Die Innenpolitik der DDR 9783486701760, 9783486557701

Günther Heydemanns Buch gibt zunächst einen präzisen Überblick über die Innenpolitik der DDR von der Nachkriegszeit bis

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German Pages [174] Year 2003

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Die Innenpolitik der DDR
 9783486701760, 9783486557701

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ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 66

ENZYKLOPÄDIE DEUTSCHER GESCHICHTE BAND 66 HERAUSGEGEBEN VON LOTHAR GALL IN VERBINDUNG MIT PETER BLICKLE ELISABETH FEHRENBACH JOHANNES FRIED KLAUS HILDEBRAND KARL HEINRICH KAUFHOLD HORST MÖLLER OTTO GERHARD OEXLE KLAUS TENFELDE

DIE INNENPOLITIK DER DDR

VON GÜNTHER HEYDEMANN

R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN 2003

IV

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2003 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht) Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH, München ISBN 3-486-55770-X (brosch.) ISBN 3-486-55772-6 (geb.)

Vorwort

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Vorwort Die „Enzyklopädie deutscher Geschichte“ soll für die Benutzer – Fachhistoriker, Studenten, Geschichtslehrer, Vertreter benachbarter Disziplinen und interessierte Laien – ein Arbeitsinstrument sein, mit dessen Hilfe sie sich rasch und zuverlässig über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse und der Forschung in den verschiedenen Bereichen der deutschen Geschichte informieren können. Geschichte wird dabei in einem umfassenden Sinne verstanden: Der Geschichte in der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Staates in seinen inneren und äußeren Verhältnissen wird ebenso ein großes Gewicht beigemessen wie der Geschichte der Religion und der Kirche, der Kultur, der Lebenswelten und der Mentalitäten. Dieses umfassende Verständnis von Geschichte muss immer wieder Prozesse und Tendenzen einbeziehen, die säkularer Natur sind, nationale und einzelstaatliche Grenzen übergreifen. Ihm entspricht eine eher pragmatische Bestimmung des Begriffs „deutsche Geschichte“. Sie orientiert sich sehr bewusst an der jeweiligen zeitgenössischen Auffassung und Definition des Begriffs und sucht ihn von daher zugleich von programmatischen Rückprojektionen zu entlasten, die seine Verwendung in den letzten anderthalb Jahrhunderten immer wieder begleiteten. Was damit an Unschärfen und Problemen, vor allem hinsichtlich des diachronen Vergleichs, verbunden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Schwierigkeiten, die sich bei dem Versuch einer zeitübergreifenden Festlegung ergäben, die stets nur mehr oder weniger willkürlicher Art sein könnte. Das heißt freilich nicht, dass der Begriff „deutsche Geschichte“ unreflektiert gebraucht werden kann. Eine der Aufgaben der einzelnen Bände ist es vielmehr, den Bereich der Darstellung auch geografisch jeweils genau zu bestimmen. Das Gesamtwerk wird am Ende rund hundert Bände umfassen. Sie folgen alle einem gleichen Gliederungsschema und sind mit Blick auf die Konzeption der Reihe und die Bedürfnisse des Benutzers in ihrem Umfang jeweils streng begrenzt. Das zwingt vor allem im darstellenden Teil, der den heutigen Stand unserer Kenntnisse auf knappstem Raum zusammenfasst – ihm schließen sich die Darlegung und Erörterung der Forschungssituation und eine entsprechend gegliederte Auswahlbiblio-

VI

Vorwort

grafie an –, zu starker Konzentration und zur Beschränkung auf die zentralen Vorgänge und Entwicklungen. Besonderes Gewicht ist daneben, unter Betonung des systematischen Zusammenhangs, auf die Abstimmung der einzelnen Bände untereinander, in sachlicher Hinsicht, aber auch im Hinblick auf die übergreifenden Fragestellungen, gelegt worden. Aus dem Gesamtwerk lassen sich so auch immer einzelne, den jeweiligen Benutzer besonders interessierende Serien zusammenstellen. Ungeachtet dessen aber bildet jeder Band eine in sich abgeschlossene Einheit – unter der persönlichen Verantwortung des Autors und in völliger Eigenständigkeit gegenüber den benachbarten und verwandten Bänden, auch was den Zeitpunkt des Erscheinens angeht. Lothar Gall

VII

Inhalt

Inhalt Vorwort des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

XI

Enzyklopädischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) 1945–1949 . 1.1 Die Etablierung der Besatzungsherrschaft: SMAD, KPD und der Block . . . . . . . . . . . 1.2 Boden- und Industriereform 1945/46. . . . . . . 1.3 Die Vereinigung von KPD und SPD zur SED . . 1.4 Massenorganisationen, Bildungswesen und Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Die Wahlen von 1946 und die Bildung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) 1947. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Die Volkskongressbewegung und die Gründung von NDPD und DBD . . . . . . . . . . . . . . . 1.7 Die Umwandlung der SED in eine „Partei neuen Typs“ und die Gründung der DDR . . . . . . . .

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2. Die DDR in den 1950er und 1960er Jahren . . . . . . 2.1 Konsolidierung und Ausbau des Staatswesens 1950–1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Der „Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“ und der 17. Juni 1953. . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Neuer Kurs, Entstalinisierung und neue Krise 1953–1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die erzwungene Stabilisierung der DDR durch den Mauerbau vom 13. August 1961 . . . . . . . 2.5 Innere Konsolidierung und wirtschaftspolitische Modernisierungsversuche: Das Neue Ökonomische System (NÖS) 1963–1967 . . . . . . . . . 2.6 Der VII. Parteitag der SED 1967, der Prager Frühling 1968 und das Ökonomische System des Sozialismus (ÖSS) bis 1970 . . . . . . . . .

VIII

Inhalt

3. Die Honecker-Ära und die „Wende“ von 1989/90 . . . 3.1 Der Machtwechsel von 1971 . . . . . . . . . . . 3.2 Die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte 1975 und die Ausbürgerung Biermanns 1976 . . . . . 3.3 Auswirkungen der ökonomischen Dauerkrise . . 3.4 Die Entstehung oppositioneller Gruppen in den 1980er Jahren und der Weg in die „Wende“ . . . 3.5 „Wende“ oder Revolution? . . . . . . . . . . . . 3.6 Der Transformationsprozess . . . . . . . . . . .

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung . . . . . . .

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1. Entwicklung der DDR-Forschung von den Anfängen bis zur „Wende“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Voraussetzungen und Grundprobleme . . . . . . . 1.2 Die Erforschung der Geschichte der SBZ/DDR durch die marxistisch-leninistische Geschichtswissenschaft der DDR . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Anfänge der DDR-Forschung in den 1950er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Die Entwicklung der DDR-Forschung in den 1960er und 1970er Jahren . . . . . . . . . . . . . 1.5 Die Debatte über Leistungen und Fehlleistungen der DDR-Forschung seit 1989/90 . . . . . . . . . 2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 1989/90: Die „Wende“ als Revolution . . . . . . . 2.2 Phasen der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Innerdeutscher Transformationsprozess als Spezifikum innerhalb des ehemaligen Ostblocks. . 2.4 Zur historisch-strukturellen Bestimmung der SBZ/DDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Totalitarismusmodell und SED-Staat. . . . . . . . 2.6 Der historische Diktaturenvergleich zwischen dem NS- und SED-Regime . . . . . . . . . . . . . 2.7 Die historiografisch-konzeptionelle Diskussion . . 3. Schwerpunktthemen der Forschung zur Geschichte der DDR-Innenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Das „nominelle“ Verfassungssystem in der SBZ/DDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 KPD, SPD und SED . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

IX

3.3 Die Blockparteien CDU, LDP, NDPD und DBD. . 3.4 Die Massenorganisationen FDGB, FDJ, DSF und KB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Recht und Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) . . . . 3.7 Die Nationale Volksarmee (NVA) und die Grenztruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Die Entwicklung der Wirtschaft in der SBZ/DDR . 3.9 Gesellschafts- und Sozialgeschichte, Sozialpolitik, Alltag und Konsum . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Bildungssystem, Jugendpolitik und Wissenschaft . 3.11 Die Kirchen in der SBZ/DDR . . . . . . . . . . . 3.12 Opposition, Widerstand und Widerspruch . . . . . 3.13 Kultur, Kulturpolitik, Medien und Sport . . . . . .

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III. Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstzeugnisse, Reden Erinnerungen . . . . . . . .

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B. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bibliografien, Hilfsmittel, Nachschlagewerke. . . . 2. Gesamt- und Überblicksdarstellungen, Sammelbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entwicklung der DDR-Forschung bis 1989 . . . . . 4. Wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) und Sowjetische Kontrollkommission (SKK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. KPD, SPD und SED . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Blockparteien CDU(D), LDP(D), NDPD und DBD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Massenorganisationen FDGB, FDJ, DSF und KB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Recht und Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Ministerium für Staatssicherheit. . . . . . . . . . .

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X

Inhalt

12. Nationale Volksarmee (NVA) und Grenztruppen . . 13. Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Gesellschafts- und Sozialgeschichte, Sozialpolitik, Alltag und Konsum . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Bildungssystem, Jugendpolitik und Wissenschaft. . 16. Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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17. Opposition und Widerstand . . . . . . . . . . . . . 18. Kultur, Kulturpolitik, Medien und Sport . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Themen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort des Verfassers

XI

Zur Erinnerung an Heinrich Lützeler (1902–1988), den akademischen Lehrer und väterlichen Freund

Vorwort des Verfassers Geschichte ist vergangene Wirklichkeit. Dieser Satz scheint banal, doch ist er nicht minder wahr. Auch wenn der Zusammenbruch des SED-Staates im annus mirabilis 1989 inzwischen fast vierzehn Jahre her ist, sind dessen Aus- und Nachwirkungen bis heute zu spüren, bleibt nach der äußeren Vereinigung der ehemaligen beiden deutschen Staaten die innere Integration der Deutschen eine Aufgabe, die noch nicht abgeschlossen ist und es auch nicht sein kann. Mehr als vierzig Jahre der Teilung Deutschlands, der konkreten Lebenserfahrungen und der politischen Sozialisation durch ein diktatorisches Regime haben ihre Spuren hinterlassen. Folgt man den Umfragen, ist indes der Prozess der inneren Wiedervereinigung inzwischen weiter vorangeschritten, als es in einigen Medien kolportiert wird oder in manchen Aussagen zum Ausdruck kommt. Zudem kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden, dass es eine friedliche, demokratische und unblutige Revolution war, die erfolgreichste in der deutschen Geschichte überhaupt, welche die DDR zu Fall brachte, nachdem ihr die Sowjetunion den für ihre Existenz unverzichtbaren Schutz entzogen hatte. Entstehung, Entwicklung und Ende des von der KPD/SED mit sowjetischer Hilfe und Kontrolle errichteten „real-sozialistischen“ Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes. Während seiner mehr als vierzig Jahre währenden Existenz verfügte es niemals über eine demokratische Legitimation, erwies es sich der parlamentarischen Demokratie, dem Rechts- und Verfassungsstaat und einer sozialen Marktwirtschaft in allen Belangen unterlegen und brach schließlich mit atemberaubender Geschwindigkeit zusammen. Aller Voraussicht nach ist der denkwürdige „Herbst ’89“ der letzte und weitaus positivste Umbruch in jener Kontinuität von Brüchen gewesen, erinnert sei nur an 1870/71, 1918/19, 1933, 1945 und 1949, von der die neuere und jüngste deutsche Zeitgeschichte und nicht zuletzt die Deutschen selbst so nachhaltig geprägt worden sind. Das Ende der SED-Diktatur hat aber auch in wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht zu einem Umbruch ohnegleichen geführt. Bis

XII

Vorwort des Verfassers

1989 hatte DDR-Forschung nur selten auf Originalquellen zurückgreifen können. Mit der Öffnung der Archive in der DDR bzw. den neuen Bundesländern wurde erstmals der ungehinderte Zugriff auf authentische Quellen möglich und führte zu einer beispiellos intensiven Erforschung der SBZ/DDR; das galt und gilt nicht nur für die Zeitgeschichte, sondern auch für die Politik- und Sozialwissenschaften. Inzwischen sind ihre Geschichte und Strukturen in bestimmten Bereichen besser erforscht als die der früheren Bundesrepublik. Die schon Anfang 1990 einsetzende Flut von Publikationen ist bis heute nicht abgerissen. Gerade das sollte aber die Aufgabe ungemein erschweren, eine kritische Bilanz der inzwischen kaum mehr überschaubaren Forschung(en) auf möglichst allen relevanten Feldern sine ira et studio zu ziehen. Ihre Bewältigung war nur möglich durch ausschließliche Konzentration auf die vorgegebene Thematik der innenpolitischen Entwicklung der SBZ/ DDR; die Außen- und Deutschlandpolitik des SED-Staates bleibt einem anderen Band vorbehalten. Ein umfangreiches Manuskript lag bereits im Frühjahr 2000 vor, musste aber aufgrund der notwendigerweise rigiden Bestimmungen der Reihe noch einmal stark gekürzt werden. Die relevante Forschungsliteratur ist bis Mitte 2002 berücksichtigt. Bei der Erarbeitung dieses Buches ist mir die Hilfe von Kollegen und Mitarbeitern zuteil geworden. Mein besonderer Dank gilt dem Betreuer des Bandes, Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Möller, der für den mühevollen Entstehungsprozess immer Verständnis aufbrachte, nicht zuletzt auch für die damit verbundenen Verzögerungen. Seine stete Diskussionsbereitschaft und seine kritischen Hinweise waren für mich unverzichtbar. Ebenso danke ich dem Herausgeber der Gesamtreihe, Prof. Dr. Lothar Gall, für die intensive Lektüre des Manuskripts. Nicht minder habe ich Frau Dr. Heidi Roth, PD Dr. Thomas Schaarschmidt, Frau Dr. Weil und Dr. Oliver Werner herzlich zu danken, deren Kritik und Empfehlungen die Niederschrift kontinuierlich begleiteten. Das gilt auch für weitere Mitarbeiter in Leipzig; hier vor allem Frau Martina Gau, Andreas Kötzing, Diana Göldner M.A., Udo Grashoff M. A., Almut Heißler M.A. und Aiko Wulff. Besonders zu Dank verpflichtet fühle ich mich Frau Gabriele Jaroschka, der für mich zuständigen Lektorin im Oldenbourg Verlag; ihre umsichtige Lektüre und konstruktiven Ratschläge haben der Erstellung des Endmanuskripts außerordentlich genützt. Nicht zuletzt, sondern vielmehr zuerst habe ich jedoch meiner Familie zu danken, die mir großes Verständnis für viele am Schreibtisch verbrachte Stunden erwies. Leipzig, im März 2003

Günther Heydemann

1. Die Sowjetische Besatzungszone 1945–1949

1

I. Enzyklopädischer Überblick 1. Die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) 1945–1949 1.1 Die Etablierung der Besatzungsherrschaft: SMAD, KPD und der Block Der Einmarsch der Sowjetarmee in Mitteldeutschland war für die Bevölkerung nicht selten von traumatischen Erlebnissen geprägt: Plünderungen, Übergriffe und Vergewaltigungen, die zum Teil bis 1947 anhielten, sollten fortan ein überwiegend negatives Bild der sowjetischen Besatzungsmacht bestimmen. Die Rote Armee traf auf eine physisch wie psychisch ausgelaugte Bevölkerung, die zumeist bittere Not litt. Noch vor Kriegsende hatten enorme demografische Veränderungen in dieser „Zusammenbruchsgesellschaft“ (C. Kleßmann) eingesetzt. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 20,5 Millionen Menschen hielten sich über 4,3 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene dauerhaft oder vorübergehend in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) auf. Ihr Anteil stieg bis zur Gründung der DDR bis auf 25% und lag damit deutlich höher als in den Besatzungszonen im Westen. Dazu kamen über 700 000 Menschen, die aufgrund der Luftangriffe bereits während des Krieges nach Mitteldeutschland evakuiert worden waren. Zwar belief sich der totale Verlust an Wohnraum in der SBZ nur auf die Hälfte der im Westen Deutschlands zu verzeichnenden Einbußen (7,0 zu 15,3%), aber aufgrund des überdurchschnittlich hohen Flüchtlingsaufkommens mangelte es auf Jahre hinaus an Wohnraum. Zu konkreten Planungen, wie mit dem besiegten Deutschland nach Kriegsende umzugehen sei, war es in der Sowjetunion aufgrund der militärischen Lage erst ab Anfang 1944 gekommen. In diese waren die Mitglieder der Exil-KPD in Moskau von Anfang an einbezogen, auch wenn ihre Entscheidungskompetenz immer von der sowjetischen Führung abhängig blieb. Die sowjetischen Zielsetzungen für die Zeit nach dem „Sieg über den Faschismus“ waren zunächst auf die Ausrottung des Nationalsozialismus und die völlige militärische Entwaffnung Deutschlands ausgerichtet. Zugleich war die UdSSR an umfangreichen

Einmarsch der Roten Armee

Soziale Lage in der SBZ nach Kriegsende

Sowjetische Nachkriegsplanung und Deutschlandpolitik

2

Schlüsselrolle der Moskauer ExilKommunisten

Errichtung der Sowjetischen Militäradministration

I. Enzyklopädischer Überblick

Reparationen interessiert, um den eigenen Wiederaufbau zu beschleunigen. Dabei verfolgte die sowjetische Führung unter Stalin – auch in Rücksichtnahme auf die übrigen Allianzpartner – eine flexible außenund sicherheitspolitische Gesamtstrategie. Ihr Zugriff sollte sich in politischer wie in ökonomischer Hinsicht möglichst auf ganz Deutschland erstrecken. War dies nicht durchsetzbar, etwa aufgrund des Widerstands der Westmächte, dann sollten sowjetische Interessen soweit wie möglich im eigenen Besatzungsgebiet befriedigt werden. Dementsprechend fiel den deutschen Kommunisten eine Schlüsselrolle zu. Ab Ende 1944, parallel zum Vorrücken der Roten Armee auf deutsches Territorium, wurde ein „Aktionsprogramm der kämpferischen Demokratie“ propagiert, basierend auf dem Konzept des Volksfrontgedankens. Damit avisierte man zunächst die Errichtung einer „antifaschistischen“ Demokratie, worunter eine „mittlere“ Form von bürgerlicher und sozialistischer Demokratie verstanden wurde, jedoch mit der Option, diese zu gegebener Zeit in eine sozialistische Herrschafts- und Gesellschaftsordnung zu überführen. In den letzten Kriegstagen (27. 4.–6. 5. 1945) wurde ein ausgewählter Kader deutscher Exilkommunisten aus Moskau nach Mitteldeutschland eingeflogen und rückte mit den sowjetischen Truppen in die vorgesehenen Einsatzgebiete vor. Während Walter Ulbricht Leiter der Berliner Gruppe wurde, standen Anton Ackermann und Gustav Sobottka jeweils einer Gruppe in Sachsen bzw. Mecklenburg-Vorpommern vor. Ihre vordringlichste Aufgabe war, die Rote Armee bei der Errichtung und Durchführung ihrer Besatzungsherrschaft nachhaltig zu unterstützen. Mit der Wiederingangsetzung öffentlicher Verwaltung besetzten sie Schlüsselstellungen, die ihnen auch zu einem politischen Startvorteil verhalfen. Die Etablierung der sowjetischen Besatzungsherrschaft war anfänglich von Improvisation geprägt. Zunächst wurden regionale und lokale Kommandaturen eingerichtet. Erst mit der Errichtung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) durch Befehl Nr. 1 am 9. Juni 1945 wurde der Aufbau einer umfassenden Organisationsstruktur in Gang gesetzt. Ihre Aufgaben bestanden in der Überwachung der bedingungslosen Kapitulation, der Einrichtung einer flächendeckenden Verwaltung sowie der Durchführung der Beschlüsse des Alliierten Kontrollrats. Zugleich übernahm die Sowjetunion die oberste Regierungsgewalt in der SBZ. Den SMA-Verwaltungen in den fünf Ländern und Provinzen der SBZ wurden am 9. Juli die in Militäradministrationen umgewandelten Truppenkommandos auf Bezirks-, Kreis- und Ortsebene unterstellt.

1. Die Sowjetische Besatzungszone 1945–1949

3

Auch wenn sich der Ausbau der SMAD in ein komplexes Behördensystem bis ins Jahr 1946 hinzog – mit ihrer „Doppelfunktion als militärische wie zivile Einrichtung“ (J. Foitzik) nahm sie von Anfang an eine nahezu uneingeschränkte Machtposition in der SBZ ein. An ihrer Spitze stand ein Oberster Befehlshaber, der auch den Oberbefehl über die Besatzungssoldaten innehatte. Besonderes Gewicht innerhalb der SMAD besaßen der Erste Stellvertreter in seiner Funktion als Chef der Geheimdienste, die Behörde des Politischen Beraters und die im Oktober 1945 gegründete Propagandaverwaltung. Um die enormen Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit bewältigen zu können, suchten SMAD und KPD im Sinne des Volksfrontgedankens vom Nationalsozialismus unbelastete Deutsche christlicher, liberaler und sozialdemokratischer Provenienz am Neuaufbau zu beteiligen. Die Mitbeteiligung dieser Kräfte geschah indes nicht ohne System: Die wichtigsten Ressorts, insbesondere für Inneres, Bildung, Sicherheits- und Personalfragen, behielten sich die kommunistischen Kader meist selbst vor; exponierte Posten wurden hingegen vorzugsweise mit „Bürgerlichen“ besetzt. In den im Juli eingerichteten Zentral-, Landes- und Provinzialverwaltungen wurde personalpolitisch in ähnlicher Weise verfahren. Wolfgang Leonhard, welcher der Berliner Gruppe angehörte, kolportierte die dahinter stehende Taktik nach Aussage von Walter Ulbricht folgendermaßen: „Es ist doch ganz klar: Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ (W. Leonhard) Die überraschend frühe Zulassung von politischen Parteien durch Befehl Nr. 2 der SMAD vom 10. Juni 1945 sollte nicht nur der KPD einen beträchtlichen Vorsprung verschaffen, sie sollte durch die frühzeitige Gewährung politischen Lebens in der SBZ auch für die übrigen Besatzungszonen Modellcharakter besitzen. In der Tat war der Neuaufbau der KPD längst im Gange. Bereits einen Tag später wartete sie mit dem ersten Gründungsaufruf einer Partei überhaupt auf, der als eindeutiges Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie gelesen werden musste. Dezidiert wurde die Einführung des Sowjetsystems abgelehnt, weil „dieser Weg nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland“ entspräche, dagegen eine „völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative“ proklamiert. Der am 15. Juni folgende Gründungsaufruf der SPD fiel in seinen programmatischen Äußerungen demgegenüber wesentlich sozialistischer aus. Unter dem Motto: „Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Staat und Gesellschaft“, sprach man sich u. a. für die Ent-

Frühzeitige Zulassung von politischen Parteien

SPD

4

CDU

LPD

Antifa-Block

I. Enzyklopädischer Überblick

eignung des Großgrundbesitzes und die Verstaatlichung von Banken, Versicherungen und Schlüsselindustrien aus. Laut Aufruf der Christlich-Demokratischen Union vom 26. Juni zu einer überkonfessionellen Neugründung sollte eine wahrhafte Demokratie erstehen und echte Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt werden. Dafür wollte sie alle demokratisch gesinnten, antifaschistischen Kräfte sammeln. Privateigentum wurde zwar ausdrücklich befürwortet, sollte aber an die Verantwortung für die Allgemeinheit gebunden bleiben. Die Liberal-Demokratischen Partei (LDP) wurde am 5. Juli gegründet und trat für die rechtliche Sicherung von Privateigentum und eine freie Wirtschaftsordnung ein. Ebenso wie die CDU plädierte sie für die uneingeschränkte Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Dass es nach Bildung eines gemeinsamen Arbeitsausschusses zwischen KPD und SPD bereits am 14. Juli gelang, alle Parteien in die Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien (AntifaBlock) einzubinden, stellte aus Sicht der kommunistischen Führungskader einen entscheidenden Durchbruch dar; sie übte dadurch einen „kontrollierten Parteienpluralismus“ (Peter Graf Kielmansegg) aus. Bei wechselndem Vorsitz aller Parteien und bei einstimmig zu fassenden Beschlüssen sollte durch den Block die katastrophale Nachkriegssituation gemeinsam bewältigt werden. Das mochte durchaus gerechtfertigt erscheinen, beraubte die Parteien aber ihrer wesentlichen Funktion in einer Demokratie, nämlich der des politischen Meinungsstreits. 1.2 Boden- und Industriereform 1945/46 Die möglichst rasche Wiederingangsetzung der Wirtschaft besaß für die Besatzungsmacht oberste Priorität. Zu unmittelbar kriegsbedingten kamen längerfristige Strukturprobleme. Aufgrund der Kriegszerstörungen bildete ein sofortiger Wiederbeginn der Produktion eher die Ausnahme. Zudem war trotz Erhöhung der Einwohnerzahl vor allem durch Flüchtlinge und Vertriebene die Zahl arbeitsfähiger Menschen kaum gestiegen. Anfang September (3.–10.9.) erließen die neu gebildeten Landesund Provinzialverwaltungen gemäß sowjetischem Befehl Verordnungen zu einer umfassenden Bodenreform. Dabei handelte es sich keineswegs nur um eine von der SMAD und der KPD vorgenommene, einseitige Maßnahme; tatsächlich wurde eine solche Reform auch von den übrigen Parteien weitgehend unterstützt. Gleichwohl entzündete sich

1. Die Sowjetische Besatzungszone 1945–1949

5

hieran ein erster, tief greifender Konflikt, an dem deutlich wurde, wie kompromisslos die Besatzungsmacht eingriff, wenn „Blockdisziplin“ nicht gewahrt wurde. Als sich die Vorsitzenden der CDU, Andreas Hermes und Walter Schreiber, zwar nicht gegen die Bodenreform als solche, aber gegen ihre gänzlich entschädigungslose Durchführung wandten, wurden sie von der SMAD im Dezember 1945 abgesetzt. Nach dem Motto „Junkerland in Bauernhand!“ wurde jeglicher Großgrundbesitz über 100 ha Gesamtfläche enteignet, parallel zur Konfiszierung von Eigentum von „NS- und Kriegsverbrechern“. Bewusst wurde damit ein politisch diskriminierender Analogieschluss suggeriert. Bei der Vertreibung der Besitzer kam es teilweise zu Misshandlungen, Verschleppung und Totschlag. Bis Juli 1947 wurden 12 355 Betriebe mit ca. 3,3 Millionen Hektar enteignet; das konfiszierte Land wurde in einen Bodenfonds überführt und an Kleinbauern, Industrieund Landarbeiter sowie Flüchtlinge („Umsiedler“) übergeben, die als sog. Neubauern bezeichnet wurden. Mit dieser Maßnahme gelang es der KPD, bei Bevölkerungsgruppen an politischem Einfluss zu gewinnen, die traditionell nicht zu ihrer eigentlichen Klientel gehörten. Die auch in ordnungspolitischer Hinsicht grundlegende Transformierung der Industrie wurde mit den Befehlen Nr. 124 und 126 der SMAD vom 30./31. Oktober 1945 eingeleitet und überführte die bis zu diesem Zeitpunkt unkoordiniert vorgenommenen Sequestrierungen nun in systematische Enteignungen. Sequesterkommissionen der SMAD nahmen die Enteignung von Eigentum des vormaligen NS-Staates, der NSDAP sowie ihrer Gliederungen vor, überprüften aber auch Einsprüche Betroffener. Zugleich wurden industrielle Schlüsselbetriebe als Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) in Eigentum der UdSSR überführt. Bald betrug ihr Anteil an der Gesamtproduktion in der SBZ rd. 20%, ein Potenzial, das beim Wiederaufbau einer funktionsfähigen Industrie fehlte. Die meisten Enteignungen wurden seit der Jahreswende 1945/46 vollzogen. Bereits zuvor hatte die KPD in Sachsen einen entsprechenden Volksentscheid propagiert, der schließlich am 30. Juni 1946 durchgeführt wurde und mit einem eindeutigen Resultat endete: 77,6% der Wahlberechtigten sprachen sich für die entschädigungslose Enteignung gewerblicher Betriebe von „aktiven Nationalsozialisten und Kriegsverbrechern“ aus. In den übrigen Ländern und Provinzen der SBZ wurde unter Berufung auf den sächsischen Volksentscheid auf ein Referendum verzichtet.

Enteignung von Großgrundbesitz

Transformierung der Industrie

Volksentscheid zu den Enteignungen in Sachsen

6

I. Enzyklopädischer Überblick

1.3 Die Vereinigung von KPD und SPD zur SED KPD

SPD

Die Nähe zur sowjetischen Besatzungsmacht sicherte der KPD zwar einen permanenten Informationsvorsprung und damit zugleich die politische Initiative, diskreditierte sie aber bei der Masse der Bevölkerung, die in ihr deren Handlanger, die „Russenpartei“ sah. Übergriffe von Rotarmisten, die weiter anhaltenden Demontagen, das ungewisse Schicksal von Angehörigen, Kriegsgefangenen und Flüchtlingen in sowjetischer Hand sowie die ablehnende Haltung der UdSSR gegenüber der von vielen Vertriebenen noch immer für offen gehaltenen Frage der Oder-Neiße-Grenze trugen nicht dazu bei, Vertrauen bei der Mehrheit der Bevölkerung zu wecken. In dieser Situation gewann vor allem die SPD zunehmend an Mitgliedern. Bereits im Herbst 1945 übertraf sie mit ca. 300 000 Mitgliedern die KPD um etwa 50 000 und stieg damit wieder zur traditionell dominierenden politischen Kraft in Mitteldeutschland auf. Das Vertrauen auf die wachsende, eigene Stärke sowie erste, negative Erfahrungen mit der KPD ließen die Führung der SPD in der SBZ vom ursprünglichen Plan einer sofortigen Vereinigung abrücken. Demgegenüber beschleunigten die Kommunisten ihr Bemühungen um eine schnelle Fusion, zumal die SMAD Sorge trug, die KPD könne bei den 1946 anstehenden Gemeinde-, Kreis- und Landtagswahlen verlieren. In den folgenden Monaten gerieten die Sozialdemokraten immer mehr unter Druck. Mitglieder, die der propagierten Vereinigung skeptisch oder ablehnend gegenüberstanden, wurden von sowjetischen Kommandaturen entsprechend „bearbeitet“. Gleichzeitig kam es zwischen der sozialdemokratischen Führung in den westlichen Besatzungszonen unter Kurt Schumacher und der SPD in der SBZ unter Otto Grotewohl zu einem tief greifenden Dissens: Schumacher lehnte jede Vereinigung mit der KPD ab. Damit musste die Ost-SPD aufgrund der bestehenden politischen Verhältnisse in der SBZ ihren eigenen Weg gehen, obwohl Grotewohl gegenüber der KPD-Führung wiederholt erklärt hatte, eine Fusion beider Parteien sei nur auf „Reichsebene“ politisch sinnvoll. Auf einer paritätisch besetzten Ausschuss-Konferenz, der sog. Sechziger-Konferenz (20./21. 12. 1945) in Berlin, wurde nicht zuletzt auf Druck anwesender SMAD-Offiziere in einem gemeinsamen Kommuniqué der baldige Zusammenschluss propagiert. Danach verschärfte die KPD ihre Kampagne und die sowjetische Besatzungsmacht ihre Pressionen auf sozialdemokratische Einheitsgegner. Die Sozialdemokratie in der SBZ blieb in der Vereinigungsfrage gespalten, doch ihr Widerstand schwand schließlich. Ende Februar legte der „Sechziger-

1. Die Sowjetische Besatzungszone 1945–1949

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Ausschuss“ den für die Vereinigung notwendigen Parteitag auf Ostern des Jahres 1946 fest. Am 21./22. April wurde die Vereinigung von KPD und SPD vollzogen. Durch die Gründung der SED, die schon durch ihre Mitgliederzahl von ca. 2 Millionen im Jahre 1948 die übrigen Parteien dominierte, trat ein entscheidender Umbruch in der Parteienstruktur der SBZ ein. Hatten sozialdemokratische Befürworter gehofft, sie würden aufgrund ihrer Stärke in der neuen SED politisch tonangebend sein, so war die kommunistische Führung von Anfang an auf deren Subordination und politische Ausmerzung ausgerichtet. Daher wurde die paritätische Besetzung aller Ämter und Aufgabenbereiche gemäß dem neuen Parteistatut bald zur Makulatur. Denn der Zwangsvereinigung folgte die Stalinisierung, begleitet von dem immer wieder erhobenen Verdacht des „Sozialdemokratismus“ gegen Parteimitglieder, die abweichende Auffassungen vertraten.

Gründung der SED

1.4 Massenorganisationen, Bildungswesen und Justiz Ebenfalls im Zusammenwirken mit der KPD hatte die sowjetische Besatzungsmacht frühzeitig damit begonnen, Massenorganisationen aufzubauen. Bereits mit Befehl Nr. 2 war auch die Gründung gesellschaftlicher Organisationen angeordnet worden. Auf dem Gründungskongress des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) im Februar 1946 (9.–11. 2.) gelang es der KPD mit Unterstützung der SMAD, die Hälfte der Vorstandsmandate zu erringen. Durch gezielte Auswahl und Schulung immer stärker auf die führende Rolle der KPD/SED ausgerichtet, wurde der FDGB zunehmend zur Staatsgewerkschaft. Ebenfalls frühzeitig, am 31. Juli 1945, hatte der Oberbefehlshaber der SMAD die Schaffung von antifaschistischen Jugendkomitees gestattet, andere Jugendorganisationen jedoch ausdrücklich verboten. Angesichts nationalsozialistischer Indoktrinierung gerade der jungen Generation kam ihrer (Um-)Erziehung ein hoher Stellenwert zu. Deshalb wurde bereits im September ein Zentraler Jugendausschuss geschaffen, um die Jugendkomitees zu koordinieren. Nachdem sich auch Vertreter beider Kirchen beteiligt hatten, kam es am 7. März 1946 zur Gründung der Freien Deutschen Jugend (FDJ), wobei deren politische Ausrichtung ausdrücklich als „überparteilich, einig (und) demokratisch“ proklamiert wurde. In den Folgejahren wurde sie, mit dem jungen Erich Honecker an ihrer Spitze, zielstrebig zu einer sozialistischen Massenorganisation ausgebaut. Ähnlich verlief der Aufbauprozess anderer Massenorganisationen, wie des Kulturbundes, des Demokratischen Frauen-

Aufbau von FDGB und FDJ

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Reform des Bildungswesens

Universitäten

I. Enzyklopädischer Überblick

bundes Deutschlands (DFD) sowie der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB). Bei der Gründung aller dieser Massenorganisationen war ein mehr oder weniger übereinstimmendes Vorgehen kaum zu übersehen: Überall hatten Kommunisten die politische und organisatorische Initiative ergriffen. Nach anfänglicher paritätischer Mitbesetzung von Führungspositionen folgte eine vornehmlich politisch-ideologisch begründete Auswahl entsprechender Kader, wobei nichtkommunistische Mitglieder bzw. Kritiker der Politik von KPD/SED und SMAD zunehmend ausgeschlossen wurden. Angesichts der nationalsozialistischen Instrumentalisierung des Bildungswesens bestand auch die Notwendigkeit, das überkommene Schul- und Hochschulsystem zu reformieren. Die angestrebte und im Frühsommer 1946 mit dem Gesetz zur Demokratisierung der Schule auf den Weg gebrachte Reform sollte darüber hinaus die Chancengleichheit durch Brechung des „bürgerlichen Bildungsprivilegs“ ermöglichen. Der angestrebten Verbesserung von Bildungschancen für die Gesamtgesellschaft folgte jedoch die wachsende Diskriminierung von Schülern aus bürgerlichen Schichten bzw. christlichen Kreisen, so dass sich die Verhältnisse zunehmend umkehrten. Volksschullehrer, die Parteigenossen oder Mitglied einer NS-Organisation gewesen waren, wurden grundsätzlich entlassen. Dieser rigorosen Entnazifizierung, die durch in Schnellkursen ausgebildete „Neulehrer“ nur partiell kompensiert werden konnte, folgte deren politisch-ideologische Ausrichtung auf die Zielsetzungen der KPD/SED. An den Universitäten war durch die weit reichende Entnazifizierung ebenfalls eine große Lücke an qualifiziertem akademischen Lehrund Forschungspersonal entstanden. Auch hier zielte die Kaderpolitik darauf ab, politisch-ideologisch konformes Lehrpersonal und eine ebenso homogene Studentenschaft zu schaffen. Der zunehmenden Orientierung auf Lehrinhalte des Marxismus und ab 1948 speziell auf seine leninistische Ausrichtung folgte die Reglementierung und Verschulung der Studienordnungen, wobei die FDJ zum Instrument der politisch-sozialen Disziplinierung der Studentenschaft wurde. Bei der Wiederherstellung des Justizwesens knüpfte die SMAD anfänglich an die Weimarer Gesetzgebung an, indem sie das vor dem 1. Januar 1933 gültige Gerichtsverfassungsgesetz und eine föderale Justizverwaltung restituierte. Deren weitere Reorganisation oblag zunächst der neu geschaffenen Deutschen Zentralverwaltung für Justiz (DJV). Die ab September 1945 rigoros durchgeführte Entnazifizierung des Justizpersonals führte jedoch bald zu einem solchen Mangel an

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akademisch ausgebildeten Juristen, dass in Kurzlehrgängen „Volksrichter“ ausgebildet werden mussten, die ab 1948 gegenüber akademisch ausgebildeten Richtern, Staats- und Rechtsanwälten personell zu dominieren begannen. Daneben setzte eine umfassende Umstrukturierung des Justizwesens ein, die „eindeutig auf Zentralisierung, Politisierung und Sowjetisierung“ ausgerichtet war (H. Wentker). Die verstärkte Einführung sowjetischer Justizpraxis und Rechtsnormen, die Übernahme des Strafvollzugs durch die Deutsche Verwaltung des Inneren (DVdI) sowie die Institutionalisierung des Obersten Gerichtshofes und der Obersten Staatsanwaltschaft als höchste Gerichtsorgane vervollständigten bis 1952 den fundamentalen Umstrukturierungsprozess. Zugleich verübte die Besatzungsmacht jedoch selbst eklatante Rechtsbrüche und elementare Menschenrechtsverletzungen. In ehemaligen KZs, Kriegsgefangenenlagern und Militärgefängnissen der Wehrmacht richtete sie insgesamt zehn „Speziallager“ ein, die dem NKWD/ MWD unterstanden. Entweder fortbestehender nationalsozialistischer Gesinnung oder einer oppositionellen Haltung gegenüber der Besatzungsmacht und dem Aufbau des Sozialismus beschuldigt, wurden dort bis zu 160 000 Menschen aller Altersstufen jahrelang festgehalten. Da Ernährung und medizinische Versorgung minimal waren, hat dort jeder Dritte bis zur Auflösung der Lager im Jahre 1950 sein Leben verloren. Nicht wenige wurden auch in GULAG-Straflager in die Sowjetunion verschleppt. In meist kurzen Prozessverfahren von sowjetischen Militärtribunalen abgeurteilt, bisweilen aber auch ohne jedes Urteil, wurde an ihnen Willkürjustiz praktiziert. 1.5 Die Wahlen von 1946 und die Bildung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) 1947 Die Durchführung von Wahlen in der SBZ erschien der sowjetischen Besatzungsmacht ein unabdingbares Erfordernis, da sie den westlichen Allianzpartnern demonstrieren wollte, dass es sich bei der von ihr errichteten „antifaschistischen Demokratie“ tatsächlich um eine solche handelte. Allerdings setzte die Strategie des Volksfront-Konzepts einen Sieg der SED voraus, ansonsten wäre ihre dominierende Stellung und damit das „Sonderverhältnis, das zwischen der SMAD und der Sozialistischen Einheitspartei bestand“, unsicher geworden (S. Creuzberger). Demgegenüber gingen die bürgerlichen Parteien CDU und LDP deutlich benachteiligt in die Wahlen. Die stärkste Beeinträchtigung erfuhren sie durch die am 28. Juni 1946 veröffentlichte Wahlordnung zu den Gemeindewahlen, derzufolge Wahlvorschläge von den örtlichen

Transformierung des Justizwesens

Einrichtung von sowjetischen „Speziallagern“

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Gemeinde-, Kreisund Landtagswahlen

Wahlergebnisse in Groß-Berlin

Verschärfung des Kalten Krieges ab 1947

I. Enzyklopädischer Überblick

SMAD-Kommandanten lizensiert werden mussten. Dabei erhielten etwa die Hälfte der bereits bestehenden Ortsgruppen beider Parteien nicht die erforderliche Anerkennung, wodurch z. B. die CDU nur in 593 von 2402 Orten gewählt werden konnte. Lediglich bei den wenig später stattfindenden Landtagswahlen besaßen Wähler die Möglichkeit, sich alternativ zwischen SED, CDU und LDP zu entscheiden. Bei außerordentlich hoher Wahlbeteiligung (zumeist 90 bis 94%) ergab sich rein numerisch ein klarer Sieger – die SED. Bei den Gemeindewahlen in den Ländern am 1. und 8. September 1946 errang die Partei insgesamt 57,1% der Stimmen, wobei sich die LDP überraschenderweise noch vor der CDU platzieren konnte (21,1% zu 18,7%). Bei den Wahlen zu den Kreis- und Landtagen am 20. Oktober, bei denen die Beeinträchtigungen der bürgerlichen Parteien weniger zum Tragen kamen, traten die tatsächlichen Kräfteverhältnisse deutlicher hervor. Hier wiesen LDP und CDU mit jeweils 2 410 146 und 2 397 975 Stimmen zusammen mehr Wählervoten auf als die SED mit 46 58 483 Stimmen. Die parallel durchgeführten Wahlen der Stadtverordneten in Groß-Berlin, bei denen auch die SPD neben SED, LDP und CDU antreten konnte, bedeuteten für die neu geschaffene Einheitspartei sogar eine herbe Niederlage. Sie wurde dort mit 19,8% nur die drittstärkste Partei hinter der CDU (22,2%) und dem Wahlsieger SPD (48,7%); die LDP erzielte 9,3% der Stimmen. Das Wahlergebnis führte SMAD und SED klar vor Augen, dass die ständig propagierte „führende Rolle“ der SED keineswegs gesichert war. Daher mussten nach den Wahlen, z. T. unter Missachtung der tatsächlich erzielten Wahlergebnisse, Landesregierungen aus Koalitionen aller Parteien gebildet werden, wobei die jeweils stärkste – und das lief bis auf die Provinz Sachsen überall auf die SED hinaus – den Ministerpräsidenten zu stellen hatte. Zugleich stärkte die SMAD die von ihr eingesetzten Zentralverwaltungen gegenüber den Landesregierungen, obgleich nur letztere über eine tatsächlich demokratische Legitimität verfügten. Diese Politik setzte die sowjetische Besatzungsmacht im Zuge des sich vertiefenden Kalten Krieges in Deutschland ab Frühjahr 1947 fort (Vereinigung der amerikanischen und britischen Besatzungszonen zur Bi-Zone am 1. Januar 1947; Verkündung der Truman-Doktrin am 12. März 1947; Scheitern der gesamtdeutschen Münchener Ministerkonferenz im Juni 1947). Mit Befehl Nr. 138 installierte sie am 4. Juni 1947 die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) und übertrug ihr die zentrale Koordinierung der einzelnen Landesverwaltungen sowie die Sicherstellung der Reparationslieferungen. Die DWK übernahm auch die Wirtschafts-

1. Die Sowjetische Besatzungszone 1945–1949

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planung für die gesamte SBZ und beschnitt damit die administrativen Kompetenzen der Länder. Angesichts der weiter fortgesetzten Verstaatlichung der Industrie indizierte diese Planungsfunktion die zunehmende Orientierung auf eine Zentralverwaltungswirtschaft. Die DWK wurde „zum institutionellen Gerüst des künftigen Staates“ (U. Mählert), da die Hauptverwaltung und die Zentralverwaltungen für Justiz, Volksbildung und Inneres bei der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 zu Ministerien aufgewertet wurden. 1.6 Die Volkskongress-Bewegung und die Gründung von NDPD und DBD Trotz aller Pressionen hatten die Wahlen von 1946 das Selbstbewusstsein der Parteiführungen von CDU und LDP gestärkt. Ab Mitte 1947 wuchs die CDU unter der energischen Führung Jakob Kaisers immer stärker in eine oppositionelle Rolle hinein, wandte sich gegen eine Ausschließung der SBZ vom Marshall-Plan, lehnte die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ab und bestritt zunehmend den Führungsanspruch der SED. Diese Haltung stieß auf entschiedenen Widerspruch der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED. Der Konflikt eskalierte, als Kaiser und sein Stellvertreter Ernst Lemmer ihre Teilnahme an der Bewegung für den „Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden“ verweigerten. Tatsächlich sollte diese nur vordergründig demokratische Massenbewegung, die einen fiktiven gesamtdeutschen Anspruch vertrat und unter Führung und Kontrolle der SED stand, vornehmlich der sowjetischen Außenpolitik nützen. Demzufolge wurden Kaiser und Lemmer von der SMAD abgesetzt. Das harsche innenpolitische Vorgehen der SMAD gegen eine demokratisch legitimierte Partei machte deutlich, dass die Sowjetunion den Transformationsprozess nun in Richtung auf eine Volksdemokratie vorantrieb. Ihrer Differenzierungsstrategie entsprach es, konzessionsbereitere Parteiführer wie Otto Nuschke, Georg Dertinger und Hugo Hickmann an die Spitze der CDU zu setzen. Wie ernst SMAD und SED den Einfluss der bürgerlichen Parteien nahmen, zeigte sich auch daran, dass die sowjetische Besatzungsmacht die Bildung zweier weiterer Parteien ausdrücklich unterstützte. Im Juni 1948 wurde nach der offiziellen Verkündung des Endes der Entnazifizierung in der SBZ (26. 2. 1948) sowohl der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) als auch der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) die Lizenz erteilt. Beide Neugründungen sollten ihre Klientel aus dem bürgerlichen bzw. bäuerlichen Lager

„Die Volkskongressbewegung“

Gründung von NDPD und DBD

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Entwurf der ersten DDR-Verfassung durch Volksrat

I. Enzyklopädischer Überblick

schöpfen, was wiederum CDU und LDP schwächen musste; so sollte die NDPD vor allem frühere NSDAP-Mitglieder aufnehmen, eine ähnliche Funktion war der DBD unter der bäuerlichen Bevölkerung zugedacht. Führung und Kontrolle der neuen Parteien wurden jeweils durch linientreue Kader gesichert. Am Konzept der Volkskongressbewegung hielten die sowjetische Besatzungsmacht und die SED weiter fest. Bewusst auf den 100. Jahrestag der Märzrevolution von 1848/49 historisch Bezug nehmend, „wählte“ ein zweiter Volkskongress per Einheitsliste 300 Vertreter in den Ersten Deutschen Volksrat, hinzu wurden 100 West-Delegierte kooptiert. Der Rat erklärte sich als die „berufene Repräsentation für ganz Deutschland“, bestimmte ein Präsidium, u. a. mit den Vorsitzenden Pieck (SED), Nuschke (CDU) und Külz (LDP), und setzte Ausschüsse ein, deren wichtigste Aufgabe die Erarbeitung einer Verfassung war. Demzufolge eignete sich der Volksrat die Funktion eines Vorparlaments an. Das rief das Misstrauen der bürgerlichen Parteien hervor. Weil ihr eventuelles Ausscheren die vorgebliche gesamtdeutsche Zielrichtung der Volkskongressbewegung erneut in Misskredit gebracht hätte, sah sich die SED zu einem umgehenden Dementi veranlasst. So betonte Otto Grotewohl in der gemeinsamen Blocksitzung am 5. August 1948, dass „wir niemals . . . daran denken, diesen Volksrat in so etwas wie ein Parlament der Ostzone umzumodeln“. Tatsächlich jedoch bildete der Entwurf nur ein Jahr später die Grundlage der ersten DDRVerfassung. Einschneidende konstitutionelle Veränderungen waren dabei unübersehbar: Statt Gewaltenteilung, wie für ein demokratisches Gemeinwesen üblich, war Gewaltenkonzentration vorgesehen und obwohl ein Mehrparteiensystem installiert wurde, handelte es sich bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch um einen Scheinparlamentarismus. Auch kannte die neue Verfassung keine vor- und überstaatlichen Menschenrechte, wenngleich in Anlehnung an die Weimarer Verfassung Grundrechte formuliert wurden, die neben der Gleichberechtigung vor dem Gesetz auch die Glaubens-, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf Auswanderung verbürgten. Menschenrechtsverletzungen wurden dadurch aber keineswegs ausgeschlossen. Vielmehr wurde mit dem unter den „Rechten des Bürgers“ aufgeführten Artikel 6 der sog. „Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen“ ein Instrumentarium geschaffen, gegen angebliche und tatsächliche politische Gegner mit allen „legalen“ Mitteln vorzugehen. Schließlich wurden bisher bestehende föderale Strukturen abgebaut, da die Länderkammer zwar Gesetzentwürfe einbringen konnte, aber nur noch über ein suspensives Veto verfügte.

1. Die Sowjetische Besatzungszone 1945–1949

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Der Volkskongress verabschiedete den vorliegenden Verfassungsentwurf, wählte Ende Juni einen zweiten Volksrat, der sich auf seiner letzten Sitzung am 7. Oktober 1949, dem Tag der Gründung der DDR, als provisorische Volkskammer der DDR konstituierte. Somit verkörperten Volkskongressbewegung und Volksrat entscheidende Stationen auf dem Weg zum zentralistischen Einheitsstaat in der SBZ/DDR.

7. Oktober 1949 Gründung der DDR

1.7 Die Umwandlung der SED in eine „Partei neuen Typs“ und die Gründung der DDR Der ab Frühjahr 1947 einsetzenden Abgrenzung der Machtsphären zwischen den Westmächten und der Sowjetunion folgte die machtpolitische Konsolidierung und ideologische Homogenisierung des entstehenden Ostblocks. Dieser Politik hatte sich auch die SED anzuschließen. Der am 3. Juli 1948 gefasste Beschluss, „die SED zu einer Partei neuen Typus zu machen, die unerschütterlich und kompromißlos auf dem Boden des Marxismus-Leninismus steht“ (nachzulesen in den Dokumenten der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands), wandelte sie in eine zentralistisch ausgerichtete, hierarchisch aufgebaute Partei um. Die noch auf dem Vereinigungsparteitag vom April 1946 vereinbarte Parität zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten wurde abgeschafft und mit der Einsetzung einer Zentralen Parteikontroll-Kommission (ZPKK) im Herbst 1948 ein Säuberungsprozess auf allen Ebenen eingeleitet. Die organisatorisch-strukturelle Angleichung der SED an die KPdSU durch Sekretariat und Politbüro ab Januar 1949 sowie die Einführung des Zentralkomitees ab Juli 1950 vervollständigte ihre grundlegende Transformierung. Nun wurde der „demokratische Zentralismus“ zum durchgängigen Organisationsprinzip und die bis dahin offizielle Linie der Partei „eines besonderen deutschen Weges zum Sozialismus“ verworfen. Naturgemäß hatte diese „Stalinisierung“ der SED gravierende Auswirkungen auf die inzwischen geschaffenen Strukturen und Institutionen in der SBZ – auch die politische Atmosphäre änderte sich nachhaltig. Gegen die dort noch immer beträchtliche Privatwirtschaft wurde massiv vorgegangen, die politische Indoktrinierung an den Schulen und Universitäten enorm verstärkt; Kunst und Kultur gerieten nun gleichfalls unter wachsende Beaufsichtigung, Reglementierung und Ideologisierung. Somit wurden „strukturelle, institutionelle und geistigkulturelle Prozesse der Übertragung und Übernahme des sowjetischen Modells mit dem Ziel der Angleichung nichtsowjetischer Gesellschaften an die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der UdSSR“

„Stalinisierung“ der SED

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Antifaschismus als Legitimation des SED-Staates

Umwandlung der SMAD in SKK

I. Enzyklopädischer Überblick

eingeleitet und durchgesetzt (M. Lemke), um die SBZ noch vor der eigentlichen Staatsgründung in den entstehenden Ostblock zu integrieren. Abgesehen von der katalytischen Wirkung des wachsenden OstWest-Konflikts war diese Entwicklung jedoch keineswegs das Werk sowjetischer Politik allein; vielmehr entstand die DDR auch „als eine besondere Form der Synthese aus sowjetischer Besatzungsmacht und deutscher Parteiherrschaft“ (M. Kaiser). Erst aus dieser Kooperation erwuchs die entscheidende Durchschlagskraft, einer mehrheitlich widerstrebenden Bevölkerung einen deutschen Sowjetstaat aufzuzwingen. Gleichwohl ist die DDR keineswegs nur durch Zwang und Repression entstanden. Die Kriegserlebnisse und die völlige Diskreditierung des Nationalsozialismus, zusammen mit der permanent vorgebrachten Behauptung, der einzige „antifaschistische“ deutsche Staat zu sein, eine verbreitete Aufbruchmentalität, erhöhte Ausbildungs- und damit Aufstiegschancen auch für bis dahin nichtprivilegierte Schichten, trugen bei einem Teil der Bevölkerung zur Anpassung oder zumindest zum „Mitmachen“ beim Aufbau eines sozialistischen Staates bei. Am 7. Oktober 1949 wurde die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Doch weder war die DDR demokratisch zustande gekommen, noch handelte es sich verfassungsrechtlich um eine Demokratie. Entsprechende Wahlen wurden nicht durchgeführt, wohl aber bot die neue Verfassung (s. 1.6) alle Handhabe, um Kritiker und Gegner des neuen Staates zu verfolgen. Neben dem zum Präsidenten der DDR gewählten Wilhelm Pieck war es vor allem der stellvertretende Ministerpräsident Walter Ulbricht, der die Macht in Händen hielt. Die neue Regierung konnte darauf bauen, dass sich auch mit der Umwandlung der SMAD in die Sowjetische Kontrollkommission (SKK) nichts am dominierenden Einfluss der Sowjetunion änderte. Sie blieb der eigentliche Machtträger im neu geschaffenen Staat und bot der SED gleichzeitig Schutz und Unterstützung für ihre Politik.

2. Die DDR in den 1950er und 1960er Jahren 2.1 Konsolidierung und Ausbau des Staatswesens 1950–1953

Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)

Am 8. Februar 1950 beschloss die Provisorische Volkskammer ein „Gesetz zur Bildung des Ministeriums für Staatssicherheit“, dessen Vorläufer die geheimpolizeiliche Abteilung K 5 der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) gewesen war. Von Anfang an stand das rasch ausgebaute MfS (1950: 1000; 1957: 17 500 Mitarbeiter) unter der Führung

2. Die DDR in den 1950er und 1960er Jahren

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und Kontrolle sowjetischer Geheimdienste und Sicherheitsorgane und blieb es bis 1989. Dessen Hauptaufgabe bestand in der Überwachung der inneren Lage der DDR sowie in repressiven Maßnahmen; demgegenüber stellte der immer wieder propagierte Schutz vor ausländischen Agenten und Spionen eine sekundäre Aufgabe dar. In enger Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften operierten die „Organe“ des MfS außerhalb rechtsstaatlich gesicherter Normen; sie führten dadurch „einen kalten Bürgerkrieg“ (J. Gieseke). Auch die bereits begonnene Transformation des Justizwesens wurde weiter vorangetrieben. Als faktisch nur noch von der Parteispitze abhängiges Organ verfügte die Oberste Staatsanwaltschaft über Vollmachten, die weit über die Grenzen jeglicher Rechtsstaatlichkeit hinaus gingen. Ähnliches galt für den Obersten Gerichtshof, der nicht nur bereits ergangene Urteile aufheben (kassieren) konnte, sondern auch erst- und letztinstanzliche Entscheidungskompetenz besaß. Das inzwischen nahezu abgeschlossene Revirement des Justizpersonals sorgte für entsprechende Willfährigkeit; das Justizwesen wurde zur Klassenjustiz. Nur ein dreiviertel Jahr nach der Gründung der DDR zeigte sich bereits, zu welchen Terrorurteilen diese Justiz fähig war. Nach Auflösung der „Speziallager“ im Sommer 1950 wurden von sowjetischer Seite aus ca. 14 000 Inhaftierte zu weiterer Strafverbüßung an das Ministerium des Inneren übergeben, wovon 3432 in den berüchtigten Prozessen von Waldheim überwiegend zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt wurden, davon 32 zur Todesstrafe, die bei 24 Häftlingen vollstreckt wurde. Der III. Parteitag der SED im Juli 1950 stellte die entscheidenden Weichen zum Aufbau des Sozialismus nach sowjetischem Vorbild. Der Beschluss über den ersten Fünfjahresplan (1951–1955) leitete den Übergang zur langfristigen Planwirtschaft ein. Vorgesehen war, die Industrieproduktion bis 1955 auf 190%, die Arbeitsproduktivität in der volkseigenen Industrie und das Volkseinkommen um jeweils 60% zu erhöhen. Als wichtigste ökonomische Aufgaben waren u. a. vorgesehen: Schaffung einer eigenen metallurgischen Basis sowie Erweiterung des Schwermaschinenbaus. Dies entsprach der Tradition sowjetischer Wirtschaftspolitik, aber auch wirtschaftlichen Erfordernissen, da Mitteldeutschland in dieser Zeit kaum über eine nennenswerte Schwerindustrie verfügte. 1953 flossen allein 50% aller für die Industrie vorgesehenen Investitionen in diese Bereiche. Allerdings ging deren Aufbau zwangsläufig zu Lasten der Leicht- und Konsumgüterindustrie mit negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung. Gerade hierin lag eine latente sozialpolitische Brisanz.

Funktionalisierung des Justizwesens zur Klassenjustiz

Übergang zur Planwirtschaft

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Domestizierung der Blockparteien CDU und LDP

I. Enzyklopädischer Überblick

Mit dem auf dem III. Parteitag und den nachfolgenden ZK-Tagungen gefassten Beschlüssen wurde auch die Formierung der SED als „Partei neuen Typus“ zum Abschluss gebracht. Ein neues Parteistatut verankerte die seit 1946 vollzogene Wandlung „zu einer Partei sowjetischen Typs“. Umfangreiche Säuberungen in der Partei und Staatsspitze sowie „Überprüfungen“ aller SED-Genossen folgten 1951. Die fast pathologisch zu nennende Phobie der SED-Führung vor Agententätigkeit und Subversion traf insbesondere die bürgerlichen Parteien. Gegen Kritiker aus ihren Reihen wurde nicht selten mit kriminellen Machenschaften vorgegangen. Die Mehrzahl der Parteimitglieder gab jeglichen Widerstand auf, floh in den Westen oder zog sich in die innere Emigration zurück. Wie sehr CDU und LDP inzwischen dem Diktat der SED unterworfen waren, zeigte sich bei den „Wahlen“ im Oktober 1950. Im Frühjahr gelang es der Einheitspartei, den Widerstand gegen ein gemeinsames Wahlprogramm mit einer Einheitsliste zu brechen, obwohl allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Wahlen verfassungsmäßig vorgeschrieben waren. Ein geändertes Wahlrecht, das der SED ohnehin die absolute Mehrheit sicherte, führte zum gewünschten Ergebnis und wurde noch einmal hinsichtlich Wahlbeteiligung (98,5%) und Ja-Stimmen (99,72%) geschönt. Erst jetzt mutierten CDU und LDP zu Blockparteien im Sinne des in der DDR institutionalisierten Scheinparlamentarismus. Gegenüber den Massenorganisationen verfolgte die SED eine ähnliche Politik. Die letztendliche Domestizierung und Funktionalisierung von FDJ und FDGB „sicherte die SED durch eine doppelte Überwachung: durch Personalunion zwischen SED- und Massenorganisationsleitungen sowie durch die SED-Parteigruppen, die bei allen Leitungen der Massenverbände existierten“ (H. Weber). 2.2 Der „Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“ und der 17. Juni 1953

2. Parteikonferenz der SED

Abschaffung der Länder und Einführung der Bezirke

Als die SED-Führung auf ihrer 2. Parteikonferenz im Juli 1952 offiziell den „Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“ verkündete, ging es ihr vorrangig darum, gemäß Stalins These von der „gesetzmäßigen Verschärfung der Klassenkampfes“ die Staatsmacht als Hauptinstrument der sozialistischen Aufbaus zu stärken und den Widerstand der feindlichen Kräfte zu brechen. Unmittelbar danach wurde eine Verwaltungsreform durchgeführt und die DDR nach sowjetischem Vorbild administrativ gegliedert. Die daraus resultierende formelle Abschaffung der Länder zerstörte nicht

2. Die DDR in den 1950er und 1960er Jahren

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nur historisch gewachsene, traditionelle Strukturen und Identifikationsbezüge, sie bedeutete auch einen eklatanten Bruch der in der DDR geltenden Verfassung. Mit der Errichtung von 14 Bezirken erfolgte nun die erstrebte, nahezu lückenlose Durchsetzung des Staates durch Partei, MfS und sonstige Organe nach dem Prinzip des „demokratischen Zentralismus“ vom Politbüro hinunter bis auf die Ortsebene. Gemäß Beschluss der 2. Parteikonferenz vor allem aber auch auf Anforderung der UdSSR wurden „bewaffnete Streitkräfte“ aufgestellt, die Kasernierte Volkspolizei (KVP). Die enormen finanziellen Aufwendungen hierfür hatte der SED-Staat zu erbringen; schon 1952 musste dafür ein Fünftel aller Staatsausgaben ausgegeben werden. Zudem waren nach wie vor Besatzungskosten und Reparationsleistungen zu erbringen; beides zusammen belief sich im Jahr 1953 auf 14,1% des DDR-Staatshaushalts. Die im Fünfjahresplan nicht vorgesehenen Ausgaben sollten nach sowjetischen Vorschlägen u. a. durch Einsparungen bei der Sozialversicherung und Sozialfürsorge, durch erhöhte Besitzund Einkommenssteuern sowie durch Reduzierung des Konsums finanziert werden. Um die Bevölkerung für den Aufbau des Sozialismus zu mobilisieren, stellte die SED-Führung den ideologischen Kampf ins Zentrum ihrer Aktivitäten mit dem Ziel, die Werktätigen zu sozialistischem Bewusstsein zu erziehen. In diesem Zusammenhang eröffnete sie auch den Kampf gegen die evangelische Kirche und kriminalisierte deren Junge Gemeinde. Eine Kampagne zur Liquidierung der Jungen Gemeinde und der Evangelischen Studentengemeinden sollte zudem die unerwünschte Konkurrenz der FDJ beseitigen. All diese Maßnahmen mussten zur Abkehr einer Mehrheit der Bevölkerung von Politik und Partei führen. Während sie unter zunehmender Indoktrination und Repression litt, verschlechterte sich ihr ohnehin geringer Lebensstandard um die Jahreswende von 1952/53 erneut. Hatten 1952 schon 182 000 Einwohner die DDR verlassen, so waren es im ersten Halbjahr 1953 bereits 225 000. Bei steigender Attraktivität des westdeutschen Konkurrenzstaates lief der DDR dringend benötigtes, vor allem jüngeres, qualifiziertes Arbeitspotenzial buchstäblich davon. Dieser Problematik war sich die SED durchaus bewusst. Doch mit dem Beschluss des ZK vom 13./14. Mai 1953, eine zehnprozentige Erhöhung der Arbeitsnormen anzuordnen, verschärfte sie die für die Bevölkerung kaum mehr erträgliche Situation erneut. Schon zuvor hatte die Nachricht vom Tode Stalins am 5. März 1953 die längst bestehende tiefe politische und sozio-ökonomische Krise vertieft. Massiv kritisierte die neue sowjetische Führung den seit Juli 1952 eingeschlagenen

Aufstellung bewaffneter Streitkräfte

Massenflucht aus der DDR

Krisenlage im Frühjahr 1953

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Ausbruch des Aufstandes vom 17. Juni 1953

Niederschlagung durch sowjetische Truppen

I. Enzyklopädischer Überblick

Kurs der SED. Ihre am 2. Juni 1953 vom sowjetischen Ministerrat beschlossenen „Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR“ trugen der SED-Führung einen ebenso raschen wie abrupten Kurswechsel auf; unverzüglich war von der Politik des beschleunigten Aufbaus des Sozialismus Abstand zu nehmen. Die geplante Einführung des Sozialismus in der DDR stand jedoch niemals zur Disposition; vielmehr ging es darum, dessen Aufbau so vorzunehmen, dass er für breite Massen akzeptabel, ja attraktiv wurde, um auch aus deutschlandpolitischen Gründen ein konkurrenzfähiges, sozialistisches Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem offerieren zu können. Als Reaktion darauf verkündete das SED-Politbüro am 9. Juni den „Neuen Kurs“, womit bis auf die Erhöhung der Arbeitsnormen alle Maßnahmen der Partei zurückgenommen wurden, ohne dass die Bevölkerung vom Monitum der neuen sowjetischen Führung wusste. In ihren Augen musste die plötzliche Kursänderung der SED vielmehr einer Bankrotterklärung ihrer Politik gleichkommen. In der Tat sollte die Beibehaltung der Erhöhung der Arbeitsnormen zur Initialzündung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 werden. So verlangte der am Morgen des 16. Juni in Berlin von 300 Bauarbeitern der Stalinallee spontan gebildete Demonstrationszug zunächst die sofortige Rücknahme dieses Entschlusses. Doch als die streikenden Arbeiter, deren Zahl auf 10 000 anstieg, vor dem verschlossenen Haus der Ministerien kein Gehör fanden, forderten sie nicht nur den Sturz der Regierung, sondern auch freie Wahlen. Durch den Westberliner Rundfunk, aber auch durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Auch die hastige Zurücknahme der Normenerhöhung konnte nicht verhindern, dass sich am frühen Morgen des 17. Juni Tausende von Streikenden erneut auf verschiedenen Straßen und Plätzen Berlins, aber auch in der gesamten DDR, versammelten; fast überall in den Betrieben war die Arbeit niedergelegt worden. Gegen Mittag eskalierten die Geschehnisse, da erneut keine Reaktion seitens des Politbüros erfolgte. Die Forderungen der Demonstranten beinhalteten jetzt auch die Einheit Deutschlands. Wenig später gab der sowjetische Militärkommandant den Einsatzbefehl für Einheiten der Sowjetarmee, die mit Panzern auffuhren. Kurz darauf wurde gegen die Streikenden Waffengewalt eingesetzt; und daran anschließend wurde der Ausnahmezustand verhängt. Dennoch wuchs der Widerstand in den Nachmittagsstunden weiter an, Barrikaden wurden errichtet und Demonstranten lieferten sich Straßenschlachten mit den sowjetischen Panzereinheiten. Erst am Abend hatte die Sowjetarmee zumindest in Ostberlin die Situation wie-

2. Die DDR in den 1950er und 1960er Jahren

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der unter Kontrolle. Gleichwohl ist Berlin keineswegs der alleinige Schauplatz gewesen. Ebenso vehement kam es in zahlreichen sächsischen Industriezentren, aber auch in Magdeburg, Gera, Jena und Brandenburg zu Streiks und Demonstrationen, an denen zunehmend auch andere Berufsgruppen teilnahmen. Insgesamt jedoch kann von einem „einheitlichen, an allen Orten vergleichbar ablaufenden Juni-Aufstand in der DDR keine Rede sein“ (H. Roth). Die sowjetische Macht setzte dieser Eskalation, die innen- wie außenpolitisch nur schwer kalkulierbare Folgen gehabt hätte, gewaltsam ein Ende, als die SED schon weitgehend handlungsunfähig war. Aufgrund ihrer politischen Fehleinschätzung, ideologischen Verbohrtheit und sozialpsychologischen Insensibilität war sie von den Protesten meist völlig überrascht worden. Die Partei musste tief beunruhigen, dass sie kaum Rückhalt in der Bevölkerung besaß und ihre Machtposition nur dank des Waffeneinsatzes der sowjetischen Truppen behielt; ebenso deprimierend schien, dass es vor allem Arbeiter gewesen waren, die sich gegen die Politik der „Vorhut der Arbeiterklasse“ aufgelehnt hatten. Der erste Versuch zu einem Volksaufstand im Ostblock ist nicht ohne Opfer geblieben. Über 50 Demonstranten, darunter viele Jugendliche, sind von sowjetischen oder Volkspolizei-Einheiten getötet, etwa zwanzig standrechtlich erschossen worden. Dieses Schicksal erlitten aber auch jene Soldaten der Roten Armee, die sich weigerten, auf die Streikenden zu schießen. Zugleich wurden Tausende von Verhaftungen durchgeführt und über 1200 Gerichtsurteile gefällt. Noch während der Demonstrationen hatte die SED-Führung mit einer Legendenbildung begonnen, indem sie den Aufstand als „Werk von Provokateuren und faschistischen Agenten ausländischer Mächte und ihrer Helfershelfer aus deutschen kapitalistischen Monopolen“ bezeichnete. 2.3 Neuer Kurs, Entstalinisierung und neue Krise 1953–1961 Der Schock über den eruptiven Ausbruch des Volkszorns im Juni 1953 saß tief und blieb für die SED ein Trauma, solange die DDR existierte. Nach der Niederschlagung des Aufstandes verschärfte die UlbrichtFührung einerseits die Repression, andererseits versuchte sie, die innere Lage mit materiellen Zugeständnissen zu beruhigen. Im Oktober 1953 senkte die Regierung die Preise für frei käufliche Lebens- und Genussmittel. Kurzzeitig wurde die Schwerindustrie zugunsten der Erzeugung von Konsumgütern und Nahrungsmitteln gedrosselt, ebenso das Tempo bei der Kollektivierung der Landwirtschaft.

Der 17. Juni als Trauma der SED

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Gründungsmitglied des Warschauer Vertrages

Auswirkungen des XX. Parteitages der KPdSU 1956

Erneute Intensivierung des „Aufbaus des Sozialismus“

I. Enzyklopädischer Überblick

Auch die Sowjetunion leistete nach dem Juniaufstand 1953 ihren Beitrag zur Stabilisierung der DDR und verzichtete ab 1954 auf weitere Reparationszahlungen; sie gab – bis auf die SAG Wismut – alle SAGBetriebe an die DDR zurück. Zugleich reduzierte sie die von der DDR zu leistenden Besatzungskosten um 0,35 Milliarden DM (bisher 1,9 Milliarden) und übernahm nun 75% der laufenden Unterhaltskosten selbst. Außenpolitische Ereignisse bewirkten ebenfalls eine gewisse Konsolidierung des SED-Staates. Die UdSSR gewährte der DDR im März 1954 erweiterte Souveränitätsrechte und im Mai 1955 wurde sie Gründungsmitglied des Warschauer Vertrages. Im September schlossen beide Staaten schließlich den „Vertrag über die gegenseitigen Beziehungen zwischen der DDR und der UdSSR“, der jener angeblich die volle Souveränität sichern sollte. Jetzt war endgültig der Weg frei, die KVP in eine reguläre Armee, in die NVA, umzuwandeln. Die Verstaatlichung von Industriebetrieben und von Betrieben im Handwerk und Gewerbe führte man fort. 1955 erzeugten die staatseigenen Industriebetriebe bereits 87% der industriellen Bruttoproduktion. Damit fand der Neue Kurs sein Ende. Doch zu diesem Zeitpunkt geriet die DDR in eine neue Krise. Die Enthüllungen Chruschtschows über Stalin und seine Herrschaftspraxis auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 überraschten die SED-Führung vollkommen, zumal die Partei auch nach dem Tode Stalins unvermindert dessen Glorifizierung betrieben hatte. Es war Walter Ulbricht, der sich als Erster der neuen, nun wesentlich kritischeren Wertung von Stalins Person und Wirken anpasste. Die abrupte Kehrtwendung der Partei vermochten jedoch viele Mitglieder und Intellektuelle nicht so ohne weiteres nachzuvollziehen, zumal die von Moskau ausgehende Entstalinisierung wenig später zu schweren Erschütterungen im Ostblock führte (Revolte in Posen und Volksaufstand in Ungarn). Auf dem V. Parteitag der SED (Juli 1958) verkündete die Ulbricht-Führung das Ziel, den Aufbau des Sozialismus zu forcieren und in wenigen Jahren die Bundesrepublik im Pro-Kopf-Verbrauch aller wichtigen Lebensmittel und Konsumgüter zu überholen. 1958/59 erhöhte sich der Lebensstandard auch tatsächlich. Die Flüchtlingszahlen gingen vorübergehend zurück. Doch als die SED-Führung Ende des Jahres 1959 die Kollektivierung der Landwirtschaft erneut forcierte und im Frühjahr 1960 zum Abschluss brachte, befand sich die DDR wiederum in einer tiefen Krise.

2. Die DDR in den 1950er und 1960er Jahren

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2.4 Die erzwungene Stabilisierung der DDR durch den Mauerbau vom 13. August 1961 Ende 1959 stieg die Zahl von Flüchtlingen aus der DDR wieder steil an. Da die Hälfte von ihnen unter 25 Jahre alt war, bedeutete dies einen enormen Aderlass an arbeitsfähiger Bevölkerung. Das „Ausbluten“ des SED-Staates stellte aber zugleich auch ein sicherheitspolitisches Problem für den gesamten Ostblock dar, lag die DDR doch an der Systemgrenze zur „kapitalistischen“ Bundesrepublik. Aus Sicht der SED-Führung musste das Nadelöhr Westberlin daher rasch verschlossen werden, zumal 95% der Flüchtlinge den nach wie vor offenen Weg aus dem Ostsektor der Stadt in die Westsektoren nahmen. Als die monatlichen Flüchtlingszahlen im Juli 1961 auf 30 000 Menschen hochschnellten, war aus Sicht der SED-Führung rasches Handeln geboten. Auf einer Konferenz der Warschauer-Pakt-Staaten vom 3.–5. August sanktionierten die in Moskau versammelten Parteiführer der „sozialistischen Bruderstaaten“ die schon seit längerem ausgearbeiteten Absperrungsmaßnahmen. Mit diesen wurde am Sonntag, dem 13. August 1961 unter der Leitung Erich Honeckers begonnen. Der Bau der Berliner Mauer, ein Höhepunkt des Kalten Krieges, stellte für die Deutschen in Ost und West einen Schock dar. „Berlinkrise und der ihr inhärente Mauerbau (legten, G. H.) . . . die wirtschaftliche, technologische und wissenschaftlich-technische Modernisierungsschwäche der DDR . . . in besonderem Maße bloß“ (M. Lemke). Die Errichtung des sog. antifaschistischen Schutzwalls desavouierte zwar das SED-Regime, sicherte aber auch die Fortsetzung seiner Herrschaft. Letztlich handelte es sich um eine defensive Maßnahme. Bereits am 6. Oktober 1961 wurde der Schusswaffengebrauch bei Grenzdurchbrüchen für die Grenzkommandos der NVA durch Befehl Nr. 76/61 vorgeschrieben. 814 Menschen kamen bei Fluchtversuchen um, ungefähr die gleiche Anzahl erlitt schwere Verletzungen. Fast 20 000 Urteile wurden in den Monaten danach wegen „Hetze, versuchtem Staatsverrat und Staatsverleumdung“ bis hin zu „versuchter Republikflucht“ ausgesprochen. Erst im April 1962 nahm die SED diesen Repressionskurs zurück. Tatsächlich war das Ulbricht-Regime erst jetzt in der Lage, den Sozialismus „in einem halben Lande“ aufbauen zu können. Nachdem die Amalgamierung von Staat und Partei praktisch abgeschlossen, Industrie und Landwirtschaft bis auf wenige Restbereiche verstaatlicht worden waren, suchte sich die SED nun auch die Gesellschaft zu unterwerfen. In dem fortgesetzten Bemühen, deren „Durchherrschung“ (Alf

Flüchtlingswelle ab Ende 1959

Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961

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Zwangsanpassung der Bevölkerung

I. Enzyklopädischer Überblick

Lüdtke) voranzutreiben, bestand ein wichtiges Wesensmerkmal dieser „modernen Diktatur“ (J. Kocka). Ihre faktische Ummauerung führte zwangsläufig dazu, dass sich eine breite Mehrheit der Bevölkerung auf das Regime einzulassen hatte. Menschen, die ihre oppositionelle Haltung gegenüber dem sozialistischen Herrschaftssystem nicht aufgaben, stellten nur noch eine Randgruppe dar. Doch diejenigen, die sich auf ein Arrangement einließen – und das war die Mehrzahl – gerieten in einen permanenten Zwiespalt. Trotz anderer innerer Überzeugung wurden sie immer wieder zu einem sie selbst kompromittierenden Verhalten gezwungen. Die daraus resultierende „Massenkonformität“ (M. R. Lepsius) wurde wiederum konterkariert durch den permanent negativierten „Westen“, der jedoch für die Bevölkerung wie für die Partei gleichermaßen dominierender Bezugsrahmen blieb. Neben einer Minderheit von überzeugten Befürwortern und damit eigentlichen Trägern des sozialistischen Herrschaftssystems trug somit das erzwungene Anpassungsverhalten breiter Schichten zur Existenzsicherung der SED-Diktatur bei. Dieses Verhalten blieb ein Konstituens der DDR, auch wenn der Mauerbau erst die entscheidenden Voraussetzungen dafür schuf. 2.5 Innere Konsolidierung und wirtschaftspolitische Modernisierungsversuche: Das Neue Ökonomische System (NÖS) 1963–1967

Frauen- und Jugendpolitik der SED

Nach Überwindung der inneren Krise durch den Mauerbau war das SED-Regime sichtlich bemüht, durch Integration breiter Bevölkerungsschichten eine möglichst durchgreifende Konsolidierung zu erreichen. Während die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 24. Januar 1962 eher noch als kontraproduktive Maßnahme angesehen werden musste, richtete sich das einen Monat zuvor veröffentlichte Kommuniqué „Die Frau – der Frieden und der Sozialismus“ ganz bewusst an die weibliche Bevölkerung. Einerseits sollte die ohnehin schon hohe Arbeitstätigkeit von Mädchen und Frauen (fast 70% aller arbeitsfähigen Frauen) weiter gesteigert und durch berufliche Qualifizierungsmöglichkeiten (u. a. „Frauensonderstudium“) verbessert, andererseits ihre Mitwirkung in der „gesellschaftlichen Arbeit“ erhöht werden; dies schloss sozialpolitische Maßnahmen ein, um ihnen die traditionelle Doppelrolle und -belastung zu erleichtern (u. a. durch Ausbau von Kindergärten und -krippen). Die Partei bemühte sich jetzt auch verstärkt, die nachwachsende Generationen zu gewinnen. Unter der Propagandaformel: „Der Jugend Vertrauen und Verantwortung“ suchte die SED in dem im September

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1963 herausgegebenen Kommuniqué ihr Verhältnis zur Jugend auf eine neue Basis zu stellen. Den Jugendlichen sollte einerseits mehr Freiraum gewährt, andererseits der politische und ideologische Herrschaftsanspruch der Partei von ihnen akzeptiert, internalisiert und positiv umgesetzt werden. Die Mehrheit der Jugendlichen nahm das Freizeitangebot der FDJ zwar gerne in Anspruch, suchte sich aber politischer Indoktrination möglichst zu entziehen. Die angestrebte umfassende politische Sozialisation der Jugendlichen mit dem Ziel, diese als „sozialistische Persönlichkeiten“ in das bestehende Gesellschaftssystem zu integrieren, wurde zudem häufig konterkariert durch jugendliche Vorlieben für Musik, Mode und Subkulturen, die vornehmlich westlichen Vorbildern entsprangen und gleichzeitig dem gewünschten „sozialistischen Weltbild“ nicht entsprachen. In der Bildungspolitik unternahm die Partei ebenfalls neue Anstrengungen. Mit dem „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ vom Februar 1965 wurden die bestehenden Sozialisationsinstitutionen von der Kleinkindererziehung bis zur Hochschulausbildung weiter vereinheitlicht und dem polytechnischen Unterricht in der zehnklassigen allgemein bildendenden Oberschule eine entscheidende Funktion zuerkannt. Durch die Einführung der Staatsbürgerkunde als obligatorisches Schulfach ab 1964 wollte die Partei in den Klassen 9 bis 12 darüber hinaus eine intensive politisch-ideologische Erziehung sicherstellen. Diese sozial- und bildungspolitischen Integrationsansätze und Maßnahmen konnten jedoch nicht ausreichen, solange die ungenügende Leistungsfähigkeit der Wirtschaft fortbestand. Nicht nur aus sozialpolitischen Gründen mussten deshalb die materiellen Lebensbedingungen durch erhöhte ökonomische Effizienz nachhaltig verbessert, auch in normativer Hinsicht musste die propagierte Überlegenheit der zentral gesteuerten Plan- und Verwaltungswirtschaft nachgewiesen werden. Hier setzte der VI. Parteitag der SED im Januar 1963 an und initiierte eine umfassende Wirtschaftsreform. Tatsächlich waren durchgreifende Reformen am zentralen Planungs- und Steuerungssystem der Wirtschaft notwendig, um ein höheres Wachstum zu erzielen; zudem war die Arbeitsproduktivität nach wie vor zu gering. Die im Beschluss des Ministerrats vom Juli 1963 festgelegten „Richtlinien über das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖSPL) intendierten eine Flexibilisierung der bestehenden sozialistischen Zentralplanwirtschaft durch partielle Reduzierung der zentralen Planung. Die einzelnen Branchen sollten die für ihre Entwicklung erforderliche Planung der Inves-

Einheitliches sozialistisches Bildungssystem

Neues ökonomisches System der Planung und Leitung (NÖSPL)

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Reformierungsversuche der Zentralplanwirtschaft

I. Enzyklopädischer Überblick

titionen, der Rohstoff- und Materialbeschaffung, der Produktion, des Warenabsatzes, aber auch notwendiger Kredite u. a. m. weitgehend selbst vornehmen, wobei die in ihnen integrierten Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVBs) übergeordnete Planungs-, Koordinierungs- und Kontrollaufgaben wahrzunehmen hatten. Neben der Lockerung bzw. Reduzierung zentraler Planung bestand ein zweiter Reformansatz darin, die bisherige Produktion stärker an sparsameren und effizienteren Kriterien auszurichten. Diese wurden als „ökonomische Hebel“ bezeichnet. Damit rückte die erhöhte Beachtung wirtschaftlicher Rechnungsführung in den Vordergrund. Gleichzeitig sollte die 1964 und 1967 erfolgende Neufestsetzung von Preisen für Güter und Material (sog. Industriepreisreform) zu einer realistischeren Planung und Bewirtschaftung beitragen. Parallel zu der durchaus auch an Gewinn und Ertrag orientierten Produktion der Betriebe sollten auch die Belegschaften durch steigende Prämien zu höherer Arbeitsproduktivität motiviert werden. In der Tat stieg die Arbeitsproduktivität in den Jahren 1964 und 1965 um 7 bzw. 6%, das gesamte Wirtschaftswachstum der DDR belief sich im gleichen Zeitraum auf 5%. Doch bereits im Herbst 1965 zeichnete sich ab, dass sich die großen Erwartungen nicht erfüllen würden. Strukturell-organisatorisches Hauptproblem blieb, dass der erweiterte ökonomische Entscheidungsspielraum der Betriebe letztlich doch immer wieder durch die Rahmenbedingungen ihnen übergeordneter, vorgegebener Planung eingeschränkt wurde. Als sich in der zweiten Jahreshälfte 1965 abzeichnete, dass der erwartete ökonomische Durchbruch nicht erfolgen würde, kulminierten die Auseinandersetzungen in der Partei und trieben den entscheidenden Kopf des Reformflügels, Erich Apel, der für Wirtschaftsfragen zuständig war, im Dezember in den Freitod. Im Zentrum der wirtschaftspolitischen Diskussion stand neben einer Überprüfung der Kompetenzverteilung zwischen der zentralen Planungsbehörde und den mittleren Ebenen der Wirtschaftsverwaltung vor allem die Durchführung einer Preisreform. Doch vor der volkswirtschaftlich notwendigen Erhöhung der Verbraucherpreise schreckten viele SED-Funktionäre angesichts des Traumas des 17. Juni 1953 zurück. Auch wenn das NÖS unter gewissen Einschränkungen zunächst weitergeführt wurde, bedeutete die ein halbes Jahr später erfolgende „Ablehnung des schrittweisen Übergangs zu annähernd kostendeckenden Preisen für Konsumgüter und Dienstleistungen (. . .) eine der ersten politischen Grundsatzentscheidungen gegen ökonomische Kriterien der Wirtschaftsführung“ (M. Kaiser).

2. Die DDR in den 1950er und 1960er Jahren

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2.6 Der VII. Parteitag der SED 1967, der „Prager Frühling“ 1968 und das Ökonomische System des Sozialismus (ÖSS) bis 1970 Ab Mitte der 1960er Jahre hatte sich die innere Lage der DDR weitgehend konsolidiert, als zweitstärkste Wirtschaftsmacht des RGW gewann der SED-Staat innerhalb des Ostblocks wachsendes politisches Gewicht. Walter Ulbricht stand auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er sah sich nun auch als Theoretiker des Marxismus-Leninismus legitimiert und definierte den in der DDR erreichten Stand des Sozialismus formationstheoretisch als eine „relativ selbständige Gesellschaftsformation“. Aufgrund seines – im Vergleich zu den übrigen „sozialistischen Bruderländern“ – hoch entwickelten industriellen Status maßte sich der SED-Staat somit eine führende Rolle im sozialistischen Lager an, was zumindest indirekt eine Distanzierung von der sowjetischen Vormacht und deren politisch-ideologischem Führungsanspruch bedeutete. Erneut rief der VII. Parteitag dazu auf, Ergebnisse von Forschung und Technik möglichst rasch in den Produktionsprozess einzubringen. Im Zeichen der „wissenschaftlich-technischen Revolution“ (WTR) sollte die verstärkte Anwendung moderner Leitwissenschaften unter dem Diktum „Produktivkraft Wissenschaft“ wie Datenverarbeitung, Kybernetik, Wirtschaftswissenschaften, aber auch Psychologie, Pädagogik und Soziologie zur weiteren Modernisierung der DDR-Wirtschaft und -Gesellschaft beitragen. Am 6. April 1968 trat nach einer angeblichen Volksaussprache durch einen Volksentscheid eine neue Verfassung in Kraft. Sie beinhaltete eine partielle Anpassung an die schon vor Erlass der ersten Verfassung von 1949 bestehenden tatsächlichen Herrschaftsstrukturen und Machtverhältnisse in der SBZ/DDR. Mit der Feststellung (Art. 1, Abs. 1), die DDR sei „die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirkliche“, wurde erstmals, wenngleich noch immer verklausuliert, die „Suprematie der Partei“ (S. Mampel) zum Ausdruck gebracht. Fast alle übrigen Verfassungsartikel verschleierten gleichfalls die in der DDR weiterhin bestehende Realität. So wurde der Volkskammer die oberste staatliche Gewalt zuerkannt (Art. 48), während in der Praxis das Politbüro diese Funktion völlig unumschränkt einnahm. Die tatsächlich ausgeübte Macht der SED und die Bestimmungen der Verfassung klafften so weit auseinander, dass zu Recht von einem „permanenten Verfassungsbruch“ (K. Schroeder) gesprochen werden muss.

Wachsende Bedeutung der DDR im Ostblock

Revidierte Verfassung der DDR von 1968

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Zerschlagung des tschechischen Reformkommunismus

Ökonomisches System des Sozialismus (ÖSS)

I. Enzyklopädischer Überblick

Darüber hinaus sollte die neue Verfassung auch der inzwischen gewandelten deutschlandpolitischen Situation Rechnung tragen, zumal die SED mit ihrer unablässig verkündeten Wiedervereinigungsrhetorik durch die neuen Initiativen der Ost- und Deutschlandpolitik, zunächst der großen Koalition unter Kiesinger/Brandt, besonders aber dann durch das sozial-liberale Kabinett Brandt/Scheel, seit Herbst 1969 in die Defensive gedrängt wurde. Im Unterschied zur Verfassung von 1949, die noch gesamtdeutsch ausgerichtet war, ging die neue von der Zwei-Staaten-Theorie aus und setzte die politische Wesensbeschreibung vor die nationale Zuordnung durch die Formel: „Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation“ (Art. 1, Abs. 1). Mit Argwohn hatte das SED-Regime zur Kenntnis zu nehmen, dass im Nachbarland CˇSSR der Versuch einer umfassenden Reform des bestehenden sozialistischen Systems in Gang gesetzt wurde. Bei der Bekämpfung der tschechischen Reformansätze, von ihr propagandistisch als schleichende „Sozialdemokratisierung“ diffamiert, stand die SED von Anfang an in vorderster Linie. Als schließlich die sowjetische Armee unter Mitwirkung weiterer Truppen aus den übrigen Ostblockstaaten am 20./21. August 1968 in Prag einrückte und die gesamte CˇSSR besetzte, sicherte die NVA die Grenze und die rückwärtigen Verbindungen. Damit wurde zwar der Prager Frühling gewaltsam beendet, doch grundlegende Fragen blieben offen, zumal der tschechische Reformkommunismus in der DDR-Bevölkerung große Beachtung gefunden hatte, insbesondere unter Intellektuellen und der jüngeren Generation. Wiederum setzte eine breite Überprüfungs- und Verhaftungswelle ein, um ein Weiterkeimen der Prager Ideen eines Sozialismus mit „menschlichem Antlitz“ zu verhindern. Gerade hinsichtlich der eigenen Versuche, die bestehende Zentralplanwirtschaft zu reformieren, stellte sich daher die Frage mit um so höherer Dringlichkeit, ob nicht größere Unabhängigkeit von Planvorgaben und Kontrollen auch mehr gesellschaftliche Mitbestimmung und damit mehr politische Freiheiten notwendig machen würden, was in letzter Konsequenz einen vollständigen Systemwandel bedeutet hätte. Dieser Zusammenhang wurde von der SED klar erkannt, um so mehr, als das tschechische Reformbeispiel die damit verbundenen Gefahren deutlich aufgezeigt hatte. Gleichwohl wurde 1968 der begonnene Reformansatz in Form des „Ökonomischen Systems des Sozialismus“ (ÖSS) noch einmal fortgesetzt, indem nun auch auf andere Wirtschaftsbereiche (Landwirtschaft, Banken, Handel sowie kommunale Einrichtungen) das Prinzip größerer

3. Die Honecker-Ära und die „Wende“ von 1989/90

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Eigenverantwortlichkeit übertragen wurde. Betriebe, aber auch LPGs oder HOs konnten über einen Teil des erwirtschafteten Nettoertrags weitgehend selbst verfügen, hatten jedoch gleichzeitig eine Produktionsfondsabgabe an den Staat zu leisten. Industriebranchen mit zu erwartendem hohen Wirtschaftswachstum (Elektroindustrie, Elektronik, Werkzeugmaschinenbau, Chemie) wurden hingegen wieder stärkerer zentraler Planung unterworfen. Gerade die damit verbundene, einseitige Förderung von „volkswirtschaftlich strukturbestimmenden Erzeugnissen, Erzeugnisgruppen, Verfahren und Technologien“ führte jedoch in den Jahren 1969/70 zu Engpässen, die sich im Winter 1970 zu einer Wachstumskrise ausweiteten. Zwar war die Gesamtproduktion der DDR-Wirtschaft in den Jahren 1961 bis 1970 erheblich gestiegen, doch fiel die Arbeitsproduktivität im Vergleich zur westdeutschen erneut zurück, ebenso wie das durchschnittliche Kaufkrafteinkommen der Bevölkerung (1960: 64% zu 1969: 55% Rückgang im Vergleich zur Bundesrepublik). Der ausschließliche Ideologie- und Herrschaftsanspruch der SED ließ die Entfaltung einer modernen Industriegesellschaft somit nicht zu.

3. Die Honecker-Ära und die „Wende“ von 1989/90 3.1 Der Machtwechsel von 1971 Der Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker im Frühjahr 1971 stellte für die weitere Entwicklung der DDR eine Zäsur dar, weil einerseits jene Führungsfigur ausschied, die wie keine andere das seit 1945 unter dem Schutz der Sowjetunion etablierte Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in der SBZ/DDR entscheidend mitgeprägt hatte, andererseits, weil damit auch ein markanter Wechsel der Politik, eine „strategische Neuorientierung“ (H. Weber) erfolgte, deren Konsequenzen von entscheidender Tragweite werden sollten. Ulbrichts Ablösung, die indes mehr einer erzwungenen Abdankung gleichkam, waren mehrjährige innerparteiliche Konflikte, insbesondere um die Wirtschafts- und Deutschlandpolitik vorausgegangen, die schließlich in den Jahren 1969 bis 1971 kulminierten. Zunächst hatte sich das von ihm vorangetriebene ökonomische Reformprogramm als Fehlschlag erwiesen. Eine wachsende Schar von Wirtschaftsfachleuten und Funktionären trat daher für die Beendigung der Reformen und die Rückkehr zur umfassenden zentralistischen Planung ein. Die innerhalb dieser Kreise um sich greifende Stimmung stärkte

Gründe für die Ablösung Ulbrichts

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VIII. Parteitag der SED beschließt Steigerung sozialpolitischer Leistungen

I. Enzyklopädischer Überblick

die Position Honeckers, der die Reformversuche schon seit längerem missbilligte. Zudem hatte sich seit dem Machtantritt der sozial-liberalen Koalition Brandt/Scheel innerhalb der SED-Führungsspitze wachsender Widerstand gegenüber Ulbrichts Deutschlandpolitik entwickelt. Seine illusionäre Hoffnung, durch eine engere wirtschaftliche Kooperation mit der Bundesrepublik die DDR so zu stärken, dass sie langfristig als ökonomisches wie soziales Modell auch für die westdeutsche Bevölkerung attraktiv werden könnte, widersprach der vorherrschenden Auffassung innerhalb der SED-Führung wie in der sowjetischen Führungsspitze; einerseits, weil sie politisch unrealistisch war, andererseits, weil Moskau keine eigenständige (Deutschland-)Politik der DDR neben der sowjetischen duldete. Ulbrichts Position erfuhr eine weitere Schwächung, als parallel zu den Verhandlungen der sozial-liberalen Koalition mit der Sowjetunion und Polen erstmals deutsch-deutsche Gespräche auf Regierungsebene geführt wurden. Die spontane Reaktion von DDR-Bürgern während des Treffens zwischen Brandt und Stoph in Erfurt im März 1970 hatte die SED-Führung verunsichert und machte zugleich die Brisanz deutlich, die deutsch-deutschen Verhandlungen innewohnte. Auch das Kasseler Gespräch im Mai zeigte, dass direkte Unterredungen zwischen Bonn und Ostberlin für die SED eher kontraproduktive Auswirkungen hatten. Die Vorentscheidung für Ulbrichts Rücktritt fiel während des XXIV. Parteikongresses der KPdSU in Moskau, als Breschnew dem Ersten Sekretär der SED eindringlich nahe legte, diese Funktion aufzugeben. Auf dem 16. Plenum des ZK der SED am 3. Mai 1971 erklärte Ulbricht offiziell seinen Rücktritt. Die weiterhin bestehenden außen-, innen- und wirtschaftspolitischen Probleme der DDR waren durch den Wechsel an der Führungsspitze jedoch nicht gelöst oder gar beseitigt. Vielmehr musste der zukünftigen Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der Politik nach Ulbricht essenzielle Bedeutung zukommen. Obwohl selbst kein Wirtschaftsfachmann, sondern ein Spezialist für innere Sicherheit, Kaderausbildung und ideologische Erziehung, schien Honecker die Verbesserung der Versorgungslage und die Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung nach den Problemen der letzten Jahre unerlässlich. Entsprechend wurde auf dem VIII. Parteitag die weitere „Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der Effektivität, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des Wachstums der Arbeitsproduktivität“ zur „Hauptaufgabe“ der künftigen Politik unter seiner Führung erklärt.

3. Die Honecker-Ära und die „Wende“ von 1989/90

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Tatsächlich bestand in der Steigerung sozialpolitischer Leistungen durchaus eine gewisse Chance, sich die Loyalität oder zumindest Neutralität der Bevölkerungsmehrheit zu sichern. Auf dieser Basis beschloss der VIII. Parteitag im Juni 1971 ein ganzes Bündel derartiger Maßnahmen. Es sah als Kernstück die Verbesserung der Wohnbedingungen durch ein umfassendes Bauprogramm vor. Weiterhin gehörten dazu: die Erhöhung der Mindestlöhne und Mindestrenten; die Arbeitszeitverkürzung für Frauen, insbesondere mit Kindern, einschließlich verlängertem Mutterschaftsurlaub und Geburtenbeihilfe, um Berufstätigkeit und Mutterschaft besser vereinbaren zu können; großzügige, z. T. zinslose Kredite sowie bevorzugte Wohnungszuteilung bei Eheschließungen; eine Verbesserung der medizinischen Versorgung und Betreuung und schließlich Ausbau und Ausweitung des Erholungswesens. Das eigentliche Problem dieses sozialpolitischen Leistungskonzeptes lag jedoch in seiner Finanzierbarkeit. Denn das Ansinnen, durch Intensivierung des Arbeitseinsatzes und des Produktionsprozesses, „sozialistische Rationalisierung“ genannt, den erhöhten Finanzbedarf abzudecken, war mit einem enormen Risiko behaftet. Bereits im Herbst 1971, nur ein halbes Jahr nach Honeckers Machtübernahme, hatte die Staatliche Plankommission (SPK) zu konstatieren, dass der Export von DDR-Waren in westliche, Devisen bringende Länder wahrscheinlich um 390 Millionen Mark verfehlt werden würde, Importe in die DDR aber um 100 Millionen Valutamark über dem Plan lägen. Zunächst jedoch wurde das Defizit durch Kredite aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsbereich (NSW) gedeckt. Im Frühjahr 1972 ließ Honecker die rasche Verstaatlichung der letzten noch bestehenden, rund 11 400 mittelständischen Industriebetriebe durchführen. Zwar besaßen diese – unter ihnen ca. 6500 halbstaatliche Betriebe – nur noch etwa 10% Anteil an der Gesamtproduktion, aber in der Textil- und Bekleidungsindustrie, bei Leder-, Schuh- und Rauchwaren nahmen sie mit ca. 30% noch immer eine beachtliche Position ein. Das Ziel einer verbesserten Versorgung durch Unterstellung dieser Betriebe unter die staatliche Planung wurde jedoch verfehlt. Ebenfalls vornehmlich ideologisch motiviert waren neue Bestimmungen im Bildungs- und Schulbereich. Die Bedeutung einer umfassenden, polytechnischen, 10-klassigen (Aus-)Bildung wurde akzentuiert. „Hervorragend ausgebildete Facharbeiter und kluge Sozialisten mit den Eigenschaften revolutionärer Kämpfer“ (Margot Honecker) sollten aus ihr hervorgehen. Die SED wünschte einen frühen, qualifi-

„Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“

Verstaatlichung der letzten Betriebe

Neue Bestimmungen im Bildungs- und Schulbereich

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Weiterer Ausbau des MfS

Erneute Verfassungsänderung 1974

I. Enzyklopädischer Überblick

zierten Arbeitseinsatz und einen ideologisch gefestigten Klassenstandpunkt der nachwachsenden Generationen. Angesichts der veränderten außen- und deutschlandpolitischen Lage, die jetzt mehr Kontakte zwischen den Deutschen in Ost und West ermöglichte, erhöhte sich das Abgrenzungsbedürfnis der Partei, wobei jedoch allzu offene Repression nicht das eben erst gewonnene, internationale Renommee schädigen sollte. Ein massiver, personeller und struktureller Ausbau des MfS war die Folge. Bis Mitte der 1970er Jahre stieg die Zahl der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) auf 180 000 (1968 noch 100 000). Gleichzeitig wurden zunehmend subtile, „weiche“ Repressionsmechanismen angewandt, die auch Formen ausgeklügelten Psychoterrors, in der Sprache der Staatssicherheit „Zersetzungsmaßnahmen“ einschlossen. Wie sehr die Ost- und Deutschlandpolitik der sozialliberalen Regierung das Interesse des SED-Regimes nach Abgrenzung verstärkte, demonstrierte im September 1974 eine erneute Verfassungsänderung. Nunmehr wurde jegliche Bezugnahme auf Deutschland und eine gemeinsame deutsche Nation getilgt. Statt dessen schrieb Artikel 6 fest, dass die DDR „für immer und unwiderruflich mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verbündet“ bleibe. Allerdings fand die Unterscheidung zwischen Staatsbürgerschaft und Nationalität, in Honeckers Worten: „Staatsbürgerschaft – DDR, Nationalität – deutsch“, unter den DDR-Bürgern kaum Zustimmung. 3.2 Die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte 1975 und die Ausbürgerung Biermanns 1976

Scheinbare Liberalisierung bis 1976

Der wirtschafts- und sozialpolitischen Kurskorrektur von 1971 folgten zunächst die „goldenen Jahre“ der DDR. Die beabsichtigte Immunisierungsfunktion von Honeckers „Konsumsozialismus“ gegenüber der durch die Entspannungspolitik erzwungenen Öffnung des SED-Staats schien bei weiten Bevölkerungskreisen anzuschlagen. Gleichwohl blieb die DDR auch Mitte der 1970er Jahre von beträchtlichen Widersprüchen geprägt. Auf der einen Seite eine spürbar verbesserte Versorgung, auf der anderen Seite eine steil ansteigende Verschuldung bei den westlichen Industriestaaten, wovon die Bevölkerung allerdings keine Kenntnis besaß. Kaum anders war die Situation in der Jugendpolitik oder auf kulturellem Gebiet. Jeans und Rockmusik waren nun geduldet, aber Fahnenappell und FDJ-Aktivitäten gehörten weiter zum Alltag. Kritischere Töne in Literatur und Kabarett wurden zwar hingenommen, aber Zensur und „Schere im Kopf“ bestimmten weiterhin die schrift-

3. Die Honecker-Ära und die „Wende“ von 1989/90

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stellerische Praxis. Zudem entwickelte sich aus den innerdeutschen Verträgen schließlich ein allmählich wachsender deutsch-deutscher Austausch, dessen subkutane Einwirkung auf die DDR-Bevölkerung nie völlig unterdrückt oder gar ausgeschaltet werden konnte. Nicht der Vergleich mit den übrigen sozialistischen Staaten bildete für sie den Maßstab, zumal die DDR in puncto industrieller Entwicklung und Wohlstand hier ohnehin an der Spitze stand, sondern der Vergleich mit der Bundesrepublik – das galt auch für die Partei. In dieser Situation bedeutete die Unterzeichnung der KSZESchlussakte am 1. August 1975 für das SED-Regime ein sichtbares Zeichen internationaler Anerkennung. Honeckers Präsenz unter den führenden Staatsmännern der Welt schien ein Stück endlich errungener Normalität widerzuspiegeln. Er stand in außen- und innenpolitischer Hinsicht auf dem Höhepunkt seiner Macht: Nur ein dreiviertel Jahr später (18.–22. 5. 1976) bestätigte der IX. Parteitag der SED seine eindeutige Führungsposition. Er wurde zum Generalsekretär ernannt und die Formel von der „untrennbaren Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ ins neue Parteiprogramm aufgenommen. Gleichwohl ist um die Mitte der 1970er Jahre jener Wendepunkt anzusetzen, welcher der weiteren Entwicklung des zweiten deutschen Staates die entscheidende Prägung geben sollte. Schon im Sommer 1976, nur ein Jahr nach Helsinki, wurde die SED-Führung von einer Flut von Ausreiseanträgen überrascht, die trotz zu erwartender massiver persönlicher, familiärer und beruflicher Repressalien bereits Zehntausende von DDR-Bürgern stellten, wobei sie sich ausdrücklich auf das auch von Honecker unterzeichnete Recht auf Freizügigkeit in der KSZE-Akte beriefen. Doch vor allem die Ausbürgerung Wolf Biermanns, eines überzeugten Sozialisten, aber entschiedenen Kritikers des SED-Regimes, im November 1976, nach einem Konzert in Köln, markierte mehr als nur eine entscheidende Wende der SED-Kulturpolitik und zog innenwie kulturpolitisch schwere Konflikte nach sich. Die Solidarisierung namhafter DDR-Autoren und Künstler mit Biermann führte binnen weniger Jahre zu ihrem Exodus in die Bundesrepublik. Ein Teil der Jugend und der kritischen Intelligenz wertete das Vorgehen der SED zu Recht als Symptom einer allgemeinen politisch-ideologischen Verhärtung. Die Veröffentlichung des Buches „Die Alternative“ in der Bundesrepublik im Frühjahr 1977 – eine systemimmanente Kritik am SEDStaat durch den Marxisten Rudolf Bahro, der noch im August des gleichen Jahres in der DDR verhaftet und im Juni 1978 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde – erregte kaum weniger Aufsehen als der

Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte

Die Ausbürgerung Wolf Biermanns

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I. Enzyklopädischer Überblick

Abdruck eines von SED-Funktionären verfassten „Manifests der Opposition“ im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Januar 1978. All diese Vorgänge illustrierten, dass der SED-Staat im Zeitalter der Massenkommunikation weder in der Lage war, sich gänzlich abzuschotten, noch seiner grundlegenden Probleme Herr zu werden. 3.3 Auswirkungen der ökonomischen Dauerkrise Ursachen der Wirtschafts- und Verschuldungskrise

Devisenbeschaffung durch KoKo

Die Ursachen für die wirtschaftliche Krisensituation in der DDR ergaben sich teils systembedingt aus der ineffizienten Planwirtschaft, teils resultierten sie aus der allgemeinen Verteuerung der Rohstoff- und Energiepreise auf dem Weltmarkt, teils waren sie Folge des verfehlten wirtschaftspolitischen Kurses seit 1971. Tatsächlich hatte die seit Ende 1970 begonnene Zurücknahme der Investitionsförderung von Schlüsselindustrien zu Einbrüchen im ohnehin bescheidenen Niveau hochwertiger Industrieprodukte geführt. Ebenso war das Konzept, wirtschaftliches Wachstum durch Intensivierung, Effizienzsteigerung und Einsparungen zu fördern, an der veralteten Industrieausrüstung und an den gestiegenen Rohöl- und Rohstoffpreisen gescheitert. Die überstürzt eingeleitete Förderung der Mikroelektronik ab Juni 1977 entzog überdies anderen Industriezweigen, nicht zuletzt der Leicht- und Konsumindustrie, dringend benötigte Investitionen. Auch das Konzept, mittels Kredite westlicher Staaten die eigene Wirtschaft durch gezielte Investitionen zu modernisieren, war nicht aufgegangen. Stattdessen waren die Verbindlichkeiten der DDR gegenüber westlichen Banken auf 25,3 Milliarden Valutamark (1980) gestiegen. Geringere Investitionen wiederum ließen die Arbeitsproduktivität stagnieren; bereits 1983 belief sie sich im Vergleich zur Bundesrepublik auf weniger als die Hälfte (47%). Wie sehr das Regime inzwischen unter dem Druck stand, buchstäblich um jeden Preis westliche Devisen hereinzubringen, zeigte sich auch am forcierten Ausbau der bereits 1966 gegründeten „Kommerziellen Koordinierung“ (KoKo). Diese rein marktwirtschaftlich operierende Institution (!) organisierte u. a. Verkäufe von Antiquitäten und Kunstgegenständen, zumeist aus Enteignungen stammend, sowie von Waffen und Blutkonserven ins westliche Ausland. Mit dieser z. T. illegal agierenden Institution gelang es bis 1989 immerhin, insgesamt ca. 25 Mrd. DM zu „erwirtschaften“. Der „Verkauf“ politischer Häftlinge an die Bundesrepublik, der in der Honecker-Ära ebenfalls zu einer beträchtlichen Devisenbeschaffungsquelle ausgebaut wurde, ist in dieser Summe nicht enthalten. Auch durch den Ausbau der Intershop-Läden

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und den Genex-Versandhandel, über die hochwertige westliche Industrieprodukte von DDR-Bürgern gegen West-Valuta erworben werden konnten, suchte das Regime Devisenbestände bei der eigenen Bevölkerung abzuschöpfen. Doch der seit Mitte der 1970er Jahre forcierte Export in den „nichtsozialistischen Wirtschaftsbereich“ vermochte das Anwachsen der Verschuldung nicht zu verhindern; stattdessen gingen damit auch negative Entwicklungen einher: Die Versorgung der Bevölkerung verschlechterte sich wieder, Produktionsanlagen und Maschinen veralteten und verschlissen – eine Folge ungenügender oder gänzlich ausbleibender Investitionen. Aus der unüberbrückbaren Kluft zwischen der ständig propagierten Überlegenheit der sozialistischen Wirtschaftsordnung und den konkreten Erfahrungen im Betriebsalltag erwuchs Zynismus, der die Arbeitsmotivation schwächte. Dennoch hielt die SED-Führung an dem unter Honecker eingeschlagenen Kurs fest, obwohl sich dessen Unfinanzierbarkeit bereits in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre abzuzeichnen begann, weil man sonst Unruhen unter der Bevölkerung und damit eine Gefährdung der eigenen Machtposition fürchtete. Grundlegende Änderungen waren aber auch deshalb kaum möglich, weil sich die DDR aufgrund vielfältiger und meist langfristiger wirtschaftspolitischer Vertragsverpflichtungen innerhalb des RGW in einem Prokrustesbett befand. Hochwertige industrielle Exportgüter, die auch auf dem Weltmarkt Absatz gefunden hätten, musste sie nicht selten zu Niedrigpreisen an ihre sozialistischen Partner liefern, allen voran die Sowjetunion. Als diese aufgrund massiver eigener ökonomischer Schwierigkeiten im Jahre 1981 ihre Erdöllieferungen von jährlich 19 auf 17 Millionen Tonnen reduzierte, verringerten sich auch die Möglichkeiten der DDR drastisch, durch Veredelung von Rohölprodukten westliche Devisen zu erwirtschaften. Faktisch bewegte sich der SED-Staat bereits zu diesem Zeitpunkt am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Erst zwei Kredite in den Jahren 1983 und 1984 in Höhe von insgesamt 1,95 Mrd. DM, für welche die Bundesrepublik eine Garantie übernahm, stellten die Kreditwürdigkeit der DDR wieder her. Dennoch war die aufgelaufene Verschuldung in westlicher Valuta nicht mehr auszugleichen, zumal sie rapide weiter anstieg (1980: 25,3 Mrd. Valutamark; 1985: 30,0 Mrd.; 1987: 34,7 Mrd.). Auch die kleinste, noch bestehende Chance auf Besserung der katastrophalen Wirtschaftssituation schwand, als 1986 erneut ein Anstieg der Rohölpreise erfolgte.

Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit durch die Bundesrepublik

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I. Enzyklopädischer Überblick

3.4 Die Entstehung oppositioneller Gruppen in den 1980er Jahren und der Weg in die „Wende“

Ursachen für die Entstehung oppositioneller Gruppen

Verhältnis von Kirchen und SED

Die wirtschaftliche wie politische Erstarrung, die das „System“ ab Mitte der 1980er Jahre zunehmend prägte, wurde von der Bevölkerung aufmerksam registriert. Bereits Ende der 1970er Jahre zeigten sich in der Gesellschaft vermehrt Krisensymptome. In diesem Zeitraum kamen allmählich kleine Zirkel und Gruppen auf, deren Entstehung unterschiedlichen Motiven entsprang. Die Tatsache, dass öffentliche Diskussionen über bestehende Probleme in Staat und Gesellschaft nicht möglich waren, stellte vielleicht die wichtigste Ursache dar. Auch die sich wieder verschärfende internationale Lage trug zu ihrer Entstehung bei: Der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan Ende des Jahres 1979, die sowjetische Stationierung von Mittelstreckenraketen in Osteuropa und der DDR, der mit dem NATO-Doppelbeschluss die Androhung der Stationierung analoger Waffensysteme in Westeuropa und der Bundesrepublik folgte, und schließlich das Aufbrechen der seit langem angestauten Krise in Polen – dies alles ließ den Wunsch nach Frieden durch Abrüstung laut werden. Indirekte Unterstützung erfuhr die Entstehung solcher Gruppen in der DDR auch durch die Friedensbewegung in der Bundesrepublik. In der Tat waren die Deutschen in Ost und West diejenigen, die am stärksten von der Aufrüstung bedroht waren. Die Gruppenbildung stellte aber auch eine Reaktion auf die permanente Selbststilisierung der DDR als Friedensstaat dar, die im krassen Widerspruch zur forcierten Militarisierung von Staat und Gesellschaft stand. Das Engagement für eine sauberere Umwelt ergab sich u. a. aus den wachsenden, täglich erfahrbaren Belastungen von Luft und Wasser in der DDR, hervorgerufen durch die extensive Industrialisierungspolitik seit Ende der 1970er Jahre. Das Eintreten für Menschen- und Bürgerrechte wiederum resultierte aus der im SED-Staat tatsächlich bestehenden defizitären Situation. Das Treffen Honeckers mit dem Vorstand des Evangelischen Kirchenbundes am 6. März 1978 spiegelte zugleich die ambivalente Lage wider, in der sich die SED gegenüber den Kirchen befand. Angesichts eines faktisch rechtlosen Zustands war den Kirchenleitungen daran gelegen, eine Reihe ungelöster Probleme anzusprechen, um auf dem Wege der Vereinbarung ein einigermaßen verlässliches Verhältnis zu Staat und Partei zu gewinnen; dies betraf z. T. wirtschaftliche, versorgungsrechtliche und karitative Fragen. Die SED wiederum war aufgrund der sich verschlechternden ökonomischen Lage am Erhalt kirchlicher und sozialer Einrichtungen interessiert, da diese ohne deren

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finanzielle Unterstützung dem Staat zur Last gefallen wären. Außerdem erwartete sich die Parteiführung von den Kirchen in der DDR einen mäßigenden Einfluss auf die entstehenden regimekritischen Gruppen und deren „ständige Formulierung sozialismuskritischer Positionen“ (H. Dohle). Darüber hinaus sollte ein verbessertes Verhältnis zwischen Staat und Kirchen außen- wie deutschlandpolitisch zu einem Prestigegewinn des SED-Staates beitragen. Wie problematisch das beiderseitige Verhältnis jedoch blieb und wie die Kirchen, z. T. wider Willen, zu Foren der Diskussion politischer und gesellschaftlicher Probleme wurden, erwies sich jedoch nur ein halbes Jahr später bei der Einführung des Wehrkundeunterrichts als Pflichtschulfach an den Polytechnischen Oberschulen zum 1. September 1978. Der Erlass sah eine verstärkte vormilitärische Erziehung bis in die Kindergärten hinein vor. Daraufhin beschlossen einige Kirchenleitungen ein Studien- und Aktionsprogramm „Erziehung zum Frieden“ mit jährlichen Friedensdekaden. Die vornehmlich im kirchlichen Umkreis entstehenden Gruppen führten jedoch nach wie vor ein völliges Randdasein in der Gesellschaft. Denn „die Opposition“ hat es auch angesichts der sich verschärfenden politischen und ökonomischen Dauerkrise in den 1980er Jahren in der DDR nicht gegeben. Die Masse der Bevölkerung blieb, wie dies Friedrich Schorlemmer charakterisiert hat, „stimmlos-stumm“. Im Unterschied zu den oppositionellen Gruppen wuchs hingegen die Gruppe der Ausreiseantragsteller im Verlauf der 1980er Jahre zu einer Massenbewegung an, deren Zahl sich zwischen 1980 (21 500) und 1989 (125 000) versechsfachte. Zwei Ausreisewellen (1984 und 1988) führten zwar zu einer zeitweiligen Reduzierung dieses inneren Konfliktpotenzials, ermunterten aber viele weitere DDR-Bürger zur Antragstellung. In die ab Mitte der 1980er Jahre um sich greifende Frustration über die spürbare Erstarrung des Systems fiel der Regierungsantritt Gorbatschows in der Sowjetunion im Frühjahr 1985. Das von ihm verkündete Reformprogramm mit den Schlagworten Glasnost und Perestroika (Offenheit und Umgestaltung), womit eine tief greifende Modernisierung des „real existierenden“ Sozialismus durchgeführt werden sollte, wurde von vielen DDR-Bürgern wie ein unerwarteter Lichtschein in tiefer Dunkelheit empfunden. Dass Gorbatschows Politik und Persönlichkeit so breites, z. T. euphorisches Interesse zuteil wurde, resultierte indes auch aus den ablehnenden Reaktionen der SED-Führung selbst. Instinktiv und durchaus realistisch erkannte man, dass eine sozialistische Reformpolitik die eigene Machtposition gefährden könnte.

Wachsende Zahl von Ausreiseantragstellern

Regierungsantritt Gorbatschows

Ablehnung von Glasnost und Perestroika durch SED-Führung

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MfS stürmt Berliner Umweltbibliothek

I. Enzyklopädischer Überblick

Entsprechend distanzierte sich die SED-Spitze zunehmend und geriet dadurch in eine nach jahrzehntelanger Verkündung unverbrüchlicher Freundschaft mit der Sowjetunion („Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“) unglaubwürdige Defensivposition. Diese Haltung verstärkte auch bei manchen SED-Mitgliedern eine schon früher eingetretene innerliche Distanzierung von der Partei und ihrer Führung. Damit schwand, von der Bevölkerung sensibel registriert, die Geschlossenheit der Partei; insbesondere wuchs die Kritik an den als vergreist empfundenen Politbüro-Mitgliedern. Hatten die regimekritischen Gruppen zumeist nur am Rande der DDR-Gesellschaft existiert und waren von dieser auch nur marginal wahrgenommen worden, so rückten sie seit der zweiten Jahreshälfte 1987 erstmals in den Blickpunkt einer größeren Öffentlichkeit, nicht zuletzt durch die Berichterstattung westdeutscher Medien. Nachdem sie im Kontext des Honecker-Besuchs in Bonn im September 1987 noch kurzfristig von einer gewissen deutschlandpolitisch motivierten Zurückhaltung der „staatlichen Organe“ profitieren konnten, legte das Regime unmittelbar danach wieder eine härtere Gangart ein und spitzte damit die latent bestehende Konfliktsituation zu. Mit der Stürmung der Berliner Umweltbibliothek durch das MfS in der Nacht vom 24./25. November 1987 und der Verhaftung ihrer Mitarbeiter wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht, zumal Mitglieder und Sympathisanten von Oppositionsgruppen diesem Vorgehen im Schutze der kirchlichen Bannmeile mit öffentlichen Mahnwachen und Protestkundgebungen begegneten, um die Freilassung der Verhafteten zu erzwingen. Vor allem die noch unmittelbar vor dem Einschreiten der Stasi in Berlin gegründete Arbeitsgemeinschaft Staatsbürgerschaftsrecht bewirkte, dass sich Ausreisewillige und Oppositionelle zusammenfanden und damit die Isolation der Antragsteller durchbrachen. Mehr als bisher entstanden solche Gruppierungen nun auch in anderen Städten der DDR. Die Entscheidung von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft, mit eigenen Transparenten und Plakaten an der offiziellen LuxemburgLiebknecht-Demonstration am 17. Januar 1988 teilzunehmen, nahm den Konflikt mit dem Regime bewusst in Kauf. Auch wenn das Gros der Demonstranten noch unmittelbar vor Beginn des Umzuges festgenommen wurde, gelang es westdeutschen Fernsehteams, entscheidende Konfliktszenen festzuhalten und zu einer erstrangigen Meldung zu machen. Wie im November zuvor, jetzt jedoch noch umfassender, erhob sich massiver Protest, um die Verhafteten wieder frei zu bekommen. Der Widerstand gegen die Verhaftungen, aber auch gegen

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die Abschiebungen in den Westen, ließ die Hoffnung wachsen, dass die entstandene oppositionelle Basis, einschließlich ihrer Sympathisanten, auf lange Sicht nicht mehr unterdrückt werden könnte. Die Vorgänge in Berlin wie auch die Friedensgebete in Leipzig zeigten, dass „die Opposition“ allmählich dazu überging, den kirchlichen Schutzraum zu verlassen. Zu dieser Entwicklung trugen auch die unter verstärktem staatlichen Druck stehenden Kirchenleitungen bei, da sie den von den Gruppen hervorgerufenen Konflikt mit der „Staatsmacht“ meist zu vermeiden suchten und ihrerseits restriktiver gegen jene vorgingen. Vor diesem Hintergrund markierten die Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 und ihre Folgen einen DDR-weiten Einschnitt. Da eine Wahlfälschung von vornherein erwartet worden war, überprüften viele Gruppen mit einer z. T. landesweiten Beobachtung erstmals deren praktische Durchführung und konnten die offensichtlichen Manipulationen bei den Auszählungen nachweisen. Die Reaktionen staatlicher Stellen auf die zahlreichen Einsprüche heizten die spannungsgeladene Atmosphäre weiter an und verstärkten das Protestverhalten. In Leipzig wurden Umzüge mit wachsenden Teilnehmerzahlen nach dem montäglichen Friedensgebet sowie unmittelbar sich anschließende Auseinandersetzungen mit Polizei und Sicherheitskräften zur Regel. Die daraus resultierende Eskalation musste naturgemäß die Frage nach sich ziehen, bis zu welchem Ausmaß die ohnehin schon praktizierte Gewaltanwendung durch die „Staatsmacht“ gehen würde. Dass die Parteiführung die brutale Niederschlagung des Studentenprotestes auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking am 4. Juni 1989 offen unterstützte, wurde als unmissverständliche Warnung aufgefasst. Unterdessen wurden in Ungarn im Mai 1989 die ersten Grenzsicherungsanlagen zu Österreich demontiert. Da diese Maßnahme von westlichen Fernsehsendern übertragen wurde, sprach sie sich in der DDR wie ein Lauffeuer herum. Vornehmlich Antragsteller, die seit Jahren auf ihre Ausreise warteten, sahen plötzlich die Chance, über Ungarn und sodann Österreich in die Bundesrepublik zu gelangen. Der Massenandrang an der österreichisch-ungarischen Grenze wie in der bundesdeutschen Botschaft in Budapest weitete sich von einem deutschdeutschen zu einem internationalen Politikum aus, zumal sich auch die Botschaften in Prag und Warschau sowie die Ständige Vertretung in Ostberlin mit Flüchtlingen füllten.

Die Fälschung der Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989

Grenzöffnung in Ungarn

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I. Enzyklopädischer Überblick

3.5 „Wende“ oder Revolution?

Die Bürgerrechtsbewegungen treten in die Öffentlichkeit

Massenflucht

Nach wie vor schwieg die SED-Führung jedoch zur bestehenden Lage. Erste Lücken bei Dienstleistungen traten auf bedingt durch diejenigen, welche die DDR verließen bzw. schon verlassen hatten. In diese Sprachlosigkeit fiel der Aufruf: „Aufbruch 89 – Neues Forum“ vom 10. September, dessen erster Satz bezeichnenderweise die gestörte „Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft“ als primäre Legitimierung anführte. Das Neue Forum wurde rasch zur bedeutendsten Oppositionsgruppe, blieb aber keineswegs die Einzige. Bereits am 28. August war ein Aufruf zu einer Sozialdemokratischen Partei (SDP) erfolgt, die am 7. Oktober gegründet wurde. Am 12. September rief die Gruppe Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung zur Gründung einer Bürgerbewegung Demokratie Jetzt auf. Ihr war der Aufruf zu einer politischen Vereinigung vom 23. August vorausgegangen, deren Gründung am 1. Oktober unter dem Namen Demokratischer Aufbruch (DA) erfolgte. Ein wichtiges Motiv all dieser Sammlungsbewegungen war die Überwindung der existierenden Sprachlosigkeit sowie die Forderung nach politischer Mitbestimmung. Der enorme Zulauf, den sie – insbesondere das Neue Forum – fanden, zeigte, wie die aus einer gesellschaftlichen Randposition kommenden Gruppierungen nun rasch eine Massenbasis gewannen. Obwohl sie allesamt politisch kaum mehr als eine durchgreifende Reform des „real-existierenden“ Sozialismus anstrebten, bedeutete dies aus Sicht der SED die KonterRevolution – tatsächlich war es ein revolutionärer Akt. Gleichzeitig ging die Massenflucht weiter. Am 11. September öffnete Ungarn um Mitternacht seine Westgrenze für alle DDR-Bürger; bis Monatsende flohen 30 000 über Österreich in die Bundesrepublik. Bald konnten die Botschaften der Bundesrepublik in Budapest, Prag und Warschau dem Ansturm von Ausreisewilligen aus der DDR nicht mehr standhalten. Nach schwierigen Verhandlungen am Rande der UNVollversammlung erreichten Kanzleramtsminister Seiters und Außenminister Genscher, dass die Flüchtlinge in Prag und Warschau ausreisen durften. Am Abend des 4. Oktober versammelten sich am Dresdner Hauptbahnhof mehrere Tausend Menschen, die auf die durchfahrenden Züge aufspringen wollten. Es kam zu einer blutigen Konfrontation zwischen Demonstranten, Polizei und Stasi. Am 7. Oktober, dem 40. Jahrestag der Gründung der DDR, schlugen in einigen Städten, besonders in Ostberlin, die als Volksfest geplanten Feierlichkeiten in spontane Protestkundgebungen um, die brutal auseinander getrieben wurden. Der staatlichen Gewalt setzten die Demonstranten nach anfänglichen

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Ausschreitungen zunehmend diszipliniert Gewaltlosigkeit entgegen. Es waren die Kirchen, die Oppositionsgruppen und die neuen politischen Vereinigungen, die diese Botschaft beschwörend ausgaben. Nachdem bereits am 2. Oktober nahezu 20 000 Menschen in Leipzig im Anschluss an das montägliche Friedensgebiet demonstriert hatten, fiel der Messestadt am 9. Oktober eine Schlüsselrolle zu. Obwohl die Staatsmacht alle entsprechenden Vorbereitungen getroffen hatte, die bevorstehende Demonstration gewaltsam aufzulösen, kamen nach Beendigung des Friedensgebetes ca. 70 000 Menschen zusammen und zogen am Abend über den Innenstadt-Ring. Durch die massenhafte Beteiligung an dieser Montagsdemonstration wurde deren minutiös geplante Auflösung seitens des MfS sowie bereitgestellter Sicherheitskräfte unmöglich. Der unblutige Ausgang der Demonstration in Leipzig am 9. Oktober und das Zurückweichen der SED-Führung wirkte als Fanal und Wendepunkt zugleich. Im ganzen Land stiegen die Teilnehmerzahlen bei Protestveranstaltungen sprunghaft an. Jedoch war in der Messestadt erst der Durchbruch, noch nicht der Sieg erkämpft worden. In den Bezirken, Kreisen, Städten, Gemeinden und Dörfern musste die Macht von SED und Stasi erst noch gebrochen werden, wobei sich die Entwicklung im Süden der DDR rascher vollzog als im Norden. Die permanenten Demonstrationen und der innere Machtzerfall zeigten auch in der Parteispitze Wirkung. In der Politbüro-Sitzung vom 17. Oktober wurde der überraschte Honecker zum Rücktritt gezwungen. Sein Nachfolger Egon Krenz, ein Mann des Parteiapparats, stellte fest, die SED müsse „eine Wende einleiten, (um) die politische und ideologische Offensive“ wieder zu erlangen. Die „Wende“ wurde damit zum populären Schlagwort für die Revolution von 1989/90 schlechthin – eine Ironie der Geschichte, zumal tatsächlich gemeint war, dass nur eine innerparteiliche Wende der SED eine eigenständige, nach wie vor sozialistische DDR erhalten könne. Die Politik der neuen Führung war vor allem auf Machterhalt ausgerichtet und wollte keine Demokratisierung zulassen. Doch ebensowenig, wie es Partei und MfS gelang, Protestveranstaltungen durch Machenschaften aller Art zu manipulieren und im politischen Sinne für die SED umzudrehen, ebensowenig vermochte die neue Regierung an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Mehr und mehr richtete sich der Volkszorn auch gegen die Staatssicherheit. Interne Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Dienstobjekte, des Personals und seiner Privilegien waren die Folge – die Vernichtung kompromittierender Akten begann. Die Massendemonstration von mehr als einer halben Million

Unblutige Montagsdemonstration in Leipzig am 9. Oktober

Rücktritt Honeckers am 17. Oktober 1989

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Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989

Ablösung von Egon Krenz durch Hans Modrow

SED-Monopol endet

I. Enzyklopädischer Überblick

Teilnehmern am 4. November in Ostberlin erwies, dass das Regime Krenz kaum mehr über Rückhalt in der Bevölkerung verfügte. Als leitende Funktionäre von Partei und Staatssicherheit zudem über das tatsächliche Ausmaß der Verschuldung der DDR informiert wurden, brach für viele Parteiangehörige eine Welt zusammen; zwischen Mitte Oktober und Mitte November verließen allein 220 000 Parteimitglieder die SED. Unter dem Druck der eskalierenden Probleme widerfuhr der Regierung Krenz eine Fehlinformation, die binnen kurzem zur Weltsensation wurde. Angesichts der fortgesetzten Proteste gegen das neue Reisegesetz gab Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz am Spätnachmittag des 9. November Neuregelungen für die Ausreisebestimmungen bekannt und verstieg sich nach weiteren Fragen zu der Aussage, dass diese „sofort, unverzüglich“ in Kraft träten. Diese Meldung, die sogleich über die Medien verbreitet wurde, führte zu Massenansammlungen an den Ostberliner Grenzübergängen der Mauer. Noch am selben Abend öffneten die Grenztruppen die Schlagbäume – der „antifaschistische Schutzwall“ war durchbrochen. Der Fall der Mauer beendete den seit Kriegsende bestehenden Status quo zwischen den Blöcken und wurde zum Symbol für das Ende kommunistischer Gewaltherrschaft und des Kalten Krieges. Die in der Folge millionenfachen Besuche von DDR-Bürgern in Westberlin und der Bundesrepublik veränderten das revolutionäre Geschehen grundlegend: Der Wunsch nach Wiedervereinigung wurde nun zur dominierenden Zielsetzung. Damit wandten sich die Massen von den Oppositionsgruppen und ihrer vorherrschenden politischen Zielsetzung ab, die Zweiteilung Deutschlands beizubehalten und die DDR auf einem „dritten Weg“ zu einem reformsozialistischen Staat zu machen. Es war die „Wende in der Wende.“ Der Ruf: „Wir sind das Volk“ wurde zu: „Wir sind ein Volk“. Am 13. November verweigerten die Blockparteien der SED die weitere Gefolgschaft und erhoben die Forderung, ihren Führungsanspruch aus der Verfassung zu streichen und freie Wahlen zuzulassen. Am gleichen Tag wurde der in der SED als Reformpolitiker geltende Hans Modrow zum Vorsitzenden des Ministerrats gewählt. Am 1. Dezember wurde die führende Rolle der Partei aus der DDR-Verfassung gestrichen, damit endete ihr Machtmonopol. Nur zwei Tage später traten das gesamte Politbüro und das ZK zurück; am 6. Dezember legte auch Egon Krenz seine Ämter als Staatsratsvorsitzender und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates nieder. Ein Sonderparteitag der SED am 8. und 9. Dezember beschloss ihre Umbenennung in SED/PDS

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(Partei des Demokratischen Sozialismus). Ohne es offen zu äußern, wurde eine ebenfalls diskutierte Neugründung auch deshalb verworfen, weil das enorme Parteivermögen gesichert werden sollte. Nur in Ansätzen war bei der SED/PDS ein politischer Neuanfang zu erkennen, eher handelte es sich unter dem Druck der Ereignisse um eine notgedrungene Camouflage. Die von Modrow gebildete Koalitionsregierung konnte nur auf einen gewissen Vertrauensvorschuss zählen; die Probleme, vor denen sie stand, waren immens. Die vagen Reformen, die Modrow in seiner Regierungserklärung am 17. November angedeutet hatte, reichten nicht aus. Ohne Hilfe von außen konnte die selbst verursachte, fundamentale Wirtschafts- und Schuldenkrise nicht bewältigt werden. Mit dem ungeplanten Fall der Berliner Mauer hatte das Regime überdies die letzte Möglichkeit verloren, sich durch eine Lockerung der Grenzen zur Bundesrepublik entsprechende finanzielle Zuwendungen zu sichern. Dem nicht weiter konkretisierten Vorschlag Modrows einer Vertragsgemeinschaft beider deutscher Staaten setzte die Bundesregierung Bedingungen entgegen. Sie forderte u. a. freie Wahlen mit der Zulassung demokratischer Parteien, die Einführung marktwirtschaftlicher Mechanismen, die Einrichtung eines Devisenfonds für DDR-Reisende sowie die Abschaffung des Pflichtumtausches für Bundesbürger. Dies näherte sich den Forderungen der landesweiten Demonstrationen nach Einführung von Demokratie und Marktwirtschaft an, die möglichst schnell durch eine Wiedervereinigung realisiert werden sollten. Die eventuelle Verwirklichung einer Vereinigung beider deutscher Staaten, die so unerwartet rasch näher zu rücken schien, war jedoch nicht nur innen-, sondern vor allem auch außenpolitisch ein höchst diffiziles Problem. Nicht zuletzt aus diesem Grund vermied der Zehn-Punkte-Plan Bundeskanzler Helmut Kohls vom 28. November, mit dem die Bundesregierung von nun an die deutschlandpolitische Initiative übernahm, das Reizwort Wiedervereinigung und strebte zunächst die Bildung einer Föderation beider deutscher Staaten an. Der überwältigende Empfang, der Kohl am 19. Dezember in Dresden beim ersten Zusammentreffen beider Regierungschefs bereitet wurde, geriet jedoch unversehens zum politischen Auftrag der DDR-Bürger, die Wiedervereinigung so rasch wie möglich herbeizuführen. Seither wurde der Ruf nach Vereinigung beider deutscher Staaten auf den Demonstrationen immer lauter, wohingegen die Befürworter einer souveränen DDR zur Minderheit wurden. Schon knapp vier Wochen zuvor war dem SED-Regime eine unangenehme Instanz erwachsen, die nicht nur die Regierungspolitik,

Weiter bestehende Wirtschafts- und Finanzkrise

„Zehn-Punkte-Plan“ Bundeskanzler Helmut Kohls

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Einsetzung von runden Tischen

Auflösung des MfS

I. Enzyklopädischer Überblick

sondern auch alle für die Gesellschaft relevanten Bereiche kontrollieren wollte. Der Einrichtung eines zentralen „runden Tisches“ in Berlin nach polnischem Vorbild hatte Modrow bereits am 22. November zustimmen müssen; wenig später folgten viele Städte und Gemeinden diesem Beispiel. Meist unter kirchlicher Moderierung gelang es diesen proto-parlamentarischen Institutionen in harten Auseinandersetzungen mit dem alten Apparat, Aufklärung und Mitspracherecht in Bezug auf brennende politische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme zu gewinnen. Nachdem Demonstranten am 4. Dezember erstmals einige Bezirks- und Kreisverwaltungen der Stasi erstürmt und besetzt hatten, erhärtete sich der Verdacht, dass das neu geschaffene Amt für Nationale Sicherheit nur ein umstrukturiertes MfS darstellte. Anlass für diese Aktivitäten waren Informationen, dass belastende Dokumente weiterhin in großem Stil vernichtet würden. Doch erst der Sturm auf deren Zentrale in der Berliner Normannenstraße am 15. Januar 1990 führte zur Auflösung des „Schwerts und Schilds“ der Partei; erst jetzt wurde das ungeheure Ausmaß der Staatssicherheit sukzessive aufgedeckt. Die Folge war eine schwere Kompromittierung des Modrow-Regimes, dem vorgeworfen wurde, das MfS im Gewande des „Amtes für Nationale Sicherheit“ weiter zu decken. Nach ultimativen Forderungen des „runden Tisches“ musste Modrow von seinen Plänen Abstand nehmen, einen Verfassungsschutz und Nachrichtendienst zu schaffen. „Erst nach der zweiten Entmachtung der SED/PDS Ende Januar waren die Grundlagen der Diktatur wirklich überwunden“ (M. Richter). 3.6 Der Transformationsprozess

Wandel der Parteien und Massenorganisationen

Im Zuge der atemberaubenden politischen Gesamtentwicklung vollzog sich auch ein Wandel der Parteien und Massenorganisationen in der DDR. Während Letztere einem rapiden Mitgliederschwund unterlagen, schlossen sich die Blockparteien den westdeutschen Parteien Zug um Zug an und adaptierten damit das dort bestehende Parteiensystem. Damit setzte eine umfassende Transformation der bis dahin existenten politischen Strukturen ein. Nachdem sich Modrow gezwungen sah, mit dem zentralen „runden Tisch“ ein 4-Punkte-Programm auszuhandeln, wonach ab 5. Februar 1990 u. a. eine „Regierung der nationalen Verantwortung“ unter Einschluss von acht Mitgliedern oppositioneller Parteien und Gruppen gebildet und die Volkskammerwahl vom 6. Mai auf den 18. März vorverlegt werden sollte, standen alle Parteien und Oppositionsgruppen angesichts des unmittelbar bevorstehenden Wahlkamp-

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fes unter starkem Zeitdruck. Während die neu gegründete SDP, ab Mitte Januar in SPD umbenannt, allein in den Wahlkampf zog, bildeten die ehemalige Blockpartei CDU, zusammen mit dem Demokratischen Aufbruch (DA) und der Deutschen Sozialen Union (DSU), die Allianz für Deutschland (5. 2. 1990). Eine Woche später schlossen sich die frühere Blockpartei LDP mit der F.D.P.-Ost und der Deutschen Forumpartei (DFP) zum liberalen Bund Freier Demokraten (BFD) zusammen. Die für den Wendeprozess so entscheidenden Bürgervereinigungen, das Neue Forum (NF), Demokratie Jetzt (DJ) und die Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM), schufen sich im Bündnis 90 eine Wahlplattform. Die zur PDS mutierte SED schließlich stellte sich allein den Wählern. In Bezug auf demokratische Grundrechte, Normen und Werte hatten inzwischen alle Parteien, zumindest was ihre im Wahlkampf präsentierten Programme betraf, „eine Verfassungskonformität mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik“ hergestellt (A. Volkens/H.-D. Klingemann). Bei enorm hoher Wahlbeteiligung von 93,2% erreichte die Allianz für Deutschland 48,1%, die SPD hingegen nur 21,8% der Wählerstimmen. Die PDS wurde mit 16,3% drittstärkste Partei. Die Liberalen erzielten 5,3%, während Bündnis 90 nur 2,9% erhielt. Die Zusage der Allianz, rasch eine Währungs- und Wirtschaftsunion herzustellen, um sodann die schnelle Vereinigung beider deutscher Staaten herbeizuführen, hatte zweifellos zum Wahlerfolg geführt. Eine eindeutige Mehrheit der Wähler wünschte die zügige Einführung der D-Mark und der sozialen Marktwirtschaft. In ihrer konstituierenden Sitzung am 5. April 1990 beschloss die erste frei gewählte Volkskammer u. a. die Abschaffung des Staatsrats der DDR, einschließlich der Aufhebung der Verfassungspräambel. Vier Tage später kam es zur Bildung einer Großen Koalition aus CDU, DSU, DA, BFD und SPD, um die bevorstehenden Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Obgleich stark umstritten, einigte man sich darauf, die Wiedervereinigung nach Art. 23 GG, also durch Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes, durchzuführen und nicht gemäß Art. 146 GG eine neue Verfassung für ein vereinigtes Deutschland zu schaffen. Ein entscheidendes, bereits gemeinsam zu lösendes Problem sowohl der neuen Regierung der DDR unter Ministerpräsident de Maizière als auch der Bundesregierung bildete die Tatsache, dass allein zwischen November 1989 und März 1990 rund 360 000 DDR-Bürger in die Bundesrepublik übergesiedelt waren und dieser Strom weiter anhielt. Sollte sich das Bevölkerungs- und Arbeitskräftepotenzial der DDR nicht weiter reduzieren, mussten daher kurz- und mittelfristig

Bündnis west- und ostdeutscher Parteien und Bürgerrechtsgruppen

Volkskammerwahlen vom 18. März 1990

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Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion

Ländereinführungsgesetz vom 22. Juli 1990

Volkskammer beschließt Beitritt der DDR nach Art. 23 GG

I. Enzyklopädischer Überblick

tragfähige ökonomische und soziale Strukturen geschaffen werden, um die Fortsetzung dieser Abwanderung zu verhindern. Nachdem die Bundesregierung dem Modrow-Regime bereits am 7. Februar 1990 ein Angebot zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion unterbreitet hatte, strebte die Koalition eine solche an. Der schließlich im Rahmen eines Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR am 1. Juli 1990 in Kraft getretene „Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ sah auf dem nun einheitlichen Währungsgebiet einen Umtausch von 1:1 für Löhne, Gehälter, Renten, Mieten und Pachten vor; Guthaben wurden ab 4000 DM (Ost) im Verhältnis 1:2 bewertet. Gegenüber wirtschafts- und finanzpolitischen Effizienzkriterien behielten somit sozialpolitische Erwägungen die Oberhand. Ein umstrittenes Problem war die Eigentumsfrage. Hier einigte man sich auf den Kompromiss, dass Enteignungen zwischen 1945 und 1949 weiter als rechtskräftig gelten, enteignete Grundvermögen nach 1949 hingegen zurückgegeben werden sollten. Hinsichtlich der gleichzeitig geschlossenen Sozialunion erreichte die DDR-Regierung eine Übergangszeit, während derer die alten Leistungen der bestehenden Sozialversicherungen so lange aufrechterhalten werden sollten, bis die geforderte Anpassung an das System der Bundesrepublik erfolgt sei. Insgesamt wurde durch den Vertrag, „das währungs-, wirtschafts- und sozialpolitische System der Bundesrepublik vollständig übernommen“ (E. Jesse). Eine wichtige Voraussetzung zur konkreten Umsetzung des Staatsvertrages hatte die Volkskammer bereits mit dem Treuhandgesetz vom 17. Juni geschaffen, wonach diese als Anstalt des öffentlichen Rechts die rasche Privatisierung bisher in Staatsbesitz befindlicher Betriebe und Unternehmen durchführen sollte. Zur Rücknahme der 1952 von der SED durchgesetzten Abschaffung der Länder wurde am 22. Juli ein Ländereinführungsgesetz (LEG) verabschiedet. Mit einigen Abweichungen entstanden somit wieder die Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit Wirkung des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober neu. Nach längeren innenpolitischen Auseinandersetzungen um die Frage des Zeitpunkts sowie die Reihenfolge von Beitritt und gesamtdeutschen Wahlen, beschloss die Volkskammer schließlich am 23. August mit der breiten Mehrheit von 294 zu 62 Stimmen den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Art. 23 GG zum 3. Oktober 1990. Als nach Abschluss der „Zwei-Plus-Vier-Gespräche“ der „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ am 12. September

3. Die Honecker-Ära und die „Wende“ von 1989/90

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in Moskau unterzeichnet wurde, waren auch die internationalen außenpolitischen Voraussetzungen für die Wiedervereinigung gegeben. Damit war die DDR nur noch ein Staat auf Zeit. Nach nur zweimonatiger Verhandlung wurde am 31. August ein zweiter Staatsvertrag, der Einigungsvertrag, unterzeichnet, durch den die letztendliche staatsrechtliche, rechtliche und institutionelle Homogenisierung festgelegt wurde. Dieser umfasste Bestimmungen, die u. a. von der Finanzverfassung, der Schaffung neuer Bundesländer, über die Fortgeltung des DDR-Rechts bis hin zum § 218 reichten. Auch die richtungweisende Regelung des Zugangs und Umgangs mit dem Archiv- und Dokumentationsmaterial des MfS ist hier enthalten (StasiUnterlagengesetz). Schließlich konnte am 3. Oktober 1990, fortan ein staatlicher Feiertag, die Wiedervereinigung vollzogen werden. Binnen eines Jahres hatte eine demokratische, weitgehend gewaltfreie Revolution die mehr als vierzigjährige Herrschaft der KPD/SED beendet. Dieser epochemachenden „Wende“ war, in einem unmittelbar daran anschließenden, umfassenden Transformationsprozess, die „rechtliche und institutionelle Übertragung eines demokratischen Gesellschaftssystems“ (K. Schroeder) gefolgt. Insgesamt gesehen ist die DDR aus mehreren Gründen zusammengebrochen, wobei zwischen äußeren und inneren Faktoren unterschieden werden muss, die sich ab Mitte der 1980er Jahre zunehmend verschränkten. In externer Hinsicht wurde die Machtübernahme Gorbatschows im Jahre 1985 und die von ihm verfolgte Reform des „realexistierenden“ Sozialismus entscheidend. Sie führte zu einer auch für die Bevölkerung in der DDR unübersehbaren Distanzierung des SEDRegimes von der Sowjetunion, die bis dahin dominierender Bezugspunkt gewesen war. Noch folgenreicher war die Aufgabe der Bestandsgarantie der UdSSR für die DDR. Das Nichteingreifen sowjetischen Militärs während der Revolution von 1989/90 besiegelte faktisch das Ende des sozialistischen deutschen Staates. Darüber hinaus ist die „Wende“ in der DDR Teil des osteuropäischen Revolutionsprozesses beim Zusammenbruch sozialistischer Herrschafts- und Gesellschaftssysteme gewesen, der seinerseits durch Reformversuche und zunehmende Schwächung der Sowjetunion bedingt war. Die internen Gründe sind zunächst in der von Anfang an fehlenden demokratischen Legitimation des mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht von der KPD/SED errichteten Herrschaftssystems zu sehen. Zudem gelang es nie, ein leistungsfähiges Wirtschaftssystem zu entwickeln, das international konkurrenzfähig war und mehr als nur die Grundversorgung der Bevölkerung zu befriedigen vermochte. Aus die-

Einigungsvertrag vom 31. August 1990

Gründe für den Zusammenbruch der DDR

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I. Enzyklopädischer Überblick

ser ökonomischen Ineffizienz resultierte ab Mitte der 1970er Jahre eine hohe Verschuldung, die nicht mehr mit eigener Kraft zu bewältigen war. Mit den wachsenden Wirtschafts-, Finanz- und Versorgungsproblemen nahm auch der innenpolitische Druck zu. Ab Mitte der 1980er Jahre klafften Anspruch und Wirklichkeit des „real existierenden“ Sozialismus immer mehr auseinander. Die spürbare Erstarrung des Systems wurde in allen Bevölkerungsschichten bis in die SED hinein als massiver Reform- und Modernisierungsstau registriert. Durch den massenhaften Exodus von DDR-Bürgern, die ihr Land im Spätsommer 1989 verließen und dem öffentlichen Hervortreten von oppositionellen Bürgergruppen war das Ende des SED-Staates besiegelt. Eine demokratische Revolution hatte nicht nur eine sozialistische Diktatur abgeschüttelt, sie führte auch zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten in einem völlig veränderten internationalen Kontext.

DDR-Forschung von den Anfängen bis zur „Wende“

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung Die gebräuchliche, aber nicht von Anfang an verwendete Bezeichnung DDR-Forschung ist nicht völlig kongruent mit dem konkreten Forschungsgegenstand selbst. Denn zur Erforschung des von der KPD/ SED mit Hilfe der Sowjetunion in Mitteldeutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges errichteten „real“-sozialistischen Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems im engeren Sinne gehört auch die Sowjetische Besatzungszone (SBZ), die Deutschlandpolitik unterschiedlicher Mächte sowie die Beziehungen beider deutscher Staaten. Hinzu kommen der sog. intersystemare Vergleich zwischen Bundesrepublik Deutschland und DDR sowie der intrasystemare Vergleich der DDR mit den (früheren) Ostblockstaaten im weiteren Sinne. Beide Vergleiche können zwar nur zum Grenzbereich der DDR-Forschung gerechnet werden, bilden aber als sog. vergleichende Deutschlandforschung ebenfalls ihren Gegenstand.

Begriffsbestimmung und Forschungsgegenstand

1. Entwicklung der DDR-Forschung von den Anfängen bis zur „Wende“ 1.1 Voraussetzungen und Grundprobleme Obgleich die Existenz und Entwicklung der SBZ/DDR im Zeichen des Kalten Krieges und der Spaltung Deutschlands fortwährend eine internationale und deutschlandpolitische Aktualität höchsten Ranges besaß, ist der „zweite deutsche Staat“, gemessen an seiner tatsächlichen politischen Bedeutung, in der früheren Bundesrepublik erst mit Verzögerung zum Gegenstand wissenschaftlicher Erforschung geworden. Damit korrelierte, dass eine fundierte, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der SBZ/DDR, trotz früh einsetzender, kontinuierlicher Dokumentation ihrer Entwicklung [vgl. SBZ-Archiv 1950–68 sowie 83: SBZ von A bis Z], anfangs nur von wenigen Forschern betrieben wurde, deren erste Analysen indes Maßstäbe setzten [vgl. 154: O. STAMMER, Sozialstruktur und System; 155: C. STERN, Bolschewistische Partei;

Später Beginn der DDR-Forschung

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„Mutterwissenschaften“ und DDR-Forschung

Problematik der Quellenlage

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

149: E. RICHERT, Macht ohne Mandat]. Vornehmlich resultierte diese bis Anfang der 1960er Jahre defizitäre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der SBZ/DDR aus der bis zum Mauerbau von 1961 in der früheren Bundesrepublik vorherrschenden Auffassung, dass der damals häufig noch als „SBZ bzw. (Ost-)Zone“ bezeichnete „Ulbricht-Staat“ nur ein Staat auf Zeit sein würde. Zur Herausbildung der sich in der Folge als Fachdisziplin mit Anlehnung an die jeweiligen „Mutterwissenschaften“ etablierenden DDRForschung hat sodann beigetragen, dass anfangs mehrere Fachwissenschaften, insbesondere Politik-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften sowie die Pädagogik und Osteuropa-Forschung, früher als die Zeitgeschichte selbst, an der Erforschung der SBZ/DDR beteiligt waren. In institutioneller und wissenschaftsorganisatorischer Hinsicht blieb sie jedoch „eine gleichsam freischwebende Disziplin . . ., mit geringer institutioneller Verankerung, starker Projektorientierung, von persönlicher Initiative und finanzieller Unterstützung politischer Instanzen in besonderer Weise abhängig“ [157: R. THOMAS, Reflexionen, 1058–1072; 1059]. Daraus ergab sich, dass die DDR-Forschung, die sich in ihren Anfängen teils durchaus als „Wiedervereinigungswissenschaft“ verstand, teils aber auch als solche kritisiert wurde, eine überwiegend dezentrale Wissenschaftsstruktur aufwies; zur Einrichtung zentraler Institutionen ist es in der früheren Bundesrepublik nur vereinzelt gekommen. Als die (westliche) DDR-Forschung permanent erschwerender Faktor erwies sich von Anfang an das Quellenproblem – und dies bis 1989/90, da der Zugriff auf und die entsprechende Auswertung von genuinen Archivalien, insbesondere solchen aus den Entscheidungsgremien, nur in seltenen Ausnahmefällen möglich gewesen ist. Häufig vermochten deshalb die vorwiegend auf Sekundärquellen basierenden Untersuchungen nur zu eingeschränkten Bewertungen zu gelangen. Dies führte zu einer spezifischen Erkenntnisunsicherheit [vgl. 158: R. THOMAS, DDR-Forschung, 126–136; 132]. Gleichwohl verbesserte sich die Quellenlage auf einigen Forschungsfeldern im Lauf der Zeit, zumal in Publikationen aus der DDR bzw. anderen Ostblockstaaten wissenschaftlich verwertbare Dokumente veröffentlicht wurden. Außerdem standen für die Frühphase der SBZ/DDR teilweise Akten der westlichen Besatzungsmächte zur Verfügung. Insgesamt jedoch hat der erschwerte Zugriff auf Primärquellen die westdeutsche DDR-Forschung bis zum Zusammenbruch des SEDStaates in beträchtlichem Maß behindert, auch wenn dies hinsichtlich der jeweils bearbeiteten Thematik im Einzelnen variierte.

DDR-Forschung von den Anfängen bis zur „Wende“

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Darüber hinaus ist es für die damalige wie die heutige DDR-Forschung symptomatisch, dass sie auch selbst „stets ein politisches Feld [darstellte; G.H.] und von politischen Konstellationen abhängig“ blieb [153: I. SPITTMANN, Zweites Leben, 459 f.; 459]. Dies ergab bzw. ergibt sich bereits aus dem Forschungsgegenstand selbst, resultiert aber auch aus dessen besonderer Politik- und Gegenwartsnähe. Zudem nimmt der SED-Staat in Politik und Medien nach wie vor einen Spitzenplatz des aktuellen Interesses ein. Schließlich handelt es sich um ein Forschungsobjekt, das nicht nur immer wieder selbst Anlass internationaler und innerer Konflikte gewesen ist, sondern auch tief greifend auf kollektive wie individuelle Lebensläufe und -verhältnisse vieler Deutscher vor und nach 1989/90 eingewirkt hat.

Politische Konstellationen und DDR-Forschung

1.2 Die Erforschung der Geschichte der SBZ/DDR durch die marxistisch-leninistische Geschichtswissenschaft in der DDR Ähnlich wie in der Bundesrepublik kann in der SBZ/DDR von einer – in den Grenzen marxistisch-leninistischen Wissenschaftsverständnisses – erfolgenden Erforschung der eigenen Geschichte ebenfalls erst ab Mitte der 1960er Jahre gesprochen werden. Diese blieb allerdings von Anfang an propagandistisch ausgerichtet und in ihrer „wissenschaftlichen“ Analyse und Interpretation immer von der SED und ihren jeweiligen politisch-ideologischen Positionsbestimmungen abhängig. Zudem sollten seit Mitte der 1970er Jahre Forschungen zur eigenen Geschichte die Entwicklung der SBZ/DDR gleichsam aus sich selbst heraus legitimieren – und zwar „als Höhepunkt deutscher Geschichte“ allgemein [vgl. 142: A. FISCHER/G. HEYDEMANN, Geschichtswissenschaft und Geschichtsverständnis, 3–30; 27]. Symptomatisch für die marxistisch-leninistische Ideologie und das Selbstverständnis der SED war die meist von Parteitag zu Parteitag vorgenommene Einschätzung und Bestimmung des erreichten Entwicklungsstandes der SBZ/DDR in Form einer spezifischen Etappenperiodisierung nach Maßgabe der marxistisch-leninistischen Formationstheorie. Ausgehend von einer angeblich gesetzmäßigen Abfolge sich immer höher entwickelnder Gesellschaftsformationen (Urgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus/Kommunismus) wurde mit dieser politisch-ideologischen wie zeitgeschichtlichen Standortbestimmung das von der KPD/SED errichtete Herrschafts- und Gesellschaftssystem jeweils neu definiert und legitimiert. Es ist leicht einzusehen, dass diese polit-ökonomischen und zugleich ideologisch determinierten Etappendefinitionen keine Grund-

Marxistisch-leninistische Formationstheorie

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

lage für eine realistische bzw. wissenschaftlich objektivierbare Einschätzung der tatsächlichen Lage der SBZ/DDR in politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht bilden konnten. Die westliche bzw. westdeutsche DDR-Forschung konnte diese Positionsbestimmungen jedoch auch nicht übergehen, zumal sie gleichzeitig in scharfer Abgrenzung von der Bundesrepublik und deren fortwährend negativer politischer Stigmatisierung durch die KPD/SED formuliert wurden. Vielmehr ergab sich aus diesen gegensätzlichen Positionen und Perspektiven beider DDR-Forschungen ebenfalls ein permanentes Spannungsverhältnis, parallel zu den während der Teilung auf allen Ebenen konkurrierenden deutschen Staaten. 1.3 Anfänge der DDR-Forschung in den 1950er Jahren

DDR-Forschung in den 1950er und 1960er Jahren

An der Etablierung der zunächst SBZ-, dann DDR-Forschung waren anfangs vor allem Wissenschaftler beteiligt, die aufgrund persönlicher Erfahrungen aus der SBZ/DDR in den Westen geflohen waren. Schicksal und Erlebnisse der Betroffenen prägten daher erste Forschungsarbeiten und Interpretationen naturgemäß nachhaltig. Dabei schien in dieser Anfangsphase der DDR-Forschung ausschließlich ein bisweilen vereinfachtes Totalitarismusmodell geeignet, das nach 1945 in der SBZ/DDR entstandene sozialistische Herrschafts- und Gesellschaftssystem adäquat analysieren zu können. Zu den Vorreitern gehörte die Wirtschaftswissenschaft [vgl. 156: K. C. THALHEIM, Wirtschaftswissenschaftliche DDR-Forschung, 251–270]. Das nach Kriegsende von Ferdinand Friedensburg in Berlin gegründete Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) war von Beginn an gesamtdeutsch ausgerichtet und betrieb eine kontinuierliche Analyse der ökonomischen Entwicklung in der SBZ/DDR. Ab Anfang der 1950er Jahre folgten die Politik- und Sozialwissenschaft, nachdem Otto Stammer, ebenfalls in Berlin, begonnen hatte, am Institut für Politische Wissenschaft der Freien Universität „eine empirisch orientierte sozialwissenschaftliche SBZ/DDR-Forschung zu etablieren“ [vgl. 157: R. THOMAS, Reflexionen, 1058]. Insgesamt konzentrierten sich diese ersten Forschungsarbeiten auf das Herrschaftssystem, die Parteistruktur und -organisation, die Kaderpolitik, die wirtschaftliche Entwicklung sowie auf Erziehung und Bildung. Allerdings nahmen diese frühen Institutionen der DDR-Forschung in der damaligen bundesdeutschen Wissenschaft nur Randpositionen ein. Denn obgleich inzwischen zwei deutsche Staaten existierten und sich die Chancen auf eine Wiedervereinigung stark reduziert hatten,

DDR-Forschung von den Anfängen bis zur „Wende“

51

blieb in Politik wie Wissenschaft ein Denken vorherrschend, das trotz der Hochphase des Kalten Krieges noch immer von einer gesamtdeutschen Perspektive ausging, in dem die DDR nach wie vor als Provisorium betrachtet und entsprechend auch nach 1949 als „SBZ“ apostrophiert wurde. Symptomatisch hierfür war der von der Bundesregierung im Jahre 1952 gegründete „Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen“, dem die Ausarbeitung eines wirtschaftlichen Sofortprogramms für den Fall der Wiedervereinigung oblag [vgl. 374: K. C. THALHEIM, Wirtschaftswissenschaftliche DDR-Forschung in der Bundesrepublik, 1072–1080]. Erst Ende der 1960er Jahre fand die Geschichtswissenschaft Anschluss an die übrigen Wissenschaftszweige der DDR-Forschung mit der ersten umfassenden Geschichte der SBZ/DDR [135: H. WEBER, SBZ zur DDR]. 1.4 Die Entwicklung der DDR-Forschung in den 1960er und 1970er Jahren In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre vollzog sich in der DDRForschung ein Paradigmenwechsel, der im Kern in einer zunehmend kritischen bis ablehnenden Einschätzung der Erklärungskraft und Reichweite des totalitarismustheoretischen Ansatzes bestand [vgl. 150: K. SCHROEDER, (Spät-)totalitäre Gesellschaft, 525–562 sowie E. JESSE, Die DDR-Forschung vor und nach der „Wende“ 1989/90, in 118: Enquete-„Überwindung“, Bd. IV, 2, 1191–1221, mit umfassenden Literaturangaben]. Ausschlaggebend für diese folgenreiche Entwicklung, die teilweise die wissenschaftliche Debatte bis heute bestimmt, war eine Reihe von Faktoren, wobei die spezifische Affinität der DDR-Forschung zur Politik, insbesondere zur seit 1969 praktizierten Ostpolitik der sozialliberalen Bundesregierung Brandt/Scheel, eine maßgebliche Rolle spielte. Die interne Debatte der damaligen DDR-Forschung hierüber wurde gleichzeitig von einer veränderten weltpolitischen Stimmungslage (Studentenbewegung, Vietnam-Krieg) beeinflusst. Zudem wuchs insbesondere in intellektuellen Kreisen das Interesse am Marxismus und trug zu vermehrter Kritik am bislang bestehenden, vorwiegend anti-kommunistischen Konsens bei. Wirtschaftliche Reformansätze in der Sowjetunion sowie die Einführung des Neuen Ökonomischen Systems in der DDR hatten bereits Anfang der 1960er Jahre Zweifel an der Auffassung aufkommen lassen, dass es sich bei sozialistischen Staaten grundsätzlich um totalitäre

Paradigmenwechsel in der DDR-Forschung

52 Konvergenztheorie

Immanenter Ansatz der DDR-Forschung

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Systeme handle. So hatte z. B. die der Konvergenztheorie zugrunde liegende Einschätzung zunehmend Beachtung gefunden, der Ostblock könne aufgrund wirtschaftlicher Reformen, die mit einer schrittweisen Liberalisierung von Politik und Gesellschaft einhergingen, zu einer Annäherung an den Westen finden [vgl. 143: H. P. HAMACHER, Politikberatung, 53 ff.]. Auf einer 1967 erstmals durchgeführten DDR-Forscher-Tagung wurde in kritischem Rückblick moniert, dass bisherige Forschungen nahezu ausschließlich von westlichen Wertvorstellungen und Normen ausgegangen seien. Dies reiche jedoch nicht aus, um „die Eigendynamik von Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im anderen Teil Deutschlands exakt erfassen“ zu können [144: P. C. LUDZ, Situation und Möglichkeiten, 322–24; 324], wie der bedeutendste Vertreter der ersten Nachwuchsgeneration der DDR-Forschung, Peter Christian Ludz, kritisch resümierte. Durch eine stärker komparativ ausgerichtete Perspektive, die auch den Vergleich mit anderen sozialistischen Staaten einschließen müsse, sollte sich die weitere DDR-Forschung nicht mehr von vorgegebenen Normen leiten lassen, sondern sich darum bemühen, „Tatsachenaussagen und Werturteile voneinander abzuheben“ [145: P. C. LUDZ, Schwächen, 255 f.; 255]. Die auf diese Weise erzielten Forschungsergebnisse sollten daher immanent an den Bedingungen des von der SED geschaffenen Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems selbst gemessen werden. Dies bedeutete in methodologischer Hinsicht: „Vergleichen der ‚Leistungen‘ des Systems mit der ihm vorgegebenen bzw. von ihm selbst gesetzten Programmatik“ [146: P. C. LUDZ, Soziologische Analyse, 11–23; 13]. Dieser folgenreiche Paradigmenwechsel in der DDR-Forschung korrelierte mit der neuen Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel seit 1969, deren deutschlandpolitischer Kern darin bestand, die faktische – nicht jedoch die völkerrechtliche – Existenz der DDR anzuerkennen und zu einer Annäherung zwischen beiden deutschen Staaten beizutragen, um der wachsenden Entfremdung und Auseinanderentwicklung zwischen den Deutschen in Ost und West entgegenwirken zu können [kritisch hierzu 151: K. SCHROEDER/J. STAADT, Diskreter Charme, 309–346]. Ludz untermauerte seinen Standpunkt mit dem 1968 erschienenen Werk „Parteielite im Wandel“, das die erste empirisch-systematische Untersuchung der SED-Führung mit immanentem Ansatz darstellte [147: Parteielite]. Er kam zu dem Schluss, dass auch sozialistisch verfasste Industriegesellschaften um politische, ökonomische und soziale Anpassungen nicht herumkämen; entsprechend unterlägen daher auch Führungskader in der DDR einem Differenzierungsprozess.

DDR-Forschung von den Anfängen bis zur „Wende“

53

Neben die „strategische Clique“ der Parteispitze trete zunehmend eine „institutionalisierte Gegenelite“, die den wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu steuern suche, um den Anforderungen einer modernen Industriegesellschaft begegnen zu können. Auf diese Weise wandle sich das von der SED geschaffene politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System von einem totalitären zu einem „autoritären mit konsultativen Zügen“ [ebd., 324 ff.]. Damit setzte sich, ohne dass das Totalitarismusmodell indes von allen Disziplinen der damaligen DDRForschung als heuristisch-analytische und zugleich normative Kategorie aufgegeben wurde, das Immanenz-Paradigma weitgehend durch und sollte bis 1989 dominierend bleiben. Der geschilderte Paradigmenwechsel führte zu einer innerwissenschaftlichen Debatte, die seit den 1970er Jahren kontrovers geführt wurde. In ihrem Mittelpunkt stand die unterschiedliche, nicht selten gegensätzliche Einschätzung zweier Grundprobleme. Zum einen „die Frage, inwieweit die monopolistische Verwaltung der politischen Macht durch die Partei eine Demokratisierung des Systems zulässt, und zum anderen, inwieweit diese Zentralisierung aller Entscheidungskompetenzen mit der erforderlichen Rationalisierung und Effektivierung des ökonomischen Systems zu vereinbaren ist“ [148: D. POLLACK, DDR-Forschung, 119–139; 123]. Während Vertreter eines totalitarismustheoretischen Ansatzes die Bereitschaft und Fähigkeit der SEDFührung anzweifelten bzw. negierten, auf Modernisierungsprozesse – insbesondere politische Demokratisierungsforderungen und ökonomische Rationalisierungszwänge – angemessen reagieren zu können, vertraten Anhänger des Immanenz-Paradigmas die Auffassung, dass sich die Kadereliten hierzu bereitfinden müssten. Ebenso war unverkennbar, dass „die Haltung zur Totalitarismustheorie gleichzeitig auch eine bestimmte Position zur Legitimität der beiden deutschen Staaten und letztlich zur ‚deutschen Frage‘ nahe legte“ [152: A. SIEGEL, Totalitarismuskonzept, 19–31; 22]. DDR-Forscher, die dem immanenten Forschungsansatz nahe standen, akzeptierten zumeist die Teilung Deutschlands und hielten deren Perpetuierung häufig auch aus sicherheitspolitischen bis hin zu moralischen Gründen (Entstehung des Nationalsozialismus, Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, Genozid) für notwendig. Diese politischen wie wissenschaftlichen Meinungsunterschiede führten im Jahre 1978 zur Gründung der Gesellschaft für Deutschlandforschung e.V., deren Mitglieder der immanenten Methode mehrheitlich kritisch gegenüberstanden und die Teilung Deutschlands keineswegs für endgültig hielten. Damit wurde eine dritte Phase der DDR-

Abwertung der Totalitarismustheorie

Innerwissenschaftliche Debatte über den Paradigmenwechsel

Gründung der „Gesellschaft für Deutschlandforschung e.V.“

54 Polarisierung innerhalb der DDR-Forschung

Problematik des Immanenz-Ansatzes

Fehleinschätzungen der DDR-Forschung

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Forschung eingeleitet. Insgesamt blieb die wissenschaftsinterne Diskussion hierüber bis zur „Wende“ von einer subkutanen Polarisierung, auch über den Regierungswechsel von 1982 hinaus, geprägt [vgl. 143: H. P. HAMACHER, Politikberatung, 67]. Vor allem die politik- und sozialwissenschaftlich ausgerichtete DDR-Forschung brachte das Immanenz-Paradigma stärker in Anwendung. Von einem modernisierungstheoretischen Ansatz ausgehend, setzte sich hier zunehmend eine Fixierung auf die DDR als Industriegesellschaft und den damit verbundenen Systemvergleich zu westlichen Gesellschaften durch, wobei normativen demokratischen Prinzipien eher sekundäre Bedeutung zugemessen wurde [hierfür symptomatisch 102: G.-J. GLAESSNER (Hg.), Ära Honecker, 114 f.]. Abgesehen davon, dass damit die essenzielle Bedeutung permanent fehlender demokratischer Legitimation des SED-Staates relativiert wurde, ließ sich auch die implizit enthaltene Forderung, das bestehende real-sozialistische System der DDR an den eigenen Zielvorgaben und immanenten Strukturbedingungen zu messen, forschungspraktisch kaum umsetzen, weil gesichertes Informations- und Datenmaterial häufig nicht erhältlich war oder nur unzureichend vorlag, oft aber auch gefälscht war und so als angemessener Bewertungsmaßstab nicht fungieren konnte. Zweifellos hat die mangelnde methodologische Reichweite des Immanenz-Paradigmas ebenso zu Fehleinschätzungen geführt wie die Unterbewertung normativer demokratischer Prinzipien. Zudem konnten trotz weitgehend richtiger Analyse auch durchaus falsche Schlussfolgerungen gezogen werden, wie z. B. das in sozialwissenschaftlichempirischer Hinsicht damals Maßstäbe setzende Werk von LUDZ zur Parteielite zeigt [147: Parteielite]. So wird etwa das Problem zunehmender Immobilität und Inflexibilität des von der SED eingerichteten monopolistisch-bürokratischen Herrschaftssystems erkannt, aber weiterhin angenommen, der SED-Staat sei dennoch zu umfassender Modernisierung fähig. Andererseits hat insbesondere die wirtschaftswissenschaftliche DDR-Forschung, die stärker dem Totalitarismus-Modell verhaftet blieb, schon Ende der 1970er Jahre auf den ökonomischen Niedergang und die sich massiv verschlechternde Versorgungslage der Bevölkerung hingewiesen, ebenso wie die wachsende internationale Verschuldung der DDR in den 1980er Jahren, ohne dass Politik und Öffentlichkeit in der Bundesrepublik dies tatsächlich zur Kenntnis nahmen. Vielmehr blieb die Auffassung vorherrschend, die DDR sei nach wie vor einer der stärksten Industriestaaten der Welt.

DDR-Forschung von den Anfängen bis zur „Wende“

55

1.5 Die Debatte über Leistungen und Fehlleistungen der DDRForschung seit 1989/90 Für die wissenschaftlichen Bedingungen sowie die interne Debatte der DDR-Forschung stellte die Wiedervereinigung eine Art Quantensprung dar. Die Paradoxie der spezifischen Situation der DDR-Forschung als Wissenschaft lag darin, dass sie ihren traditionellen Forschungsgegenstand gleichsam verloren und gleichzeitig wiedergewonnen hatte. Der jetzt erstmals auf allen Ebenen mögliche Zugriff auf authentische Quellen und Dokumente beseitigte nicht nur jahrzehntelang bestehende Beeinträchtigungen der Forschung, sondern forderte gleichzeitig zu einer kritischen Überprüfung ihrer bis dahin erbrachten Leistungen auf. Vehemente öffentliche und wissenschaftsinterne Kritik setzte ein und bestimmte, erneut von unterschiedlichen politischen und wissenschaftlichen Positionen ausgehend, die Debatte. [Zur breiten Diskussion hierüber mit unterschiedlichen Wertungen vgl. E. JESSE, DDR-Forschung, in 118: Enquete-„Überwindung“, 1196 sowie 195: H. WEBER, Einschätzung, 1186–1190]. Eine ausgewogene Beurteilung dieser Auseinandersetzung muss zunächst konstatieren, dass die in der Bundesrepublik etablierte DDRForschung – trotz ihres Spezialwissens – ebenso von ihrem rasanten Kollaps überrascht worden ist wie die politischen Eliten und die Menschen in beiden deutschen Staaten selbst. Schwerer als die Kritik, dass sie mehrheitlich nicht zu einer realistischen Prognose fähig gewesen sei, wiegt hingegen der Vorwurf, dass der sog. mainstream der DDRForschung den genuin diktatorialen Charakter des Herrschaftssystems der SED bisweilen nur noch marginal wahrgenommen und z. T. verkannt hat. Dies steht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass einige Vertreter vor allem der politik- und sozialwissenschaftlich ausgerichteten DDR-Forschung in den 1980er Jahren zunehmend außer Acht ließen, dass der andere deutsche Staat von Beginn an jeglicher demokratischer Legitimation entbehrte [vgl. 103: G.-J. GLAESSNER, Die andere deutsche Republik, 15]. Als besondere Fehlleistung muss gewertet werden, dass die Allmacht des Ministeriums für Staatsicherheit (MfS) vor 1989 praktisch nur von einem einzigen Forscher, der nicht einmal zum eigentlichen Kreis der DDR-Forschung gehörte, beschrieben und analysiert worden ist [vgl. 303: K. W. FRICKE, Die DDR-Staatssicherheit]. Bezeichnend ist, dass sich die Erforschung des MfS seit 1990 hingegen zu einem Schwerpunkt herausgebildet hat. Hinzu kommt, dass kritische Analysen von DDR-Insidern, die in den westdeutschen Medien großes Aufsehen

Ungehinderter Quellenzugang nach 1989/90

Gründe für Fehleinschätzungen

56

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

erregten, wie z. B. R. BAHRO [2: Die Alternative] oder das „Manifest“ [10: DDR] wissenschaftlich kaum die ihnen gebührende Beachtung fanden. Das gilt auf anderer Ebene auch für die Berichte von Übersiedlern, DDR-Flüchtlingen oder Angaben der Erfassungsstelle für DDRUnrechtstaten in Salzgitter [vgl. 35: H. SAUER/H.-O. PLUMEYER, Der Salzgitter-Report]. Diese Fehleinschätzungen lassen sich mit dem Hinweis auf die permanent defizitäre Quellenlage nicht aus der Welt schaffen. Auch wer Anhänger einer Verständigung mit dem SED-Regime war bzw. für eine Annäherung zwischen beiden deutschen Staaten eintrat, musste deshalb keineswegs das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes aufgeben. Eine Fehlperzeption war es auch, im „real-existierenden“ Sozialismus der DDR Ansätze zu einer gerechteren und deshalb höherwertigeren Gesellschaftsordnung zu sehen. Bei nüchterner Beurteilung des wissenschaftsinternen Streits um die adäquate Forschungsmethodik zwischen Anhängern des Totalitarismus- und Immanenz-Paradigmas in der DDR-Forschung ist deshalb ECKART JESSEs Feststellung zuzustimmen: „Kritikwürdig ist weniger der immanente Ansatz an sich als vielmehr die Ausschließlichkeit seines Gebrauchs“ gewesen [173: Politikwissenschaftliche DDR-Forschung, 315–357; 345, mit umfassenden Literaturangaben].

2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989 Ausbau und Intensivierung der DDRForschung seit 1990

Seit 1990 ist die DDR-Forschung erheblich ausgebaut und intensiviert worden. Das resultiert zum einen aus dem Aufbau ganz neuer Forschungsinstitute, zum anderen aus dem bis Ende der 1990er Jahre beispiellosen „Boom“ vielfältiger wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit dem SED-Staat [vgl. 81: U. MÄHLERT (Hg.), Vademekum]. Auch haben die vom Deutschen Bundestag am 12. März 1992 und 22. Juni 1995 eingesetzten Enquete-Kommissionen [vgl. 117: Enquete„Aufarbeitung“ sowie 118: Enquete-„Überwindung“] geradezu einen Thesaurus wissenschaftlicher Erforschung der SBZ/DDR und darüber hinaus gehender Probleme erstellt. Trotz z. T. durchaus feststellbarer (partei-)politischer Konnotationen ist damit eine außerordentlich umfassende Dokumentation des SED-Staates auf pluralistischer Wissenschaftsbasis entstanden, die in vielen Bereichen nicht nur den Forschungsstand repräsentiert, sondern auch die weitere Erforschung der

2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989

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SBZ/DDR enorm vorangetrieben hat. Insgesamt gesehen wird die DDR seit der Revolution von 1989/90 erheblich negativer beurteilt als noch zuvor. Naturgemäß ist es schwierig, aus der erdrückenden Fülle der seit 1990 erschienenen wissenschaftlichen Publikationen zur SBZ/DDR und der breiten Diskussion hierüber die entscheidenden wissenschaftlichen Forschungsprobleme herauszufiltrieren [vgl. 194: H. WEBER, Stand der Forschung, 249–257]. Nach wie vor nimmt die Frage einen relevanten Platz in der wissenschaftlichen Debatte ein, aus welchen Gründen es zur „Wende“ in der DDR kam, wobei insgesamt von einer multikausalen Faktorenverkettung auszugehen ist [vgl. 176: H. JOAS/ M. KOHLI (Hg.), Zusammenbruch, vgl. auch Abschnitt 3.7], und ob es sich dabei um eine Revolution gehandelt hat. Der entscheidende Problemkomplex, inwieweit es sich bei der DDR um eine sog. moderne Diktatur [179: J. KOCKA, Sonderweg, 34–45; 43] handelte, bildet jedoch den eigentlichen Schwerpunkt. Zahlreiche Forschungen zu deren Herrschaftsstruktur zielen letztlich auf die Grundsatzfrage ab, ob die weitere Erforschung der Geschichte der SBZ/DDR künftig im Rahmen einer historischen Diktaturforschung zu erfolgen hat. Der bis heute kontrovers debattierte Vergleich der DDR als „realsozialistische“ Diktatur mit der nationalsozialistischen Diktatur (sog. historischer Diktaturenvergleich) schließt sich an, nimmt aber noch immer eine Randposition ein; zugleich ist damit erneut das historiografische Problem einer historischen Einbettung beider Diktaturen in die deutsche (Zeit-)Geschichte des 20. Jahrhunderts impliziert (Stichwort: Historisierung), nämlich die Frage, wie die für die Zeitgeschichtsforschung in beiden deutschen Staaten bis 1989/90 üblich gewordene Trennung in „zwei Nationalgeschichten“ konzeptionell überwunden und historiografisch durch eine deutsch-deutsche, d. h. integrale (Nachkriegs-)Geschichte Deutschlands ersetzt werden kann.

Vielfältige Forschungsfragen nach 1989/90

2.1 1989/90: Die „Wende“ als Revolution Ob und inwieweit der durch die „Wende“ ausgelöste Zusammenbruch der SED-Herrschaft und die binnen Jahresfrist erfolgte Auflösung der DDR durch eine Revolution bewirkt wurde, stellt nach wie vor eine wichtige Frage dar. Ihre Beantwortung ist auch deshalb von Bedeutung, weil im populären deutschen Sprachgebrauch wie in Politik und Wissenschaft das Wort „Wende“ den Gebrauch des Revolutionsbegriffes eindeutig überlagert. Tatsächlich stammt der Begriff „Wende“ jedoch von Egon Krenz, dem Nachfolger Honeckers, der mit dieser Wortprä-

Die Revolution der „Wende“ als Forschungsproblem

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Unterschiedliche Begriffsfassungen der Revolution von 1989/90

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

gung allerdings jene innerparteiliche Wende in der SED im Herbst 1989 anmahnte, welche die Basis für eine erneuerte Herrschaft der Partei in einer reformierten, jedoch nach wie vor sozialistischen DDR bilden sollte [vgl. Abschnitt 3.5 sowie 197: H. ZWAHR, Revolution, 204–252]. Daneben existieren aber auch noch weitere Begriffe, u. a. „Umbruch“, „Umsturz“, „Zusammenbruch“, „Kollaps“ und „Implosion“; letzterer ist sachlich nicht haltbar, da „die geschlossene Gesellschaft der DDR . . . von innen heraus (explodierte), eben in der Verbindung von Ausbruch und Aufbruch“ [ebd., 214]. Die Bezeichnung „Umbruch“ ist unzutreffend, weil damit der völlige Zusammenbruch des Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu stark relativiert wird [vgl. 182: L. KÜHNHARDT, Deutungsmuster, 12–18; 13]. Das Wort „Umsturz“ suggeriert wiederum, es habe sich nur eine Auswechslung der politischen Machtelite vollzogen, während „Zusammenbruch“ die entscheidenden Akteure des revolutionären Prozesses von unten (Bürgerrechtsgruppen, Auswanderer, Demonstranten etc.) zu wenig beachtet. Der Terminus „Kollaps“ übergeht, dass es sich um die Erosion des gesamten „realsozialistischen Systems“, einschließlich der Sowjetunion selbst – und nicht nur der DDR – handelte. Diese gemeinsame Entwicklung sucht Timothy G. Ash mit der wenig überzeugenden, begrifflichen Neuschöpfung „Refolution“ zu charakterisieren, wonach es sich in den früheren Ostblockstaaten um eine Vermischung von Revolutionen und Reformen gehandelt habe [vgl. 89: T. G. ASH, Geteilter Kontinent, 504]. Handelte es sich bei der „Wende“ in der DDR um eine Revolution? Die Beantwortung dieser Frage hängt von der jeweils verwendeten Revolutionstheorie und den ihr zugrunde liegenden Kriterien ab. Während ehemalige Funktionäre die „Wende“ von ihrem (Selbst-)Verständnis her naturgemäß als „Konterrevolution“ [54: E. HONECKER, Dramatische Ereignisse, 10 u. 26] interpretierten bzw. marxistisch-leninistische Revolutionstheoretiker sich zur Kennzeichnung von 1989/90 zu letztlich inhaltsleeren Kategorien wie „interformationelle und intraformationelle Revolutionen“ verstiegen [181: M. KOSSOK, Verlierer, 297–305], wird von nichtmarxistischen Forschern die „Wende“ in der DDR überwiegend als Revolution eingeschätzt bzw. von einem „umfassenden revolutionären Prozess“ ausgegangen [vgl. 192: M. RICHTER, Friedliche Revolution, 931–943]. Die Kriterien für diese Einschätzung variieren und sind im Einzelnen umstritten; als Indikatoren gelten u. a. der radikale Umbruch des politischen und ökonomischen Systems sowie der Austausch der herrschenden politischen Eliten [vgl. 169: H. HORN, Prototyp oder Sonderfall, 55–65], wohingegen sich der Wandel der Gesellschaft eher langfristig vollzieht.

2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989

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Zur weiteren Charakterisierung der Revolution in der DDR sind zahlreiche attributive Spezifizierungen vorgenommen worden. J. Habermas hat die Wende als „nachholende Revolution“ [164: J. HABERMAS, Nachholende Revolution] bezeichnet, womit der Anschluss an bestehende „moderne“ Verhältnisse der westlichen Welt hergestellt worden sei. E. Neubert u. a. wiederum haben von einer „protestantischen Revolution“ gesprochen [188: E. NEUBERT, Protestantische Revolution] und damit auf den entscheidenden Beitrag der evangelischen Kirchen hingewiesen, in deren Schutz sich die verschiedenen Bürgerrechts- und Oppositionsgruppen entwickeln konnten. Auf unterschiedliche Phasen und Etappen des revolutionären Prozesses zwischen Oktober und November 1989 verweisen die anfänglich verwendeten Kennzeichnungen „Oktober“- bzw. „November“-Revolution in begrifflicher Anlehnung an die russische Oktober- bzw. deutsche Novemberrevolution bis hin zur „Herbstrevolution“ [vgl. 197: H. ZWAHR, Revolution, 207–209]. Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass die „Wende“ als Revolution friedlich, aber nicht gewaltlos verlief, da vom MfS und sonstigen Sicherheitsorganen auch Gewalt ausgeübt worden ist. Gerade aber der betont friedliche Charakter der Demonstrationen verlieh der Revolution ihr spezifisches Charakteristikum zu einer Zeit, als sich das SED-Regime im zunehmenden „Zangengriff zwischen Auswanderungs- und Demonstrationsbewegung“ befand [172: E. JESSE, Totalitär?, 12–23; 14]. 2.2 Phasen der Revolution Eine erste und eine zweite Phase, die sich beide zwar überlappten, aber dennoch deutlich voneinander zu unterscheiden sind, korrelierten mit dem während des Revolutionsverlaufs eintretenden Wandel der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zielsetzungen: „Beides, der Aufbruch hin zu einer besseren DDR wie zur Vereinigung bzw. Wiedervereinigung, bildete ereignisgeschichtlich ein Ganzes“ [197: H. ZWAHR, Revolution, 226]. Die Veränderung dieser Ziele ist, ausgehend vom Stichdatum 9. Oktober 1989, mittels einer breit angelegten Befragung von Leipziger Demonstranten im Dezember 1990 von K.-D. OPP/P. VOSS [189: Volkseigene Revolution] untersucht worden, bleibt aber trotz ihrer empirischen Fundierung problematisch, da die Befragung erst mehr als ein Jahr nach den Ereignissen durchgeführt werden konnte. Dem Diktum von der „Wende in der Wende“ liegt allerdings nicht nur ein Wandel der Zielsetzungen, sondern auch ein personeller Wech-

Die „Wende in der Wende“

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Bürgerrechts- und Bürgerbewegung

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

sel zugrunde und zwar insofern, als die oppositionellen Bürgerrechtsgruppen im November/Dezember 1989 ihre Führungsrolle sukzessive an die demonstrierenden Massen abgaben bzw. verloren. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Bürgerrechtler mehrheitlich an einem dritten Weg zum Sozialismus festhielten und entsprechend die DDR reformieren wollten, während die überwiegende Mehrheit der Demonstranten die rasche Vereinigung mit der Bundesrepublik und deren politischem, wirtschaftlichem und sozialem System wünschte. Zu Recht unterscheidet H. ZWAHR deshalb zwischen einer „Bürgerrechtsbewegung“ und einer „Bürgerbewegung“ [197: Revolution, 231] und fügt hinzu: „Der Aktionsverbund einer Minderheit von DDR-Erneuerern und einer Mehrheit von DDR-Überwindern war historisch von kurzer Dauer“ [ebd., 234]. Zudem wurde zwar der revolutionäre Durchbruch in den Großstädten, insbesondere in Leipzig, erzielt, von der Provinz jedoch nahezu überall mitgetragen und deshalb unumkehrbar gemacht [vgl. 167: G. HEYDEMANN/G. MAI/W. MÜLLER (Hg.), Revolution und Transformation]. Durch die nach polnischem Vorbild von 1979/80 eingerichteten „runden Tische“ [40: U. THAYSEN, Runder Tisch] wurde schließlich der Übergang von einer basisdemokratischen Legitimierung der Revolution durch die Bürgerrechtsgruppen in Richtung auf eine parlamentarisch-repräsentative Demokratie vorangetrieben. 2.3 Innerdeutscher Transformationsprozess als Spezifikum innerhalb des ehemaligen Ostblocks Ausdrücklich zu betonen ist, dass die Revolution in der DDR – wie auch in den anderen ehemaligen Ostblockstaaten – nicht möglich gewesen wäre, wenn die Sowjetunion militärisch eingegriffen hätte, wie dies bereits 1953 in der DDR selbst bzw. 1956 in Ungarn und 1968 in der CˇSSR geschehen war. Zweifellos war dies vorentscheidend. Der Zusammenbruch der DDR ist demzufolge sowohl Teil jenes „rasanten Zusammenbruchs [. . .] des diktatorischen Staatssozialismus“ in Mittel-, Ost- und Südosteuropa gewesen [180: J. KOCKA, Wende 1989/90, 33–43; 33], muss aber auch als Teil internationaler Veränderungen [vgl. 192: M. RICHTER, Friedliche Revolution, mit weiterführender Literatur] gesehen werden. Doch im Unterschied zu den übrigen Staaten des „realexistierenden“ Sozialismus, einschließlich der früheren Sowjetunion, vollzog sich der Umwandlungsprozess in der DDR in einem Teilstaat einer Nation. Sowohl deren Führung als auch deren Bevölkerung blieben trotz der praktizierten Abgrenzungspolitik der SED durchweg auf den anderen deutschen Staat, die Bundesrepublik, fixiert. Deren

2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989

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Regierung wiederum sollte im Verlauf der „Wende“ in die Geschicke der DDR entscheidend und richtungsweisend eingreifen. Dieser Vorgang und die sich anschließende weitere Entwicklung im Verlauf der Wiedervereinigung als Strukturangleichungs- und Integrationsprozess stellt innerhalb der „ostmitteleuropäischen Revolutionen“ [169: H. HORN, Revolution, 65] bis heute eine Ausnahme bzw. Sonderform dar. Tatsächlich ging die Revolution sukzessiv in einen umfassenden „Transformationsprozess“ über [vgl. 177: M. KAASE u. a., Politisches System, 5–46]. Entsprechend hat sich für diese Phase auch der Begriff „Transformationsforschung“ eingebürgert. Zudem verlief der Übergang von einem diktatorischen Regime zu einem demokratischen Gemeinwesen, von einer real-sozialistischen zu einer pluralistischen Gesellschaft, von einer zentralen Planverwaltungs- zu einer sozialen Marktwirtschaft in der DDR nicht nur anders, sondern auch wesentlich schneller als in den übrigen Staaten des ehemaligen Ostblocks. Frühzeitig beeinflussten westdeutsche Politik, Wirtschaft und Verwaltung den nachrevolutionären Entwicklungsprozess in der DDR und transformierten ihn in Richtung auf die bestehenden Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland durch politische Beratung (inkl. Elitentransfer), Wirtschaftshilfe und Finanztransfer [vgl. 159: H. BERTRAM/W. KREHER/ I. MÜLLER-HARTMANN (Hg.), Systemwechsel]. Dieses Eingreifen wurde durch die in der DDR zusammenbrechenden politischen und ökonomischen Strukturen begünstigt und darüber hinaus durch die Abwanderung vieler DDR-Bürger über die nunmehr offene Grenze zur Bundesrepublik beschleunigt.

Revolution in der DDR als Sonderform der osteuropäischen Revolutionen

2.4 Zur historisch-strukturellen Bestimmung der SBZ/DDR Die inzwischen überwiegend vorgenommene Kennzeichnung als Diktatur illustriert wesentlich den seit 1989 allgemein eingetretenen Wandel zu einer kritischeren Einschätzung und Beurteilung der SBZ/DDR – im Unterschied zu Teilen der früheren DDR-Forschung. Nach wie vor umstritten bleibt indes die politikwissenschaftlichzeithistorische Strukturbestimmung des SED-Staates als Diktatur selbst; entsprechend sind bislang sehr unterschiedliche Definitionen vorgeschlagen worden. Von einem modernisierungstheoretischen Ansatz ausgehend hat J. KOCKA die DDR als „Diktatur des 20. Jahrhunderts – eine – in gewisser Hinsicht – moderne Diktatur“ bezeichnet [179: Sonderweg, 34–45; 43], und zwar nicht nur wegen des hohen Industrialisierungsgrades, sondern auch wegen des Einsatzes moderner Massenbeeinflussungs- und -überwachungsmittel in dieser „durch-

Der SED-Staat – eine „moderne Diktatur“?

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Unterschiedliche Begriffe zum Herrschaftssystem

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

herrschten Gesellschaft“ [ebd., 35]; eine Zustandsbeschreibung der DDR-Gesellschaft, die so erstmals von A. LÜDTKE begrifflich geprägt worden ist [184: „Helden der Arbeit“, 188–213; 188]. Ist dann eine funktionierende Demokratie im Vergleich zu einer „modernen Diktatur“ etwa unmodern, so könnte die polemische Gegenfrage lauten? Wäre es demzufolge nicht begrifflich präziser, von einer „Diktatur in der Moderne“ zu sprechen, wie T. LINDENBERGER vorgeschlagen hat [400: Herrschaft und Eigen-Sinn]? Ebenfalls den Diktaturbegriff verwendend, spricht K. JARAUSCH von einer „Fürsorgediktatur“ [171: Realer Sozialismus, 33–46], hebt aber dabei zu einseitig auf die Strategie insbesondere in der HoneckerÄra ab, mittels vermehrter wirtschafts- und sozialpolitischer Leistungen sich die Loyalität der DDR-Bürger zu sichern. Vornehmlich von der Totalitarismustheorie ausgehend, begreift K. SCHROEDER die DDR demgegenüber als „sozialistische Partei-Diktatur“ und betont deren Charakter als „(spät-)totalitären Versorgungs- und Überwachungsstaat“ [129: SED-Staat, 632 f.]. Allerdings hat bereits die NS-Forschung vor Jahren nachgewiesen, dass die Ausübung totalitärer Herrschaft nur von begrenzter, oftmals sehr unterschiedlicher Reichweite ist; das gilt auch für die DDR. Auf die Verwendung des Diktaturbegriffs verzichten weitere Definitionen, blenden dadurch aber essenzielle Grundlagen des zweiten deutschen Staates weitgehend aus, so etwa die von Beginn an mangelnde demokratische Legitimation des KPD/SED-Regimes und dessen ebenso permanente Nichtbeachtung von Menschen- und Bürgerrechten, einschließlich der fortwährend praktizierten Überwachung, Kontrolle und Repression der Bevölkerung. Frühzeitig hat A. MEIER z. B. die DDR als „sozialistische Ständegesellschaft“ [185: Abschied, 3–14] bezeichnet, um auf die starke Hierarchisierung und die damit verbundenen Privilegien innerhalb von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft hinzuweisen, welche sich im krassen Gegensatz zur propagierten Ideologie befanden. S. MEUSCHEL wiederum hat mit der These „sozialer Entdifferenzierung“ durch die egalitär ausgerichtete Gesellschaftspolitik der SED zu verdeutlichen versucht, dass die Partei gleichsam eine „Stilllegung“ der Gesellschaft anstrebte und diese z. T. auch realisierte. Damit läßt sich jedoch nicht die über vier Jahrzehnte währende Stabilität der SBZ/DDR und der dann plötzlich erfolgende Revolutionsausbruch von 1989 hinreichend erklären [vgl. 186: Legitimation und Parteiherrschaft; vgl. zur Kritik 2.5]. Von der Sozialisationstheorie ausgehend hat C. LEMKE das Spannungsfeld zwischen den permanenten politisch-ideologischen Anforderungen und der meist mangelnden in-

2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989

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dividuellen Umsetzung mit dem Begriffspaar der „politischen Doppelkultur“ umschrieben [183: Umbruch]. Aufgrund der „Unterstellung der gesamten Gesellschaft unter die Herrschaft des politischen Apparates“ hat D. POLLACK die DDR anfänglich als „Organisationsgesellschaft“ definiert [190: Organisationsgesellschaft, 292–307], wonach die Weiterentwicklung der DDR-Gesellschaft dadurch blockiert worden sei, weil die SED eine weitgehend umfassende Steuerung ausübte, was zur Ausbildung einer „semi-modernen Mischgesellschaft“ geführt habe [455: Kirche in der Organisationsgesellschaft, 57–60; 76]. Er hat diese Definition inzwischen modifiziert bzw. ergänzt durch die Kennzeichnung der DDR-Gesellschaft als eine „konstitutiv widersprüchliche Gesellschaft“ [191: Konstitutive Widersprüchlichkeit, 110–131; 114], in der „Tendenzen der politischen Homogenisierung . . . gegen Tendenzen der funktionalen Differenzierung“ [ebd., 116] gestanden hätten. Hinsichtlich der zentralen Frage, inwieweit man von einer „durchherrschten Gesellschaft“ sprechen könne, resümiert Pollack, dass es sich bei der DDR „um ein zentral geplantes und von außen in Gang gesetztes Umbauprojekt handelte, das die gesamte Gesellschaft erfassen sollte, das aber nicht mit der Beharrungskraft und der Eigendynamik der gesellschaftlichen Teilbereiche rechnete und daher stets mit unintendierten Folgewirkungen fertig werden musste“ [ebd., 129]. Weit weniger differenziert, aber in eine ähnliche Richtung geht die Kennzeichnung der DDR als „vormundschaftlicher Staat“ von R. HENRICH [165: Vormundschaftlicher Staat]. W. ENGLERs Charakterisierung der DDR als „Aushandlungsgesellschaft“ hingegen blendet fast völlig aus, dass es sich beim SED-Regime um ein diktatoriales Herrschaftssystem gehandelt hat, in dem die Beherrschten niemals auf gleicher Stufe mit den Herrschenden standen [161: Zivilisatorische Lücke]. 2.5 Totalitarismusmodell und SED-Staat Die in den meisten Definitionsversuchen zum Ausdruck kommende Schwierigkeit, Wesen und Struktur des von der SED geschaffenen Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems in der DDR angemessen – und das muss heißen: realitätsnah – zu erfassen, liegt vor allem in dem Grundproblem, das ambivalente Beziehungsverhältnis zwischen Herrschaft und Beherrschten adäquat zu charakterisieren. Dies lässt sich mit der Ausübung repressiver Gewalt allein nicht erklären. Vielmehr hat es zugleich eine breite Palette unterschiedlicher Haltungen und Handlungen gegenüber dem SED-Regime seitens der Bevölkerung gegeben, die von überzeugter, aktiver Mitwirkung über

Ambivalenz zwischen Herrschaft und Beherrschten im SED-Staat

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Phasen unterschiedlich intensiv ausgeübter Repression

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

loyale Akzeptanz und erzwungener Teilnahme bis hin zu Passivität, Verweigerung, Resistenz, Dissidenz und – in Einzelfällen – Widerstand reichten. Ebenso wie bei anderen „modernen“ Diktaturen stieß auch im SED-Staat die Reichweite und Tiefenwirkung diktatorialer Gewalt trotz Propaganda, Indoktrination, Repression und Terror an Hindernisse und Grenzen mentaler, habitueller, normativer oder traditionaler Dispositionen; insofern ließ sich die unablässig intendierte Erziehung der DDR-Bürger zu sog. sozialistischen Persönlichkeiten niemals wirklich umfassend durchsetzen. Damit korreliert, wie E. JESSE konstatiert hat, „dass sich die DDR von einem durch und durch totalitären System in den ersten Jahren in eine zunehmend auch von autoritären Zügen bestimmte Diktatur umgeformt hat“ [172: Totalitär?, 12–23; 13]. Diese Unterscheidung in Phasen unterschiedlich intensiv ausgeübter Repression wirft am Beispiel der DDR die weiterführende Fragestellung auf, inwieweit der Begriff totalitär überhaupt noch eine angemessene Kategorie zur Beschreibung und Analyse konkreter Herrschaftspraxis und dem jeweiligen Verhalten der Gesellschaft und des Einzelnen im o. g. Zeitrahmen darstellt. Für die Spätphase der DDR hat Jesse deshalb das Kunstwort von einer „autalitären Diktatur“ [ebd., 23] geprägt. Schon allein an dieser zeitlichen Problematik wird deutlich, dass gängige Großtheorien, wie z. B. das Totalitarismusmodell, wissenschaftlich nicht mehr ausreichen, um ein adäquates Beschreibungs-, Analyse- und Erklärungspotenzial zu offerieren. Weitgehende Zustimmung hat darüber hinaus die Argumentation gefunden, dass klassische Definitionen der Totalitarismustheorie, etwa nach C. J. FRIEDRICH und Z. BRZEZINSKI [163: Totalitäre Diktatur], einschließlich der von ihnen entwickelten Unterscheidungsmerkmale, ein zu „grobschlächtig statisches Kriterienraster“ darstellen [174: R. JESSEN, Totalitarismustheorie, 17–24; 18], um als historische wie politikund sozialwissenschaftliche Theorie für die Analyse realsozialistischer Staaten auszureichen. Die traditionelle Fokussierung des Totalitarismusmodells auf den Herrschaftsapparat und den von ihm geschaffenen Staat einschließlich Ideologie und Partei blende die letztlich nicht steuer- und kontrollierbare Eigenentwicklung der Gesellschaft zu sehr aus, die eben nicht völlig „stillgelegt“ werden könne, wie gerade das Beispiel der DDR zeige. „Das Verhältnis zwischen diktatorischer Gesellschaftskonstruktion und sozialer Autonomie“ werde damit unterbelichtet [175: R. JESSEN, Staatssozialismus, 96–110; 105]. Entsprechend gerate das fortwährend ambivalente Beziehungsgeflecht zwischen „verstaatlichter Gesellschaft und vergesellschaftetem Staat“, das für solche Herrschafts- und Gesellschaftssysteme typisch sei, allzu sehr

2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989

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aus dem Blickwinkel [ebd., 109]. Es komme daher darauf an, das Totalitarismusmodell auch im Falle der DDR „als idealtypisches Modell moderner diktatorischer Herrschaft zu lesen, an dem die Wirklichkeit der staatssozialistischen Systeme zu messen wäre“ [174: Totalitarismustheorie, 19]. In der Tat ist z. B. die durch eine egalitär ausgerichtete Sozialpolitik bewirkte „Entdifferenzierung der Gesellschaft“ [vgl. 186: S. MEUSCHEL, Legitimation und Parteiherrschaft] nur partiell erfolgt, weil Letzterer noch immer soviel Beharrungskraft innewohnte, dass bestehende Sozialstrukturen, kollektive wie individuelle Mentalitäten und Handlungsmuster, tradierte Normen u. a. m. nicht einfach „von oben“ verändert werden konnten. Durch die Debatte sind somit die bestehenden erkenntnistheoretischen Defizite des Totalitarismusmodells – auch in Anwendung auf „real-sozialistische“ Staaten – herausgearbeitet worden; inzwischen ist eine breit gefächerte, sozialgeschichtliche Forschung in Gang gekommen, in welcher die „Durchherrschung der Gesellschaft“ (A. Lüdtke) und deren Grenzen im SED-Staat ausgelotet werden (vgl. 3.9). 2.6 Der historische Diktaturenvergleich zwischen dem NS- und SED-Regime Zum inhaltlichen Zusammenhang dieser Diskussion um Vorzüge und Schwächen des Totalitarismusmodells für die Erforschung der Geschichte der SBZ/DDR gehört auch die intensive Debatte über einen Vergleich zwischen beiden Diktaturen [vgl. 196: H.-U. WEHLER, Diktaturvergleich, 346–352]. Dies liegt zum einen daran, dass das Totalitarismusmodell schon seit seiner Entstehung den generellen Vergleich zwischen „rechten“ und „linken“ Diktaturen beinhaltet, zum anderen hat gerade deren nahezu unmittelbare Aufeinanderfolge in Gestalt der NS- und SED-Diktatur die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert besonders geprägt. Dabei gilt es von vornherein zu beachten, dass es sich hierbei um „eine spezifische Variante des kommunistisch-faschistischen Vergleichs (handelt, der) . . . auf einer diachronen Ebene durchgeführt wird, was für den klassischen kommunistisch-faschistischen Vergleich normalerweise nicht gilt“ [166: G. HEYDEMANN, Vergleich, 228–233; 230]. In der bisherigen und noch keineswegs abgeschlossenen Debatte ist angesichts der unterschiedlichen kriminellen Energie beider Regime zunächst zu Recht betont worden, dass weder „die beispiellosen Verbrechen des Dritten Reiches durch den Hinweis auf die Untaten des SED-Staates relativiert, noch letztere mit Blick auf die NS-Verbrechen

Erkenntnistheoretische Defizite des Totalitarismusmodells

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Möglichkeiten des Vergleichs der NS- mit der SEDDiktatur

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

bagatellisiert“ werden dürfen [162: B. FAULENBACH, Gegenwartsbedeutung, 175–190; 190]. In der Tat bleibt der auf einer spezifischen Rassen- und Vernichtungsideologie basierende und praktizierte Genozid ein singuläres Spezifikum des Nationalsozialismus. Gleichwohl darf dieser historische Tatbestand wiederum nicht als ausschließliches Argument dafür missbraucht werden, dass der Vergleich zwischen der NS- und SED-Diktatur überhaupt nicht vorgenommen werden kann bzw. darf. In der weit reichenden und intensiven Diskussion sind sodann v. a. Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Diktaturen herausgearbeitet worden [vgl. u. a. H. MÖLLER u. J. KOCKA, Nationalsozialismus und SED-Diktatur, in 117: Enquete-„Aufarbeitung“, 576–597 sowie 193: K. SÜHL (Hg.), Vergangenheitsbewältigung]. Im Gegensatz zur Kennzeichnung bestehender Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen beiden Diktaturen, sind in Deutschland Überlegungen, wie dieser Vergleich tatsächlich methodisch-empirisch umgesetzt werden kann, bislang eher am Rande angestellt worden. In diesem Zusammenhang hat G. HEYDEMANN auf unterschiedliche komparative Vorgehensweisen und daraus resultierende Möglichkeiten beim Vergleich der NS- mit der SED-Diktatur hingewiesen. Er unterscheidet in methodologischer Hinsicht zwischen einem „ganzheitlichen, integralen Vergleich“, in dem „beide diktatoriale Herrschaftssysteme in ihrer Gesamtheit“ erfasst werden, sowie einem „partiellen, sektoralen Vergleich“, in dem nur „ganz bestimmte Strukturen und Mechanismen beider Systeme“ herausgegriffen und einzelne Sektoren, d. h. z. B. Institutionen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, das Verhalten von sozialen Schichten oder Berufsgruppen in ihrer Alltags- und Lebenswelt verglichen werden [166: Vergleich, 230]. Beim erstgenannten Vergleichstypus handelt es sich, methodologisch gesehen, eher um eine komparative Gegenüberstellung als um einen tatsächlichen Vergleich, weil dieser sich historisch wie historiografisch auf einer stärker abstrakten, generalisierenden Makro-Ebene bewegt. Demgegenüber impliziert der partielle bzw. sektorale Vergleich auf der Mikro-Ebene schon aufgrund seiner Fokussierung auf begrenzte Objekte einen wesentlich konkreteren Vergleichsansatz. Die unabdingbare Prämisse für einen Vergleich stellt jedoch jeweils ein ausreichendes Maß an Kompatibilität dar, denn nicht alle historischen Phänomene, Entwicklungen und Spezifika beider Diktaturen lassen sich miteinander sinnvoll ins Verhältnis setzen [zu ersten empirischen Forschungsergebnissen 166: G. HEYDEMANN/E. JESSE (Hg.), Diktaturvergleich].

2. Die wissenschaftliche und historiografische Diskussion seit 1989

67

2.7 Die historiografisch-konzeptionelle Diskussion Unumstritten ist, dass die SBZ/DDR Teil der deutsch-deutschen (Nachkriegs-)Geschichte ist, aufgrund ihrer vierzigjährigen Existenz und der damit verbundenen Prägung der Bürger der DDR durch den SED-Staat aber auch eine eigenständige Geschichte besitzt. In der gegenwärtigen Diskussion besteht weitgehend Konsens darüber, dass die in den zeitgeschichtlichen Darstellungen bis 1989 zumeist vorgenommene Trennung in zwei deutsche Zeitgeschichten überwunden werden muss, wobei allerdings die jeweils eigenständige Geschichte beider deutscher Staaten nach 1945 bzw. 1949 angemessene Berücksichtigung zu finden hat. In Anlehnung an K. D. Brachers Begriffsprägung einer „doppelten Zeitgeschichte“, der zwischen einer älteren (Erster Weltkrieg bis 1945) und einer neueren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unterscheidet, hat H.-G. HOCKERTS es als „unausweichliche Aufgabe“ formuliert, „die drei Zeitgeschichten des vereinigten Deutschland in ein Relationsgefüge zu bringen“ [168: Zeitgeschichte, 3–19; 19]. Dieser historiografischen Verknüpfung von synchronen und diachronen Zeitachsen liegt die Absicht zugrunde, sowohl den gesamtdeutschen Zusammenhang als auch die Existenz zweier Diktaturen in den Kontext deutscher und europäischer Geschichte angemessen einzuordnen. Zugleich sei „diese Großaufgabe nichts geringeres als eine Art innerer Wiedervereinigung der Zeitgeschichte“ [ebd.]. Was die „konstruktive Verquickung von Teilung und Eigenstaatlichkeit“ [178: C. KLESSMANN, Verflechtung, 30–41; 39] der Geschichte beider deutscher Staaten angeht, so hat C. Kleßmann eine für dieses komplexe Beziehungsgeflecht notwendige historiografische Umsetzung der Begriffe „Abgrenzung und Verflechtung“ gefordert. In der Tat ist die jeweils eigenständige, gleichwohl parallele Entwicklung von Bundesrepublik Deutschland und DDR, einschließlich ihres permanenten Bezugs zueinander, „nicht einfach deutsche Nationalgeschichte im Zeitalter der Teilung, aber auch nicht ohne weiteres eine getrennte Geschichte zweier Staaten und Gesellschaften einer Nation“ [ebd., 30]. Erste Darstellungen, die eine solche Gesamtperspektive der „dialektischen Einheit“ bzw. „doppelten deutschen Geschichte“ präsentierten, stammen von C. KLESSMANN selbst [111: Doppelte Staatsgründung sowie 112: Zwei Staaten, eine Nation] und A. M. BIRKE [94: Nation ohne Haus]. Beide Darstellungen enden jedoch mit dem Beginn der 1970er Jahre bzw. mit dem Mauerbau, wobei Kleßmann den Schwer-

Historiografische Integrierung der SBZ/ DDR in die deutsche Zeitgeschichte

68

Defizit komparativer Studien

Gesamtdarstellungen

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

punkt stärker auf gesellschaftliche Prozesse legt, wohingegen Birke die außen- und innenpolitische Entwicklung in den Vordergrund rückt. Ganz bewusst legt demgegenüber P. BENDER den Akzent auf den auch nach 1945 weiter bestehenden Bezug beider deutscher Staaten zueinander bei gleichzeitiger politischer und ökonomischer Auseinanderentwicklung [92: Episode oder Epoche?]. Ähnlich arbeitet M. FULBROOK [99: Divided Nation] in diachronischen, thematisch parallelen Gegenüberstellungen die latente Auseinanderentwicklung zwischen beiden Staaten und ihren Gesellschaften heraus. Die jüngste, aber nicht völlig geglückte integrale Darstellung der deutsch-deutschen Geschichte nach 1945, weil sie der historischen Entwicklung der SBZ/DDR zu wenig Raum gewährt, stammt von P. GRAF KIELMANSEGG [110: Nach der Katastrophe]. Um sowohl die Verknüpfung zwischen beiden deutschen Staaten vom Kriegsende bis zur Wiedervereinigung als auch ihre Verflechtung mit der Geschichte des Nationalsozialismus, seinen Folgen und Nachwirkungen präziser zu konturieren, bedarf es jedoch weiterer vergleichender Studien, wobei ihre jeweilige Integration in die Bündnissysteme in Ost und West von 1945 bis 1990 hinzukommt. Trotz inzwischen vermehrter, aber insgesamt noch immer zu wenig komparativer Forschungen (vgl. „intersystemarer“ und „intrasystemarer“ Vergleich), stellt eine ausgewogene, integrative, deutsch-deutsche Geschichte nach 1945 noch immer ein in historiografischer Hinsicht nicht leicht umzusetzendes Problem dar [vgl. hierzu auch 118: Enquete-„Überwindung“, Künftige Aufarbeitung, Bd. VII]. Die frühesten, immer wieder erweiterten Darstellungen zur Geschichte des zweiten deutschen Staates stammen von HERMANN WEBER [135: Von der SBZ zur DDR 1945–1968; 136: Kleine Geschichte der DDR; die neueste Fassung 137: Geschichte der DDR]. Hinzu kommt seine Quellendokumentation [42: Dokumente zur Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik], wobei er den Schwerpunkt insbesondere auf den Machtapparat und das Herrschaftssystem der SED legt. An der Kennzeichnung der DDR als Diktatur einer Monopolpartei hat Weber nie einen Zweifel gelassen. Einen anderen Akzent setzt DIETRICH STARITZ in seinen Darstellungen [132: Geschichte der DDR; 133: Die Gründung der DDR]. Hier werden vor allem sozioökonomische Prozesse sowie Steuerungsprobleme der SED in den Mittelpunkt gerückt, dadurch jedoch der diktatoriale Grundcharakter des zweiten deutschen Staates einschließlich des flächendeckenden Unterdrückungs- und Kontrollapparates des MfS vernachlässigt zugunsten einer gleichsam systemneutralen Kennzeich-

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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nung der DDR als Industriegesellschaft und ihrer Modernisierungsprobleme. Die umfassende, z. T. auf neuem Quellenmaterial aufbauende Geschichte der SBZ/DDR von KLAUS SCHROEDER [129: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR] arbeitet hingegen die pseudodemokratische Ordnung und ihre permanent mangelnde Legitimierung markant heraus, wobei das Herrschaftssystem im Mittelpunkt steht, ohne wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme zu vernachlässigen. Weitgehend analog ist der prägnante Überblick von ULRICH MÄHLERT [115: Kleine Geschichte der DDR]. Die Widersprüchlichkeit der DDR zwischen politisch normiertem Herrschaftssystem und erzwungener Anpassung der Gesellschaft während der Honecker Ära schildert STEFAN WOLLE eindringlich [141: Die heile Welt der Diktatur] in seiner vornehmlich auf die Lebenswirklichkeit der DDR-Bürger abhebenden Darstellung.

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur Geschichte der DDR-Innenpolitik 3.1 Das „nominelle“ Verfassungssystem in der SBZ/DDR Dass die DDR „einen modernen Verfassungsstaat simulierte“ [299: F. WERKENTIN, Politische Strafjustiz, 14] und somit von einer „nominellen“ Verfassung [vgl. 202: S. MAMPEL, Sozialistische Verfassung] gesprochen werden muss, wird kaum bestritten. Entsprechend sind Verfassungstext(e) und Verfassungswirklichkeit im Herrschafts- und Gesellschaftssystem der SED, spätestens mit Beginn der 1950er Jahre, immer mehr auseinander gefallen; eine Diskrepanz, die bei H. ROGGEMANN [203: DDR-Verfassungen], trotz vieler zutreffender Einschätzungen, keineswegs immer Beachtung findet. Grundlegend, auch in seiner Bewertung, ist hingegen das in der Tradition klassischer Verfassungskommentare stehende monumentale Werk von S. MAMPEL [202: Sozialistische Verfassung], in welchem die gesamte konstitutionelle Entwicklung in der SBZ/DDR dargestellt und interpretiert wird. Das Herrschaftsmonopol der SED als Staatspartei kennzeichnet Mampel unmissverständlich als „Suprematie“. Erst durch den Druck der Revolution ist dieser Führungsanspruch am 1. Dezember 1989 aus der bis dahin bestehenden Verfassung (in der revidierten Fassung von 1974) gestrichen worden. Die Unterwerfung des Staates und seine Instrumentalisierung im Lenin’schen Sinne gehörten als

„Suprematie der SED“ im Herrschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem

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Scheinparlamentarismus des „sozialistischen Mehrparteiensystems“

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Grundelement hinzu. Weitere „konstitutionelle“ Strukturelemente bildeten das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln sowie die planmäßige Lenkung und Leitung der politischen, staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung. Strukturprinzipien waren die Gewalteneinheit und der sog. demokratische Zentralismus [zu den Beratenden Versammlungen, den Landtagen in den fünf Ländern der SBZ sowie den scheinplebiszitären Volkskongressen, aus denen dann der Deutsche Volksrat hervorging, vgl. 200: M. KOCH, Gremien und Verfassungsgebung sowie 199: G. BRAAS, Verfassungsgebung]. Die erste Verfassung zur Staatsgründung der DDR aus dem Jahre 1949, die noch als Konstitution Gesamtdeutschlands konzipiert war, übernahm in Fortschreibung der Weimarer Reichsverfassung zwar die dort formulierten Grundrechte, kannte jedoch keine vor- und überstaatlichen Menschenrechte. Ebenso gravierend war, dass keine Gewaltenteilung, vielmehr Gewaltenkonzentration praktiziert wurde und die Volkskammer als höchstes konstitutionelles Organ in der Verfassungspraxis faktisch keine Rolle spielte. Damit korrelierte, dass das in der DDR existente „sozialistische Mehrparteiensystem“ – im Vergleich zu den reinen Einparteiensystemen etwa in der Sowjetunion, Rumänien oder Ungarn – einen Scheinparlamentarismus verkörperte, da die SED in der Volkskammer nicht nur fortwährend über die Mehrheit der Stimmen verfügte, sondern nahezu von Beginn an eine Monopolstellung im gesamten Staats- und Verfassungssystem der DDR einnahm. Entsprechend degenerierten Wahlen in der DDR ebenfalls zu einem pseudodemokratischen Verfahren [zum strukturellen wie normativen Verfassungsvergleich beider deutscher Staaten vgl. 204: K. SCHMID, Verfassungssysteme sowie die knappe Skizzierung der DDR-Verfassungen bei 198: H. BOLDT, Verfassungsgeschichte, 300–311]. Obwohl mit der Verwaltungsneugliederung von 1952, der Auflösung der Länderkammer 1955, der Ersetzung der Stelle des Präsidenten durch den „Staatsrat der Republik“ 1960 die bestehende Verfassung längst unterlaufen war, wurde sie erst im Jahre 1968 von einer neuen abgelöst. In ihr wurden erstmals auch verfassungsrechtlich die Führungsrolle der SED ebenso festgeschrieben wie Volkseigentum, Planwirtschaft und die Grundprinzipien des „demokratischen Zentralismus“ [vgl. hierzu den prägnanten, kritischen Überblick von 201: U. LOHMANN, Legitimation und Verfassung, 468–487]. Eine vergleichsweise rasche Teil-Revision dieser Verfassung nur sechs Jahre später war hauptsächlich deutschlandpolitisch motiviert und der unter Honecker nun wieder engeren Anlehnung an die Sowjetunion geschul-

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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det. Die Selbstdefinierung als „sozialistischer Staat deutscher Nation“ (Art. 1) von 1968 wurde im Jahre 1974 ersetzt durch „sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern“. Darüber hinaus wurde die volkswirtschaftliche und sozialpolitische Zielsetzung des VIII. Parteitages von 1971, „die weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes“ (Art. 2) gleichsam als Verfassungsgebot aufgenommen [vgl. 13: DOKUMENTATION: Verfassung, 1188–1227].

DDR-Verfassungen und deutsche Teilung

3.2 KPD, SPD und SED Zur KPD/SED, der wichtigsten Machtinstanz in der SBZ/DDR, liegt ein nur noch schwer überschaubarer Forschungsstand vor [vgl. 218: E. CROME, SED, 1288–1297]. Nach früheren Untersuchungen von C. STERN [155: Porträt] bzw. von H. WEBER [238: Sozialistische Einheitspartei; 240: Geschichte der SED, 6–42] konzentrierte sich die Forschung nach der Öffnung der DDR-Archive vor allem auf Zäsuren, Etappen und Wendepunkte der SED-Politik bis 1989/90 einschließlich interner Konflikte. Die verschiedenen Aspekte der Parteientwicklung und die Politikfelder, etwa von der Deutschland- bis zur Wirtschaftspolitik, sind bisher mit unterschiedlicher Intensität untersucht worden. Einen umfassenden Überblick bietet das Kompendium von A. HERBST/ G.-R. STEPHAN/J. WINKLER (Hg.) [78: Handbuch], dessen Beiträge jedoch nicht immer post-marxistisch-leninistischer Diktion entgehen. Einen Schwerpunkt der Forschung bildet seit jeher die Frage, inwieweit insbesondere die Moskauer Exil-KPD über konkrete deutschlandpolitische Planungen verfügte und in welchem Ausmaß sie dabei von der sowjetischen Führung bestimmt wurde. Dass diese Planungen seitens der Moskauer Exil-KPD am weitesten von allen politischen Gruppierungen der Zeit entwickelt worden sind, belegen die Dokumentationen von G. KEIDERLING [26: „Gruppe Ulbricht“] sowie P. ERLER/ H. LAUDE/M. WILKE [18: „Nach Hitler kommen wir“]. Die kaum zu überschätzende Bedeutung des Aufbaus des zentralen Parteiapparats und der Kaderpolitik für die sukzessive Machteroberung in der SBZ ist im Sammelband von M. WILKE [242: Anatomie der Parteizentrale] eingehend untersucht worden. Nicht zuletzt ist der Vorsprung, den die KPD in organisatorisch-struktureller Hinsicht gegenüber den übrigen Parteien in der SBZ mit Hilfe der SMAD besaß, gerade für die Fusion mit der SPD im April 1946 – und damit für die Ausschaltung der wichtigsten Konkurrenzpartei – von entscheidender Bedeutung geworden. Auch beim Aufbau des Staates und der staatlichen Verwaltung ist der Einsatz von parteitreuen Kadern Herrschaftsprinzip

Forschungsschwerpunkte zur Entwicklung der KPD/SED

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Die Fusion von KPD und SED – eine Zwangsvereinigung?

Stalinisierung der SED

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

der SED gewesen, wie schon in der Maßstäbe setzenden Arbeit von E. RICHERT [149: Staatsapparat] beispielhaft herausgearbeitet worden ist. Diese Methodik der Herrschaftsdurchsetzung und -sicherung hat die neue Quellen einbeziehende Untersuchung von C. BOYER [216: Kaderpolitik und Kaderentwicklung] bestätigt. Auswahl und Ausbildung einer solchen Kaderelite sind auch von T. KLUTTIG [225: Parteischulung und Kaderauslese] nachgezeichnet worden. Die Frage jedoch, ob und inwieweit es sich zwischen KPD und SPD um eine „Zwangsvereinigung“ oder um einen freiwilligen Zusammenschluss – oder beides zusammen – handelte, ist bis heute umstritten geblieben [zur Kontroverse insgesamt 232: W. MÜLLER, SED-Gründung, 52–61]. Festzuhalten ist zunächst, dass beide Parteien unmittelbar nach Kriegsende entgegengesetzte Positionen einnehmen. Die SPD in der SBZ sprach sich anfangs für einen sofortigen Zusammenschluss aus, die KPD sperrte sich dagegen. Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 1945 kehrten sich die beiderseitigen Auffassungen jedoch um. Ab Oktober 1945 forderte die KPD die rasche Fusion und forcierte sie mit Unterstützung der SMAD [der Vorgang ist gut dokumentiert, vgl. 222: INSTITUT FÜR GESCHICHTE DER ARBEITERBEWEGUNG (Hg.), Einheitsdrang oder Zwangsvereinigung?; für Berlin siehe die umfassende Darstellung und Dokumentation von 24: H. HURWITZ, Demokratie und Antikommunismus und 41: M. TERESIAK, SED in Berlin]. Insgesamt dürfte als gesichert gelten, dass der Begriff „Zwangsvereinigung“ dem historischen Tatbestand nicht völlig gerecht wird. Zweifellos schwand die sozialdemokratische Zustimmung auf der Ebene des Zentralausschusses und in einem Teil der Landesvorstände zunehmend, auf der lokalen und kommunalen Ebene und nicht zuletzt in vielen Betrieben blieb sie jedoch teilweise erhalten. Hier wurde die Vereinigung bisweilen sogar vorweggenommen, was einen nicht zu unterschätzenden Konformitätsdruck erzeugte [vgl. 229: A. MALYCHA, Weg zur SED]. Die SPD-Parteiführung in der SBZ wiederum geriet in diesem Zeitraum durch Kurt Schumachers schroffe Ablehnung der avisierten Vereinigung zunehmend in die Isolation und zugleich unter den doppelten Druck von KPD und SMAD, wobei letztere vor Einschüchterungen, Gewalttaten und Repressionen nicht zurückschreckte. So gut wie kein Dissens besteht in der Einschätzung, dass der Prozess der Stalinisierung bereits Ende 1947 mit schrittweisen, konsequent durchgeführten „Änderungen von Ideologie, Programmatik und Parteienstruktur“ einsetzte [239: H. WEBER, Wandlung der SED, 255–265; 264]; den Forschungsstand gibt gegenwärtig A. MALYCHA [230: SED] wieder. Aufschlussreich für diesen, auch für die weitere Geschichte der

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

73

SBZ/DDR grundlegenden Vorgang bleibt der Zeitzeugenbericht von E. GNIFFKE [48: Jahre mit Ulbricht]. Ab 1948 war die SED eine auf den Marxismus-Leninismus eingeschworene Kaderpartei, die paritätische Besetzung von Parteiämtern durch KPD- und SPD-Mitglieder war weitgehend beseitigt und die Schaffung eines sozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems unter ihrer „führenden Rolle“ wurde zielstrebig angegangen [vgl. 215: B. BOUVIER/H.-P. SCHULZ (Hg.), Sozialdemokraten]. Jetzt setzten die Verfolgung und der Ausschluss von Sozialdemokraten ein, wobei der Vorwurf des „Sozialdemokratismus“ zu pauschaler Diffamierung missbraucht wurde, um jede Form innerparteilicher Diskussion auszuschließen. Aufgrund der alliierten Hoheit in Berlin konnte die SPD allerdings bis 1961 im Ostsektor der Stadt weiterexistieren [vgl. 235: M. REXIN, SPD in Ost-Berlin]. Zu dieser Problematik gehört auch die Untersuchung von W. BUSCHFORT [217: Ostbüro]. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Zeitraum zwischen 1944 und 1952 nach wie vor einen Forschungsschwerpunkt bildet, da mit der Umformung der SED zu einer marxistisch-leninistischen Kaderpartei „neuen Typus“ die Ausbildung einer sozialistischen Diktatur in der SBZ/DDR parallel lief. Nachdem sich die SED schon bei der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 zur Staatspartei deklariert hatte, setzte sie im Jahre 1952 den 1947/48 eingeleiteten politischideologischen und personellen Homogenisierungsprozess – im Zuge der Abschaffung der noch bestehenden Länder in der DDR – mit der Installierung von Bezirksleitungen parteiorganisatorisch fort. Diese waren im Zusammenwirken mit den Kreisleitungen auf regional-kommunaler Ebene die eigentlichen Machtträger, sind aber bisher nur für eine Bezirksleitung untersucht worden [vgl. 231: H. MESTRUP, SED]. Die Rolle der Bezirksräte und ihr Sozialprofil ist von H. A. WELSH [241: Kaderpolitik, 107–129] überblicksweise analysiert worden. Demnach ist das von der SED installierte Herrschaftssystem intern komplizierter gewesen, als es die organisatorische Struktur des demokratischen Zentralismus suggeriert. Die Forcierung ihrer stalinistischen Politik, auf der 2. Parteikonferenz im Juli 1953 mit der Verkündung des „Aufbaus des Sozialismus“ auch programmatisch bekräftigt, rief allerdings wachsende Ablehnung in der Bevölkerung hervor, was die sowjetische Führung noch vor dem 17. Juni 1953 veranlasste, korrigierend einzugreifen. Ihre politische Direktive ist erstmals von R. STÖCKIGT [38: Dokument, 648–654] publiziert worden. Die daraufhin erfolgte Verkündung eines gemäßigteren „Neuen Kurses“ konnte jedoch den Ausbruch des Aufstandes, von dem

Zeitraum 1944 bis 1952 als Forschungsschwerpunkt

Die 2. Parteikonferenz der SED und der „Aufbau des Sozialismus“

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Der XX. Parteitag der KPdSU und die DDR

Mauerbau und Berlinkrise von 1961

Illiberale Kulturpolitik der DDR

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

die Partei völlig überrascht wurde, nicht mehr verhindern [vgl. 226: I.-S. KOWALCZUK, Zwangsvereinigung und IV. Parteitag, 171–242]. Die interne Kritik führender SED-Funktionäre an der „Diktatur Ulbrichts“ nutzte dieser nach der Verhaftung Berijas und der Konsolidierung der neuen sowjetischen Führung aus, um sich seiner Kritiker, wie Rudolf Herrnstadt, Wilhelm Zaisser und Max Fechner, zu entledigen [hierzu im Einzelnen 52: N. STULZ-HERRNSTADT (Hg.), Das Herrnstadt-Dokument sowie 233: H. MÜLLER-ENBERGS, Rudolf Herrnstadt]. Ebenso vermochte Ulbricht die Krise der SED nach den Enthüllungen des XX. Parteitages der KPdSU (Februar 1956) zur Stärkung seiner Position zu nutzen und gleichzeitig eine tatsächliche Entstalinisierung der Partei zu vermeiden [vgl. die auf neuen Quellen basierende Schilderung der parteiinternen Auseinandersetzungen bei 123: A. MITTER/S. WOLLE, Untergang auf Raten, 163–366 sowie die Darstellungen beteiligter Funktionäre wie 55: W. JANKA, Schwierigkeiten, 51: W. HARICH, Keine Schwierigkeiten und 63: K. SCHIRDEWAN, Aufstand gegen Ulbricht]. Sieht man von den internationalen Dimensionen ab, waren es erneut die Politik der SED – insbesondere die forcierte Kollektivierung der Landwirtschaft – sowie bestehende Versorgungsengpässe und ökonomische Schwierigkeiten, die zu einer latenten inneren Krise der DDR Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre beitrugen [jetzt eingehend untersucht von 227: M. LEMKE, Berlinkrise]. Auf neueren Quellen zu den Folgen der kontinuierlich ausgebauten Grenzen sowie des Mauerbaus basieren die Darstellungen und Dokumentationen von W. FILMER/H. SCHWAN [19: Opfer der Mauer], I. BENNEWITZ/R. POTRATZ [3: Zwangsaussiedlungen] sowie von V. KOOP [326: Grenzsicherung]. Das Nachrücken jüngerer, akademisch ausgebildeter Kader in der Partei in den 1960er Jahren, von der damaligen westdeutschen DDRForschung erstmals umfassend mit sozialwissenschaftlichen Methoden untersucht [vgl. 147: P. C. LUDZ, Parteielite im Wandel], führte im Zeichen der Entspannungspolitik allerdings zu verfehlten Schlussfolgerungen. Weder entwickelte sich die neue SED-Führungsschicht zu einer professionellen, modernisierenden „Gegenelite“ gegenüber den Altkadern, noch befand sich die DDR auf dem Wege zu einer modernen, demokratisch verfassten Industriegesellschaft (s. Abschnitt 1.4). Schon das sog. Kahlschlag-Plenum, die 11. ZK-Tagung vom Dezember 1965, berühmt-berüchtigt geworden durch seine kleinbürgerliche Verdammung jeglicher kritisch-künstlerischer Freiheit und die schroffe Ablehnung von Rock- und Pop-Musik, einschließlich der damit einhergehenden Jugendkultur, offenbarte den eigentlichen Geist

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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der SED-Führung [umfassend dokumentiert von 500: G. AGDE, Kahlschlag] und M. RAUHUT, 520: Grauzone]. Hintergründe und Ursachen des Machtwechsels von Ulbricht zu Honecker im Jahre 1971, der als eine entscheidende Wegscheide der DDR-Geschichte gesehen werden muss, sind in den letzten Jahren mehrfach untersucht und dokumentiert worden [vgl. 234: P. PRZYBYLSKI, Tatort Politbüro, Bd. 1; 236: J. STAADT, Ulbrichts letzter Machtkampf, 686–700]. Die eingehendste Analyse legte M. KAISER [223: Machtwechsel] vor; sie fasst den Machtwechsel als Resultat eines schrittweise eskalierenden Konflikts zwischen Ulbricht und den Dogmatikern in der Parteiführung um Honecker, Stoph und Hager, der sich in der Auseinandersetzung um die Reformbestrebungen des Ersten Sekretärs auf verschiedenen Politikfeldern abspielte. Bei der sowjetischen Führung hatte neben Differenzen in der Deutschlandpolitik auch Ulbrichts systemtheoretischer Alleingang seit dem VII. Parteitag der SED (April 1967), den in der DDR erreichten Stand des Sozialismus als „relativ selbständige gesellschaftliche Formation“ zu definieren, für Unwillen gesorgt, da er das ideologische Deutungsmonopol der KPdSU indirekt in Frage stellte [vgl. 237: J. STELKENS, Machtwechsel in Ost-Berlin, 503–533]. Der Machtwechsel bedeutete aber vor allem auch deshalb einen wirtschafts- und sozialpolitischen Wendepunkt, weil die durch westliche Kredite finanzierte Erhöhung und Verbesserung sozialer Leistungen die DDR bereits Ende der 1970er Jahre an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachten (vgl. Abschnitt 3. 9) In der Kulturpolitik indizierte die Ausbürgerung Wolf Biermanns am 16. November 1976 [vgl. 517: F. PLEITGEN (Hg.), Biermann sowie 524: M. WALTHER u. a. (Hg.), Protokoll eines Tribunals] die wachsende politisch-ideologische Erstarrung der SED-Führung. Aus der Rückschau bedeutete sie die Peripetie der Honecker-Ära. Der Zusammenbruch der SED-Herrschaft, die Auflösung der SED und ihre Überführung in die neu gegründete SED-PDS, dann PDS, hat seither in der Forschung große Aufmerksamkeit gefunden, ohne indes zu einem vorläufigen Abschluss gekommen zu sein [zum Reformflügel innerhalb der SED, der allerdings weniger auf eine Demokratisierung, als auf eine Strukturreform der Partei abzielte, vgl. 224: T. KLEIN/W. OTTO/P. GRIEDER, Visionen]. Der Dissens mit der sowjetischen Führung unter Gorbatschow über die Reform des „real-existierenden“ Sozialismus wird deutlich in den Dokumentationen von R. ANDERT/W. HERZBERG [212: Sturz] und G.-R. STEPHAN [37: Vieraugengespräche sowie erneut 36: Interne

Ursachen des Machtwechsels von Ulbricht zu Honecker

Die Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Dokumente]. Breit dokumentiert ist die Darstellung von H.-H. HERTLE/ G.-R. STEPHAN [221: Ende der SED, vgl. hierzu auch Enquete-„Aufarbeitung“, 117: Bd. II, 1–4]. Aus der Fülle autobiografischer Publikationen ex post ist aufgrund ihrer selbstkritischen Ausrichtung vor allem G. SCHABOWSKI [61: Politbüro] hervorzuheben. Mit der Transformation der SED in die neu gegründete PDS beschäftigt sich M. BEHREND/H. MEIER [213: Weg der Erneuerung], H. BORTFELD [214: SED zur PDS] sowie A. HERBST/ R. STÖSS [220: PDS]. 3.3 Die Blockparteien CDU, LDP, NDPD und DBD

Entwicklung der CDU

Die Erforschung des „antifaschistisch-demokratischen Blocks“ ist maßgeblich von H. WEBER [43: Parteiensystem] sowie S. SUCKUT [39: Blockpolitik] Anfang der 1980er Jahre intensiviert worden. Einen wesentlichen Erkenntnisfortschritt hinsichtlich der Frage, wie lange sich die „bürgerlichen Parteien“ dem Gleichschaltungsdruck von Besatzungsmacht und KPD/SED widersetzen konnten, erzielte die nach 1989 auf breiter Quellenbasis erstellte Arbeit von M. RICHTER [253: Ost-CDU]. Demnach hat die Parteiführung auch nach der Absetzung Kaisers im Dezember 1947 noch versucht, „parteipolitische Eigenständigkeit mit Loyalität gegenüber der Besatzungsmacht zu verbinden“ [ebd., 381]. Bis 1950 habe die CDU jedoch durch brutale Repressionsmaßnahmen ein Viertel ihrer Mitglieder verloren; erst dann wurde sie zu einer „entkernte(n) CDU, deren christliche Fassade personell, programmatisch und organisatorisch marxistisch-leninistisch aufgefüllt war“ [ebd., 91]. Zu einem ähnlichen Befund kommt M. RISSMANN [254: Kaderschulung]. Den Forschungsstand gibt gegenwärtig die fundierte Arbeit von R. T. BAUS [245: Christlich-Demokratische Union] wieder. Weitgehend einig ist sich die Forschung inzwischen, dass es „der CDU-Parteileitung nur in geringem Maße gelang, breite Teile der Mitgliedschaft zu erfassen und zu instrumentalisieren“ [254: M. RISSMANN, Kaderschulung, 294]. Zudem sollte nicht übersehen werden, dass die zunehmende Orientierung der CDU-Parteiführung an den Vorgaben der SED zu einer sukzessiven Entpolitisierung und subkutanen Verweigerung an der Basis der Partei führte. Zu Recht hat deshalb M. AGETHEN [243: CDU in der SBZ/DDR] resümiert, „dass das gängige Interpretationsmuster von der bloßen Satellitenpartei differenzierungsbedürftig ist“ [ebd., 245]. Pauschalisierungen werden weder dem zeitgeschichtlichen Kontext noch dem Forschungsstand gerecht, zumal der Eintritt

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

77

in eine der beiden bürgerlichen Parteien häufig auch eine Entscheidung gegen die SED-Mitgliedschaft gewesen ist. Dass der Fusionsprozess der ostdeutschen CDU mit der westdeutschen keineswegs konfliktfrei verlief, zeigt die parteisoziologische Untersuchung von U. SCHMIDT [255: Volkspartei?]. Sie weist nach, dass sich die Transformation der Ost-CDU als ein „mehrstufiger Prozess der Elitenformation mit im Zeitverlauf variablen Elitenkonfigurationen charakterisieren“ lässt [ebd., 343]. Eine nicht immer ausgewogene Sicht des Fusionsprozesses zwischen west- und ostdeutschen Parteien findet sich bei P. J. LAPP [251: Ausverkauf]. Über Wahlen und Wähler in der beginnenden ersten Transformationsphase 1989/90 arbeiteten W. JÄGER/M. WALTER [248: Allianz für Deutschland]. Auch hinsichtlich der LDP, die sich ab dem 27. Oktober 1951 LDPD nannte, um ihre gesamtdeutsche Orientierung zu unterstreichen, sind Einschätzungen der früheren Forschung [vgl. 250: E. KRIPPENDORFF, Liberal-Demokratische Partei Deutschlands] inzwischen durch neueste quellengestützte Arbeiten revidiert worden. So wird die Auffassung, die LDPD habe die Interessen des Mittelstands vertreten, von der umfassenden Analyse von U. SOMMER [256: Liberal-Demokratische Partei Deutschlands] widerlegt; vielmehr habe die Partei hinsichtlich ihrer sozialen Zusammensetzung „eher den Charakter einer Volkspartei“ aufgewiesen [ebd., 290]. Der gegenwärtige Forschungsstand findet sich bei M. WALTER [258: LDP(D), NDPD, DFD und FDJ]. Die noch von Krippendorff vertretene Auffassung, die LDPD sei schon im Jahre 1948 gleichgeschaltet worden und habe von da an nur noch eine Transmissionsrolle im Block gespielt, wird sowohl von der landesgeschichtlichen Untersuchung von J. LOUIS [252: Liberal-Demokratische Partei in Thüringen] als auch von der deutschlandpolitisch ausgerichteten Arbeit von B. BODE [246: Liberal-Demokraten] revidiert. Stattdessen habe „die Metamorphose der Liberal-Demokraten von einer demokratisch verfassten und gesamtdeutsch angelegten „Nachkriegs-DDP“ zu einer das Pseudo-Mehrparteiensystem der DDR legitimierenden und das sozialistische System propagierenden Blockpartei“ [ebd., 357] erst mit der erzwungenen Unterwerfung der LDPD durch die II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 eingesetzt. Gleichwohl blieb zwischen Parteivorstand und -mitgliedern – wie analog in der CDU – fast durchweg ein latenter Dissens bestehen, und zwar insofern, als Letztere „zwar den Kurs der Regierung (im Einzelnen der SED; G.H.) und der LDPD ablehnten, dies aber nicht öffentlich artikulierten“ [256: U. SOMMER, Liberal-Demokratische Partei

Entwicklung der LDP

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NDPD und DBD

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Deutschlands, 287]. Diese weit verbreitete Einstellung habe deshalb auch die LDPD im Herbst 1989 in die Lage versetzt, unter den Blockparteien kurzzeitig eine reformerische Führungsrolle einzunehmen, die jedoch mit dem Festhalten des langjährigen Parteivorsitzenden Manfred Gerlach an einer Reform des Sozialismus schon im Dezember 1989 von den Ereignissen überholt wurde [vgl. dessen verklärende Autobiografie 47: Mitverantwortlich]. Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) wurden als „zweckgebundene Kunstschöpfungen der sowjetischen Besatzungsmacht bzw. der SED“ [247: B. GOTTBERG, NDPD 1948–1954, 73–87; 74] zwischen März und September 1948 gegründet und haben bisher kaum das Interesse intensiver Erforschung gefunden. Als gleichsam geschichts- und traditionslose Parteien kam ihnen vor allem die Aufgabe der Mehrheitsbeschaffung im „Block“, die Integration bisher am politischen Prozess noch nicht beteiligter Bevölkerungsgruppen sowie die Schwächung des bürgerlichen Spektrums zu. Im Falle der NDPD gelang es aber weder, die städtischen Mittelschichten und das Handwerk zu integrieren, noch ist die Partei Sammelbecken ehemaliger NSDAPAngehöriger gewesen. Tatsächlich machten diese nie mehr als 10 % der Mitglieder aus. Lediglich in der ausgesprochen autoritären Parteiführung befanden sich überdurchschnittlich viele frühere NSDAP-Mitglieder und Wehrmachtsoffiziere [ebd., 79 f.]. Sehr gut hingegen ist jüngst die DBD erforscht worden durch die Arbeit von T. BAUER [244: Blockpartei und Agrarrevolution]. Sie sollte nicht nur die Folgen der Bodenreform auf dem Land auffangen, sie war auch maßgeblich daran beteiligt, die Agrarrevolution von oben durchzusetzen und die folgenden Kollektivierungsschübe von 1952 und 1960/63 zu flankieren und legitimieren. Die Kollektivierung spaltete jedoch die Parteibasis und stieß viele Funktionäre ab. Als ihr Parteiprogramm keinen Unterschied mehr zu dem der SED aufwies, mutierte die DBD zur reinen Kaderpartei [zum Transformationsprozess des DDRParteiensystems im Vereinigungsprozess 1989/90 vgl. 249: W. JÄGER, Überwindung der Teilung, 197–297]. 3.4 Die Massenorganisationen FDGB, FDJ, DSF und KB Die Massenorganisationen verfügten zwar nur über einen geringen politischen Einfluss im Herrschafts- und Gesellschaftssystem der DDR, festigten aber aufgrund ihrer impliziten Funktion, breite Schichten zu integrieren, dieses dauerhaft. Als statistischer Wert ist errechnet wor-

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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den, dass der DDR-Bürger durchschnittlich über 2,6 Mitgliedschaften in Massenorganisationen besaß [vgl. 117: P. HÜBNER, Zur Rolle der „Massenorganisationen“ im Alltag des DDR-Bürgers, in: Enquete„Aufarbeitung“ Bd. II, 3, 1723–1769]. Gleichwohl lösten sie die ihnen von der SED zugedachte Aufgabe der politischen und gesellschaftlichen Sozialisation meist nur partiell ein, teilweise sogar mit kontrapoduktiven Effekten. Darüber hinaus ist zu unterscheiden zwischen Massenorganisationen, die in der Volkskammer vertreten waren (FDGB, FDJ, DFD, KB, VdgB, Konsumgenossenschaften) und solchen ohne Fraktionsstatus. Zum Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB), mit 9,6 Millionen Mitgliedern der größten Massenorganisation der DDR, liegt bisher noch keine Gesamtdarstellung vor. Eine der wenigen westdeutschen Untersuchungen zur Frühzeit gewerkschaftlicher Organisation, die auf genuine Quellen in der DDR vor 1989/90 zurückgreifen konnte, stammt von S. SUCKUT [268: Betriebsrätebewegung], in der die erzwungene Ablösung der nach 1945 wieder erstandenen Betriebsrätebewegung durch Betriebsgewerkschaftsleitungen detailliert beschrieben wird. Der knappe, mit Dokumenten versehene Überblick von U. GILL [262: FDGB] sowie die gleichfalls dokumentarische Publikation von W. ECKELMANN/H.-H. HERTLE/R. WEINERT [261: FDGB intern], vermitteln ansatzweise neue Erkenntnisse. Zur Auflösung des FDGB liegt inzwischen die Untersuchung von R. WEINERT/F.-O. GILLES [269: Zusammenbruch] vor. Für die Frühphase der Konstituierung des FDGB hat H. STADTLAND eine ausgezeichnete sozialhistorische Studie erstellt [267: Herrschaft nach Plan]. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die staatliche Jugendorganisation der DDR, die Ende 1989 ca. 2,3 Millionen Mitglieder umfasste, ist für die Zeit bis 1961 besser erforscht als danach. Auf erstmals ungehindertem Quellenzugang beruht die Untersuchung von U. MÄHLERT [265: Freie Deutsche Jugend], in der vor allem die Gründung der FDJ und ihre Durchsetzung als staatliche Monopolorganisation mit Unterstützung von SMAD und SED zwischen 1947/48 herausgearbeitet wird. Mählert vertritt die These, dass die FDJ erst dann zur Massenorganisation wurde, „als Opportunität im Sinne einer individuellen persönlichen Chancensicherung als Motiv für einen FDJ-Beitritt zum Moment der Überzeugung hinzukam und dieses im Verlauf der folgenden Jahre überlagerte“ [ebd., 352]. Eine umfassende Darstellung der Geschichte der FDJ und ihrer Organisationsstruktur fehlt bis heute. Die Lücke wird teilweise geschlossen durch die kommentierte Dokumentation von U. MÄHLERT/

Funktion der Massenorganisationen

FDGB

FDJ

80

DSF

KB

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

G.-R. STEPHAN [266: Blaue Hemden – Rote Fahnen]. Zur Jugendarbeit der FDJ in den westlichen Besatzungszonen und der Bundesrepublik liegt inzwischen die Arbeit von M. HERMS [264: Westarbeit der FDJ] vor. Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) ist von der Mitgliederzahl her die zweitstärkste Massenorganisation (1989: 6,4 Millionen) gewesen. Auf der Basis bisher unzulänglichen Quellenmaterials entstand, mit Schwerpunkt auf den Gründungsjahren, die Untersuchung von L. DRALLE [260: Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft]. Die Entstehung des Kulturbundes (KB), der 1982 ca. 243 000 Mitglieder zählte, ist in der auf neuen Quellen basierenden Untersuchung von M. HEIDER [263: Politik – Kultur – Kulturbund] rekonstruiert und analysiert worden. Heider resümiert, „dass der Bund angesichts der Widersprüchlichkeit seiner Aufgaben als Massenorganisation nur bedingt wirksam werden konnte: vor allem als Bildungs- und Kulturverein sowie als Veranstaltungsdienst, zugleich als ihr Propagandist, weit weniger aber als Erzieher und kontrollierter Kontrolleur“ [ebd., 228]. 3.5 Recht und Justiz

Transformation von Recht und Justiz

Speziallager

Die Umwandlung des Rechts in „sozialistisches Recht“ und der Justiz in „Klassenjustiz“ sowie die daraus folgende zivil- und strafrechtliche Praxis war ein Vorgang, der mit Hilfe der SMAD unter maßgeblicher Mitwirkung der KPD/SED in der SBZ insbesondere ab 1947/48 schrittweise durchgesetzt worden ist. Dieser Transformationsprozess beruhte auf einer Reihe von Befehlen der SMAD gemäß alliiertem Besatzungsrecht und dem überkommenen Recht aus der Weimarer Republik, welches indes durch Verordnungen und Erlasse der Zentralverwaltungen der Länder, der DWK bzw. durch die Gesetzgebung der DDR nach und nach ersetzt wurde. Die Errichtung von „Speziallagern“ in der SBZ unmittelbar nach Kriegsende berief sich zwar auf einen gemeinsamen Beschluss der Alliierten, „Internierungslager“ für NS-Verbrecher einzurichten, vollzog sich aber faktisch in weitgehend rechtlosem Raum. Bis 1989/90 ist die Existenz solcher Lager in beiden deutschen Staaten höchst unterschiedlich perzipiert und behandelt worden. Während diese Tatsache in der DDR durchweg verschwiegen oder so kolportiert wurde, als hätten sich dort ausschließlich Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher befunden, ist die Kenntnis und das Interesse in der früheren Bundesrepublik hierzu – trotz durchaus vorhandener Publikationen – bis zur „Wende“

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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gering gewesen [vgl. 9: BUNDESMINISTERIUM FÜR GESAMTDEUTSCHE FRAGEN (Hg.), Unrecht als System; 277: G. FINN, Politische Häftlinge; 271: S. BINSKI (Hg.), Erlebnisse politischer Häftlinge sowie das Standardwerk von K. W. FRICKE, 278: Politik und Justiz, in dem der Forschungsstand bis zur „Wende“ skizziert wird]. In Wirklichkeit dienten die Speziallager bald dazu, tatsächliche und mutmaßliche Gegner oder häufig auch nur Opfer von Denunziationen des neu errichteten Herrschaftssystems festzuhalten und zu isolieren. Nach 1989/90 ist die längst überfällige Erforschung dieser Problematik zu einem Forschungsschwerpunkt avanciert [vgl. 283: M. KLONOVSKY/J. vON FLOCKEN, Stalins Lager sowie 12: DOKUMENTATION zur Herausbildung und Organisation von Speziallagern des NKVD]. Die weitere Forschung wird z. T. noch immer durch den erschwerten Zugriff auf sowjetische Akten behindert. Richtungweisend wurden die exemplarische Darstellung und Analyse von A. KILIAN [281: Stalins Prophylaxe, 723–735] sowie insbesondere die umfangreichen Sammelbände von S. MIRONENKO/L. NIETHAMMER/A. vON PLATO (Hg.) [285: Sowjetische Speziallager]. Den gegenwärtigen Forschungsstand mit umfangreichen Literaturangaben gibt A. KILIAN [282: Mühlberg 1939–1948] wieder. In diesem Zusammenhang müssen auch eine Reihe von NS-Konzentrations-, Kriegsgefangenenlagern und Gefängnissen beachtet werden, welche in der SBZ weiterbetrieben wurden [vgl. dazu exemplarisch 279: N. HAASE/B. OLESCHINSKI (Hg.), Torgau-Tabu; 292: A. STEPHAN/K.-D. MÜLLER (Hg.), Haftbedingungen]. Der im Zeichen des (Hoch-)Stalinismus erfolgende, fundamentale Transformationsprozess von Recht und Justiz ist von der Zeit- wie der Rechtsgeschichte inzwischen intensiv erforscht worden, u. a. am Beispiel der Jurisprudenz von R. DREIER u.a. (Hg.) [273: Rechtswissenschaft] sowie H. MOHNHAUPT/H. A. SCHÖNFELDT [286: Normdurchsetzung]. Zur Durchsetzung und Kontrolle dieses Vorgangs wurde die Rechtswissenschaft „im Gegensatz zu den anderen Wissenschaften ‚politbürokratisch‘ doppelt unterstellt“ [273: R. DREIER u. a. (Hg.), Rechtswissenschaft, 15], und zwar sowohl der Abteilung Wissenschaften als auch der Abteilung Staats- und Rechtsfragen beim ZK der SED. Auf der Leitungsebene ist dies von H. WENTKER [296: Justiz in der SBZ/DDR] umfassend untersucht worden; auf regionaler Ebene für die Länder Thüringen von P. WEBER [295: Justiz und Diktatur] und für Brandenburg von D. POHL [287: Justiz in Brandenburg]. Höhepunkt und Abschluss dieser Transformierung bildete die Babelsberger Konferenz im Jahre 1958 [vgl. 274: J. ECKERT (Hg.), Babelsberger Konferenz]. Das dafür notwendige personelle Revirement, bewerkstelligt

Forschungen zur Rechts- und Justizgeschichte

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Politisches Strafrecht und politische Strafjustiz

„Waldheimer Prozesse“

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

durch die rasche Ausbildung sog. Volksrichter, ist von H. WENTKER [298: Volksrichter] eingehend dargestellt worden; hierzu gehörte u. a. auch die Aufhebung der Unabhängigkeit des Richteramtes und die zunehmende Kontrolle des Justizpersonals durch die SED [vgl. 289: H. ROTTLEUTHNER, Steuerung der Justiz sowie 272: BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ (Hg.), Im Namen des Volkes?]. Charakteristisch für die DDR war, dass dem Zivilrecht eine zunehmend sekundäre Bedeutung beigemessen wurde. Nach den grundlegenden Standardwerken zum Strafrecht von W. SCHULLER [291: Politisches Strafrecht] sowie F.-C. SCHROEDER [290: Strafrecht] ist die justizielle Praxis in der DDR-Frühzeit auf der Basis neuen Quellenmaterials von F. WERKENTIN [299: Politische Strafjustiz] eingehend analysiert worden. Wenngleich Werkentin ausdrücklich feststellt, dass die DDR-Justiz durchaus auch „alltägliche Ordnungsfunktionen übernahm“ [ebd., 10], plädiert er gleichwohl für eine differenzierte Anwendung des Fraenkel’schen „Doppelstaat“-Begriffs; dieser treffe – seinerzeit auf den NS-Staat angewendet – auch für die Praxis von Recht und Justiz in der DDR zu, zumal auch hier „das gleichzeitige Nebeneinander von Normen- und Maßnahmestaat“ existiert habe [ebd., 402]. Das Rechtsverständnis in der DDR, das in den Begriffen „sozialistischer Rechtsstaat“ und „sozialistische Gesetzlichkeit“ Ausdruck fand, bedeutete daher nicht nur die einheitliche Anwendung aller Rechtsmöglichkeiten, sondern auch und nicht zuletzt ideologisch konforme Parteilichkeit bei der Rechtsprechung gemäß den Beschlüssen der SED. Die daraus resultierende politisch-justizielle Praxis, insbesondere in der Frühzeit der DDR, ist aufgrund bislang unbekannten Aktenmaterials von R. BECKERT [270: Schau- und Geheimprozesse] dokumentiert worden. Eine exemplarische Zusammenschau dieser juristischen Vorgehensweise über die gesamte Dauer der SBZ/DDR geben R. ENGELMANN/C. VOLLNHALS [276: Rechtspraxis und Staatssicherheit]. Den Höhepunkt rechtlicher wie richterlicher Repression stellten die „Waldheimer Prozesse“ 1950–1952 dar, in denen nach Auflösung der Speziallager ehemalige Insassen abgeurteilt wurden, die von den Sowjets der DDR-Justiz übergeben worden waren [vgl. 275: W. EISERT, Waldheimer Prozesse]. Aber auch an anderen Orten sind Terrorurteile verhängt worden [vgl. 280: N. HAASE/B. SACK (Hg.), Strafjustiz der Diktaturen, 172 ff.]. Die bis heute politisch wie rechtlich umstrittene Aufarbeitung von DDR-Unrecht durch Strafprozessverfahren nach 1989/90 behandeln überblicksweise J. WEBER/M. PIAZOLO (Hg.) [294: Aufarbeitung von

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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SED-Unrecht] sowie W. TAPPERT [293: Wiedergutmachung. Zum Problemkomplex insgesamt vgl. 117: Enquete-„Aufarbeitung“, Bd. IV sowie 118: Enquete-„Überwindung“, Bd. II, 1–2]. 3.6 Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Das seit 1950 bestehende Ministerium für Staatssicherheit ist nach 1989/90 zu einem Schwerpunkt der Forschung avanciert (vgl. 1.5). K. W. FRICKE, ein ehemaliges Opfer des Stasi-Terrors, hat jedoch bereits Jahre vor 1989 grundlegende Analysen zum wichtigsten Überwachungs-, Kontroll- und Repressivorgan der SED vorgelegt, die bis heute als Standardwerke gelten [vgl. 303: DDR-Staatssicherheit; 304: MfS intern; 305: Opposition und Widerstand]. Nach Öffnung der MfSArchive infolge des Stasi-Unterlagengesetzes (StUG) vom 20. Dezember 1991 etablierte sich eine auf breitesten Quellengrundlagen basierende Forschung. Mit dessen Inkrafttreten wurde die auf einen Beschluss der letzten DDR-Volkskammer zurückgehende „Behörde des Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen“ in die des „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ (BStU) umgewandelt. Deren Aufgaben sind im StUG festgelegt. Demnach hat die Behörde nicht nur die Unterlagen des MfS zu erschließen und aufzuarbeiten, sondern zugleich jedem Antragsteller die Möglichkeit auf Einsicht zu gewähren. Mit der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts vom 4. Juli 2001, die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden ist, wonach die Akten des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl nicht ohne seine Einwilligung an Historiker und Journalisten herausgegeben werden dürfen („Schutz von Personen der Zeitgeschichte“, §§ 32–34 StUG), wurde die bisherige Herausgabepraxis modifiziert. Mit der Novellierung des StUG, durch den Bundestag am 4. Juli 2002 verabschiedet und am 6. September 2002 in Kraft gesetzt, ist §§ 14 vollständig gestrichen worden. Damit entfällt die Möglichkeit der Schwärzung bzw. Vernichtung von Originalunterlagen auf Antrag von in den Akten genannten Personen. Änderungen im bisherigen §§ 32 präzisieren den Aktenzugang von Forschung und Presse. Der neu in das StUG eingefügte §§ 32a schreibt ein Benachrichtigungsverfahren vor. Danach sind betroffene Personen und sog. Dritte vor Aktenausgabe zu verständigen, ggf. sind ihre Einwände in die Abwägung einzubeziehen. Eine Gesamtdarstellung der Entwicklung des MfS mit Vergleichen zum NKWD/MWD und zur Gestapo hat jüngst J. GIESEKE [306:

Das MfS als Schwerpunkt der Forschung seit 1989/90

Aufgaben und Entwicklung des MfS

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Ausbau des MfS Anfang der 1970er Jahre

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Mielke-Konzern] vorgelegt. Obgleich das MfS im Laufe seiner fast vierzigjährigen Existenz verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen hat, bestand eine seiner Hauptaufgaben durchweg darin, das Meinungsspektrum der DDR-Bevölkerung zu überwachen und jeglicher politisch-ideologischer Diversion nachzugehen; nicht zu Unrecht ist es deshalb auch als „Ideologiepolizei“ bezeichnet worden [vgl. 310: S. MAMPEL, Das Ministerium für Staatssicherheit]. Ebenso unverändert blieb, dass das MfS neben der Vielzahl von nachrichtendienstlichen, geheimpolizeilichen, quasi-staatsanwaltschaftlichen und anderen Funktionen auch als unmittelbar militärische Einrichtung angelegt war. Die Staatssicherheit war – „neben dem Parteiapparat und auch außerhalb dessen Aktionsradius – Hauptträger des totalitären Machtanspruchs der SED-Führung, sie war entscheidendes Element der Diktatur“ [301: R. ENGELMANN, Forschungen, 181–212; 212 sowie 313: S. SUCKUT/W. SÜSS (Hg.), Staatspartei und Staatssicherheit]. Vorläufer des MfS war die geheimpolizeiliche Abteilung K 5 der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI), aus der Mitte 1949 die „Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft“ hervorging, die wiederum ein knappes Jahr später, am 8. Februar 1950, die Basis für das neu gegründete MfS bildete [vgl. 314: M. TANTZSCHER, Gründung, 48–56]. Symptomatisch für dessen Anfangsjahre (1950–1952/53) war eine fast vollständige Führung und Kontrolle durch den sowjetischen Geheimdienst. Auch wenn das MfS nach der Ära Wollweber im Jahre 1958 formal unabhängig wurde, blieb seine de-facto-Subordination unter den KGB bis zum Ende der DDR erhalten [vgl. 302: K. W. FRICKE/ B. MARQUARDT, DDR-Staatssicherheit, 50 ff.]. Bis zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft wurde das MfS ausgebaut, mit dem Ziel, „eine flächendeckende vorbeugende Überwachung der Gesellschaft“ [301: R. ENGELMANN, Forschungen, 191] zu gewährleisten. Während das Vorgehen der Staatssicherheit in den 1950er Jahren häufig von Terror und ausgesprochen repressiven Maßnahmen geprägt gewesen ist, trug die innere Konsolidierung der DDR infolge des Mauerbaus dazu bei, dass zumindest die physische Gewaltanwendung allmählich zurückging. Die Herausforderungen durch die Ende der 1960er Jahre einsetzende Entspannungspolitik und die damit einhergehende Zielsetzung der SED, ihre Abgrenzungspolitik, insbesondere auf deutschlandpolitischem Gebiet, zu verschärfen, stellten das MfS erneut vor eine „außerordentliche Belastungsprobe“ (E. Mielke). Durch neuerliche Aufstockung des Personals, Verstärkung der Kontrolle, präventive Überwachung und Vorbeugung sowie verfeinerte Methoden der Bespitze-

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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lung wurden die Aktivitäten der Staatssicherheit weiter erhöht [vgl. 309: H. KNABE, Formen der Verfolgung, 709–719]. Gewaltanwendung, Freiheitsberaubung, Unterdrückung, Einschüchterung blieben jedoch nach wie vor weiter praktizierte Aktivitäten des MfS [vgl. 312: J. RASCHKA, Politische Verfolgung]. Zudem war im Falle einer Krise oder eines militärischen Konfliktes die Verbringung von oppositionellen Kräften in Lager vorgesehen [vgl. 300: T. AUERBACH, Isolierungslager]. Im Oktober 1989 umfasste das MfS insgesamt 91 015 hauptamtliche Mitarbeiter (davon 11 426 der militärischen Verfügungstruppe „Feliks E. Dzierzynski“ angehörig) sowie 173 000 Inoffizielle Mitarbeiter. Am Ende der DDR kamen somit auf 180 Bürger ein hauptamtlicher und zwei inoffizielle Mitarbeiter [vgl. 307: J. GIESEKE, Mitarbeiter]. Kennzeichnend für die Methodik des MfS war die „Einheit von Abwehr und Aufklärung“. Diese war durch eine geradezu „dogmatisch begründete Annahme einer letztlichen Außensteuerung politisch abweichender und oppositioneller Auffassungen und Bestrebungen in der DDR vorgegeben, die für die einschlägigen operativen Schlüsselbegriffe des MfS ‚politisch-ideologische Diversion‘ (PID) und ‚politische Untergrundtätigkeit‘ (PUT) konstitutiv“ gewesen ist [vgl. 301: R. ENGELMANN, Forschungen, 200 sowie 84: S. SUCKUT (Hg.), Wörterbuch, 303 f., 377–379]. Die Auslandsaktivitäten des MfS, insbesondere in der Bundesrepublik, sind zudem in den 1970er und 1980er Jahren noch einmal erheblich intensiviert worden. Die einseitige, quellenkritisch unhaltbare Darstellung von H. KNABE [308: Stasi und Westmedien] wird dieser komplexen Problematik nicht gerecht. In diesem Zusammenhang haben auch Terroristen der RAF von der Staatssicherheit Hilfe und Unterstützung erfahren [vgl. 311: A. MÜLLER/M. KAONENBERG, RAF-Stasi-Connection]. Nicht übersehen werden darf gleichfalls, dass der 1983 gegründete Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) zur Beschaffung von westlichen Devisen mit seinen vielfältigen Machenschaften eine selbständige Arbeitsgruppe innerhalb des MfS bildete [vgl. auch 117: Enquete-„Aufarbeitung“, Staatssicherheit, Seilschaften, Bd. VIII]. Hochrangige ehemalige Führungskader des MfS haben jüngst eine voluminöse „Rechtfertigung“ ihrer kriminellen Tätigkeiten vorgelegt, ohne allerdings dabei zu bemerken, wie entlarvend die von ihnen vorgelegte Darstellung für ihre damalige und heute offensichtlich noch immer unveränderte Einstellung ist [vgl. R. GRIMMER u. a. (Hg.), Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS, 2 Bde, Berlin 2002].

Aktivitäten des MfS in der Bundesrepublik

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

3.7 Die Nationale Volksarmee (NVA) und die Grenztruppen

„Verdeckte Aufrüstung“ 1948–1952

Zur Geschichte militärischer Formationen in der SBZ/DDR existierten bis 1990 kaum „kritisch-distanzierte Untersuchungen mit gesicherten Forschungsergebnissen“ [319: K. DIEFENBACH, Militärgeschichte, 420–471, 421]; eine wesentliche Ursache war erneut der fehlende Zugang zu Quellen. Das „Randlagen“-Dasein der NVA-Forschung in der Bundesrepublik [334: B. THOSS (Hg.), Volksarmee, 15] wurde der tatsächlichen Bedeutung der Volksarmee für die DDR-Gesellschaft jedoch keinesfalls gerecht. Schließlich durchliefen, insbesondere nach Einführung der Wehrpflicht im Jahre 1962, immerhin mehr als 2,5 Millionen DDR-Bürger Armee und Grenztruppen. Seither hat sich der Wissensstand, vor allem zur Frühphase der DDR-Streitkräfte über die Etappen der Hauptverwaltung für Ausbildung (HVA, 1948–1952) und der Kasernierten Volkspolizei (KVP, 1952–1956) erheblich erweitert [vgl. 323: G. GLASER (Hg.), Wiederbewaffnung sowie die Beiträge von H. EHLERT, Die Hauptverwaltung für Ausbildung (1949–1952) bzw. 317: T. DIEDRICH, Kasernierte Volkspolizei, in 72: T. DIEDRICH/H. EHLERT/R. WENZKE (Hg.), Handbuch der bewaffneten Organe, 253–280 bzw. 339–370]. Dabei ist die frühere These von A. FISCHER [323: Wiederbewaffnung, 11–30], wonach es in der SBZ/DDR während der Jahre 1948–1952 zu einer „verdeckten Aufrüstung“ gekommen sei, im Wesentlichen bestätigt worden [vgl. 320: W. EISERT, Sicherheits- und Militärpolitik sowie 336: R. WENZKE, Kaderarmee, 141–204 u. 205–272]. Zur Geschichte der KVP liegt inzwischen eine Gesamtdarstellung von T. DIEDRICH/R. WENZKE [316: Getarnte Armee] vor; für die NVA steht eine solche noch aus. Seit 1990 sind ausgewählte Einzelaspekte der NVA-Geschichte detailliert behandelt worden, u. a. zu den Themen Tradition und Zeremoniell [vgl. 329: P. A. KOSZUSZECK, Militärische Traditionspflege], wobei die angeblich radikale Abkehr des DDR-Militärs vom Traditionsverständnis älterer deutscher Armeen bei gleichzeitiger Pflege preußischen Zeremoniells und der Beibehaltung alter Uniformtraditionen besonders auffällt. Außen- und innenpolitische Einbindungen der NVA sind von R. WENZKE [335: Prager Frühling] sowie mit Blick auf die Nuklear-Strategie der Sowjetunion von H. NIELSEN [333: Kernwaffen] untersucht worden. Zur Führungselite der DDR-Streitkräfte liegt inzwischen ein Nachschlagewerk vor [76: K. FROH/R. WENZKE, Generale und Admirale]. Die Frage der Rekrutierung des Offizierskorps wird ausführlich von S. FINGERLE [321: Waffen in Arbeiterhand?] behandelt.

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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Keine Militärgeschichte im eigentlichen Sinne, aber für die Untersuchung der Geschichte der Volksarmee unverzichtbar sind operativtaktische Studien wie jene, die Stabsoffiziere der Bundeswehr in: K. NAUMANN (Hg.) [332: NVA], erstellt haben. Aber auch technisch orientierte Analysen sind für die militärische Effizienz der NVA unerlässlich [vgl. 327: W. KOPENHAGEN, Luftwaffe; 328: DERS., Landstreitkräfte]. Zudem kommt den Darstellungen ehemals hochrangiger NVA-Generale und Offiziere eine gewisse Bedeutung zu, die zwar nicht frei von Apologetik sind, aber das Wissen von „Insidern“ vermitteln [vgl. 315: M. BACKERRA (Hg.), NVA – ein Rückblick; 338: W. WÜNSCHE (Hg.), Geschichte; 324: W. JABLONSK/W. WÜNSCHE (Hg.), Im Gleichschritt?]. Seit der ab dem 3. Oktober 1990 erfolgten partiellen Übernahme von Personal der NVA in die nun gesamtdeutsche Bundeswehr wird der Erfolg bzw. Misserfolg dieses umfassenden Transformationsprozesses kontrovers debattiert und ist zunehmend zum Forschungsgegenstand avanciert [vgl. 331: G.-M. MEYER/S. COLLMER, Kolonisierung oder Integration? sowie aus soziologischer Sicht 325: F. H. KNABE, Wertewandel im Umbruch]. Überblicksweise hat vor allem R. WENZKE [337: Nationale Volksarmee 423–535] die Geschichte der NVA dargestellt. Der gegenwärtige Forschungsstand zur Geschichte der Grenztruppen der DDR wird von P. J. LAPP, [330: Grenzregime] resümiert. Eine Literaturzusammenstellung über in Deutschland erschienene Publikationen zur Militär- und Sicherheitspolitik der SBZ/DDR bis 1995 bietet die Bibliografie von H. EHLERT [73: Militär- und Sicherheitspolitik].

Integration von Bundeswehr und NVA

3.8 Die Entwicklung der Wirtschaft in der SBZ/DDR Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung in der Bundesrepublik zur SBZ/DDR war bis 1989 einerseits darauf ausgerichtet, die jeweilige ökonomische Gesamtentwicklung einschließlich einzelner Industriezweige zu analysieren [vgl. 353: H. E. HAASE, Wirtschaftssystem], andererseits beabsichtigte sie, in häufig systemvergleichendem Ansatz [vgl. 354: H. HAMEL, Soziale Marktwirtschaft – Sozialistische Planwirtschaft] Struktur, Funktionsweise und Effizienz der nach sowjetischem Vorbild in der SBZ/DDR errichteten „Zentralverwaltungswirtschaft“ (K. C. Thalheim) zu untersuchen. Insgesamt dominierte die makroökonomische Forschung, da mikroökonomische Analysen etwa zu Betrieben aufgrund fehlender interner Angaben kaum durchführbar waren. Eine Bilanz der Forschungen vor 1989/90 geben K. C. THALHEIM [374: Wirtschaftswissenschaftliche DDR-Forschung, 1072–1080], A. BEYER

Sozialistische Planwirtschaft als „Zentralverwaltungswirtschaft“

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Erschwerte wirtschaftliche Ausgangsbedingungen in der SBZ nach 1945

Sowjetische Reparationen und Demontagen

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

[341: Ökonomie, 135–148] sowie H. F. BUCK [343: Westdeutsche DDRWirtschaftsforschung, 759–772]. Bezeichnenderweise war es auch für Wirtschaftswissenschaftler in der DDR schwierig, gesicherte ökonomische Daten zu erhalten. Die wenigen Arbeiten hierzu standen zudem durchgängig unter dem politischen Postulat, Defizite der Planwirtschaft vornehmlich als „Lernprozesse“ [vgl. 369: J. ROESLER, Sozialistische Planwirtschaft], darzustellen. In der Honeckerzeit wurden Angaben über die Wirtschaftsentwicklung immer stärker limitiert und verfälscht [vgl. P. vON DER LIPPE, Die gesamtwirtschaftlichen Leistungen der DDR-Wirtschaft in den offiziellen Darstellungen., in: 117: Enquete-„Aufarbeitung“, Bd. II, 3, 1973–2193]. Eine fundierte Einschätzung der Wirtschaftsentwicklung in der SBZ/DDR wurde weiterhin dadurch erschwert, dass längere Zeit als Bezugsgröße ausschließlich das Jahr 1936 galt; das Wirtschaftswachstum bis Kriegsende blieb somit weitgehend unberücksichtigt. Erst H. BARTHEL [339: Wirtschaftsentwicklung] und in seiner Nachfolge W. MÜHLFRIEDEL und K. WIESSNER [367: Industrie] bezogen die Bedeutung der NS-Kriegswirtschaft für die Wirtschaftsentwicklung der späteren SBZ in die Analyse der Ausgangsbedingungen ein. Diese müssen in der Tat berücksichtigt werden, um die besondere Entwicklung der Wirtschaft in der SBZ/DDR adäquat einschätzen zu können. Grundlegend für die spätere Forschung, vor allem durch den Vergleich mit der Vorkriegs- und Kriegszeit, wurden die frühen Arbeiten von B. GLEITZE [350: Ostdeutsche Wirtschaft] sowie W. F. STOLPER [373: East German Economy]. Nach Kriegsende potenzierten sich dann einige Hemmnisse und Belastungen, die zu ihrer reduzierten Leistungsfähigkeit beitrugen. So wirkte schon die sukzessiv erfolgende Separierung der mitteldeutschen Industrie aus dem gesamtnationalen Wirtschafts- und Währungsverbund nach 1945 sehr schädigend. Hinzu kam, dass die von der sowjetischen Besatzungsmacht vorgenommenen Produktionsentnahmen, Demontagen und Enteignungen die ökonomische Entwicklung in der DDR bis in die 1960er Jahre hinein massiv beeinträchtigten [vgl. 365: W. MATSCHKE, Industrielle Entwicklung]. Das Ausmaß der an die Sowjetunion geleisteten Reparationen war in der Forschung lange Zeit umstritten, ist inzwischen aber weitgehend geklärt. Während J. FISCH [347: Reparationen, 196 f.] mit insgesamt 16,3 Milliarden Dollar von einer wohl zu hohen Summe ausgeht, dürfte die auf umfassenderen Berechnungen beruhende Zahl von ca. 14 Milliarden Dollar von R. KARLSCH [360: Allein bezahlt?, 230 f.] eher zutreffend sein. Gegenüber den Westzonen z. B. belief sich der Verlust industrieller Kapazitäten durch Demontagen in der SBZ auf das Zehnfache.

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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Erlittene Kriegsschäden fielen demgegenüber weit weniger ins Gewicht; sie sind von der wirtschaftshistorischen Forschung in der DDR, mit rund 40% beziffert, stark überschätzt worden [vgl. 339: H. BARTHEL, Wirtschaftsentwicklung, 44]. Tatsächlich waren sie mit durchschnittlich 20% geringer als im Westen [vgl. 378: W. ZANK, Wirtschaft und Arbeit, sowie 342: C. BUCHHEIM (Hg.), Folgelasten]. Das Grundproblem eines kontinuierlichen Wiederaufbaus habe vielmehr „in einer Störung der Möglichkeiten zur produktiven Kombination vorhandener Produktionsfaktoren“ [378: W. ZANK, Wirtschaft und Arbeit, 183] gelegen. So konnte z. B. das ab 1946 bis in die frühen 1950er Jahre hinein überschüssige Arbeitskräftepotenzial in der SBZ aufgrund der tief greifenden Versorgungskrise, des schlechten Gesundheitszustandes und der Beanspruchung durch die Besatzungsmacht niemals voll genutzt werden. Noch früher indes als in der Industrie wurden in der Landwirtschaft die Eigentumsverhältnisse verändert [vgl. 340: A. BAUERKÄMPER (Hg.), Bodenreform]. Anfangs durchaus von einer Bevölkerungsmehrheit befürwortet, wurden ca. 35% der vorhandenen Nutzfläche in der gesamten SBZ enteignet, in einen Bodenfonds eingebracht und an „Neubauern“ verteilt. Dies bedeutete praktisch das Ende jeglichen Großgrundbesitzes, allerdings noch keineswegs die Beendigung weiterer Enteignungen [zum Vorgang selbst wie zur rechtlichen Problematik, da im Einigungsvertrag die vollzogenen Enteignungen auch nach 1990 für rechtens erklärt wurde, 371: B. J. SOBOTKA (Hg.), Wiedergutmachungsverbot?]. Ab 1952 setzte eine erneute Welle der Zwangskollektivierung und damit die Überführung in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) ein, die ab 1959 noch einmal intensiviert und schließlich Ende 1961 mit einer weitgehend durchgesetzten Vollkollektivierung abgeschlossen wurde [zu den Etappen der Kollektivierung 348: D. GABLER, Landwirtschaft sowie exemplarisch zu deren sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Folgen 364: D. LANGENHAN, Kollektivierung der Landwirtschaft, 119–165]. Entscheidend für den erheblich erschwerten Ingangsetzungs- und Wiederaufbauprozess der mitteldeutschen Wirtschaft nach Kriegsende und ihre geringere Produktionsleistung im Vergleich zur westdeutschen bis 1989 [vgl. 366: W. MERKEL/S. WAHL, Wirtschaftliche Entwicklung] wurde jedoch der grundlegende ordnungspolitische Umstrukturierungsprozess, der ab 1947/48 massiv intensiviert worden ist. Seither wurden die ohnehin knappen Ressourcen größtenteils in die Grundstoff- und Schwerindustrie gelenkt und damit in Produktionsbereiche, in denen die mitteldeutsche Wirtschaft schwach entwickelt war, wäh-

Enteignung und Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft

Grundlegender ordnungspolitischer Umstrukturierungsprozess

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Wirtschaftsreform durch NÖSPL

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

rend die Konsumgüter- und Leichtindustrie stark vernachlässigt wurde. Diese zweifellos von der Sowjetunion beeinflusste, an Schwerindustrie und quantitativem Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik wurde von der KPD/SED rigoros durchgesetzt. Hinzu kam die zeitweilige Beschlagnahmung von Betrieben bzw. mehrjährige Umwandlung in Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) [vgl. 359: R. KARLSCH/J. BÄHR, Sowjetische Aktiengesellschaften, 214–255], wobei Letztere bis Ende 1953 in Volkseigentum überführt wurden. Enorme Wachstumshemmnisse waren aber auch darauf zurückzuführen, dass die SBZ im Unterschied zu den westlichen Besatzungszonen von jeglichen Kapitalhilfen (Marshall-Plan) ausgeschlossen blieb. All dies waren „Prozesse, die sich überlagerten und wechselseitig die wirtschaftlichen Probleme noch verstärkten“ [360: R. KARLSCH, Allein bezahlt?, 235]. Insgesamt darf nicht übersehen werden, dass „die Grundprinzipien der Planwirtschaft [. . .] in einer ungewöhnlichen Mangelsituation“ entwickelt wurden, deren Lasten vor allem die Bevölkerung zu tragen hatte [346: D. CORNELSEN, Volkswirtschaft, 258–275; 259]. Nach der durch den Mauerbau 1961 erzwungenen Stabilisierung und Konsolidierung der DDR wurde dieser umfassende ökonomische Umstrukturierungsprozess zunächst weitgehend abgeschlossen. Mit der im Juli 1963 beschlossenen „Richtlinie für das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (= NÖS bzw. NÖSPL) sowie weiteren Reformmaßnahmen in den Folgejahren (seit dem VII. Parteitag von 1967 umbenannt in ÖSS = Ökonomisches System des Sozialismus) wurde versucht, die gravierendsten Mängel der DDR-Wirtschaft zu beheben, zumal sie gegenüber der westdeutschen immer stärker zurückfiel. Dies betraf vornehmlich die schwerfällige bürokratische Planung und Lenkung, die Orientierung der industriellen Produktion an ausschließlich quantitativen Kriterien sowie die Zurückhaltung der Betriebe, Innovationen vorzunehmen, da solche die Planerfüllung gefährden konnten. Verbunden mit einer etappenweisen Angleichung der Industriepreise an realistischere Produktionskosten, aber auch durch Leistungsanreize sollten die Betriebe in die Lage versetzt werden, ökonomischer zu operieren und zugleich mehr Eigenverantwortung erhalten. Umfassend sind diese Reformansätze auf breiter Quellenlage von A. STEINER [372: Wirtschaftsreformen] analysiert worden. Demzufolge führte weder die Schaffung realistischerer, knappheitsnaher Preise durch die Preisreform von 1965/66 noch die gestärkte institutionelle Eigenverantwortlichkeit der Betriebe zu einer effizienteren Produktion.

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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Mit der bereits vor dem Machtwechsel von Ulbricht auf Honecker vollzogenen Beendigung der Reformen erfolgte eine „Rezentralisierung“ [346: D. CORNELSEN, Volkswirtschaft, 258] bzw. eine „Flucht zurück zur orthodoxen administrativen Befehlswirtschaft“ [344: H. BUCK, Wirtschaftsreformkonzeption, 77–108; 98]. Die Konzentration wirtschaftlicher Ressourcen auf sog. strukturbestimmende Wirtschaftsbereiche zu Lasten insbesondere der Infrastruktur, des Wohnungsbaus, der Versorgungswirtschaft und Dienstleistungen wurde aufgehoben [vgl. 377: S. WENZEL, Wirtschaftsplanung, 7]. Mit der Verkündung der Leitlinie von der „Einheit der Wirtschafts- und Sozialpolitik“, die bis zum Sturz Honeckers Geltung behielt, sollten nunmehr die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung spürbar verbessert, Versorgungsmängel behoben und ökonomische Disproportionen beseitigt werden – volkswirtschaftlich gesehen barg sie indes große Risiken. Denn die Verlagerung der ohnehin knappen Investitionsmittel auf die Konsumgüter- und Leichtindustrie sowie in den Wohnungsbau musste zu Lasten einer notwendigen Erneuerung der bestehenden Produktionsmittel gehen, an deren Stelle „kreditfinanzierte technologieintensive Westimporte zur Modernisierung des eigenen Wirtschaftspotenzials“ vorgesehen waren [355: M. HAENDCKE-HOPPE-ARNDT, Ökonomisches Erbe, 97–113; 101]. Zwangsläufig wuchs damit allerdings die Verschuldung der DDR gegenüber dem sog. Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW). Die für die Bevölkerung bis Mitte der 1970er Jahre subjektiv durchaus spürbare Verbesserung der Versorgungslage sowie die angestrengten Bemühungen des Regimes, durch ein umfassendes Bauprogramm die prekäre Wohnungssituation zu entschärfen, schienen zunächst die Richtigkeit des neuen wirtschafts- und sozialpolitischen Kurses zu bestätigen, verdeckten jedoch die sich in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre ausweitenden ökonomischen und finanziellen Probleme [vgl. 352: G. GUTMANN (Hg.), Wirtschaftssystem]. Denn die Erhöhung des Rohölpreises im Jahre 1973, der sich gegen Ende des Jahrzehnts noch einmal – bei reduzierten Erdöllieferungen der Sowjetunion – verdoppelte, ließ die bestehende Schuldenlast gegenüber der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten steil anwachsen [vgl. 375: A. VOLZE, Devisenverschuldung, 151–183]. Die hastig durchgesetzte Ersetzung des Energieträgers Erdöl durch die heimische Braunkohle, um Devisen zu sparen, erforderte einen hohen Investitionsaufwand und führte überdies zu steigenden, auch die Gesundheit der Bevölkerung schädigenden ökologischen Belastungen [345: H. F. BUCK, Umweltpolitik, 223–266]. Die schon seit Mitte der 1970er Jahre überfällige

„Einheit der Wirtschafts- und Sozialpolitik“ als Leitlinie der Ära Honecker

Verschärfte Wirtschafts- und Finanzkrise ab Mitte der 1970er Jahre

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Wachsende Verschuldung der DDR

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

wirtschaftspolitische Kurskorrektur bestand in einer Forcierung des Exports und einem weitgehenden Investitionsverzicht. Damit verschlechterte sich die Versorgung der Bevölkerung bis zur „Wende“ sukzessive. Zugleich ging damit ein rapider Verfall der Produktionsanlagen und Maschinen einher. Ab Mitte der 1980er Jahren wurde das Investitionsvermögen der DDR-Wirtschaft so gering, dass nur noch „5 v. H. des Grundmittelbestandes in den Güter produzierenden Bereichen“ zur Verfügung standen [343: H. F. BUCK, Westdeutsche DDRWirtschaftsforschung, 763]. Der überfällige Abbau von Subventionen, die inzwischen 30% des Staatshaushaltes ausmachten [377: S. WENZEL, Wirtschaftsplanung, 8], wurde jedoch aus sozialpolitischen Gründen unterlassen. Der Verfall der Arbeitsproduktivität, die im direkten Vergleich mit der Bundesrepublik bereits 1983 nur noch 47% betragen hatte, schritt rasant fort [vgl. 362: S. KUPPER, Leistungsvergleich, 759–768]. Die wachsende Verschuldung der DDR war einem kleinen Kreis von Politbüromitgliedern und Wirtschaftsfunktionären durchaus bekannt und bewusst [vgl. 234: P. PRZYBYLSKI, Tatort Politbüro, Bd. 2], ohne dass jedoch Korrekturen eingeleitet worden wären [vgl. 357: H.-H. HERTLE, Ökonomischer Untergang, 1021–1039 sowie 356: M. HAENDCKE-HOPPE-ARNDT, Ökonomischer Niedergang, 120–131]. Der SED-Staat stand jedoch noch nicht vor dem unmittelbaren Bankrott, wie z. T. bis heute angenommen wird, zumal die tatsächliche Verschuldung der DDR nicht 20,6 Mrd. $, sondern zwischen 13 und 14 Mrd. $ betrug [vgl. 376: A. VOLZE, Westverschuldung, 701–713, mit ausführlichen Berechnungsnachweisen]. Die Zahlungsunfähgkeit wäre aber bei Weiterexistenz der DDR nach 1990 binnen weniger Jahre eingetreten. Die Schuldenübernahme und -tilgung ist seitens der Bundesrepublik dann im Zuge der Wirtschafts- und Währungsunion getätigt worden [vgl. 349: E. GAWEL, Währungsunion]. Das Scheitern der DDR-Wirtschaft ist inzwischen mehrfach mit unterschiedlicher Akzentuierung einzelner Faktoren bilanziert worden [vgl. 363: G. KUSCH, Wirtschafts- und Sozialpolitik; 368: T. PIRKER/ M. R. LEPSIUS/R. WEINERT/H.-H. HERTLE, Wirtschaftsführung; 351: G. GUTMANN/H. F. BUCK, Zentralplanwirtschaft, 7–51; 361: J. KOPSTEIN, Economic Decline in East Germany]. Auch gelang es der DDRWirtschaft nicht, den Wandel zu einer modernen Dienstleistungsgesellschaft zu vollziehen [vgl. 370: O. SCHWARZER, Sozialistische Zentralplanwirtschaft, mit umfassender quantitativer Dokumentation; s. a. 118: Enquete-„Überwindung“, Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik, Bd. III, 1–3].

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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3.9 Gesellschafts- und Sozialgeschichte, Sozialpolitik, Alltag und Konsum Die Gesellschafts- und Sozialgeschichte der SBZ/DDR ist zunächst von den demografischen, migrationsbedingten, generationsspezifischen und nicht zuletzt sozio-ökonomischen Folgen des Zweiten Weltkrieges ebenso nachhaltig geprägt worden wie die westlichen Besatzungszonen, mit dem Unterschied, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen und Vertriebenen hier prozentual noch höher gewesen ist (19% zu 16%). Den Forschungsstand hierzu geben M. SCHWARTZ [407: ‚Umsiedler‘, 235–262] sowie M. WILLE [415: Vertriebene, 203–218] wieder [vgl. auch die regionalhistorische Untersuchung von 384: S. DONTH, Vertriebene und Flüchtlinge]. Die nachkriegsbedingte Migration ging bis zum Ende der DDR in die Abwanderung breiter Bevölkerungsschichten in die Bundesrepublik über, wobei der Mauerbau eine entscheidende Zäsur nicht zuletzt auch in quantitativer Hinsicht setzte. Der enorme Bevölkerungsverlust war vornehmlich bedingt durch den radikalen Umbau des Herrschafts- und Wirtschaftssystems und den wachsenden ideologischen Konformitätsdruck, der ab 1947/48 einsetzte. Zwischen 1950 und 1980 verließen insgesamt 4,5 Mio. Menschen den SED-Staat, davon 3,5 Mio. allein im Jahrzehnt vor 1961; von diesem fast durchweg von Ost- nach Westdeutschland verlaufenden Bevölkerungstransfer ist die Entwicklung der DDR nachhaltig geprägt worden. Der damit verbundene gesamtgesellschaftliche Umbruch ist von wissenschaftlicher Seite aus kontinuierlich verfolgt worden [vgl. 409: D. STORBECK, Strukturen, 379: AKADEMIE FÜR POLITISCHE BILDUNG TUTZING, Sozialstruktur sowie 413: D. VOIGT u. a., Sozialstruktur]. Insgesamt waren die vor dem Zusammenbruch der DDR erfolgten Untersuchungen jedoch vorwiegend soziologisch und nur ansatzweise sozialhistorisch ausgerichtet. Eine Ausnahme stellte indes die durch eine Sondergenehmigung Honeckers noch vor 1989 möglich gewordene Befragung einer Anzahl von DDR-Bürgern nach ihren lebensgeschichtlichen Erfahrungen in der SBZ/DDR durch einige Zeithistoriker aus der Bundesrepublik im Jahre 1987 dar. Erstmals konnte dadurch ein moderner, sozialhistorischer Zugriff bei der Erforschung lebensweltlicher, generationsspezifischer und mentalitätsgeschichtlicher Prägungen zur Anwendung kommen [405: L. NIETHAMMER u. a., Volkseigene Erfahrung]. Eine breite sozialhistorische Erforschung der gesellschaftlichen Entwicklung in der SBZ/DDR ist ebenfalls erst durch den Quellenzu-

Soziale Folgen des Zweiten Weltkrieges

Millionenfache Abwanderung aus der SBZ/DDR

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Primat der SED bestimmt Wirtschaft und Gesellschaft

„Durchherrschung“ der Gesellschaft und „Grenzen der Diktatur“

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

gang nach 1989/90 ermöglicht worden; gleichzeitig setzte eine eingehende Debatte über die Spezifika dieser Entwicklung ein. Richtungweisend für die weitere Forschung wurde der thematisch breit gefächerte Sammelband von H. KAELBLE u. a. [396: Sozialgeschichte]. Bis Kriegsende hatten sich gesellschaftliche Strukturen in Mitteldeutschland, abgesehen von regionalspezifischen Unterschieden, kaum von der gesamtdeutschen Entwicklung abgehoben. Doch während der darauf folgenden vierzigjährigen Existenz der SBZ/DDR bildeten sich „eigentümliche Eigenschaften der Sozialstruktur, der Lebensweisen, der Verhaltensprägung und der Handlungsoptionen, . . . (heraus, die; G. H.) von der spezifischen Institutionenordnung geprägt“ wurden [M. R. LEPSIUS, Die Institutionenordnung als Rahmenbedingung der Sozialgeschichte der DDR, in: ebd., 17–30; 17]. Aufgrund der Dominanz der KPD/SED und des Primats von Politik und Ideologie in der SBZ/DDR wurde die Gesellschaft daher in viel höherem Maß als in der früheren Bundesrepublik von einschneidenden sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen bestimmt und dadurch zu einem „künstliche(n) Produkt politischer Herrschaft, von dieser ermöglicht, durchformt und abhängig“ [J. KOCKA, Eine durchherrschte Gesellschaft, in: ebd., 547–553; 550]. Die „durchherrschte Gesellschaft“ [184: A. LÜDTKE, „Helden der Arbeit“, 188] wurde jedoch keineswegs total von Partei und Staat geprägt bzw. ließ sich prägen; vielmehr stieß der umfassende Herrschaftsund Gestaltungsanspruch der KPD/SED immer wieder an Grenzen sozialer, familiärer und individueller Selbstbehauptung. Unabhängig vom jeweils gewählten Untersuchungsfeld müssen sozialgeschichtliche Forschungen zur Gesellschaftsentwicklung in der SBZ/DDR daher grundsätzlich darauf ausgerichtet sein, „das sich wandelnde Wechselwirkungsverhältnis zwischen der diktatorischen Herrschaft und den vielfältigen Weisen zu erforschen, in denen die Menschen mit ihr umgingen“ [J. KOCKA, Eine durchherrschte Gesellschaft, in: 396, 547–553; 551]. In der sich anschließenden Debatte wurden die oszillierenden Grenzlinien zwischen (Partei-)Herrschaft und Gesellschaft, zwischen intendierter „Durchherrschung“ und den „Grenzen der Diktatur“, welche die Entwicklung sozialer Strukturen und Prozesse in der SBZ/DDR fortwährend prägten, intensiv diskutiert [vgl. 381: R. BESSEL/R. JESSEN, Grenzen, 7–23 (Einleitung)]. Vor allem die als permanenter Wechselbezug verstandene Interaktion von „Herrschaft als soziale Praxis“ durch Partei und Staat sowie der „Eigen-Sinn“ der Gesellschaft bzw. ihrer Individuen hat die weitere Diskussion bestimmt; das dialektische Begriffspaar stammt von A. LÜDTKE [vgl. 401: Herrschaft als soziale

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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Praxis, 402: Eigen-Sinn]. Darin ist auch das in der DDR-Gesellschaft zu beobachtende Phänomen eingeschlossen, dass der ausdrückliche sozialpolitische Gestaltungswillen der Partei bisweilen durch von ihr unintendierte gesellschaftlich-soziale Prozesse unterlaufen oder durch Aushandlung abgeschwächt werden konnte. Eine wichtige Rolle spielten dabei „informelle Netzwerke“, die sich auf praktisch allen Ebenen etablierten [hierzu eingehend 191: D. POLLACK, Konstitutive Widersprüchlichkeit, 110–131]. Mit den o. g. Kategorien wurde auch der Rahmen abgesteckt für die ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend intensivierte Erforschung des Alltags in der DDR [zu ihren theoretisch-methodologischen Implikationen vgl. 400: T. LINDENBERGER, Herrschaft, 13–44 (Einleitung)]. Mittlerweile hat sich hierzu eine breite Forschung entwickelt, z. T. mit weiterführenden Überlegungen zu dieser Thematik [vgl. 403: A. LÜDTKE/P. BECKER (Hg.), Akten, 399: G. KUHN/A. LUDWIG, Alltag, 382: R. BITTNER, Kolonien sowie 380: E. BADSTÜBNER, Befremdlich anders. Zum Forschungsstand s. 118: Enquete-„Überwindung“, Bd. V]. Zweifellos hat die z. T. durchaus realisierte gesellschaftliche Umgestaltung in der SBZ/DDR weit reichende, bis heute feststellbare soziale, aber vor allem mentale Folgen gezeitigt, welche die ostdeutsche Gesellschaft stark präg(t)en. Auch die Umwandlung der Sozialversicherung in eine Einheitssozialversicherung durch Zusammenfassung aller bisherigen Versicherungsträger und die Ausdehnung der Versicherungspflicht auf die gesamte Bevölkerung in den Jahren 1945 bis 1956 war ein bisweilen unterschätzter Bestandteil des beabsichtigten, auf weitgehende Egalisierung abzielenden gesellschaftlichen Transformationsprozesses [vgl. 386: D. HOFFMANN, Neuordnung]. Vor allem aber war es der tief greifende Elitenaustausch, der bis Anfang der 1970er Jahre sozialen Schichten Aufstiegsmöglichkeiten ermöglichte, die davon bislang eher ausgeschlossen waren, gleichzeitig aber zu einer unübersehbaren Deprofessionalisierung in manchen Bereichen führte. Die nachwachsenden Generationen wiederum wurden in den 1970er und 1980er Jahren in ihren Aufstiegschancen zunehmend blockiert [vgl. 388: P. HÜBNER, Eliten]. Für die Umstrukturierung des Hochschulpersonals ist dies beispielhaft durch R. JESSEN [395: Akademische Elite] untersucht worden. Trotz einer auf Egalisierung ausgerichteten Politik blieben soziale Ungleichheiten bestehen, ja verstärkten sich in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR wieder. Weder war die DDR eine klassenlose noch egalitäre, sondern eine zwar nivellierte, aber durchaus differenzierte

Intensivierte Erforschung des DDR-Alltags

Umfassender Elitenaustausch

Soziale Ungleichheit in der sozialistischen Gesellschaft

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„Betriebszentriertheit“ der DDRGesellschaft

Defizitäre sozialhistorische Erforschung der Arbeiterklasse

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Gesellschaft [zur intensiven, noch keineswegs abgeschlossenen Debatte hierüber 387: J. HUININK u. K. U. MAYER, Kollektiv]. Die sukzessive Verdrängung bzw. Zerstörung des Bildungs- und vor allem aber des Wirtschaftsbürgertums stellte dabei für den Elitenaustausch die entscheidende Voraussetzung dar [s. hierzu besonders 398: C. KLESSMANN, Relikte]. Ein weiteres, charakteristisches Kennzeichen der DDR-Gesellschaft ist ihre „Betriebszentriertheit“ gewesen, so die begriffliche Fassung von H. KAELBLE [397: Gesellschaft, 563]. Dienst- und Versorgungsleistungen, gesellschaftliche Veranstaltungen, Kultur- und Freizeitaktivitäten bis hin zur Urlaubsorganisation liefen zumeist über den Betrieb und die dortigen Arbeitsbrigaden; dies führte häufig zu einer verstärkten Identifikation mit dem persönlichen Arbeitsumfeld [vgl. 414: F. WEIL, Herrschaftsanspruch]. Insgesamt ist die Forschung aber über erste Sondierungen zum DDR-Betriebsalltag noch wenig hinausgekommen [vgl. 394: R. HÜRTGEN/T. REICHEL, Schein; zu den Wirtschaftsfunktionären in den Betriebsleitungen 390: P. HÜBNER, Industrielle Manager]. Die Arbeiterklasse in der SBZ/DDR, als deren Vorhut sich die Partei verstand und die zugleich einen Eckpfeiler ihrer Legitimation verkörperte, ist angesichts ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung im SED-Staat ebenfalls noch keineswegs ausreichend sozialhistorisch erforscht. Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass sozial- und mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen hierzu von den bestehenden planwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Gehäuse einer „strukturkonservativen Industriegesellschaft“ (G. A. RITTER) auszugehen haben. Aufgrund der verzögerten Entwicklung zu einer postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft hielten sich in der DDR traditionelle industrie-betriebliche Arbeitsstrukturen und Arbeitermilieus daher erheblich länger als etwa in der Bundesrepublik [vgl. den problemorientierten Überblick 389: P. HÜBNER, Zukunft]. Für die Arbeiterschaft in der DDR war es dabei besonders kennzeichnend, dass es trotz fehlender gewerkschaftlicher Interessenvertretung in den Brigaden und Arbeitskollektiven „relativ häufig gelang, soziale Tagesinteressen zu artikulieren und möglichst unterhalb der Konfliktschwelle mehr oder minder vollständig durchzusetzen“ [ebd., 180]. Dieses „Aushandlungsverhalten“ ist u. a. von P. HÜBNER [391: Konsens] exemplarisch untersucht worden [mit Vergleichen zur Bundesrepublik auch 392: P. HÜBNER/K. TENFELDE (Hg.), Arbeiter; zur sozialen und mentalen Prägung ostdeutscher Industriearbeiterschaft vgl. auch die regional ausgerichteten Untersuchungen im Sammelband 393: P. HÜBNER, Industriearbeiter].

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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Zwischen propagierter und nur partiell realisierter Gleichberechtigung auf der einen und tatsächlicher individueller Lebenswirklichkeit auf der anderen Seite vollzog sich die soziale Entwicklung von Frauen in der DDR, die als Industriegesellschaft weltweit die höchste Beschäftigungsquote aufwies (1950: 49,2%; 1988: 91,3%). Vor allem ab Anfang der 1970er Jahre trugen erhöhte sozialpolitische Maßnahmen dazu bei, dass insbesondere durch das flächendeckende Netz von Kinderkrippen, -gärten und -horten der weiblichen Bevölkerung größere Möglichkeiten geboten wurden, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die traditionelle Mehrfachbelastung von Frauen, die Eingliederung in niedrigere Lohngruppen, erschwerte Aufstiegschancen bei gleicher Berufsqualifikation sowie eine eindeutige Unterrepräsentanz in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsgremien haben in der sozialgeschichtlichen Forschung die diesbezügliche Diskussion hierüber jedoch noch zu keinem Abschluss gebracht, inwieweit tatsächlich von einer wirklichen gesellschaftlichen Emanzipation von Mädchen und Frauen in der SBZ/DDR gesprochen werden kann [vgl. mit komparativer Perspektive 385: G. HELWIG/H. M. NICKEL (Hg.), Frauen sowie 383: G.-F. BUDDE (Hg.), Frauen; zur spezifischen Entwicklung in der SBZ/DDR 410: G. SZEPANSKI, Emanzipation und 412: H. TRAPPE, Emanzipation; der Stand der Diskussion in 118: Enquete-„Überwindung“, Bd. V]. Zur Entwicklung des Konsums in der SBZ/DDR, deren Gesellschaft mit etwa zehnjähriger Verspätung im Vergleich zur Bundesrepublik sich ebenfalls auf dem Wege zu einer Freizeit- und Konsumgesellschaft ab Ende der 1960er Jahre befand, gibt I. MERKEL Auskunft [404: Utopie]. Vergleichende Einblicke in Freizeitverhalten und Urlaubsgepflogenheiten der DDR-Bevölkerung enthält der Sammelband von H. SPODE [408: Goldstrand].

Frauen in der DDR

Entwicklung des Konsums in der SBZ/DDR

3.10 Bildungssystem, Jugendpolitik und Wissenschaft Der radikale Bruch mit dem traditionellen dreigliedrigen Schulsystem nach 1945, die forcierte Egalisierung sozialer Differenzen, der jedoch bald die Diskriminierung von Kindern aus „bürgerlich-christlichem“ Elternhaus folgte, sowie die massive politisch-ideologische Indoktrinierung der Jugend haben frühzeitig das Interesse der bundesdeutschen SBZ/DDR-Forschung gefunden. Bereits in den 1950er Jahren wurde mit dem Konzept der „totalitären Erziehung“ und deren „totaler Politisierung“ sowie mit dem Begriff der „Sowjetisierung“ der massive Umbau des Erziehungs- und Bildungssystems nach sowjetischem Vor-

Politisch-ideologische Indoktrinierung der Jugend

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Frühzeitige Erforschung des Erziehungs- und Bildungssystems

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

bild umschrieben [vgl. 436: M. G. LANGE, Erziehung sowie für die Pädagogik 438: H. MIESKES, Pädagogik]. Ende der 1960er Jahre erfolgte eine zunehmend komparativ ausgerichtete Erforschung des in der DDR institutionalisierten Erziehungs- und Bildungssystems, die bis Ende der 1980er Jahre auf einen osteuropäischen Vergleich ausgedehnt wurde [vgl. 419: B. DILGER u. a., Bildungsforschung]. Parallel dazu erfolgten wieder stärker an bildungssoziologischen Fragestellungen orientierte Forschungsarbeiten; eine multidisziplinär angelegte Studie von O. ANWEILER [416: Schulpolitik] fasste den damaligen Forschungsstand zusammen. Unmittelbar nach 1989 erschien eine Maßstäbe setzende vergleichende Bilanz der Bildungspolitik und des Bildungssystems in beiden deutschen Staaten unter der Leitung von O. ANWEILER [417: Vergleich; s. auch die Dokumentation 418: Bildungspolitik]. Die mannigfachen Schwierigkeiten und Hindernisse bei der Kopplung und Adaptierung beider Bildungssysteme nach 1990 beleuchteten sodann auf der Grundlage erstmals möglich gewordener Datenerhebungen K. KLEMM u. a. [433: Bildungsplanung]. Die Forschungsdebatte zur Pädagogik vermittelt D. HOFFMANN (Hg.) [430: Erziehung]. Angesichts der Schwierigkeiten, die seither beim Adaptions- und Integrationsprozess beider Bildungssysteme aufgetreten sind, hat sich das Interesse der Bildungs- und Erziehungsforschung wieder stärker auf die Entstehung, Entwicklung und Ausprägung des bis 1989/90 in der DDR existenten Erziehungs- und Schulsystems verlagert [vgl. 426: S. HÄDER/H.-E. TENORTH, Bildungsgeschichte sowie 422: G. GEISSLER, Schulwesen]. Eine umfassende Analyse des DDR-Bildungssystems einschließlich aller politisch-ideologischen, rechtlichen, pädagogischen, administrativen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen enthält das Handbuch von C. FÜHR u. C.-L. FURCK [77: Bildungsgeschichte]; dort wird auch der gegenwärtige Forschungsstand kritisch resümiert. Die empirische Erfassung der „ungewollten Differenz zwischen dem bildungspolitischen Entwurf und der sozialen Realität des Bildungs- und Erziehungssystems der DDR“ [B.-R. FISCHER, Das Bildungs- und Erziehungssystem der DDR, in 117: Enquete-„Aufarbeitung“, Bd. III, 2, 852–875; 874] ist seit 1990 durch eine Differenzierung der Intentionenanalyse weiter intensiviert worden. Auch konnte durch den nunmehr möglichen Quellenzugriff das bis dahin vorherrschende Bild einer konfliktarm funktionierenden Erziehungsdiktatur widerlegt werden [vgl. den Quellenband 423: G. GEISSLER u. a.,

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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Schule]. Außerdem stellte die Forschung die Reichweite des zentralistischen Erziehungssystems infrage und nahm die Rekonstruktion individueller Handlungsspielräume vor [vgl. 427: S. HÄDER, Schülerkindheit sowie 439: U. MIETZNER, Enteignung]. Die Jugendpolitik der KPD/SED war vor allem darauf ausgerichtet, die heranwachsende Generation möglichst frühzeitig zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ zu erziehen, um ihre Integration in und ihr Engagement für die DDR-Gesellschaft zu gewährleisten. Eigenständige „jugendliche Entfaltungsmöglichkeiten“ [B. HILLE, Jugend und Jugendpolitik in der DDR von 1961 bis 1989, in 117: Enquete-„Aufarbeitung“, Bd. III, 2, 1275–1313; 1280] hatten demgegenüber zurückzustehen, wurden behindert oder zumindest stark reglementiert. In der DDR selbst führte in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre das damals gegründete Leipziger Zentralinstitut für Jugendforschung im Jahre 1966 größere Untersuchungen durch, deren häufig negative Ergebnisse die Regierung jedoch meist geheim hielt [vgl. 420: W. FRIEDRICH u. a., Zentralinstitut]. Als gesichert dürfte gelten, dass gerade die lückenlose staatliche Erfassung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen durch das Erziehungs- und Schulsystem, zusammen mit der permanenten politisch-ideologischen Indoktrination zunehmend gegenteilige Effekte erzielt hat, nämlich eine „Entpolitisierung“, die sich ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre dramatisch steigerte [vgl. 421: W. FRIEDRICH/H. GRIESE, Jugend, insb. 135–150, bzw. 437: M. MICHALZIK, Offizielles Jugendbild]. Diese Entwicklung lief parallel zur wachsenden Orientierung der DDR-Jugend auf die westliche Jugend- und Freizeitkultur und zur zunehmenden Distanzierung vom Staat der SED [vgl. 441: P. SKYBA, Hoffnungsträger]. Der Transformationsprozess, der ab 1947/48 an den mitteldeutschen Universitäten einsetzte und durch Hochschulreformen in den Jahren 1952 und 1968 sanktioniert wurde, ist seit 1990 vor allem für die Frühzeit intensiv erforscht worden [vgl. 428: M. HEINEMANN (Hg.), Wissenschaft sowie 425: A. HARITOMOW, Hochschulpolitik]. Das gilt besonders für die Veränderung des Sozialprofils des wissenschaftlichen Personals [vgl. 432: R. JESSEN, Ordinarius]. Der Widerstand gegen diese radikale Transformation fand dabei erneut Aufmerksamkeit [vgl. 435: W. KRÖNIG/K.-D. MÜLLER, Anpassung], nachdem dieser bereits in den frühen 1950er Jahren umfassend dokumentiert worden war [vgl. 440: M. MÜLLER/E. E. MÜLLER, Sowjetisierung]. Während die Fächer Philosophie und Geschichte aufgrund ihrer besonderen ideologischen Ausrichtung in der Forschung stärkere Beachtung erfahren haben [vgl. 429: G. HERZBERG, Abhängigkeit so-

Jugendpolitik der KPD/SED

Wachsende Entpolitisierung der Jugend ab Mitte der 1980er Jahre

Transformation der Universitäten und Hochschulen

100

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

wie 434: I.-S. KOWALCZUK, Legitimation], erfuhr die Entwicklung der Naturwissenschaften in der DDR bisher nur eine überblicksweise Behandlung [vgl. 431: D. HOFFMANN/K. MACRAKIS (Hg.), Naturwissenschaft; s. a. 118: Enquete-„Überwindung“: Bildung, Wissenschaft, Kultur, Bd. IV, 1–2]. 3.11 Die Kirchen in der SBZ/DDR Entwicklung der beiden Kirchen

Weltanschauliche Verdrängungspolitik der SED

Für die Entwicklung beider Konfessionskirchen in der SBZ/DDR lassen sich Etappen feststellen, die vornehmlich von der Kirchenpolitik der KPD/SED bestimmt wurden [vgl. M. GOERNER/M. KUBINA, Die Phasen der Kirchenpolitik der SED und die sich darauf beziehenden Grundlagenbeschlüsse der Partei- und Staatsführung in der Zeit von 1945/46 bis 1971/72, in: 117: Enquete-„Aufarbeitung“, Bd. VI, 1, 615–874 sowie A. NOACK, Die Phasen der Kirchenpolitik der SED und die sich darauf beziehenden Grundlagenbeschlüsse der Partei- und Staatsführung in der Zeit von 1972 bis 1989, in: ebd., 1048–1133]. Trotz der Verdoppelung des Anteils katholischer Gläubiger durch Flüchtlinge und Vertriebene (1939: 6,1%; 1946: 12,2%) [vgl. hierzu im Einzelnen J. PILVOUSEK, Innenansichten. Von der „Flüchtlingskirche“ zur „katholischen Kirche in der DDR“, in: ebd., Bd. VI, 2, 1134–1163] verblieb die katholische Kirche auch in der SBZ/DDR gegenüber den evangelischen Kirchen im Status einer Diaspora-Kirche [vgl. U. v. HEHL/W. TISCHNER, Die katholische Kirche in der SBZ/DDR 1945–1989, in: ebd., 875–949 sowie 458: B. SCHÄFER, Staat]. Nach der Übergangsphase eines Kooperationskurses führten die Schulpolitik und das Wiederaufleben der kirchlichen Jugendarbeit zu ersten Konflikten mit der KPD/SED. Nach der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 wurden die Angriffe auf die „Jungen Gemeinden“ und die „Evangelischen Studentengemeinden“ verstärkt, bis man ihnen im Januar 1953 alle Aktivitäten untersagte. Die weitere Mitgliedschaft in ihnen führte zur Relegation von Oberschulen und Universitäten oder sogar strafrechtlichen Verfolgung [vgl. 465: H. WENTKER, „Kirchenkampf“]. Ein knappes Jahr nach dem 17. Juni 1953 betrieb die Partei erneut eine massive weltanschauliche Verdrängungspolitik. Unvermindert blieb es ihre Zielsetzung, die Entkirchlichung der Gesellschaft zu erreichen und die Kirchen auf ihren seelsorgerischen Auftrag und den sakralen Raum einzuengen [vgl. 449: M. GOERNER, Kirche]. Zu diesem Zweck wurde der traditionellen Konfirmation und Kommunion ab 1954/55 die Jugendweihe entgegengesetzt, mit der die SED langfristig den kirchlichen Einfluss bei der breiten Mehrheit der Bevölkerung

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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sukzessive zurückdrängen konnte [vgl. 466: H. WENTKER, Jugendweihe]. Während die katholische Kirche auf die Kirchenpolitik der SED mit einem Rückzug auf das innerkirchliche Gemeindeleben reagierte und damit – praktisch bis 1989 – eine selbstgewählte Ghettorolle einnahm [vgl. 459: B. SCHÄFER, Selbstbehauptungsstrategie sowie umfassend für die erste Phase in der SBZ 463: W. TISCHNER, Katholische Kirche], verhielten sich die protestantischen Landeskirchen nicht einheitlich, zweifellos auch aufgrund des ihnen innewohnenden theologischen und organisatorischen Pluralismus, zumal ab Mitte der 1950er Jahre absehbar wurde, dass sie sich auf eine längere Auseinandersetzung mit dem SED-Regime einstellen mussten [vgl. 442: G. BESIER, Resistenz]. Welche (negative) Bedeutung die Partei insbesondere den evangelischen Kirchen in der DDR nach wie vor zumaß, erwies sich an dem 1956 geschaffenen „Amt für Kirchenfragen“, der späteren „Dienststelle des Staatssekretärs für Kirchenfragen“, mit der die Kirchenpolitik zentral gesteuert werden sollte. Damit verfügte die SED nun über „eine Doppelstruktur aus staatlicher Administration (Staatssekretariat) und parteilicher Anleitung und Kontrolle (,Arbeitsgruppe Kirchenfrage‘) sowie einer parallelen Überwachungs- und Informationsbeschaffungsstruktur (Hauptabteilung V/6 bzw. XX/4 der Staatssicherheit), die sich mit jeweiligen Dienststellen oder Mitarbeitern bis in die Bezirke und Kreise verästelte. Diese Struktur variierte bis zum Ende der DDR kaum“ [450: M. GOERNER, Strukturen, 124]. Ab Anfang der 1960er Jahre verstärkte die SED ihre Bemühungen, die Gliedkirchen in der DDR von der EKD abzukoppeln. Zugleich versuchte sie, durch eine gezielte Differenzierungsstrategie innerhalb der einzelnen Landeskirchen ihr positiv (= „fortschrittlich“) bzw. negativ (= „reaktionär“) gegenüberstehende Kirchenleitungen, Pfarrer und Gläubige auseinander zu dividieren und gegeneinander auszuspielen. Nach dieser Methodik wurde auch an den theologischen Fakultäten der Universitäten verfahren [vgl. 462: F. STENGEL, Fakultäten]. Nachdem der Mauerbau die Mitarbeit der DDR-Landeskirchen in der EKD erheblich erschwert hatte, wurde der Übergang von den 1960er zu den 1970er Jahren für das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen in der DDR zu einer weiteren entscheidenden Etappe. Waren bereits die in der Verfassung von 1949 verankerten Rechte der Kirchen und Gläubigen von der SED kaum gewahrt worden, so schränkte die neue Verfassung von 1968 diese weiter ein. Lediglich Art. 39 sicherte noch das Recht auf religiöse Glaubensausübung zu. Vor diesem Hinter-

Ghettorolle der katholischen Kirche

Differenzierungsstrategie der SED

102 Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR

Umstrittene Formel „Kirche im Sozialismus“

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

grund schien die ein Jahr später (10. 6. 1969) erfolgte Gründung eines eigenen „Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ (BEK) – und damit die Abtrennung von der EKD – zunächst ein Erfolg der SEDKirchenpolitik zu sein. Dieser wurde aber dadurch relativiert, dass sich die BEK entgegen der Differenzierungsstrategie der Partei zu einem einzigen Verband zusammenschloss und sich die Kirchen auch weiterhin als „zu der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christen in Deutschland“ (Art. 4.4. der Bundesordnung) gehörig bekannten [vgl. 467: M. WILKE/P. MASER (Hg.), Gründung]. Zur Modifizierung ihrer Kirchenpolitik, die der VIII. Parteitag von 1971 propagierte, trug allerdings auch die (Selbst-)Erkenntnis der SED bei, dass diese „nicht von einem Wunschdenken bestimmt sein durfte, möglichst bald keine Kirche im Sozialismus mehr zu haben, sondern die vorhandene Kirche möglichst weitgehend auf einen spezifischen Beitrag zur Stärkung des Sozialismus zu orientieren“ [448: H. DOHLE, Grundzüge, 105]. Dies blieb die entscheidende kirchenpolitische Leitlinie der SED bis 1989. Mit dem auf der Eisenacher BEKSynode (2.–6.7.1971) formulierten Satz, „Kirche nicht neben oder gegen, sondern im Sozialismus“ zu sein, akzeptierten die evangelischen Kirchen zwar ihre Existenz in der DDR, doch ist diese Formel als kirchenpolitische Grundlinie bis heute theologisch und wissenschaftlich umstritten geblieben [vgl. 464: W. THUMSER, Kirche]. Der umfassende Meinungsaustausch, der zwischen Erich Honecker und dem Vorstand des Kirchenbundes unter Bischof Albrecht Schönherr am 6. März 1978 stattfand, kaschierte allerdings nur die nach wie vor prekären Beziehungen zwischen Staat und Kirchen in der DDR. Sie befanden sich weiterhin in einem staats- und kirchenrechtlich ungesicherten Zustand und nur die faktische Anerkennung ihrer Existenz seitens der SED verschaffte ihnen gewisse Spielräume [vgl. 447: A. BOYENS, Gespräche], deren Grenzen letztlich „Gnadenakte des souveränen Staates“ blieben [so 453: D. POLLACK, Religion]. Besonders krass zeigte sich dies, als nur ein halbes Jahr nach dem Treffen zwischen Staat und Kirche am 1. September 1978 überraschend die sog. sozialistischen Wehrerziehung als obligatorisches Unterrichtsfach eingeführt wurde. Seit sich das Scheitern des Konzepts der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre abzuzeichnen begann, bestimmte die verschlechterte innenpolitische und ökonomische Lage in der DDR zunehmend das beiderseitige Verhältnis von SED und Kirchen. Die Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz in Zeitz (18. 8. 1976) stellte in diesem Zusammenhang ein Aufsehen erregendes Menetekel der nach wie vor gespannten Staat-

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

103

Kirche-Beziehungen und der anwachsenden Probleme dar [vgl. 461: H. SCHULTZE (Hg.), Signal]. Die seit Ende der 1970er Jahre entstehenden Friedens-, Menschenrechts- und Umweltgruppen suchten den Schutzraum der evangelischen Kirchen, weil diese die einzigen weitgehend unabhängigen Institutionen in der DDR geblieben waren, in denen noch freier Meinungsaustausch möglich war. Ihre Bestrebungen deckten sich zwar teilweise mit den kirchlichen Friedensinitiativen in Reaktion auf den seit 1979 eskalierenden Rüstungswettlauf, sie warfen aber für Kirchenleitungen und Gemeinden schwierige Probleme auf, da viele Mitglieder der neuen Gruppen kirchenkritisch eingestellt waren und durch ihre Anlehnung an die Kirchen diese selbst ins Visier des MfS brachten. Auf diese Weise wurden die evangelischen Kirchen „zum Austragungsfeld der gesellschaftlich nicht zugelassenen Widersprüche“ [453: D. POLLACK, Religion, 253]. Obwohl die Vernetzung der Gruppen vor allem unter dem Dach der Kirchen erfolgte [vgl. 460: J. SCHMID, Kirchen sowie 451: J. GOERTZ, Solidarische Kirche], ist die griffige Formel von der „protestantischen Revolution“ [vgl. 456: G. REIN, Revolution] nicht haltbar [454: D. POLLACK, Umbruch]. Waren die evangelischen Kirchen noch während und nach der „Wende“ als Stütze der Revolution gefeiert worden, setzte 1991 eine zurückhaltendere Beurteilung in der Einschätzung ihrer Rolle ein, als zunehmend Indizien dafür gefunden wurden, dass es dem MfS offensichtlich gelungen war, in einige Kirchenleitungen und Gemeinden einzudringen. Besonders umstritten war und ist die Rolle des BerlinBrandenburgischen Konsistorialpräsidenten Manfred Stolpe, der als oberster Jurist der Kirchen in der DDR nachgewiesenermaßen als IM („Sekretär“) des MfS geführt wurde [vgl. 457: R. G. REUTH, IM Sekretär]. Dass der „Fall Stolpe“ aber auch partiell ein „Fall Kirche“ war, hob eine Reihe voluminöser Veröffentlichungen von G. BESIER mehrfach, z. T. überpointiert, hervor [443: DERS./S. WOLF, „Pfarrer, Christen und Katholiken“; 444: DERS., Weg in die Anpassung; 445: DERS., Vision vom „Dritten Weg“; 446: DERS., Höhenflug und Absturz]. Dabei stammt die Masse der von ihm benutzten Quellen aus Akten der SED und des MfS. Sein Vorwurf der „Kumpanei“ der Kirchen mit der SED bzw. dem MfS [443: DERS./S. WOLF, „Pfarrer, Christen und Katholiken“, 42] hat bis heute scharfe Kontroversen ausgelöst. Einer „vorläufig abschließenden“ Dokumentation der EKD vom 9. Juni 1997 zur Überprüfung kirchlicher Mitarbeiter in den früheren acht Landeskirchen der DDR auf Zusammenarbeit mit dem MfS zufolge lag die Quote von IM bei ein bis zwei Prozent.

Evangelische Kirche als Austragungsraum gesellschaftlicher Widersprüche

Evangelische Kirchen und MfS

104

Entwicklung von der Volks- zur Minderheitenkirche

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Resümierend muss festgestellt werden, dass weniger die permanenten Versuche der SED bzw. des MfS, die (evangelischen) Kirchen mittels Differenzierung und Infiltrierung zu schwächen, erfolgreich waren, als die sukzessive Ersetzung kirchlicher Traditionen, wie z. B. Konfirmation und Kommunion, durch die Jugendweihe sowie die fortgesetzte Diskriminierung (in den frühen 1950er Jahren z. T. auch Kriminalisierung) von Christen in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Zweifellos hat dies den Säkularisierungsprozess der Gesellschaft in der DDR beschleunigt und die evangelischen Kirchen besonders rasch den Weg von der Volks- zur Minderheitenkirche beschreiten lassen; so ist die Zahl von 14,8 Mill. Kirchenmitgliedern im Jahre 1950 auf 3,9 Mill. im Jahre 1989 gefallen [vgl. 455: D. POLLACK, Organisationsgesellschaft, 382]. Einen Überblick über den Stand der Forschung einschließlich der gegenwärtig bestehenden Kontroversen geben J. MEHLHAUSEN u. L. SIEGELE-WENSCHKEWITZ (Hg.) [452: Evangelische Kirche]. 3.12 Opposition, Widerstand und Widerspruch

Uneinheitlicher Forschungsstand

Obwohl die Geschichte von Opposition, Widerstand, Resistenz und Dissidenz erst seit der „Wende“ zu einem bevorzugten Untersuchungsthema avancierte (vgl. 1.5), ist der gegenwärtige Forschungsstand auch in begrifflicher Hinsicht noch immer uneinheitlich. Vor allem die massive Fokussierung der Forschung auf die unzweifelhaft essenzielle Rolle und Bedeutung der unterschiedlichen Gruppierungen vor und während des Revolutionsprozesses 1989/90 lässt bisweilen übersehen, dass es bereits in der SBZ und frühen DDR Widerstand und Opposition gegeben hat. Zudem waren oppositionelle Bestrebungen vor dem Mauerbau noch grundsätzlich gegen den Aufbau des Sozialismus und die Teilung Deutschlands gerichtet, wohingegen ein reformierter Sozialismus als politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches System für die meisten Gruppen in der Honecker-Ära die bestimmende Zielorientierung verkörperte. Dass hier idealistische Momente vorherrschten und sich „der Traum von einem Sozialismus mit menschlichem Anlitz mischte . . . mit christlicher Ethik, Abrüstungsengagement und Sorgen um die Gefährdung der Existenz der Menschheit“, ist unverkennbar [493: U. POPPE u. a., Opposition, 20]. Die Spaltung Deutschlands wurde von den Gruppen zumeist als gegeben akzeptiert [vgl. auch 491: D. POLLACK/D. RINK, Verweigerung]. Sie setzten sich vor allem „gegen die Verstaatlichung der Gesellschaft zur Wehr“ [473: H. FINDEIS u. a., Entzauberung, 12] und verfolg-

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

105

ten „die Schaffung von Formen einer staatsunabhängigen Kommunikation und Kultur“ [491: D. POLLACK/D. RINK (Hg.), Verweigerung, 19 f.], wie überhaupt „die Ausformung alternativer Lebens- und Kulturstile“ [493: U. POPPE u. a., Opposition, 25] ebenfalls zur Motivation von Opposition und Protest in der DDR gehörte. Obwohl es sich in überwiegender Mehrheit um Anhänger eines „Dritten Weges“ sowie Kritiker der westlichen Parteiendemokratie und der marktwirtschaftlich-kapitalistischen Ordnung handelte, besaß ihre systemimmanente Kritik am DDR-Sozialismus jedoch letztlich systemsprengende Kraft [vgl. 495: D. ROCHTUS, Realität]. Die umfassendste Darstellung und Analyse dieses Problemkomplexes stammt von E. NEUBERT [488: Opposition], deren Schwerpunkt indes, durchaus charakteristisch für den derzeitigen Forschungsstand, ebenfalls auf den letzten beiden Jahrzehnten liegt. Dass die Bestimmung von widerständigem Verhalten in seinen höchst unterschiedlichen Artikulationen und Manifestationen zunächst von der (weiteren bzw. engeren) begrifflichen Definition von Widerstand, Opposition, Resistenz und Dissidenz abhängt und darüber hinaus vor dem Hintergrund der jeweils bestehenden politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturbedingungen einer Diktatur zu bewerten ist, hat bereits die NS-Forschung erwiesen. Dies gilt auch für die SBZ/DDR, wobei die Forschung auch im Rahmen des Diktaturvergleichs zunehmend auf Definitionen widerständigen Verhaltens während des Nationalsozialismus zurückgreift bzw. diese für den SEDStaat zu adaptieren sucht [vgl. 470: R. ECKERT, Vorläufer]. E. NEUBERT unterteilt widerständiges Verhalten in Opposition, Widerstand und Widerspruch. Dabei gilt der Versuch, legal zu handeln, als Opposition; Widerstand stellt hingegen den Verzicht auf legale Mittel dar, während Widerspruch als „eine schwächere Form von bewussten politischen Abweichungen“ definiert wird [488: Opposition, 29]. G. POPPES weiter gefasster Oppositionsbegriff, wonach „Opposition [. . .] in dem öffentlich bekundeten, politisch begründeten und mit der Mobilisierung Gleichgesinnter verbundenen Versuch bestand, sich der totalitären Macht zu widersetzen“, ist jedoch pragmatischer [in: 485: E. KUHRT, Opposition, 349–373; 350]. Grundsätzlich ist festzustellen, dass es auch in der SBZ/DDR „niemals die Opposition“ an sich gegeben hat [493: U. POPPE u. a., Opposition, 24], sondern unterschiedliche Zielsetzungen, Kommunikationsformen und Organisationsstrukturen; auch umfasste das Mobilisierungspotenzial nicht mehr als 5000 Personen. Hinzu kommt das Problem, ob und inwieweit millionenfache Flucht und Ausreise vor 1961

Unterschiedliche Begriffsbestimmungen von Widerstand und Opposition

Ausreiseantragsteller

106

Widerständiges Verhalten der DDRGesellschaft?

Widerstand und Opposition in den 1950er und 1960er Jahren

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

sowie Ausreisewillige nach dem Mauerbau ebenfalls zum Spektrum des Widerstandes zu rechnen sind. Zweifellos legten Letztere widerständiges Verhalten (von der Antragstellung bis zur Ausreise) an den Tag und nahmen bewusst Repressionen in Kauf, schieden aber nach ihrer Übersiedelung als Oppositionelle aus und schwächten dadurch das im SED-Staat existente Protestpotenzial. Zweifellos hat dann aber gerade die Fluchtbewegung ab Spätsommer 1989 entscheidend zum Zusammenbruch der DDR beigetragen. Hingegen können Reformbefürworter innerhalb der SED nicht zum Widerstand gezählt werden, da es ihnen gerade darauf ankam, durch Reformen deren Macht zu stärken; zudem lag ein demokratischpluralistischer Ansatz bei ihnen niemals vor. Anders wiederum sind die Vertreter eines „marxistischen Revisionismus“, wie Robert Havemann und Rudolf Bahro, einzuschätzen. Auch ihnen war an einer umfassenden Reform des „real-existierenden“ Sozialismus gelegen, den sie jedoch gegenüber westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen nach wie vor für überlegen hielten. Aufgrund ihrer radikalen Kritik wurden sie rasch von der Partei ausgegrenzt, die sie wegen ihrer revisionistischen Positionen kriminalisierte und verfolgte [vgl. 499: C. VOLLNHALS, Der Fall Havemann]. Das größte Forschungsdesiderat besteht jedoch in der bis heute ungeklärten Frage, ob und inwieweit sich die breite Mehrheit der DDRGesellschaft (gelegentlich) „widerständig“ verhielt, da deren Haltung bzw. Einstellung „durch eine weitgehende äußere Systemförmigkeit bei gleichzeitiger innerer Distanzierung gekennzeichnet war“ [491: D. POLLACK/D. RINK (Hg.), Verweigerung, 8]. Empirisch fundierte Ansätze hierzu noch während der DDR-Zeit [vgl. 490: H. NIEMANN, Meinungsforschung] sowie diesbezügliche Befragungen nach der „Wende“ [vgl. 189: K.-D. OPP/P. VOSS, Volkseigene Revolution] erscheinen gleichermaßen fragwürdig. Bereits in den frühen 1950er Jahren sind gut recherchierte Dokumentationen erschienen [vgl. 440: M. u. E. E. MÜLLER, Sowjetisierung; 478: M. JÄNICKE, Antistalinistische Opposition], die allerdings nur Einzelaspekte eines breit gefächerten Widerstandes wiedergeben, der von einer in die Hundertausende gehenden jährlichen Massenflucht begleitet wurde. Auffällig ist vor allem der hohe Anteil von Studenten und Schülern sowie Angehörigen kirchlicher Jugendorganisationen [vgl. exemplarisch 468: A. BEYER, „Werdauer Oberschüler“, 86–96; 472: H.-U. FEIGE, Leipziger Studentenopposition, 1057–1068; zu einem Einzelschicksal 483: H. KÖPKE/F.-F. WIESE, Arno Esch sowie zu einer Jugendgruppe 487: P. vON zUR MÜHLEN, „Eisenberger Kreis“].

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

107

Einen besonderen Rang in der Geschichte von Opposition und Widerstand in der DDR nimmt der inzwischen auch zunehmend regional- und lokalgeschichtlich erforschte 17. Juni 1953 ein [vgl. 498: I. SPITTMANN/K. W. FRICKE (Hg.), 17. Juni; 469: T. DIEDRICH, 17. Juni; 484: I.-S. KOWALCZUK/A. MITTER/S. WOLLE (Hg.), Tag X; 496: H. ROTH, 17. Juni 1953 in Sachsen]. So hat die Forschung nachweisen können, dass sich oppositionelle und widerständige Handlungen keineswegs nur auf den 17. Juni allein beschränkten, sondern z. T. noch mehrere Tage fortgeführt wurden, und dass der Arbeiteraufstand auf dem Weg zu einem Volksaufstand begriffen war [vgl. 474: K. W. FRICKE/R. ENGELMANN, Staatssicherheitsaktionen]. Zu der nach dem Mauerbau grundsätzlich veränderten Situation sei die Arbeit von H. KNABE [482: Protest, 22–37] genannt. Einen wichtigen Widerstandskreis bildeten nach Einführung der Wehrpflicht 1962 die sog. Bausoldaten [vgl. 471: B. EISENFELD, Kriegsdienstverweigerung]. Exemplarisch gut erforscht ist die oppositionelle Szene in Jena, seinerzeit stark beeinflusst von der 1968er Studentenrevolte und dem „Prager Frühling“ [vgl. 497: U. SCHEER, Opposition in Jena]. Der Zugang zu authentischem Quellenmaterial der oppositionellen Gruppen in der DDR nach 1989/90 hat deren Erforschung dann erneut enorm stimuliert, wobei wichtige Arbeiten häufig aus dem Kreis der ehemaligen Bürgerrechtsbewegung selbst kamen [vgl. u. a. 494: G. REIN (Hg.), Opposition; 492: D. POLLACK (Hg.), Legitimität der Freiheit; 60: W. RÜDDENKLAU, Störenfried DDR-Opposition; 11: C. DIETRICH/U. SCHWABE (Hg.), Freunde und Feinde]. Dies hat inzwischen zu weiteren Differenzierungen geführt [vgl. 475: G. HAUFE/K. BRUCKMEIER (Hg.), Bürgerbewegungen]; auch ist die soziale Zusammensetzung genauer in den Blick genommen worden [vgl. 486: T. MORITZ, DDR-Opposition, 136]. Den Stand der Forschungsdebatte spiegeln gegenwärtig K.-D. HENKE/P. STEINBACH/J. TUCHEL [476: Widerstand und Opposition] sowie E. NEUBERT/B. EISENFELD [489: Politische Gegnerschaft] wider. Eine kritische Einschätzung der jüngsten Forschung gibt E. JESSE [479: Oppositionelle Bestrebungen, 142–180]. Die weitere Entwicklung der Gruppen nach der „Wende“, ihre Integration, aber auch die bisweilen anzutreffende Distanz mancher Mitglieder zum gesamtdeutschen Staat und ihre partielle bis gänzliche politische Abstinenz, ist inzwischen mehrfach untersucht worden [vgl. 473: H. FINDEIS/D. POLLACK/M. SCHILLING, Entzauberung des Politischen sowie 480: E. JESSE (Hg.), Bürgerrechtler, vgl. auch 117: Enquete-„Aufarbeitung“, Widerstand, Opposition, Revolution, Bd. VII, 1 u. 2].

Intensive Erforschung der oppositionellen Gruppen nach 1989/90

108

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

3.13 Kultur, Kulturpolitik, Medien und Sport Entwicklung der Kulturpolitik der KPD/SED

„Bitterfelder Weg“

Die keineswegs gradlinige Entwicklung der Kulturpolitik in der SBZ/ DDR resultierte einerseits daraus, dass sie wichtiger Bestandteil der mit der Bundesrepublik konkurrierenden Deutschlandpolitik der KPD/SED war, andererseits führte der politisch-ideologische und ästhetische Deutungsanspruch, den die Partei durchweg gegenüber den „Kulturschaffenden“ erhob, zu Konflikten, die nicht nur kultur-, sondern auch innenpolitische Zäsuren setzten. Eine umfassende Darstellung, allerdings mit dem Schwerpunkt auf die Belletristik, gibt M. JÄGER [514: Kultur und Politik], mit zahlreichen Dokumenten und umfangreichen Literaturangaben. Zur bildenden Kunst und zum Film liegen Arbeiten von M. FLACKE (Hg.) [506: Kunst] und T. HEIMANN [509: DEFA] vor. Schon die Sowjetische Besatzungsmacht maß Kultur und Kunst herausragende Bedeutung zu und war unmittelbar nach Kriegsende darauf bedacht, kulturelles Leben rasch wieder in Gang zu setzen [vgl. 504: G. DIETRICH, Politik und Kultur; 508: A. HARTMANN/W. EGGELING, Kulturelles Leben, jeweils mit Dokumenten]. Ebenso frühzeitig wurde dem humanistischen Erbe der Weimarer Klassik ein überragender Rang zugemessen und zwar „als Ausgangspunkt und Fundament der geistigen Erneuerung und als Traditionskern der künftigen sozialistischen Kultur“ [vgl. 505: L. EHRLICH/G. MAI (Hg.), Weimarer Klassik, 37]. Die „nationalkulturelle Dogmatisierung dieses Erbes (gerann) zum offiziellen Bezugspunkt politisch-moralischer Selbstlegitimation und Selbstdarstellung“ [ebd.,15]. Nach einer „liberalen“ Anfangsphase setzte jedoch Ende 1948 bereits unter dem Vorwurf des „Formalismus“ der Kampf gegen vorwiegend moderne Kunstrichtungen ein, die sich nicht am ästhetischen Konzept des Sozialistischen Realismus orientierten. Die Auseinandersetzung darüber wurde zwar durch die Ereignisse des 17. Juni 1953 vorübergehend entschärft [vgl. 22: M. HEIDER/K. THÖNS (Hg.), Kulturbundprotokolle], doch die mit dem XX. Parteitag der KPdSU im Jahre 1956 einsetzende Entstalinisierung ließ diesen Konflikt wieder neu aufleben, wobei sich neben Intellektuellen auch systemtreue Kommunisten beteiligten, indem sie u. a. eine liberalere Kulturpolitik forderten [vgl. 51: W. HARICH, Keine Schwierigkeiten und 515: L. KIESLICH, Intellektuellenpolitik der SED]. Nach Niederschlagung der vor allem von Intellektuellen geäußerten Kritik ergriff nun ihrerseits die SED die Initiative, indem sie eine „Kulturrevolution“ (in Anlehnung an das sowjetische Vorbild der 1930er Jahre) initiierte. Mit der ersten Bitterfelder Konferenz im Jahre

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

109

1959 sollte der Aufbruch zu einer „Massenhochkultur“ eingeleitet werden, wobei Künstler am Alltag der Arbeiter teilnehmen und diese zu künstlerischem Schaffen motivieren sollten [vgl. 514: M. JÄGER, Kultur und Politik, 87–117]. Doch bereits vor der II. Bitterfelder Konferenz 1964 war das Experiment im Grunde gescheitert und damit die Entstehung einer sozialistischen Nationalkultur. Nur ein Jahr später, auf dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965, das als „Kahlschlag-Plenum“ bezeichnet worden ist, griff die Partei wieder äußerst restriktiv in das „Kunstschaffen“ in der DDR ein. Mit dem Vorwurf, sich westliche Tendenzen anzueignen und den Kampf für den Sozialismus durch Skeptizismus und Nihilismus zu unterminieren, wurden Literatur, Film und Fernsehen und die Jugendkultur scharf kritisiert und autoritär reglementiert [vgl. umfassend 500: G. AGDE (Hg.), Kahlschlag]. Auch die Zensur wurde noch einmal verschärft [vgl. 501: S. BARCK/M. LANGERMANN/S. LOKATIS (Hg.), Zensursystem]. Ebenso suchte die Partei im Gefolge der Reformbestrebungen in der CˇSSR 1968 jegliche Form von Sympathie für die Entwicklung im Nachbarland unter Künstlern und Intellektuellen zu unterbinden [vgl. 519: L. PRIESS/V. KURAL/M. WILKE (Hg.), SED und „Prager Frühling“]. Nach dem Machtwechsel von Ulbricht auf Honecker im Jahre 1971 schien zunächst erneut eine „liberalere“ Phase der Kunst- und Kulturpolitik in der DDR vorzuherrschen, die jedoch am 13. November 1976 mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR während eines Konzerts in Köln abrupt endete und sich bis Ende der 1970er Jahre zu einem schweren Konflikt zwischen Künstlern und Partei auswuchs. Sie leitete auch die latente Dauerkrise der DDR bis 1989 ein [vgl. 517: F. PLEITGEN (Hg.), Biermann]. Auch ist der ideologisch sensible Bereich von Kultur und Kunst im Laufe der Jahre immer stärker vom MfS überwacht worden [vgl. 523: J. WALTHER, Sicherungsbereich Literatur]. Einen knappen, gleichwohl umfassenden Überblick zu den Printund elektronischen Massenmedien mit ausgewählten Dokumenten gibt G. HOLZWEISSIG [512: Massenmedien]. Dass sie unter der besonderen Anleitung und Kontrolle von SED und MfS standen, ergab sich schon aus ihrer Nutzung als Propaganda-Instrument, so dass Zensur eine Selbstverständlichkeit darstellte [vgl. 513: G. HOLZWEISSIG, SED-Informationsdiktatur sowie 516: S. PANNEN, Weiterleiter, mit ausführlichen Literaturangaben]. Als wichtige politische Informationsquelle erhielt der Deutschlandfunk ab 1962 für viele DDR-Bürger immer größere Bedeutung [vgl. 507: K. W. FRICKE, Deutschlandfunk, 189–204].

Illiberale Kulturpolitik der SED

Konflikte zwischen Künstlern und SED nach der BiermannAusbürgerung

Print- und elektronische Medien

110 Fernsehen in der deutsch-deutschen Systemauseinandersetzung

Rolle und Funktion des Sports in der DDR

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Obwohl das neue Medium Fernsehen mit Beginn der 1960er Jahre auch im SED-Staat rasch massenwirksame Bedeutung gewann (Aufnahme des Programm-Betriebes durch den Deutschen Fernsehfunk am 3. 1. 1956, später umbenannt in „Fernsehen der DDR“; 1969 kam mit der Einführung des Farbfernsehens ein zweiter Kanal hinzu), ist dessen Einfluss nach 1989/90 bislang noch zu wenig untersucht worden. Da die Bevölkerung in der DDR zu 85% westdeutsche Fernsehsender empfangen konnte, ergab sich für sie als Rezipienten, vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und der Systemauseinandersetzung, ein permanenter „kontrastiver Dialog“ (R. Steinmetz) zwischen den konkurrierenden deutsch-deutschen Programm-Angeboten in der DDR [zur Forschung vor 1989/90 vgl. 510: K. R. HESSE, Westmedien]. Aufgrund dessen vermochte die SED keinen „medialen Totalitätsanspruch“ [25: M. JUDT (Hg.), DDR-Geschichte in Dokumenten, 308] durchzusetzen, auch wenn der Empfang bundesdeutscher Fernsehsender erst nach dem Machtwechsel von 1971 durch Honecker legalisiert wurde. Der propagandistische Nutzen des Massenmediums Fernsehen ist für die Partei somit von beschränkter Reichweite und Tiefenwirkung geblieben, zumal sich die DDR-Bevölkerung praktisch täglich in die bundesdeutsche Welt und Lebensweise zurückziehen konnte und gleichzeitig Zugang zu kontrastierenden politischen Informationen besaß [vgl. 518: E. D. PLOCK, Relations]. Zudem klafften die propagandistische (Selbst-)Darstellung in den Medien und die tatsächlich erfahrene Lebenswirklichkeit in der DDR ab Anfang der 1980er Jahre immer stärker auseinander, was bei einer Mehrheit eher kontraproduktive dysfunktionale Auswirkungen hatte [vgl. 503: T. BEUTELSCHMIDT, Medienkultur]. Einen Überblick über die Geschichte des Fernsehens in der DDR, der die Entwicklung in der Bundesrepublik vergleichend einbezieht, gibt K. HICKETHIER [511: Geschichte des deutschen Fernsehens]. Insgesamt stellt die Programmgeschichte des DDR-Fernsehens ein Desiderat dar, noch weniger ist die komplexe Rezeptionsgeschichte erforscht. Dass auch der Sport als Bestandteil der DDR-Kulturpolitik einen hohen Stellenwert besaß, erwies sich bereits auf deutsch-deutscher Ebene. Ab 1968 besaß sie auch eine Olympiadelegation. International nahm die DDR ab Ende der 1960er Jahre einen Spitzenplatz ein [zur Sportentwicklung in der DDR insgesamt vgl. die Quellendokumentation 521: G. SPITZER u. a. (Hg.), Schlüsseldokumente]. Die Talentsuche, -förderung und -auswahl waren umfassend und effektiv, wobei allerdings im Hochleistungssport auch Anabolika und sonstige Dopingmittel eingesetzt wurden. Auf der Ebene der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz förderten die internationalen Spitzenleistungen von

3. Schwerpunktthemen der Forschung zur DDR-Innenpolitik

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DDR-Sportlern durchaus die Identifikation der Bevölkerung mit dem SED-Staat [vgl. 502: H. BERNETT (Hg.), Körperkultur]. Eine kritische Bilanz nach dem Ende der DDR nehmen H. J. TEICHLER/K. REINARTZ [522: Leistungssportsystem] vor.

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

A. Quellen

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III. Quellen und Literatur Wenn nicht anders angegeben entsprechen die Abkürzungen den Siglen der Historischen Zeitschrift. DA Deutschland Archiv HPM Historisch-Politische Mitteilungen Zparl Zeitschrift für Parlamentsfragen

A. Quellen 1. Gedruckte Quellen 1. R. BADSTÜBNER/W. LOTH (Hg.), Wilhelm Pieck – Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945–1953, Berlin 1994. 2. R. BAHRO, Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus, Köln/Frankfurt/M. 1977. 3. I. BENNEWITZ/R. POTRATZ, Zwangsaussiedlungen an der innerdeutschen Grenze. Analysen und Dokumente, Berlin 1994. 4. G. BENSER/H.-J. KRUSCH (Hg.), Dokumente zur Geschichte der kommunistischen Bewegung in Deutschland. Reihe 1945/46. 6 Bde., München 1993–1997. 5. R. BERBIG u. a. (Hg.), In Sachen Biermann. Protokolle, Berichte und Briefe zu den Folgen einer Ausbürgerung, Berlin 1994. 6. B. BONWETSCH/G. BORDJUGOV u. a. (Hg.), Sowjetische Politik in der SBZ 1945–1949. Dokumente zur Tätigkeit der Propagandaverwaltung (Informationsverwaltung) der SMAD unter Sergej Tjulpanov, Bonn 1998. 7. P. BuCHER (Hg.), Nachkriegsdeutschland 1945–1949, Darmstadt 1990. 8. W. BÜSCHLER/P. WENSIERSKI u. a. (Hg.), Friedensbewegung in der DDR. Texte 1978–1982, Hattingen 1982. 9. BUNDESMINISTERIUM FÜR GESAMTDEUTSCHE FRAGEN (Hg.), Unrecht als System. Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, 4 Bde., Bonn/Berlin 1952–1962.

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III. Quellen und Literatur

10. DDR. Das Manifest der Opposition. Eine Dokumentation, hrsg. von G. JOHANNES u. U. SCHWATZ, München 1978. 11. C. DIETRICH/U. SCHWABE (Hg.), Freunde und Feinde. Dokumente zu den Friedensgebeten in Leipzig zwischen 1981 und dem 9. Oktober 1989, Leipzig 1994. 12. DOKUMENTATION zur Herausbildung und Organisation von Speziallagern des NKVD der UdSSR in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im Jahre 1945, in: DA 26 (1993), 723–735. 13. DOKUMENTATION: Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Synopse der Fassungen vom 9. 4. 1968 und 7. 10. 1974, in: DA 7 (1974), 1188–1227. 14. Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Beschlüsse und Erklärungen des Zentralkomitees sowie seines Politbüros und seines Sekretariats, 20 Bde., Berlin (O) 1951–1986. 15. Dokumente zur Deutschlandpolitik, I. – VI. Reihe, mehrere Bde., Frankfurt/M./München 1961 ff. 16. Dokumente zur Deutschlandpolitik. Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, bearb. v. H. J. KÜSTERS u. D. HOFMANN, München 1998. 17. Einheitsdrang oder Zwangsvereinigung? Die Sechziger Konferenzen von KPD und SPD 1945 und 1946. Mit einer Einführung von H.-J. KRUSCH u. A. MALYCHA, Berlin 1990. 18. P. ERLER/H. LAUDE/M. WILKE (Hg.), „Nach Hitler kommen wir“. Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/ 45 für Nachkriegsdeutschland, Berlin 1994. 19. W. FILMER/H. SCHWAN, Opfer der Mauer. Die geheimen Protokolle des Todes, München 1991. 20. J. GABERT/L. PRIESS (Hg.), SED und Stalinismus. Dokumente aus dem Jahre 1956, Berlin 1990. 21. D. GrOSSER/S. BIERLING u. a. (Hg.), Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Bd. 11: Bundesrepublik und DDR, Stuttgart 1996. 22. M. HEIDER/K. THÖNS (Hg.), SED und Intellektuelle in den fünfziger Jahren. Kulturbundprotokolle, Köln 1990. 23. D. HoFFMANN/K.-H. ScHMIDT/P. SKYBA (Hg.), Die DDR vor dem Mauerbau. Dokumente zur Geschichte des anderen deutschen Staates 1949–1961, München 1993. 24. H. HURWITZ, Demokratie und Antikommunismus in Berlin nach 1945. Bd. IV: Die Anfänge des Widerstandes, Teil 1: Führungsanspruch und Isolation der Sozialdemokraten; Teil 2: Zwischen Selbsttäuschung und Courage. Der Fusionskampf, Köln 1990.

A. Quellen

115

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III. Quellen und Literatur

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B. Literatur

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III. Quellen und Literatur

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146

III. Quellen und Literatur

498. I. SPITTMANN/K.W. FRICKE (Hg.), 17. Juni 1953. Arbeiteraufstand in der DDR, Köln 1982. 499. C. VOLLNHALS, Der Fall Havemann. Ein Lehrstück politischer Justiz, Berlin 1998. 18. Kultur, Kulturpolitik, Medien und Sport 500. G. AGDE (Hg.), Kahlschlag. Das 11. Plenum des ZK der SED 1965. Studien und Dokumente, 2., erw. Aufl. Berlin 2000 [EA 1991]. 501. S. BARCK/M. LANGERMANN/S. LOKATIS (Hg.), Jedes Buch ein Abenteuer. Zensursystem und literarische Öffentlichkeit in der DDR bis Ende der sechziger Jahre, Berlin 1997. 502. H. BERNETT (Hg.), Körperkultur und Sport in der DDR: Dokumentation eines geschlossenen Systems, Schorndorf 1994. 503. T. BEUTELSCHMIDT, Sozialistische Audiovisionen. Zur Geschichte der Medienkultur in der DDR, Potsdam 1995. 504. G. DIETRICH, Politik und Kultur in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) 1945–1949, Bern u. a. 1993. 505. L. EHRLICH/G. MAI (Hg.), Weimarer Klassik in der Ära Ulbricht, Köln/Weimar/Wien 2000. 506. M. FLACKE (Hg.), Kunst 1949–1990. Bildende Künstler in der DDR zwischen Ästhetik und Politik, Berlin 1995. 507. K. W. FRICKE, Der Deutschlandfunk als Medium politischer Gegnerschaft, in: E. NEUBERT/B. EISENFELD (Hg.), Macht – Ohnmacht – Gegenmacht. Grundfragen zur politischen Gegnerschaft in der DDR, Bremen 2001, 189–204. 508. A. HARTMANN/W. EGGELING, Sowjetische Präsenz im kulturellen Leben der SBZ und frühen DDR 1945–1953, Berlin 1998. 509. T. HEIMANN, DEFA. Künstler und SED-Kulturpolitik, Berlin 1994. 510. K. R. HESSE, Westmedien in der DDR. Nutzung, Image und Auswirkungen bundesrepublikanischen Hörfunks und Fernsehens, Köln 1988. 511. K. HICKETHIER, unter Mitarbeit von P. HOFF, Geschichte des deutschen Fernsehens, Stuttgart/Weimar 1998. 512. G. HOLZWEISSIG, Massenmedien in der DDR, 2. Aufl. Berlin 1989. 513. DERS., Zensur ohne Zensor. Die SED-Informationsdiktatur, Bonn 1997.

B. Literatur

147

514. M. JÄGER, Kultur und Politik in der DDR 1945–1990, 2. Aufl. Köln 1994 [EA 1982]. 515. L. KIESLICH, Kommunisten gegen Kommunisten. Die Intellektuellenpolitik der SED im Umfeld des XX. Parteitags der KPdSU und des Ungarn-Aufstandes, Gießen 1998. 516. S. PANNEN, Die Weiterleiter. Funktion und Selbstverständnis ostdeutscher Journalisten, Köln 1992. 517. F. PLEITGEN (Hg.), Wolf Biermann – Die Ausbürgerung. Anfang vom Ende der DDR, Berlin 2001. 518. E. D. PLOCK, East German-West German Relations and the Fall of the GDR, Boulder 1993. 519. L. PRIESS/V. KURAL/M. WILKE (Hg.), Die SED und der „Prager Frühling“ 1968. Politik gegen einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, Berlin 1996. 520. M. RAUHUT, Beat in der Grauzone. DDR-Rock 1964 bis 1972 – Politik und Alltag, Berlin 1993. 521. G. SPITZER u. a. (Hg.), Schlüsseldokumente zum DDR-Sport: ein sporthistorischer Überblick in Originalquellen, Aachen 1998. 522. H. J. TEICHLER/K. REINARTZ u. Mitarbeit v. A. DELOW, Das Leistungssportsystem der DDR in den 80er Jahren und im Prozeß der Wende, Schorndorf 1999. 523. J. WALTHER, Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der DDR, Berlin 1996. 524. M. WALTHER u. a. (Hg.), Protokoll eines Tribunals. Die Ausschlüsse aus dem DDR-Schriftstellerverband 1979, Reinbek b. Hamburg 1991.

148

III. Quellen und Literatur

Register

149

Register Personen-/Autorenregister ACKERMANN, A. 2 AGDE, G. 75, 109 AGETHEN, M. 76 ANDERT, R. 75 ANWEILER, O. 98 APEL, E. 24 ASH, T. 58 AUERBACH, T. 83 BACKERRA, M. 87 BADSTÜBNER, E. 95 BÄHR, J. 90 Bahro, R. 31, 56, 106 BARCK, S. 109 BARTHEL, H. 88, 89 BAUER, TH. 78 BAUERKÄMPER, A. 89 BAUS, R.T. 76 BECKER, P. 95 BECKERT, R. 82 BEHREND, M. 76 BENDER, P. 68 BENNEWITZ, I. 74 Berija, L. 74 BERNETT, H. 111 BERTRAM, H. 61 BESIER, G. 101, 103 BESSEL, R. 94 BEUTELSCHMIDT, T. 110 BEYER, K. 87, 106 Biermann, W. 31, 75, 109 BINSKI, S. 81 BIRKE, A.M. 67 BITTNER, R. 95 BODE, B. 77 BOLDT, H. 70 BORTFELD, H. 76 BOUVIER, B. 73 BOYENS, A. 102 BOYER, C. 72

BRACHER, K.D. 67 Brandt, W. 26, 27, 28, 51, 52 BRUCKMEIER, K. 107 BRÜSEWITZ, O. 102 BRZEZINSKI, Z. 64 BUCHHEIM, C. 89 BUCK, H.F. 91, 91 BUDDE, G.-F. 97 BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ 82 BUNDESMINISTERIUM FÜR GESAMTDEUTSCHE FRAGEN 81 BUSCHFORT, W. 73 Chruschtschow, N.S. 20 COLLMER, S. 87 CORNELSEN, D. 90, 91 CROME, E. 71 DERTINGER, G. 11 DIEDRICH, T. 86, 107 DIEFENBACH, K. 86 DIETRICH, C. 107 DIETRICH, G. 108 DILGER,B. 98 DOHLE, H. 35, 102 DONTH, S. 93 DRALLE, L. 80 DREIER, R. 81 ECKELMANN, W. 79 ECKERT, J. 81 ECKERT, R. 105 EGGELING, W. 108 EHLERT, H. 86, 87 EHRLICH, L. 108 EISENFELD, B. 107 EISERT, W. 82, 86 ENGELMANN, R. 82, 84, 107 ENGLER, W. 63 ERLER, P. 71

150

Register

FAULENBACH, B. 66 Fechner, M. 74 FEIGE, H.-U. 106 FILMER, W. 74 FINDEIS, H. 104, 107 FINGERLE, S. 86 FISCH, J. 88 FISCHER, A. 49, 86 FISCHER, B.-R. 98 FLACKE, M. 108 FLOCKEN, J. VON 81 FOITZIK, J. 3 FRICKE, K.W. 55, 81, 83, 84, 107, 109 FRIEDENSBURG, F. 50 FRIEDRICH, C.J. 64 FRIEDRICH, W. 99 FROH, K. 86 FÜHR, S. 98 FULBROOK, M. 68 FURCK, C.-L. 98 GABLER, D. 89 GAWEL, E. 92 GEISSLER, G. 98 Genscher, H.D. 38 GIESECKE, J. 15, 83, 85 GILL, U. 79 GILLES, F.-O. 79 GLAESSNER, G.-J. 54, 55 GLASER, G. 86 GLEITZE, B. 88 GNIFFKE, E. 73 GOERNER, M. 100, 101 GOERTZ, J. 103 Gorbatschow, M. 3, 35, 45, 75 GRIEDER, P. 75 GRIESE, H. 99 GRIMMER, R. 85 Grotewohl, O. 12 GUTMANN, G. 91, 92 HAASE, H.E. 87 HAASE, N. 81, 82 HABERMAS, J. 59 HÄDER, S. 98, 99 HAENDCKE-HOPPE, M. 91, 92 Hager, K. 75 HAMACHER, H.P. 52, 54 HAMEL, H. 87 HARICH, W. 74, 108 HARITOMOW, A. 99 HARTMANN, A. 108 HAUFE, G. 107

Havemann, R. 106 HEHL, U. VON 100 HEIDER, M. 80, 108 HEIMANN, T. 108 HEINEMANN, M. 99 HELWIG, G. 97 HENKE, K.-D. 107 HENRICH, R. 63 HERBST, A. 71, 76 Hermes, A. 5 HERMS, M. 80 Herrnstadt, R. 74 HERTLE, H.-H. 76, 79, 92 HERZBERG, W. 75, 99 HESSE, K.R. 110 HEYDEMANN, G. 60, 65, 66 HICKETHIER, K. 110 Hickmann, H. 11 HOCKERTS, H.-G. 67 HOFFMANN, D. 95, 98, 100 HOLZWEISSIG, G. 109 Honecker, E. 7, 21, 27, 28, 29, 30, 31, 34, 36, 39, 57, 58, 62, 69, 70, 75, 91, 93, 104, 109 Honecker, M. 29 HORN, H. 58, 61 HÜBNER, P. 79, 95, 96 HUININK, J. 96 HÜRTGEN, R. 96 HURWITZ, H. 72 JABLONSK, W. 87 JÄGER, M. 108, 109 JÄGER, W. 77, 78 JÄNICKE, M. 106 JANKA, W. 74 JARAUSCH, K. 62 JESSE, E. 44, 51, 55, 56, 59, 64, 66, 107 JESSEN, R. 64, 94, 95, 99 JOAS, H. 57 KAASE, M. 61 KAELBLE, H. 94, 96 Kaiser, J. 11, 76 KAISER, M 14, 24, 75 KAONENBERG, M. 83 KARLSCH, R. 88, 90 KEIDERLING, G. 71 KIELMANSEGG, P. GRAF 4, 68 Kiesinger, K.G. 26 KIESLICH, L. 108 KILIAN, A. 81

Register KLEIN, T. 75 KLEMM, K. 98 KLESSMANN, C. 1, 67, 96 KLONOVSKY, M. 81 KLUTTIG, T. 72 KNABE, H. 83, 87, 107 KOCKA, J. 22, 57, 60, 61, 66, 94 Kohl, H. 41, 83 KOHLI, M. 57 KOPENHAGEN, W. 87 KÖPKE, H. 106 KOPSTEIN, J. 92 KOSSOK, M. 58 KOSZUSZECK, P.A. 86 KOWALCZUK, I.-S. 74, 100, 107 KREHER, W. 61 Krenz, E. 39, 40, 57 KRIPPENDORFF, E. 77 KRÖNIG, W. 99 KUBINA, M. 100 KUHN, G. 95 KÜHNHARDT, L. 58 KUHRT, E. 105 KUPPER, S. 92 KURAL, V. 109 KUSCH, G. 92 LANGE, M.G. 98 LANGENHAN, D. 89 LANGERMANN, M. 109 LAPP, P.J. 77, 87 LAUDE, H. 71 LEMKE, C. 62 LEMKE, M. 14, 21, 74 LEMMER, E. 11 LEONHARD, W. 3 LEPSIUS, M.R. 22, 92, 94 LINDENBERGER, T. 62, 95 LIPPE, P. VON DER 88 LOHMANN, U. 70 LOKATIS, S. 109 LOUIS, J. 77 LÜDTKE, A. 21, 22, 62, 65, 94, 95 LUDWIG, A. 95 LUDZ, P.C. 52, 54, 74 MACRAKIS, K. 100 MÄHLERT, U. 11, 56, 69, 79 MAI, G. 60,108 MALYCHA, A. 72 MAMPEL, S. 25, 69, 84 MARQUARDT, B. 84 MASER, P. 102

MATSCHKE, W. 88 MAYER, K.U. 96 MEHLHAUSEN, J. 104 MEIER, A. 62 MEIER, H. 76 MERKEL, I. 97 MERKEL, W. 89 MESTRUP, H. 73 MEUSCHEL, S. 62, 65 MEYER, G.-M. 87 MICHALZIK, M. 99 Mielke, E. 84 MIESKES, H. 98 MIETZNER, U. 99 MIRONENKO, S. 81 MITTER, A. 74, 107 Modrow, H. 40, 41, 42, 44 MOHNHAUPT, H. 81 MÖLLER, H. 66 MORITZ, T. 107 MÜHLEN, P. VON ZUR 106 MÜHLFRIEDEL, W. 88 MÜLLER, A. 85 MÜLLER, E.E. 99, 106 MÜLLER, K.D. 81, 99 MÜLLER, M. 99, 106 MÜLLER, W. 60, 72 MÜLLER-ENBERGS, H. 74 MÜLLER-HARTMANN, I. 61 NAUMANN, K. 87 NEUBERT, E. 59, 105, 107 NICKEL, H.M. 97 NIELSEN, H. 86 NIEMANN, H. 106 NIETHAMMER, L. 81, 93 NOACK, A. 100 Nuschke, O. 11, 12 OLESCHINSKI, B. 81 OPP, K.-D. 59, 106 OTTO, W. 75 PANNEN, S. 109 PIAZOLO, M. 82 Pieck, W. 12, 14 PILVOUSEK, J. 100 PIRKER, T. 92 PLATO, A. VON 81 PLEITGEN, F. 75, 109 PLOCK, E.D. 110 PLUMEYER, H.-O. 56 POHL, D. 81

151

152 POLLACK, D. 53, 63, 95, 102–107 POPPE, U. 104, 105 POPPES, G. 105 PRIESS, L. 109 PRZYBYLSKI, P. 75,92 RASCHKA, J. 85 RAUHUT, M. 75 REICHEL, T. 96 REIN, G. 103, 107 REINARTZ, K. 111 REUTH, R.G. 103 REXIN, M. 73 RICHERT, E. 48, 72 RICHTER, M. 42, 58, 60, 76 RINK, D. 104, 105, 106 RISSMANN, M. 76 RITTER, G.A. 96 ROCHTUS, D. 105 ROESLER, J. 88 ROGGEMANN, H. 69 ROTH, H. 19, 107 ROTTLEUTHNER, H. 82 RÜDDENKLAU, W. 107 SACK, B. 82 SAUER, H. 56 SCHABOWSKI, G. 40, 76 SCHÄFER, B. 100, 101 Scheel, W. 26, 28, 51, 52 SCHEER, U. 107 SCHILLING, M. 107 SCHIRDEWAN, K. 74 SCHMID, J. 103 SCHMID, K. 70 SCHMIDT, U. 77 SCHÖNFELDT, H.A. 81 Schönherr A. 102 Schorlemmer, F. 35 SCHREIBER, W. 5 SCHROEDER, F.-C. 82 Schroeder, K. 25, 45, 51, 52, 62, 69 SCHULLER, W. 82 SCHULTZE, H. 103 SCHULZ, H.-P. 73 Schumacher, K. 6, 72 SCHWABE, U. 107 SCHWAN, H. 74 SCHWARTZ, M. 93 SCHWARZER, O. 92 SIEGEL, A. 53 SIEGELE-WENSCHKEWITZ, L. 104 SKYBA, P. 99

Register SOBOTKA, B.J. 89 Sobottka, G. 2 SOMMER, U. 77 SPITTMANN, I. 49, 107 SPITZER, G. 110 SPODE, H. 97 STAADT, J. 52, 75 STADTLAND, H. 79 Stalin, J. 2, 17, 18, 20 STAMMER, O. 47, 50 STARITZ, D. 68 STEINBACH, P. 107 STEINER, A. 90 STEINMETZ, R. 110 STELKENS, J. 75 STENGEL, F. 101 STEPHAN, A. 81 STEPHAN, G.-R. 71, 75, 76, 80 STERN, C. 47,71 STÖCKIGT, R. 73 Stolpe, M. 103 STOLPER, W.F. 88 Stoph, W. 28,75 STORBECK, D. 93 STÖSS, R. 76 STULZ-HERRNSTADT, N. 74 SUCKUT, S. 12, 76, 79, 83, 84 SÜHL, S. 66 SÜSS, W. 84 SZEPANSKI, G. 97 TANTZSCHER, M. 84 TAPPERT, W. 83 TEICHLER, H.J. 111 TENFELDE, K. 96 TENORTH, H.-E. 98 TERESIAK, M. 72 THALHEIM, K.C. 11, 50, 51, 87 THAYSEN, U. 60 THOMAS, R. 48, 50 THÖNS, K. 108 THOSS, B. 86 THUMSER, W. 102 TISCHNER, W. 100, 101 TRAPPE, H. 97 TUCHEL, J. 107 Ulbricht, W. 2, 3, 14, 19, 20, 21, 22, 25, 27, 28, 29, 74, 75, 91, 109 VOLLNHALS, C. 82, 106 VOLZE, A. 91, 92 VOSS, P. 59

Register WAHL, S. 89 WALTER, M. 77 WALTHER, J. 75, 109 WEBER, H. 16, 27, 51, 55, 57, 68, 71, 72, 76 WEBER, J. 82 WEBER, P. 81 WEHLER, H.-U. 65 WEIL, F. 96 WEINERT, R. 79, 92 WELSH, H.A. 73 WENTKER, H. 9, 81, 82, 100, 101 WENZEL, S. 91, 92 WENZKE, R. 86, 87

153

WERKENTIN, F. 69, 82 WIESE, F.-F. 106 WIESSNER, K. 88 WILKE, M. 71, 102, 109 WILLE, M. 93 WINKLER, J. 71 WOLF, S. 103 WOLLE, S. 69, 74, 107 Wollweber, H. 84 WÜNSCHE, W. 87 Zaisser, W. 74 ZANK, W. 89 ZWAHR, H. 58, 60

Sachregister Abrüstungsengagement 34, 104 Allianz für Deutschland 43 Amt für Nationale Sicherheit 42 Antifa 4, 76 Arbeiteraufstand 107 Arbeitsgruppe Kirchenfrage 101 Aufarbeitung 56, 82, 100 Aufbruch 89 – Neues Forum 38 Ausreise 31, 35, 36, 38, 39, 40, 105, 106 Bausoldaten 107 Berliner Gruppe 2, 3 Besatzungsherrschaft 1, 2 Besatzungsmacht 1, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 12, 14, 45, 48, 76, 78, 88, 89, 90, 108 Besatzungszone 1, 3, 6, 10, 47, 80, 93 Bildungspolitik 23, 98 Bildungswesen 7, 8 Bitterfelder Konferenz 108, 109 Bodenreform 4, 5 Bund der evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) 102 Bund Freier Demokraten (BFD) 43 Bundeswehr 87 Bürgerbewegung 38, 60 Bürgerrechtsbewegung 60, 107 CDU 4, 5, 9, 10, 11, 12, 16, 43, 76, 77 DDP 77

DDR-Forschung 5, 47, 48, 49, 50, 52, 53, 54, 55, 56, 61, 74, 87, 89, 97 DDR-Kulturpolitik 32, 110 DDR-Landeskirchen 101 DDR-Opposition 107 Demokratie Jetzt (DJ) 38, 43 Demokratische Bauernpartei Deutschland (DBD) 11, 12, 76, 78 Demokratischer Aufbruch (DA) 38, 43 Demokratischer Frauenbund Deutschland (DFD) 7 Demontage 6, 88 Deutsche Forumpartei (DFP) 43 Deutsche Soziale Union (DSU) 43 Deutsche Verwaltung des Inneren (DVdI) 9, 14, 84 Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) 9, 10, 11, 80 Deutsche Zentralverwaltung für Justiz (DJV) 8 Deutscher Fernsehfunk 110 Deutscher Volksrat 12, 13, 70 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 50 Deutschlandforschung 47 Deutschlandfunk 109 Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) 78, 70, 80 DFD 77, 79 Diktatur 22, 42, 46, 57, 61, 62, 64–67, 74, 84, 94, 98, 105, 109

154

Register

Dissidenz 64, 104, 105 Doping 110 Dritter Weg 60, 103, 105 Drittes Reich 65 „Dzierzynski, F. E.“ 85 Eigentum 44, 70, 90 Einheitsstaat 13 Einigungsvertrag 45, 89 EKD 101, 103 Emanzipation 97 Enquete 51, 56 Enteignung 4, 5, 33, 44, 88, 89 Entkirchlichung 100 Entnazifizierung 8, 11 Entstalinierung 20, 74, 108 Erziehungs- und Bildungssystem 35, 97, 98, 99 Evangelische Studentengemeinden 100 Fernsehen der DDR 110 Flucht 21, 22, 38, 105, 106 Flüchtling 1, 4, 5, 6, 38, 56, 93, 100 Föderale Justizverwaltung 8 Formalismus 108 Freie Deutsche Jugend (FDJ) 7, 8, 16, 17, 23, 31, 77, 78, 79 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) 7, 16, 78, 79 Fünfjahresplan 15, 17 Geheimdienst 3, 11, 15, 84 Gesellschaft für Deutschlandforschung 53 Gestapo 83 Gewaltenteilung 12, 70 Glasnost 35 Grundgesetz 43, 56 Grundlagenbeschlüsse 100 Grundrechte 12, 43, 69 Gründung der DDR 1, 11, 13, 15, 39, 69, 73 GULAG 9 Handelsorganisation (HO) 27 Herbstrevolution 59 Hochleistungssport 110 Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) 43 Inoffizieller Mitarbeiter (IM) 30 Internierungslager 80 Intershop 32

Jugendforschung 99 Jugendorganisation 7, 79, 106 Jugendpolitik 31, 97, 98, 99 Jugendweihe 100, 104 Junge Gemeinde (JG) 17, 100 Justizwesen 8, 9, 15 Kahlschlag-Plenum 74, 109 Kalter Krieg 21, 47, 51, 110 Kasernierte Volkspolizei (KVP) 17, 20, 86 KGB 84 Kindergärten 22, 35, 96 Kirchen 7, 17, 35, 36, 39, 59, 100, 101, 102, 103, 104 Kollektivierung 74, 89 Kommerzielle Koordinierung (KoKo) 32, 85 Kommunion 100, 104 Konfirmation 100, 104 Konsumgenossenschaft 79 Konvergenztheorie 52 Kooperation 14, 28 KPD 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 14, 28, 45, 47, 50, 62, 70, 71, 72, 73, 76, 80, 90, 94, 98, 100, 108 KPdSU 13, 19, 20, 28, 74, 75, 108 Kreis – und Landtage 70 Kriegsdienstverweigerung 107 Kriegsgefangenenlager 9, 81 KSZE-Schlussakte 31 Kultur 8, 13, 23, 29, 31 Kulturbund (KB) 7, 78, 79, 80 Kulturpolitik 31, 75, 108, 109, 110 Kulturrevolution 108 KZ 9 Ländereinführungsgesetz (LEG) 44 Landesregierung 10 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) 27, 89 Leistungssportsystem 111 Liberal-Demokratische-Partei (LDP/ LDPD) 4, 9, 10, 11, 12, 16, 43, 76, 77, 78 Machtwechsel 25, 27, 74, 75, 91, 109, 110 Marshall-Plan 11, 90 Marxismus 8, 13, 25, 51, 71 Märzrevolution 12 Massenorganisation 7, 8, 16, 42, 78, 79, 80

Register Mauer (Berliner) 21, 40, 41 Mauerbau 21, 22, 48, 67, 74, 84, 90, 93, 101, 104, 106, 107 Mehrparteiensystem 12, 69, 77 Menschenrechte 12, 43, 69, 103 Menschenrechtsverletzungen 9, 12 Militärgefängnisse 9 Ministerium für innere Angelegenheiten der UdSSR (MWD) 9, 83 Ministerium für Staatssicherheit (MfS)/Stasi 14, 15, 17, 30, 36, 38, 39, 42, 45, 55, 59, 68, 83, 84, 85, 103, 104, 109 National-Demokratische Partei Deutschland (NDPD) 11, 12, 75, 77, 78 Nationale Volksarmee (NVA) 20, 21, 26, 85, 86, 87 Nationalsozialismus 1, 3, 5, 8, 14, 57, 65, 66, 68, 80, 62, 78, 81, 82, 88, 105 NATO-Doppelbeschluss 34 Neuer Kurs 20, 73 Neues Forum (NF) 38, 43 Neues ökonomisches System (NöS) 22, 24, 90 Neues ökonomisches System der Planung und Leitung (NöSPL) 23, 90 Nichtsozialistischer Wirtschaftsbereich (NSW) 29, 91 Novemberrevolution 59 NSDAP 5, 12, 78 NS-Forschung 62, 105 NS-Konzentrationslager 81 Oberster Gerichtshof 9, 15 Oder-Neiße-Grenze 6, 11 ökonomisches System des Sozialismus (öSS) 25, 26, 90 Oktoberrevolution 59 Opposition 11, 22, 32, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 42, 43, 46, 59, 60, 85, 104, 105, 106, 107 Ostblock 13, 14, 19, 20, 21, 25, 26, 47, 48, 52, 58, 60, 61 Osteuropa-Forschung 48 Parteikonferenz 17, 28, 73, 77, 100 Parteitag 7, 13, 15, 16, 20, 21, 23, 25, 29, 31, 41, 49, 70, 73, 74, 90, 102, 108 PDS 41, 42, 43, 75, 76 Perestroika 35

155

Planwirtschaft 15, 23, 26, 32, 70, 87, 88, 90, 92, 96 Plenum des Zentralkomitees (ZK) 28 Politbüro 13, 17, 18, 26, 36, 39, 40, 41, 92 politische Untergrundtätigkeit (PUT) 85 politisch-ideologische Diversion (PID) 85 Politisierung 9, 76, 97, 99 Prager Frühling 25, 26, 86, 107, 109 Privateigentum 4 Privatwirtschaft 13 Protest 19, 36, 37, 39, 40, 105, 106 RAF 85 Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) 25, 33 Reparationszahlungen 11, 17, 20, 88 Resistenz 64, 104, 105 Revolutionsprozess 45, 104 Rotarmisten 6 Rote Armee 1, 2, 19 runder Tisch 42, 60 Säkularisierung 104 SBZ 47, 48, 49, 50, 51, 56, 57, 61, 63, 67, 69, 70, 71, 72, 73, 76, 80, 81, 82, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 100, 101, 104, 105, 108 Schwerindustrie 15, 20, 89 SED 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 27, 28, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 38, 39, 40, 44, 46, 49, 52, 53, 54, 55, 56, 58, 60, 61, 62, 63, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 76, 77, 74, 78, 79, 82, 83, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 106, 109, 110, 104 SED-Diktatur 22, 65, 66 SED-Führung 17, 18, 19, 20, 21, 28, 31, 33, 36, 39, 53, 74, 75, 84 SED-Funktionäre 24, 73 SED-Kirchenpolitik 47, 100, 101, 102 SED-Regime 21, 22, 26, 30, 31, 41, 42, 45, 48, 49, 54, 56, 57, 59, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 92, 93, 96, 101, 105, 106, 116 SED-Staat 17, 21, 25, 26, 30, 33, 34, 45, 46, 105, 110 Sicherheitsorgane 15, 59 Sowjetarmee 1, 18

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Register

Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) Wismut 5, 20, 90 Sowjetische Besatzungszone (SBZ) 1, 2, 3, 5, 6, 7, 9, 11, 13, 14, 25, 26, 27 Sowjetische Kontrollkommission (SKK) 14 Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 14, 47, 71, 72, 79, 80 Sowjetisierung 9, 14, 97, 99, 106 Sozialdemokratische Partei (SDP) 38, 43 soziale Marktwirtschaft 61, 87 Sozialistische Planwirtschaft 70, 87, 88, 90, 92, 96 Sozialpolitik 65, 91, 102 Sozialunion 1, 44 SPD 3, 4, 6, 7, 10, 43, 70, 71, 72, 73 Speziallager 9, 15, 80, 81, 82 Sport 108, 110 Staatliche Plankommission (SPK) 29 Staatsgründung 14, 70 Staatssekretariat 101 Staatssicherheitsaktionen 107 Staatsvertrag 44, 45 Stalinisierung 7, 13, 20, 72, 73, 108 Stalinismus 81 Studentenrevolte 107 Todesstrafe 15 Totalitarismus/Totalitarismusmodell 50, 51, 53, 54, 56, 62, 63, 64, 65 Totalitätsanspruch 110 Transformationsforschung 60, 61, 75, 76, 78, 80, 81, 87, 95, 99 Transformierung der Industrie 5, 13 Überwachung 2, 15, 16, 62, 83, 84, 101 Universität 8, 13, 50, 99, 100, 101 Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) 8, 79 Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) 24 Verfassung 8, 12, 13, 14, 16, 17, 25, 26, 30, 40, 41, 42, 43, 45, 69, 70, 101 Verstaatlichung 4, 11, 20, 29, 105 Veto 12 Volksarmee 85, 86, 87 Volksaufstand 19, 20, 107 Volksbildung 11 Volkseigentum 70, 90

Volksentscheid 5, 25 Volkskammer 13, 15, 26, 43, 44, 69, 70, 78, 83 Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD) 9, 81, 83 Volkskongressbewegung 12, 13 Volkspolizei 19, 86 Volksrat 12, 13, 69 Volksrichter 9, 82 Wahlen 1, 6, 10, 11, 14, 16, 18, 37, 40, 41, 44, 70, 76 Wahlkampf 42, 43 Währungsunion 43, 44, 92 Waldheimer Prozesse 82 Warschauer Pakt 21 Warschauer Vertrag 20 Wehrmacht 9, 78 Wehrpflicht 22, 86, 107 Weimarer Gesetzgebung 8 Weimarer Reichsverfassung 70 Weimarer Republik 80 Wende 34, 38, 39, 40, 45, 51, 54, 57, 58, 59, 60, 61, 80, 81, 92, 103, 104, 106, 107 Westmächte 2, 13 Westzonen 88 Widerstand 2, 6, 16, 17, 19, 28, 37, 64, 83, 99, 104, 105, 106, 107, 108 widerständiges Verhalten 105, 106, 107 Wiedervereinigung 26, 40, 41, 43, 45, 46, 48, 51, 55, 56, 59, 61, 68 Wirtschaftspolitik 15, 71, 89, 102 Wirtschaftsunion 43, 44 wissenschaftlich-technische Revolution (WTR) 25 Zensur 31, 109 Zentrale Parteikontroll-Kommission (ZPKK) 13 Zentralisierung 9, 53, 90 Zentralkomitee (ZK) 16, 17, 18, 40, 74, 81, 109 Zentralverwaltung 8, 10, 11, 80, 87 Zentralverwaltungswirtschaft 11 Zwangskollektivierung 89 Zwangsvereinigung 7, 71, 72 Zwei-Plus-Vier-Gespräche 44 Zweiter Weltkrieg 54, 93 17. Juni 1953 17, 18, 19, 73, 100, 107 . 4-Punkte-Programm 42

Register

157

Ortsregister Afghanistan 34 Babelsberg 81 Berlin 1, 2, 3, 6, 10, 18, 19, 21, 28, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 50, 73, 74, 75, 83, 103 Bonn 28, 36 Brandenburg 19, 44, 81, 103 Budapest 37, 38 Bundesrepublik Deutschland 20, 21, 28, 31, 32, 34, 37, 38, 40, 41, 43, 44, 45, 47, 48, 49, 50, 51, 55, 60, 61, 66, 67, 79, 80, 85, 87, 91, 92, 93, 96, 97, 108, 110 CˇSSR 26, 60, 109 Dresden 38, 41 Gera 19 Jena 19, 107 Köln 31, 109 Leipzig 37, 39, 60, 99, 106 Magdeburg 19 Mecklenburg-Vorpommern 2, 44 Mitteldeutschland 1, 2, 6, 15, 47, 94

Mitteleuropa 60 Moskau 1, 2, 20, 21, 71 österreich 37, 38 Osteuropa 34, 48, 60 Peking 37 Polen 28, 34 Posen 20 Prag 25, 26, 37, 38 Rumänien 70 Sachsen 2, 5, 10, 44 Sachsen-Anhalt 10, 44 Salzgitter 56 Sowjetunion/UdSSR 1, 2, 5, 6, 9, 11, 13, 14, 17, 20, 26, 27, 28, 33, 34, 35, 45, 52, 58, 60, 61, 70, 86, 88, 90, 91 Südosteuropa 60 Thüringen 44, 77, 81 Ungarn 20, 37, 38, 60, 70 Warschau 20, 21, 37, 38 Westdeutschland 93 Zeitz 102

158

Register

Themen und Autoren

159

Enzyklopädie deutscher Geschichte Themen und Autoren Mittelalter Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter (Werner Rösener) 1992. EdG 13 Adel, Rittertum und Ministerialität im Mittelalter (Werner Hechberger) Die Stadt im Mittelalter (Michael Matheus) Armut im Mittelalter (Otto Gerhard Oexle) Geschlechtergeschichte des Mittelalters (Hedwig Röckelein) Die Juden im mittelalterlichen Reich (Michael Toch) 2. Aufl 2003. EdG 44

Gesellschaft

Wirtschaftlicher Wandel und Wirtschaftspolitik im Mittelalter (Michael Rothmann)

Wirtschaft

Wissen als soziales System im Frühen und Hochmittelalter (Johannes Fried) Die geistige Kultur im späteren Mittelalter (Johannes Helmrath) Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters (Werner Paravicini) 2. Aufl. 1999. EdG 32

Kultur, Alltag, Mentalitäten

Die mittelalterliche Kirche (Michael Borgolte) 1992. EdG 17 Religiöse Bewegungen im Mittelalter (N. N.) Formen der Frömmigkeit im Mittelalter (Arnold Angenendt)

Religion und Kirche

Politik, Staat, Die Germanen (Walter Pohl) 2000. EDG 57 Verfassung Die Slawen in der deutschen Geschichte des Mittelalters (Thomas Wünsch) Das römische Erbe und das Merowingerreich (Reinhold Kaiser) 2. Aufl. 1997. EdG 26 Das Karolingerreich (Bernd Schneidmüller) Die Entstehung des Deutschen Reiches (Joachim Ehlers) 2. Aufl. 1998. EdG 31 Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert (Egon Boshof) 2. Aufl. 1997. EdG 27 Der Investiturstreit (Wilfried Hartmann) 2. Aufl. 1996. EdG 21 König und Fürsten, Kaiser und Papst nach dem Wormser Konkordat (Bernhard Schimmelpfennig) 1996. EdG 37 Deutschland und seine Nachbarn 1200–1500 (Dieter Berg) 1996. EdG 40 Die kirchliche Krise des Spätmittelalters (Heribert Müller) König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter (Karl-Friedrich Krieger) 1992. EdG 14 Fürstliche Herrschaft und Territorien im späten Mittelalter (Ernst Schubert) 1996. EdG 35

Frühe Neuzeit Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500–1800 (Christian Pfister) 1994. EdG 28 Umweltgeschichte der Frühen Neuzeit (Christian Pfister)

Gesellschaft

160

Themen und Autoren

Bauern zwischen Bauernkrieg und Dreißigjährigem Krieg (André Holenstein) 1996. EdG 38 Bauern 1648–1806 (Werner Troßbach) 1992. EdG 19 Adel in der Frühen Neuzeit (Rudolf Endres) 1993. EdG 18 Der Fürstenhof in der Frühen Neuzeit (Rainer A. Müller) 1995. EdG 33 Die Stadt in der Frühen Neuzeit (Heinz Schilling) 1993. EdG 24 Armut, Unterschichten, Randgruppen in der Frühen Neuzeit (Wolfgang von Hippel) 1995. EdG 34 Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300–1800 (Peter Blickle) 1988. EdG 1 Frauen- und Geschlechtergeschichte 1500–1800 (Heide Wunder) Die Juden in Deutschland vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (J. Friedrich Battenberg) 2001. EdG 60 Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert (Franz Mathis) 1992. EdG 11 Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus 1620–1800 (Rainer Gömmel) 1998. EdG 46 Landwirtschaft in der Frühen Neuzeit (Walter Achilles) 1991. EdG 10 Gewerbe in der Frühen Neuzeit (Wilfried Reininghaus) 1990. EdG 3 Kommunikation, Handel, Geld und Banken in der Frühen Neuzeit (Michael North) 2000. EdG 59

Kultur, Alltag, Mentalitäten

Medien in der Frühen Neuzeit (Stephan Füssel) Bildung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17. Jahrhundert (Notker Hammerstein) 2003. EdG 64 Bildung und Wissenschaft in der Frühen Neuzeit 1650–1800 (Anton Schindling) 2. Aufl. 1999. EdG 30 Die Aufklärung (Winfried Müller) 2002. EdG 61 Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der Frühen Neuzeit (Bernd Roeck) 1991. EdG 9 Lebenswelt und Kultur der unterständischen Schichten in der Frühen Neuzeit (Robert von Friedeburg) 2002. EdG 62

Religion und Kirche

Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung (Olaf Mörke) Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert (Heinrich Richard Schmidt) 1992. EdG 12 Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert (Michael Maurer) 1999. EdG 51 Religiöse Bewegungen in der Frühen Neuzeit (Hans-Jürgen Goertz) 1993. EdG 20

Politik, Staat und Verfassung

Das Reich in der Frühen Neuzeit (Helmut Neuhaus) 2. Aufl. 2003. EdG 42 Landesherrschaft, Territorien und Staat in der Frühen Neuzeit (Joachim Bahlcke) Die Landständische Verfassung (Kersten Krüger) 2003. EdG 67 Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus (Walter Demel) 1993. EdG 23 Militärgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Bernhard Kroener)

Staatensystem, internationale Beziehungen

Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521–1648 (Alfred Kohler) 1990. EdG 6 Altes Reich und europäische Staatenwelt 1648–1806 (Heinz Duchhardt) 1990. EdG 4

Themen und Autoren

161

19. und 20. Jahrhundert Gesellschaft Demographie des 19. und 20. Jahrhunderts (Josef Ehmer) Umweltgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (N.N.) Adel im 19. und 20. Jahrhundert (Heinz Reif) 1999. EdG 55 Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert (Andreas Gestrich) 1998. EdG 50 Urbanisierung im 19. und 20. Jahrhundert (Klaus Tenfelde) Soziale Schichtung, soziale Mobilität und sozialer Protest im 19. und 20. Jahrhundert (N.N.) Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft (Lothar Gall) 1993. EdG 25 Die Angestellten seit dem 19. Jahrhundert (Günter Schulz) 2000. EdG 54 Die Arbeiterschaft im 19. und 20. Jahrhundert (Gerhard Schildt) 1996. EdG 36 Frauen- und Geschlechtergeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (Karen Hagemann) Die Juden in Deutschland 1780–1918 (Shulamit Volkov) 2. Aufl. 2000. EdG 16 Die Juden in Deutschland 1914–1945 (Moshe Zimmermann) 1997. EdG 43 Wirtschaft Die Industrielle Revolution in Deutschland (Hans-Werner Hahn) 1998. EdG 49 Die deutsche Wirtschaft im 20. Jahrhundert (Wilfried Feldenkirchen) 1998. EdG 47 Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Stefan Brakensiek) Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert (Ulrich Kluge) Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert (Toni Pierenkemper) 1994. EdG 29 Handel und Verkehr im 19. Jahrhundert (Karl Heinrich Kaufhold) Handel und Verkehr im 20. Jahrhundert (Christopher Kopper) 2002. EdG 63 Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert (Eckhard Wandel) 1998. EdG 45 Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert (bis 1914) (Rudolf Boch) Staat und Wirtschaft im 20. Jahrhundert (Gerold Ambrosius) 1990. EdG 7

Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert (Hans-Christof Kraus) Kultur, Bildung und Wissenschaft im 20. Jahrhundert (Frank-Lothar Kroll) 2003. EdG 65 Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert (Andreas Schulz) Lebenswelt und Kultur der unterbürgerlichen Schichten im 19. und 20. Jahrhundert (Wolfgang Kaschuba) 1990. EdG 5

Kultur, Alltag und Mentalitäten

Formen der Frömmigkeit in einer sich säkularisierenden Gesellschaft (Karl Egon Lönne) Kirche, Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (Gerhard Besier) 1998. EdG 48 Kirche, Politik und Gesellschaft im 20. Jahrhundert (Gerhard Besier) 2000. EdG 56

Religion und Kirche

Der Deutsche Bund und das politische System der Restauration 1815–1866 (Jürgen Müller) Verfassungsstaat und Nationsbildung 1815–1871 (Elisabeth Fehrenbach) 1992. EdG 22

Politik, Staat, Verfassung

162

Themen und Autoren

Politik im deutschen Kaiserreich (Hans-Peter Ullmann) 1999. EdG 52 Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft (Andreas Wirsching) 2000. EdG 58 Nationalsozialistische Herrschaft (Ulrich von Hehl) 2. Auflage 2001. EdG 39 Die Bundesrepublik Deutschland. Verfassung, Parlament und Parteien (Adolf M. Birke) 1996. EdG 41 Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (Ralf Pröve) Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland (Axel Schildt) Die Sozialgeschichte der Deutschen Demokratischen Republik (Arnd Bauerkämper) Die Innenpolitik der DDR (Günther Heydemann) 2003. EdG 66 Staatensystem, internationale Beziehungen

Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815–1871 (Anselm Doering-Manteuffel) 2. Aufl. 2001. EdG 15 Deutsche Außenpolitik 1871–1918 (Klaus Hildebrand) 2. Aufl. 1994. EdG 2 Die Außenpolitik der Weimarer Republik (Gottfried Niedhart) 1999. EdG 53 Die Außenpolitik des Dritten Reiches (Marie-Luise Recker) 1990. EdG 8 Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland (Hermann Graml) Die Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik (Joachim Scholtyseck) Hervorgehobene Titel sind bereits erschienen. Stand: (Februar 2003)