Die Harfe: Bändchen 7 [Reprint 2018 ed.] 9783111423012, 9783111058351


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German Pages 404 [412] Year 1818

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Table of contents :
Inhalt
I. Sionitische Harfentöne. Aus dem Hebräischen von K. W. Iusti. Zweite Sammlung.
II. Einige Tage in Lissabon. Briefe an eine Freundin in Deutschland. Bruchstücke einer in den Jahren 1805 und 1806 gemachten Seife von I. CH. A. Hasse.
III. Das Schwert. Vier Scenen. Don Arthur vom Nordstern
IV. Persische Proben. Don L. B – r.
V. Romanzen und Erzählungen.
VI. Die Taube. Erzählung von Louise Brachmann
VII. Maler - Sonette. Don F. Kind. (Erstes Dutzend.)
VIII. Die Eiche am See. Erzählung von Friederike Lohmann
IX. Gedichte.
X. Die Haarlocke, Erzählung von F. Laun
XI. Denkmale
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Die Harfe: Bändchen 7 [Reprint 2018 ed.]
 9783111423012, 9783111058351

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D L e

Harfe

H erausgegeben von

Friedrich Kind.

Siebentes Bändchen.

Leipzig bei Georg Joachim Göschen. isi&

Inhalt

Stire

I. Sion irische Harfentöne, von A. W. Iusti. Zweite Sammlung. 1. Strenge Sittenlehre eines morgenlandischen Stammesfürsten. 2. Der ersehnte König. Ein Gemälde der goldnen Vorzeit. 3. Volksgebet um Kriegsglück und Erhal­ tung des israelitischen Staates. 4. Lobgesang auf den Weltschöpfer und Weltregierer. 5. Der siegreiche König auf Sion. 6. Jerusalem s verzweiflungsvolle Lage bei der Annäherung des assyrischen Kriegs­ heers. 7. Neue Blüte des durch die Assyrer ver­ wüsteten Iudaa's. IT. Einige Tage in Lissabon. Briefe an eine Freundin in Deutschland. Bruchstücke

3 3 11 14 13

20 24

i\

Inhalt. einer in den Jahren 1805 und 1806 ge­ machten Reise, von F. CH. A. Haffe 26

III. Das Schwert. Vier Scenen. Don Arthur vom Nordstern 69 IV. Persische Proben. Don L. B — r. t. Der Papagei 2. Geschichte vom Diebe

jo>

120

V. Romanzen und Erzählungen. Der Schrffbruch, von Klotilde 14) Lenardo und Beatrice, von Kart Förster 150 Die Belagerung von Arsuf, von Anton Niemeuer. 168 Phitcmon und Bauers, von Goeking VI.

Die Taube. Brachmann

ig6

Erzählung von Louise 197

VII. Maler - Sonette. Don F. Kind. (Erstes Dutzend.) Blumenstraus

-

-

-

-

227 223

-

-

229

Alterthümelnde Schule

-

23c

Still-Leben Portrait Endvmion Sckenkstube

-

22 > 220

-

Inhalt.

x Seite

Diehstück Brand Schlafende Denus Wilde Landschaft Fruchtkorb Madonnenbildchen

-

VIII. Die Eiche am See.

Friederike Lohmann

.

231

-

232 233 234 235 236

Erzählung von 237

Gedichte. 1. Eingang, von Arthur vom Nordstern 307 2. Ausgang, von demselben 303 Natur und Kunst, von Friederike Becker 309 Der Blitz, von Emil Reiniger 31.3 Die Weltgeschichten, von Fr. Kuhn 317 Auf dem Rigi, von Agnes v. Einfiedel 322 Lied, von Helmine - , 324 Der Kuß, von Haug 326 Für mein Mädchen, von Th. Hell 327 Wie man's nimmt, von I. F. Castelli 331 Weinlied, von Ct. Schütze 331 Die Erde und der Mond, von Haug 334

IX.

X. Die Haarlocke, Erzählung von F. Laun

335

Inhalt.

A 1

Gene

XI. Denkmale. Dichter-Quadrille. Am 25. April 1317. 1. Grieche und Gnechm, von F.

379

2. Troubadour und Dame von Romanin, V0N K»I. ' 3S? 3. Gottsched und die Frau Professorin, von

Th. H.

-

-

3SS

4. Neuer Alt-Teutscher und sein Ge spcns, von Kd. Bei der Jahres - Scheide 1317 — isr$, von Kind. = ;

72.

d. h. freuten SXidxerfmn.

xSte Regen wird er fallen Auf die gemähte Flur; Wie Wolken niedersteigen, lind tranken das Gefild! — 2» fernen Tagen wird der Fromme blühen, Und Friede walten, bis der Mond erblaßt. Don einem Meer' zum andern wird er herrschen, Dom großen Strom' bis an der Erde Gränzen. *) Vor ihm wird sich das Dolk der Wüste beugen, Und seine Feinde lecken Staub. ** ) Geschenke bringen ihm Die Könige von Terfls und den Küsten; Ihm huldigen mit ihren Gaben Die Könige von Saba und von Seba. ***) Vom IlUlelmeere btd zum (Euphrat, als den weitesten ©rtintc* dek- israelitischen Staate-.

Warum zerreißest du nun seine Mauer, Daß Alles, was vorüber wandelt, ihn beraubt? Der Eber aus dem Wald durchwühlet ihn, Es weidet ihn das Wild deS Feldes ab. Des Weltalls Gott, o wende dich zu uns! Dom Himmel schau' herab, und sieh, Besuche diesen Weinst-ck wieder! Erhalte, was du mit der Rechten pflanztest. Den Zweig, den du dir selbst erzogen! — Verbrannt ist nun dein Weinstock, abgemähet, Don deinem Zornhauch' wird er ganz vertilgt! — Laß deine Hand bedecken den Erwählten, Den Mcnschensohn, den du'dir selbst erzogest; Damit wir nimmer von dir weichen, Beleb' uns neu, und wir frohlocken dir! — Schluß - Chor. Gott, wende wieder dich zu uns, Laß uns dein Antlitz leuchten, So ist uns Hülfe da! —

4

Lobgesang auf den

Weltschöpfer und Weltregierer. *)

Aehovcn preise, meine Seele! Iehovah, du mein Gott, wie groß bist du! Mit Glanz' und Herrlichkeit bist du bekleidet! — Er breitet Licht um sich, wie ein Gewand, Den $?tmiitel spannt er aus, wie ein Gezclt. Aus Wassern wölbt' er seinen Söller sich, Au seinem Wagen macht er Wetterwolken, Und fahrt dahin auf Windes-Flügeln. Au seinen Boten macht er Winde, Au seinen Dienern Feuerflammen; Die Erde gründet' er auf ihre Säulen, So, daß sie nimmer, nimmer wanke. ) Psalm

104.

Die Tiefe decktest du, wie mit Gewand, Hoch über den Gebirgen stand die Fluth. Sie floh vor deinem Drohen, Vor deiner Donnerstimme bebte sie dahin. Ls hoben Berge flch, und Thaler sanken, Dem Orte zu, den du beschieden! Du setztest Gränzen, nicht zu überschreiten, Rie kehrt die Fluth zurück, die Lrde zu bedecken. Du ließest Brunnen quellen in den Thalern; Sie rieseln zwischen Bergen hin. Sie tranken alles Wild des Feldes, Die wilden Esel löschen, ihren Durst. Des Himmels Vögel wohnen über ihnenUnd aus den Zweigen tönt ihr Lied hervor. Die Berge wasserst du auS deinen Göllern, Don deiner Werke Frucht- ersättigt sich die Erde. Du lässest GraS für Thjere sprossen, Und Saat, den Menschen zum Gebrauch, Um Brot der Erde zu entlocken, Und Wein,

der

fröhlich

«acht

das Herz

Menschen, Der mehr, als Oel, das Angesicht erheitert, Auch Brot, das stärkt des Menschen Herz. —

des

Iehovens Baume saugen sich voll Saft, Die Zedern Libanon-, die er gepflanzt; Damit darauf die Vögel Nester bauen, Auf Edeltannen baut der Storch sein Haus. Die hohen Berge find der Gemse, * Steintlüfte sind der Bergmaus Zufluchtsort! — Er schuf den Mond, die Zeiten einzutheilen; Die Sonne tonnet ihren Untergang! — Du sendest Finsterniß, und es wird Nacht, Da regt sich jedes Thier des Waldes. Die zungen Löwen brüllen nach dem Raube, Und heischen von der Gottheit ihre Speise. Kaum stralt die Sonne auf, so zieh'n sie fort, Und strecken sich in ihre Höhlen hin. Dann geht der Mensch an sei» Geschäfte, Und an sein Tagewerk, bis an den Abend. — Wie viel find, o Jehsvah, deiner Werke! Sie alle hast du weislich angeordnet, Die Erd' ist deiner Güter woll! — Und jenes Meer, — wie groß und ausgedehnt! Da wimmelt's ohne Iaht! Lebend'ges, klein und groß! Dort wandeln Schiffe, hier der Krokodil,

r■ Don dir gebildet, in der Flut zu scherzen, Gre alle harren dein, Daß du zu rechter Zeit sie speisest. Du giebst; sie sammeln ein, Du öffnest deine Hand, sie werden satt des Guten! Du birgst dein Antlitz, sie erbeben, Nimmst ihren Odem hin, sie sterben, Und kehren in den Staub zurück! Es weht dein Lebenshauch, und sie entstehen; Das Angesicht der Erde wird verjüngt! Jehovens Ruhm sei ewig; Iehovah freue seiner Werke sich! — Er blickt zur Erde hin, und sie erbebt, Die Berge rührt er an, sie rauchen. Sv lang' ich bin, will ich Iehoven singen, Ihm tönt mein Eaitenspiel, so lang' ich lebe! O

möcht' ihm mein Gesang gefallen!

Ich freue mich nur in Iehoven! (

O

wäre doch kein Sünder mehr auf Erden,

Und wär' doch kein Verbrecher mehr!) Iehoven preise, meine Seele! Gelobt sei Gott!

Die Halle.

\ II.

2

5-

Der

siegreiche König auf Sion.

Ein Gesang,

*)

dem David geweiht.

Aehovab sprach zu meinem Herrn: „Verweile hier zu meiner Rechten, Bis daß ich deine Feinde dir Zum Schemel deiner Füße lege!u Iebovah streckt von Sion aus Das Zepter deiner Herrscherkraft; „Regier' in deiner Femde Mitte!" „Freiwill'ge Gaben sind mit dir Am Tage deiner Heldenschlacht, Auf meinen heiligen Gebirgen! Wie Thau vom Schooß' der Morgenröthe, Wird deiner Jugend Thau mir fevn! ‘ *) i'ssllsn l.o.

Hehovah schwört, und nie gereut es ihn; Du sollst mein Priester fern auf immer, Ich ordne dich mir -um Melchisedeck!" Jchovah, dir zur Rechten, Zermalmet Könige, wenn er ergrimmt! Er richtet Völker, füllt das Land mit Leichen, Und schmettert Schädel auf dem weiten Schlacht gefild Dom Bach' am Wege trinft er dann, Und hebet stolz fern Haupt empor! —

6.

Jerusalems verjwciflungsvollc Lage bei der

Annäherung

des assyrischen Krieg«heer«.

28as

*)

ist dir? was denn?

Warum

doch

steigt

dein

ganzes

Dach?

Volk

auf's

")

Du, des Getöses volle! Stadt voll Getümmels! du, froblockensvolle Stadl Nicht durch das Schwert find deine Todten hm gewürgt, Sie fielen nicht im Kampfe! •) 3ef. K 22, i -14. •')

Senn im Oriente sich etwas MerkwütdiqeS ercujuer

läuft Alles auf die flachen Dächer, um es ;u sehen.

All' deine Führer flohen vor dem Bogen, Gefesselt wurden fit, Die Heimgeholten all' schlug man in Fesseln; — Sie waren fernehin geflohen!--------Drum sprech' ich: „laßt mich, daß ich bitter weine! Und drangt euch, mich zu trösten, nicht herbei, Bei meines Volks Verwüstung!" Ein Tag voll Angst, Zermalmung und Ver­ zweiflung, — Verhängt vom Herrn, Jehoven, dem Allherrscher/.— Kommt über der Gesichte Thal, •) Daß Mauern dröhnen, und Gebirge widerhallen! Schon fasset Flam seinen Köcher, Dort stehen Wagen, Fußvolk, Reisige, Und Kir entblößt den Schild! ') DciS Thal der Geslchre, oder Sehe-Thal, ist wahrscheinlich das südliche Thal am Derge Moria, dessen l. D. Mos. 22,

14.

1. Chron. 21, 16. und

2.

Chron. 3» r.

erwabnr wird. “) Die Flamiker waren damals assyrische Unrerrhaneu, und auch K,r war eine assyrische Provinz.

Dein schönes That ( o Sion!) füllen Krie­ geswagen, Bis an das T^or sind Reisige gelagert, Und offen stehn die Schanzen Iuda's; Schon bringt dein Blick bis nach dem Waffenhaur im Walde! — Ihr

saht

tit

David s

Stadt

der

Riffe

Menge, Und sammeltet des untern Teichs Gewässer! Ihr zahletet die Wohnungen Jerusalems, Und risset Hauser ein, dte Mauern auszubessern. Ihr machtet zwischen beiden Mauern einen Graben Für das Gewässer in dem alten Teiche, Und sahet nicht auf den, der sie gebaut, Auf ihren Bildner nicht von Alters her. Der Herr, Iehsvcch, der Allherrscher, Rief euch zu Thränen auf, Zu Winseln, Haarausraufen, Trauerkleider - Tra­ gen! — Doch hier war Freude nur und Jubel, Man würgte Rinder ab und Schaafe, Af, Fleisch, und trank den Wein.

,.Eßt (hieß cs) nur, und trinket; Denn Morgen sind wir todt! " — Dieß drang zum Ohr Jehovens, des Allherrschers; .,Ja wahrlich diese Schuld Wird nur gebüßt durch euern Xob!u Go spricht der Herr, Jehovah, der Allherrscher!

Neue Blüte des durch bie 2sffprer verwüsteten JudäaS.

Aussichten eines hebräischen Sehers. ’j Es freue sich die Wüste und das dürre Land/ Es jauchze das verödete Gefild, Und, wie die Rose, blüh' es auf! Ls blübc, laucbze, und frohlocke Des Jordans wasserreiche Flur; #e ) Die Pracht des Libanons werd' ihr zu Theil. Der Schmuck des Karmel und des Saron!----Sie "*) sollen schaun die Herrlichkeit Iehovens. Die Hoheit unsers Gottes! e) Ies. Kap. 3$. ••) Nach der Ce-flft der I X^.

•••) Die WlederpergeftelHen, Neubcgluckren.

Starke die erschlafften Hände, Und kräftiget die Knie, welche wankten! Muthlosen sagt: „Ermannet euch! Seid ohne Furcht, seht, rächend nahet euer Gott! Vergeltung Gottes kommt, er wird euch retten! “ Dann öffnen fich der Blinden Augen, Dann thun sich auf der Lauben Ohre«; Dann springt der Lahme, wie ein Hirsch, Laut rubelt dann des Stummen Zunge; Denn Waffer quellen in der Wüste, Und Ströme in dem dürren Lande! Der glüh'nde Sand wird dann zur See, Das durst'ge Land zum Ouellengrunde, Zum Hcerden-Lager der Schakale Wohnung, Das Gras wachst auf zu Rohr und Schilf! Dann hebt sich dort ein wohlgebahnter Pfad; Den heil'gen Pfad wird man ihn nennen, Kein Sünder wird ihn mehr betreten, — Gott selbst begleitet sie auf diesem Pfade, Kein Thor wird sich darauf verirren! — Da vird kein Löwe fern, Kein reißend Thier wird ihn betreten,

Noch dort sich finden taffen, Erlös te werden ihn betreten.' — Ja, die Iehovah rettet, kehren wiederNach Sion heim, mit Iubclsang; Don nv'gcr Wonne stralt ihr Haupt, Begleiten wird sie Lust und Wonne, Und Schmerz und Seufzer werden flieh'n.'

II.

Einige Tage in Lissabon.

Briefe iin eine Freundin in Deutschland.

Bruchstücke einer in den Jahren is°5 und igoö gemachten Seife von

I. CH. A. Hasse.

Lissabon, den rz. Nov. ieo$. •)

3« länger ich hier bin, desto lieber wird mir Lissabon. Und dennoch sehne ich mich nach Deutschland zurück. Darum zümen Sie nicht, liebe Freundin! Lissabon ist schin; Dre-den noch schiaer. Dort ist da« Auge; hier blieb da- Herz. Heut« wanderte ich mit Herrn Guidotti, einem italienischen Kaufmann«, an den ich empfoh­ len bin, durch die Stadt. Da- ist doch weit anmuthiger, einem so gefälligen Führer zu folgen, ol< eine Chronik in Folio mit Holzschnitten von einem grämlichen Bibliothekar sich vorlegen zu •) An Me Briefe von Ver See an- London und Lissabon von demselben Verfasser, im dritten Bändchen der Harfe, S. 99 — 158. / schließen sich diese Briefe an, die einige-, was dort nur angedeutet war, mehr au-fuhren.

Der Der»

söffet reiste Im Gefolge de- russischen Gesandten am Ma­ drider Hofe, de- Baron- von Strogonoff, der gegenwär­ tig russischer Gesandter in Conftanttnopek »ft.

lassen! Hätten Sie, liebe Freundin, die Jahr­ bücher von Lissabon so mit mir, Straße auf, Straße nieder, lesen können! Wenigstens dachte ich mir dieß, und fand, daß Herr Guidotti ein vortrefflicher Autor war. Denn, wandte ich nicht jede- Blatt mit Ihnen um? Zuerst auf die Anhöhe fast mitten in der Stadt. Hier liegt da- alte Schloß, mit Ge­ fängnissen und einer Batterie. Es beherrscht den Fluß und d e Stadt. Die Mauren haben es angelegt, Welche Aussicht vom Wallrande! Die reichste und schönste in der Stadt! Dort an dem Abhange der Berge und Hügel stehn noch ganze Straßen Maurischer Gebäude, weiß getüncht, schmal und hoch. Die Gassen sind eng und gekrümmt; kaum mag sich ein Maulthier mit seinem zweirädrigen Fuhrwerke durchdrängen. Vor jedem Hause ist ein AuStritterker; wohl vergittert von allen Selten, selbst oben; kein Blick dringt hinein, auch der Ihrige nicht. Er würde nur Kummer und Mangel erblicken! Doch niemand wagt hier hinauf zu sehn; vor sich hm, liebe Freundin, fein das Auge

------------------

niedergeschlagen!

Do gehn

J1

die Portugiesinnen.

Denn sie lustwandeln in — Schlamm, und stol­ pern über das Pflaster oder — über Hunde. Diese Mohrenhäuser kommen mir vor, wie Nachtigallbauer,

grün

verhangen,

damit

da-

Böglein glaube, ungesehn im dunkeln Gebüsch zu schlagen.

So baut die Eifersucht.

Fort von hier! Biertel

Wir treten in ein andre-

der Stadt.

recht- und link-!

Schutt

und Trümmer,

Hat die Liebe jene Käfiche der

schönen Portugiesinnen zerstört? Rein, liebe Freun­ din, da- Erdbeben, vor fünfzig Jahren. *) Roch leben viele, die diesen Tag de- Schrecken- sahen. Mehreren erbleichte

da- Haar.

Man zeigte

mir eine Person, die als ein vierzehnjährigeMädchen verschüttet, aber nach vier und zwanzig Stunden wieder ausgegraben wurde.

Sie hat

in der Zwischenzeit keine Kenntniß von ihrem Zu­ stande gehabt, ist aber nicht größer gewachsen, als sie damals war. Denken Sie Sich ein Ehepaar, da- Heuer am ersten November seine goldne Hochzeit feierte! *)

Den i. 9*o». 1755.

Damals wurde mehr als Eins in der Brautnacht erschlagen.

Dieses rettete ein Wunder.

ES hatte

sich in die Kirche dort geflüchtet, die dem Erd­ beben widerstand.

Wir treten hinein.

lige Dincenz gab ihr den Namen. den Bauriß gezeichnet.

Eie sollte die Kirche des

heiligen Pellegrini heißen. din,

Der hei­

Pellegrini hat

Tausende, liebe Freun­

wurden damals unter den Trümmern von

Kirchen und Klöstern begraben,

wo die fromme

Angst Sckuh bei den Heiligen suchte.

Wir stei­

gen über Schutt und Gräber, und wandeln unter den zerbrochenen Kreuzgewölben offner Tempelhallen.

Mild und freundlich blickt jetzt der Himmel

in die Einöde der Zerstörung.

Blumen erblühen

auS den zerrissenen Mauern, und im zerfallenen Nonnenkloster grünt — endlich — die Myrthe Wir gehen weiter.

Nur einige Schritte und

Sie treten in eine Zeit von mehr als anderthalb Jahrtausenden zurück, auf Römisches Gemäuer, auf

die

Ueberreste

eines

alten Amphitheaters

Auch diese widerstanden der Zeit und dem Erd beben.

Sie sind mit Moos bewachsen, und die

Trümmer der Gothischen und der Arabischen Bau

kurst find auf sie hingesunken. WaS fühlen @t>, liebe Freundin, bei solchen Hieroglyphen der WeltgeschichteAlt genug sehen jene Römischen Steine ouft; doch ich bekenne aufrichtig, daß ich zu kurzsichtig bin, um hier die Spur von einem Römischen Amphitheater wahrnehmen zu können. Mein Begleiter sagte mir, daß man mehrere Basreliefs, Säulenknäufe.und andre merkwürdige Alterthü­ mer gefunden, sie aber nicht geachtet, noch weni­ ger gesammelt habe. Man hat nie planmäßig nachgegraben, und von der Felicitas Julia — so nannten die Römer diese Liebling-stadt de- AugustuS — find nur unbedeutende Bruchstücke durch den Zufall von Liebhabern gerettet worden. Jetzt hinunter an den Tejo, der — ein leben­ der Zeuge! — vor allem, was hier sich zutrug, stumm vorüberrauschte. Wir kommen auf die Pra^a do Rocio, den Musterungsplatz für die Besatzung. RingS umher find Kramladen; unter uns die Gefängnisse der Inquisition. Da, wo wir stehn, vollzog sie ihre blutigen Urtheile. Dort ist der Palast deS heiligen Gerichts. Auf der D,e £stuV. VIF. 3

Stirnwand der Eingangspforte tritt die Religion ein Unthier, da- die Ketzerei vorstellt, mit Füßen. BtS hierher fluthete zürnend der Strom, als er bei jener furchtbaren Erderschütterung auStrat. WaS er nicht konnte, daS wird die Zeit hinweg­ spülen. *) Hier auf dem Rocio und auf dem schönen Platze, Terreiro do Pa^o, sahen wir PombalS Lissabon. War Er nicht, der Mann mit dem Adler-Auge und der Löwen-Brust, so bauten sich die Einwohner, welche dem Erdbeben entran­ nen, anderSwo Häuser. Die neuen Straßen sind breit, gerade und regelmäßig angelegt. Sie haben erhöhte Fuß­ wege, und durchschneiden sich rechtwinklig. Die Häuser sind hoch und vollkommen gleichförmig, wie in den neuen Stadtvierteln von London, so daß man sie nur nach den Nummern unter*)

Dieß ist seitdem wirklich geschehn.

D,e Inquisition

wurde 1314 in «Portugal! btelTeit und jenseit des Weltmeers aufgehoben, Zage.

sin Goa brannten die Olsten berfelVen drei

Zugleich erklärte der s'riiu Oiegent, daß die Inqui­

sition nicht wieder eingeführt werden sollte.

scheiden kann. L-ngs den obern Stockwerken sieben sich schön gearbeitete Austritte von Eisengit: ter hin. Vorzüglich würde Ihnen btc Attica ge­ fallen. — Nur muß man nicht eben hier Wäsche trocknen. — DaS fein durchbrochene eiserne Ge­ länder de- Eisen-TitterS ist gew hnlich vergoldet und mit einem seidnen Zeltdache überspannt, unter welchem schöne Frauen auf Polstern sitzen, die Mandoline spielen, oder mit Lesen, Sticken, Rahm sich unterhalten, auch wohl durch die Augensprache mit dem Nachbar. — Hchade, daß man nicht, wie in London Westminster, an den Hausthüren Platten mit dnn Namen des Besitzers und metallene Klopfer finoer; auch ließen sich hier, noch leichter als dort, unterirdische Schlotten anlegen, um die Straßen, wie in Wesiminster geschieht, im eigent­ lichen Sinne flu waschen. EmS der schönsten Hauser gehört dem reichen Kaufmann Quintella, der den ganzen Platz' — ein großes Viereck von Häusern, Largo do Qumtella genannt — neu angelegt hat, und eigenthümlich besitzt. Die Bauart der Hauser in Lissabon ist ziemlich

sonderbar.

Zuerst führt der Zimmermann von

Holzwerk einen durchbrochenen Kasten, drei, vier bis

sechs

Stockwerk

der Maurer

hoch auf.

Dann kommt

und verkleidet die Pfablwände mit

Lehm, Kieseln und Kalksteinen zu einer Mauer. Go gebaut, behauptet man, widerstehn die Häu­ ser leichter dem Erdbeben. der Stadt

In dem obern Tbeile

sieht man mehrere

leicht und luftig

auf einzelnen Kelsenkuppen stehn, oder auf dem Schutte der Zerstörung,

wie große Vogelhäuser

aus Gulliver's Riesenlande. Die Hausthüren offen.

in Lissabon

sind

beständig

Man findet aber eine verschlossene Thüre

an der Treppe.

Da zieht man an einer Glocke,

und die Thüre springt mittelst eine- Zuges von oben auf.

Der zweite Stock ist der vornehmste.

Da- Innere der neuen Wohngebäude ist selten bequem abgetheilt;

oft noch finstrer, alS in den

Hausern auf Ihrer Schloßgaffe.

Dari» müssen

wir Festländer überhaupt, von Dresden bis Lis­ sabon,

bei

den Lonoonern

in die Schule gehn.

WaS fehlt hier nicht Alle-! Heute brannte in unsrer Rahe eine Feueresse

Jede- Haus hat — damit Sie, liebe Freundin, elM erfahren — in der Regel nur Ein», und diese geht zum Küchenfenster hinaus. in Brand, so fegt sie sich selbst.

Geräth sie Daher giebt

es in Lissabon keine Feuerrffenkrhrer.

Dort ging

sie aber durch mehrere Stockwerke. Seit ich hier bin, hat es schon dreimal ganz in unsrer Nähe gebrannt. nicht», lebe.

da- ich

zwischen Feuer und Wasser

Das Feuer war auch

Schornsteinfeger. trn gut. Kirche,

so

Doch fürchten Sie

dießmal nur der

UebrigenS sind die Feueranstal-

Man stürmte von der St. Pauls und stellte Schildwachen auS;

bei dem

viele« Sklaven» und Mulatten-Gesindel in Lis­ sabon sehr nothwendig! Sogleich eilten drei Pum­ pen herbei, sämmtlich von Menschen gezogen; mit ihnen wetteiferten di» Gallego'S.

Dieß sind hoch­

stämmige, halbnackte Männer aus Galicien, di« Wafferfaffer auf dem Rücken tragen, und über­ haupt alles, was

schwer und mühsam ist, den

Portugiesen und Spaniern in den grißeren Städten leicht machen.

Sie thaten auch hier da- Meiste.

In wenig Augenblicken war da- Feuer getischt.

Es ist also wobt unbillig, daß der erste Galleqo nur die Hallte bekommt von dem, was die erste Pumpe als Lohn empfangt. Nichts ohne Beweis. Diese erhalt 6,400 ReeS; jener nur 3,200. Ich frage nicht, liebe Freundin, ob diele polizeiliche Genauigkeit Sie unterhält, oder langeweilt. Sie haben e- nun einmal "mit einem deutschen „Wissenschaftler" zu thun, und diese sind gründlich, selbst in ihren Briefen an eine Freundin. Ehe Sie also einen Andern als mich fragen — ein Ree oder ReeS ist noch nicht ein Heller. Doch Esse und Kamin sind in Lissabon die geringsten Unbequemlichkeiten. Ein guter Man­ tel, allenfalls noch, aber selten, eine Kohlen­ pfanne, brazeiro, zu den Füßen, vertritt die Stelle unsers nordischen Freunde-, der Ihnen beim fröhlichen Wirbeltanze oft so unhöflich in b:n Weg tritt. Sehen Sie einmal daS Zimmergerathe. Da ist nicht viel aus Europa; das meiste auS China und Japan. Selbst die Menschen erinnern uns nicht selten — an Afrika.

Sind Sir müde, liebt Freundin? Steig« Sie in einen Sänfte-Wagen, mit zwei Maulthoren bespannt; da» eine zieht Sie; auf dem andern reitet der Kutscher mit einem großen drei­ eckigen Hute, und langem, langem Haarzopfe, beiher So rollen Sie schnell über Berg und Thal — ich spreche von dem Pflaster — über brennende Fackeln, die man wegwirft, ohne sie auSzultfchen, und — was liegt hier nicht alle* sonst noch auf den ©trafen! — bis vor unser Hotel am Platze de< heiligen Paul.

kissabon, hen 24. No».

Glauben Sie nicht, liebe Freundin, daß Si« bei unserm Engländer besser wohnen würden. Herrn Campbell's Hotel ist groß genug; aber unbequem, lustig und leicht gebaut. Es hat geräumige Sale, aber wenig gute Zimmer. Viele sind nur Anhängsel des Hauptgebäudes. Ein Beweis, daß der Wirth seinen guten Ruf be­ hauptet hat; sonst hatte er wohl nicht angebaut.

Unsere Tbüren stehen offen; keine hat Schlösser. Mög deren vorlegen, wer da will. Darum bciis gm zu allen ©palten und Ritzen Muskito's und Ratten herein. Das Windspiel bet Barenin jagt alle Nachte die Ratten; wir jagen die Mücken. Denn au ein Verjagen ist in dieser sublunanschen Welt kein Gedanke.' Die letztem fallen vorzüglich über die Ausländer her; am grimmigsten über junge Damen. DaS nordische Blut ist so frisch! Rur bw Kammerfrau bleibt verschont; und säst scheint sie etwas ärgerlich zu seyn, daß die Muskiro'6 sie nicht mehr für jung ansehen wollen. Auf die Stiche dieser kleinen Unholde folgt ein Hautausschlag in Gesicht und Handen; zum Theil mag auch das Wasser dazu beitragen, ober der Verdruß. Denken Sie Sich die Ungeduld und die Erbitterung unserer Gouvernanten. Die eine fthiuipst französisch; die andre deutsch. „Je suis au desespoir. G est Penier. Mes cjuatre voLeurs — sie spricht von ihrem Essig — ne sont qne des vauriens! Quel miserable pays, que ce Portugal! “ — „ Rathen Sie uas, helfen

Sie uns, bester Herr Professor. Ein Professor

4i

weiß ja Alle-1“ — „ „Ach, meine Damen, wenn ich mir selbst nur erst helfen könnlc— Wa­ schlage ich nicht Alle» vor! Heroische und zärt» licht Mittel. „ Waschen Sie Sich, meine Damen, mit frischer, warmer Ziegenmilch. Oder zünden Sie Schießpulver an. ©n kleine- Feuerwerk jedetmal« ehe Sie zu Bette gehn! Oder räuchem Sie mit Kümmel; oder — wa- hier ganz be­ stimmt helfen soll — mit einem Insekt, wovon e- in Lissabon Millionen giebt, und für dessen Hunger der mitleidige Hindu in dem Thierhospi» täte zu Surate Bettler miethet. Doch genug von unsern häuslichen Leiden in Lissabon.

Lissabon. den 28. Nov.

Heute wurde ein feierliches Todtenamt in der Kirche Nossa senhora dos Martyres, zum An­ denken an die Märtyrer gehalten. Ich ging dahin. Sie liegt dem Opernhause gegenüber. Das Schiff und einige Altare waren schwarz vtr-

hangen.

In der Mitte stand ein großer Katafalk

von brennenden Kerzen umgeben.

Zwei Ehire

von Priestern sangen, oder — plärrten vielmehr, so rauh und grob waren ihre Baßstimmen — die Vigilien und mehrere Psalmen. ganzen Handlung

unterhielten

Während der sie sich mit den

Umstehenden, lachten, nahmen Taback, lorgnirten die Zuschauer: kurz, sie verrichteten da- ernste, sinnvolle Amt ohnt Gefühl und Würde, wie ein Alltagswerk.

Ueberhaupt hat der Kirchendienst

in Lissabon wenig Feierliche-,

bei aller Pracht,

die das Ganze glänzend verhüllt.

Der leichte,

bewegliche, irdisch-eitle Sinn de- großen Häufen­ der Nation zieht selbst das Große und Erhabene zu sich herab. Fall.

Doch war dieß heute weniger der

WaS konnte aber auch wohl mehr zum

feierlichsten Ernste auffordern,

als ein officium

(lesunctui um, ein Todtenamt für die Blutzeu­ gen der Wahrheit? Ein solcher Zeuge war der heiligeSaturnin. Morgen ist sein Namenstag.

Sie wollen mehr

von ihm wissen? Ich schlage einen großen Folian­ ten auf, die

Acta Marlyrum. (Verona 1731.)

6r erzählt mit, daß SaturnmuS, der erste christ­ liche Bischof zu Tolosa (Toulouse in Frankreich), um da- Jahr 250, war. Seine Kirche wurde gern besucht. Die Orakel auf dem Kapitol ver­ stummten. Darob ergrimmten die Heiden. Als nun eines Tage- der fromme Bischof in seine Kirche geben wollte, schleppten sie ihn auf das Kapitol. Er sollte den Göttern opfcm. Allein er rief zu dem wahren (Sott. Da banden sie ihn an einen Opferstier, und ließen ihn von dem wüthenden Thiere den Berge hinab schleifen, bis er starb. Zwei alte fromme Frauen begruben den Märtyrer. Die Männer standen von fern! Die kleine Kirche war gedrängt voll. Unter dem Volke sahe ich hier und dort rührende Zeichen der Andacht. Einzelne warfen sich auf die Knie, und beteten mit einer Inbrunst, oder sie breiteten die Arme nach dem Himmlischen au- mit einer Hingebung, wie ich sie noch in fernem katholi­ schen Lande wahrgenommen habe. Dre Frauen saßen in Mänteln, nach Portugiesischer Art, auf ihren kreuzweise in einander geschlagenen Füßen. Ihre Tracht ist schön, etwas orientalisch. Emige

sind ganz, andre halb verschleiert. Ich sahe unter ihnen viele Madonnen - Gesichter. Der Ausdruck ist oft schwärmerisch, selten ruhig. Heftige Wün­ sche scheinen das Herz zu bewegen, daS feurige Auge zu trüben, die zarten* Wangen zu bleichen. Ganz nahe standen ihnen die jungen Männer. Doch trennte eine niedrige Wand beide Geschlechter; auch gab eS an den verschiedenen Eingängen Schildwachen, um jeder möglichen Verwirrung zu wehren. Die Kirche ist im Italienischen Stile deS I7tm Jahrhunderts gebaut; aber daS Licht i|I nicht gehörig vertheilt. Außer dem Gemälde der heiligen Eäcilia scheinen mir die übngen kein Ver­ dienst zu haben. Die Kapelle des Sakraments hat ein schönes Gitterthor von vergoldeter Bronze. Es ist von einem Italienischen Meister, den mir mein Führer aber nicht zu nennen wußte, vor­ trefflich gearbeitet. Die Ueberschrifr deS Thores: Pavele ad sancluarium ineum.

Ego Domi­

nus ! — ,, Zittert an der Schwelle meines Hei-

ligthumS. Ich der Herr!"— drückt den herl'gen Schauer dieses Festes im Geiste der katholischen

Kirche gut aus.

WaS aber di« Römisch« Sprach«

so würdig ausspricht, das erstickt diese Fülle von Gold und Silber. gen;

Uebrrall kostbare Verzierun­

vorzüglich am Hochaltar».

Orgel und

Musikchor haben allein ein« edle, einfache Form. Was diese Kirche auszeichnet, ist die vortreff­ liche Musik.

Seit ich Dresden verließ, habe ich

nirgend» ein so vollkommnes Ganze des melodische» und harmonischen Tonspirls gefunden, wie hier. Es entsprach ganz der Empfindung der Meffe. Der Schmerz des Todes, di« Trauer der Berlüsfimtn, der freudig« Muth des Glaubens, bi« Demuth und Reue des Sünder«, das Hochge­ fühl des frommen Ueberwinder«, die Hoffimug der Auferstehung, dir Erwartung des Himmels: alle di« schönen, höhere« elegischen Gefühl« des von der Gottheit begeisterten, menschlichen Ge­ müth« quollen hervor aus diesem großen H-mnu« der heiligen Tonsprachr. Die Instrumentalmusik kam der in unsrer Vaterstadt zum wenigsten gleich, was Bestimmt­ heit, Rundung, Reinheit und vollkommene Ueber­ einstimmung de« Einzelnen zum Ganzen bernfft.

Der Chorgesang war einfach und melodisch, wie ich ihn selten gehört: —

der volle, reine Ein­

klang tiefer Empfindungen und der Seligkeit deHimmels aus ver Brust eines Engels! Wenn Sie bemerken, daß die kleine Kirche, derm Baumeister die Regeln -er Akustik schwer­ lich kannte,

dem Tonhall wenig Umfang

und

schwellende Rundung in den Wölbungen giebt, so werden Sie da- Verdienst dieses Sängerchors noch höher schöyen.

Es ist die königliche

Kapelle.

Der Tonmeister heißt Marco Portugal. da- Aeußere lieh gewisse Würde.

Auch

der schönen Kunstlerstung eine Die Sänger sind sämmtlich nach

altitalienischer Sitte gekteioet,

in violett seidene

Gewänder, mit schwarzen seidenen Mänteln, die hinten zusammengeschlagen und

um den Gürtel

herum gelegt sind.

Den 28. November in der

Der acht und zwanzigste November, meine liebe Freundin, war in Lissabon ein schöner deut­ scher Frühlingstag.

Jener

Gesang

und

diese

mitde Lust hatten mich eingewiegt in die sausten Gefühle einer süßen Trauer.

Da trieb mich daS

unheilige Gewühl der AllragSwelt au- dem untern, unreinen Stadtviertel, wo ich wohne, in die obere Gegend

von Lissabon,

welche man,

weil

dort

reinere und gesundere Luft weht,Bueno-Ayrenttmt; ein Spanisches Wort, das man, so ver­ haßt

übrigens

wohllautenden

alle- Spanische ist,

Portugiesischen Aussprache

arqs, bonos ayres vorgezogen hat. der Stadt

der minder

bon«

Dieser Theil

ward durch bot Erdbeben fast g-uh

zerstört;

er ist daher, von wohlhabenden Ligen»

thümern

und von fremden Anstedlem neu wtb

gefällig aufgebaut, und wird sehr reinlich gehal­ ten.

Hier wohnen einige fremde Gesandte; unter

andern der Dänische, in dessen Hause deutscher und protestantisch - lutherischer Gottesdienst Sonn­ tags um ii Uhr gehalten wird. den

Ort nicht

glücklicher wählen.

Man konnte Die Lage

desselben ist entfernt von dem Geschäft-leben des Welthandels am Strome, (tiü und einsam. Dorthin wallfahrtete ich zu dem Kirchhofe der Protestanten.

Man sieht seine hohen Cypressen

schon auf dem Platze des Herzen- Jesu.

So

heißt die Prqca dell SS. corazao de Jeaua, von der Kirche und dem Kloster, welche die regie­ rende Königin Maria Franciska in frommer Schwermuth dem Herzen Jesu gelobt, und ffir 18 Non­ nen, Töchter des hohen Adel-, erbaut hat. *) Diese- Prachtgebäude, da- über

fünf Millio­

nen Erusaden, oder gegen vier Millionen Thaler gekostet hat, verdient al- das Meisterwerk der neue­ ren Portugiesischen Baukunst eine nähere Betrach­ tung.

Es erhebt sich in der Gestalt eine- Kreuzes

au- der Mttte empor zu einem hohen Domgewötbe.

Allein die Verhältnisse sind so unvoll­

kommen angeordnet, daß das Ganze gedrückt und schwer erscheint, und weniger durch seine Form anzieht, als durch seine Masse ausfällt.

Die

kleinen Thürme und die Kugeln, welche rings um die Kuppel und über derselben hervorragen, gewäh­ ren keine schöne Fernansicht.

Der Baumeister

scheint die Regeln der Perspektive nicht gefaßt zu haben. e)

Auch ist die zusammengesetzte Ordnung Ihre Schwermut!) war unheilbar.

Mo Janeiro 1916.

Sie ftarfr in

4V

in der Stirnseite de- Gebäude- nach Morgen ver­ fehlt» und die Säulen der Bogenhalle am Ein­ gang-thore stützen, statt da- Gebäude selbst zu tragen, nur emen kleinen Tbeil de- Gesimse-. Uedrigen- muß man dem Werkmeister sein Ver­ dienst lassen. Die Kuppel ist von gehauenen Steinen aufgeführt; und ein Englischer Bauverstandiger hat mich versichert, daß man vielleicht nirgend- in Europa so geschickte Arbeiter in Stein und Mauerwerk antrifft, al- in Portugal. Sie verarbeiten Marmorblöcke von 50 bi- 60 Gtnthftm. Da- schönste Werk in dieser an Kunstpracht so reichen Kirche ist vielleicht ein Gemälde von dem derühmten Battoni. Sie kennen den Meister und seine Magdalena in der Dresdner Gallerie. Nach Meng-'- Tode war er der erste Maler der Römischen Schule. Al- sein beste- Gemälde nennt man die Decke der Gallerie Colonna in Rom. *) Hier wurde seine Kunsterfindung durch eine schwere Aufgabe geprüft. Die Königin ver­ langte von ihm, er sollte für ihre Klosterkirche die Verehrung de- Herzen- Jesu malen. Wie •) Pomveo Hirolamo Battoni (Utb 1737* Die Harfe.

Vis.

denkn Sie, liebe Freundin, daß er diesen Gegen­ stand dargestellt hat? Er bildete die Königin ab. Sie ist eine schöne, liebenswürdige Frau, über deren Gesicht eine fromme Schwermuch den Hauch deS Ueberirdifchen hinwrht.

Zn dem Gemälde

stellt sie die christliche Liebe vor; ein Kind liegt an ihrem Busen; die übrigen stehn um sie her; die gestorbenen schweben mit Engelsflugeln um ihren Kopf.

Ihr gegenüber ist der Pabst, weicher die

Kirche vorstellt;

in seiner Nähe ein Tlsch, fllif

welchem man den Kelch und die Hostie erblickt. Aus der Ferne treten die vier Welttheile heran. Diese Europa ist eine schöne Gestalt.

Die Kö­

nigin, oder vielmehr die cariu'i zeigt ihnen daHerz Jesu in den Wolken.

Zugleich wendet sie die

Hand des Arme-, mit welchem sie das Kind im Schooße halt, nach dem Kelche hin.

So hat der

Künstler mit feiner Schmeichelei und zartem Sinne die Verehrung des Herzens Jesu in ihrem höchsten kirchlichen Symbole, in dem Kelche, allegorisirt. Jetzt sind wir auf der Anhöhe in einer hei­ tern freien Gegend, bei einem schönen, neuen Gebäude.

Es

ist

das

Englische Hospital, und

hat ganz die gefällig bequeme und reinliche Form, welche die Englische Bauart auszeichnet. einige Krankenstuben. lichen Elend-!

Ich sah

Keine Spur de- mensch­

Äkan glaubt in einem artigen

Englischen Landhaufe bei einer glücklichen Familie zu seyn.

Ueberall die größte Reinlict kett,

freundlichste Ordnung.

die

Der Engel der Hoffnung

und de- Troste- scheint diese Wohnung für Lei­ dende gewählt zu haben.

So zart ist der Sinn

de- Mitgefühl- in der ganzen Anlage. Und gewiß, wenn äußere Umgebungen den Schmerz lindem können, so muß der Kranke hier weniger leiden, al- ander-wo.

Dazu die südliche

Lust, welche die Brust mit erquickendem Balsam durchströmt; der Blick hinaus in das weitgeiffnete Stromthal de- Lebens, in der Nähe des MeereS, wo die Heimath tun Genesenden winkt; oder dort — ein Cypressenhain zu dem Ziele aller Leiden, zu der Ruhe deS Friedhofs! AuS dem kleinen Garten des Hospitals tritt man in den Eingang zu Ach!

an andem Orten

dem Begräbnißplahe.

ist diese Nähe oft die

einzige Bequemlichkeit des Krankenhauses! Beide

liegen hier mitten unter Gärten und Feldern, btc in diesem Theile der Stadt mit schinen Wohn­ gebäuden anmuthig abwechseln.

Engländer, liebe

Freundin, haben hier gebaut und gepflanzt, seit ihnen — schon im Jabre 1655 — dieser Platz zur Bestattung ihrer Todten

angewiesen worden

war. Der Ort ist nicht groß; die Bangenden!

auch ein Trost für

Ein längliches Viereck in einer

Mauer eingeschlossen —

daS Einzige,

was mir

nicht gefallt, doch war es nöthig, um gegen den Eifer der Schwachen zu schützen —

umfaßt die

Gräber der Fremdlinge, welche nicht in geweihter Erde den Schlaf des Tode- schlummern dürfen. In einer Todtenhalle, deren edle, reine Bauart die Dorische ist, wird der Heimgegangene Pilgrim aufgebahrt.

Für den Trauerzug ist zwischen vier

Rerhen hoher Eypressen auf der einen, und fünf Reihen auf der andern Seite, ein breiter Gang angelegt.

Die schöne lusitanische Eypresse, welche

aus Goa nach Lissabon gekommen

ist,

hat weit

verbreitere, in sanften Schwingungen tief herabHangende Zweige— das Bild einer mild erhabenen

Trauer! —

Auch Judasbaume hat man hinein­

gepflanzt, weil ihre rothe Blüthe das dunkle Laub mildert und erheitert.

Unter den Eypreffen liegen

die Grabsteine von weißem Portugiesischen Mar­ mor.

Die meisten gehören Englischen Familien.

Man findet aber auch Namen Schweizern und Deutschen,

von Holländern,

besonder- au- Bre­

men, Hamburg, Altona, Stralsund und andern Orten. Ach, meine Freundin,

wie viele,

die hier

ruhen, starben fem von Verwandten und Gelieb­ ten!

Kein Auge, da- an ihrem Lager weinte;

keine

theure

Hand,

die

dm letzten Druck der

Liebe ihnen mit hinüber gab in jene- bessere Land! Doch die Freundschaft fehlte nicht. Au-lande

erquickte

Selbst im

sie die Scheidenden mit der

süßen Sprache der mütterlichen Heimath. bezeugt mehr die

al-

einfache rührende Aufschrift.

keine.

Ueber

Dieß

einer dieser Denksteine durch Viele

haben

diesen stummen Gräbern schwebt

Fiel ding- Geist. Der berühmte Fielding liegt hier, man weiß nicht mehr wo,

begraben.

Hat das Erdbeben

fein Denkmal jccHirt; ober haben die reichen Brit­ tischen Kaufleute in Lissabon den tttfcigen Dichter vergessen, diesen humoristkschen Zeichner de- sitt­ lichen Lebens in feiner bunten Mannigfaltigkeit? Der Verfasser des Tom JoneS war, wie mehrere Bruten es thun, nach Lissabon gereist, um seine Gesundheu wiederherzustellen.

Vergeben- hatte

er sich gegen Kränklichkeit und andre Uebel Lebens — mit Scherz eingezäunt.

des

Er, der so

vielen Menschen noch jetzt ein Lächeln abgewinnt, und unser Bruchstück von Leben um so viel ver­ größert, alS wir lachen können und dürfen: der arme Sielbing starb hier,

im Jahre

1-54,

in

einem Auer von 4' Jahren. Durch Kunstzier zeichnen sich zwei Denksteine aus, der Gildemeister sche und der Waldeck'sche; beide um ganz entgegengesetzter Verdienste willen. Gildemeister

war ein stiller,

emsiger Kauf­

mann in Lissabon, redlich und wohlwollend.

Er

hat daselbst einen der schönsten Gärten angelegt. Der

Fürst

von W a l d e ck

war

ein

wackrer

Feldherr aus Friedrichs Schule, der das Portu­ giesische Heer

nach Preußischer Kriegskunst neu

drldete.

Jener Garten blüht noch; diese- Heer

hat andre Formen angenommm. Das Denkmal de- Krieger- fällt am meisten in die Augen.

Der Prinz Regent —

regierende Kinig Johann VI. —

der jetzt

hat es dem

edlen Deutschen Prinzen setzen lassen, der hier auch vom Volke allgemein geliebt war.

Auf einem.

Fußgestelle mit Marmorstufen steht eine Spitzfäute, an der man da- von Lorbeerzweigen umwundene Brustbild de- Feldherrn erblickt, da- sehr ähnlich seyn soll.

Neben den Vorderseiten stehn zwei

Urnen, welche Figuren und Basrelief- schmücken, die im ägyptischen Stil da- kriegerische Verdienst bezeichnen.

Da- Ganze ist von weißem Portu­

giesischen Marmor, doch zu stark und zu schwer, um zu gefallen, ohne eben durch eine große statd» liche Form viel Eindruck zu machen.

Die Auf»

schrift ist lateinisch. *) •) D»ese schon bekannte QUiffdtrift fegt im Dentstyen fiU gendes: Christian August. Svlm des Fürsten evn Wal, deck,

Karl August F l.dr«ch, starb den rr. Sepk. 1-93#

54 Jahr alt.

Ihm sehte d,eseS Denkmal Johann,

Print

Regent o:n Portugal, der den k»iegskundlgen Mann sich ;um Dcistand aus Deutschland berdeigeiusen.

So, meine liebe Freundin, hatte dieser schöne Herbstt g für mtd) die stille Feier der Wehmuth und der süssen Trauer. — Liegen nicht noch immer die Pyrenäen zwischen mir und unsrer Heimath?— Für tausend Andre war der 28ste November keine Elegie, sondern ein prunkender, ober, wenn Sie lieber wollen, ein brausender Festtag. Sine im £afen liegende Französische Fregatte gab heute der Gemahlin de- Französischen Ge­ sandten, der Frau von Jünot, ein glänzen­ des Mittagsmahl, um die von Napoleon in Deutschland erfochtenen Siege zu feiern. Sie können Sich vorstellen, wie die hundert Kanonen­ schüsse, mit welchen diese schöne Frau — sie soll sogar eine der schönsten seyn — zu Ehren deTage- begrüßt wurde, mich erschüttern mußten. Da- Feuer aus dem kleinen und großen Gewehr hörte nicht aus. Die Ufer de- Tejo waren mit Menschen bedeckt, und durch die Hügelstadt brauste hundertfach verdoppelt der Wiederhall deSiegeSqeschrei von Ulm. Natürlich wollte man in unserm Hause von dem Triumphe der Adler am i4ten und irten

Oktober nicht vi«l wiffeiz. Doch ließ man sich aus Artigkeit für die Frau des Gesandten den Lärm schon gefallen. „Ja wohl muß sie schön seyn, die Frau des General«, sagte ein Diploma­ tiker in unserm Kreise, car aa beapte Cut beancoup de bruit.“ —

Dagegen freuten wir uy«, so gut wir konn­ ten, de« Tage« bei Trafalgar, de« Listen Oktober«. Im Hause der Englischen Faktorei war deßhalb eben heute »in großer Eirkel ver­ sammelt, und der Lag wurde mit einem glän­ zenden Balle beschlossen. So behielt in diesem Doppelstreite und festlichem Zweikampfe doch der Brittische Leopard, der true Brilon, da« letzte Wort!

Heute regnet e- in Strömen. Diese Regen­ tropfen, liebe Freundin, gleichen ganz den hiesi­ gen Aekrtbeeren. Beide sind um ein Merklichegrößer, als bei unö. Dieß ist der Liffaboner Win­ ter. Doch unter seinen Fdäen sproßen Blumen. Die freundliche Helena spielt mit Tazzetten, welche ihr die Brüder gestern im Freien gepflückt haben. WaS könnte ich Ihnen wohl zeigen? Ich führe Sie in den Fruchtspeicher unsers Gasthauses. Da werden Orangen eingepackt; jede noch grün; jede besonders in Papier. Im December erst werden sie süß. Das ist doch hier zu Lande ein vernünftiger December! Auf der See reifen sie vollends. Darum zürnen Sie nicht, liebe Caro­ line, daß ich so lange in der Welt herumreise. Könnte ick) eine Orange, die schönste aus den reizenden Gärten von Bemfrca, für Sie ein­ wickeln: ich würde es in einem Sonett thun. Es ist nicht möglich und — die Welt hat ein Sonett weniger — Auch Aepfel und Birnen giebt es hier, beide saftig und frisch; aber die schönen

großen Akpfet von der feinsten Ast, wie Unsre Borsdorfer, nach dem Orte, wo sie wachsen, Br m Posto genannt, sind dennoch nicht so süß gewürzhaft, wie in der Normandie, in SüdEngtaad, oder in ihren Spalieren an der Elbe. Jetzt einen Blick in deN Küchen-Speichet! Wa« kann ein wackker Engtänder lieber sehnatgroße Klumpen Rindsteisch an- John Dull's Batttland? Auch das inländische ist schin, aber theuerZ das Pfund 4 bis 5 gl. Desto seltrleo ist das Kalbfleisch; denn eS ist Kontrebandr. "Duftk giebt es herrliche Seefische, rothe Rebhühner, Kaninchen und stattliche Truthühner, in jene« Kostüm, worin einst OiogmeS einen Mttlfchtn des Plato in die Akademie laufen ließ! Auch Liffaboner Schinken, in der Gastronomie so be­ rühmt , wie die Bayonner und die aus Westphalen' — Dazu denken Sie Sich noch junge hoff­ nungsvolle — Milchschweine, mitten unter Fäs­ sern voll Irländischer Butter; Krüge mit Lissabciifc Oel, und Töpfe mit frisch gemolkener Ziegenmilch. Einige Klöster, muß ich Ihnen Ivmerfon, halten nämlich Ziegen, die des Mor-

6o gen- von HauS zu Hau- ziehn, und vor jedem, so lange die Hausfrau eS verlangt, an Ort und Stelle gleich gemolken werden.

Endlich finden

Sie Gemüse aller Art; darunter Blumenkohl und junge Schoten, oder grüne Erbsen, die jetzt im Feejen wachsen.

Ueberdieß Oliven, Kastanien

und Weintrauben, groß und schön, wie die auf Kanaan! Nicht wahr, diese Kammer, liebe Freun­ din, verdiente wohl einen SBhctt In

der Nähe ist

ein eingeschlossener Platz

mit einem Wasserbehälter.

Hier wandern fried­

lich grämliche Schildkröten schwerfällig hin und l)ti
erfüllen! Nicht zum Gebieten bin ich hier bestimmt. Schisser.

Ueber uns der Wolken Blaue! Unter uns otif Wellenhöh' Abulfera'ö weiter See! R p so. Und im Hetzen stilles Weh, Und im Herzen, Hoffnung, Treue! Schiffer. Ueber uns der Volten Bläue! Unter

imv

die stille Flut

überglänzt von Purpmglut

Rosa. Und im Herzen Lieb' und Muth! Und im Herzen, Hoffnung, Treue! S chiffer. Fort! hin auf die Purpurflut! Schiffer halten frohen Muth! Fürchten nicht der Stürme Wuth! Rosa und Schiffer. Die Gefahr erprobt die Treue.

III. Ritlcrgefängmß im Gewölbe eines verfallenen Xtmrmec’. sZd)rofld>e

V deine Hülfe noch einmal! Nimm dieß Kind, daerst heute das Licht sah, pflege seiner, und sei ihn Mutter.

Wisse, es ist des MaUneS Kmd,

teW dein Herr ersi-lug! In einer verlassnenWuldfjfttfe gab die Mutter ihm sterbend das £thm; seine W-bnung ist ein Aschenbaufen, feine Brü­ der hi« Feuer und Schwerdt ihm geraubt.

Dir

vertrauen wir sein Dascvn, und sein Glück, doch magst du nicht über deine Lippen kommen lassen, waS du weint,

daß nicht Walters Rache auch

diesem legten Sprößling des gehaßten Stammevertilge. Mir zärtlichem Erbarmen empfing Eharitas das Kind, hüllte eS dicht in ihren Schleier ein, Und drückte es heimlich alles gelobend, waS fromme Liebe giben kann, mt die Brust.

Wie fie um­

schaute, waren die Lichtqestalten verschwunden, nur die Eiüe, mit welcher sie fhrtty, winkte ihr schwer-

§tnb, b«n Rückweg anzutreten, und sie zauderte nicht, denn der Sturm umsauste ste schneidend, und da» Kind begann leise zu wimmern.

Unter­

wegs dachte sie nach, wie sie den neuen Ankömm­ ling bei ihrem Gemahl einführen möchte, auch für sein« Pfleg« und erste Nahrung war sie be­ sorgt , und es mußt« sich füge», daß unter ihren Dienstleuten ein« junge Frau war, die sie ihm zur Amme geben kennte.

Sie (tat am Morgen zu

Walter», da» tjtim Mädchen zierlich gewindelt im Arm, und bar mit niedergesenktem Blick um Bergung dieß Lind nebe» Hartmann aufzuzie­ hen, weil e» ihr in der Nacht vo» unbekannten Eltern gesandt sei.

Thut, wa» Euch gefällt,

sagte Walter freundlich, denn ihm dünkte e» schon recht, wenn Frau Eharita» durch gpte Werk« sein« hartm Thaten versöhnte — urzd so war di« fromme Fr§u berechtigt, der armen Kleinen ei» Mutterherz zuzuwenden. Engeltraut — so taust« man sie

wuchs

mit Hartmann heraq, und zeigte schon früh «int seltne Schönheit, wie Ihr drüben im Bildersaal sehen könnt.

Deßhalb, und «eil sie auch eben

so gut als schon war, ging eS »eM ganz nati'irlich zu, daß sie HattManNS Liebe gewann; alsein Charitas glaubte dabei an höhrwn Ersifluß, und hielt der Kinder herzliche Einigkeit für Veranstal­ tung ihrer Schlrhcrin, mit welche sie wohl zustieben war.

Allerdings war Ettyeitrautt liebster

Gang an den See, und immer erwartete sie b6 den jungen Ritter, wenn er von der Jagd heim­ kehrte: auch war es hibr,

wo beide zuerst der

Mutter ihr Herz öffneten, und die erfreute Chari­ tas den Ring der Elfe vom Finger zog, Hartmann stecke.

damit

ibn seiner Geliebten als Braut an­

Wie dieß nun geschah, und die sittsame

Engeltraut ihn errathend umarmte/ es so süß im Laube,

da flüsterte

daß Hcirtmcmü eine nahe

seltsame Musik zu boren meinte — doch die bei­ den Frauen blickten sich bedeutend cm

Chari­

tas kannte diese Harmonien, und auch Engeltraut mußte sie schon mehr tcmortimrtt haben. — Länger aber vermochte die 50?tutet ihren Herrn Nicht zu täuschen; er erfuhr EngeltrautS Abkunft, und

die frohe Rührung,

mit welcher

er die

Braut umfing, belehrte CharitaS, daß sein Her;

28t

berkue, wa- wilde Leidenschaft einst verübt ^atte.-------

Hier schwieg Brigitte, und Otto reichte ihr lächelnd die Hand. Haben Sie Dank, Tante, sagte tt, e$ ist Ihnen wirklich gelungen, mich durch Ihr hübsche- Mährchen von meinen Gedan­ ken abzuziehen. Allein da- glauben Sie doch nicht, daß mein Barer au- Furcht vor der Elfe in fernen letzten Stunden den Baum genannt hat? Dieß Räthsel bleibt leider ungelist, wenn ich Ihnen auch zugebe, daß er mir wahrscheinlich gebieten wollte, die Eiche nicht vernichten zu lassen. Glaube du, wa- du willst und kannst, ant­ wortete da- Fräulein. Immer bleibt e- mir merkwürdig, daß er zugleich von dem Archiv sprach, wo die Geschichte, die Ihr eben gehirt habt, nebst dem Ringe verwahrt seyn soll. Bon Beiden fand ich nicht-, erwiederte Otto, so genau ich alle- durchsuchte. Kaufbriefe, und andere staubige Urkunden genug, doch weder romantische Erzählungen noch Kleinode. Hab« Sie den Ring noch gesehen, so muß er seitdem

abhanden gekommen,

oder nur dem Gläubigen

sichtbar seyn. AlS ob ich deinen Vater hörte, rief Brigitte. Gerade so sprach der auch.

Ich weiß es noch

genau, denn es war kurz vor seinem Tode.

Ein

fremder Juwelier kam zu uns; eS gab die Rede von Edelsteinen, und ich erwähnte das Ringes chen, weil ehedem niemand zu sagen wußte, was für Steine es zierten.

Der Mann wünschte es

zu sehen, aber dein Vater lachte nur, und meinte: den Ring könne nur der schauen, der Glauben an daS Mahrchen mitbrächte.

Er sei drüben im

Archive wie zu Hause, und bade nie etwas gese­ hen, was auch nur entfernten Bezug hatte.

Ich

ärgerte mrch, und wandte mich mit merner Rede von chm ab, zu dem Ffemden.

Kommen Sie

nur auf der Rückreise wleder, sagte ich, indessen will ich selbst nach dem Ringe suchen. eS

ganz

deutlich,

als

hätte

ich

von

Mir ist einem

Schränkchen in der Wand gehört, als mir meine Mutter vor mehr als fünfzig Jahren daS Klei­ nod zeigte.

Dein Vater lachte triebet, und der

Juwelier ging.

Acht

Tage darauf war dem

Vater tobt,

und ich hatte Ring und Juwelier

vergessen. Cccilie stand jetzt auf, eine gute Nacht,

wünschte

der Tante

und Otto nahm seinen Hut,

sie hinüber zu begleiten.

Wenn gehen wir ein­

mal in die Burg, Tantchen? sagte Cccilie, Chari­ tas und Engeltraut sind mir lieb geworden, ich muß sie sehen.

Ohnedem bin ich nun nicht lange

mehr hier, und möchte

auch

von jenen zerfal­

lenden Gangen noch Abschied nehmen, die immer so

schauerlich

süße

Gedanken

in

mir

weckten.

Brigitten war jede Stunde zu dem Spaziergange recht, sie umarmte das junge Mädchen, und sah dem Paare durch die Dunkelheit nach, traurig an die erwähnte Trennung

denkend,

die ihrem

Alter wieder eine seiner sparsamen Freuden enttiß. Die nächsten Tage waren betrübend für Cecrlien.

Sie mußte mit dem Vater in die Stadt

fahren, wo sie künftig leben wollten, um die von »hm gemiethete Wohnung zu besehen. ihr alles hier so finster und enge!

Wie war DaS

düstre

Thor dünkte ihr eine Gefangnifipforte, die hohen beschrankten Straßen,

der Lärmen umher,

die

Dächer, ihrem Fenster gegenüber, der kleine Raum, der ihr den blauen Himmel zeigte-------- es raubte dem fröhlichen Landmädchen allen Muth.

Sie

sahe sich schwermüthig in ihrem leeren Stübchen um, und dachte nur an die Thränen, die hier der besseren Vergangenheit stießen würden. zu Hause erregte Abschieds.

nun alles

den Schmer;

Auch des

Der Amtsrath kam hinaus, brachte

Bauverstandige mit, berathschlagte manche Ver­ änderung, und mit ihm war ferne Wirthschafterin, die Geeilte m Küche und Keller, in Stallen und Garten umberfübren mußte. lich frei war, und eben HauS trat,

aus

Wie sie end­

dem Garten ins

begegnete ihr Otto, der nach dem

AmtSrath fragte.

Die Holzschlager sind da, sagte

er hastig, ich that ihnen Einhalt, und will das letzte versuchen.

Der alte Daum ist mir von

Jugend aus so unendlich lieb, alle schönen Erin­ nerungen meines Lebens hangen mit ihm zusam­ men.

Die Tante sitzt drüben und weint;

td)

glaube, die gute alte Frau kann sich des Aber­ glaubens nicht völlig erwehren, und mit der Elche stürzt ihr Glaube

an mein Glück und Leben.

Ihr iu l'itbe muß ich mit dem Anutrath Sechen, so gern ich ihn bi- jetzt gemieden hab«. Ich soll den Daum kaufen, sagt st«, um jeden Preis — und da- Wenige, wa- ihr von Hera Schmuck ihrer Mutter blieb, ist daj« in »tim» Händen. CecilU that ihm hi« Thür des Wohnznnmei.t auf, »e ihr Barer mit dem Amt-rath bei einae Flascht Wein saß, «yd Otto, von Lsteinzamz herjlich, begrüßt, nannt« dem neuen Nachbar sev, nen Wunsch und sein Erbieten. Sie «ollen den Baum saufen? lachte der Awt-rath, nun in Gotte- Namen, ich bin «»«frieden. Aber er roitb theuer seyn, Herr von Wolfdthal, dg- sinnen Sie denken» den« noy wunderlichen Einfällen zieht man gern ein SUoe, thrilchen. Uebetbei« ist mir der alle Stamm in den Tod fatal, und wenn ich ihn stehen lagt, so muß ich einen erheblichen Nutzen davon Hadem Nun, in »in paar Lagen sollen Sir den Preis erfahren, und au< nachbarlicher Gefälligkeit wist ich so lange mit dem Umhauen warten. Wissen Sie was, Freundchen? kaufen Sie mir da- ganze

Gut wiebet ak Was? Sie sollen et um das nämliche Geld haben, das ich hier bem Herrn zahlte. Es wäre doch hübsch, wenn alles bei­ sammen wäre. Was? oder fehlt - am Besten? 5a> ft, wenn die liebe Eiche goldne^ Dlätterchen trüge. Na kaufen Sie Sich das Bäumchenfthen Sie Sich bnmlet-, wenn Eie wollen, es ist so eint schone Aufsicht von da aus nach de» alton Stammburg. — Kommen Sie jetzt mit int Feld, Herr Weimann, so finden wir gleich unterwegs mit den Holzschlägern sprechen. Otto! sagte ESctlle, wie Beide hinaus träten, und er, ohne sie anzusehen, die heiße Stirn an das Fensterglas drückte — lieber Otto, mit die­ sem Manne, das fühle ich wohl, werden Sie hier nicht wohnen sinnen. Keine Stunde, rief er aut. Mag es gehen, wie es will, ich muß fort! Ach, Geeilte, der enge liebliche Weg, den wit bisher Hand in Hand gin­ gen, erweitert sich nun, und führt mit ausein­ ander. Unsere Hände können sich nicht mehr erreichen, mögen sich nur die Herzen nicht trennen. Laß uns Beide da- Andenken der Jugendliebe

nicht verlieren, und wenn unsere Gedanke« hier verweilen, so wollen wir une wenigsten» durch fit vereinigen. Vergiß mich nicht, Eecltie, lind daß ein Preis meines StrebenS mir am Ziele fleht; fix dich fühl« ich Kraft rS zu erringen! Sie fiel ihm weinend um den Hals, er ver­ stand ihr Gelübde in ihren Thränen, und drückt« sie in seliger Begeisterung an die Brust- Deß AmtSrckth war vergessen. Er ging, und- fi» b* gleitete ihn, er zog st» mir inS Freie, Arm it» Arm wandelten fit im Schatten. Hier ist meickt Grenp, sagte sie wrhntüchig lächelnd, wie ®tb MannS Gartengeheg« gu Ende war; wissen Sit Noch, hier schieden wir immer, um unS den väch. sttn Morgen wiederzusehen. Heute soll 66 ndch eher geschehen, denn ich denke, wenn unsre Gälst« fort find, machen wir den verabredete» Gang in die Burg.------Wie die Tante nach Tisch Cecilien von Firn» sah, war sie sogleich bereit, nahm ihr Mäntel­ chen, und den großen grünen Fächer, und ging der Kommenden entgegen. Otto trug ein Bündel schwer« Schlüssel, und so ward die Wanderung

b-gonu-y.

Ziemlich still legte das Kleeblatt den

Weg zurück, denn hatten btt jungen Leute genug Stoff zu schwermüthigey Gedanken, so lebte in Brigitten die Vergangenheit auf, und sie gedacht« der Lage, da sü im Schmuck der Jugend mit geflügelten Schritten hjer ging, und manch« Freude

|imt Geleit hatte, deren Schatten jetzt kaum noch tgceufturufm war.

Jahrelang war sie nicht hier

gttveM^t sie fand daß große gewölbte Thq, Liedes Mehr prrfallen, und schritt traurig über Schutt Wb hohes Gras den weiten Hof entlang, b# zu ejnelN Gange, der in den noch erhaltenen Flügel führt«.

Ueberall traf das Auge hier Spuren dex

De.rgangsichkett, eiilgefunk-ne Wendeltreppen, halb verschüttete Gange, offne hochgewöibte Sale, mit eingestürzten weiten FensterhaUen.

Alles betrach­

tete Brigitte lange, in fererlicher Rührung, wußte bei allen zu sagen, wie es vor üo Jahre» .n>4t, und folgte dem voranschreitenden Otto zögernd nach.

Endlich standen sie vor einer festen Flügel­

thür, deren schwere Schlöffe halb verrostet, nur langsam wichen.

Sie öffnete sich mit emm

Geräusch, das in den Gewölben zehnfach wt-her-

tonte, und Otto ließ die Frauen in eine geräu­ mige Halle ein, zu deren beiden Seiten wohler­ haltene Treppen ins obere Gestock führten.

Doch

auch an den Zimmern, die man nun durchstrich, schien die zerstörende Zeit zu arbeiten.

Wände

und Decken waren hie und da gestützt, hie und da schon herabgesunken, prächtige Tapeten hingen in Stücken umher, Feuchtigkeit und Moder hat­ ten ihre Farben vernichtet.

Nur das Zimmer

zunächst am Thurme war völlig erhalten, und hieher hatte die Familie die Bilder ihrer Ahnen geflüchtet. muth. war,

Brigitte betrat eS mit süßer Weh­

Lieber Gott, sagte sie, als ich zuletzt hier hätte ich wohl nicht gedacht, diesen Ort

nach solchem Zeitraum wiederzusehen.

Ich war

achtzehn Jahr, flink und munter, und der alte Spiegel dort, malte mich ganz hübsch ab. Damals mochte ich mich wohl mit den Frauen an der Wand messen, und mein grauer Führer verglich mich mehr als einmal mit HartmannS Gemahlin, die ich immer besonders liebte.

Seht hier, Kin­

der, hier hängt erst Ritter Walters Vater, und seine Mutter, Harfe.

die eine Reichsgräfin war,

X IT.

dann 1

2Y0 kömmt Walter, nicht wahr ein stattlicher Mann und das ist die stille sanfte Charitas, es wohl ansieht, daß gelebt hat.

der man

sie manche trübe Stunde

Hartmann und bic blonde Engeltraut

werdet Ihr nun selbst errathen.

Sie hat drei

ihrer Söhne zur Seite, von denen der alte Castelan manches zu sagen wußte;

aber nur einer war

vermählt, wie uns die stolze eitle Gestalt neben ihm zeigt,

die in ihrer prunkenden Tracht recht

seltsam gegen ihre Vorgängerinnen absticht. Cecilie Antheil.

betrachtete

die Bilder

mit großem

Der beiden Frauen ganz verschiedene

Schönheit zog ihren Blick wechselnd an, und in HartmannS Zügen wollte sie ihren Otto wieder finden.

Welch eine magische Gewalt, sagte sie,

übt doch das Andenken der Vorzeit über unS aus. AuS ihrer Dämmerung gehen

so

hervor, dunkel und unentwickelt,

viele Bilder wie sie selbst,

schauerlich, aber unendlich anziehend.

Wie diese

Männer und Frauen ihre Blicke auf uns richten, ist es mir als redete die alte Zeit mit mir, und entschleierte ihre Geheimnisse, nach denen schon meine Kindheit so gern forschen mochte.

Hier

muß ich

an die Erzählung der Tante glauben,

der düstre Saal und diese Gestalten stimmen das Gemüth unwillkührlich dazu, draußen in der hel­ len Sonne

mag

man

freilich

wieder

anders

denken. Otto lächelte, und Cccilie ging einige Schritte weiter.

Sehen Sie doch, Tante, rief sie, dieß

reizende Gesicht im Nonnenschleier, das mir vor allen andern gefallt. Fraulein Claudia

von Altringen,

berichtete

Brigitte, die im zwanzigsten Jahre den Schleier nahm.

Sie ist unserer Zeit schon um Jahrhun­

derte naher, wie Ihr an der Tracht ihrer welt­ lichen Umgebungen sehen sinnt. Einer von WolfSthal soll ihr Verlobter gewesen seyn; der Tod mag ihn ihr geraubt,

und sie deßhalb den Nonnen-

siand gewählt haben. Cecilie konnte sich von. dem Bilde nicht tren­ nen.

Diese Augen, sagte sie, sehen mich wahr­

haft vertraut und liebend an.

Immer hatte ich

eine grosse Vorliebe für PortratS,

ja auch von

ganz fremden Menschen waren sie mir nicht un­ bedeutend.

Aber die Blicke der Nonne hab.-n

etwas ganz vorzüglich mildes und wohlthuendefüt mich. Alle diese Bilder heißen dich willkommen, gute Tochter, erwiederte Brigitte mit weicher Stimme. Denn so Gott will, wirst du einmal in Kreis gehören.

ihren

Muthig, lieben Kinder, fuhr sie

fort, und drückte beider Hände in

den

ihrigen

zusammen — müßt Ihr auch jetzt von einander, und

wißt

kommt —

nicht,

wie Ihr wieder

Treue überwindet Alles,

zusammen und was

Ihr nicht wißt, weiß der da oben. Geeilte küßte des Fräuleins Hand, und barg dann die nassen Augen an Otto'S Brust.

So

standen sie lange, alles um sich

her vergessend,

im

die mütterliche

Genusse des

Segens,

Freundin ihrem Bunde gab.

den

Brigitte aber war

indessen an die andere Seite deS Saales gegan­ gen,

und forderte jetzt von Otto den Schlüssel

zur Thurmthür.

Laßt uns hinaufsteigen, sagte

sie, wer weiß,

ob

hieher komme.

Sie schloß auf, und man erstieg

ich noch einmal im Leben

die enge Wendeltreppe, an deren Ende ein kleines rundes Zimmerchen das Archiv verwahrte.

Welche

himmlische Aussicht! rief becilie, und Otto trat zu ihr anS Fenster.

Die

weite

gend breitete sich vor ihnen aus.

lachende Ge­ Blaue Berge

begränzten die Ferne, und zerstreute Wohnungen belebten die blühende Natur.

Ach wie werde ich

hieher mich sehnen, flüsterte sie, hier bleibt mein Herz zurück!

Was gleicht der Gegend, wo wir

jung und glücklich waren, ein Paradies kann sie nicht ersehen! Der Ort, wo wir unS wiederfinden werden, um nie mehr getrennt zu werden, wird nicht min, der sd)in seyn, Cecilie, entgegnete er.

Lassen Sie

unS von der alten ehrwürdigen Tante den kindli­ chen Glauben lernen, und der Zukunft in fröhlicher Hoffnung vertrauen. Komm doch einmal her, Otto, rief die Tante, und lache mich nicht eher aus, bis ich ganz be­ stimmt Unrecht habe. ich will wetten,

Sieh, hier klingt es hohl,

hier ist der verborgene Wand­

schrank, aus dem meine Mutter jenesmal den Ring genommen hat.

An dem Schnitzwerk umher

ist sicherlich eine Feder, die ihn öffnet, wer eS nur wüsste.

Ich versuche alles, denn hier ist

keine Wand, dabei bleib' ick).

Wenn du doch ein­

mal so recht stark an den hervortretenden Sternen stehen und drehen wolltest;

ich habe freilich die

Kräfte nicht. Otto lachte, und drehete.

Zwei Sterne saßen

fest wie Eisen, er lachte noch lauter, und faßte den dritten.

Aber der drehete sich knarrend, ging

aus der Oefsnung heraus, und ein Riegel ward sichtbar.

Brigitte drängte den erstaunten Otto

weg, u:.d sahe neugierig in ein enges Schränkchen. Ein Handschuh

war das Erste,

was ihr nebst

einem Packtchen Schriften in die Augen siel. mein (;K'tt, sagte sie tief geiübrt. ein Handschilh

Du

DaS ist ja

von deinem Vater!

Sieh nur,

lieber Otto, du wirst ihn so gut als ich erkennen. Da hat also der gute selige Mann meine Worte doch nicht in den Wind geschlagen, hat hier ge­ sucht,

und wie wir, gefunden.

Das sind die

Schuften, die die Geschichte enthalten, ein ge­ lehrter Mönch hat sie verfaßt,

aber

zu meiner

Eltern Zeit, das weiß ich gewiß, waren sie uncrerpm, und auch daran, daß sie so zerstreut umher liegen,

sieht man,

dein Vater fvt das Siegel

geltst.

Hier aber in diesem winzigen Kästchen,

da- mir sehr bekannt ist, wird der Elfenring seyn. Hastig mit zitternden Händen hakte die Alte daS Kästchen auf, und ein unscheinbarer Ring ging daraus hervor, den sie freudig von allen Sei­ ten besah.

Ja ja, das ist er, so nahm ich ihn

damals aus der Mutter Hand, und meine Augen begleiteten ihn, bis ihn die nämliche Hülle wieder umschloß. Otto hatte indessen einen Blick in die Schrift geworfen, er zweifelte immer noch, daß sie von jener Erzählung handle, und die Tante schalt ihn einen ewigen Zweifler.

Sie hieß ihm die Schrift

zu sich nehmen, den Ring steckte sie an Ceciliens Finger, tragen.

ihn zum Andenken ihres Verlobten zu Die Pforten der alten Burg schloffen

sich tönend wieder, und die drei Wanderer traten aus dem Schatten der Vergangenheit hinaus in das Licht der Sonne. Vor dem Wolfsthalschen Hause nahm Bri­ gitte Abschied, Otto aber sagte zu Cecilien: Haben Sie noch Zeit, so geben wir icsit unter die Eiche,

und untersuchen unseren Fund miteinander. Abend ist hoch.

Der

so schin, und tue Sonne steht noch

Sie nickte ihm Beifall zu, und hing sich

traulich an seinen Arm.

Ohne Zweifel, sprach

sie scherzend, sind wir der Elfe wohlgefällig, denn haben Sie ihr nicht heute wieder das Leben geret» tet, und trage ich nicht ihren Ring am Finger? Sie setzten sich auf die Bank nieder, Otto zog daS Gefundene hervor.

und

Ein einzelnes

Blatt siel ihm zuerst in die Hände, er laS: Wer dieses Schreiben findet, der mige wissen, daß der alte Berthold es in der Angst feines Her­ zens für ihn abgefaßt hat.

Mein Herr ist tobt,

die heilige Frau Beate haben wir sterbenskrank in ihr Kloster geflüchtet, weil der Feind

sehr

nahe; so bleibt mir denn weiter nichts übrig, alS meinen jungen Herrn aufzusuchen, und ich will eS thun, trotz der Kriegsgefahren, die überall auf einen einsamen

Wanderer

lauern.

WaS

die

Nonne hier in schlaflosen Nachten aufgezeichnet hat, füge ich mit diesem Schreiben zusammen. Ich weiß, eS enthält die wichtigste Nachricht, und sollte ein schneller Tod mich hindern, sie meinen

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297

jungen Herrn selbst zu sagen, so lasse ihn der Himmel finden, was ich für ihn verberge.

Hof­

fentlich weiß er den geheimen Schrein so gut als ich, und hat er gefunden, so mögen ihn

die

Klagen der heiligen Frau, mit welchen sie beginnt, nicht verblenden, da- Ganze für unwichtig zu hal­ ten — er lese weiter, und erfahre, waS mich die Eil verhindert, umständlich zu melden. Otto legte das Blatt schweigend nieder, nahm ein zweite-, und fuhr fort: Nacht und Dunkel liegt auf der Welt, wie auf meiner Seele, Stille ist um mich, und Stille wird nun auch in mir. Todes,

Zwar ist es Ruhe de-

die mich umgiebt, doch die Klosterfrau,

schon mehr jenseit-, al- hienieden heimisch, fürch­ tet sie nicht.

Was habe ich seit gestern erfahren!

Zwanzig Jahre in der Einförmigkeit meiner Zelle, fassen nicht die Begebenheiten dieses Einen TageS in stch.

Welche Gefühle weckte er in mir, und

welche Schmerzen! Kein lebendes Wesen mag sie auS meinem Munde erfahren, doch dieß Blatt nehme sie auf, und die verschwiegene Nacht. DaS weite Zimmer, in welchem ich einsam

schreibe, ist mir nicht unbekannt. ich oft mit meinem Vater,

Hieher kam

hier schloß bie edle

Frau von Wolfsthal mich in ihre Arme, hier begegnete ich Huberts zärtlichen Blicken, hörte Worte der Liebe von ihm, hier umarmte ich ihn als Bräutigam vor den segnenden Eltern, und weinte Thränen deS Abschieds, als er in die Ferne zog.

Wie mein Vater starb, und mich die Mut­

ter deS 0stiebten freundlich in ihren Schu') nahm, war cs dieß Gemach, wo wir arbeiteten, des Ent­ fernten gedachten, und uns der schöneren Zukunft erfreuten.

Dann kam Hubert zurück,

war nicht mehr der Vorige.

aber er

Sein Herz batte

sich von mir einer ausländischen Schönheit Zuge­ wandt,

nur gehörte nichts, als

fein adclicheS

Wort.

Ach, neu und lebendig wir) mir heute

der Augenblick, wo dieß Geheimniß durch Zufall mir kund ward.

Ich meinte und betete, kämpfte

und siegte, und statt des Brautkranzes wählte ich den heiligen Schle er. —

Zwanzig Jahre sind

seitdem vergangen; bie Welt t)dt mich vergessen, ich hing mit ihr nur durch ein schmerzliches ^'nnb zusammen.

Frau von Wolfsthal besuchte mich

oft, ich horte gern durch sie von.Hubert, von seiner Gemahlin, und ihrem Sohne.

Freud* und

Leid theilte die Lrebe der theuren Frau mit mir, und als sie, krank und schwach, nicht mehr den Weg in meine Wohnung

machen konnte, war

der alte Bcrthold unser treuer Bote. Horch!

mein Kranker regt sich leise, er ist

erwacht, ich eile zu ihm.

Hubert war mit seinem achtzehnjährigen Sohn beim Heere.

Der Feind

nahete sich unserer

Gegend, gestern mit dem grauenden Tage kam es zum Gefecht.

Wir Jungfrauen Hirten zit­

ternd was vorging, und der verhangnißvolle Mor­ gen floß uns in Beten, Singen und Fasten hin. Da begehrte man mich zu sprechen, ich ging anGitter, und gewahrte den treuen Berthold.

Er

kannte mich als eine alte Freundin des HauseS — meines Herzens Geschichte war ihm unbewußt, vicüvid: baue er mich sonst mcht an das Ster-

bebett seines Herrn gefordert. wundet war Hubert

Zum Tode ver­

auf da- Schloß gebracht

worden, ihm labte schon seit Jahren keine Gattin mehr, und das Bangen vor dem nahen Unglück hatte seine Wohnung verödet.

Bon mir wollte

der Himmel das schwerste Opfer, und ich mußte eS bringen.

Ich zauderte nicht, aber wie ich daS

Schloß betrat, wie ich nach zwanzigjähriger Tren­ nung Huberts Züge wiedersah, bleich, vom nahen Tode entstellt, da wollte schrer mein Her; brechen, und nur der Glaube hielt mich aufrecht.

Meine

bebenden Hände verbanden seine tiefen Kopfwun­ den, er kannte

mich nicht, denn

ein schwerer

Schlaf liegt auf ihm, der Vorläufer des Todes.— Ich werde ihn sterben sehen — am Ende seiner Tage wird mir mein

die Vereinigung zu Theil, die

junges Herz für da- Leben wünschte —

träumte und nicht erreichen sollte. In der Dämmerung habe ich die weiten Zim­ mer des Schlosses durchstrichen, und mit wehmü­ thiger Lust alle bekannten Stellen begrüßt.

Vor

allen zog der Dildersaal mich an, wo ich meine

30i

theure Frau von Wolfsthal zu finden wußte. Aber welche Feder beschreibt di» Gefühle, die vor diesen Bildern mich ergriffen! Ich sah Hubert, sah seine schön« Gemahlin, und endlich mich selbst neben ihr im Nonnengewand. Frau von Wolfs» thal hatte dem Bilde diesen heiligen Schmuck nach meiner Einkleidung zufügen lassen — selbst auf der todten Leinwand sollt« die glücklich« Clau­ dia der verarmten Schwester Beate weichen!-----Lange stand ich hier, mich selbst und di« betrach­ tend , die so tief in mein Schicksal verwebt waren, so müßte es einem abgeschiedenm Geist« sey«, der in nächtlicher Still« d«n Schauplatz seineirdischen Wirkens beträte, und mitleidig auf die Spur seiner Thränen zurückblickte.

Hubert hat mich erkannt! O ihr Heiligen, ich weiß nun, wie selige Engel sich droben be­ grüßen werden. Wir beide gehören der Welt nicht mehr an; was wir empfanden, war zu

302

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schin, zu erhebend für ihre Dunkelheit. Er war ganz bei sich, in Bertholds treuer Brust legte er daS Dermachtniß für seinen Sohn nieder, dessen Aufenthalt unS jetzt unbekannt ist. Auch ich will eS hier aufzeichnen. Der Feind nahet sich unS stündlich mehr, Flüchtige bedecken die Gegend. Hubert gab eine bedeutende Summe in unsere Hand, eitel Gold, der gesammte Reichthum der Wolfstbal, nebst dem Nachlaß von Huberts begü­ terter Gemablln. Sein Wille war es, diesen Schatz unter der Eiche am See zu vergraben, wo die beranstürmenden Krieger ihn nicht zu finden wüßten. Wir haben gethan, waS er begebrre. Die tiefe Nacht barg unfern Weg, niemand weiß davon, als Berthold und ich. Diese Blatter sollen---------------Hier endete abermals ein Abschnitt, und Otto rvufte genug, um nicht weiter zu lesen. Stau­ nend sah er Cecilien an, die das ihm entfallene Papier hielt, und die letzten Zeilen unverwandt betrachtete. Ja! rief Otto aus, das^war es, was meines sterbenden Vaters Worte mir beit-.

3oj tettti, was er kurz vor seinem Tode fand, wor­ auf

er

Cecilie,

die Hoffnung

besserer Tage gründete.

wenn unS kein Trug geneckt hat,

bist du nun auf immer mein, und

schon

so die

nächste Zukunft giebt uns, waS wir so sem und unerreichbar wähnten. — Am andern Morgen,

wie die Sonne

erwachte, bestleg Otto sein Pferd, und trabte vor WeimannS Hause vorüber; Cecilie, obgleich diese Nacht kein Schlaf ihre Augen bedeckt hatte, stand schon am Fenster, und winkte ihm fröhliche Grüße entgegen.

Wie staunte der Amtsrath, da

Wolfsthal vor seiner Wohnung abstieg, und ihn nach wenig Worten an ihm das

Gut für den

sein Erbieten mahnte,

an Weimann gezahlten

Kaufpreis zu überlassen.

Er

wollte läugnen,

nannte ferne Rede einen Scherz, und wußte den glücklichen Käufer zu bewegen, ihm einen ziem­ lichen Gewinn zu geben.

Gern grnnte ihm die­

ser die armselige Freude, bestimmte den Tag der Zahlung, und flog zurück in die Heimath, wo f.tnci

^iebe

und

Entzücken

harrten.

Wenig

Wochen später feierte das glückliche Paar den Tag ihrer Vermählung,

still,

im Genuß der

Natur, die sie früh einander zuführte — und Fräulein Brigitte rühmte sich mit Freudenthränen, wie ohne sie und den Ring so Erfreuliches nicht zu Stande gekommen wäre.

IX.

Gedichte.

Die Harfe. VH.

20

I.

Eingang.

©locfen von des Domes Thurm erklingen, Morgenstrahlen über dem Altar, Ihm geweiht, der sein wird, ist und war, durch die bunte Fensterwölbung bringen! Hohe Bilder, die den Chor umringen, treten vor in Lichtern hell und klar. Still versammelt sich der Frommen Schaar, Himmclsahnung hebt die Serafschwingen! Blicke, tiefer in das Herz gesenkt, stille Opfer, Gott und Herz versöhnend, Stärkung aus der Liebe reichem Meere, und Vertraun auf Ihn, der Welten lenkt, einen sich dem Worte, festlich tönend vom Altar: „Gott in der Höh' fei Cdre

2.

AuSgang.

3n des Domes dunkethellen Bogen ist der Orgel letzter Ton verhallt, und der Gläubigen Versammlung wallt fort, wohin sie andre Pflicht gezogen. Doch, wie vom Gewölb herabgeflogen, naht sich eine himmlische Gestalt! Dom Altar her ihre Stimme schallt, wie ein Hauch aus fernen Mecreswogen: „Sterblicher, der du den Tempel wölbst, ihn besuchst, für Trost und Andacht offen, aus ihm scheidest, wenn der Sand verronnen; Gottes schönster Tempel bist du selbst! Bau' ihn auf durch Glaube, Liebe, Hoffen! wenn er bricht, steig' auf zu unsern Wonnen! “ Arthur v o m Nordstern

Natur und Kunst.

Zwillings-Rose, die in süßer Fülle, Sterblichen des Lebens-Kranz verschönt — Du, Natur, einst in der Isis Hülle, Als Camöne, du, o Kunst, gekrönt! Innig fühlet, mit der Liebe Feuer, Sich mein Geist dir holdem Paar vermahlt; Doch zur Hymne sei der frommen Leier Jetzt die jüng're Schwester aus erwählt! — Seh' ich dich in deines Reizes Milde, Deiner Stärke, herrliche Natur, Go begegnet mir im ernsten Bilde, Wie im sanften, stets der Gottheit Spur; Ueberall — in ew'ger Nächte Gründen, Dort, wo eisig starr die Jungfrau ragt; An des Aetna, deß Desuvcs Schlünden, Und im Hain, wo Philomele klagt;

3i°

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An be* Rheins und Niagara s Falle, Deren Sturz im Abgrund donnernd tracht; In des Harze-? feuchter Feli'cnhalle, Wo nglanzt der Stalaktiten Pracht; 3ii der See-Geschöpfe großem Heere, Das durch Fluthen raubbcgierig zieht, 21>ie im zarten Bau der Ephemere, Dir Ein Tag entstehn und sterben sieht; In dem Purpurkelch der jungen Rose, Der dem Strahl des Morgens sich erschließt, Und im kleinsten, unbemerkten Moose, Das des Nordens rauher Flur entsprießt! Groß erscheinest du in jedem Bilde, In den Wundern jeder Blumenflur; Aber tn Uraniens Gesilde Find' ich dich als Göttertochter nur. Dir Bcrehrung! — Also dich vollenden Konnte n-chts, als eines Gottes Macht; Doch mein Lied sei ie?t des Künstlers Spenden. Irischer Flur entspresten, dargebracht.

Denn nicht mit der Gottheit macht'gen Schwingen Dringt der Mensch -um Heiligthum der Kunst; Eigne Schwache.muß er erst bezwingen, Eh' ihm wird der Pierinnen Gunst.

Muß im regen Kampfe nie ermüden, Trotz empörter Elemente Spiel, Diel der Prüfungen besteh'n hienieden, Eh' er nahet dem ersehnten Ziel.

Aber wenn mein Blick nun wonnetrunken In der Künste Meisterwerken fleht, Daß Prometheus reiner Götterfunken Unauslöschlich noch im Menschen glüht:

Stolzer fühl' ich dann der Menschheit Würde, Naher höh'ren Geistern mich verwandt, Freier mich von jeder Erdenbürde In der Musen Hellem Zauberland.

jn der Künste enggeschloßnem Kreise Scheint bezaubernd die — die minder schon; Doch vermag — nur in versäncdner Weise — Jede uns das Leben zu crhöh'n.

Z12 Wenn in reiner Farben Glanz und Milde Rafael den Meisterpinsel taucht, Und im herrlichen Madonnenbilde Leben auf die todte Leinwand haucht: Sinkt ergriffen von dem Himmelsglanze, Don der Huld der Himmelskönigin, Gluterfüllt, am Hochaltar, die ganze Betende Gemeinde vor ihr hin. Wenn uns im Cararischen Gesteine Durch des Mcisels hohe Bitdnermacht, In der Schönheit lieblichem Vereine, Paphos holde Götterfürstin lacht. Troja's Priester, von der Hnder Schlingen Ring- umklammert, noch tm Marmor lebt, Und bei macht'ger Kräfte letztem Ringen, Uns des Mitleids tiefster Schmerz durchbebt. Maiestat, mit Iugendreiz verbunden, In Latona's Sohne uns erscheint, Und im Stein der Kinder Todeswunden Noch Amphions hehr Gemahl bewemt;

Au des Himmels höherem Gefühle Wähnen wir dev Erd' unS dann entrückt — Wie wenn fern vom lauten Weltgewühle Franklins hotdeS Glockenspiel entzückt;

Wenn die Fülle blühender Gedanken, Durch des Rythmus Füße Harmonie, Und, umfangen von der Tonkunst Schranken, Sich ergießt Ln reiner Poesie;

Uns Homeros seine Iliade, Hohe Götterhymnen Schiller fingt, Auf zum Himmel in der Mesfiade Klopstock sich mit Seraphsflügeln schwingt.' —

Am verfallnen Coliseum trauert Unser Blick um dich, -esunkneS Romi Doch der Baukunst Majestät durchschauert Roch die Geister in Sankt PeterS Dom.

Deines Tempels stolze Colonnade, O Diana, ward der Flammen Raub! Und die Pracht von Caracattas Bade Liegt umwuchert von des Lpheu Laub.

Aber hehr erglänzt des Münsters Spitze Roch im Sonnenstrahl, im Abendroth, Obgleich jüngst aus feindlichem Geschütze Der Vernichtung Schrecken ihm gedroht. Jene zaubervollen Garten, schwebend, Grauer Vorwelt Wunder, sind dahin; Doch, Venedig, stolz der Fluth entstrebend, Thronet noch als Meeree»-Königin.

So erscheinen, mild im Strahlenglanze, Alle Künste unserm rruntnen Blick, Einen freundlich sich zürn schönsten Kranze, tlnb beglücken irdisches Geschick.

Und ich fiihl' es! wer sich den Campnen Mit des Geistes Kraft und Fülle weiht, Der erblickt schon hier die ewig schönen HiNimclskinder der Vollkommenheit.

Friederike Becker.

Der B l i H.

flackernde Flamme woher? — Aus der Wolkenmnarmung? — Aus dem Brande der Sonnen? — Zuckst du vom Himmel «in rächender Strahl? — Flamme, woher? — Bist du ein feurig Gespann. Vor dem Wagen der Gottheit, Don dem Throne deS Ew gen? — Blinkst du hernieder, ein schimmernder Glan-? — Flamme, woher? — Schaung erhellst du die Nacht, Vor dir bersten die Wolken, Eichen schütteln die Häupter, Schnell, wie du kamst, so versinkst du in Nacht; Flamme, wohin? —

Fliegst du von unserm Gestirne Zu den andern Gestirnen, Und verkündest den Richter, Daß in dem Staube der Sterbliche bebt? Flamme, wohin? Löscht dein entschwindender Strahl Aus im Dunste der Erde? — Giebt's für dich nicht ein Leben Hinter der Wolken verhüllendem Schwarz? — Flamme, wohin? Also das Leben in uns. Niemand rathet, woher es? Und dem Menschen in Rachtgraun Tönt feine Antwort, wenn sterbend er fragt. Leben, wohin? — Emil Rein lg er.

J1

Die Weltgeschichten.

D«e alten Weltgeschichten, Die schönen dunkeln Blatter, Die streng, wie ernste Götter, Noch über Menschen richten; Die Weltgeschichten sprechen Mit erv'ger Donnerstimme; Sie loben und fie röchen In ihrer Wahrheit Grimme!

Wie Falken, aufgestiegen, In ihrer stolzen Freude, Und mit der sichern Beute Herab zur Erde fliegen, So zieh'n die alten Jahre. Aus jedem Grab die Todten, Daß jedes Aug gewahre Was sie der Welt geboten;

Was Menschenlob ersonnen, Was Menschenwitz gepriesen An Zwerglein oder Riesen Wenn noch so fein gesponnen, Das halt des Armes Starke, Der aus den Zeiten greifet, Richt aus, wenn der die ÄZerke Run in die Schaale hauset. —

Die Menschlem dort im Suden Was thäten die ersinnen, Was thäten die beginnen?-------Ein Dutzend Pyramiden! Da liegen sie und schlafen. Gar wenig drob bewundert Die Könige, die Sklaven! Ern namenlos Jahrhundert!

Die Menschlein dort im Westen! Was thaten die erbauen, Das herrlich wär zu schäum? — Sie schlugen sich am besten,

Und haben sich geschlagen Und haben sich vermessen/ Nur daß sie uni zu sagen Die Ursach noch vergessen!

Die Menschlein dort im Norden! — Doch was soll ich berichten, Die ärmlichen Geschichten Don morden nur und morden? — Ist das die Weisheit alle, Die sie Jahrtausend haben In unsers Stammes Hatte Auf Stein und Erz gegraben?

Wie Wellen solche Thaten! Wie Wetten, die sich treiben Und nimmer selbst sie bleiben, Weit sie der Kraft entrathen, Die aus dem Strom der Zeiten Heraus hebt Fundamente, Ein Denkmal zu bereiten Für jede Sonnenwende!

Wer selber nicht begriffen/ Woher die Stürme kommen, Wohin der Lauf genommen Muß seyn von allen Schiffen; Der halte nur sich ferne Vom Steuer auf den Meeren! Ihm werden keine Sterne Des Schiffleins Straße lehren?

Nur Einzelne/ die schalten 3nt großen Geisterreiche Als hohe, Göttergleiche, Als herrschende Gewalten! An ihren hohen Handen Da schwebt der Zeiten Waage; Sie blättern drin, sie wenden Weltalter um, wie Tage!

Erkenntniß ihre Krone! Ein Wille sonder Wandel Ihr stolzer Fürstenmantel, In jeder Erdenzone!

Und rastlo- menschlich Streben )hr Tagewerk auf Erden, An dem die Meister weben Und endlich fertig werden!

Kv. Klibn

A u f

b c in

Rigi.

*f)ter steh ich, wo in ewig hohem Walten Die heilige Natur mich groß umqiebt; Hier, wo nur macht'ge Formen und Gestatten Ihr tiefer Smn, gewaltig schaffend, liebt. Hier lausch ich an des Tempelo hoher Pforte, Hier naher ihrem lichten Sternen - Kranz Versagt ist dem Gefühl die Macht der Worte — Wie dem Verdienste jeher Flitterglanz. Ach, einsam sieh' ich hier, dich anzubeten, Gewaltige, und heilige Natur! 3n deinen Tempel naher dir zu treten Und anzustaunen deines Schaffens Spur. 0! war der Schleier nicht so dicht gewoben,

Der dich und deine Wunder still verhüllt! Ich sehe dich nur nah im Donner toben — Mir nab , wenn sich der Kelch der Rose füllt.

jd; sehe dich im Aufgang deiner Sonne Und in des Mondes nächtlich stillem Glanz; Ich ahne dich in jeder reinen Wonne, In Geistes - Freuden fühlt mein Herz dich ganz! Agnes v. Einsiedel.

Lied.

23er

hat dir was genommen,

Du bleiche, stille Maid? Was tust du so beklommen, Woher so herbes Leid?" „Was Niemand mir genommen, „ Was bleibt auf ewig nietn, ..Darum bin ich gekommen, ,.So muß ich traurig fevn!" „Das Eine, das entrissen Dir ist, und ewig dein, Du Kind, da- muß ich wissen, Wie tonnte das nur fern!" ,, Ach! hast du nie besessen „Ein Glück, das schnell verschwand, ..Das, weil du's nie vergessen, ,.Dcin Herz noch wiederfand!"

„ Hast nie du eine Blume, „Bis sie verwelkt, gehegt, „Und dann zum Eigenthume „Sie sorglich hingelegt?" „In einen Schrein von Golde, „Don Gold und Helfendem? „ So pfleg' auch ich die holde, „Verwelkte Blume mein!" „Sie war ein Stern der Sterne, .War aller Düfte Duft; „Der süße Glanz ist ferne, „Der Duft flog in die Luft. Nun feucht' ich sie mit Thaue, „Der warm vom Herzen quillt, „Doch ist's nicht auf der Aue „Der Thau des Lebens mild!" „Richt kann ich sie erquicket, „Nichts giebt sie wieder mir, „ Will fest an's Herz sie drücken „Und welken hin mit ihr!" H e t rn i n e.

Der

Kuß.

SScfingc nicht den erste» Kuß, den süßen, Der gestern dir in Molly s Armen ward! Denn Thränen würd' ihr frommes Herz vergießen: Jungfräulich ist ihr Sinn, chr Schämen zart. Geheim, verschwiegen blüht das Glück ia schöner. Genieße still'! Erinnerung ist süß. Gott Amor wiss' allein den Namen Jener, Die Küsse dich unstrafend rauben ließ. Ja, träumest noch von Hoffnung, von Erhörung Vom schönsten Loos, von Hvmens Feste du, So wage nicht der scheuen Unschuld Störung, Und gönne stumm ihr Sicherheit und Ruh! Der Zauber-Augen Reiz und schnelle Siege Hat vorsichtlos dein Lied geoffenbart. Ihr Zartgefühl — o schon's! Dein Schwur genüge Daß treu dein Mund all ihr Geheimniß wahrt. H a li g

Für mein Mädchen.

öeih' o! schönste der Camönem» Die zum Himmel uns entrückt/ Mir von deinen Jaubertönen, Von den sanften, großen, schönen, D.'en, der jedes Herz entzückt; Gieße Feuer, gieße Flammen Lodernd allen Worten ein, Bilder, die vom Himmel stammest,' Laß sich um die Laute reih'n!

Deine Schwester zu besingen, Flügle mich zu hvherm Flug; Gieb mir der Begeist'run- Schwingen', Laß mir jene Harfe bringen, Die dein erster Zögling schlug, Und die schwache Zunge löse, Daß, wie Nachtigallenschlag, Was der Geist in seiner Größe Angestaun t, sie singen mag!

Stolz, daß er den Namen trage, Dem mein Herz entgegen schlagt, Töne tiefer Vers und sage Jeder Nacht und jedem Tage, Allem, was sich fühlt und regt, Allem, was hie Gluth der TriebeGern empfängt und mietergiebt, Daß mein Herz mit heißer Liebe Ewig nur — Elisen — liebt.

Sag' es laut, daß sie umfangen, Voller Liebe, stolz und frei, Ach! mein innigstes Verlangen Seit so vielen langen, langen, Durchgestöhnten Monden fei. Trete auf und ruf es starker, Als dev Donners Stimme spricht, Bis sie endlich auch den Kerker Langer Schüchternheit zerbricht.

Stelle, Lied, dich an die Schranken Jedes Kampfes hin für sie,

Ringe, streite, sonder sanken,

Glücklich in betn Hochgebanken: Acchte Liebe finket nie; Rufe Alles auf -um Streite, Rang und Würde sei dir gleich, Und erkämpfe dir zur Beute Ihres Adels Thron und Reich. Und wer wagt's mit dir zu rechten? Rur ein Blick, -s ist gethan! — Wie in hellen Sommernächten Sterne fich in Sterne flechten, Um des Mondes Sitberbahn, So, der Himmlischen zu dienen, Stehen andre ifinr ihr nah, Und fie strahlet unter ihnen, Venus Amathufia! Und wer wagt's, mit dir zu ringen? Hört.' fie spricht, er ist befiegt.' — Wie mit stolzen, festen Schwingen, Ju der Sonne Quell zu dringen, Hoch empor.der Aar fich schwingt, Co besiegt ihr Geist das Leben, Schwingt fich zu der Engel Bund;

Uns gen Himmel zu erheben, Oeffnet sich ihr Rosenmund. Und wer kann's mit dir bestehend Eine Handlung, und er finkt! — Wie, nach Sommer-Odems Wehen, Ohne drückend erst zu flehen, Armuth aus der Quelle triukt, So beglückt sie, sonder Klage, Jedes Wesen, das ihr naht; Die Geschichte ihrer Tage Ist nur eine Edelthat. — Und dieß Mädchen, brav und bieder, Und dieß Mädchen, hold und schön, Liebt mein Herz, und meine Lieder Dürfen heut' und immer wieder Diese Flammen ihr gesteh'»! Glücklicher! — Ach! zu beklagen Pin ich wahrlich nur darum, Ich wo bl darf von Liebe sagen, Aber ach ! tbv Mund bleibt flu m in ! Th.

Hell

W i e

m a n's

nimmt.

Ahr sagt: Mein Madel sei zu klein. — Kann seyn! Doch kömmt eS auf ein Küßchen an. So bringt — Euch wird s unmöglich scheinen Sie ihren Mund gerad' an meinen, Wies keine Große bester kann. Ihr sagt: Des Madels Avg' sei grau Statt blau! Ich streite auch darüber nicht; Wenn sich die Himmel grau umziehen, Nur dann wird d'raus die Flamme sprühen, Die nie aus blauem Aether bricht. Ibr sagt: Es sei des Madels Mund Zu rund! Doch glaubt mir, sie ist so geschickt, Und weiß so fein sich zu gebahrden, Daß dieser Mund muß spitzig werden,

Und fpiiMg bleibt, bis man ihn drückt.

Das ganze Angesicht ist Euch Zu bleich! — Doch kennet Ihr wohl höh re Lust, Als wenn für Euch — durch Euch die Wangeu Sich schmücken mit Auroren- Prangen Und nur erglühn an Eurer Brust? — Ihr schätzt an ihr noch manches Ding Gering! — Nur zu! — das freut mich/ ist mir lieb: Kennt Niemand ihre Süßigkeiten/ Wird Keiner ihr cm Netz bereiten, Und meinem Schatze droht kein Dieb. I. ft. Castelli.

W e i n l i e d. Ein i'ieb ist noch kein Gläschen Wein, Ein Gläschen noch kein Lied. Ter Trank, der feurig glüht, Kann stumm uns doch nur halb erfreun, Nein, eins muß bei dem andern seyn, Ein Gläschen und ein Lied! Seht! Himmelsthau und Sonnenschein 2st Wein mit solcher Lust; Kaum lechzt die freie Brust, So kommt der Wirth und schenkt uns eilt, Und lacht er freundlich obendrein, So steigt des Liedes Lust. In Reben rankt sich fort der Wem, Das Band ist treu und ächt, Wir fühlen sein Geflecht, Und schließen in der Brüder Reihn Vergnügt die ganze Welt mit ein; So, Brüder, ist es recht. St. Schütze.

Die Erde und der Mond.

Die Erde. (Solltest / Luna, traun! dich schämen

Du bestiehlst das Sonnenlicht. Der Mond. Und Miß Erde schämt sich nicht, Mein Gestohlncs — anzunehmen? V a ti 4

X.

D i e

Haarlocke. Erzählung von

F. Saun.

Aoktor Werner kam bei Zeiten von seinem bota­ nischen Morgenspaziergange zurück durch den Gar­ ten des MedicinalrathS und Professors Rebentrost. Lange hatte er de- letztem FamuluS gemacht und hielt sich noch immer in seinem Hause auf.

Es

trieb ihn, jetzt leise, ganz leise an die Glasthüre de- Gartensaal- zu schleichen, und den Sonnen­ strahlen Gesellschaft zu leisten, welche durch die Hellen Scheiben hinein

auf da- liebenswürdigste

Figürchen

Universitätsstadt blickten.

der ganzen

Und nicht wegen de- Figürchen- allein, sondern auch wegen ihrer Heiterkeit und Geistesanmuth wurde Minna Rebentrost weit und breit genannt und geschätzt.

Ihre, oft recht sonderbaren und

drolligen Launen waren so bekannt, daß sie gar nicht mehr auffielen, und man sich von ihr recht Vieles gefallen ließ, was man von tausend An? dem schwerlich ertragen hätte. — 'Tic Hm st.

VII.

J2

Die schlanke, holde, herrliche Minna! flüsterte Doktor Werner, und war ganz außer sich vor — Mordbegier. flirte

Eine verwünschte Fliege nämlich

daS liebliche

Kind immerfort.

Minna

schien, um den schönen Morgen am Stickrahmen zu genießen,

sehr früh aufgestanden, und dann

wieder sanft und selig entschlafen zu seyn.

Ihr

Engelsgesicht ruhte auf den Händen, und die runden schneeweißen Arme lagen auf beiden Sei­ ten deS Rahmens hinaus.

Die Fliege aber ließ

nicht ab, ihrer Stirne zuzusetzen, wie sehr auch Minna im Schlafe die blonden Locken nach ihr schüttelte. Hätte der Doktor bessere Gelegenheit finden können, Minna um eine ihrer goldenen Locken zu bringen ?

Gleichwohl drohte die immer auf

denselben Fleck zurückkehrende Fliege, solche- zu vereiteln. Wagen gewinnt! dachte er indessen in diesem Augenblicke, und öffnete leise und schnell die Glas­ thüre. sich

Aber sie knarrte, und sein Schritt fühlte

auf Augenblicke gefesselt.

redoch sein Herz,

Vorwärts!

rief

und er eilte nach dem Stick

rahmen, ergriff die braus liegende, kleine Scheere, und — legte sie wieder hin, weil sämmtliche Löck­ chen ihn recht rührend und ungefähr also anre­ deten: Laß unS doch, du Unhold, hier an dem schönsten Platze, den wir nur finden könnten! Endlich, als er die Fliege glücklich im Fluge erlegt hatte, dachte er aber: Nein, allzudumm muß der Mensch auch nicht seyn, denn die Gele­ genheit hat Flügel! — Somit nahm er die Scheere nochmal-, und ehe man fich'S versah, hatte er, -war kemS von den sprechenden Löckchen, welche ihr in'S Gesicht hereinhingen, doch ein nicht minder reizendes unbemerkte- auf der Mitte de- reichbewachsenen Köpfchen- in seinen Händen. Damit rannte er davon; denn so eben schrie im Nebenzimmer jemand, offenbar der Medicknatrath, alS ob er am Spieße stecke, und Minna schien noch munterer zu werden, als vorhin durch die Fliege. —

2.

Der Medicinalrath bekam nämlich wieder sein bekanntes Uebel, da- Zipperlein.

Minna eilte,

ihrem Baker beizustehen. Den Doktor! rief sie hinaus, und bald nach­ her trat der Lockenräuber herein, und ging dann wieder,

die nöthigen Linderungsmaßregeln anzu­

ordnen. — DaS wird eine allerliebste Geschichte werden! wimmerte konnte.

der Arzt,

der sich nicht selber Helsen

Die vielen Gäste heute, und waS ich

mir alles

dabei vorgenommen hatte!

So geht

et mit den menschlichen Vorsätzen! Vermuthlich wirft mich'- wieder einmal auf eine Stelle, von der ich drei Wochen lang mich nicht rühren darf. Darin wenigstenAndern voraus,

haben

wir Aerzte etwa-

daß wir

solche

vor

Dinge wissen

und unS danach richten sinnen. — Zum Glücke bewies die Folge seinen Satz gar nicht.

Denn als ein halbes Stündchen später

Doktor Werner mit Gesundheit-taft und der übri­ gen Beinemballage

herbeikam,

war

alle- schon

vorüber. Der Kranke konnte wieder auftreten, und sagte: das verstehe ich nicht! Unfehlbar ifl es der Schreck gewesen über die schlimme Sache so zur höchsten Unzeit, was mir in die Bein« gefahren ist und sie auf der Stelle kurirt hat. Tausend Dank dafür diesem unzünftigen Arzte! — Ich muß dir nur sagen, Minna — In demselben Momente entdeckte er die An­ wesenheit seine- ExfamuluS, und sprach zu ihm: Lieber Doktor, für dießmal sind Sie der Sorgen um mich quitt, und ich will Sie keinesweges von Ihren Geschäften abhalten. — Darauf entfernte sich Werner, der, dem An­ scheine nach, weit lieber die Anrede abgewartet hätte. — 3-

Der Mensch, liebe Minna— fuhr der Medir cinalrath fort — der Mensch wird alle Tage älter. Fast hätte da- gute Kind lachen müssen über seine wichtige Miene bei dieser unbestrittenen Wahrheit. Nun — sprach er ferner — gehirt Ihr

Weiber,

so

zu sagen,

auch

zu den Menschen,

und eS geht Euch um kein Haar besser, als unUebrigen.

Noch

schlimmer.

mehr,

cS

geht Euch sogar

Wenn wir, so zu sagen, noch im

bestm Flore stehen, wirst man Euch schon in'S alte Register, und aus dem giebt eS, wie aus der HiU

keine Erlösung, in Euerm ganzen Leben.

Sechzehn Jahr, wie du eben hast, sichern zwar, denkst du, noch

ein ziemliches Weilchen davor.

Aber die best Zeit kneipt dir von nun an jedes Jahr kürzer und kürzer, und am Ende sitzest du in dem Register, so zu sagen, wie die arme Mücke im Spinnengewebe, Grab,

ohne

und

fällst vertrocknet in s

eine Spur

hinter bir zu lassen.

Besser drum, bei Zeiten auf Ergänzungstruppen, ich meine: Kinder, gedacht!— Nun, nun, brauchst über das Wort nicht roth zu werden, denn daS versteht sich wohl, alles in Ehren! Kurz, Kind, du sollst heirathen. —

Gort im Himmel, laß

mich doch, so zu sagen, ausreden! Der heutige Tag lst auch hauptsächlich zu diesem Zwecke von mir angeordnet.

In der vorigen Woche nämlich

haben bald nach einander drei verschiedene Personen

um dich angehalten, welche von mir an dich selbst verwiesen worden fmb.

Der eine ist ein Mann

vom Degenhandwerke, ein hübscher, wohlgewach­ sener, ja ansehnlicher Kavalier.

AlS einen Fehler

betrachte ich eS freilich, daß er sich besonder- aufFluchen gelegt hat.

Doch auch dagegen giebt e-

oft kein besseres Hausmittelchen, alS da- Hauselber, oder die Ehe, zumal wenn der Pantoffel, auf den sich jede kluge Frau versteht, nicht von hartem Sohlenleder, sondern von seidenem Mate­ rial ist. .Der zweite'Werber ist einer, an dessen schwarzer Seite deine

Tanzschuhe

freilich

ewig

müßig gehen werden; denn die Frauen der Pasto­ ren an der hiesigen Universitäts-Kirche scheinen übereingekommen, den rauschenden Freuden dieser Art mit

Um

Schritte zum Altare Balet zu geben,

und welche klug ist, die darf in dergleichen Fällen nie eine Ausnahme machen wollen; wie ich denn überhaupt

diejenigen Weiber

nicht leiden mag,

welche für Ausnahmen von der Regel, selbst für Ausnahmen zu ihrem Bortheile gelten. Uebrigenist der schwarze Galan eine stattliche, schine Per­ son , und immer nett und zierlich in Reden und

Kleidern. — Bom dritten Freier kann ich dir freilich wenig mehr sagen, als daß sein Name in unserm Lektionskatalog mit vorkommt, und daß ich ihn durchaus nicht verstehe. Doch findet er al6 Professor der Philosophie viel Freunde und Bewunderer. Dazu macht er Verse, und wie viele mit ihm glauben, schöne Verse. UebrigenS ist er auch vom Ansehen, so zu sagen, ein Apollchen im Taschenformat. Der Medicinalrath hatte keinen Namen ge­ nannt, dennoch errieth, auch nach seiner ober­ flächlichen Skizze, Minna den rechten für jeden der drei Bewerber. Jeder derselben war in seiner Art nicht zu verwerfen. Gleichwohl schien eS, als ob, wenn von Minna'S Seite eine Wahl erfolgte, diese nicht grade von starkem Herzpochen begleitet seyn werde; denn bei keiner der drei Schilderungen ihre- Vaters soll ihr hochgewölbtes Halstuch in sonderliche Bewegung gerathen seyn. 4-

Da haben wir dm Teufel! — rief der Medi­ cinalrath zwei Stunden spater, und noch immer

im Schlafrocke, als jetzt ein Paar Sporen dem Garteysaal näher klapperten.

Dazu eilte er nach

feiner Perrücke und setzte diese schleunigst statt der Nachtmütze auf. Pardon, Herr Medicinalrath! fing der ein­ tretende Major Tender an. Fräulein, verzeihen.

Auch Sie, mein

Wo e- gute Beute giebt,

da machen wir Soldaten un- gern recht früh auf's Gleis.

Als ich vorhin vom Exerciren und

hier vorüberkam, schien Ihre Küche io Feuer aufgehen zu wollen.

Da dachte ich, gewiß wer­

den außer dir noch manche Andere seyn, und Morgenstunde hat Gold im Munde. mein Fräulein,

wünschte ich,

Herzlich,

daß Sie diese-

gute Sprichwort berücksichtigten, und mir erlaub­ ten, Ihnen sogleich da- Gold in natura, da­ heißt, in einem Verlobung-ringe abzutragen. — Herr Major — antwortete Minna durch Zurücktreten dem Ringe ausweichend, den er in der That schon bei der Hand hatte — Ihrer krie­ gerischen Raschheit können meine langsamen Ge­ danken nicht nach. einigt Bedenkzeit.

Vergönnen Sie mir daher

Potz — versetzte der Major

— Bedenkzeit

klingt fast wie Bedenklichkeit, und daß ist, straf mich-----------grade daß

bedenklichste Wort für

mich in meinet Lage. Gleichwohl —

antwortete Minna — kann

ich Sie dessen, um unsers beiderseitigen Glückewillen — nicht überheben.

Uebrigenß muß ich

Ihnen noch sagen, daß ich die abgesagteste Feindin aller Flüche bj-i.

zwar

den

Ihrigen in meinem Beiseyn die Köpfe ab,

wie

ich merke.

Nun beißen Sie

Doch gilt mir jeder geringste Theil

eine- Fluches kann Ihnen

sogleich während

für den ganzen, unsers

und ich

heutigen Beisam­

menseins durchaus nicht mehr, alS noch höchstens drei dergleichen Flüche zugestehen.

Ihr vierter

würde Ihnen sogleich als die verneinende Antwort auf Ihren vorigen Antrag gelten können. Bravo! rief ber Mcdicinalrath, das fangt bei Zeiten an seinen Eigensinn walten zu lassen! Lieber Vater, so Vorrecht

etwas

der Mädchen,

ist bekanntlich das

und und Frauen fmb,

wie von allen Selten verlautet, so wenig Rechte

überhaupt zugestanden worden, daß wir das Wenige fein zu Rathe halten müssen. — Wohlan — sprach der Major mit ernstem fast finsterm Gesichte — ich gehe es ein.

Aber,

straf mich---------Halt! — unterbrach ihn Minna, ohne auf feinen Verdruß zu merken.

DaS war bereits

einer der drei Gnadebflüche.

Bedenken Sie, bafr

Ihnen nur noch zwei übrig bleiben, und geben Sie mir, dieser Ermahnung halber, das Zeugniß, daß ich Sie rechtschaffener Weise gewamt habe. DaS wollte ich noch sagen — fügte der Major hinzu:

Ich vernahm von Ihrem Herrn Vater,

daß zwei Mitwerber kommen werden.

Meine

militärische Ehre würde sich verletzt fühlen, wenn ich Bedingungen eingehen sollte, und diese nicht. Drum muß ich daraus antragen, daß Sie auch den Andern

ihr

heutige- Beisammenseyn

mit

Ihnen nicht unbedingt erlauben. Gut! — sagte Minna — und da, wie cs scheint, mein Vater einem jeden von Ihnen dreien, die mir von den andern Beiden ebenfalls zuge­ dachte Ehre verrathen, hat, so sott auch jeder von

Jhnm

die den Andern gemachten Bedingungen

erfahren. De- Major- Fuß trat hier

so

vernehmbar

auf, daß Minna den. Finger empor hob, und sagte: Herr Major, ich könnte das für einen verkapp­ ten Fluch nehmen, aber ich will eS nicht. Minna glaubte dm vorigen lauten Fußtritt de- Majors jetzt in einer krampfhaften Bewegung seiner Lippe wiederzusehen. Lächeln alle-,

wodurch

Doch war ein feine-

sie es -u erkennen gab

und sich dann entfernte.

5Sich gekränkt glaubend, sank der Major in einen Lehnstuhl, und schlug mit der flachen Hand ein Paarmal auf seine Stirne. Wenn ich nur keine Schulden und sie keine dreißigtausend Thaler hätte! — schien diese Pan­ tomime sagen zu sollen. Ein Wettermädel!

lachte der Medieinalrath.

Und ich wette, sie wird den Andem auch tüchtige Rüste aufzuknacken geben. — Herr Medieinalrath — rief der Major auf-

springend — Ihr ruhige« Zusehen -u dergleichen — Mädchenlaunen gefällt mir gar nicht.

Ele­

ment! — Sachte,

sachte,

Herr

Major —

fiel der

Medicinalrath ein — Sie hat ein gar zu treff­ liche- Gehör, und dann wäre Ihnen nur noch ein einziger Fluch übrig. Möchte einem

aber auch

reißen, Herr Medicinalrath?

nicht die Geduld Statt ein Bater-

wort zu sprechen, lassen Sie dem Eigensinn Ihrer Tochter vollen Lauf. — Herr Major — sagte jetzt empfindlich gewor­ den der Alte — mit Minna'« Launen werden Sie gewiß noch eher fertig, al« mit meinem Vaterworte.

Wollte ich die Meinung meiner recht

verständigen Tochter auch nur im mindesten be­ schränken, so würde ich ihr gradezu abratheu von einem, der das Kriegshandwerk treibt; au« tau­ send Gründen! —

6. Da- stillte wenigsten- den Mund de- Major-, wenn e- ihn auch nicht beruhigte.

Zu letzterm

Zwecke schlug der Medicinalrath ein gemeinschaft­ liches Tabakrauchen vor, welches auch zu Stande kam.

Doch sah der Gast, als sie im Garten

eine Stunde lang auf - und abgingen, bald hier­ hin, bald dorthin, nirgends aber war die hold­ selige Minna zu erblicken. Ganz natürlich:

Erst hatte sie ihren Anzug

auf den Mittag einzurichten, und kaum war sie, fertig mit dem, in den Gartensaal getreten, so erschien auch schon der schwarze Bewerber um ihre Hand. Minna'S Auge mußte seinem wohlgebauten Körper Gerechtigkeit wiederfahren lassen.

DaS

hielt sie indessen nicht ab, ihrem dem Maior gegebenen Worte genau nachzugehen. Herr Pastor — so begann sie, nachdem er in einer wahrhaft zierlichen Rede seinen Antrag gemacht hatte — mir geschieht heute eine ganz unverdiente Ehre.

Drei stattliche Werber um

eine geringe Hand, wie die meinige' Mein Bater hat Sie vermuthlich von dem wunderbaren Ereig­ nisse unterrichtet? Allerdings! antwortete der. schwarze Freier.

Wenn ich aber auch bei diesem Stande der Dinge meinen Antrag um so gewagter finde, so kann ich darin kein Wunder sehen, daß ein die andern überstrahlender Stern drei Paar Augen zugleich anzieht. Wollte Gott — ladjelte Minna —

Ihre

Galanterie hätte mehr Grund, und ich wäre ein Stern im eigentlichen Verstände.

Dann rotitbe

ich sämmtliche drei Herren recht freundlich an­ blicken, und käme nicht in den Fall, durch die Wahl des einen von Ihnen, zwei Andre zurück­ setzen zu müssen;

denn, wie Göthe sagt: die

Sterne, die begehrt man nicht.

Um indessen

doch irgend ein Anhalten zu haben bei der Ent­ scheidung, welche mir zugemuthet wird,

bin ich

bereit- mit einem der Herren übereingekommen, jedem von Ihnen eine Bedingung aufzuerlegen. Vom Major habe ich gefordert, mich diesen gan­ zen Tag über nicht mehr al- drei Flüche Horen zu lassen. — Der vierte Fluch — hier zuckte sie die Achseln — schließt ihn von der Mitbewer­ bung gänzlich auS. Beste- Fraulein — rief der Pastor zagend —

35 2 sollte nicht eine große Vorliebe nur, Sie haben vermögen können, dem Manne so leichte- Spiel zu machen? Keine-weges!

antwortete

Minna

lächelnd.

Vielmehr besorge ich, dem würdigen MaNne die Sache allzusehr

erschwert zu haben.

Denn so­

gleich in den ersten Momenten entschlüpfte ihm einer der drei Flüche, so daß er auf den ganzen Tag deren nur ltoch zwei übrig behält.

Allein

ich bin eine zu große Feindin alle- Fluchen-, um nicht zu prüfen,

wie weit darin derjenige,

um meine Hand wirbt, könnte. —

sich

der

im Zaume halten

Derselbe Fall, Herr Pastor,

ist es

mit einer Ihrer Gewohnheiten. Mit welcher? rief der Pastor, und sein gan­ ze- eitle- Blut flüchtete ihm darüber empört in'6 Gesiebt. Fast scheue ich mich — antwortete Minna — e- Ihnen unter die Augen zu sagen, auch ist ean sich etwa- überaus Unbedeutende-. Sprechen Sie,

Fräulein, ich bitte.

Was

würde mir zu schwer seyn um solchen Preis? Diese Aeußerung — versetzte Minna — nöthigt

mit tüte Erklärung aK nicht, Herr Pastor.

Mißverstehen Sie mich

Meine Hand, so gering ihr

Werth auch seyn dürst«, ist darum dem noch nicht zugesprochen, welcher dt» Bedingung erfüllt». Nur der, der sie nicht erfüllte, fällt dadurch von selbst au« der Zahl der Mitbewerber hinweg. Dir Bedingung, mein Fräulein! Wohlan — antwortete fl» — Sie schließen bi««rilrn

Ihre Augen, grad« wenn Dir mit

jemand am fchänstrn spreche», und da«, verzejhen Dir, ist mir zuwider.

Der best» Bürge der

Worte scheint mir da« redliche Auge.

Darum

sei Ihnen da« Zumache» teffrttta bei dieser Gele­ genheit, während unsere« -etirigen Beisammen» seyn«, nicht mehr al« dreimal erlaubt.

Da«

vierte Mal würde--------- -

7Minna zeigte eine

bedauernde Miene und

der Pastor ging di» Bedingung rin.

Sein auf­

kochender Zorn schien aber doch noch au-brausen zu wollen, al« da« Eintreten dedjenigrn, de» der Medicinalralh Die Heese.

ein Apollchen

VIT.

in Taschenformat 23

genannt hatt«, ihm den schon geiffneten Mund verschloß. — Es lag viel Triumph über die Gemeinheit seiner Mitbewerber in der Miene des kleinen Phi­ losophen und Dichters, als Minna ihm von den Verhältnissen und den Verbindlichkeiten erzählte. Ich bin doch begierig — sagt« er lächelnd zu ihr — ob Sir auch an mir eine Gewohnheit ähnlicher Art zu rügen haben. — Auch an Ihnen, Herr Professor! antwortete Minna, und sein plitzliches Verziehen der Lippe deutete auf ein mehr als mäßiges Befremden hin. Ihr anhaltendes Hineinziehen der, wie Sie sagen, einzig ächten Philosophie und Poesie in alle Ge­ spräche, sttrt, wie ich gefunden habe, nicht selten die Heiterkeit einer ganzen Gesellschaft. Der Lehr­ stuhl scheint mir für gewichtige Worte der Wis­ senschaft und Kunst ehe der Ort zu seyn, als eine Versammlung, der zurückkehrte, war fie gar nicht mehr zu

Ihre sonst so glückliche Unterhat-

tung-gabe schien gänzlich erschuft.

Entweder

mußt» ihr in ihrer Abwesenheit etwa« äußerst Unangenehme- begegne» sey«, oder sie macht» sich doch Gitzanken «egen der gegebenm Zusage in Ansehung der Haarlocke. Major und Pastor jogeu sie beide damit auf, und es war noch rin Glück, daß ersterer, sobald jetzt sein dritter und vierter Fluch dicht hinter einander ihm entschlüpften, voller Verdruß den Stuhl jurückschod und unter dem Borwand» de- Uedelbrsinden- sich entfernt« > den» nunmehr hatte Minna doch nur noch mit dem Pastor allein zu schaffe« — Auch den aber

und dm Speisesaal über­

haupt »erließ fit bald plützlich, unter demselben Borwand« al- der Major.

ir. Dem Doktor Werner entging natürlich nichtvon dirfem allen.

Sein Glück wäre ja wahrlich

durch den Lockenraub de- Morgen- gemacht gewesm, hätte Minna'- Forderung eine- Deweiseihn nicht gedrückt.

Womit ihn führen, da sein

Frevel durchaus keinen Zeugen hatt« und di« Der»

3öo

-------------

sicherung

de- Frevlers selbst keine Kraft haben

konnte? Minna'- Verschwinden verursachte ihm nur neue Unruhe.

Zwar wußte er schon aus seiner

kurzen Leben-praxis,

daß die Mädchen

ihre so

mannichfachen Launen gewöhnlich unter der allge­ meinen Rubrik der Krankheit aufzuführen pflegen, allein zuweilen sind sie doch auch wirklich krank.— Welch ein Gedanke, wenn da- mit Minna der Fall war, für ihn, der barbarisch genug gewesen wäre,

den

ganzen

vaterländischen Madcheuflor

lieber erkrankt zu wissen, alS die einzige, schöne Minna. — Au seiner großen Freude kehrte sie jetzt zurück, und kein Gedanke mehr an Krankheit oder Ver­ druß in ihrem heitern Gesichtchen. —

12.

Luch

als die Tafel schon

aufgehoben war,

ließ der Pastor Minna noch immer nicht von der Seite.

Der Medicinalrath näherte sich ihnen,

und dachte bei beisammen

sah:

der Eintracht, Nimmemiehr

in welche? er sie hatte

ich dem

36i

Weltkinde von Mädchen so viel geistliches Blut zugetraut! Denn das wird ein Pärchen, dafür bürge ich. Bald aber,-und zwar noch ehe es zum Kaffeetrinken kam, ergab sich's, daß die kleine Arglist nicht nur ihn, sondern hauptsächlich auch den Pastor mit ihrer jetzigen traulichen Unbefangen­ heit hinter das Licht geführt hatte. Sie wollte nämlich den Freier gern damit sicher machen, um seine zudringliche Zärtlichkeit, die sich vorhin sehr vor dem Augenschließen hütete, desto geschwinder abzufertigen. Dem Medicinatrathe sielen die Schuppen schon vom Auge, da jetzt, wie eben der Werber seine Augen bei einer recht süßen Schmeichelei völlig zumachte, die Tochter ihn bedeutend anstieß, als wolle sie sagen: Still, ganz still, Väterchen, denn er muß gar nicht merken, daß man ihn beobachtet, damit er fortfahrt in seiner mir für heute gar. lieben Gewohnheit, und man hernach auf Einmal das Facit Vier ziehen kann! Minna erreichte dadurch auch ihren Zweck völlig. Ganz kurz hinter einander schloß der

Pastor die drei ihm noch übrigen Male seine Augen und sich hiermit selbst aut von Uller fernern Werbung um bat holde Kind. — Zwar wollte er, alt Minna beim v-erterr Augenschließen ihm mit einer artigen Verbeugung die Summe auf Einmal vorhielt, die Exreption machen, daß man ihn zuvor billig hätte erin­ nern sollen. Aber Minna äußerte mit vieler Höflichkeit, daß sie hierzu keine Verpflichtung übernommen habe. Uebrigent bezog sie sich det Beweises wegen auf ihren Vater, der ihn mit einem Achselzucke» abfertigte. Auch der zweite Konkurrent um Minnas Hand hatte, wie der Major, nunmehr genug, seine drei Tassen Kaffee aber wartet* er doch noch ab, ehe er sich entfernte. 13-

Muthiger, alt gewöhnlich in seiner Liebe, näherte sich Werner jetzt Minna, und drückte ihre Hand an seine Lippen und sonnte sein verlan­ gendet Herz in dem milden Strahle ihres blauen Auges.

Z6Z

©ott — dachte er — wenn diese Hand und dieses Auge mein werden sollten! Mein! — Au» gleich versank er in die Betrachtung von Minna'« goldenem Haar und sagte zu sich:

Nein, solch

ein Haar giebt e« nicht mehr auf dem ganzen weitm Erdenrunde, und die Locke, welche ich de» sitze, wird den Brwei«, daß sie auf diesem Köpf» chm gewachsen ist, schon durch ihr bloße« Er­ scheinen führen. Bereit« in Begriff nach dem Kleinod selbst auf sein Zimmer zu gehen, zögerte sein Fuß immer wieder.

Wenn schon dir Wbm offenbaren Be­

werber um Minna'« Hand «typftrtigt waren, so war dadurch gegen da« Bewerben um sie über­ haupt noch gar wenig geschehen.

Bielmehr dräng,

ten sich einige sehr artig« jung« Männer so eben recht emsig an sie heran, und fanden auch recht artige Aufnahme bei ihr. Ein einziger Augenblick vermag oft ungeheuer viel — dachte der Doktor — und wer weiß, ob du noch vor Thorschluß mit deiner Locke zurück» kehrest? Endlich aber faßte er wirklich «in Her; und

3*4

eilte auf fein in der That entlegene- Zimmer. Doch wie starrte, al- er fein Pult ausgeschlossen, fein Auge die Stelle an, wo die Locke liegen sollte und — nicht lag. Ein Verlegen dersel­ ben von feiner Seite konnte nicht Statt finden; denn al- er vor Tische da- Pult zuschloß, hatte fein Blick noch zuvor lange an der schinen Beute gehangen. Er war um so mehr außer fid), da er gar nicht weiter daran zweifelte, daß mit der Locke selbst ihm auch der Beweis gegeben war, wem sie gehörte. Wer, wer hatte diese- Bubenstück begangen, da im Pulte auch gar nicht- fehlte, al- sein liebster, sein einziger Schatz, die Haarlocke? So­ gleich schwankte sein Argwohn -wischen einigen jungen Männern, von denen, welche Minna eben umlagerten. So gut wie er, hatten sie den Aus­ spruch der Schinen über Tische gehört. Er hatte mit dem einen den alten Philipp heimlich sprechen sehen, denselben Bedienten, der ihn, den Doktor, zu Tische geholt und ihn beim Küssen der Locke betroffen hatte. Ja — rief Werner au- — der alte Philipp,

dir ist bet Verräth« I Zwar hält man den Kerl für die Ehrlichkeit und Treue selbst. Ader wie Siele hat man nicht schon gleiches Zutrauen« ge» würdigt, die am Ende doch Schurken waren! — * 4*

Mit solchen Gedanken ailte Werner die Treppe hinunter in den Gesellschafttsaal. Niemand in diesem Augenblick beachtend, al« den Alten, schrie er: Philipp, wa« hast du mir au« dem Pulte genommen? — Dazu packte er den zitternden Mann heftig an der Brust. Alle« sprang herzu. Lieber Werner — rief Minna, erschrocken sich hindurchdrängend — wa« fehlt Ihnen denn? Diese Motte und die Gesicht» sämmtlicher Anwesenden, die er auf sich haften sah, bracht« ihn wieder zur Besinnung. Er schlug sich vor die Stirn, und seine bittende Mime deutete Minna an, daß er ihr alle« zu eröffnen denke. Darauf schlüpfte sie mit ihm hinweg von den Uebrigen in ein offenstehende« Nebenzimmer. Mein Fräulein — begann er — wa« werben

Sit sagen, Sie, di« Sie Sich meiner eben so großmüthig annahmen, wenn ich dir Erklärung bet schreienden Unschicklichkeit, welche mein empör­ te- Gefühl sich eben erlaubte, mit einem Wage­ stücke einleiten muß, da- — wie zittre ich vor dem Gedanken! — da« mich vielleicht auf immer au- Ihren Augen verbannt. Lieber Werner — versetzte Minna theilaehmend, indem sie einen Schritt zurücktrat — Sie find in einem sehr leidenschaftlichen Zustande. Sammeln Sie Sich und tragen Sie mir dann alle- ruhig vor. Alle«! — erwiederte er — ja! — Nur mit Ruhe wird'« nicht gelingen. — Ein Zusammen, treffen seltsamer Umstände reißt mir jetzt «in Geständniß au- der Brust, zu dem mir zeither der Muth gänzlich fehlte: Minna, ich liebe Sie! Ein Purpurschein überstrahlte plötzlich deMädchen« Gesicht, während ihr leuchtmdr- Auge den Bodtzp suchte. — Werner fuhr fort- Nur meine unendliche Liebe kann ein Vergehen mtschuldigen, da- ich diesen Morgen gegen Sie beging; daher mußte

ich nothwendig mit ihr anfangen. Ich fand Sie im Gartensaal» entschlummert, und wagt» — mit der Scheerr, welche vor Ihnen lag, »in« Locke diese- Haares zu raube«. Philipp, alt er mich zur Tafel rief, fand mich grade, wie mein trun­ kene» Herz den Schatz betrachtet«. Ich erschrak heftig, verschloß ihn und ging. — Und nun, wie ich jetzt hinaufeil«, um mich de- theuern Besitzes wieder zu erfreuen, liegt alle« in meinem Pulte ungrstärt, nur di« Lock« ist daraus ver­ schwunden. — Denken Sie Sich, Minna, dazu, was Sie tot Kurzem erst dem Besitzer einer Ihrer Locke» verheißen habe», und daß der treulose Philipp mich zuverlässig verrieth und die Lock« einer Hand schändlich verkaufte, welch« nun damit auf Ihre Hand' Ansprüche gründen wird-----Sehen Sie wohl — sagte Minna mit auf­ gehobenem Finger — wie die Vergehungen sich selbst bestrafen! Sie beraubten mich einer Locke, um damit — alle Hoffnung auf Erfüllung Ihrer Wünsche durch mich, für immer zu verlieren! — Minna — rief Werner in der heftigsten Lei-

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benschast — so könnten Sie wirklich Ihre ganze Ankunft jedem zueignen, der sich auf den Besitz jener Locke zu berufe« vermöchte; auf einen Besitz so unrechtmäßig, wie dieser? War der Ihrige vielleicht rechtmäßiger) ent­ gegnet» Minna. Sa wallten Sie — wiederholt« Werner — einem so bösen Zufalle da« ganze Glück Ihre« Leben« überlassen? Und wer ist Schuld daran, wenn'« geschieht? Ohne Ihr Vergehen van diesem Margen könnte mein Ausspruch über Tische auch mir keine Gefahr bringen. O Galt, Gatt I rief Wemer in Berzweiflung. Beruhigen Sie Sich, mein Freund, sagte hierauf Minna. Wie wenn Philipp die Locke, welche er als die meinige erkannt, der rechtmäßigm Eigrnthümerin zurückgestellt hätte? — Viel­ leicht ist e< so! fuhr sie fett, al« er, Furcht und Hoffnung zugleich in seiner Miene, sie anschauete. Wenigsten« hat mich Philipp von der Gefahr brsteit, welche mein« voreilige Zusage mir drohet».

Z6(Werner drückte Lippen.

ihre Hand heftig an feine

Minna — so rief er dann — da- Ge-

ständniß ist heran-;

Ihnen kommt eS nun zu,

mein Urtheil zu sprechen. Sie sprach eS mit einem Drucke ihrer Hand und einem Blicke, der ihn so wenig im Zweifel ließ, daß er ihr sogleich einen Kuß auf die Lip­ pen drückte. Das jetzt ausbrechende Geräusch sagte, daß sie durch die Thürspalte beobachtet worden waren. Ei, sieh doch, rief der Medicinalrath, mit Mehren hereintretend, hat der vielleicht eine Locke von dir auszuweisen? Allerdings! antwortete Minna. So ist — versetzte ihr Bater lächelnd — meine Einleitung vom Heirathen diesen Morgen nicht vergeben- gewesen. Und — sagte Minna Abends bei Tische, wo sie mit dem Medicmalratbe und dem Verlobten allein war — glaubten S:e wobl, lieber Werner, daß ich schon, als wir uns zur Mittagstafel setz­ ten, von Ihrem Lvckrnraube nw£tt