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German Pages 350 [364] Year 1816
D i e
Harfe.
Herausgegeben ton
Friedrich
K i « d.
Fünftes Bändchen.
Leipzig bei Georg Ioachrm Göschen i8iö.
Inhalt.
Beite
I. Madonna della Sedia.
Don Fr. Kind.
i
II. Die Belagerung von Leipzig im Jahr 1546 und J547* Erzählung von Friede rike Lohmann. e 13 UI. Die Sachsenritter. Historische Romanze von F. Krug von Nidda. 95 IV. Reisescenen und Bemerkungen.
Don
St. Schütze. Beschluß.
-
*
ui
V. Der vierte August 1315.
-
-
151
VI. Oheim und Reffe. Laun.
-
Erzählung von F. -
167
VII. Briefe von Gellert, Kästner und
Lichtenberg. Mit Fac pmile's der Kästnerschen und Lichtenberg schen Hand schrift. 241
VIII. Vermischte Gedichte. Die Rache. Don Arthur v. Nordstern. Dichtkunst und Liebe. Don Th. Hell. Lied. Don Luise Brachmann. An einen Schmetterling. Don Haug. Das Herzfenster. Don Langbein. Der Zwerg. Don Schmidt von Lübeck. Das Landhaus. Don Buri. -
257 261 265 267 269 272 27s
Inhalt. Seirc
Magdalene. Von Gustav Iördens. - 277 Gespräch mit der Abcndluft. Von dem selben. 279 Immer nur Sie. Von F. L. A. Frhr. von Münchhausen. 251 An eine Spröde. Von St. Schütze. - 23 t Amors Augenbinde. Don F. Kuhn. - 235 Amor der Mahler. Von Eduard Biene mann. 239 Lenzfahrt. Don F. Krug von Nidda. - 290 An den Frieden. Von Arthur vom Nord stern. 292 Wunsch. Von demselben. 294 Sonnette. Don Eduard Bienemann. 295 Der Rosenmond. Don Buri. 299 Der Stier und die Nachtigall. Von Haug. 300 Der Komerenwcin. Von Adolph. 301 IX. Denkmale. Distichen bei Gelegenheit eines Festes auf dem Master. Von I. O. 30;, Auf dem Master. Von F. Kubn. 3-8 Der Schloßgartcn. Don Mesterschmidt. 3*2 An fcic Frau Oberschulrathin Eschke. Don Langbein. 323 Ein Traum. Von F. Kuhn. 325 An Haug. Von Neuster. 33c Agrionien für Th. Hell. Von F. Kind. 333 An Th. Hell. Von F. Kuhn. 338 Am vierten Marz. Von demselben. - 342 Schneebälle und Päonien. Von F. Kind. 348 Die Akazie. Von demselben. - 350
1.
Madonna della Sedia.
Don
F.
K i n d.
Es haust im wald'gen Grunde Ein Klausner fromm und werth, Den nah und fern die Runde Gleich einem Heil'gen ehrt. Weil Rath und Trost er treulich giebt lind gute Werke rastlos übt.
Einst öffnen fich die Quellen Der Tiefen und der Höh'; Der Felsenbache Schwellen Verwandelt Thal in Sec; Bald ragt der Hütte Dach von Rohr, Bald Glöckchen nur und Kreuz Herder.
Der Klausner klimmt von Zweige Zu Zweig -um höchsten Baum, Ob sich nicht Hülfe zeige Im weiten Wafferraum; Der Wipfel schwankt, die Woge droht, Da naht ein rettend Fischerboot.
Als nun die Flut verronnen, Und sich im goldnen Strahl Die Hügel wieder sonnen, Kehrt er zurück iw'i Thal, Und wird des treuen Baums gewahr, Des Schützers in der Todsgefahr.
Da hebt er fromm die Hände Und betet auf den Knien: „O du, Allgüt'ger, wende Dein segnend Aug' auf ihn; Erheb' ihn, Herr, zur Herrlichkeit Dor allen Baumen weit und breit! “
Ls flüstert in den Zweigen, Und aus de- Wipfels Kranz Sieht er sich Engel neigen. Umwebt von lichtem Glanz. „Ja" — ruft der Greis — „e- wird geschehn, Der Herr vernahm mein gläubig Flehn!"
langst schlief in stillem Frieden Der Klausner unterm Moos, Da schien dem Baum beschiedert Der andern Baume Loos; Dom Axthieb tönt der Wiederhall, Der Boden bebt von seinem Fall.
Man übergiebt der Flamme Der Aeste knisternd Reis, Sagt Klötze von dem Stamme, Die dann mit regem Fleiß Ein Büttner dünner noch zerfallt Und drauS zu Fässern Dauben spellt.
An heißer Glut gegohren Traust reich der Traube Saft; Die Fässer sind erkohren, Iu zahmen seine Kraft; Bald nehmen, angefüllt mit Wein, Sie Platz Lm Herberg - KeNcr ein.
Wo bleibt nun, was verheißen Dem frommen Klausner war? Wer wird den Baum noch preisen Vor seiner Brüder Schaar? Er modert wohl in ew'ger Nacht, Und sein wird fürder nie gedacht.
Vernehmt: Geleert vom Weine Nach .manches Jahrs Verlauf, Wal^r man zum Tagesscheine Der Fässer eins herauf; Denn ein'ge Reifen sprangen ab, Und neu winkt Evans Traubenstab.
Auch jetzt steht es umgeben Von schattend dichtem Grün, Mit welchem Ulm' und Reben Das Vorgeland umziehn/ Worunter oft bei Sonnenglut So Hausgenoß, als Wandrer, ruht.
Einst glüh'n des Morgens Thore, So Flur, als Wolke, glüht, Und schöner, als Aurore Nach stiller Nacht erblüht, Tritt hold der Landschaft höchste Zier, Die junge Hausfrau, vor die Thür.
Sie schaut entzückt die Ferne; Es winken Engelgruß Die braunen Augensterne, Und, wie zum Erstlingskuß Die Knospe sich dem Jephyr beut, Haucht ihre Lippe Süßigkeit.
Wae ist's, das im Gewände Die runden Händchen hebt? Ein Knablein, wie dem Lande Der ew'gen Huld entschwebt! Wie? sollte sie die Mutter seyn? Es ist wohl nur ihr Brüderlein.
Wie um die reine Stirne So glatt das Goldhaar fallt Wie jungfräulich die Dirne Das Kind im Arme halt! Und doch — ja, das ist Mutterlnst -Sie preßt cs lächelnd an die Brust
Süß fächeln Morgenlüfte,
Ls
weh'n ein Wonnemeer
Der than'gen Blumen Düfte Um Kind und Mutter her; Cie ruft nach einem Stuhl, und rvt, Zart wie der Pfirsch' in Sounenglu.
Mit feinem Weidenstabe Herbeigeeilt geschwind, Tritt fromm ein alt'rer Knabe 3um jungen Rachbarkind, Deß Aug', so klar, wie Himmelslicht, Freund und Gespielen ihm verspricht.
Als so in Morgen frische Der Frauen Schönste fitzt, Da wandert durch die Büsche Lin Jüngling her; es blitzt Sein feurig Aug'; denn nie so mild Sah er der Lieb' und Unschuld Bild.
Und ihn ergreift Entzücken Und Hirnmelsfeligkeit; Er muß der Erd' entrücken, Was sie nur einmal beut; Und doch, der hohe Maler hat Zur Hand nicht Pergamen, noch Blatt.
IO
Da fallt das Licht der Sonne $DZait glänzend auf das Rund Der ferngestellten Tonne; Er zeichnet auf den Grund Des Bodens eilend die Gestatt/ Indeß fein Herz vor Freude wallt.
Sie wiegt das Kind im Schooße/ Das hell die Welt begrüßt; Wie süß die junge Rose Der Lippen sich erschließt, Wie rein ihr Aug' Hern bersch aut — Fürwahr, sie ist die Gotiesbraut
Wohl muß das Werk getingen, Führt er's so feurig aus; Die morschen Reifen springen, Er tragt sein Bild nach 5?aue, Verstopft das Zapfenloch, und mahlt, Bis engelfchon die Hcil'ge strahlt.
Und alle glüh'n in Wonne, Die sie vollendet schau'n, Und beten zur Madonne Mit liebendem Vertrauen; Noch zeigt man auf der Tafel Grund Die Spuren von des Fasses'Spund.
So hat der Herr gewahret Des Klausners fromm Gebet, Zur Herrlichkeit verkläret Des Baums geringes Bret; Es tragt das Holz, dem so geschah, Madonna della Sedia!
Die Mahr' hat mir erzählet Ein Fraulein hold und gut, Das Saitenklang vermahlet Der Farben Schmelz und Glut, Und, selbst von Himmelslicht umstrahlt, Nach Raphael das Bild gemalt.
Und was sie mir berichtet, Hab' ich in Reim gebracht; Fragt nicht, was dran erdichtet; Die Lehr' ist nicht erdacht: Der Herr erfüllt der Frommen giern, Mehr, als sie bitten und verstebn!
II.
Die Belagerung von Leipzig im Jahr 1546 und 1547.
Erzählung von
Friederike johmann.
Es war ein düstrer Dezembermorgen, der dritte deS Weihnachtfestes.
Schwere weißliche Wolken
bedeckten den Himmel, und zogen rastlos über das bleiche Gestim des Tages.
So umwölkte
auch Kummer und Sorge die Seele der einsamen Gertraud, wahrend waren,
die
des
verlaßnen Hauses wahrte,
die Minner auf den Markt gegangen Bestätigung
böser
Zeitung
zu holen.
Schon seit mehreren Tagen drückten bange Ah nungen Leipzig- Bewohner.
Kurfürst Johann
Friedrich richtete sein Absehen auf die Stadt; Herzog Moritz ließ ernstliche Anstalten zur Ge genwehr machen; zagend sahen die Weiber, die Schwachen
und Kranken in die Zukunft, die
braven Männer drückten Hand.
sich
ermunternd
Heute war schon ftühe
das
die
Geschrei
gekommen, der Kurfürst sei in der Nähe mit
i6 30000 Manu.
Furcht und Sorge nahm
nun
überhand; die Universität war schon nach Meis, fcn gegangen;
viele Bürger flüchteten hinaus,
und Getraud sah manchen Bekannten,' der ihr wehmüthig ein Lebewohl zuwinkte. nen flössen stärker.
Ihre Thrä
Doch sie trocknete sie, als
sie den Bruder mit Georg von weitem gewahrte; nicht so schwach
wollte
sie
scheinen
vor
den
Männern, nicht die Brust noch schwerer belasten, die schon die Sorge um die Vaterstadt trug. — Freundlich empfing
sie
die Eintretenden,
und
fragte nach dem, was sie erkundet hatten. ES ist wahr, Schwester! begann Hans Rau scher mit Ernst, alles wahr! bei
Herrn
Fachsen,
Wir waren selbst
unserm
Bürgermeister.
Schwere Tage stehen dem guten Leipzig bevor; Gott mige uns schützen! Regimenter
Morgen kommen 10
Fußknechte und Fahnenreuter von
Raumburg zu unserer Hülfe herein.
Wir wollen
unS wacker vertheidigen, und wenn es seyn muß, sterben auf den Trümmern unserer Stadt.
So
denken alle Leipziger! wer aber fremd ist, und daheim noch eine Seele weiß, die um ihn z.'gt,
i7 der wende
sich
Pflichten.
Ja,
Ihr
müßt uns
von
uns,
Georg,
den
das
verlassen.
Es
rufen
höhere
sage ich
Euch,
thut mir weh
von Euch zu scheiden, aber es kann nicht anders seyn.
Wer weiß,
sten Tagen
was uns schon in den nach-
bevorsteht —
Mutter. —
Hier
lebt
und Ihr habt eine Euch
niemand
Ver
wandtes, hier halt Euch nichts zurück. Sprachlos, hatte Georg
mit
zugehört;
niedergeschlagenem bei
den
lehren Worten
erhob er seine großen beredten Augen, fielen auf Gertraud. —
Blick,
und sie
Ach, Herr Rauscher,
sprach er leise, Ihr thut mir weh.
Achtet Ihr
mich so gering, daß ich jetzt mich entfernen soll, da Noth
und Trübsal Euch nahen?
meinte,
Ihr würdet mich nimmer
weisen,
wohl meinte ich, daß mir
wandte Seelen
Seht, ich von
Euch
hier ver
lebten, und Liebe halt mich zu
rück — Liebe und Anhänglichkeit an Euch Euer Haus.
Gott weiß,
und
ob ich unrecht thue;
aber ich kann, kann Euch nicht verlassen; meine Mutter hat der Söhne mehr — und zu deutlich sprichts in mir:
Die Harfe. V.
hier,
Georg,
ist
dein
Platz, 2
Hirt ist beute Heimath. laßt mich bei Euch bleiben, trauter Meister, verstoßt mich nicht, laßt mich Noth und Tod mit Euch theilen! So sprach Georg, und Rauscher reichte ihm gerührt die Hand. Er widerstand nicht langer der Beredsamkeit redlicher Liebe; auch ahndete ihm lange, was in Georgs Busen glühte, und cS war ihm schon recht, wenn Gott deS Jüng ling- Wünsche erfüllen wollte. Ihn jetzt von sich zu treiben, hatte er für Pflicht gehalten; er hatte, so oft die Rede auf die nahen Schreck nisse kam, immer diese Saite berührt, ohne daß Georg ihn verstehen wollte. Aber al- er nun die Thränen de- guten Jünglings fließen sah, da war er nicht stark genug zum Wider streben; er nahm ihn brüderlich in seine Arme, und ein schöner Bund schloß sich auf Leben und Tod. Auch Gertraud trat herzu; auch ihre Hand faßte die Hand des Freundes, und sein Zittern, fein Auge voll Liebe machte ihr alles kund, was in ihm vorging. Georg war ein Fremdling in Leipzig, war zu Rauschern gekommen, um bei ihm, einem
geschickten,
weit gereisten
zu erlernen. noch
Mater,
seine Kunst
Sehr jung kam er in dieses Hau-;
jünger
war
Gertraud,
seines
Meister
einzige Schwester.
So sahe er sie vor sich auf
blühen
Schönheit,
in
seltner
sah
ihre holde
Sittsamkeit, ihr stillthätiges Wirken, ihre reine Unschuld,
und gab sein ganzes Wesen ihr hin,
ohne es eher zu fühlen,