2.2.2.3. Die Gestaltung zentraler Elemente des Marketing-Mix
Aus der Fülle von operativen Maßnahmen der Marktbearbeitung werden im folgenden fünf ausgewählt und im Hinblick auf ihre Gestaltung im Rahmen der europäischen Absatzpolitik diskutiert.409 Für die Selektion der Instrumente waren zwei Kriterien maßgebend: Einerseits mußte deren Wirkung auf ökonomische Erfolgsindikatoren eines Einzelhandelsbetriebs hoch sein. Andererseits erscheint es reizvoll, diejenigen Marketing-Mix-Elemente einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen, bei denen zu erwarten ist, daß die Europäisierung nachhaltige Spuren hinterlassen wird. 2.2.2.3.1. Positionierung und Vermarktung von Handelsmarken in Europa Unter Handelsmarken werden im folgenden Warenzeichen (Firmen-, Wort- oder Bildzeichen) verstanden, deren Eigentümer Handelsunternehmen sind, die über die Gestaltung der strategischen und operativen Handelsmarkenpolitik entscheiden.410 Abb. 3.13. verdeutlicht, daß vor allem hinsichtlich vermarktungsbezogener Überlegungen eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von Handelsmarken existiert. Eine Dachhandelsmarke bildet eine Konzeption, bei der das gesamte Angebot eines Betriebstyps bzw. Handelsunternehmens mit einem einzigen Warenzeichen versehen wird. Als Beispiel sei auf die Dachhandelsmarke St. Miclulel von Marks & Spencer verwiesen.411 409 Wie erinnerlich, ist die theoretische Basis bezüglich der europäischen Absatzpolitik von Einzelhandelsbetrieben (vgl. Tab. 2.7a.-c. im 2. Kapitel, Abschn. 4.) sehr lückenhaft. Vor diesem Hintergrund orientiert sich die Diskussion in diesem Teil der Untersuchung stark an der Praxis. 410 Vgl. Hansen/Aigermissen (1979), S. 131. Im folgenden werden die Begriffe Handelsmarke und Handelsmarkenartikel synonym gebraucht. Innerhalb der EU sind die Verordnungen über die Gemeinschaftsmarke und die Marken-Richtlinie als wesentliche rechtliche Grundlage der Handelsmarkenpolitik von Bedeutung. Vgl. Schröder/Ahlert ( 1993), S. 397 f. 411 St. Michael stellt in Großbritannien die Marke mit dem höchsten Bekanntheitsgrad dar. Vgl. Dibb/Simkin (1993), S. 28.
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3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Bietet ein Einzelhandelsbetrieb neben den von ihm gekennzeichneten Produkten Herstellermarkenartikel an, dann handelt es sich bei ersteren je nach der Anzahl der Erzeugnisse bzw. den beliihrten Warengruppen um Individualhandelsmarken (z. B. Tandil von Aldi), warengruppenbezogene Handelsmarkenfamilien (z. B. Omega von MARKANT, eine Handelsmarke im Bereich von Tiefkühlkost)412 oder warengruppenübergreifende Handelsmarkenfamilien (z. B. Sainsbury von Sainsbury).413
Handelsmarken zeichnen sich durch eine bestimmte Kombination von Ausprägungen der in Abb. 3.13. enthaltenen Kriterien aus. In bezugauf die internationale Absatzpolitik gewinnen vor allem die Positionierung, die Anzahl der Marken in einem Produkt/Marktsegment sowie die Erweiterung des Absatzradius der Marke in geographischer und anbieterbezogener Hinsicht eine völlig neue Bedeutung. Darin konkretisieren sich auch die Unterschiede, die zwischen der traditionellen, im wesentlichen an einem Ländermarkt orientierten und der durch die Internationalisierung hervorgerufenen neuen, grenzüberschreitenden Handelsmarkenpolitik festzustellen sind. Im Zuge der internationalen Expansion von Einzelhandelsbetrieben ist man mit ursprünglich nationalen Handelsmarken in neue Märkte vorgestoßen. Durch die in Europa weitgehend vereinheitlichten rechtlichen Vorschriften steht internationalen Handelsmarken dabei genausowenig im Wege wie vergleichbaren Herstellermarken.4t4 Zu den wichtigsten Fragen, die bei der Gestaltung der internationalen Handelsmarkenpolitik beantwortet werden müssen, zählen folgende: - Unter welchen Bedingungen läßt sich eine Handelsmarke, die im Inland erfolgreich ist, auch in Auslandsmärkten vertreiben? Kann dabei die gewohnte Politik beibehalten oder müssen bestimmte Elemente (z. B. Name, Qualitätspositionierung) an nationale Gegebenheiten angepaßt werden? - In welchen Warensegmenten und wie können sog. Euro-Handelsmarken, also überall einheitlich konzipierte Warenangebote von Absatzmittlern, und ländergruppenbezogene Handelsmarken erfolgreich vermarktet werden? Welche Handelsmarkenkonzeption eignet sich besser als eine andere für die Europäisierung? Wie lassen sich europäische und nationale Handelsmarkenkonzepte miteinander vereinbaren, sofern sie gleichzeitig verfolgt werden? - Wie vermag ein Anbieter, der über mehrere Handelsmarken verfügt, die mit deren Europäisierung einhergehenden Managementprobleme zu bewältigen? 4 12 Die Verpackungsbeschriftung dieses multinationalen Handelsmarkenartikels ist zur Senkung der Kosten sechssprachig gestaltet. Vgl. Stickel (1994), S. 2043. 413 Der Anteil der Handelsmarken am Gesamtsortiment beträgt bei Migros ca. 95 %. Vgl. Gugelmann (1991), S. 10. Dieses Unternehmen und Marks & Spencer sind in bezugauf diesen Indikator in Europa führend. 414 Vgl. Sternagel (1994), S. 557 f. Siehe hierzu auch Abschn. 1.1.1.1. in diesem Kapitel.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit Kriterium Eigentümer der Handelsmarke
Produzent des Handelsmarkenartikels
Anzahl der mit einer einzigen Handelsmarke versehenen Erzeugnisse
Positionierung des Handelsmarkenartikels
Anzahl der Handelsmarken in einem Produkt/Marktsegment Absatzradius des Handelsmarkenartikels in bezug auf -räumlichen Verbreitungsgrad
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AusprAgung Handelsunternehmen Kooperatives Handelssystem - Kooperation zwischen Hersteller(n) und Handelsunternehmen - Rückwärtsintegriertes Handelsunternehmen - Kooperatives Handelssystem mit Produktionsbetrieben - Kontrakthersteller Individualhandelsmarke - Handelsmarkenfamilie Innerhalb einer Warengruppe -- Warengruppenübergreifend - Dachhandelsmarke - Qualitäts- bzw. Leistungspositionierung Qualitätsniveau (niedrige, mittlere und hohe Qualität) -- Leistungsebene (Grund- und Zusatznutzen) - Preispositionierung (niedrige, mittlere und hohe Preislage) - Monohandelsmarke - Zweithandelsmarke - Dritthandelsmarke
-
-
---
- Lokale Handelsmarke - Regionale Handelsmarke - Nationale Handelsmarke
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Ländergruppenbezogene Handelsmarke Euro-Handelsmarke Welthandelsmarke
- Betriebstyp
-
Monobetriebstyphandelsmarke Multibetriebstyphandelsmarke
- Anbieter
-
Ein Handelsunternehmen Mehrere verbundene Handelsunternehmen Mehrere unverbundene Handelsunternehmen Kern- bzw. Basishandelsmarke Ergänzungshandelsmarke Hinweis auf Eigner der Handelsmarke und/oder Produzent des Erzeugnisses Fantasie-, verwendungs- oder eignerbezogenes Warenreichen Gestaltung des Warenzeichens
Sortimentspolitische Einordnung des Handelsmarkenartikels Art der Handelsmarke
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Abb. 3.13.: Kriterien zur Differenzierung von Handelsmarkenstrategien Quelle: In Anlehnung an Schenk (1994), S. 65f.
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3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Zum besseren Verständnis der mit der Expansion von Handelsmarken verbundenen Chancen und Risiken werden die historische Entwicklung kurz nachgezeichnet und die Ziele der traditionellen, d. h. an einem einzigen Ländermarkt orientierten Handelsmarkenpolitik erörtert. Eine wesentliche Ursache für das Entstehen von Handelsmarken bildeten in allen handelsgeschichtlichen Entwicklungsphasen415 Lieferboykotte der Markenartikelhersteller. Diese waren zumeist die Folge von in den Augen der Industrie mißliebigem Verhalten von Einzelhandelsbetrieben, das sich beispielsweise in der fehlenden Preisdisziplin vor allem von Großbetrieben äußerte. Um die dadurch entstandene Sortimentslücke auszufüllen, blieb den Betroffenen nur der Ausweg, die Markenware selbst zu produzieren oder herstellen zu lassen. 416 Im Zuge des Aufkommens preisaggressiver, kleinflächiger Angebotsformen, die von Anfang an von vielen Markenartikelherstellern als Vertriebskanal kritisch betrachtet bzw. gemieden wurden, gewann die Entwicklung von Handelsmarken an Dynamik. Der Erfolg von Aldi, der u.a. mit einem sehr hohen Anteil von Individualhandelsmarken am Sortiment bewerkstelligt wurde,417 hat viele Wettbewerber veranlaßt, zur Profilierung und Rückgewinnung von an Aldi verlorenem Marktanteil systematisch eigene Handelsmarken herauszubringen. Ende der 70er Jahre griff dann von Frankreich ausgehend die Euphorie auf andere europäische Länder über, mittels sog. No Names bzw. Gattungsmarken, die meist eine warengruppenübergreifende Handelsmarkenfamilie mit geringwertiger Aufmachung sowie niedriger Preislage und Qualität verkörpern, die Einkaufsstättenloyalität der Verbraucher zu erhöhen, gegenüber erfolgreichen Wettbewerbern verlorenes Terrain wettzumachen, preispolitischen Spielraum im Vergleich zu HersteUermarken aufzubauen und zu nutzen sowie letztlich auskömmliche Spannen zu sichern. Jedoch ließen sich die mit den No Names angestrebten Ziele nicht bzw. nur zu einem kleinen Teil verwirklichen. Batzer/Greipl sprechen von einer "Fehlleitung" der Markenpolitik im Handel. Die Kreation und Forderung von Gattungsmarken hat nicht nur Irritationen bei den Verbrauchern erzeugt, sondern auch deren Trägern ökonomischen Mißerfolg beschert. Darüber hinaus konnte damit der Expansion von kleinflächigen Discount-Betrieben nicht Einhalt geboten werden.418
Bei kooperativen Systemen im Handel bildete die erhoffte Integration der einzelnen Mitgliedsbetriebe ein wichtiges Motiv für die Lancierung einer Handelsmarkenpolitik.419 So berichtet Huber davon, daß die Inter-Spar bereits 1962 Euro415 Vgl. hierzu auch die Ausführungen im 1. Kapitel, Abschn. 2. 416 Vgl. Berekoven (1995), S. 139. Lieferboykotte von Herstellern provozierten häufig eine vertikale Rückwärtsintegration von Handelsbetrieben (so z. B. bei Migros). 417 Der Anteil wird auf 80 bis 85 % geschätzt. Vgl. GfK Panel Services GmbH (1995), 0.
s.
418 Vgl. Batzer/Greipl (1992), S. 187. 419 Vgl. Berekoven (1995), S. 140.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
399
Handelsmarken entwickelt hat, die in einheitlicher Aufmachung und Qualität mit dem Namen Spar Europ in allen Ländern, in denen diese Freiwillige Kette Verkaufsstellen besaß, offeriert wurden. 420 Der Autor nahm an, daß von einer zunehmenden Integration des westeuropäischen Marktes wesentliche Anreize zur Förderung der internationalen und nationalen Handelsmarkenpolitik ausgehen würden. Dies führte er einerseits auf die Ausweitung des Beschaffungsradius zurück; denn durch die Bildung länderübergreifender Einkaufskooperationen wären die angeschlossenen Einzelhandelsbetriebe in der Lage, Beschaffungsprobleme, die zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Haltung von Herstellern bestanden haben, die Produktion von Handelsmarken abzulehnen, durch Import zu umgehen. 421 Andererseits würde sich, so seine Vermutung, die Vergrößerung der Absatzbasis positiv auf dieses Element des Handelsmarketing auswirken. Dies bezog er allerdings, zum Zeitpunkt seiner Untersuchung zu Recht, ausschließlich auf sich formierende europäische Handelskooperationen, indem die für einen Transfer in ein anderes Land geeigneten nationalen Handelsmarken eines Mitglieds von den Partnern in anderen Staaten übernommen würden. 422 Somit ergeben sich für die traditionelle Handelsmarkenpolitik vier Zieldimensionen, und zwar Optimierung des Sortiments (Schließung von Lücken, Straffung der ausufernden Anzahl von Artikeln etc.), Profilierung (z. B. Schaffung von Einkaufsstättenloyalität, Differenzierung des Sortiments gegenüber dem Angebot von Herstellern und Konkurrenten), Preis- und Spannensicherung sowie Integration der Mitglieder eines Handelssystems. 423 Es leuchtet vor dem Hintergrund der Argumentation von Huber ein, daß das zuletzt genannte Motiv im Zuge der Etablierung zahlreicher europäischer Beschaffungskooperationen424 an Bedeutung gewonnen hat. So wollen gemäß Ahrens alle supranationalen Verbundgruppen europäische Handelsmarken entwickeln bzw. vermarkten. Sie beschreiten dabei jedoch unterschiedliche Wege. Eurogroup z. B. will dafür sorgen, daß Handelsmarken eines Mitglieds von allen anderen genutzt werden können und daß neu zu entwickelnde Handelsmarken auf die Anforderungen aller Mitgliedsbetriebe zugeschnitten konzipiert werden.425 Konkret äußert sich dieses Anliegen darin, daß einerseits die warengruppenbezogene Handelsmarkenfamilie Jufri von REWE vom niederländischen Eurogroup-Partner Vendex Food
420 Vgl. Huber (1969), S. 66ff. Die Ausführungen, die der Autor grenzüberschreitenden Handelsmarkenkonzepten widmet, können als erster in der Literatur dokumentierter Versuch gewertet werden, die traditionelle, an den Erfordernissen eines einzigen Ländermarktes ausgerichtete Handelsmarkenpolitik um die internationale Dimension zu erweitern. 421 Vgl. Huber (1969), S. 70. 422 Vgl. Huber (1969), S. 70. 423 Vgl. Berekoven (1995), S. 139. 424 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 2.1.3. in diesem Kapitel. 425 Vgl. Ahrens (1994), S. SOff., und Reischi (1992), S. 264. Siehe hierzu auch Abschn. 2.1.3.2. und Abschn. 2.1.3.3. in diesem Kapitel.
400
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
geführt wird426 und andererseits von Eurogroup mehrere Euro-Handelsmarken als warengruppenübergreifende Handelsmarkenfamilien (z. B. Eurocouisine, Mondofino) entwickelt wurden.427 Im ersten Fall wurde die in der Bundesrepublik Deutschland verfolgte Handelsmarkenpolitik ohne Änderung in den niederländischen Markt übernommen. Die gestiegene Menge hat zu einer Senkung der Beschaffungskosten geführt, die nur unwesentlich durch höhere Aufwendungen, bedingt durch die Modifikation der Verpackungsbeschriftung, geschmälert wurde. Den somit erzielten Kostenvorteil teilen sich die Partner in angemessener Weise.428
Im zweiten Fall ging man so vor, daß Einkaufs- und Marketingverantwortliche der Mitgliedsunternehmen sowie ein Geschäftsführungsmitglied von Eurogroup Projektgruppen eingerichtet haben, die für die Konzeption jeweils einer Euro-Handelsmarke zuständig waren. Nach der Prüfung der Sortimentspolitik der Partner auf Gemeinsamkeiten, der Erarbeitung eines Anforderungskatalogs, den die zu entwickelnde Handelsmarke erfüllen sollte (z. B. hinsichtlich der Qualität), und der ökonomischen sowie qualitativen Bewertung zur Verfügung stehender Alternativen wurden kompetente Dienstleistungsanbieter (u.a. Werbeagentur, Marktforschungsunternehmen) herangezogen, die bei der operativen Gestaltung halfen. Die Schlüsselrolle in der Projektgruppe hatte dabei meist derjenige Mitgliedsbetrieb inne, aus dessen Stammland das Produkt vollkommen oder zu einem Großteil bezogen werden sollte. 429 Die Euro-Handelsmarken von Eurogroup tragen neben dem Markennamen das Signet der Verbundgruppe und die Label aller Partner.430
Bei der Entwicklung neuer auf den europäischen Markt zugeschnittener Handelsmarken lassen sich zwei gravierende Unterschiede zwischen supranationalen Verbundgruppen von Einkaufskooperationen und jenen von Filialunternehmen identifizieren. Diese bestehen darin, daß erstere wesentlich mehr Euro-Handelsmarken entwickelt und diese vorwiegend im Sektor warengruppenübergreifender Handelsmarkenfamilien lanciert haben, während letztere insgesamt deutlich weniger Projekte aufweisen und vor allem solche initiierten, die im Bereich von europäischen Individualhandelsmarken und warengruppenbezogenen Handelsmarkenfamilien anzusiedeln sind.
426 Vgl. Sternagel (1994), S. 588. Gemäß Reischi (1992), S. 269, werden in allen Verkaufsstellen der Gründungsmitglieder von Eurogroup, REWE, GIB-Group und Vendex Food, die Handelsmarken Jufri (Fruchtsäfte), Persa und James (lndividualhandelsmarken im Bereich von Tiemahrung) sowie Today (Körperpflege) geführt. 427 Vgl. o.V. (l995e), S. 36. 428 Über ein weiteres Beispiel des Austausches von Handelsmarken zwischen Mitgliedern einer supranationalen Verbundgruppe, und zwar AMS, berichtet M+M-Eurodata (1993), S. GB, IV, 5. Argyll hat etwa 50 Handelsmarken von Casino Ende 1991 in Filialen seines Betriebstyps Safeway erprobt und schließlich die acht in England erfolgreichsten Casino-Handelsmarken in allen Safeway-Verbrauchermärkten eingeführt. Im Gegenzug prüfte Casino ca. 40 Handelsmarken von Argyll durch einen Store-Test in Südfrankreich daraufhin, ob sie dort genügend Nachfrager fänden. 429 Vgl. o.V. (1994m), S. 3. 430 In Abschn. 2.1.3.3. in diesem Kapitel wurde bereits auf die Euro-Handelsmarke Mine! von EMD hingewiesen.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
401
Beispiele hierfür bilden die Babywindel bebe und ein Küchentuch, beide von AMS entwikkelt. Bei letzterer ist den Verantwortlichen ein peinlicher Fehler unterlaufen. Vorgesehen war nämlich, daß ein in Italien produziertes Küchentuch von allen AMS-Mitgliedem gelistet wird. Allerdings fiel die Küchentuchrolle um zwei cm zu kurz aus, so daß sie hierzulande in keine dafür vorgesehene Halterung gepaßt hätte. 431
Gründe für diese unterschiedliche Vorgehensweise bestehen u.a. darin, daß die hohe Eigenständigkeit der nationalen Sortimentspolitik (inkl. der nationalen Handelsmarkenpolitik) und die grenzüberschreitenden Expansionsinteressen der Filialunternehmen eine Koordinierung der Eigenmarken auf europäischer Ebene erschweren. Demgegenüber dürfte es supranationalen Verbundgruppen von Einkaufskooperationen vergleichsweise leichterfallen, internationale Handelsmarkenfamilien zu konzipieren; denn deren Mitglieder verfügen meist nicht über eine starke Stellung in den nationalen Beschaffungsmärkten, so daß der positive Bündelungseffekt auf die Einstandskosten den Nachteil der Aufgabe von Entscheidungsautonomie übersteigt. Da weiterhin die Mitglieder in der Regel keine aggressive länderübergreifende Expansionsstrategie verfolgen, laufen sie auch nicht Gefahr, mit den Anbietern konkurrieren zu müssen, mit denen sie zuvor gemeinsame Handelsmarken entwickelt und forciert haben. 432 Wie die Ergebnisse des kurzen geschichtlichen Exkurses gezeigt haben, stellt der Versuch, mit Hilfe von internationalen Handelsmarken den Zusammenhalt von Mitgliedern einer grenzüberschreitend tätigen Verbundgruppe zu fördern, keine Neuerung dar, die auf den lnternationalisierungsschub, der seit Ende der 80er Jahre zu beobachten ist, zurückzuführen wäre. Lediglich die Intensität und der Trend, internationale warengruppenübergreifende Handelsmarkenfamilien als Integrationsklammer zu formen und zu nutzen, verkörpern eine neue Dimension der Angebotspolitik in diesem Sektor. Solche Handelsmarkenfamilien haben auch eigenständig agierende Filialbetriebe des Lebensmitteleinzelhandels im Zuge ihrer Expansion entwickelt. Beispiele hierfür stellen O'Lacy's (Asko) und A&P (Tengelmann) dar. Angeregt wurden diese und andere u.a. durch die in Abb. 3.14. verdeutlichte Interdependenz von Umsatzrendite und Umsatzanteil, der mit Handelsmarken erzielt wird. Die Analyse französischer und britischer Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels hat nämlich gezeigt, daß mit der Zunahme des Anteils des Handelsmarkenumsatzes am Gesamtumsatz die Umsatzrendite steigt. Allerdings muß zu dem in Abb. 3.14. dokumentierten Ergebnis folgendes kritisch angemerkt werden:
Vgl. Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag (1992), S. 219. Folglich stellen Anzahl und Grad der Akzeptanz von internationalen warengruppenübergreifenden Handelsmarkenfamilien geeignete Indikatoren für die Stabilität von supranationalen Verbundgruppen dar. 431 432
26 Lingenfelder
402
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Marks & Spencer erwirtschaftet den größten Teil seines Umsatzes mit Textilien (über 60%) und nicht mit der, meist im Kellergeschoß der Verkaufsstellen befindlichen Lebensmittelabteilung. Insofern stellt dieses Unternehmen einen Sonderfall dar, der zur Bestätigung der Existenz eines Zusammenhangs zwischen Rentabilität und Handelsmarkenpolitik im Lebensmittelsektor nur begrenzt geeignet erscheint. 433
Umsatzrendite (in%)
•
12
Marks& Spancer
10 Asda Sainsbu~
•
8
6
Gateway
•
•
• Tesco
4
2
20
40
60
80
Anteil des Handelsmarkenumsatzes am Gesamtumsatz (in%)
100
Abb. 3.14.: Der Zusammenhang zwischen Umsatzrendite und Anteil des Handelsmarkenumsatzes am Gesamtumsatz Anmerkung: Ca. ein halbes Jahr nach Erscheinen des Beitrages von Mei-Folter/Barber wurde Buromarehe von Carrefour übernommen.
Quelle: Mei-Folter/Barber (1991), S. J 3 ff.
433 Andere in Abb. 3.14. angeführte Unternehmen erzielen einen teilweise über 5 % liegenden Umsatzanteil im Nonfood-Sektor (z. B. Casino). Vgl. hierzu M+M-Eurodata (1993), S.F, IV, 11.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
403
Ob die in Abb. 3.14. enthaltene Regressionsgerade generell, d. h. auch in den nicht erfaßten Ländern linear steigend verläuft, muß bezweifelt werden; denn britische Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels konnten aufgrund der dort niedrigen Wettbewerbsintensität höhere Preise als ihre Konkurrenten in Frankreich durchsetzen. Dies hat zur Folge, daß die Umsatzrendite in Großbritannien unabhängig von der Handelsmarkenpolitik höher sein muß als in Frankreich. Vergleicht man vor diesem Hintergrund jeweils zwei Unternehmen mit einem nahezu identischen Anteil des Handelsmarkenumsatzes am Gesamtumsatz miteinander, so ist folgendes festzustellen : Die Differenz zwischen Gateway und Euromarche in bezug auf die Umsatzrendite beläuft sich auf 4,2 %, diejenige zwischen Argyll und Casino auf 1,4 %. Folglich müssen spezifische Ursachen dafür vorhanden sein, daß britischeAnbietereinen unterschiedlich großen Vorsprung bei der Umsatzrendite besitzen. Dabei könnte es sich einerseits um die Handelsmarkenpolitik in Großbritannien im Vergleich zu der in Frankreich handeln. Andererseits wäre es denkbar, daß Absatzmittler beider Länder bei der Gestaltung von Variablen, die neben der Handelsmarkenpolitik die Umsatzrendite beeinflussen (z. B. Qualität des Managements, Logistiksystem, Standort-, Betriebstypenpolitik434), verschiedenartige Wege beschreiten. - Britische Anbieter verfolgen eine andere Handelsmarkenpolitik als ihre französischen Wettbewerber. Dies äußert sich, wie Tab. 3.31. demonstriert, darin, daß britische Handelsmarken häufiger als Dachhandelsmarken in einer Premiummarkenartikeln von Herstellern vergleichbaren Art und Weise gestaltet und vermarktet werden. Zur Realisierung einer solchen Politik bedienen sich die Anbieter großer und professionell arbeitender Entwicklungs- und Marketingabteilungen (mit zum Teil 50 und mehr Beschäftigten), die in enger Kooperation mit Lieferanten selbst entworfene Produkte von der Industrie fertigen lassen.435 Vergleicht man die Handelsmarkenpolitik in Frankreich und Großbritannien mit der in Deutschland, so wird der enorme Nachholbedarf deutscher Anbieter in bezug auf dieses wichtige Element des Handelsmarketing deutlich. Nach Ergebnissen des GfK Panel Services vereinten hierzulande entsprechend gekennzeichnete Produkte (ohneA/di) 1994 einen Marktanteil von 6,8% auf sich. Die Aldi-Handelsmarken werden über alle Warengruppen hinweg auf ca. 13,5% geschätzt, wobei teilweise gravierende Unterschiede bestehen. 436 434 Wahrend Gateway nahezu ausschließlich Verbrauchermärkte kleineren Zuschnitts betreibt und durch ein umfangreiches Rationalisierungsprogramm Anfang der 90er Jahre versuchte, die Profilabilität zu erhöhen, ist das schlechte Abschneiden von EuromarcM (vgl. Abb. 3.14.) u.a. darauf zurückzuführen, daß bei der Handelsmarkenpolitik gravierende Fehler begangen wurden. Diese bestanden im wesentlichen in der mangelhaften Kontrolle der Qualität und der schlechten Information der Verbraucher über die Handelsmarken. Vgl. Oehme (1992), s. 155. 435 Vgl. MARKANT Handels und Service GmbH (1992), S. 20. Beim britischen Unternehmen Tesco arbeiten ca. 60 Mitarbeiter an der Entwicklung und Vermarktung von Handelsmarken. Vgl. Sternagel (1994), S. 558. 436 Vgl. GfK Panel Services GmbH (1995), o. S.
26*
404
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung Tabelle 3.31.
Ein Vergleich der Handelsmarkenpolitik in Frankreich und Großbritannien Kriterium Anzahl der Handelsmarkenartikel pro Absatzmittler im Durchschnitt I) Abgedeckte Warengruppe
-
Preispositionierung (in % aller Handelsmarkenzeugnisse)
F
GB
Ca. 1.000
Ca. 3.500
Grundnahrungsmittel und alle anderen Low involvement-Warengruppen Körperpflegemittel und weitere High involvement-Warengruppen in GB hauliger als in F)
Hochpreislage
3
14
Mittelpreislage
54
64
Niedrigpreislage
-
Qualitatspositionierung
Art der Handelsmarke und der Vermarl.."tung
-
-
43 22 In GB hauliger als in F in Form von Mark-tin-
novationen Zusatznutzen durch Betonung z.B. von Gesundheitswirkung und Umweltverträglichkeit
Oberwiegend exklusive Aufmachung (vergleichbar zu Herstellerpremiurnmarke) Relativ hoher Werbeeinsatz in Verbindung mit Verkaufsförderungsaktionen TV-Werbekampagnen zum Aufbau eines bestimmten Unternehmensimage
Verfolgte Handelsmarkenpolitik hinsichtlich der Anzahl der mit einer einzigen Handelsmarke versehenen Erzeugnisse
Warengruppenbezogene Handelsmarkertfarnilie
21
21
43
29
(in % aller Handelsmarkenartikel)
WarengruppenObergreifende Handelsmarkertfarnilie Dachhandelsmarke
36
50
Anmerkung: I) In D und I liegt die Anzahl bei 300 bzw. 200.
Quelle: In Anlehnung an MARKANT Handels und Service GmbH (1992), S. 4 ff.
Handelsmarken dienen hierzulande hauptsächlich dazu, durch niedrige Preise eine attraktive Alternative zum Herstellermarkenartikel zu schaffen und das weitere Vordringen von Hard discounter zu verhindern. Der nahezu kontinuierliche Anstieg des Marktanteils von Aldi in den letzten 20 Jahren belegt jedoch den Mißerfolg dieser Vorgehensweise in bezug auf das zuletzt genannte Motiv. Somit lassen sich sowohl hinsichtlich der Marktbedeutung als auch in bezug auf die Gestaltung von Handelsmarken Schwächen deutscher Anbieter diagnostizieren.
Möglicherweise wird die positive Korrelation zwischen den in Abb. 3.14. enthaltenen zwei Variablen durch den Effekt überlagert, daß Einzelhandelsbetriebe über hohe Marktmacht verfügen und diese u.a. in entsprechend hohe Endverbraucherpreise umsetzen können. Abb. 3.15. zeigt in der Tat, daß ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Marktanteil von Handelsmarken und dem Kon-
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
405
zentrationsgrad besteht. Wenn es zu einer weiteren Machtzusammenballung in den verschiedenen europäischen Ländern kommen wird, werden davon auch die Handelsmarken betroffen sein.437 Die seit Anfang der 90er Jahre in zahlreichen europäischen Ländern rückläufige Kaufkraft von Verbrauchern begünstigt solche Produkte, die ein attraktives Preis/Leistungsverhältnis aufweisen. Mit der Herabsetzung ihrer Entgeltforderungen können Hersteller zwar versuchen, den Abstand zu günstig kalkulierten Handelsmarken zu verringern. Ob dadurch der Marktanteil verteidigt werden kann, ohne daß das Markenimage Schaden nimmt, erscheint jedoch fraglich. Sicher ist gemäß den Ergebnissen verschiedener Analysen von Marktforschungsunternehmen allerdings, daß Herstellermarken, die im mittleren Preis- und Qualitätssegment positioniert sind, zugunsten der preislich attraktiveren Handelsmarken an Marktanteil verlieren werden.438
(in%)
50
50
40 37
30
26
20
22 16
10
GB
0
F
Abb. 3.15.: Der Marktanteil von Handelsmarken und den fünf größten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in ausgewählten europäischen Ländern (Stand 1992) Anmerkung: Balken repräsentieren den Marktanteil von Handelsmarken und Punkte den Konzentrationsgrad. Letzterer wurde Kornobis entnommen, der auf Daten von Nielsen rekurriert.
Quelle: MARKANT Handels und Sevice GmbH (1992), S. 4 und S. 20; Kornobis (1993), S. 531.
437 Nach einer Prognose von Euromonitor, das in bezug auf die Handelsmarkenpolitik Marks & Spencer und Migros als Vorreiter der Entwicklung in Europa einschätzt, werden internationale Handelsmarken nach und nach die Marktposition vieler Premiummarken von Herstellern einnehmen. Vgl. o.V. (1994n), S. 88. 438 Vgl. u.a. Kornobis (1993), S. 531.
406
3. Kap.: Ursachen, Fonnen und Wirkungen der Europäisierung
Trotz dieser kritischen Aspekte hat der in Abb. 3.14. wiedergegebene Zusammenhang die Phantasie europaweit agierender Handelsbetriebe beflügelt. Im Zuge der größer werdenden Anzahl von Verkaufsstellen und Absatzmengen gewannen Bestrebungen Raum, Handelsmarken überall zu vereinheitlichen. In diesem Kontext entstanden etwa seit Anfang der 90er Jahre neuartige Vermarktungskonzepte, so daß von vier Generationen von Handelsmarken gesprochen werden kann (vgl. Tab. 3.32.). Die Europäisierung hat im Lebensmitteleinzelhandel den Trend zur Entwicklung von Handelsmarken der sog. vierten Generation verstärkt. Gleichzeitig dazu werden nach wie vor solche Konzepte (vorwiegend von Hard discounter) verfolgt, welche die Nachfrager durch ein attraktives Preis!Leistungsverhältnis ansprechen sollen (Handelsmarken der zweiten bzw. dritten Generation). Daraus folgt, daß sich das Angebot von Handelsmarken in den Ländern, in denen sich internationale Absatzmittler engagieren, angleichen wird. Konkret werden sich vor diesem Hintergrund niedrigpreisige Handelsmarken in Großbritannien als Konsequenz des Eintritts von ausländischen Hard discount-Betrieben neben den hochpreisigen durchsetzen. Hierzulande kann davon ausgegangen werden, daß sich Betreiber von SB-Warenhäusern, Verbraucher- und Supermärkten der Entwicklung von Handelsmarken der vierten Generation zuwenden, um den Erfolg, den britische Anbieter damit erzielen, zu kopieren. Damit dies in Deutschland und in jedem anderen Staat gelingt, müssen Handelsbetriebe bereit sein, ihre Kommunikationspolitik zu ändern. 439 Ein höherer Werbedruck, der Einsatz von elektronischen Massenmedien (insbesondere TV-Werbung) und die Durchführung von imageprägenden Kampagnen stehen hierbei im Mittelpunkt. 440 Weiterhin erscheint die Einrichtung eines professionellen Handelsmarkenmanagements vergleichbar zum Brand-Management von Herstellern unabdingbar. Nur damit können erfolgreiche Handelsmarkenfamilien und Dachhandelsmarken mit hoher Profliierung (vgl. Tab. 3.32.) entwickelt werden. Insbesondere gilt es, dafür Sorge zu tragen, daß alle Produkte, die mit einer einheitlichen Kennzeichnung versehen werden sollen, eine vergleichbar hohe Qualität aufweisen. Ist das nicht der Fall, resultieren daraus negative Ausstrahlungseffekte, die bei einer Dachhandelsmarke das Image des Anbieters nachhaltig in Mitleidenschaft ziehen. Darüber hinaus sollte das Handelsmarkenmanagement die Bedürfnisse von Verbrauchern in den bearbeiteten Ländermärkten ermitteln und diese Aufgabe nicht, wie bislang, vollkommen den Markenartikelherstellern überlassen. 441 Erst dadurch Vgl. Kornobis (1993), S. 528. Gemäß Gordon (1994), S. J 18, hat in Großbritannien Tesco 1990 mehr Geld als jede andere Unternehmung für die Erhöhung des Bekanntheitsgrades und die Schaffung eines bestimmten Unternehmensimage ausgegeben. 441 Vgl. Kornobis (1993), S. 530. 439
440
Warengruppen mit einer hohen Anzahl von Artikeln Vergleichbar zum Marktfuhrer; Qualitatsgarantie des Eigners Gute Produktqualität zu einem angemessenenPreis Produktinnovation fast gleichzeitig zum Marktfilhrer; Schlüsseltechnologie Inlandische Hersteller, die sich meist aufProduktion von Herstellermll}'ken konzentrieren
Einzelartikel mit hohem Absatzvolumen Durchschnittlich, aber als niedrig wahrgenommen Niedriger Preis Dem Marktfilhrer in bezugauf Innovation nachhinkend; Basistechnologie Inlandische Hersteller, die zum Teil auf Produktion von Handelsmarken spezialisiert sind
Grundnahrungsmittel Weit niedriger als Marktfilhrer Niedriger Preis Me too-Produkt; ausgereifte Basistechnologie mit niedrigen Eintrittsbarrieren Inlandische Hersteller ohne Spezialisierung auf Produktion von Handelsmarken
Produkt/Marktsegment
Positionierung in bezug aufQualitat und Image
Hauptsächliche Kaufmotivation
Innovationsgrad und Art der eingesetzten Produk-
Produzent
Quelle: In enger Anlehnung an Mei-Folter/Barber (1991), S. J 3 ff.
tionstechnolo~ie
Hersteller, die in der Regel ausschließlich Handelsmarken produzieren
In- und ausländische
Mindestens so hoch wie Marktfuhrer; Aufbau eines attraktiven Image Hervorragende Produktqualitat im umfassenden Sinn Innovationsfilhrer; Schrittmacher- und Zukunftstechnologie
Vierte Generation Warengruppenbezogene und -übergreifende Handelsmarkenfamilie sowie Dachhandelsmarke mit hoher Profilierung Erzeugnisse mit imagebildender Wirkung
Dritte Generation WarengruppenObergreifende Handelsmarkenfamiliemit durchschnittlicher Profilierung
Zweite Generation lndi vidualhandelsmarke ohne Profilierung
Erste Generation No Name
Charakteristikum
Handelsmarkenstrategie
Tabelle 3.32.: Merkmale verschiedener Generationen von Handelsmarken im Lebensmitteleinzelhandel
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~
I c:
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408
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
ist ein internationaler Anbieter in der Lage, die für eine grenzüberschreitende Handelsmarkenpolitik geeigneten Warengruppen festzulegen. 442 Als Suchraster bietet sich eine Matrix an, die durch die Dimensionen Kulturgebundenheit und Interessenbesetzung gebildet wird. Abb. 3.16. soll die Vorgehensweise exemplarisch verdeutlichen. In einem ersten Schritt gilt es, nach solchen Warengruppen zu fahnden, bei denen in möglichst allen Ländern Europas Verbraucher weitgehend ähnliche Einstellungen und Gewohnheiten besitzen. Im Referenzfall wäre eine solche z. B. Waschmittel. In einem zweiten Schritt müßten die Warengruppen mit niedriger Kulturgebundenheit auf das Ausmaß an Involvement hin, mit dem Verbraucher Einkäufe tätigen, geprüft werden. Low involvementWarengruppen mit niedriger Kulturgebundenheit sollten einer sich anschließenden detaillierten Analyse unterzogen werden, inwieweit eine Euro-Handelsmarke in diesem Sektor Erfolg haben könnte.
lnvolvement Niedrig
•
Stteiellh61zer
Niedrig
•
Hoch lioc:'-'lge Kamaraa
Haushallll-
follan
•
•
•
Colas
•
• •• Nudeln
Öle
•
•
•
Wun~t
•
Brolo
•
Eiskrams
Hoch
•
Biere
Demen-
Bekleidung .hyglana
•
Manneladen
•
•
Shampoos
•
Ulven
Windeln
Wasclvnittal
Cerealien
Kulturgebundenheit
•
Kosmetika
Sportschuhe
Kül»sclvlnka
•
PorzaUan
•
Babynahrung
•
t.löbel
Abb. 3.16.: Ein Suchraster für die Identifikation warengruppenspezifischer internationaler Handelsmarkenstrategien Quel/e:Walda (1992), S. 109. 442 In diesem Zusammenhang stehen das warengruppen- bzw. produktspezifische Informations-, Kauf-, Konsum- und Entsorgungsverhalten von europäischen Verbrauchern auf dem Prüfstand. Siehe hierzu auch Abschn. 1.1.2.1. in diesem Kapitel.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
409
Hierbei spielt eine herausragende Rolle, ob mit einer starken Konkurrenz von namhaften Markenartikelherstellern zu rechnen ist und in welchen (Abwehr-) Maßnahmen sich diese äußern könnte. Weiterhin muß die Frage geklärt werden, ob das Transferpotential einer schon bestehenden Handelsmarkenfamilie für die erfolgreiche Abdeckung der in Betracht kommenden Warengruppen ausreicht oder ob eine oder mehrere neue Handelsmarkenfamilien kreiert werden müssen. Die Entwicklung von Euro-Handelsmarken wird auch vor sog. High involvement-Warengruppen443 nicht haltmachen. In Fällen hoher Kulturgebundenheit bietet sich die Beibehaltung bzw. Konzeption nationaler Handelsmarken an. Möglicherweise können hierbei auch ländergruppenbezogene Handelsmarken erfolgreich lanciert werden.444
Schließlich sollten folgende Prinzipien beachtet werden, um Erzeugnisse der vierten Generation zum Erfolg zu verhelfen:445 - Die Handelsmarke muß hohe Problemlösungskraft besitzen. Es darf sich nicht um ein Me too-Produkt handeln. Je größer die Austauschbarkeit von Leistungen in einem ProduktJMarktsegment hinsichtlich ihres Grundnutzens ist, desto wichtiger wird eine konsequente Innovationspolitik für eine Euro-Handelsmarke. Die Art der Marktbearbeitung durch den Einzelhandelsbetrieb sowie die Philosophie der Handelsmarke sollten weitgehend stimmig sein; denn nur dann kann ein von einem Absatzmittler mit einem Warenzeichen versehenes Produkt · glaubwürdig vermarktet werden. - Das Management vieler internationaler Handelsmarken führt zu hohen Komplexitätskosten. Mit zunehmendem Wettbewerb ist daher eine Beschränkung auf wenige Varianten (bis hin zu dem Extrem des Angebots nur einer Dachhandelsmarke) wichtig. - Gestaltung und Vermarktung der internationalen Handelsmarke müssen Kontinuität reflektieren. Nur dadurch können bei der anvisierten Zielgruppe ein hoher Bekanntheitsgrad und die gewünschte Profilierung erzielt werden. Je fragmentierter die Nachfrage in Europa ist, desto bedeutsamer erscheinen ländergruppenbezogene Handelsmarken und eine enge Kooperation mit Herstellern; denn damit werden eine marktnahe Entwicklung und kostengünstige Produktion von Handelsmarken erst möglich. 446
443 Wie bereits erläutert, ist dies in Großbritannien und Frankreich bereits zu beobachten. 444 Dies setzt allerdings ein entsprechendes Marktpotential in den verschiedenen Länderclustern voraus; denn sonst können die erheblichen Kosten einer solchen Handelsmarkenpolitik kaum amortisiert werden. 445 Die von Meffert (1992), S. 153 f., aufgeführten Elemente, die sich auf die Herstellermarkenpolitik beziehen, werden hier auf Handelsmarken übertragen. 446 Sternagel (1994), S. 558, führt aus, daß in den USA Unternehmen existieren, die sich auf die Entwicklung und Produktion von Handelsmarken spezialisiert haben. Diese Anbieter stellen aus der Sicht eines Einzelhandelsbetriebs nichts anderes als unternehmensexterne Entwicklungs- und Produktionsabteilungen dar.
410
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Die Schaffung der Voraussetzungen, die für die Realisierung aller dieser Erfolgsprinzipien notwendig sind, ist untrennbar mit einem größeren Absatzradius der Einzelhandelsbetriebe verbunden; denn sonst wären die notwendigerweise hohen Investitionen (z. B. in das Management und die Kommunikationspolitik) von europäischen Handelsmarken nicht zu finanzieren. In dem Maße, in dem Handelsmarken grenzüberschreitend vereinheitlicht angeboten werden, kommt es in dem betreffenden Teil des Angebots zu einer Sortimentsstandardisierung. Damit zusammenhängende Fragen werden nachfolgend erörtert. 2.2.2.3.2. Die Bildung eines für den europäischen Markt geeigneten Sortiments Im Rahmen der internationalen Sortimentsbildung447 stehen einem Anbieter drei grundsätzlich verschiedene Optionen zur Verfügung, die, auf einem Kontinuum angeordnet, fließende Übergänge aufweisen. Dessen Extrempole verkörpern einerseits nationale Sortimente und andererseits ein grenzüberschreitend identisches Waren- und Dienstleistungsangebot Eine am besten mit modulare internationale Sortimentspolitik zu bezeichnende Vorgehensweise kann in der Mitte eines solchen Kontinuums angesiedelt werden. Nachfolgend sollen diese drei Alternativen erläutert werden, um im Anschluß daran einige empirische Befunde hierzu zu diskutieren. Geht ein Absatzmittler so vor, daß er für jeden Staat, in dem er tätig ist, ein eigenes Sortiment zusammenstellt, vermag er das jeweils vorhandene Marktpotential voll auszuschöpfen, das Angebot mit Blick auf das Sortiment der nationalen Konkurrenten zu konfigurieren und bestehenden Markteintrittsbarrieren (z. B. hinsichtlich der Einfuhr bestimmter Waren) Rechnung zu tragen. Diesen Vorteilen stehen jedoch die relativ hohen Kosten einer solchen Vorgehensweise gegenüber.448 Mit Hilfe eines grenzüberschreitend identischen Sortiments besteht die Möglichkeit, Kosten zu senken und so die Effizienz des Handelsmarketing zu steigern. Die sich auf europäischer Ebene kumulierende höhere Abnahmemenge führt zu einer Verbesserung der Einkaufskonditionen. Darüber hinaus vermag ein Handelsunternehmen dadurch seine eigenen Vorstellungen hinsichtlich der Produktgestaltung gegenüber Lieferanten durchzusetzen. Weiterhin kommt es zu einer Fixküstendegression bei zahlreichen Elementen der Wertkette eines Einzelhandelsbetriebs (z. B. Logistik, Informationstechnologie). 449 Schließlich bietet ein standardisiertes 447 Die Festlegung der Kombination von Marktobjekten, die ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in den von ihm bearbeiteten Ländern offeriert, ist für den Erfolg der Internationalisierungsstrategie außerordentlich wichtig. Vgl. Berekoven (1995), S. 427. 448 Vgl. Herold (1992), S. 230 ff. 449 Vgl. hierzu Abschn. 3.2. und Abschn. 3.5. im 2. Kapitel.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
411
Sortiment die Chance dafür, die Durchschlagskraft der Marktbearbeitung zu erhöhen, indem z. B. Euro-Handelsmarken entwickelt und verbraucherbezogene Werbekampagnen auf internationaler Ebene optimiert werden. Allerdings ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels mit einem in allen Staaten einheitlichen Warenangebot nicht in der Lage, in einzelnen Ländern existierendes Marktpotential, das sich aus den nationalen Konsumgewohnheiten ergibt, voll auszuschöpfen. Zusätzlich geht Flexibilität in der Angebotspolitik verloren, weil man auf Maßnahmen von Wettbewerbern in den Ländermärkten aufgrund des standardisierten Sortiments nur begrenzt reagieren kann. Eine internationale Sortimentspolitik gemäß dem Baukastenprinzip versucht die Vorzüge der zwei genannten Optionen wie folgt miteinander zu verbinden. Zunächst differenziert man das gesamte Warenangebot in verschiedene Kategorien, wobei mehrere qualitative Kriterien verwandt werden können. 45 Für die Zwecke dieser Arbeit genügt es,451 von drei Bereichen auszugehen, und zwar von Basisbzw. Kern-, Zusatz- und Nebensortiment Wahrend die ersten beiden im Einklang mit der in der Literatur zu findenden Terminologie verstanden werden, 452 umfaßt der Begriff Nebensortiment den verbleibenden Rest an Kategorien, also z. B. Saison-, Test- oder Werbesortiment Das Entscheidende an einer modularen Vorgehensweise im europäischen Kontext besteht nun darin, daß das Basis- bzw. Kernsortiment in allen bearbeiteten Ländern oder zumindest in großen Ländergruppen vereinheitlicht wird (vgl. Abb. 3.17.).453 Auch im Sektor des Nebensortiments greifen Standardisierungsbestrebungen insofern, als einzelne Elemente (z. B. Werbe-, Saison-, Randsortiment) in mehreren Staaten gleichzeitig offeriert werden. Jedoch weist das gesamte Nebensortiment in der Regel länderspezifische Komponenten auf, wie dies auch Abb. 3.17. zum Ausdruck bringt. Um den nationalen Nachfrage- und Wettbewerbsverhältnissen Rechnung zu tragen, bildet der Anbieter ein jeweils unterschiedliches Zusatzsortiment
°
Eine solche Vorgehensweise führt zu einem Angebot, das in seiner Gesamtheit in jedem Staat charakteristische Züge trägt (z. B. unterschiedliche Anzahl von Artikeln), aber länderübergreifend einheitliche Elemente aufweist. Abb. 3.17. reflektiert ein Stadium eines Prozesses, dem eine Anpassung auf der Ebene einzelner Ar450 Hansen (1990), S. 209, und Tietz (1993c), S. 336, erwähnen Präsenz, Schwerpunkt der Ausrichtung, zeitliche Zugehörigkeit, Stellung im Sortimentszyklus, Kundenstruktur und Attraktionsorientierung, um Teilsortimente (z. B. Kern-, Zusatz- und Saisonsortiment) zu bilden. 451 Je nachdem, wie viele Kriterien mit welcher Anzahl an Ausprägungen man verwendet, ergibt sich eine unterschiedlich große Anzahl von Teilsortimenten. 452 Das Basis- bzw. Kernsortiment verkörpert den Teil des Angebots, der den Schwerpunkt der handelsbetriebliehen Tätigkeit bildet und permanent offeriert wird. Diejenigen Produkte, die die sog. Sortimentsmitte erweitern, stellen das Zusatzsortiment dar. Vgl. z. B. Hansen (1990), S. 208 ff. 453 Ähnlich auch Herold (1992), S. 240ff.
412
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
tikel, d. h. eine punktuelle Standardisierung vorgeschaltet ist.454 Wenn dies einem Absatzmittler in vielen Fällen gelingt, wird sich ein derartiges modular strukturiertes Sortiment herausbilden.
Zusatzsortiment
D
E
I
Basis- bzw. Kernsortiment
Nebensortiment
1 11111~
F
GB
Abb. 3.17.: Eine modulare grenzüberschreitende Sortimentsbildung eines Monobetriebstypenunternehmens am Beispiel von vier Ländern Anmerkung: Es wird eine überall greifende im Gegensatz zu einer nur auf der Ebene von Ländergruppen verfolgten Vereinheitlichung des Basis- bzw. Kernsortiments unterstellt.
Sollte diese Politik von Erfolg gekrönt sein, versucht ein Allbieter das Basisbzw. Kernsortiment zu Lasten der Zusatzsortimente weiter auszudehnen und die Anzahl der landestypischen Nebensortimente zu verringern. Beschreitet ein Einzelhandelsbetrieb diesen Weg, nähert es sich einem vollkommen standardisierten Sortiment immer mehr an. Die dem Baukastenprinzip folgende europäische Sortimentspolitik wirft folgende Fragen auf: Welche Warenbereiche bzw. -gruppen sollen das Basis- bzw. Kernsortiment bilden? Wie hoch muß das ,,richtige" Ausmaß der Standardisierung in bezug auf Intensität und geographische Reichweite (überall in Europa vs. einzelne Ländergruppen) sein? 454 Ein Anbieter, der mehrere Vertriebslinien unterhält, darf, sofern er an der mit Hilfe des Warenangebots erreichten Positionierung jedes Betriebstyps festhalten will, nicht Teilsortimente über Angebotsformen hinweg grenzüberschreitend vereinheitlichen. Gegebenenfalls ginge die Differenzierung verloren. Auf der Artikelebene ;spricht jedoch nichts dagegen, Produkte, die in mehreren Betriebstypen offeriert werden, europaweit zu Iisten.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
- Welcher Maßstab soll zur Vereinheitlichung werden?
~on
413
Sortimentsteilen herangezogen
Um einige der in diesem Abschnitt bislang angesprochenen Probleme mit empirischem Datenmaterial näher zu erhellen, sei auf Ergebnisse einer schriftlichen Befragung rekurriert, bei der die 142 größten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels aus den EU- und EFTA-Ländern die Stichprobe bildeten.455 Die im Rahmen eines zentrierten Vorgehens mit Rückübersetzung gebildete englischsprachige Version des Fragebogens wurde ebenso wie die deutsche Fassung im Frühjahr 1993 an die Geschäftsführung ausgewählter Betriebe versandt. 456 Nach einer Nachfaßaktion waren es letztlich 48 Unternehmen, von denen Antworten vorlagen, wobei jedoch nur 26 ausgewertet werden konnten. Den empirischen Befunden zufolge bildeten zum Zeitpunkt der Erhebung zehn Akteure das grenzüberschreitende Sortiment gemäß dem Baukastenprinzip und weitere sechs beabsichtigten dies. Neun Unternehmen verneinten die entsprechende Frage, wobei immerhin vier davon einzelne Produkte oder gar Warengruppen in mehreren Staaten unverändert anbieten und daher die oben so bezeichnete punktuelle Standardisierung der Warenstruktur praktizieren. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der in Abschn. 1.1. dieses Kapitels geführten Diskussion verwundert es nicht, daß die Befragten kein überall einheitliches Sortiment gebildet haben oder zu konfigurieren beabsichtigen. 457 Gründe hierfür stellen nach dem Urteil der Befragten vor allem folgende dar (in Klammem absolute Häufigkeit; Mehrfachnennung erlaubt): 458 -
Nationale Konsumgewohnheiten (n = 19), Markt- und Wettbewerbsbedingungen (n =12), Handelsstruktur (n =8) Klima (n = 7), soziokulturelles Umfeld (n =7), rechtlicher Datenkranz (n =6), Existenz nur weniger, in ganz Europa vermarktbarer Produkte (n = 5) und soziodemographische Faktoren (n =4).
Daher überrascht nicht, daß die befragten Anbieter versuchen, die mit einer grenzüberschreitenden Standardisierung der Sortimentspolitik verbundenen Vorteile zumindest auf der Ebene von Ländergruppen zu erschließen. Maßgebend für die Ermittlung von homogenen europäischen Teilmärkten sind den Angaben der 455 Es wurde darauf geachtet, daß in allen größeren Staaten die nach Maßgabe des Umsatzes fünf größten Anbieter im Sampie enthalten waren. Die Ausführungen basieren auf Stoll (1993). 456 Vgl. Holzmüller (1995), S. 228 ff. 457 Vgl. z. B. die Ausführungen in Abschn. 1.1.1.2. in diesem Kapitel. 458 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschn. 1.1.1. und Abschn. 1.1.2. in diesem Kapitel.
414
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Experten zufolge die geographische Nähe und die Ähnlichkeit der Konsumgewohnheiten, die, wie oben dargestellt, das größte Hindernis für eine weitergehende Standardisierung verkörpern. Nach der Meinung der überwiegenden Mehrheit der befragten Handelsmanager eignen sich mit Ausnahme von Milchfrischeprodukten alle Waren für die Bildung internationaler Sortimente nach dem Baukastenprinzip. Besonders diejenigen Produkte, die - bereits von Herstellern in mehreren Ländern standardisiert angeboten werden, - den in jedem Staat existierenden Nachfragerpräferenzen entsprechen, 459 - eine lange Haltbarkeit besitzen und niedrige Transportkosten verursachen, finden sich in den grenzüberschreitend identischen Sortimentsteilen von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Bei der von den Probanden vorgenommenen Bewertung einer internationalen Vereinheitlichung von Sortimenten bzw. Sortimensteilen, die Tab. 3.33. offenlegt, fallt auf, daß Kostenargumente am häufigsten als Vorteile genannt werden. Motive, die die Marktbearbeitung betreffen (z. B. Erzielung von Wettbewerbsvorteilen, höhere Akzeptanz bei Verbrauchern), veranlassen ein Unternehmen des betrachteten Sektors kaum dazu, sich mit einer Standardisierung des Angebots über mehrere Staaten hinweg auseinanderzusetzen. Von den Protagonisten einer Sortimentsangleichung wird als Nachteil am häufigsten der Verlust an Flexibilität (z. B. in bezug auf nationale Nachfragerpräferenzen und Wettbewerbsbedingungen) genannt. 460 Demgegenüber führen die Ablehner häufiger vor allem die konzentrationsfördernde und die Wettbewerbsintensität erhöhende Wirkung dieser Maßnahme als Nachteile an. Zusammenfassend betrachtet bleibt festzuhalten, daß Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels ihr internationales Angebot nach Maßgabe des Baukastensystems (vgl. Abb. 3.17.) auf der Ebene von Ländergruppen zusammenstellen. Dabei stehen häufig Kostenargumente im Vordergrund. Für die nähere Zukunft ist in dem betrachteten Sektor nicht mit einer völligen Vereinheitlichung der Sortimentspolitik zu rechnen. 461 Vielmehr sollten Absatzmittler an der weiteren Verbesserung der überwiegend präferierten modularen internationalen Angebotspolitik arbeiten.
459 Dabei handelt es sich in der Mehrzahl um Artikel mit geringer Kulturgebundenheit, zumeist Grundbedürfnisse abdeckende Waren des täglichen Bedarfs. Vgl. hierzu auch Abb. 3.16. 460 Die Hälfte dieser Gruppe verbindet mit einer international standardisierten Sortimentspolitik keinerlei Nachteile für den Einzelhandel. 461 Insofern läßt sich der in Abb. 3.12. für die Sortimentspolitik enthaltene Befund hiermit begründen.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
415
Tabelle 3.33.
Die Bewertung einer internationalen Vereinheitlichung von Sortimenten bzw. Sortimentsteilen im Spiegel empirischer Befunde Vorteil aus der Sieht von International einhellliehe Sortimentsteile •esitzenden oder planenden Untemehmenll
AbsoNachleU lule Häufigkeil
Absolute Häufickeil von International ein- keine grenzüberheilliehe Sortischreitende An· mentaleile beslt- pauungdes zenden oder pla- Sortiments nenden Unteranstrebenden UntemehmenZl nehmen
Verbesserung der Beschaffung
14
Verlust an Flexibilität
5
4
Kostenreduktion im Einkauf und der Marktbearbeitung
12
Vcrstllrltung der Konzentration
I
5
Kostenvoneil bei Handelsmarken
10
Hohe Kosten fiir die erforderliche Urnstruktu· rierung interner Abläufe
2
3
Erhöhung der Wettbewelbsintensität
l
3
Verringerung von Handelsspanne
I
2
Erhöhung von Handelsspanne
9
Zuwachs an Marktmacht gegenüber Herstellern
6
Ausweitung des Absatzmarktes
5
Schaffung der Voraussetzung zum Aufbau einer effizienten Logistik
4
Erzielung von Wettbewelbs· voneilen
4
Erhöhung der Akzeptanz bei Velbrauchern
3
Möglichkeit zur europaweiten Fernsehwelbung_
l
Anmerkung: Mehrfachnennung war möglich. Legende: I) Es handelt sich um 16 Anbieter. 2) Diese Gruppe umfaßt neun Einzelhandelsbetriebe.
2.2.2.3.3. Die Gestaltung von europäischer Werbung und Euro-Promotions Innerhalb der Kommunikationspolitik nehmen die Werbung und die Verkaufsförderung für Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels eine bedeutende Stellung ein. Auf handelsbezogene Besonderheiten bei deren Gestaltung im nationalen und internationalen Kontext wurde in einigen Abschnitten in dieser Untersuchung bereits hingewiesen.462 Erinnert sei lediglich an die ein differenziertes Media-Mix nahelegende unterschiedliche Nutzung und Akzeptanz von Werbeträgem durch die Konsumenten sowie die Divergenz hinsichtlich der Medienstruktur und werberechtlichen Bestimmungen in den europäischen Ländern. 463 462
Vgl. Abschn. 1.1.1.1., Abschn. 1.1.1.4. und Abschn. 1.1.2.1. in diesem Kapitel.
416
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
Eine Standardisierung internationaler Werbung, und zwar auf inhaltlicher und/ oder prozessualer Ebene, zielt auf Werbekostenreduktion (z. B. niedrige Entwicklungs-, Produktions-, Organisations- und Streukosten), Transfer von in einem Land erfolgreichen Werbeideen in alle anderen bearbeiteten Staaten, bessere Allokation des Werbebudgets und Möglichkeit zur Nutzung grenzüberschreitender Werbeträger ab.464 Da die Werbepolitik gemäß Befunden von George!Winter dasjenige Instrument des Absatzmarketing darstellt, das nach der Preispolitik den höchsten Grad an länderspezifischer Differenzierung aufweist,465 und, wie auch von Theis zusammengetragene Praxisbeispiele belegen,466 in fast jedem Land unterschiedlich gestaltet wird, müssen stichhaltige Gründe für den Verzicht auf die Wahrnehmung der zuvor genannten Chancen einer europaweit vereinheitlichten Werbung existieren. Neben den in dieser Untersuchung bereits an anderer Stelle genannten Hemmnissen467 sei auf folgende hingewiesen: - Fehlen zentraler Voraussetzungen auf seiten der Absatzmittler Zunächst spielt die gewählte Eintrittsstrategie eine große Rolle;468 denn bei einer Beteiligung an einem Einzelhandelsbetrieb in einem Auslandsmarkt wird es kaum möglich sein, dort dieselbe Art von Werbung wie im Starnrnland zu betreiben. Weiterhin verhindert ein nicht auf Buropa ausgedehnter Warenzeichenschutz die Verwendung eines im heimischen Markt eingesetzten (Unternehmens- bzw. Betriebstypen-) Logos. Beispielsweise hat Tengelmann für seine Discount-Vertriebslinie, die hierzulande den Namen Plus trägt, in der Niederlande die Marke Prijs-Slag gewählt, wobei dieselbe charakteristische Farbgebung verwendet wird. Den in Deutschland eingeführten Namen gebraucht ein niederländisches Unternehmen schon geraume Zeit. 469
Da eine überall einheitliche Werbung ein standardisiertes Warenangebot voraussetzt, dieses aber, wie die Diskussion in Abschn. 2.2.2.3.2. in diesem Kapitel ge463 Die wenigen Arbeiten, die sich mit den Facetten der grenzüberschreitenden Gestaltung von Werbung und Verkaufsförderung beschäftigen, weisen, wenn überhaupt, allenfalls fragmentarische empirische Befunde auf. 464 Vgl. TietzJZentes (1980), S. 399. 465 Vgl. Abb. 3.12., die die von den Autoren hierzu zutage geförderten empirischen Erkenntnisse vermittelt. 466 Vgl. Theis (1994), S. 393 ff. 467 Dazu zählen u.a. das in Europa herrschende uneinheitliche Werberecht (vor allem für Tabakwaren, Alkoholika und Gesundheitsprodukte) und die stark unterschiedliche Verbreitung sowie Nutzung und Akzeptanz von für den Lebensmitteleinzelhandel wichtigen Werbeträgem. Weiterhin verhindem das national differenzierte Kauf- und Konsumverhalten, das sich beispielsweise in einer je nach Warengruppe und Ländermarkt spezifischen Einkaufsstättenpräferenz niederschlägt, sowie eine nach wie vor bestehende sozio-kulturelle Divergenz eine standardisierte Werbepolitik. Vgl. hierzu 3. Kapitel, Abschn. 1.1.1.3. und Abschn. 1.1.2.1. 468 Vgl. dazu Abschn. 2.2.1.4. in diesem Kapitel. 469 Vgl. o.V. (1994o), S. 6.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
417
zeigt hat, höchstens auf der Ebene von Sortimentsteilen und einzelnen Produkten470 vorliegt, fehlt zugleich die Grundlage für eine europäische warenbezogene Werbepolitik. Darüber hinaus beeinträchtigt die gerade im Lebensmitteleinzelhandel am (häufig von Staat zu Staat unterschiedlichen) Preis471 orientierte Anzeigen- und Beilagenwerbung eine länderübergreifende Standardisierung. Einige wenige geglückte Beispiele für die Realisierung einer weltweiten Corporate Identity im Einzelhandel finden sich daher ausschließlich im Nonfood-Sektor, und zwar dort, wo die Anbieter hauptsächlich Imagewerbung betreiben (z. B. Benetton, /kea, Toys "R" US). - Länderspezifische Betriebstyp-Lebenszyklusphase und Existenz bestimmter Wettbewerbsbedingungen Unterschiede in der Lebenszyklusphase, in die eine Angebotsform in den betreffenden Staaten einzuordnen ist,472 führen meist zu einem zeitlich gestaffelten Vorgehen. Während in einem Land die Einführungswerbung (Bekanntmachung und Vorstellung der Vertriebslinie und der einzelnen Verkaufsstellen etc.) anläuft, werden in einem anderen die Penetration des Leistungsprofils angestrebt und in einem weiteren eine Schärfung der Profilierung gegenüber Wettbewerbern versucht. 473 So hat z. B. Aldi, als es mit dem Hard discount-Konzept in den italienischen Markt vorstieß, die Prinzipien dieser Angebotsform, die bis dahin dort weitgehend unbekannt waren, mit enormem Werbeaufwand populär gemacht. 1994 ist das Unternehmen dazu übergegangen, sein Warenangebot bei den Konsumenten stärker ins Bewußtsein zu rufen, um sich von den aufkommenden Konkurrenten abzuheben. 474
Vorhandensein von interkultureller Divergenz und einem sowohl positiven als auch negativen Herkunftslandeffekt Die unterschiedliche Bedeutung von Zeichen, Farben, Symbolen und Wörtern erfordert zumeist eine nationale Anpassung der Werbebotschaft Will sich ein Anbieter des Lebensmitteleinzelhandels beispielsweise durch Herausstellung von Frische profilieren, so muß er sich vergegenwärtigen, daß dieses Anliegen in nördlichen Ländern Europas anders als in südlichen verfolgt werden muß.475 Ähnliches gilt für Werbung mit Humor und für Aussagen, die an das traditionelle Rollenverständnis von Männern und Frauen anknüpfen.476
470 471 472
473
gen.
Vgl. Abschn. 2.2.2.3.1. in diesem Kapitel. Vgl. hierzu Abb. 3.12. Vgl. Abb. 3.4. Demzufolge muß ein Anbieter von Land zu Land unterschiedliche Werbeziele verfol-
Vgl. Theis (1994), S. 397. Vgl. Theis (1994), S. 403. 476 Zur sozio-kulturellen Entwicklung in den Kernländern Europas vgl. 3. Kapitel, Abschn. 1.1.1.3. 474
475
27 Lingenfelder
418
3. Kap.: Ursachen, Fonnen und Wirkungen der Europäisierung
Weiterhin ist es denkbar, daß sich das Herkunftsland eines Einzelhandelsbetriebs in einem Auslandsmarkt positiv auf dessen Akzeptanz durch die Verbraucher auswirkt und in einem anderen negativ. 477 Folglich müßte der kommunikative Auftritt (ebenso wie andere Instrumente des Handelsmarketing ) in den jeweiligen Ländern darauf abgestimmt werden. Es ist nicht anzunehmen, daß im Lebensmitteleinzelhandel in absehbarer Zeit eine vollkommen standardisierte europäische Werbepolitik Realität wird. Vielmehr erscheinen zwei Werbestrategien praktikabel, und zwar einerseits eine länderspezifische Werbung, die sich einzelner Elemente bedient, die in anderen Staaten, insbesondere im Heimatmarkt erfolgreich erprobt wurden sowie übertragbar sind.478 Andererseits handelt es sich um duale Werbung, die mit Hilfe europaweit oder zumindest ländergruppenbezogen ~inheitlicher Kampagnen (z. B. im Rahmen der Firmenwerbung und der Werbung für Euro-Handelsmarken) gleichzeitig Standardisierungsvorteile erschließt und durch deren Ergänzung in Gestalt national differenzierter Werbekonzepte Besonderheiten von Auslandsmärkten zu berücksichtigen erlaubt. Da sich verbraucherbezogene Verkaufsförderungsmaßnahmen, sieht man von sog. Sonderverkäufen ab, oft gar nur auf ein einziges Produkt beziehen, leuchtet es ein, daß derartige Aktivitäten viel leichter europaweit vereinheitlicht werden können als die Werbung.479 Von daher verwundert es auch nicht, daß in einschlägigen Publikationen von einer Vielzahl von in der Praxis durchgeführten Euro-Promotions berichtet wird. 480 Die in der Regel mit Euro-Handelsmarken und international renommierten Herstellermarkenartikeln481 durchgeführten Maßnahmen erhöhen den Abverkauf in der Periode, in der die Promotion läuft, weil die Artikel besonders auffällig plaziert und mit attraktiven Preisen versehen in den bearbeiteten Ländermärkten offeriert werden. Infolge der Nachfragebündelung erzielt der Anbieter eine so große Abnahmemenge, daß er von seinen Lieferanten Sonderkonditionen eingeräumt erhält. Wie Tab. 3 .1. vor Augen geführt hat, müssen im Rahmen der Gewährung von Preisnachlaß und Zugaben länderspezifische Nonnen beachtet werden.482 Gleiches gilt u.a. für Zeitraum und Anlaß sog. Sonderverkäufe, die in manchen Staaten jederzeit erlaubt sind und in anderen einer Reglementierung unterliegen. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 2.2.2.4. in diesem Kapitel. Ein Beispiel verkörpert eine bestimmte Fonn von Anzeigenwerbung, Handzetteln oder Kundenzeitschrift Man denke etwa an die METRO Clubpost 479 Vgl. hierzu Abb. 3.12., die diese Aussage untermauert. 480 Vgl. z. B. M+M-Eurodata (1993). Bei den Euro-Promotions, die Metro im Cash & Carry-Sektor durchführt, werden Produkte in über 180 Verkaufsstellen von Metro und Makro in nahezu allen europäischen Ländern zeitgleich in ähnlicher Fonn angepriesen. 481 Dies ist eine Ursache für den prognostizierten Zuwachs an Marktanteil von grenzüberschreitend agierenden Großunternehmen auf 47 % im Jahre 2002. Vgl. Abschn. 1.1.2.2. in diesem Kapitel. 482 V gl. hierzu Abschn. 1.1.1.1. in diesem Kapitel. 477 478
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
419
Auf der Basis des Nietsen European Passport Survey haben Müller/Kommeier rechtliche Restriktionen, die europaweiten Verkaufsförderungsmaßnahmen entgegenstehen, zusammengestellt. Demnach sind beispielsweise Zugabe in einer Pakkung, Verbundangebot, Preisausschreiben, Verlosung, Lotterie, Ausgabe von Gutscheinen, Rabatt beim nächsten Einkauf und Geld-zurück-Garantie in einigen Ländern verboten, in manchen mit und in anderen ohne Einschränkung erlaubt. 483 Die Fixierung von Aktionspreisen in Verbindung mit einer werbemäßigen Herausstellung und Sonderplazierung in einer Verkaufsstelle unterliegt jedoch, sofern sie sich in einem bestimmten Rahmen (in der Bundesrepublik Deutschland durch das GWB, das UWG, die Preisangabenverordnung etc. gebildet) bewegen, keiner Begrenzung. Deswegen werden solche relativ einfache, aber dafür überall zulässige Promotions von grenzüberschreitend tätigen Absatzmittlern präferiert. 2.2.2.3.4. Die Festlegung der europäischen Preis- und Sonderangebotspolitik Zur internationalen Preis- und Sonderangebotspolitik von Einzelhandelsbetrieben liegen ebenfalls nur sehr wenige empirische Befunde vor.484 Wahrend Den Hertog/Potjes/Thurik das Preissetzungsverhalten deutscher sowie japanischer Einzelhandelsbetriebe analysieren,485 wenden sich Den Hertog/Thurik einem Vergleich der Preispolitik deutscher und niederländischer Fachgeschäfte in 21 Branchen auf der Basis von aus den Jahren 1981 - 1986 stammenden Daten zu. 486 Sie streben danach, die Betriebshandelsspanne in Form eines linearen Regressionsmodells über alle untersuchten Fachgeschäftstypen hinweg zu erklären. Das zentrale Ergebnis ihrer Analyse besteht darin, daß die ermittelten, überwiegend geringfügigen Unterschiede der Regressionskoeffizienten auf die im Durchschnitt kleineren Unternehmen in der Niederlande im Vergleich zu den hierzulande tätigen zurückzuführen sind. So können höhere Handlungskosten von deutschen Betrieben wegen ihres größeren Umsatzvolumens leichter aufgefangen werden, als dies ihren niederländischen Nachbarn möglich ist. Aus dem gleichen Grund führt eine Preiserhöhung hierzulande zu einem vergleichsweise stärkeren Anstieg der Betriebshandelsspanne.
Die referierten Befunde stellen für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung keine wesentliche Hilfe dar, weil einerseits lediglich Fachgeschäfte und damit nur eine bestimmte Angebotsform des Lebensmitteleinzelhandels berücksichtigt wurden, andererseits der Lebensmittelsektor in der Stichprobe unterrepräsentiert Vgl. Müller/Kornmeier (1994), S. 137. In der Literatur dominieren Abhandlungen, die sich mit der internationalen Preispolitik im Industriesektor beschäftigen. Vgl. z. B. Lutz (1994). 485 Vgl. Den Hertog/Potjesffhurik (1994), S. 375 ff. Deren Befunde interssieren hier deshalb nicht, weil es um die europäische Preis- und Sonderangebotspolitik von Absatzmittlern geht. 486 Vgl. Den Hertogffhurik (1995), S. 66ff. 483
484
27*
420
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
ist. 487 Schließlich handelt es sich bei den Anbietern, die in die Stichprobe einbezogen wurden, um ausschließlich in einem einzigen Staat agierende Absatzmittler. Angesichts der unbefriedigenden Ausbeute der Literaturrecherche erscheint es zweckmäßig, zunächst Determinanten und Entscheidungsebenen der europäischen Preis- und Sonderangebotspolitik von Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels zu systematisieren. Danach sollen die wenigen sekundärstatistischen Befunde vermittelt werden, die zu den in Abb. 3.18. enthaltenen Elementen verfügbar sind.488 Wie erinnerlich, dient ein Auslandsengagement dazu, neues Wachstums- und Erfolgspotential zu erschließen. Dabei bildet die Nutzung von Synergie und Lücken in Auslandsmärkten bezüglich der vorhandenen Betriebstypenstruktur eine wesentliche Triebfeder der Internationalisierung. 489 Daraus läßt sich für die europäische Preispolitik zweierlei folgern: - Im Auslandsmarkt wird grundsätzlich dieselbe Preislage wie im Inland gewählt. Im Zuge des Markteintritts verfolgt ein Anbieter eine Penetrationsstrategie, deren konkrete Gestaltung von der Sortimentsstruktur und den herrschenden Marktbedingungen abhängt. Empirische Befunde von George/Winter stützen diese Argumentation. 46 % der von den Autoren befragten Handelsbetriebe streben in den Staaten, in denen sie tätig sind, eine unterschiedlich hohe Handelsspanne an. 15% legen das Timing ihrer Preispolitik so fest, daß sie zu Beginn des Engagements niedrige Entgelte fordern und diese dann Zug um Zug erhöhen. Auf einen kalkulatorischen Ausgleich über Ländergrenzen hinweg verzichten lediglich ca. 21% der Absatzmittler.490 Vor dem Hintergrund der ökonomischen und konsumbezogenen Unterschiede491 paßt sich jeder in einen Auslandsmarkt vorstoßende Anbieter mit seiner artikelbezogenen Preiskalkulation an die jeweiligen Marktbedingungen soweit an, wie es die für alle europäischen Staaten definierte Preislage und -Strategie zulassen. Es ist zu vermuten, daß deshalb die Preispolitik den Spitzenplatz in bezug auf die länderspezifische Differenzierung von Instrumenten des Handelsmarketing belegt (vgl. Abb. 3.12.). Während weitere empirische Befunde zu den in Abb. 3.18. aufgeführ487 Vgl. Den Hertogffhurik (1995), S. 69. Darüber hinaus werden auch die verschiedenen Entscheidungsebenen der internationalen Preis- und Sonderangebotspolitik nicht behandelt. 488 Einige der in Abb. 3.18. aufgeführten Determinanten wurden bereits an anderer Stelle in diesem und im 2. Kapitel angeschnitten. Es handelt sich u.a. um Ziel des Auslandsengagements (vgl. Tab. 3.21.), Sortimentsstruktur (vgl. 3. Kapitel, Abschn. 2.2.2.3.2.), Nachfragevolumen, Kaufkraft, Preisniveau in verschiedenen Warenbereichen, Stellung des Betriebstyps im Lebenszyklus und Wettbewerbsintensität (vgl. 3. Kapitel, Abschn. 1.1.1.2.). 489 Vgl. Abschn. 1.2. in diesem Kapitel. 490 Vgl. George (1992), S. 11. Der verbleibende Rest setzt simultan auf eine intertemporale Mischkalkulation und einen länderbezogenen kalkulatorischen Ausgleich. 491 Vgl. Abschn. 1.1.1.2. und Abschn. 1.1.2.1. in diesem Kapitel. Hier sei u.a. auf den warenbereichsspezifischen Preisindex in verschiedenen Ländern (vgl. Tab. 3.10.) verwiesen.
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
421
ten Entscheidungsebenen der europäischen Preispolitik nicht vorliegen, finden sich zur Sonderangebotspolitik, die in Auslandsmärkten verfolgt wird,492 überhaupt keine.
Uaten......polltiKioe ... -~loeDiae11-
sioa
I
• Ziel des Auslandsengagemencs • Gestaltung der Maltcteintrittsstrategie • Gewlhlte europlisehe Basisstrategie und Ausmaß der Standardisierung der Markt· bearbeitung • Positionienmg des Betriebstyps • Sortimentsstruktur • Bedeutung der Preispolitik im Handelsmarketing • Kostenstruktur • Art Wld Weise der Kalkulation inkl. angestrebter bzw. fllr erforderlich gehaltener durchschnittlieber Handelsspanne
Lladerauid • Nachfragevolumen • Kaufkraft • PreiselastiziW der Nachfrager • Preisniveau in relevanten Warenhereichen • Markttransparen von Ver-
brauehern
• Lebenszyklusstadium des Betriebstyps • Marktvemalten von in- und ausllndischen Lieferanten (AUSIIIIIB an Produktdifferenzienmg, Preispolitik etc.) • WettbewerbsintensiW • Reaktion von Konkwrenten auf preispolitiscbe Maß.. nahmen • Außenwm der Wahrung -Inflation • Rechtliche Nonnen (z.B. HOhe der Mehrwertsteuer)
Eabcloeidaapebeae
~
/
• Preislage q Wahl zwischen in bezug auf Wettbewerber und Verbraucher boher, mittlerer oder niedriger Preislage
'
· Preisslnltegie q Skimming- vs. Penetrationspreisstrategie q Kalkulatorischer Ausgleich q Preisdifferenzierung • Tuning der Preispolitik q Festlegung von Dauer und zeitlicher Abfolge preispolitischer Maßnahmen
... in den bearbeiteten Llndermlrkten
• Preiskalkulation q Bestimmung von Endverbraudterpreisen • Gestaltung der Sonderangebotspolitik q Auswahl von Artikeln Q Festlegung des Ausmaßes an Preisreduktion und deren zeitlicher Dauer
J
Abb. 3.18.: Determinanten und Entscheidungsebenen der europäischen Preisund Sonderangebotspolitik im Überblick
492 Wie stark und wie lange die Preise für einzelne Artikel in den Auslandsmärkten reduziert werden, hängt in hohem Maße von den vor Ort herrschenden Nachfrage- und Wettbewerbsbedingungen ab.
422
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
In den EU-Ländern durchgeführte Preisvergleiche vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften - Eurostat und von Nie/sen helfen hier auch nicht weiter; denn beide beziehen den Ort der Einkaufsstätte bzw. die Preise, die bestimmte Einzelhandelsunternehmen bzw. Betriebstypen für die erfaßten Artikel fordern, nicht ein. So läßt sich die internationale Preisdifferenz lediglich auf Produktebene bzw. auf der Ebene eines definierten Nahrungsmittel- sowie Konsumgüterkorbs erfassen. Bei manchen Waren ist das von Verbrauchern zu entrichtende Entgelt z. B. in Österreich um rund 30 % höher als hierzulande, während es bei anderen um ca. zwei Drittel darunter liegt. Eine wesentliche Ursache hierfür bildet neben der Handelsstruktur das unterschiedliche Nachfragevolumen bei den vor Ort produzierten bzw. eingekauften Produkten. 493
2.2.2.3.5. Die Gestaltung des Instore-Marketing in einzelnen Ländermärkten Das sog. Design von Verkaufsstellen, die Form der Warenpräsentation (inkl. Dekoration) und die im Verkaufsraum eingesetzten Hilfsmittel (z. B. Waage, Leuchtkörper, Bildschirm zur Information von Kunden, Ladenfunk und Beschilderung zur Orientierung sowie Hervorhebung von Sonderangeboten) bilden Elemente des In store-Marketing. Während die Art der Darbietung von Waren gemäß den in Abb. 3.12. enthaltenen Befunden vergleichsweise in geringem Umfang länderspezifischen Gegebenheiten unterliegt, werden das Ladendesign (Anordnung von Regalen und Kassenplätzen etc.) sowie die zum Einsatz kommenden Hilfsmittel (Warenträger, Hinweisschilder usw.) in jedem Staat anders gestaltet. Eine die jeweils existierenden Kauf- und Konsumgewohnheiten berücksichtigende idealtypische Architektur eines Verkaufsraums für Backwaren gibt Abb. 3.19. wieder. Die eigenständig oder als Shop in the shop-Modul eines großflächigen Unternehmens des Lebensmitteleinzelhandels betriebene Einkaufsstätte besitzt von Land zu Land auffallige Besonderheiten. So muß z. B. in Großbritannien durch die Plazierung einer Hochzeitstortenvitrine und das Angebot von Sandwiches verschiedener Art bestehenden Verbraucherwünschen Rechnung getragen werden, während hierzulande ein Stehimbiß als Profilierungsinstrument dient und ein möglichst offener, einladend wirkender Eingangsbereich zum Betreten motivieren soll. 494 Bei Hard discount-Verkaufsstellen sind Unterschiede beim Kauf- und Konsumverhalten für das Ladendesign irrelevant. Allerdings müssen selbst dort Hilfsmittel (z. B. Warenträger, Tiefkühltruhen, Beschilderung von Regalen, Mehrwegtransportbehältnisse) an die nationalen Gegebenheiten angepaßt werden, es sei denn, Vgl. o.V. (1994p), S. lOf. Ähnlich auch Maucher/Brabeck-Lethmathe (1991), S. 1125. Eine Vielzahl von Beispielen von länderspezifisch unterschiedlichen Maßnahmen des Instore-Marketing vermittelt o.V. (1993k), S. 24 ff. 493
494
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
423
die Anbieter entsprechender Elemente hätten (u.a. auf Druck der Absatzrnittler) europaweit tragfähige Lösungen gefunden. 495
GB
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NL
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fJ
~ ~~u Erläuterungen:
- Ofl'en gestalteter Eingangsbereich - Feinbackwaren und Brot als Sorti-
mentsschwerpunkte - Möglichkeit zum Stehimb\8 als Pro-
tilierungsinsuument
- Konventionell gestalteter Ein-
gangshereich mit DoppeltUr
- Feinbackwaren und Savoucies
als Sonimentsschwerpunk.le - Hochzeilstortenvitrine als Kompctcnzbcwcis - Fehlen eines Stehimbisses
- Offen gestalteter Eingangsbereich
-Ähnliche sortimentspolitische Ausrichtung wie in der Dundesrepublik
Deutschland. aber stlrk.ere Beto-
nung von Konditoreiwaren - Fehlen eines Stehimbisses
Abb. 3.19.: Die länderspezifische Gestaltung eines Verkaufsraums für Backwaren Quelle: Holistein (1993), S. 39.
Schließlich weicht die Bestückung von Regalen mit Waren von Land zu Land ab, da, wie in Abschn. 2.2.2.3.2. in diesem Kapitel bereits erörtert, das Angebot nicht überall identisch gestaltet werden kann. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden auch in der Zukunft in einzelnen Staaten bzw. Gegenden regionale Spezialitäten im Bereich des Zusatzsortiments eine große Rolle spielen. Dadurch kommt es zu nationalen Unterschieden bei der Listung von Waren und deren Anordnung in den Regalen, und zwar je nach deren Bedeutung für Umsatz bzw. Gewinn.496 495 496
Vgl. hierzu die Ausführungen und Beispiele in Abschn. 1.1.2.3. in diesem Kapitel. Vgl. Mei-Folter (1992), S. 105.
424
3. Kap.: Ursachen, Formen und Wirkungen der Europäisierung
2.2.2.4. Die internationale Marktbearbeitung im empirischen Test: Deutsche Filialbetriebe in Frankreich
Um den konkreten Anforderungen, die die Bearbeitung eines Auslandsmarktes an Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels stellt, nachzuspüren, erschien es zweckmäßig, Verbraucher danach zu befragen, ob sie die nationale Herkunft von Absatzmittlern kennen und wie sie deren Angebot beurteilen. Als Land wurde Frankreich ausgewählt, da es einerseits über ein hohes Marktpotential und andererseits über miteinander stark konkurrierende Handelsunternehmen verfügt.497 Darüber hinaus sind seit 1988 deutsche Hard discount-Betriebe in den dortigen Markt eingedrungen, so daß die Lücke, die bis dahin bestanden hat, Zug um Zug geschlossen wurde. Das beachtliche Wachstum der deutschen Anbieter hat Konkurrenten auch aus anderen Staaten ermuntert, Hard discount-Verkaufsstellen in Frankreich zu eröffnen. Und auch einheimische Absatzmittler, die bis 1988 nicht über eine solche Vertriebslinie verfügten, haben in diese Angebotsform investiert. Tab. 3.34. enthält einige den französischen Markt im Hinblick auf die aufgeworfene Problemstellung charakterisierende anbieterbezogene Daten. Da die im Nachbarland gebräuchliche Einzelhandelsstatistik nicht zwischen Super- und Verbrauchermärkten differenziert, umfaßt der Terminus Supeernarche alle Angebotsformen im Lebensmittelsektor, die eine Verkaufsfläche von 400 bis 2.499 m2 aufweisen. Französische Verkaufsstellen, die den fünf in Tab. 3.34. genannten Unternehmen gehören, besitzen eine durchschnittliche Ladengröße von 1.076 m2 . Damit unterscheiden sie sich deutlich von ihren aus dem Ausland stammenden Wettbewerbern (vgl. Tab. 3.34.). Im Durchschnitt beschäftigen französische Anbieter 23 Mitarbeiter, wobei Teil- auf Vollzeitkräfte umgerechnet sind. Demgegenüber begnügen sich deutsche Hard discounter mit vier bis sechs Arbeitnehmern. Wie Tab. 3.34. zeigt, haben die drei deutschen Filialbetriebe innerhalb von vier bzw. fünf Jahren aus eigener Kraft nahezu 300 Verkaufsstellen errichtet. Diese zeichnen sich allesamt durch die typischen Hard discount-Elemente aus, und zwar eine Verkaufsfläche von ca. 700m2 , ein flaches Sortiment mit vielen Schnelldrehern, einen hohen Anteil an Handelsmarken, eine einfache Ausstattung, eine niedrige Personalintensität und günstige Preise. 498 Um Einstellungen und Vorlieben französischer Verbraucher in bezugauf die von ihnen frequentierten Verkaufsstellen erfassen und damit Konsequenzen für die Gestaltung der Internationalisierungsstrategie ableiten zu können, mußte ein Gebiet ausgewählt werden, in dem deutsche Filialbetriebe schon vor einer gewissen Zeit Fuß gefaßt haben und idealerweise auch ein französischer Anbieter Hard discountVgl. Lingenfelder/Ballhaus (1993), S. 199ff. Nach einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Secodip beträgt die Differenz zu den Durchschnittspreisen des gesamten französischen Lebensmitteleinzelhandels ca. 40%. Vgl. o.V. (1994q), S. 93. 497 498
2. Felder und Formen der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit
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Einkaufsstätten betreibt. 499 Dies war in der "Region Alsace" im "Departement Bas-Rhin" der Fall. Die drei französischen Unternehmen Societe Alsacienne de Supermarches (26 Suma-Läden), Cooperateurs d'Alsace (22 Coop-Verkaufsstellen) und Intermarche (22 Einkaufsstätten) prägen dort das Angebot im SupermarcheSektor. Daher wurden sie in die Analyse einbezogen. Bei der Vertriebslinie Mutant handelt es sich um eine Nachahmung des deutschen Hard discount-Konzeptes. Mutant wurde Ende der 80er Jahre von Coop Normandie Picardie als Franchisesystem kreiert, wobei Cooperateurs d'Alsace fünf Läden als Franchisenehmer führt. Weiterhin unterhalten in der ausgewählten Region Lidl & Schwarz sieben Verkaufsund Aldi drei Einkaufsstätten. Tabelle 3.34.
Die Struktur eines einer Untersuchung zugrundeliegenden französischen Teilmarktes (Stand 1993) Supennarche (400 - 2.499 m2)
lntermarche ~