Die Haftung des Besitzers nach den §§ 989 - 993 BGB: Ein Beitrag zur Lehre vom Eigentümer-Besitzerverhältnis [1 ed.] 9783428408412, 9783428008414


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German Pages 124 [125] Year 1965

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Die Haftung des Besitzers nach den §§ 989 - 993 BGB: Ein Beitrag zur Lehre vom Eigentümer-Besitzerverhältnis [1 ed.]
 9783428408412, 9783428008414

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WALTER ERICH KRAUSE

Die Haftung des Besitzers nach den§§ 989-993 BGB

Berliner Juristische Abhandlungen unter Mitwirkung von

Walter G. Becker, Karl August Bettermann, Hermann Blei, Arwed Blomeyer, Gustav Boehmer, Martin Drath, Erich Genzmer, Ernst Heinitz, Heinrich Herrfahrdt, Ernst E. Hirsch, Götz Hueck, Hermann Jahrreiß, Wolfgang Kunkel, Richard Lange, Peter Lerche, Walter Meder, Dietrich Oehler, Werner Ogris, Ludwig Schnorr von carolsfeld, Erwin Seidl, Karl Sieg, Klaus Stern, Wilhelm Wengler, Fritz Werner, Franz Wieacker, Herbert Wiedemann, Hans Julius Wolff (Freiburg i. Br.)

heraalgegeben von

Ulrich von Lübtow

Bandll

Die Haftung des Besitzers nach den §§ 989-993 BGB Ein Beltrag zur Lehre vom Eigentümer-Beaitzerverhlltnll

Von

Dr. Waller Erich Krause

DUNCKER & HUl\IBLOT I

BERLIN

Gedruckt mit Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk

Alle Rechte vorbehalten

@ 1965 Dunelter & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1965 bel Alb. Sayffaerth, Berlln 61 Printed in Germany

Meinen Eltern W alter und Charlotte Krause gewidmet

Vorwort Spätestens mit Martin Wolffs "Recht zum Besitz" (1903) setzte eine weit um sich ,greifende Diskussion über mannigfache Probleme des Eigentümer-Besitzerverhältnisses ein. Sie wurde zwischen den Kriegen besonders lebhaft und auf einen gewissen Höhepunkt geführt, brach 1941 mit Sibers letzter Schrift ab und ist, trotz oder vielleicht auch wegen Raisers glänzender Attacke (1952), nicht mehr so recht in Gang gekommen. Denn die Ansicht überwiegt, es sei doch bereits alles gesagt, was 7JU diesem Fragenkreis vorgebracht werden könne, die gegensätzlichen Auffassungen in der zentralen Frage nach dem Verhältnis zwischen dinglichem und schuldrechtlichem Herausgabeanspruch müßten letztlich doch unüberbrückbar bleiben, weil nämlich die gesetzliche Regelung "Uillglücklich", wenn nicht sogar fehlerhaft, sei. Darin nämlich liege der Grund für die Schwierigkeiten. Es besteht jedoch kein Anlaß, diesen unfruchtbaren Pessimismus vorbehaltlos 7JU teilen. Von den Schadenersatzansprüchen der §§ 989 bis 993 BGB ausgehend, und in den Einzelfragen auch auf sie beschränkt, versucht die vorliegende Untersuchung die Systematik aufzuzeigen, die jenem unüberbrückbar scheinenden Gegensatz und mit ihm den meisten der Streitfragen den Boden entzieht. Denn die Bestimmungen des BGB über das Eigentümer-Besitzerverhältnis stellen gerade keine verfehlte, sondern eine durchaus systematisch sinnvolle Regelung dar. Die Arbeit lag der juristischen Fakultät der Ludwigs-MaximiliansUniversität zu München als Dissertationsschrift vor. Herr Professor Dr. Dr. hc. Wolfgang Kunkel hatte als Doktorvater in seiner unnachahmlichen Art, die jenes besondere Vertrauen und Zutrauen vermittelt, den Mut gegeben und immer wieder genährt, den so oft behandelten Komplex doch noch einmal zu überdenken. Dafür, sowie für seine mannigfache und weitgehende Förderung, auch zur Erlangung des Druckkostenzuschusses, schulde ich ihm allen Dank. Herrn Professor Dr. Ulrich von Lübtow habe ich für die Aufnahme der Dissertation in die Reihe "Berliner Juristische Abhandlungen" zu danken, der Stiftung Volkswagenwerk für die Gewährung eines Druckkosten7JUschusses.

Vorwort

8

Gern sage ich an dieser Stelle schließlich herzlichen Dank meiner lieben Frau Elfi für ihr Verständnis auch für diese zeitraubende Arbeit und für ihre wertvolle Mithilfe. Obwohl selbst beruflich voll beansprucht hatte sie mir die technischen Dinge, vom Schreiben des Manuskriptes bis zum Korrekturenlesen, abgenommen. München, im Jahre 1965

Dr. W alter Erich Krause

Inhaltsverzeichnis Die Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erstes Kapitel Grundlagen § 1. Die Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Der Stand der Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die eigene Methode.. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. § 2. Die Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht

19 19 19 22

23 I. Die Funktion der §§ 989 ff. .. .. . .. .. . .. . .. .. . . .. . .. .. . . .. .. .. . 23 A. Inhalt des Herausgabeanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a) Römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 b) Gemeines Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 c) Partikularrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Ziel des Herausgabeanspruchs .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Anspruchsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Ziel des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Erlöschen des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Inhalt der Schadenersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. §§ 989, 990 I, 991 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. § 992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. §990II ......................... . .. .. .................. 28 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Vorschriften mit vergleichbarer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu den §§ 275 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 A. Rechtsnatur des Herausgabeanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Stand der Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) §§ 985, 986 als schuldrechtlicher Anspruch? . . . . . . . . . . . . 30 b) §§ 985, 986 als dinglicher Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (1) Bedeutung des § 990 II .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. 31 (2) Herausgabeanspruch und Zwangsvollstreckung . . . . 32 (3) Ziel des Herausgabeanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (4) Inhalt des Herausgabeanspru,::hs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 (5) Persönliche Haftung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . 33 (6) Das ~gument aus§ 194 .......................... 33 c) Die Lehre Peters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Der eigene Standpunkt .. .. .. .. .. . . .. .. . .. .. . .. . .. .. . .. .. 35

10

Inhaltsverzeichnis a) b) c) d)

Der Verpflichtete nach §§ 985, 986 ist kein Schuldner. . . . Der Begriff der Unmöglichkeit .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Der Eigentums- als Sachvertolgungsanspruch . . . • . . . . . Nur ein dinglicher, dagegen mehrere schuldrechtliche Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis ..... .... .............. ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsnatur der Vorschriften über Unmöglichkeit und Verzug nach den §§ 275 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. §§ 275 ff. und das allgemeine Anspruchsrecht . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der §§ 275 ff. .. . .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. . 3. Die Unterschiede in den Tatbestandsvoraussetzungen zu den §§ 989 ff. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . . .. .. .. 4. Die eigenen Folgerungen .. . . . .. . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die systematische Stellung der §§ 989 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 36 36 37 37 38 38 38 39

40 42

42

Zweites Kapitel Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu anderen Leistunpstörungsanspriidlen § 3. §§ 989 ff. und das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Heraus-

gabeansprü.chen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Das Verhältnis zwischen dinglichem und deliktischem Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Konkurrenzfall . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . . .. .. .. . .. .. B. Die Konkurrenz des dinglichen mit dem deliktischen Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre Sibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . b) Natur des Deliktsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Delikts- und Vertragsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Delikts- und Eigentumsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Kritik der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung Siber s .. . . . ... . .... . . . . . . ... . . .. . . , . . . . . . . 3. Die eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Anliegen Sibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung der h. M. .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die eigene These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Bedeutung des § 992 . . .. . . . . . . . .. .. .. .. .. . . . . . . . .. . . . . . 1. Die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . a) Widerspruch zu entsprechenden Regelungen . . . . . . . . . . b) Widerspruch zur Systematik der §§ 989 ff. . . . . . . . . . . . . 3. Die eigene Auslegung des § 992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschicllte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 45

46 46 46 46 47 47 47 47 47 48 48 48 48 49 49 49 49 49 49 50 50 51 a) Motive . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (1) Auslegung durch die h. M. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . . .. . 51 (2) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (3) Eigene Auslegung . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. 52

Inhaltsverzeichtrls (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

b) Protokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Denkschrift • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . •

d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wortlaut des § 992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entscheidung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des Gutgläubigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Fall des redlichen Besitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Fall des Besitzers bei Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs . . . ..... .. ........ . . .. ......... . -. . . . . . . c) Der Fall des bösgläubigen Besitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eigentumsverletzung bei Besitzentzug auch ohne verbotene Eigenmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .(2) Die Ansicht Breuers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Merkmal "ohne seinen Willen" in§ 858 . . . . . . . . aa) Kritik an der Forderung nach einem rechtsgeschäftlichen Willen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Argumente Zitelmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Argumente Raapes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Auslegung des § 992 in Literatur und Rechtsprechung. . .... A. Die herrschende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . 1. Das "ar gumentum e contrario" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlegung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spaltung der h. M. bezüglich der Funktion des § 992.... (1) § 992 als selbständige Anspruchsgrundlage . . . . . . . . aa) § 992 als deliktischer, deliktsähnlicher oder als Eigentumsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik an der Lehre von § 992 als selbständiger Anspruchsgrundlage . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . cc) Ablehnung dieser Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 992 als Abgrenzungsnorm . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . aa) Darlegung dieser Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen aus dem "argumentum e contrario" . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluß des § 826 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Lösungsversuch Pryms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Begründung der h. M. .. .. .. . .. .. .. . .. . .. .. .. . (3) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exzeß des Fremdbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lösungsversuche der h. M. am Beispiel des Exzesses des Fremdbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchbrechung des Grundsatzes vom Ausschluß des Deliktsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) aus Gründen der Billigkeit, jedoch "contra legem" (2) als "Randberichtigung" des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . b) Beschr änkung des § 992 auf den Eigenbesitzer . . . . . . . . (1) Die Lehre von Dietz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik an den Lösungsversuchen der h . M. . . . . . . . . . . . .

11 53 53 53 53 54 54 54 54 55 55 55 56 56 56 57 57 58 58 59 59 59 60 60 60 60 60 61 61 61 62 63 64 64 64 65 65 65 65 65 65 66 66 66 66 66 66 67 68

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Inhaltsverzeichnis B. Die älteren Gegenmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ansicht von Lent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ansicht von Stutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die jüngeren Gegenmeinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ansicht von Berg u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ansicht von Hefermehi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 4. §§ 989 ff. und das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Der Stand der Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der Konkurrenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stellungnahme in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 1. Die eine Konkurrenz ablehnende Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Lehre Sibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lehre Raisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen dieser Lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Zusammentreffen der Leistungsstörungsansprüche der dinglichen und persönlichen Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Lösung des aktuellen Problems: Gegenansprüche des Werkunternehmers wegen Verwendungen . . . . . . . . . 2. Die h. M., die eine Konkurrenz annimmt . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darlegung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Folge: §§ 989 ff. auch bei rechtmäßigem Besitz möglich, Ausschluß jedoch erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sind die persönlichen Leistungsstörungsansprüche leges speciales zu den §§ 989 ff.? . . . . bb) Besteht zwischen ihnen Tatbestandsverschiedenheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Subsidiarität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zweite Folge: Wer ist rechtmäßiger Besitzer? . . . . . . . . . (1) Der "nicht-so-berechtigte Besitzer" . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gleichsetzung mit dem nichtberechtigten Besitzer bb) Die Lehre WoZtfs . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der "nicht-mehr-berechtigte Besitzer" . . . . . . . . . . . . aa) Keine Anwendung der §§ 989 ff.? . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Ansicht d~r h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgen der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vindikationsanspruch ohne Leistungsstörungsrecht? . . . .

68 68 68 69 70 71 71 71 72 72 72 72 73 73 73 73 75 75 75 76 76 76 76 76 76 77 77 77 78 79 79 79 81 81 81 82 82 82 82 82 82 83 83 83 83

Inhaltsverzeichnis b) Die Fälle, in denen der Tatbestand des Herausgabeanspruchs. nicht aber seiner .,Nebenansprüche" gegeben sein soll . .. . . . .. .. . .. .. .. .. .. . .. . . . . . .. .. .. .. .. .. . .. .. (1) Die Lehre Scherks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die herrschende Einwendungstheorie . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Konkurrenz zwischen dinglichem und persönlichem Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vindikation und Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Aktivlegitimation des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die widerstreitenden Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Ansicht Raisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wortlaut der §§ 985, 986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Wesen des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schranken des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Eigentumsverletzung als Voraussetzung für die Vindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Stand der Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Ansicht Raisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme ................. : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kritik der h . M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleich mit der Lehre Raisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Verhältnis des Eigentümers zu seiner Sache . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff des .,Rechtsverhältnisses" nach h. M. . . . . . . . . . a) Beziehung zwischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beziehung zwischen Personen und Sache . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Bedenken gegen die h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Recht .,an" einer Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenargumente gegen die h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Beteiligung des Objektes am Rechtsverhältnis (2) Die beschränkt dinglichen Rechte an herrenlosen Sachen . . ... . ................. .. ... ....... ........ (3) Der dingliche Anspruch . .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . .. . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein dinglicher Herausgabeanspruch bei bestehendem Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Umfang der schuldrechtlichen Vereinbarung . . . . . . . . a) bei nichtberechtigtem, . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . .. . . .. . b) bei nicht mehr berechtigtem Besitz ...... . : . . . . . . . . . . 3. Er gebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . III. Die Konkurrenz der Leistungsstörungsansprüche .. .. . . . . ...·. . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

84 84 85 86 86 86 86 86 86 87 88 88 88 88 89 89 90 90 90 90 91 91 91 92 92 92 92 92 92 93 93 93 93 94 94 95 95 96 96 96 96 96 97 97 97 98 98

14

Inhaltsverzeichnis Drittes Kapitel Das Verhältnis der §§ 989 ff. zum Deliktsrecht

§ 5. Die Bedeutung des § 993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

I. Die Auslegung des § 993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Deutung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Gegenansichten ........................................ 1. Ausschluß der Deliktshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Ausschluß der §§ 823 ff. .. . .. .. .. . .. . .. . .. . . . .. .. .. . C. Stellungnahme . . ....... ......... . . .... ... ........... . . . ...

101 101 101 102 102 102

II. Die Funktion des § 993 .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. . . . .. .. .. .. .. . A. Das Haftungsprivileg des Gutgläubigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Beschränkung auf den Eigenbesitzer ........ . ..... B. Der Sinn des § 993 • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 103 103 104

111. Die eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 § 6. Der Exzeß des Fremdbesitzers • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A. Der typische Sachverhalt .............. . ............ . ...... 106 B. Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. §§ 989 ff. nur bei unrechtmäßigem Besitz ... ....... . ..... 107 2. §§ 989 ff. auch nicht bei Umwandlung von rechtmäßigem Eigen- in unrechtmäßigen Fremdbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 C. Die Exzeßfälle ............................................ 109 II. Die Lösungsvorschläge in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . llO A. Anwendung der §§ 989 ff.? .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. 110 B. Anwendung des § 823? .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. 110 1. Darlegung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Ablehnung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Systematische Gründe ........................... .. ... 111 b) Unbillige Folgen .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. . . .. . 111 c) Sinn des § 993 ................... . ................... 112 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Zusammenfasung ................. . ............ . ..... . ..... 112 Ill. Die entsprechende Anwendung der §§ 989 ff.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 A. Die entsprechende Anwendung des § 991 II? . . . . . . . . . . . . . . . . 112 B. Die entsprechende Anwendung der §§ 989, 990 . . . . . . . . . . . . . . 113 C. Die eigene Ansicht .................... . ................... 114 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Das Ercebnls ..... . ........•..• . .. .. ... .. ............................. 116 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • 118

Abkürzungsverzeichnis a.A. AcP

a.E. allg.M. AllgSchuR and. Bem.

bes.

BGH BGHZ Cic. Cod.

D.

DGWR Dig. Enneccerus Erman

Gai Gruch GSZ Hbd. h.M. JhJ JR JW

JZ LM LZ m.A.

anderer Ansicht Archiv für die civilistische Praxis (Band und Seite) amEnde allgemeine Meinung Schuldrecht, Allgemeiner Teil anders, anderer Bemerkung besonders Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band und Seite) Cicero Codex Digesten Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht (Jahrgang und Seite) Digesten Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, begründet von Ludwig Enneccerus, Theodor Kipp und Martin Wolff. Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch von Walter Erman. Gaius Gruchots Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts (Band und Seite) Großer Senat in Zivilsachen Halbband herrschende Meinung Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Band und Seite) Juristische Rundschau (Jahr und Seite) Juristische Wochenschrift (Jahrgang und Spalte) Juristenzeitung (Jahrgang und Seite) Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring (Entscheidungsnum.mer und Gesetzesstelle). Leipziger Zeitschrift (Jahr und Spalte) mit Anmerkung

16 MDR m. w. N. N.

NJW

OGH OGHZ OLG Palandt

Planck

Pand. pro Muren. RE RG RGRK RGZ Schlegelberger-Vogels

Soergel-Siebert

SR Staudinger

st.Rspr. Übl.

Ulp. Vbm. VersR Windscheid-Kipp

ZHR

zsst

Abkürzungsverzeichnis Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahrgang und Seite) mit weiteren Nachweisen (Fuß-) Note Neue Juristische Wochenschrift (Jahrgang und Seite} Oberster Gerichtshof für die britische Besatzungszone Entscheidungen des OGH (Band und Seite) Oberlandesgericht Bürgerliches Gesetzbuch u. a. Kurz-Kommentar begründet von Otto Palandt, bearbeitet von Bemhard Danckelmann, Hans Gramm, Ulrich Hoche, Wolfgang Lauterbach und Ludwig Rechenmacher. Planck's Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz Pandekten M. Tulli Ciceronis pro L. Murena oratio Pauly's Real-Enzyklopädie der classischen Altertumswissenschaft. Herausgegeben von Georg Wissowa. 1. Hbd. 1893. Reichsgericht Kommentar, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Erläuterungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch und zum neuen Volksrecht. Kommentar, herausgegeben von Franz Schlegelherger und Wemer Vogels, 1939. Soergel's Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen Sachenrecht J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen ständige Rechtsprechung überblick Ulpian Vorbemerkung Versicherungsrecht (Jahrgang und Seite) siehe Literaturverzeichnis unter Kipp Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht (Band und Seite). Zeitschrift der Savigny-Stiftung (Romanistische Abteilung) (Band und Seite)

Die Aufgabe Die §§ 989 ff.l gelten als eine unglücklich gefaßte und daher unübersichtliche Regelung1• Sie werden in Literatur und Praxis unverhohlen mit Unbehagen betrachtet. Das ist verständlich, wenn man sich die Fülle der Streitfragen vor Augen führt, zu der ihre Auslegungs führt. Bei näherer Betrachtung kann man jedoch die einschlägigen Probleme im wesentlichen in drei Frag~nkreise einordnen: Es wird darüber gestritten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das allgemeine Schuldrecht ergänzend zu den §§ 989 ff. auf den Eigentumsanspruch anwendbar ist4• Dazu zählen zum Beispiel die bekannten Fragen, ob der Eigentumsanspruch abgetreten werden kann, ohne daß zugleich das Eigentumsrecht auf den Zessionar übertragen wird5, unter welchen Umständen der Eigentümer nach rechtskräftiger Verurteilung gegen den säumigen Besitzer nach § 283 vorgehen kann•, und inwieweit er einen Anspruch auf Ersatzherausgabe des Surrogates für die Sache (§ 281), insbesondere auf den Verkaufserlös, hat7. Zum anderen ist man über die Anwendbarkeit des Bereichungs- und des Deliktsrechts, sowie der Vorschriften über unerlaubte Geschäftsführung neben oder an Stelle der §§ 989 ff. uneinig. 1 Paragraphen ohne weiteren Zusatz sind solche des BGB. z Westermann, § 31, I 2; Wolff-Raiser, § 85 I; von Lf.szt, 17 hält die Vorschriften zum Teil sogar für "direkt falsch". Treffend Münzel, NJW 61, 1377. s Zur Rechtsnatur der §§ 987 ff. vgl. Wolff-Raiser, § 85 IV; Etchier, 11/1, 209. . ' Dazu eingehend Horstmann, 1 ff.; zu § 251 vgl. BGH NJW 64, 2414. 5 Für die Abtretbarkeit: Oertmann, AcP 113, 51 ff.; Raape, JhJ 71, 120; Heck, Sachenrecht Exkurs 3; Horstmann, 58 ff.; Staudinger-Berg, § 985 Anm 9 d. . Dagegen: von Tuhr, § 15 IX; Planck-Brodmann, § 985 Anm 3; Westermann, § 30 I 3; Lent, Sachenrecht § 39 VI; Wolff..,Raiser, § 84 VI 3; Larenz, Allg. T. § 14 III .c Note 2 auf Se.i te 164 fl, Aufl.). • Vgl. dazu Horstmann, 52 ff.; Woiff-Raiser, § 84 VI 2; Westennann, § 30

III 1.

7 Für die Anwendbarkeit des § 281: J. v. Gierke, ZHR 111, 67 ff., SR § 36 VII; Dölle, RG-Festschrift 111 22 ff.; Enneccerus-Nipperdetl, § 223 Note 10, Peters, AcP 153, 464; Erman-Hefermeht, § 985 Anm 7; Unklar Staudinger-Berg, § 985 Anm 4. Dagegen: Horstmann, 44 ff.; Siber, JhJ 89, 39; Wolff-Raf.ser, § 84 VI 1; Westermann, § 31 IV 4; Baur, Sachenrecht § 11 CI 3a, bb; Larenz, Allg. T. § 20 I b Note 1 (Seite 241 der 7. Aufl.).

2 Kraue

18

Die Aufgabe

Was §§ 823 ff. anlangt, so folgert man aus § 992, aus § 993 oder aus beiden Bestimmungen, daß die §§ 989 ff. ausschließlich gelten8 • Andere halten das Gegenteil für richtig, sind untereinander aber über Umfang und Folgen des Nebeneinanders der Ansprüche uneins•. Schließlich fragt man, ob die §§ 989 ff. mit anderen persönlichen Rückgabeansprüchen zusammentreffen10• Damit sind nicht nur Ansprüche aus schuldrechtlichen Verträgen gemeint (z. B. §§ 556, 581 II, 604, 695), sondern auch die aus §§ 1055, 1093, 1223 und andere11• Aus diesem Fragenkreis wird zur Zeit vor allem erörtert, ob dem Werkunternehmer, der eine dem Besteller nicht gehörige Sache repariert hat, gegen den Eigentümer Verwendungsansprüche (§§ 994 ff.) zustehen, und er ein Zurückbehaltungsrecht nach§ 1000 ausüben kann12• Die vorliegende Untersuchung greüt nicht jedes dieser Probleme gleichsam pl.lnktuell auf. Zunächst wird vielmehr nach den Ursachen gefragt, auf die jenes Unbehagen in diesem Bereich der Lehre vom Eigentümer-Besitzerverhältnis zurückgeht, und damit gleichzeitig versucht, den dogmatisch richtigen Ansatz für die Lösung der Streitfragen aufzuzeigen. Erst danach und von einer so gesicherten Grundlage aus kann zu den einzelnen Problemkreisen Stellung genommen und festgestellt werden, inwieweit tatsächlich eine Kritik an der Regelung der §§ 989 ff. berechtigt ist. In diesem Zusammenhang waren auch die §§ 992 und 993 eingehend zu untersuchen und auf das Verhältnis von dinglichen zu schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen, sowie auf die Lehre vom sog. Exzeß des Fremdbesitzers einzugehen.

s Dazu Lent, 257-266; Schmidt, 177; Stutz, 23 f.; Dietz, 195 f.; WesteTmann, § 31 III 1 ff.; vgl. Obersicht bei ETman-HefeTmehl, Anm 13a vor §§ 987 ff., sowie unten § 3. e Stutz, 30 ff. 1o Gegen die ganz h. M. schon SibeT, Rechtszwang 121, 125 ff.; neuerdings RaiseT, Eigentumsanspruch 123 ff. u SibeT, JhJ 89, 26 ff.; insbes. S. 28 Note 1; Raise'l', Eigentumsanspruch

128 Note 19. 12 BGHZ 27, 317, 318 ff. mit einem eingehenden Überblick über Literatur und Rechtsprechung; sowie FiTsching, AcP 162, 440 ff.; FuTtneT, MDR 62, 95.

1. Kapitel

Grundlagen § 1. Die Methode I. Der Stand der Untersuchungen Eine monographische Untersuchung der §§ 989 ff. liegt nicht vor1 • Ausführliche Erwähnung finden die Vorschriften in Arbeiten mit einer weitergehenden Aufgabenstellung, insbesondere in solchen, die über Anspruchs- oder Gesetzeskonkurrenz2 oder über die systematische Einordnung des Herausgabeanspruchs handeln3 • Im übrigen werden die §§ 989 ff. immer dann erörtert, wenn es gilt, ein spezielles Problem zu lösen, das mit ihnen zusammenhängt. In diesen Fällen erscheint es notwendig, auf das Wesen dieser Ansprüche einzugehen'.

n.

Kritik

So wurden die Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. immer nur unter jeweils speziellen Gesichtspunkten betrachtet. Es fehlt eine Untersuchung, die von der Bedeutung der Vorschriften im System ausgeht und nicht umgekehrt von einem bestimmten Blickwinkel her die Stellung der §§ 989 ff. zu ergründen versucht. Das soll nicht heißen, daß die bisherigen Betrachtungen untauglich gewesen wären, das Wesen der §§ 989 ff. darzustellen. Praktisch ist es ja gerade das Verhältnis zu anderen Vorschriften, aus dem die Hauptt Die einschlägigen Dissertationen sind, soweit erreichbar, im Literaturverzeichnis angeführt. Rechtsvergleichend Kremhelmer, Die Regelung des Herausgabeanspruchs und der Nebenansprüche im französ. und deutschen Zivilrecht. Münchener Diss. 1965. ll Prym (1906); Lent (1912); Schmidt (1915); Dietz (1934). s Siber, Rechtszwang (1903), Passivlegitimation (1907), JhJ 89, 1 ff. (1941); Raiser, Eigentumsanspruch (1952). 4 z. B. Schulze, Gruch 64, 400 ff.; Imlau, MDR 57, 263; Müller, Festschrift für Lent 1957, 179; Schönfeld, JZ 59, 301; Donau, NJW 61, 10; Furtner, MDR 62, 95; Firsching, AcP 162, 440ff.; Hassinger, NJW 1957, 1268; Donau, NJW 58, 2051. 2•

20

§ 1.

Die Methode

problerne erwachsen. Folglich erscheint es z. B. sinnvoll, sie im Rahmen der Konkurrenzfrage zu betrachten. Aber es muß bezweifelt werden, ob eine der Mathematik angenäherte Technik, die die gesetzlichen Bestimmungen in ihre Bestandteile zerlegt und diese zueinander in Beziehung setzt, der richtige Ausgangspunkt ist, den Kern der Probleme bloßzulegen. Ausschlaggebend kann doch nicht allein, "wie das verwickelte Spiel der Anspruchskonkurren zen manchmal glauben machen könnte" 5, der Vergleich einzelner Vorschriften oder gar einzelner Tatbestandsmerkmale sein. Sondern man muß nach Sinn und Zweck der ganzen, zusammenhängenden Regelung der §§ 989 ff. fragen, ihre Aufgabe innerhalb der Rechtsordnung feststellen und die Interessenabwägung beachten, die ihr bereits zugrunde liegt, wenn man den Schwierigkeiten auf den Grund kommen will. Diese Erfordernisse berücksichtigt mehr, wer die §§ 989 ff. im en· gen Zusammenhang mit dem Eigentumsherausgab eanspruch erörtert. Jedoch werden bei einer Untersuchung, die speziell auf ihn zugeschnitten ist, zwangsläufig die Probleme keine Rolle spielen, die nur die Schadenersatzansprü che und nicht auch den Herausgabeanspruch betreffen. Liegt der Nachteil dieser Betrachtung in der Unvollständigkeit, so erscheinen jene Methoden von vomherein nicht unbedenklich, bei denen von einem noch spezielleren Problem ausgegangen wird. Wer sich zum Beispiel um eine Lösung bemüht, wie der Fremdbesitzer zu haften habe, der über sein bestehendes oder vermeintliches Besitzrecht hinaus auf die Sache einwirkt (sog. Exzeß des Fremdbesitzers), ist von der Sache her auf das Verhältnis der §§ 989 ff. zu den Deliktsansprüchen festgelegt. Die Gefahr ist dann groß, die hier gefundenen Ergebnisse zu verallgemeinern und daraus Rückschlüsse auf das Wesen der Schadenersatzansprü che zu ziehen. Jede der seither verwandten Methoden ist also nicht so recht geeignet, allgemein gültige Aussagen für das Verhältnis der §§ 989 ff. zu anderen Vorschriften zu erbringen. Das beweist auch die bemerkenswerte Unsicherheit, mit der bei neu auftauchenden Problemen Beurteilungsmaßstäb e gesucht werden8 • Sie hat ihren Grund vor allem darin, daß noch wenig aufgewendet worden ist, die §§ 989 ff. in das System genauer einzuordnen. Man begnügt sich vielmehr in der Regel, sie als "Sondernormen" oder ähnlich zu bezeichnen. Das hatte aber nur anfangs seinen guten Sinn. Nach Inkrafttreten des BGB meinte man nämlich, das Gesetz habe das Eigentümer-Besitzer verhältnis in Raiser, Eigentumsanspruch 135 (in ähnlichem Zusammenhang). • Dazu treffend Raiser, JZ 61, 530 (rechte Spalte oben).

5

II. Kritik

21

den §§ 987 ff. abschließend geregelt. Es folge also nur diesen Vorschriften, unabhängig davon, ob auch andere Regelungen tatbestandsmäßig vorliegen. Diese Ansicht wurde aber wieder aufgegeben, weil mit Recht bald an der Ausschließlichkeit der §§ 987 ff. zu zweifeln war. Man erkannte nämlich, daß z. B. ein bestehender Vertrag zwischen Eigentümer und Besitzer eine Anwendung der §§ 987 ff. wenig sinnvoll macht7, bald darauf, daß man diese Regelung auch nicht losgelöst von den übrigen, insbesondere den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften betrachten könne8• Heute hat sich schließlich jener Grundsatz nur noch soweit gehalten, als einige meinen, die Ausschließlichkeit bestehe wenigstens gegenüber den gesetzlichen Schuldverhältnissen•, hauptsächlich gegenüber dem Deliktsrecht10• Aber selbst damit wird von den Anhängern dieser konservativen Richtung im Konfliktsfall nicht operiert. Im Zweifel gilt der Grundsatz nämlich regelmäßig nicht11• Als Folge dieser Entwicklung wäre eine Besinnung notwendig gewesen, welcher Platz nunmehr den §§ 989 ff. zukommt. Denn "Sondernormen" im ursprünglichen Sinn sind sie nach der modernen Auffassung eigentlich nicht mehr. Eine solche Besinnung ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr bezeichnet man trotz der neueren Erkenntnisse die §§ 989 ff. weiterhin als "Sondernormen" und vergrößert damit die Schwierigkeiten. Denn durch die einmütige Behauptung in Rechtsprechung und Literatur verführt, sieht man immer nur die Aufgabe, jene "Sonderstellung" der §§ 989 ff. zu erklären, ihre Bedeutung abzuschwächen oder zu modifizieren, wenn sich eigentlich Zweifel einstellen müßten, ob es sich überhaupt noch um eine "Sonderregelung" handelt. Bezeichnend dafür ist die in der neuesten Zeit bemerkbare Tendenz, die Regelung der §§ 987 ff. neu zu erklären. Man müsse, so heißt es12, das Eigentümer-Besitzerverhältnis losgelöst von den sonstigen Bindungen der Beteiligten als Regelung der rein sachenrechtliehen Vorgänge betrachten. Daher käme ihm ausschließliche Bedeutung zwar noch zu, aber nur dort, wo lediglich sachenrechtliche Vorgänge zur Beurteilung stehen. Wo zwischen den Parteien "besondere" schuldrechtliche Beziehungen bestünden, blieben Ansprüche hieraus unberührt. T Zweifelnd noch Prym, 66/87. s Vgl. Lent, 256. • Zur .Frage, ob in diesem Zusammenhang mit Recht von ,.gesetzlichen Ansprüchen" gesprochen werden kann, vgl. Peters, AcP 153, 459. 1o Daran hält insbesondere die Rechtsprechung fest, vgl. RGZ GSZ 163, 348, 352; BGH LM Nr. 8 zu § 985; und ständige Rechtsprechung. u Zum Beispiel wird für die Haftung beim sogenannten Exzeß des Fremdbesitzers allgemein § 823 angewendet, vgl. z. B. Staudinger-Berg, §993 Anm 3. 11 Vgl. dazu Staudinger-Berg, Vbm 8 vor §§ 987 ff.

22

§ 1.

Die Methode

Damit ist zwar die derzeitige Auffassung beschrieben, jedoch keines·· falls eine grundsätzliche Klärung erfolgt. Aus den alles verdrängenden hat man verdrängbare, aber doch wieder "Sondernormen" gemacht.

m.

Die eigene Methode

Die vorliegende Arbeit wählt einen anderen Weg. Es wird nach den Grundlagen gefragt und erst danach untersucht, ob die §§ 989 ff. überhaupt "Sondernormen" darstellen und gegebenenfalls gegenüber welchen Vorschriften. Erst diese Feststellung macht die Frage nach der Konkurrenz der Ansprüche sinnvoll. Denn um etwas über das Verhältnis der §§ 989 ff. zu anderen Vorschriften aussagen zu können, insbesondere zum allgemeinen Schuldrecht und zum Deliktsrecht, muß zuerst die Bedeutung der zu vergleichenden Regelungen innerhalb der bürgerlichen Rechtsordnung erkannt werden. Davon geht daher die Untersuchung aus. Anschließend werden die §§ 989 ff. mit Vorschriften gleicher systematischer Stellung und danach mit den übrigen verglichen.

§ 2. Die Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht Die Untersuchung, welche Bedeutung den §§ 989 ff. zukommt, geht zweckmäßigerweise von der Funktion der Vorschriften aus. Es ist also der Lebenssachverhalt festzustellen, auf den sich die Schadenersatzansprüche beziehen und nach den Leitgedanken zu fragen, unter denen sie ihn regeln. Sind Geltungsbereich und Geltungsgrund bekannt, können die Vorschriften mit anderen verglichen werden, die dieselbe oder eine ähnliche Aufgabe erfüllen. Dieser Vergleich ergibt das Verhältnis der einzelnen Vorschriften zueinander und damit ihren Platz im System des Gesetzes. I. Die Funktion der §§ 989 ff. In der Literatur findet sich über die Funktion der Schadenersatzansprüche nur wenig. Es bewendet regelmäßig bei der Feststellung, die §§ 989 ff. seien "Sondernormen"1• Als solche würden sie die sachenrechtliche Stellung des Eigentümers ergänzen1 und die Veränderung bestimmen, die der ursprünglich auf Herausgabe gehende Anspruch nach§§ 985, 986 erleide3• Sie seien daher sekundäre Ansprüche', Nebenfolgen', Nebenleistungen• oder Ergänzungen7 des Herausgabeanspruchs. Alle Autoren gehen also von einem gewissen Zusammenhang zwischen Herausgabe- und Schadenersatzansprüchen aus. Daran ist auch nicht zu zweifeln. Er war noch im gemeinen Recht so eng, daß dort die Verpflichtung, die Sache herauszugeben, als die primäre, die bezüglich der Nutzungen und des Schadenersatzes als die sekundäre Richtung der Vindikation bezeichnet werden konnte8• Auch im geltenden Recht besteht eine enge Beziehung zwischen §§ 985, 986 und §§ 989 ff. Das Vgl. oben § 1, Text nach Note 6, Seite 20 unten ff. Sta.udinger-Berg, Vbm 2 vor §§ 987 ff. I Dietz, 185. ' Siber, Rechtszwang 114. & Sta.udinger-Berg, Vbm 1 vor §§ 987 ff. e RGRK-Joha.nnsen, § 987 Anm 8. 7 Soerget-Mühl, Vbm 2 vor §§ 987 ff. s Wlndscheid, Pand. I, §§ 193, 194. 1

t

24 f 2. Schadenersatzansprüche der §f 989 fl. als Leistungsstörungsrecht

beweist schon die Einordnung der Schadenersatzansprüche unter die "Ansprüche aus dem Eigentum" und vor allem ihre sachliche Bezugnahme auf den Herausgabeanspruch•. Aber für die Frage nach der Funktion genügt es nicht, nur auf einen gewissen Zusammenhang zu verweisen. Denn gerade er bestimmt die Aufgabe der Schadenersatzansprüche entscheidend. Daher muß das Verhältnis zwischen §§ 985, 986 und §§ 989 ff. genauer betrachtet werden. Dafür reicht die Bezugnahme auf das historische Vorbild allein nicht aus. Es ist als Schlüssel zum Verständnis des geltenden Rechts freilich unentbehrlich, aber das BGB hat die entsprechende Regelung des früheren Rechts nicht einfach kopiert10. Statt einer einheitlichen Vindikation, die auf Herausgabe der Sache "cum omni causa" abzielte11, stehen nunmehr die §§ 987 ff. neben den §§ 985, 986 als insoweit verselbständigte Ansprüche11. Daher sind Herausgabe- und Schadenersatzansprüche zwar vor dem geschichtlichen Hintergrund zu sehen, ihr Verhältnis zueinander muß aber vom geltenden Recht her gefunden werden. Das erfordert, den Inhalt sowohl des Herausgabe- wie der Schadenersatzansprüche festzustellen, sie miteinander zu vergleichen und in Beziehung zueinander zu bringen.

A. Inhalt des HeTausgabeanspruchs Nach §§ 985, 986 kann der aktiv legitimierte Eigentümer13 von dem Besitzer Herausgabe der Sache verlangen. Dadurch erhält er das Recht, von ihm ein Tun oder ein Unterlassen, also eine Leistungu, zu verlangen (§ 194 BGB). Dem entspricht die Verpflichtung des Besitzers. Er muß die Sache herausgeben111. • Vgl. auch Motive III 392 ff., = Mugdan III 218 fl. 10 Dig. 6.1; Cod. 3.32; de rei vindic:atione. Cie. pro Muren. 12, 26; Gai. 4, 16 f. u Wolff-Raiser, § 84 vor I; Kunkel, § 78, 4. 11 Nach Wolff-Raiser, § 84 vor I, soll auch der Eigentumsanspruch des geltenden Rechts "in erster Linie auf Wiederherstellung des Besitzes, danach auch auf Schadenersatz" zielen. Darin ist aber kein Gegensatz zu der im Text getroffenen Feststellung zu sehen. Diese Außerung Raisers dient der Gegenüberstellung der gemeinrechtlichen zu der geltenden Regelung. 1a Nach der h. M. ist jeder Eigentümer kraft seines Eigentums aktiv legitimiert. Anders vor allem Raiser, Eigentumsanspruch 123 ff. Ihm folgend Soergel-Mühl, Vbm 6 vor § 985 und § 986 Bem. 2; Baur, Sachenrecht § 11 BI, II. Ebenso Münich, insbes. S. 62/63. Vgl. dazu ausführlich unten § 4. t• § 241 kann nicht bedeuten, daß "Leistung" nur dem Recht der SchuldverhältniSse angehört. Vielmehr ist jedes vom Recht angesonnene Verhalten Gegenstand einer Leistungspflicht (Lehmann, Unterlassungspflicht 28 ff., 54 ff.). Demnach geht jeder Anspruch nach § 194 auf eine Leistung (Larenz, AllgSchuR & 2 III). ta "Herausgabe" erfordert mehr als nur Duldung der Wegnahme (so vor

I. Die Funktion der §§ 989 ff.

25

1. Dieser Anspruch geht auf die "rei vindicatio" des römischen Rechts zurück. Dem Eigentümer steht nach römischer Auffassung ein

nahezu unbeschränktes Herrschaftsrecht über die Sache zu11• Darauf und nicht auf einem Anspruch des Eigentümers gegen eine bestimmte Person beruht die Vindikation17• Ihr Grundgedanke ist der der Sachverfolgung durch den Eigentümer: Als "actio in rem" zielte sie erst dann gegen eine Person, wenn diese dem Angriff auf die Sache hindernd entgegentrat. Der zivile Eigentümer konnte dann die gerichtliche Feststellung seines Rechtes verlangen. Dazu kam es also nur, wenn derjenige, bei dem der Eigentümer seine Sache vorgefunden hatte, seinerseits behauptete, Eigentümer zu sein und daher bereit war, die Sache zu verteidigen. Nach Klärung der Rechtslage war der besitzende Nichteigentümer dem nicht besitzenden Eigentümer zur Duldung der Wegnahme der Sache mit Früchten und Zuwachs18 sowie zum Ersatz des nach Prozeßbeginn11 entstandenen Schadens verpflichtet. Ziel der "rei vindicatio" war also die Herstellung des dem Recht des "actors" entsprechenden Zustandes. Kam der Besitzer dieser Verpflichtung nicht nach, so konnte der Eigentümer die Herausgabe seiner Sache aber nicht erzwingen. Er mußte ihn erneut, diesmal auf Schadenersatz, verklagen. Erst den Geldbetrag konnte er zwangsweise eintreiben, die Sache war für ihn jedoch verloren. Auf dieser Grundlage beruhte der "Eigenthumsanspruch" des ge-

meinen Rechts. Er richtete sich darauf, "daß sich Niemand mit dem

Eigenthumswillen in thatsächlichen Widerspruch setze" 20. Wegen Vorenthaltung der Sache ging er aber anders als im römischen Recht "zuvörderst"21 auf Herausgabe der Sache und erst dann auf Leistung des Interesses, wenn der Eigentümer auf die Erzwingung der Herausgabe verzichtete oder die Herausgabe nach Prozeßbeginn oder zuvor dem unredlichen Besitzer unmöglich geworden war. Der Eigentumsherausgabeanspruch zielte nicht nur auf Herausgabe der Sache selbst,

allem v. TuhT, § 15 III b, § 88 V 1). Anders im römischen Recht (Ulp. D. 2.3.1.1 . .,duci vel ferri pati"), wo aber der streitbefangene Gegenstand (mindestens ein Teil davon) stets vor Gericht gegenwärtig war (Wlassak in RE 1, 314). .,Herausgabe" bedeutet heute die Obertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Eigentümer an dem Ort, an dem sich die Sache befindet. Der Besitzer ist also nicht mehr zur bloßen Passivität, sondern zu einer gewissen Handlung verpftichtet. So schon Lehmann, Unterlassungspfticht 28; h. M. vgl. Wolff-RaiseT, § 84 Note 6; Westermann, § 30 1!13. te Zum römischen Eigentumsbegrlff: Kunkel, § 67. 1T Wlassak, ZSST 42, 420. Zur "actio in rem" Wlassak, in RE J, 314. 1a Vgl. dazu bereits oben § 2 Note 1:1. 11 Dazu Kunkel, § 78, 4. 1o Windscheid, Pand. I, § 192 am Anfang. lt Windscheid, Pand. I, § 193 am Anfang.

26 § 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht sondern auch auf Herausgabe der aus ihr gezogenen Früchte, des sonstigen Zuwachses und auf Schadenersatz22• Die germanischen Rechte kannten ein ähnliches Institut nicht. Der Eigentümer wurde durch Delikts- und Obligationsklagen geschützt23 • Die Partikularrechte24 und die Entwürfe zum BGB25 haben jedoch das Vorbild der "rei vindicatio" verwendet. Auf ihr beruht auch das geltende Recht.

2. Die §§ 985, 986 stellen demnach einen echten "sachenrechtlichen Verwirklichungsanspruch" dar28• Er zielt wie § 100427 darauf ab, eine Störung zu beseitigen, die dem Inhalt des Eigentums widerspricht28• Liegt diese Störung darin, daß ein anderer als der Eigentümer die Sache besitzt, so ist ihre Beseitigung erst erfolgt, wenn der Besitzer die Sache dem Eigentümer wieder herausgibt. 3. Daraus folgt, daß nur der richtiger Verpflichteter sein kann, wer den dem Inhalt des Eigentums widersprechenden Zustand aufrecht erhält. Das bedeutet aber zweierlei. Der Anspruch richtet sich immer nur gegen den Besitzer, also wie jeder Anspruch gegen eine oder mehrere, jedenfalls aber bestimmte, Personen29• Er entsteht in dem Augenblick, in dem der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die fremde Sache erlangt hat30• Umgekehrt .12 Zum Eigentumsanspruch im gemeinen Recht Windscheid, Pand. I §§ 192 ff.; Dernburg, Pand. I §§ 224 ff.; Wendt, Pandekten § 135. Ia Für das deutsche Recht vgl. Wolff-Raiser, § 84 Note 1; auCh Westermann, § 30 I 2; Heck, Sachenrecht § 2 Nr. 7. :. Zum Beispiel Badisches Landesrecht Satz 2279; ALR I 15 § 1 ff. u Bayer. Entwurf III Art. 153; hess. Entwurf II 3 Art. 6.

28 Um einen Verwirklichungsanspruch handelt es sich unabhängig davon, welche rechtliche Natur man dem Herausgabeanspruch beimißt. Westermann, § 30 I 2 und 3 in Nachfolge von Heck, Sachenrecht § 66. 17 Zum Verhältnis von § 1004 zu §§ 985, 986 insbesondere Baur, AcP 160,

465 ff.

zs Soweit deckt sich die Vindikation mit dem römisch-rechtlichen Vorbild (allg. M. vgl. statt aller Erman-Hefermehl, § 985 Anm 1; Eichler, II/1, Seiten 188 ff.). Dagegen trifft der oft gehörte Satz des römischen Rechts, mit der Vindikation könne der nicht besitzende Eigentümer vom besitzenden Nichteigentümer Herausgabe verlangen (Kunkel, § 78, 1) nur noch den Regelfall (dazu Wolff~Raiser, § 84 Note 2). 21 Vgl. aber Windscheid, Pand. I § 43, 2 d und insbesondere WindscheidKipp, § 43, 1 und Note 3, die meinen, der dinglich Berechtigte habe einen Anspruch gegen jedermann, weil das dingliche Recht durch eine unbegrenzte Vielzahl von Ansprüchen gebildet werde. Dagegen lebhaft Peters, AcP, 153, 465. ao So schon Motive III 397 (= Mugdan, III 221 2. Absatz). Anders Breuer, 26. Er folgert aus dem Wortlaut des § 985 ("kann" verlangen), daß eine Verpflichtung des Besitzers erst mit der (zum Beispiel verbalen) Geltendmachung des Anspruchs durch den Eigentümer entsteht. Das würde aber

I. Die Funktion der §§ 989 ff.

27

geht er unter, wenn er sie aufgibt. Dabei spielen jedoch Art und Weise keine Rolle, durch die der Besitzverlust eingetreten ist. Selbst wenn die Sache zum Beispiel verschenkt oder weggeworfen wurde, entfällt damit für den ehemaligen Besitzer die Verpflichtung, sie herauszugeben. Denn er stört das Eigentumsrecht nicht mehr. Eine Wiederverschaffungspflicht als Inhalt der §§ 985, 986 anzunehmen, würde dem Zweck und dem Ursprung der Vindikation zuwiderlaufen31 • Aus der Feststellung, daß Verpflichteter der Vindikation nur sein kann, wer das Eigentumsrecht stört, folgt zweitens, daß die Verpflichtung mit der Herausgabe der Sache erloschen ist. Der Eigentumsanspruch entsteht, wenn dem Eigentumsrecht entgegen Besitz und Recht getrennt werden. Folglich erlischt er auch, wenn diese Trennung nicht mehr besteht32• Dabei kommt es nicht darauf an, daß der Eigentümer die Sache in dem Zustand zurückerhält, in dem er sie verloren hat. EntsCheidend ist nur; daß es sich im juristischen Sinne um die Sache handelt, auf die sich das Eigentum bezieht, mag sich ihr Zustand auch erheblich verändert haben. Hat zum Beispiel jemand ein bislang unbenutztes Stückehen Seife unbefugt im Besitz, so muß er es nach §§ 985, 986 herausgeben. Von dieser Verpflichtung wird er frei, wenn er sie mittlerweile in gutem Glauben, die Seife gehöre ihm, in Gebrauch genommen hat und dem Eigentümer nur noch einen Seifenrest zurückgeben kann. - Das gleiche gilt für den Dieb. Hat er zum Beispiel ein fabrikneues Kraftfahrzeug weggenommen, ist er vom Augenblick der Begründung eigenen Besitzes an nach§§ 985, 986 verpflichtet. Aber dieser Verpflichtung kommt auch er mit der Herausgabe des Autos nach, einerlei ob es mittlerweile infolge hoher Fahrleistung stark abgenutzt, ob es beschädigt oder gar nur noch schrottreif ist. 4. Dementsprechend verändert sich der Inhalt des Herausgabeanspruchs ständig. Er bezieht sich zwar immer auf dieselbe Sache; weil

dem Wesen der Vindikation widersprechen. Breuer übersieht, daß der dem Eigentumsrecht widerstreitende Zustand bereits mit der Besitzerlangung entstanden ist. Zudem ist längst anerkannt, daß die §§ 985, 986 mit Rücksicht auf die Beweislastverteilung gefaßt wurden und der Wortlaut zum Nachweis des materiellen Gehalts der Vorschriften nicht herangezogen werden kann, vgl. Siber, JhJ 89, 86. 31 So mit Recht die h. M. Stber, JhJ 89, 17; Wolff, Sachenrecht § 84 II 1; Wolff-Raiser, § 84 III insbes. Note 6; Heck, Sachenrecht § 66, Schuldrecht § 28; Westermann, § 30 III .3; Planck-Brodmann, § 985 Anm 2a; StaudingerBerg, § 985 Anm 6; Palandt.:Hoche, § 985 Anm 3; Eichter, II/1 Seite 197. a.A. RGRK-Johannsen, §985Anm 11; Peters, AcP 153, 464; Stutz, 88. Unklar Erman-Hefermehl, § 985 Anm 6, er bezeichnet zwar die Herausgabe- als Besitzverschaffungsansprüche, meint aber sachlich dasselbe wie die h. M. 32 Wolff-Raiser, § 84 V.

28 I 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht

sie aber nur im jeweiligen Zustand herauszugeben ist, hängt von ihm der Anspruchsinhalt ab. Seine Minderung entspricht der Verringerung des Eigentwnsrechtes. Beides ist gleich null, wenn die Sache überhaupt nicht mehr existiert, weil sie aufgebraucht oder total zerstört wurde11• Der Inhalt des Herausgabeanspruchs ist also ganz vom tatsächlichen Zustand der Sache abhängig. Er ist veränderlich. B. Inhalt der Schadenersatzansprüche

Die daraus folgende Minderung der Rechtsposition ist jedoch nicht immer gerechtfertigt. Sie verlangt einen Ausgleich. Er ist durch die §§ 989 ff. hergestellt. Sie bilden drei Gruppen: §§ 989, 990 I und 991 I die erste, daneben stehen § 992 und schließlich § 990 II. 1. Die Vorschriften der ersten Gruppe beziehen sich auf den Schaden, der dadurch entsteht, daß die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von dem Besitzer nicht herausgegeben werden kann (§ 989). Es handelt sich also um Regelungen für genau die Nachteile, die dem Eigentümer aus der Veränderlichkeit des Herausgabeanspruchs erwachsen. Insoweit ist es richtig, die §§ 989, 990 I und 991 ll als Ansprüche zu bezeichnen, die die Veränderung bestimmen, die der ursprünglich auf Herausgabe gehende Anspruch erleidet1'. Sie besagen, wann der Besitzer für die Minderung des Anspruchsinhalts nach §§ 985, 986 verantwortlich ist. Die Beziehung dieser Vorschriften zueinander steht damit fest.

2. § 992 dagegen sagt über den Inhalt des zu ersetzenden Schadens direkt nichts aus. Er verweist auf eine Haftung des Besitzers nach den Vorschriften über den Schadenersatz wegen unerlaubter Handlungen. Damit befaßt er sich mit einer Abgrenzungsfrage. Er wird deshalb als die wichtigste Bestimmung des ganzen Abschnittes betrachtet35. Seine Auslegung ist lebhaft umstritten18• Jedoch gibt er für die Frage nach dem Inhalt der Schadenersatzansprüche nach §§ 989 ff. nichts her. Er kommt daher für diesen Zusammenhang nicht in Betracht.

3. Nach § 990 II bleibt im Falle des Verzuges eine weitergehende Haftung als es § 990 I vorschreibt unberührt. Die Bestimmung bezieht sich auf den Fall, daß der Besitzer seine Herausgabeverpflichtung trotz aa Die gleiche Situation liegt vor, wenn ~e Sache zwar noch existiert aber unauffindbar ist. u Vgl. oben § 2 Note 3, Dietz, 1815. as SibeT, Rechtszwang 117 ff.; Lent, 257 ff.; Schmidt, 168 ff., 211 ff.; Stutz, 26 ff.; Dietz, 195 ff. ae Dazu unten ausführlich, siehe § 3.

III. Das Verhältnis der H 989 ff. zu H 275 ff.

29

Mahnung schuldhaft verzögert. Der daraus dem Eigentümer erwachsende zusätzliche Schaden soll nach § 990 li nicht nur unter den Voraussetzungen des § 990 I, sondern nach anderen Vorschriften ersetzt werden. 4. So treffen §§ 989-991 für alle die Fälle eine Regelung, in denen der Herausgabeanspruch nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht, mindestens aber nicht in dem Umfang erfüllt wird, in dem es dem Besitzer möglich gewesen wäre, als er der Verpflichtung nach §§ 985, 986 erstmals ausgesetzt war. C. Ergebnis

Damit ist auch die Funktion der §§ 989 ff. gefunden. Durch Verschlechterung der Sache, ihren Untergang oder durch einen anderen Umstand, auf Grund dessen sie nicht herausgegeben werden kann, und durch Verzug wird das Recht des Eigentümers geschmälert: Die zu erbringende Leistung erfolgt nicht oder nicht ordnungsgemäß. Die §§ 989 ff. geben zum Ausgleich Ersatzansprüche. Sie geben die Rechtsfolgen an, die sich an eine Verletzung des Anspruchs aus §§ 985, 986 knüpfen. Sie sind also Leistungsstörungsrecht. Wer sie als Nebenfolgen, Nebeilleistungen, Ergänzungen des Herausgabeanspruchs oder ähnlich bezeichnet17 , sagt demnach nichts Falsches. Wie jedes andere Leistungsstörungsrec ht sind dies die §§ 989 ff. ihrem Inhalt nach auch. Aber ihre Funktion wird damit nur umschrieben. Erst als Leistungsstörungsrec ht sind sie genau qualifiziert. II. Vorschriften mit vergleichbarer Funktion Leistungsstörungsrec ht steht vor allem im allgemeinen Teil des Schuldrechts. Es ist in den §§ 275 ff. und 320 ff. geradezu vorbildlich geregelt. Aber auch im Familien- und Erbrecht (vgl. §§ 1613, 2172) finden sich Vorschriften, die sich mit Anspruchsverletzung en befassen. Allerdings handelt es sich dabei mehr um Einzelbestimmungen als um ausführliche Regelungen. Daher sind die §§ 989 ff. vor allem mit den §§ 275 ff. zu vergleichen. III. Das Verhältnis der§§ 989 ff. zu §§ 275 ff. Die eingehende Darstellung, die die Rechtsfolgen nach Unmöglichkeit und Verzug in den §§ 275 ff. erfahren haben, begünstigt die Ansicht, sie als das Leistungsstörungsrec ht des BGB schlechthin anzuS7

Vgl. oben § 2 Noten 1 bis 7.

80 § 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht sehen38• Alle anderen Vorschriften mit gleicher Funktion sind nach dieser Auffassung Spezialnormen zu der "allgemeinen Regelung". Würde dies auch auf die §§ 989 ff. zutreffen, so bestünde ihre Bezeichnung als "Sondernormen" zu Recht. Zwei Konstruktionen sind denkbar. Entweder sind die Vorschriften des allgemeinen Teils des Rechts der Schuldverhältnisse "Ieges generales" zu §§ 989 ff., weil auch der Herausgabeanspruch nach §§ 985, 986 ein schuldrechtlicher Anspruch ist, oder sie sind es deshalb, weil zwar Unterschiede zwischen einem schuldrechtlichen und dem dinglichen Anspruch bestehen, aber die §§ 275 ff. nicht nur allgemeines Schuldrecht, sondern allgemeines Anspruchsrecht enthalten. A. Rechtsnatur des Herausgabeanspruch s

1. Allgemein unterscheidet man bei Ansprüchen u. a. die dinglichen von den schuldrechtlichen. Auch das Gesetz selbst setzt verschiedene Arten von Ansprüchen voraus. Anders lassen sich weder § 224 noch die §§ 194 ff. erklären, die ja im AUgemeinen Teil des BGB stehen, also gewissermaßen allgemeines Anspruchsrecht darstellen. Die h. M. 39 sieht in dieser Einteilung mehr als nur ein terminologisches Hilfsmittel~ 0 • Ihre Vertreter meinen, der verschiedene Entstehungsgrund, einmal aus einem relativen, zum anderen aus einem absoluten Recht, bringe auch inhaltlich verschiedene Ansprüche hervor. Sie hält damit an einer überkommenen Anschauung fest 41 • Dagegen wendet sich jedoch ein Teil der Lehre42 • 2. Im Anschluß an Siber4 3 wird ausgeführt, es sei nur eine Verschiedenheit im Entstehungsgrund44 , sonst aber kein inhaltlicher Untersa Nur so können alle diejenigen verstanden werden, die ergänzend zu §§ 989 f!. die §§ 275 ff. direkt für anwendbar halten. Gegen eine generelle

Anwendbarkeit, die Richtigkeit dieser Ansicht sogar unterstellt, aber mit Recht Horstmann, 7. ae Lehmann, Unterlassungspflicht 28 ff.; v. Tuhr, § 15 insbes. III, § 88 V 1; Wolff-Raiser, § 84 VI; Westermann, § 30 I a, § 2 III; Baur, § 11 CI 3; Enneccerus-Nipperdey, § 223 I 2, III; Staudinger-Seufert, Einleitung 2 d zum III. Buch; RGRK-Johannsen, § 985 Anm 11 und passim bei § 985; PalandtHoche, § 985 Anm 1. Unklar Erman-Hefermehl, § 985 Anm la; SoergelMühl, § 985 Anm 1. co And. Jung, Erläuterungen Seite 146 Text und Note 1. " Im römischen Recht wurde die "actio in personam" von der "actio in rem" unterschieden. (Gai IV, 2-IV 51, 86, 87, 91). Im gemeinen Recht Windscheid, actio § 2, Pand. I §§ 43, 45, 192 am Ende; Dernburg, §§ 129, 224. cz Insbesondere Siber, Rechtszwang 95 ff.; Planck-Siber, II/1 Vbm li 2b Heck, Schuldrecht § 1, 10, Sachenrecht § 32; Jung, Erläuterungen 145 ff.; Peters, AcP 153, 454 ff. " Rechtszwang 95 ff. 44 Dazu schon Bunsen, 428 Note 2.

III. Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu §§ 275 ff.

81

schied erkennbar45 • Wie jeder Anspruch richte sich auch der dingliche gegen einen bestimmten Anspruchsgegner, nicht gegen jedermann48• Die persönliche Haftung des Eigentümers bei Reallasten, seine Verpflichtung zum Verwendungsersatz und die Vorlegungspflicht des Besitzers nach §§ 809 ff. zeigten außerdem, daß nicht nur beim dinglichen Anspruch die Person des Verpflichteten mittelbar, nämlich durch Eigentum oder Besitz, bestimmt werde47 • Auch könne man einen Unterschied nicht dadurch behaupten, daß man annehme, nur der dingliche Anspruch ziele nicht auf eine Rechtsverschiebung48 , sondern auf Ein.. haltung des dem dinglichen Recht entsprechenden Zustandes ab. Denn auch schuldrechtliche Ansprüche, zum Beispiel der Rückgabeanspruch aus Leihe oder Verwahrung, hätten das gleiche Ziel. In der Zwangsvollstreckung bestehe überhaupt kein Unterschied49• Endlich habe das Gesetz selbst angenommen, die schuldrechtlichen Vorschriften seien auch auf dingliche Ansprüche anwendbar. Das zeige die Verweisung auf die Verzugsvorschriften in § 9901160• Wenn sich aber gar keine sachlichen Unterschiede zwischen dinglichem und obligatorischem Anspruch erkennen ließen, so könne man nicht aus dem verschiedenen Entstehungsgrund allein folgern, das Vermögensrecht kenne nicht nur eine, sondern zwei Arten von Ansprüchens 1• Jedoch läßt sich die herrschende Meinung mit diesen Gründen nicht erschüttern. Was § 990 II anlangt, so ist ein eindeutiger Rückschluß auf die Rechtsnatur des Herausgabeanspruchs gar nicht möglich. Die Vorschrift bestimmt zwar, daß eine weitergehende Haftung des Besitzers als die nach § 990 I wegen Verzuges unberührt bleibt. Es wäre aber voreilig, aus dieser Formulierung zu schließen, das Gesetz setze eine generelle Anwendbarkeit der§§ 275 ff. voraus52 • Wohl findet sich in den Motiven der Satz, der Entwurf gehe von der Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts auf den Herausgabeanspruch aus53• 46 Heck, Schuldrecht § 1, 10; Jung, Erläuterungen 145; Planck-Siber, II 1, Vbm II 2a.. 48 So Windscheid, Pand. I, § 43, 1 Text und Note 3. 47 Stutz, 84/85. 48 Vor allem v. Tuhr, § 15; dagegen Stutz, 85. 49 Jung, Erläuterungen 145. so Planck-Siber, II 1 Vbm II 2b; Stälin, 59; RGZ 105, 88; aber auch v. Tuhr, § 15, insbes. IX und Note 99. 51 Peters, AcP 153, 461. 52 Das nehmen aber nicht nur diejenigen an, die in §§ 985, 986 einen schuldrechtlichen Anspruch sehen. So spricht Wolff-Raiser, § 85 Ill 3 von direkter Anwendung des § 287, § 84 VI 1 Text und Note 6 von analoger Anwendung des § 278. Klar für direkte Anwendung Westermann, § 2 Ill 3, Erman-Hefermehl, § 985 A la. 53 Motive III 408/409; ~ Mugdan III 228.

82 § 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht Aber, und darauf wird entschieden hingewiesen, dabei ist an eine analoge, nicht an eine direkte Anwendung gedacht. Es wird nämlich in der soeben angezogenen Stelle auf die "Vorbemerkungen" zu den Erläuterungen des Eigentumherausgabeanspruchs Bezug genommen11'. Dort beobachtet die Kommission eine gewisse Ähnlichkeit der dinglichen mit obligatorischen Ansprüchen und stellt aus diesem Grunde fest, eine analoge Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Schuldrechtes sei vertretbar. So hat jedenfalls der Gesetzgeber mit § 990 II nicht zu erkennen geben wollen, bei §§ 985, 986 handele es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch111• Die Formulierung zwingt dazu auch nicht. Denn die Verweisung kann sich ebenso gut auf eine analoge Anwendung beziehen. Auch die Gleichbehandlung dinglicher und obligatorischer Herausgabeansprüche in der Zwangsvollstreckung beweist nichts gegen deren unterschiedliche Natur•. In der Zwangsvollstreckung kommt es auf das Wesen des Anspruchs gar nicht an. Es spielt nur seine Durchsetzung eine Rolle. Diese erfolgt aber bei allen Herausgabeansprüchen durch Wegnahme eines bestimmten Gegenstandes vom Verpflichteten und Übertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Berechtigten kraft hoheitlicher Gewalt. Was für ein Unterschied sollte hierbei zwischen verschiedenen Ansprüchen bestehen? Entsprechendes gilt für das Argument, der dingliche Anspruch gehe auf dasselbe Ziel wie der aus Leihe oder Verwahrung117• Denn diese Gleichheit allein beweist nichts. Sie bezieht sich ja nur auf den erstrebten Endzustand. Im übrigen sind aber erhebliche Unterschiede bemerkbar. Die Leistung des nach §§ 985, 986 Verpflichteten besteht nicht nur in der Duldung der Wegnahme18, aber auch nicht in der Verschaffung der Sache111• Das letztere ist regelmäßig Inhalt der Schuldnerpflicht. Dagegen ist der Besitzer nur zur sogenannten "Auskehrung" verpflichtet80• Von dieser Verpflichtung ist er frei, sobald er die Sache aus irgendeinem Grunde nicht mehr hat. Der Obligations-

" Motit1e III 398/399; = Mugdan III 222. 1111 a. A. Ennan-Hefermehl, Vbm Nr. 22 vor §§ 987 ff. 111 Anders Jung, Erläuterungen 145. Nach ihm offenbart sich das Wesen eines Anspruchs "am phrasenlosesten" in der Zwangsvollstreckung. Daher könne man von einer Gleichheit dort auf die Gleichheit der rechtlichen Natur der Ansprüche schließen. 11

So Stutz, 85.

aa Unrichtig "· Tuhr, § 15 III b, § 88 V 1; Kohler II, 2, § 88 I; vgl. oben § 2 Note 6 und Text dazu. •• Vgl. dazu oben § 2 Note 31 und Text. ao h. M. Siber, JhJ 89, 17 Text und Note 1; Heck, Schuldrecht § 28; der den Abgabe- die Verschaffungsschulden gegenüberstellt.

III. Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu §§ 275 ff.

schuleiner jedoch wird von seiner Pflicht erst frei, wenn ihm die Herausgabe im schuldrechtlichen Sinne unmöglich geworden ist81• Weiterhin wird die Ansicht, dingliche Ansprüche zielten nicht auf eine Rechtsverschiebung, sondern auf eine Rechtsverwirklichung ab, nicht durch die Tatsache widerlegt, daß auch Rückgabeansprüche aus einem Schuldverhältnis ein ähnliches Ziel hätten. Wer seine Sache zur Leihe oder Miete gibt, disponiert über die Sache. Er überläßt die Nutzung oder nur den Besitz einem anderen. Diese Disposition erfolgt aber in der Erwartung, die Sache wieder zurück zu erhalten, also eine erneute Rechtsverschiebung in Form der Rückübertragung des Besitzes vorzunehmen. Der schuldrechtliche Rückgabeanspruch richtet sich also nicht gegen einen "Störer", sondern gegen den, der eine Mobilisierung von Vermögenswerten durch den Gläubiger wieder rückgängig machen muß81• Die Feststellung, auch bei gewissen schuldrechtlichen Ansprüchen werde die Person des Verpflichteten nur mittelbar bestimmt, trifft den Kern des Problems nicht. Denn im Grunde bestimmt das Gesetz jeden Verpflichteten nur mittelbar. Entscheidend ist beim Eigentumsanspruch, daß der Bestand der Primärverpflichtung an den Besitz der Sache gekoppelt und deswegen nur der Besitzer passiv legitimiert ist. Und daß dingliche Ansprüche dem allgemeinen Anspruchsbegriff unterfallen, ist ja auch der herrschenden Ansicht nicht zweifelhaft. Nur weist sie mit Recht die Behauptung zurück, jeder Anspruch erfordere ein Schuldverhältnis. Freilich ist Inhalt der Schuldnerischen Leistung ein Tun oder ein Unterlassen, ebenso wie es für den Anspruch in § 194 festgestellt ist. Daraus folgt zwar, daß jede geschuldete Leistung auf einem Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner beruht, nicht aber auch, daß überall dort ein Schuldverhältnis vorliegen müsse, wo ein Anspruch besteht83, Beachtung verdient weiterhin die Lehre Peters. Auch er bekämpft die Scheidung des dinglichen vom schuldrechtlichen Anspruch und versucht nachzuweisen, daß das Vermögensrecht nur einen, nämlich den schuldrechtlichen, Anspruch kenne". Er hält bereits die Wortzusammensetzung "dinglicher Anspruch" für ein Unding85• "Dinglich" stelle anerkanntermaßen das Gegenteil 81 Vgl. dazu Larenz, Schuldrecht I § 20 I d; Enneccerus-Lehmann, § 46 I 2. et Ob dingliche und obligatorische Herausgabeansprüche in Konkurrenz zueinander stehen, ist strittig. Für die h. M. vgl. Dietz, 185 ff., für die Ge-

genansicht Siber, JhJ 89, 1 ff. und Raiser, Eigentumsanspruch 123 ff. Vgl. oben § 2 Note 13 und eingehend unten § 4. es So jedoch ausdrücklich Heck, Sachenrecht § 32, 2; ihm folgend Stutz, 86/87. •• Peters, AcP 153, 461. 15 AcP 153, 456 oben.

3 Krauae

34 § 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht von obligatorisch dar. Es bezeichne die gegen die unbestimmte Zahl aller gerichtete Wirkung einer rechtlichen Gegebenheit bezüglich eines bestimmten Gegenstandes. Im Gegensatz dazu sei "Anspruch" nach seiner gesetzlichen Definition das Recht, von einem oder mehreren, jedenfalls aber bestimmten anderen, ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Natürlich meint auch PeteTs nicht, daß durch diese angebliche sprachliche Ungereimtheit die Existenz des dinglichen Anspruchs in Frage gestellt werden könne. Er hält sie aber als ein Indiz für eine sachlich unzutreffende Vorstellung, die nach seiner Ansicht der Anerkennung eines "dinglichen Anspruchs" zugrunde liegt. Er übersieht nicht66, daß mit der Bezeichnung "dinglicher Anspruch" zunächst nur auf die genetische Verschiedenheit hingewiesen werden soll87, und ihm ist zuzugeben, daß dies allein auch nicht ausreichen würde, die Existenz eines besonderen sachenrechtliehen Anspruchs zu begründen. Aber er leugnet, daß auf den verschiedenen Entstehungsgründen die von der herrschenden Ansicht behaupteten sachlichen Unterschiede zwischen dinglichem und obligatorischem Anspruch ruhen. Diese Ansicht beruhe nämlich auf einer irrigen Auffassung vom Wesen des dinglichen Rechts und der sogenannten dinglichen Ansprüche68. Sie meine, der dingliche Anspruch werde durch das dingliche Recht geprägt. Gerade das aber sei falsch. Was das Gesetz unter Eigentum verstehe, ergebe sich niemals aus dem Recht an sich. Die "Definition" in § 903 BGB sei anerkanntermaßen inhaltslos: Jeder kann mit jeder Sache nach Belieben verfahren, soweit nicht Rechte Dritter entgegenstehen68. Das Mittel, mit dem das Gesetz Inhalt und Wesen eines dinglichen Rechtes bestimme, seien vielmehr jene Ansprüche, die der Gesetzgeber um eine "Person-Sache-Beziehung" errichtet habe. In diesen Ansprüchen verwirkliche sich das dingliche Recht. Anders könne es sich nicht realisieren. Das bedeute aber nicht eine Rückkehr zur Ansicht Windscheids, nach der Inhalt des dinglichen Rechtes eine unbegrenzte Anzahl von Ansprüchen gegen "jedermann" ist7°. Sondern es sei eine Fortentwicklung dieser Ansicht geboten: Das Wesen des dinglichen Rechtes bestehe in einer Vielzahl von Anspruchselementen, von denen jeweils eines zum Anspruch gegen den Störer, der das dingliche Recht verletzt, erstarkt. Darin, so meint PeteTs, liege die richtige Betrachtung des dinglichen Rechts. Diese Anspruchselemente seien nämlich durch das System der AcP 153, 456 unten. h. M., für alle vgl. Enneccerus-NippeTdey, § 223 I 2. es AcP 153, 455. es Dazu und zum Folgenden AcP 153, 457 ff. 1o Windscheid-Kipp, § 43, vgl. oben § 2 Note 29. 66

&7

III. Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu §§ 275 fi.

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Ansprüche im Gesetz bestimmt. Damit sei auch das dingliche Recht selbst nur auf Grund dieser Ansprüche verständlich und nicht umgekehrt diese Ansprüche vom Wesen des dinglichen Rechtes her. Alle würden sich im Kreise bewegen, die aus dem Inhalt des dinglichen Rechtes auf den Inhalt der sogenannten "dinglichen Ansprüche" schließen. Außer Frage stehe zwar, so meint Peters, daß Ansprüche aus "entfernteren" Rechtsgebieten71 , aus dem öffentlichen, dem Familienoder Erbrecht also, nicht nach Schuldrecht beurteilt werden könnten. Aber das große Gebiet des Vermögensrechtes, wozu auch das Sachenrecht zu rechnen sei, sei nur eines einheitlichen Anspruchsbegriffes fähig. Und da dem Anspruch immer eine Schuld entspreche, seien Anspruch und Schuld im Oberbegriff des Schuldverhältnisses zusammenzufassen72• Demnach gebe es gar keinen dinglichen Anspruch, sondern das Recht des Eigentümers nach§§ 985, 986 sei ein rein schuldrechtliches. 3. Damit nimmt Peters den Gedanken Hecks auf, nach dem mit jedem Anspruch auch ein Schuldverhältnis entsteht73• Freilich ist dann die Ausklammerung der Ansprüche aus jenen "entfernteren" Rechtsgebieten nicht recht konsequent, aber, wie Peters richtig sieht, notwendig. Diese Notwendigkeit beruht aber nicht darauf, daß es sich nur bei Schuld- und Sachenrecht gleichermaßen um Vermögensrecht handelt, sondern auf der nicht gerechtfertigten Gleichstellung von Anspruch und Schuldverhältnis7'. Es ist hier nicht der Ort, den Inhalt des dinglichen Rechts eingehend zu untersuchen75 • Denn auf ihn kommt es hier entscheidend gar nicht an. Ganz unabhängig davon, ob das dingliche Recht durch die Ansprüche76, oder diese durch das Recht geprägt sind, kann man die Unterschiede nicht leugnen, die den dinglichen vom schuldrechtlichen Anspruch inhaltlich abheben. Das hat mit einer "Oberbewertung des positiven Gesetzes" nichts zu tun77 • Vielmehr kommt es bei der Beurteilung der Rechtsnatur eines Anspruches gerade auf seinen Inhalt AcP 153, 457. AcP 153, 461. 73 Heck, Schuldrecht § 1, Sachenrecht § 32, 2; vgl. oben § 2 Note 63. 74 Vgl. schon Siber, Rechtszwang; JhJ 50, 55; Ston, Lehre sowie insbesondere Larenz, Schuldrecht I § 2 V und JZ 62, 105 (108); sowie Esser, Schuldrecht § 25. 111 Dazu v. Tuhr, § 6; Heck, Sachenrecht §§ 19 ff.; Dulckeit, 8, 52; Enneccerus-Nipperdey, §§ 222 II 1, 223 I 2; Wolff-Raiser, § 2; Westermann, § 5; Staudinger-Seufert, Einleitung I zum III. Buch. Fabricius, AcP 162, 456 fi. 78 Ähnlich auch Raiser, Eigentumsanspruch 135. 11 So Peters, AcP 153, 463. 71

7!

3*

86 § 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 f!.. als Leistungsstörungsrecht

an. Das gibt auch Peters zu78• Den Inhalt des Herausgabeanspruches kann man aber nicht allein an der positiven Regelung der §§ 985, 986 ablesen. Es sind alle Umstände zu berücksichtigen, denen er seine Existenz verdankt. So kann man nach dem Sprachgebrauch des BGB von vornherein nicht einfach jeden als "Schuldner" bezeichnen, der durch einen Anspruch verpflichtet ist. Im allgemeinen Sprachgebrauch "schuldet" freilich der Dieb die Herausgabe. Ebenso schuldet sie der Mieter nach Ablauf der Mietzeit Aber das Gesetz versteht unter dem "Schuldner" einen ganz besonders Verpflichteten. Es ist derjenige, der auf Grund eines Schuldverhältnisses grundsätzlich unbegrenzt mit seinem ganzen Vermögen haftet78 • Eine auf bestimmte Vermögensteile oder Handlungen begrenzte Haftung ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit in gewissen Grenzen natürlich möglich, aber sie bildet die Ausnahme und setzt eine Vereinbarung oder eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift voraus (zum Beispiel § 1975 BGB). Gerade das Gegenteil liegt bei §§ 985, 986 vor. Hier gibt es nur einen Verpflichteten, aber keinen Schuldner80• Denn mit dem Besitz geht auch die Passivlegitimation verloren. Anders als bei jedem Schuldverhältnis besteht damit keine Primärverpflichtung mehr. Von ihr wird der Schuldner regelmäßig erst im Fall schuldrechtlicher Unmöglichkeit frei. Das bedeutet, daß er solange zur Leistung verpflichtet ist, solangediese überhaupt noch undmit Mitteln erbrachtwerden kann, die objektiv oder im Einzelfall vernünftigerweise in Betracht kommen81 • Davon ist in§§ 985, 986 aber nichts zu finden. Es kommt gar nicht darauf an, ob dem ehemaligen Besitzer die Herausgabe im schuldrechtlichen Sinne noch möglich war. Hat er keinen Besitz mehr, so muß er die Sache auch nicht mehr herausgeben, selbst wenn er dazu mühelos in der Lage wäreB1 • Denn mit dem Besitzerwechsel ist der Eigentumsanspruch zwar gegenüber dem bisherigen Besitzer erloschen, aber sofort gegen den neuen Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Sache entstanden81• Darin zeigt sich der hinter der positiven Regelung stehende GrundAcP 153, 456 unten. h. M. vgl. Laren.z:, Schuldrecht I, § 2 IV. so Oertmann, AcP 113, 64. a1 h. M., vgl. Laren.z:, Schuldrecht I, § 20 I d (6. Auflage 1963) Seite 20 Note 1. sz Dölle, RG-Festgabe 1929, Band III Seite 27; Horstmann, 42; WolffRaiser, § 84 Note 6. es Dieses Argument spricht insbesondere gegen die Anwendung des § 281 auf den Herausgabeanspruch, vgl. Wolff-Raiser, § 84 VI 1 mit weiteren Nachweisen. 78

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III. Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu §§ 275 ff.

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gedanke der "Sachverfolgung". Anders als ein schuldrechtlicher Anspruch vermittelt er eine dauernde Beziehung des Eigentümers zur Sache84• Er richtet sich immer nur gegen den Besitzer, aber auch gegen jeden Besitzer. Er wandert sozusagen mit der Sache von einem Verpflichteten zum anderen. Diesen Gesichtspunkt betonen mit Recht diejenigen, die annehmen, der Herausgabeanspruch ende bei jedem Besitzerwechsel nur subjektiv, bestehe aber objektiv weiter811• Seine speziell sachenrechtliche Natur zeigt sich weiterhin darin, daß dem Eigentümer bezüglich einer Sache auch immer nur ein Herausgabeanspruch zustehen kann. Nur derjenige, der den dem Inhalt des Eigentums gemäßen Zustand durch Vorenthaltung der Sache stört, ist zur Herausgabe verpflichtet88• Ganz anders, wenn es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung handelt. Hier ist es möglich, daß mehrere Gläubiger von einem Schuldner, ein Gläubiger von mehreren Schuldnern oder sogar mehrere Gläubiger von mehreren Schuldnern die Herausgabe ein und derselben Sache verlangen können. Denn von den Fällen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit abgesehen, kann sich jedermann zur Herausgabe jeder Sache verpflichten. Wer glaubt, diese Unterschiede zwischen dinglichem und obligatorischem Anspruch leugnen zu können, muß daher Teilbereiche für das Ganze nehmen. Denn selbstverständlich haben beide Anspruchsarten Gemeinsamkeiten. Beide sind eben Ansprüche. Der Berechtigte kann von dem Verpflichteten ein Tun oder Unterlassen verlangen (§ 194), ob er nun Vermieter oder Eigentümer oder beides ist87 • Aber auch wenn in einzelnen Punkten keine Unterschiede bemerkbar sind und sogar infolge Rechtsgeschäft ein dem sachenrechtliehen Anspruch völlig gleichwertiger schuldrechtlicher denkbar ist (nicht aber umgekehrt), bleiben grundsätzlich die oben aufgeführten Unterschiede bestehen. 4. Daher ist der herrschenden Meinung beizupflichten. Die §§ 985, 986 stellen einen dinglichen, keinen schuldrechtlichen Anspruch dar. Damit können auch die §§ 275 ff. nicht mit der Begründung generell auf den Herausgabeanspruch anwendbar sein, daß ei' im Grunde ein schuldrechtlicher sei. " Daher ist seine selbständige Abtretung nicht möglich.

Wolff-Raiser, § 84 VI 3. Anders die h. M. insbesondere OeTtmann, AcP 113, 51 ff.; Raape, JhJ 71, 210; Horstmann, 58 ff. BI Oertmann, JR 31, 1; Haymann, JhJ 77, 289; HoTstmann, 49.

ee Dagegen spricht nicht, daß sich die Vindikation auch gegen mehrere Mitbesitzer oder gegen den unmittelbaren und den mittelbaren Besitzer richten kann. Denn von jedem kann immer nur soviel der tatsächlichen Gewalt herausverlangt werden, wie er tatsächlich hat. Anders bei den schuldrechUichen Ansprüchen. 87 Zur Konkurrenz von dinglichem und vertraglichem Herausgabeanspruch siehe oben § 2 Noten 62 und 13, sowie unten eingehend § 4.

88 § 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht

B. Rechtsnatur der Vorschriften über Unmöglichkeit und Verzug nach §§ 275 ff. Soll es sich dennoch um "Ieges generales" zu §§ 989 ff. handeln, so ist dies nur möglich, wenn die Vorschriften der §§ 275 ff. nicht nur allgemeines Schuldrecht, sondern auch allgemeines Anspruchsrecht enthalten. Dann allerdings hätte der Gesetzgeber besser getan, sie dem Allgemeinen Teil des BGB zuzuweisen. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß schon die Stellung von Vorschriften allein für ihre Rechtsnatur von allzu großer Bedeutung ist. Es lassen sich ja insbesondere im Sachenrecht genügend Beispiele von Schuldrecht finden, und umgekehrt enthält auch das Schuldrecht sachenrechtliche Bestimmungen. 1. Für die Ansicht, daß die §§ 275 ff. allgmeines Anspruchsrecht enthalten, spricht zwar die eingehende Regelung, die das Recht der Leistungsstörungen hier erfährt. Ähnliches findet sich, von §§ 989 ff. abgesehen, im BGB nicht mehr. Das allein beweist aber nichts.

Denn die §§ 275 ff. stellen ja nicht einmal ein allgemeines Leistungsrecht für Schuldverhältnisse in dem Sinne dar, daß· sie für alle schuldrechtlichen Erscheinungen "leges generales" wären88• Sondern die Normen der ersten sechs Abschnitte des Rechts der Schuldverhältnisse, die für Leistungen gelten (§ 241), hat das Gesetz von vomherein auf bestimmte Leistungsarten bezogen. Sie werden nach Inhalt (Tun oder Unterlassen), Gegenstand (Geld-, Sach-, Dienstleistungen) oder ähnlichen Kriterien unterschieden88• Das allgemeine Schuldrecht ist also nicht einmal so allgemein, daß es gleichmäßig auf alle schuldrechtlichen Leistungen Anwendung findet. um· wieviel weniger ·kann es dann als allgemeines Anspruchsrecht für alle Leistungsstörungen generelle Anwendung beanspruchen. 2. Die ausführliche Regelung von Leistungsstörungsrecht in den §§ 275 ff. wird dagegen verständlich, wenn man die Bedeutung des Schuldrechts als ein besonders wichtiges Rechtsgebiet in Betracht zieht. Von hier aus gesehen war es notwendig, im Interesse der Rechtsklarheit und des praktischen Bedürfnisses möglichst eingehende positive Regelungen zu schaffen. So erklärt sich auch die Existenz von Vorschriften, die an sich überflüssig sind, weil sie nur ein allgemeingültiges Rechtsprinzip wiederholen und speziell auf das Schuldverhältnis beziehen. Beispielsweise würden Treu und Glauben im Rechtsverkehr sicher auch zu beachten sein, wenn es § 242 nicht gäbe. Denn das Prinzip folgt nicht aus dieser positiven Vorschrift. Umgekehrt ist § 242 eine Konkretisierung eines allgemein gültigen Rechtssatzes.

ss Horstmann, 9. ee Dazu Horstmann, 9/10.

III. Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu §§ 275 ff.

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Erkennt man das an, ist der Gedanke der Prüfung wert, ob nicht in weiteren Vorschriften des allgemeinen Schuldrechtes ebenfalls Ausprägungen von Rechtswahrheiten zu finden sind, die über den Bereich der Schuldverhältnisse hinausragen. In Betracht kommen die §§ 275 ff. als die spezielle Ausprägung allgemeiner Rechtsgedanken, die für alle Ansprüche gelten. Die §§ 275 ff. würden dann nicht selbst ein allgemeines Anspruchsrecht darstellen, sondern nur eine Spezialregelung für schuldrechtliche Ansprüche. Ein anderer Spezialfall wären die §§ 989 ff. für den dinglichen Herausgabeanspruch. Es bestünde dann nicht das Verhältnis von "lex generalis" zu "lex specialis", sondern die §§ ·275 ff. wären auf die schuldrechtlichen, die §§ 989 ff. auf die dinglichen Ansprüche ausgerichtet. Voraussetzung dafür ist, daß bei einer Verletzung· des Anspruchs aus §§ 985, 986 nicht die Tatbestandsmerkmale sowohl der §§ 989 ff. als auch der §§ 275 ff. vorliegen, sondern Tatbestandsverschiedenheit herrscht. Sind die §§ 275 ff. schon tatbestandlieh nicht auf den dinglichen Herausgabeanspruch anwendbar, so ist bewiesen, daß zu §§ 989 ff. kein Konkurrenzverhältnis besteht. Denn nach allen Theorien kommen hierfür die Fälle der Tatbestandsverschiedenheit nicht in Betracht90• Besteht aber keine Konkurrenz, so können die §§ 989 ff. auch keine Spezialvorschriften zu den §§ 275 ff. sein. Denn beide behandeln nicht denselben, sondern verschiedene Lebenssachverhalte. 3. Tatbestandsverschiedenheit ist jedoch auf Grund der oben bereits festgestellten Unterschiede zwischen dinglichem und obligatorischem Anspruch anzunehmen. Keines der für die §§ 275 ff. entscheidenden Merkmale "Schuldverhältnis", "Schuldner", "Gläubiger", "Unmöglichkeit" treffen auf den Eigentümer, den Besitzer oder das Verhältnis zwischen beiden zu. Damit können die §§ 275 ff. auf Anspruchsverletzungen des dinglichen Anspruchs direkt gar nicht angewendet werden, selbst wenn es die §§ 989 ff. nicht gäbe. Damit ist aber bewiesen, daß die §§ 989 ff. keine Spezialregeln, also auch keine "Sondernormen", zu §§ 275 ff. darstellen. Sie sind notwendig, nicht um ein von §§ 275 ff. abweichendes, "spezielles" Anspruchsrecht für die §§ 985, 986 zu schaffen, sondern um die hier auftretenden Leistungsstörungen überhaupt zu regeln. Das übersieht Horstmann91 • Er weist zwar mit Recht darauf hin, daß selbst dann die generelle Anwendbarkeit der Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts auf §§ 985, 986 fraglich wäre, wenn sich eine begriffliche Identität von schuldrechtlichem und dinglichem Anspruch eo Lent, 73; Schmidt, 23; Dtetz, 21. Horstmann, 7.

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§ 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht

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nachweisen ließe. Denn einmal handele es sich bei den Abschnitten 1 bis 6 des Rechts der Schuldverhältnisse nicht um allgemeines Schuldrecht in dem Sinne, daß jede Bestimmung auf jeden obligatorischen Anspruch anwendbar sei. Zum anderen bedürfe es auch dann der Prüfung, ob die Interessenlage beim dinglichen Recht jeweils der bei der einzelnen schuldrechtlichen Norm gewürdigten Interessenlage .entspreche. Er berücksichtigt jedoch nicht, daß es sich immer nur um eine entsprechende, niemals um eine direkte Anwendung handeln kann, weil die §§ 275 ff. schon tatbestandlieh nicht für Anspruchsverletzungen des dinglichen Anspruchs passen11• Beiden Regelungen ist die Funktion gemeinsam. Sie können so unter den Oberbegriff eines allgemeinen Anspruchsrechtes gebracht werden93• Einen gewissen Hinweis für die Richtigkeit dieser Ansicht kann man in der eigenartigen Einschränkung sehen, mit der die §§ 275 ff. von der h. M. als "Ieges generales" zu §§ 989 ff. aufgefaßt werden. Sie sollen nämlich nur soweit auf den Herausgabeanspruch anwendbar sein, als dessen "dingliche Natur nicht entgegensteht"94• Der Sinn dieses Satzes bleibt unklar. Denn es ist nicht eine einzige Vorschrift unter den §§ 275 ff. zu finden, die nicht speziell auf den "Schuldner", beziehungsweise auf den Gläubiger, zugeschnitten wäre. Der nach §§ 985, 986 Verpflichtete ist aber kein Schuldner. §§ 275 ff. sind daher direkt nicht anwendbar. Also steht jeder Vorschrift die "dingliche Natur" des Herausgabeanspruchs entgegen! In der Schwäche der herrschenden Meinung wird eine Bestätigung der hier vertretenen gesehen. 4. Freilich handelt es sich mehr um eine dogmatisch notwendige als um eine praktisch bedeutsame Erkenntnis. Denn die direkte Anwendung des allgemeinen Schuldrechts ist bei Leistungsstörungen des Herausgabeanspruchs zwar ausgeschlossen. Aber im Gesetz fehlen positive Vorschriften eines allgemeinen Leistungsstörungsrechts. So fehlt es an einer konkreten Darstellung der für alle Anspruchsverletzungen geltenden Prinzipien. Also bleibt nichts anderes übrig, als die vorhandenen Vorschriften auf das dahinterstehende Prinzip, das für alle Ansprüche gilt, zu untersuchen. Daher müssen, soweit die §§ 989 ff. der Ergänzung bedürfen, die Vorschriften der §§ 275 ff. entsprechend zur Ergänzung herangezogen werden. Aber damit ist nicht gesagt, daß die §§ 275 ff. generell auf dingliche Ansprüche anwendbar sind. Sondern es ist zu fragen, welche Vorschriften: über Unmöglichkeit und Verzug bei Schuldverhältnissen entsprechend auch für den sachen·

Horstmann, 82 ff. ea Dies erwägt schon Windscheid, Pand. I § 43 Note 4. " So Motive III 398 f. Ihnen folgt die ganz h. M.

ez

III. Das Verhältnis der §§ 989 U. zu §§ 275 ff.

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rechtlichen Anspruch herangezogen werden können, obwohl sie wegen Tatbestandsverschiedenheit direkt nicht anwendbar sind. Darauf ist naturgemäß eine generelle Antwort nicht möglich. Die Entscheidung muß, wie Horstmann nachgewiesen hat, für jede Bestimmung gesondert getroffen werden. Hier interessieren nur die Vorschriften, die sich wie die §§ 989 ff. mit der Nicht- oder Schlechterfüllung der geschuldeten Leistung befassen. Es bestehen keine Bedenken anzunehmen, daß auch der Herausgabepflichtige nach §§ 985, 986 wie der Obligationsschuldner durch Mahnung und bei Verschulden in Verzug gerät. Der daraus folgende Schaden ist für den Berechtigten der gleiche, ob es sich um den Vermieter oder den Eigentümer handelt. Im Verzugsfall besteht also beim dinglichen Herausgabeanspruch dieselbe Interessenlage wie bei einem schuldrechtlichen. Daher ist die entsprechende Anwendung der §§ 284 ff. auch bei Verzug des nach §§ 985, 986 Verpflichteten möglich. Der Gesetzgeber hat deswegen folgerichtig in § 990 II die entsprechende Anwendung der §§ 284 ff. angeordnet. Die Verweisung war deshalb geboten, weil eine spezielle Regelung nur die in §§ 284 ff. getroffenen Entscheidungen hätte wiederholen müssen. Eine von §§ 985, 986 unterschiedliche Interessenlage wird aber vorausgesetzt, soweit die §§ 275 ff. nicht nur wie die Verzugsvorschriften an den "Schuldner" und den "Gläubiger", sondern an den spezifisch schuldrechtlichen Unmöglichkeitsbegriff Rechtsfolgen knüpfen. Eine analoge Anwendung stößt damit auf erhebliche Bedenken. Freilich kann man unter "Unmöglichkeit" ganz allgemein alle Fälle verstehen, in denen die Leistungsstörung zu einer Befreiung von der Primärverpflichtung führt95• Denn der Schuldner wird nach §§ 275 I und II von seiner Verpflichtung, die primär geschuldete Leistung zu erbringen, zwar nur im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit frei. Aber im Grunde tritt diese Befreiung in jedem Falle der Unmöglichkeit, also dem des Nicht-Leistenkönnens, ein (vgl. § 279). Nur wandelt sie sich bei Verschulden in eine solche auf Schadenersatz. Faßt man den Begriff der Unmöglichkeit aber so weit, so ist zwischen dieser Unmöglichkeit "im weiteren Sinne" und der "im schuldrechtlichen Sinne" zu unterscheiden. Nur letztere setzen die §§ 275 ff. voraus. Sie bedeutet soviel wie "Verlust der Leistungsfähigkeit""· Das ist, wie schon oben erörtert, etwas anderes als der Besitzverlust, durch den die Primärverpflichtung nach §§ 985, 986 erlischt. Zudem ist die Interessenlage zwischen Eigentümer und redlichem Besitzer eine andere als zwischen Gläubiger und Schuldner. Wer die e11 Lehmann, Unterlassungsptucht 254. Heck, Sachenrecht § 32, 8.

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42 § 2. Schadenersatzansprüche der §§ 989 ff. als Leistungsstörungsrecht

fremde Sache in der Meinung erworben hat, Eigentümer zu sein und sie daraufhin an einen Unbekannten weggibt, bedarf einer anderen Beurteilung als derjenige, der dasselbe tut, aber weiß, daß es sich nicht um seine eigene, sondern um eine fremde Sache handelt. Aus diesen Gründen hat der Gesetzgeber mit Recht für den Fall der Befreiung von der Primärverpflichtung eigene Vorschriften für §§ 985, 986 in den §§ 989 ff. geschaffen. Anders als im Verzugsfalle können die §§ 275 ff. zur Ergänzung nur in Einzelfällen (z. B. §§ 276, 278) und nur nach sorgfältiger Prüfung der Interessenlage entsprechend angewendet werden•7. C. Ergebnis

So ist die Ansicht abzulehnen, daß die §§ 989 ff . .,Sondernormen" zu §§ 275 ff. sind. Es handelt sich weder bei §§ 985, 986 um einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch, noch bei §§ 275 ff. um .,Ieges generales" für dingliche Ansprüche. IV. Die systematische Stellung der §§ 989 ff. Die §§ 989 ff. stehen vielmehr überhaupt nicht in Konkurrenz zu den §§ 275 ff., sondern beziehen sich auf einen anderen Sachverhalt. Allerdings haben sie dieselbe Funktion. Sie regeln beide die Rechtsfolgen, die an eine Anspruchsverletzung zu knüpfen sind. Die §§ 989 ff. sind daher wie §§ 275 ff. Leistungsstörungsrecht: §§ 275 ff. für die schuldrechtlichen, §§ 989 ff. für die dinglichen Ansprüche.

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So auch Horstmann, 82 ff.

2. Kapitel

Das Verhältnis der §§ 989 ff. zu anderen Leistungsstörungsansprüchen Die Erkenntnis, daß es sich bei den §§ 989 ff. um Leistungsstörungsrecht handelt, bildet eine sichere Grundlage für die Beurteilung der anstehenden Probleme. Sie ist freilich nicht neut, jedoch müssen auch aus ihr wie regelmäßig nicht - die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden: Treffen auf einen Sachverhalt sowohl die §§ 989 ff. als auch andere Vorschriften zu, so macht es für die Beurteilung ihres Verhältnisses zueinander doch einen Unterschied, ob sie ihn gleichfalls als Leistungsstörung oder unter einem anderen Gesichtspunkt regeln. Zerstört zum Beispiel der Mieter die Mietsache nach Ablauf der Mietzeit, so ist denkbar, daß er dem Vermieter, wenn dieser auch Eigentümer der Sache ist, vertraglich, deliktisch und nach den §§ 989 ff. haftet. Im ersten und im letzten Fall handelt es sich je um eine Haftung, die wegen der Verletzung des Herausgabeanspruchs eintritt. Dagegen liegt dem Deliktsanspruch die Erwägung zugrunde, daß niemand fremdes Eigentum widerrechtlich und schuldhaft beeinträchtigen darf. Die drei denkbaren Haftungstatbestände beruhen also nicht auf jeweils verschiedenen Haftungsgründen. Der Anspruch aus positiver Forderungsverletzung und der aus §§ 989 ff. haben vielmehr dieselbe Wurzel. Welcher von ihnen anzuwenden ist, ist eine Frage der Konkurrenz gleichartiger Ansprüche. Anders dagegen ihr Verhältnis zu dem Anspruch aus unerlaubter Handlung. Dieses ist ebensowenig ein spezielles Problem der §§ 989 ff. wie des Vertragsrechtes. Das wird in Literatur und Rechtsprechung zu wenig berücksichtigt. Vielmehr handelt es sich in jedem der beiden Fälle nur um einen Ausschnitt aus t Vgl. schon Lent, 259; sowie Schmtdt, 277 Note 18; Wotff-Raiser, § 85 Note 28. Allerdings wird nicht immer erkannt, daß die §§ 989 ff. zu §§ 275 ff. in Tatbestandsverschiedenheit stehen, vgl. dazu ausführlich oben § 2.

2. Kapitel, Vorbemerkung

dem größeren Fragenkreis, wie sich das Leistungsstörungsrecht ganz allgemein zum Deliktsrecht verhält1• Aufgabe dieser Untersuchung soll es nicht sein, die zuletzt genannte Problematik eingehend zu erörtern. Sie beschränkt sich darauf, für ihre Lösung lediglich die Anhaltspunkte aufzuzeigen, die die §§ 989 ff. geben können. Das geschieht im dritten Kapitel der Arbeit. Zunächst soll jedoch versucht werden, auf Grund der soeben im 1. Kapitel gewonnenen Erkenntnisse das Verhältnis der §§ 989 ff. zu anderen Leistungsstörungsansprüchen festzustellen. Im Vordergrund stehen hierbei die Fälle, in denen der dingliche mit deliktischen und möglicherweise mit persönlichen Herausgabeansprüchen zusammentrifft.

J Zur Zeit wird insbesondere wieder über die Konkurrenz des Deliktszum Vertragsrecht lebhaft diskutiert; vgl. Dietz, Landesreferate 181-205 m. w. N.; Eichler, AcP 162, 401 ff.

§ 3. §§ 989 ff. und das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen I. Das Verhältnis zwischen dinglichem und deliktischem Herausgabeanspruch A. Der Konkurrenzfall

Wer dem Eigentümer eine Sache entzieht, ist als Besitzer nach

§§ 985, 986 zur Herausgabe verpflichtet. Kommt er dieser Verpflich-

tung nicht oder in nicht gehörigem Umfang nach, so haftet er für den durch diese Leistungsstörung entstandenen Schaden nach §§ 989 ff. Diese Haftung setzt Verschulden voraus und steigert sich erst bei Verzug zur Zufallshaftung (§ 990 II). Davon abgesehen ist sie an die Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs (§ 989) oder an die Unredlichkeit des Verpflichteten (§ 990 I) geknüpft und richtet sich im Falle des § 991 II nach der Verantwortlichkeit des unmittelbaren gegenüber dem mittelbaren Besitzers. Wer das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen rechtswidrig und schuldhaft verletzt, ist nach § 823 I zum Schadenersatz verpflichtet. Schadenersatz bedeutet nach § 249, 1 Wiederherstellung des Zustandes, der ohne das zum Ersatz verpflichtende Ereignis bestehen würde. Liegt die Verletzung darin, daß dem Eigentümer der Besitz der Sache entzogen wurde, so ist demnach die Herausgabe der Sache Inhalt der nach §§ 823 I, 249, 1 zu erbringenden Leistung1• Von dieser Verpflichtung wird der Deliktsschuldner wie jeder andere Schuldner frei, wenn die Herausgabe infolge eines Umstandes unmöglich geworden ist, den er nicht zu vertreten hat (§ 275). Vertreten muß der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276). Denjenigen, der die Rückgabe einer Sache schuldet, die er einem anderen durch eine unerlaubte Handlung entzogen hat, trifft jedoch die Spezialregelung des § 848. Er ist nicht nur für Verschulden, sondern auch 1 Daß es sich bei § 823 um einen Herausgabeanspruch handelt, wird nicht bestritten. Vgl. Lent, 338; Dietz, 183; Siber, JhJ 89, 18, 19; Stav.dinger-Berg, § 985 Anm 1 a; Soergel-Mühl, Vbm 6 vor § 985. Siber, weist a. a. 0. jedoch darauf hin, daß nach § 823 I primär die Achtung vor dem fremden Eigentum und erst bei ihrer Verletzung die Herausgabe geschuldet sel

46

§ 3. Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

für den zufälligen Untergang oder eine aus einem anderen Grunde eintretende zufällige Verschlechterung der Sache verantwortlich. Ausgenommen ist nur der Fall, daß der Schaden auch ohne die Entziehung eingetreten wäre. Muß jemand, zum Beispiel der Dieb, dem Eigentümer eine Sache nicht nur nach §§ 985, 986, sondern auch nach § 823 I herausgeben und verletzt er diese Verpflichtung, so besteht also ein wesentlicher Unterschied, ob er für den daraus entstandenen Schaden nach dem Leistungsstörungsrecht des dinglichen oder dem des deliktischen Anspruchs haften muß.

B. Konku.TTenz des dingZiehen mit dem deZiktischen Hemu.sgabeanspru.ch Ob jedoch dieser Fall überhaupt eintreten kann, ist umstritten. Denn nur nach der herrschenden Meinung besteht zwischen §§ 985, 986 und §§ 823, 249 Anspruchskonkurrenz2 und damit die Möglichkeit, daß das Leistungsstörungsrecht beider Ansprüche zusammentrifft. Dagegen meint Siber, § 823 verdränge regelmäßig den dinglichen Herausgabeanspruch. 1. Nach seiner Ansicht3 sind Ansprüche zwischen denselben Rechtssubjekten immer nur dann hinreichend zu individualisieren und rechtlich zu trennen, wenn sie sich nach Entstehungsgrund und Leistungsinhalt voneinander unterscheiden und daher an einer Wahlmöglichkeit ein berechtigtes Interesse besteht. Dieser Fall liege jedoch nicht vor, wenn von den Ansprüchen, deren Tatbestände durch eine Handlung erfüllt werden, der eine "stärker" als der oder die anderen sei. Bei der Vindikation handele es sich aber um den schwächsten der Herausgabeansprüche. Am stärksten erscheine der Deliktsanspruch'. Denn die als Schadenersatz geschuldete Herstellung sei eine Rückgabe im Sinne der Rückverschaffung des unmittelbaren oder des mittelbaren Besitzes, auch aus dritter Hand1• Außerdem spreche dafür, daß der Besitzer bei UnI Wolff, Recht zum Besitz, 5ff.; Lent, 338; Oertmann, JhJ 61, 44ff.; Dietz, 182 ff.; Raiser, Eigentumsanspruch 139; Staudinger-Berg, § 985 Anm 1 a; Wolff-Raiser, § 95 I 2; Westermann, § 30 I 4; Soergel-Mühl, Vbm 6 vor f 985; Erman-Hefermehl, § 985 Anm 1 c (5). s Siber hat seine Lehre schon früh entwickelt, vgl. Rechtszwang (1903)

114 ff. Sie wurde von ihm im Laufe der Jahre ständig verbessert. Die Darstellung folgt daher seinen letzten Ausführungen (1941) in JhJ 89, 1 ff. ' Siber, JhJ 89, 78. Siber, JhJ 89, 18/19.

I

I. Verhältnis zwischen dinglichem und deliktischem Herausgabeanspruch 4:7

möglichkeit der Rückverschaffung selbst für Zufall einstehen müsse8 • Einen weitergehenden Inhalt habe keiner der sonstigen Herausgabeansprüche. Dennoch könne aber der deliktische nicht den vertraglichen Herausgabeanspruch verdrängen. Denn er verjähre in seiner ursprünglichen Strenge sehr kurz, nämlich in 3, längstens in 30 Jahren. Der regelmäßigen 30-jährigen Verjährung erliege er nur mit der Beschränkung auf die "Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung" (§ 852). Konstruktiv sei dies kein selbständiger Bereicherungsanspruch, sondern der Rest des ursprünglich weitergehenden Deliktsanspruchs7 • Der Herausgabeanspruch aus § 823 gehe daher in seiner ursprünglichen Form regelmäßig weiter als die vertraglichen, werde jedoch nach der 3-jährigen Frist schwä,. eher als diese. Dagegen sei er in jedem Falle mindestens gleich stark wie der Eigentumsherausgabeanspruch. Denn dieser gehe ja von vornherein nur auf "Auskehrung", also auf nicht mehr als der Rest des Deliktsanspruchs. Er verjähre auch genau so lang wie dieser. Folglich sei er als schwächerer Anspruch neben dem deliktischen überflüssig und daher nicht gegeben, wenn dieser vorliegt. 2. Sibers Lehre hat weder in die Rechtsprechung noch in die Literatur Eingang gefunden. Es gilt als selbstverständlich, daß sich der Eigentümer sowohl auf sein dingliches Recht als auch auf das begangene Delikt stützen kann. Der Anspruch aus unerlaubter Handlung gründe sich auf Verletzung des unmittelbaren Besitzes8 , der aus §§ 985, 986 nur auf das Eigentum des Klägers und den Besitz des Beklagten. § 823 entspringe daher einem Tatbestand, der dem Eigentümer-Besitzerverhältnis keine Beachtung schenke und mit ihm nichts zu tun habe. Siber hat diese Begründung jedoch niemals als echten Angriff auf seine Lehre angesehen. Mit Recht. Abgesehen davon, daß es bedenklich ist, den Besitzentzug nur als Verletzung eines "sonstigen Rechtes", des Besitzes, nicht aber auch als eine solche des Eigentums anzusehen9, geht diese Betrachtung auf das Hauptanliegen Sibers gar nicht ein. • Siber, JhJ 89, 19. 7 Siber, JhJ 89, 78; so auch schon Lent, 338. e Dietz, 183, 185. • Anders Enneccerus-Nipperdey, § 80; Enneccerus-Lehmann, § 234 I 1c; RGRK-Haager, § 823 Anm 24; Soergel-Schräder, § 823 Anm 43. RGZ 59, 326; BGHZ 32, 194, 205 m.w.N. Dagegen mit beachtlichen Gründen Larenz, Schuldrecht II, § 66 I a (6. Auflage) Seite 386.

48

§ 3. Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

3. Dennoch kann Siber nicht gefolgt werden. Seine Theorie hat, wie Raiser bemerkt10, eine ganz neue Betrachtung des zivilrechtliehen Anspruchs zur Grundlage. Deren Darlegung ist Siber leider schuldig geblieben. So muß man mit Recht fragen11, ob unter den Gegebenheiten des geltenden Rechtes Sibers immer deutlicher verfolgte Tendenz, in der Anerkennung selbständiger, etwa gar konkurrierender Ansprüche sehr zu sparen, nicht mehr einen· ästhetischen als einem praktischen Bedürfnis entspricht. Der Lehre Sibers stehen außerdem die gleichen Argumente entgegen, die oben der Abgrenzung des dinglichen vom schuldrechtlichen Anspruch dienten12• Denn die Merkmale der Dinglichkeit sind Individualisierungsmerkmale im Sinne der Siberschen Ansicht. Daher kann eine ldendität des deliktischen und des dinglichen Anspruchs mit der Folge, daß der letztere verdrängt wird, nur anerkennen, wer die Sonderstellung des dinglichen Anspruchs leugnet. Das erfolgt demnach auch bei Siber13• So ist mit der Entscheidung für die Existenz eines dinglichen im Gegensatz zu schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen bereits gegen die Ansicht Sibers Stellung bezogen. Ein "stärkerer" kann, wenn überhaupt, immer nur einen gleichartigen "schwächeren" Anspruch verdrängen, nicht aber der deliktische den wesensmäßig verschiedenen dinglichen. C. Ergebnis Wenn man jedoch die Lehre Sibers ablehnt und ein Nebeneinander von § 823 und §§ 985, 986 im Sinne der herrschenden Ansicht anerkennt14, stellt sich die Frage, wie sich die jeweils an den "Haupt"anspruch geknüpften Leistungsstörungsrechte zueinander verhalten. ·

.Rauer, Eigenturnsanspruch. 130. u .Raiser, Eigentumsanspruch, 130. u Vgl. oben (§ 2 III A 3), Seiten 35 ff. 11 Siber, Rechtszwang 95 ff.; zwar bezeichnet Siber, den Anspruch nach §§ 985, 986 weiterhin als dinglichen Anspruch (JhJ 89, passim), hat jedoch seinen ursprünglichen Standpunkt (vgl. auch Passivlegitimation 237/8) nicht aufgegeben, daß sachlich kein Unterschied zwischen ihm und einem schuldrechtlichen bestehe. 14 Es spielt für die weiteren Erörterungen keine Rolle, ob man sich für die Anerkennung zweier getrennter Ansprüche oder für. nur einen mit zwei verschiedenen Begründungen entscheidet. Für "Anspruchskonkurrenz": Dietz, 280, Landesreferate 190 m.w.N; und die h.M. · · Für "Begrüridungskonkurrenz": Larenz, Schuldrecht II, § 69 VI; Esser, § 201, 3 g; Nikisch, AcP 154, 282; Staudtnger- Weber, Anm 50 der Einl. zu § 242. 10

II. Die eiaene These

ll. Die eigene These Eine Untersuchung, welches spezielle Verhältnis zwischen zwei Normengruppen besteht, erübrigt sich immer dann, wenn der Gesetzgeber selbst bereits die Entscheidung getroffen hat15• Das lenkt die Aufmerksamkeit auf § 99211• Er bestimmt, daß der Besitzer dem Eigentümer nach den Vorschriften wegen unerlaubter Handlungen haftet, wenn er sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung verschafft hat.

A. Die Bedeutung des § 992 1. Die ganz überwiegend vertretene Meinung sieht in § 992 vor allem eine Abgrenzungsnorm für die Fälle, in denen die Handlung, die die Leistungsstörung verursacht (zum Beispiel Beschädigung oder Zerstörung der bese!;senen Sache), gleichzeitig den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt. Es wird aus § 992 und § 993 gefolgert, daß die Deliktshaftung nur dann eintritt, wenn die Besitzverschaffung, also ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis, in der in § 992 bezeichneten Weise erfolgt ist.

2. Dem § 992 auch diese Aufgabe zuzuweisen begegnet aber erheblichen Bedenken. Bereits oben17 wurde festgestellt, daß sich das Problem der Konkurrenz zwischen Leistungsstörungs- und Deliktsrecht nicht auf das Eigentümer-Besitzerverhältnis beschränkt. In allen anderen gleichgelagerten Fällen finden sich aber keine positiven Regelungen für diesen Konkurrenzfall. Würde also § 992 tatsächlich die Abgrenzungsfunktion in dem Sinne enthalten, die ihm allgemein zugeschrieben wird, würde es sich in der Tat um jene "singuläre" Erscheinung handeln, deren Existenz bereits v. Liszt bemängelt18• Auch der systematische Aufbau der §§ 987 ff. macht die Annahme der vorherrschenden Ansicht zweifelhaft. In den §§ 989, 990 I und § 991 11 werden die Rechte des Eigentümers festgelegt, wenn der dingliche Herausgabeanspruch verletzt ist. Die §§ 994 ff. befassen sich mit Gegenansprüchen des Besitzers, also mit einer ganz anderen Materie. Dazwischen, gleichsam als Abschluß des Leistungsstörungsrechtes, stehen die §§ 992, 993. Beide befassen sich mit Abgrenzungsfragen. Der folgerichtige Aufbau wäre, zunächst die unmittelbar zuvor geregelten Ansprüche zu anderen Bestimmungen gleicher Stellung abzugrenzen Vgl. dazu Lent, ~57. Oben § 2 I B 2, wurde § 992 nur kurz gestreift. 11 Vgl. oben vor § 3, S. 43. 18 von Liszt, 17. Diese Überlegung trifft grundsätzlich auch für § 993 zu. Vgl. unten § 5, insbes. II B, III, IV, S. 104 f. 15 11

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Kraaaa

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§ 3.

Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

und nicht, wie allgemein angenommen wird, diese Frage zu überspringen und sich in § 992 sofort dem Verhältnis des Leistungsstörungszum Deliktsrecht zuzuwenden. 3. Diese überlegungen lassen die oben dargestellte Auslegung des § 992 als zweifelhaft erscheinen. Sie drängen vielmehr die These auf, daß § 992 die Aufgabe zukommt, nur das Leistungsstörungsrec ht zwischen dem dinglichen und dem gleichzeitig vorliegenden deliktischen llerausgabeanspruch abzugrenzen. Die Bestimmung gewinnt dann die folgende Bedeutung: 1. Wenn durch die Besitzverschaffung sowohl ein dinglicher wie ein deliktischer Herausgabeanspruch entstanden ist, und sie außerdem eine verbotene Eigenmacht oder eine strafbare llandlung enthält, so haftet der Besitzer dafür, daß er die Sache nicht oder nicht gehörig herausgeben kann, unter dem Gesichtspunkt der Leistungsstörung nicht nur nach den §§ 989-991, sondern auch nach §§ 275 ff., 848. 2. Dagegen kommt nach Leistungsstörungsrecht eine Ersatzpflicht nur nach§§ 989-991 in Frage, wenn durch die Besitzerlangung zwar der Tatbestand eines Delikts, nicht aber zugleich der einer verbotenen Eigenmacht oder einer strafbaren llandlung erfüllt wurde. 3. Jedoch sagt § 992 weder positiv noch negativ etwas darüber aus, ob die Leistungsstörungsha ndlung selbst in irgendeinem denkbaren Fall als Delikt zu beurteilen ist. Vor allem im letzten Punkt weicht die hier vertretene von der herrschenden Meinung ab. Denn in Literatur und Rechtssprechung wird regelmäßig nicht unterschieden zwischen dem deliktischen Leistungsstörungsrecht (§§ 275 ff., 848) wegen Beeinträchtigung des durch die Besitzverschaffung entstandenen deliktischen llerausgabeanspruch s (§§ 823, 249) auf der einen Seite, und dem damit wesensmäßig gar nicht vergleichbaren und deshalb von ihm auch streng zu trennenden Deliktsanspruch (§§823 ff.), der wegen der Eigentums- bzw. Besitzverletzung durch die eigentliche Leistungsstörungsha ndlung (Beschädigung, Zerstörung, Weggabe usw.) ja noch neben oder an Stelle der Leistungsstörungsan sprüche denkbar ist. Vielmehr zieht die h. M. beide Ansprüche unter § 992, weil es sich heidemale um "Deliktsansprüche" handele. B. Begründung

Diese eigene Auffassung vom Wesen des § 992 stützt sich auf seine Entstehungsgeschich te und seinen Wortlaut. Vor allem aber darauf, daß die hier vertretene Ansicht der Interessenlage gerecht wird und

II. Die eigene These

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nach ihr die Regelung des § 992 keine "unglückliche" 111, sondern eine sinnvolle ist. 1. Der dem § 992 BGB entsprechende § 935 EI lautete10 : Hat der Besitzer oder der Inhaber durch eine strafbare oder durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung sich den Besitz oder die Inhabung verschafft, so bestimmt sich seine Verpflichtung zum Schadenersatz nach den Vorschriften aus unerlaubter Handlung. In den Motiven zum 1. Entwurf wird diese Bestimmung in dem Kapitel "Haftung des deliktmäßigen Besitzers" 21 und unter den "Vorbemerkungen" im Abschnitt über den "Eigenthumsanspruch" erläuterttz. Es erschien der Kommission erforderlich, eine Vorschrift über die Haftung des deliktmäßigen Besitzers oder . Inhabers aufzunehmen, "weil sonst nach der beschränkenden Wirkung des § 930 dem begangenen Delikte eine jede verpflichtende Wirkung genommen wäre"Z3 • Auf diese Erwägung stützt sich im Grund die heute allgemein vertretene Ansicht, § 935 E I und damit § 992 BGB enthalte die Ausnahme zu § 930 EI (§ 993 BGB) in folgendem Sinn: Nach § 930 EI (§ 993 BGB Abs. 1 am Ende) ist der Besitzer nur unter den in §§ 931 bis 934 E I (§§ 987-991 BGB) bezeichneten Voraussetzungen zum Schadenersatz verpflichtet. Wird die Sache während der Besitzzeit des nach § 929 EI (§§ 985, 986 BGB) herausgabepflichtigen Besitzers beeinträchtigt, und ist dadurch der Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt, so folge aus § 935 E I (§ 992 BGB), daß die Deliktshaftung trotz § 930 E I (§ 993 I BGB) nicht ausgeschlossen sei, wenn die Besitzverschaffung auf die in § 935 EI (§ 992 BGB) angegebene Weise erfolgt ist24 • Die Folgerung wird allgemein gezogen. Zweifel an ihrer Berechtigung werden nirgends geäußert. Dennoch kann sie nicht kritiklos hingenommen werden. Es ist festzustellen, daß man nur eine von zwei Möglichkeiten sieht, wenn man mit dem "begangenen Delikte" 26 nur die Beschädigung, Abnützung oder Zerstörung der Sache während der Besitzzeit des nach §§ 985, 986 Herausgabepflichtigen meint. Man übergeht dabei die Besitzerwerbshandlung. Gerade in ihr kann ein Delikt liegen, wie dies das geläufige Beispiel des Diebstahls zeigt. So ist im Gegensatz zur 1e Vgl. oben Seite 17, Note 2. Nach Mugdan III, Seite XXXIII. 21 Motive III 410 ff.; Mugdan III 228ft. 22 Motive III 392 ff.; Mugdan III 218 ff. 2s Motive III 410; Mugdan III 228. 24 Zur Entstehungsgeschichte des § 992 vor allem Dietz, 207 ff. Auf ihn vor allem stützt sich die heute h. M. vgl. für alle Soergel-MühZ, § 992 Anm 1. Außerdem Schulze, Gruch. 64, 403/4, insbes. Note 2 m.w.N. für Literatur 2o

und Rechtsprechung vor 1920. 26 Motive III 410; Mugdan III 228.

...

§ 3. Das Leistungsstörungsrecht bei delikUschen Herausgabeansprüchen

o2

allgemeinen Meinung zu fragen, ob die Motive das "begangene Delikt" auf die Besitzerwerbshandlung oder auf einen Vorgang während der Besitzzeit beziehen. Die Antwort ist erstaunlich einfach. Nur einige Zeilen nach dieser Feststellung in den Motiven weiter liest man28 : "Ist dem Eigenthümer die Inhabung der Sache entzogen und damit der Besitz derselben aufgehoben, so ist das Eigenthum total verletzt. In den tatsächlichen Verfügungen über die Sache, welche während des Besitzes des Nichteigenthümers vorkommen, können nicht weitere Delikte gegen das Eigenthum, sondern kann nur eine Verabsäumung der Erfüllung derjenigen Verbindlichkeiten gefunden werden, welche das Gesetz in Ansehung der Behandlung fremder Sachen auferlegt." Die Kommission meint mit dem "begangenen Delikt" also dasjenige, das durch die Besitzerwerbshan;dlung verwirklicht wurde. Denn nach ihrer Ansicht ist es nach dem Besitzentzug gar nicht mehr möglich, durch eine irgendwie gestaltete Behandlung der Sache den Tatbestand eines Deliktes gegen den Eigentümer zu erfüllen. Dies deshalb, weil der Entzug der Sache das Eigentum "total verletzt" habe, gleichsam bereits alle Möglichkeiten der Eigentumsverletzung vorweggenommen seien. Gerade aus diesem Grunde sah sich die Kommission genötigt, der Vindikation Folgeansprüche beizugeben. Nach ihrer Ansicht "ergibt sich, daß, wenn das Gesetz schwiege, der unredliche Besitzer ... weder als Delinquent noch aus einer rechtsgeschäftliehen oder gesetzlichen Obligation dem Eigenthümer haftbar sein würde"l7. Wenn aber die Kommission davon ausgegangen ist, daß der Besitzer nach dem Entzug der Sache gar kein Delikt mehr begehen kann, wäre es doch unsinnig gewesen, für diesen Fall eine Regelung in § 935 E I (§ 992 BGB) zu schaffen. Es spielt für die hier zu lösende Frage keine Rolle, ob die Ansicht der Kommission zutrifft, daß nach dem Besitzentzug dem Eigentümer kein Deliktsanspruch mehr erwachsen könne2'. Entscheidend bleibt, daß § 935 E I (§ 992 BGB) in der Annahme geschaffen wurde, § 704 E I (§ 823 BGB) könne nur durch die Besitzverschaffung, nicht aber während der Besitzzeit verwirklicht werden. § 935 E I (§ 992 BGB) muß daher einen anderen Sinn haben als den, der ihm heute allgemein beigemessen wird. Was mit der "verpflichtenden Wirkung" des "begangenen Deliktes" in den Motiven gemeint ist, ist nicht zweifelhaft. § 716 EI, dem § 848 BGB in dem hier interessierenden Teil gleichsteht, lautet: 18 27 28

Motive III 410; Mugdan III 229. Motive III 395; Mugdan III 220.

Heute wird dies dagegen allgemein bejaht.

II. Die eigene These

58

Im Falle der Entziehung eines Gegenstandes liegt der ... Ersatz . . . dem Schuldner auch dann ob, wenn der Gegenstand nicht durch die unerlaubte Handlung, sondern später durch Zufall untergegangen oder verschlechtert worden ist, ..." Die Folge wird an den deliktischen Besitzerwerb geknüpft. Nunmehr erhalten auch die Erwägungen der Kommission einen Sinn, daß die §§ 989 ff. deshalb geschaffen werden müßten, weil die allgemeinen "Arten der Haftung theils zu weit führen würden und einer Beschränkung bedürfen, theils zum erforderlichen Schutze des Eigen· thumes nicht genügen"11• Zu weit immer dann, wenn die Besitzerlan·· gung ein Delikt darstellt, das keine verbotene Eigenmacht und keine strafbare Handlung enthält, zu eng, wenn in ihr kein Delikt zu sehen ist. Im letzteren Fall bestünde nämlich für die Leistungsstörung des Herausgabeanspruchs, wie oben nachgewiesen istao, überhaupt keine Haftung. In den Protokollen der Kommission für die zweite Lesung findet sich kein Hinweis, daß bezüglich des § 935 E I (§ 992 BGB) die Ansicht der Kommission für die erste Lesung, die zu seiner Existenz führte, aufgegeben wurde. Die Bestimmung des § 935 E I wurde zwar in die Fassung des § 992 BGB gebracht. Das nur deshalb, weil man das Erfordernis des Vorsatzes für zu streng erachtete31• Das ändert aber nichts an der Sache. Es wurden die Voraussetzungen näher festgelegt, unter denen den Wirkungen des beim Besitzerwerb begangenen Deliktes Geltung verschafft werden sollte. Außerdem hatte man sich dafür entschieden, die Unterscheidung zwischen Besitz und Inhabung aufzugeben. Entscheidend ist, daß man an die Besitzverschaffungshandlung dachte, als die Wirkungen des Deliktes festgelegt wurden. Zwar scheint die Ansicht der ersten Kommission aufgegeben worden zu sein, daß an der dem Eigentümer entzogenen Sache keine unerlaubte Handlung mehr begangen werden könne. Diese Erörterungen stehen aber mit jenen nicht im direkten Zusammenhang, die sich mit der Umgestaltung des § 935 EI befassen31• An seiner Funktion als Abgrenzungsnorm wurde nichts mehr geändert. Die Denkschrift zum Sachenrecht schließlich streift § 992 BGB nur kurz und gibt im wesentlichen seinen Wortlaut wieder. Auch sie berührt den Grundgedanken der Vorschrift nicht mehr. Danach sind, n Motive 111 394; Mugdan 111 219. ao Vgl. oben § 2 111, Seiten 29 U., insbes. Seite 39. 11 Protokolle 3982; Mugdan 111 678. II Freilich wurde auch die Frage erörtert, ob der Besitzer haften solle, der die Sache während seiner Besitzzeit Schuldhaft zerstört (Protokolle 3981, Mugdan 111 678). Die dabei gefaßten Beschlüsse sind jedoch nicht Gesetz geworden und insoweit für die Auslegung des § 992 nicht maßgebend.

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§ 3. Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

wie schon auf Grund der Protokolle, für die Einordnung des § 992 BGB die in den Motiven geäußerten Erwägungen maßgebend. Die Entstehungsgeschichte gibt demnach eine Stütze für die Richtigkeit der hier vertretenen These ab. 2. Aber auch der Wortlaut spricht für sie. Es wird mit Recht immer wieder bemerkt, die Fassung des § 992 passe eigentlich nicht recht, wenn durch ihn die Deliktshaftung im Sinne der herrschenden Meinung eingeführt werden solle33• Nach dem Sprachgebrauch des BGB müßte es nämlich statt "haftet er wegen .. ." folgerichtig etwa heißen "unberührt bleiben die Vorschriften über unerlaubte Handlungen, sofern ...". Nach der hier vertretenen Ansicht wurde dagegen § 992 folgerichtig gefaßt. Es ist nicht erforderlich, eine Ungenauigkeit des Gesetzgebers hinnehmen zu müssen. Die Haftung ist an den Besitzverschaffungsakt geknüpft, der im Vordersatz des § 992 geschildert ist. Wegen der darin enthaltenen unerlaubten Handlung haftet der Besitzer nach den dafür einschlägigen Vorschriften. 3. Entscheidend spricht jedoch für die oben dargelegte These, daß nach ihr § 992 eine Regelung abgibt, die nicht nur der Interessenentscheidung des Gesetzgebers, sondern auch der Billigkeit entspricht.

Der Gesetzgeber geht davon aus, daß der Besitzer in gewissen Grenzen geschützt werden müsse. Ausgangspunkt ist der Fall, daß der gutgläubige Erwerber nur deshalb nicht Eigentümer wird, weil es sich um eine gestohlene Sache handelt (§ 935) oder die Übereignung aus anderen Grünäen fehlschlägt, die dem Erwerber nicht zur Last gelegt werden können (z. B. wegen unerkennbarer Geisteskrankheit des Veräußerers). Wenn er auf die Sache einwirkt, so handelt er in der Meinung, er sei Eigentümer ("quasi rem suam neglexit"). Dieser Irrtum verdient, sofern er nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht, nach Ansicht des Gesetzgebers Schutz. Die gleichen Erwägungen treffen auch auf den unrechtmäßigen Fremdbesitzer zu, der glaubt, rechtmäßig zu besitzen und sich im Rahmen dieses vermeintlichen Besitzrechtes hält". Aus diesem Grunde soll der gutgläubige Besitzer vor Rechtshängigkeit überhaupt nicht haften. Das ist der Sinn der §§ 989993. Sie erfassen Handlungen des Gutgläubigen deshalb nicht. Folglich bestehen für sie, soweit sie den Herausgabeanspruch beeinträchtigen, keine Leistungsstörungsansprüche. Der bezweckte Schutz ist jedoch erst gewährleistet, wenn nicht nur die Leistungsstörungsansprüche wegen der Verletzung des dinglichen, sondern auch jene des deliktischen Herausgabeanspruchs ausgeschlos33 Lent, 260/261; Stutz, 26 Note 14; Planck-Brodmann, § 992 Anm 1. 3« DM beachten Dtetz, 198/199 und Schmidt, 169/170 nicht.

II. Die eigene These

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sen sind. Denn gutgläubig ist auch, wer beim Besitzerwerb leicht fahrlässig den Mangel seines Besitzrechtes verkannt hat und so schuldhaft das fremde Eigentum verletzt wurdeu. Wer gutgläubig bezüglich des Besitzrechtes ist, kann also trotzdem den Tatbestand des § 823 erfüllen. Ist dies der Fall, so erwächst aus der Erwerbshandlung ein deliktischer Herausgabeanspruch. Dieser kann durch Handlungen des gutgläubigen Besitzers verletzt werden und die Schadenersatzpflicht nach §§ 275 ff., 848 auslösen. Damit wäre der Schutz des Gutgläubigen entscheidend durchbrachen. Dieses Ergebnis verhindert jedoch § 992. Er schließt alle deliktischen Leistungsstörungsansprüche aus, wenn der Besitz nicht durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung erlangt wurde. Wer dagegen dem Besitzer die Sache ohne seinen Willen und ohne daß das Gesetz es ihm gestattet, entzieht, oder wer sie sich sogar durch eine strafbare Handlung verschafft, verdient keinen Schutz, selbst wenn er ohne oder nur infolge geringer Fahrlässigkeit glaubte, zum Besitz berechtigt zu sein. Denn die verboten~ Eigenmacht verstößt gegen ein Grundprinzip unserer Rechtsordnung, gegen das Verbot der Selbsthilfe. § 992 hat damit für den Gutgläubigen einen guten Sinn. Nimmt er zum Beispiel an, einen Mietvertrag geschlossen zu haben, der wegen Geisteskrankheit des Partners jedoch nichtig ist, handelt er auf eigene Gefahr, wenn er die Mietsache an sich nimmt, obwohl ihm der vermeintliche Vermieter die Herausgabe zum vereinbarten Termin verweigerte. Verletzt er mit der Wegnahme widerrechtlich und schuldhaft das Eigentum des Geisteskranken, so haftet er für den Entziehungsschaden nach §§ 823 I, 249 ff., für die Unmöglichkeit der Herausgabe neben §§ 989 ff. nach §§ 275 ff., 848. 4. Diese Regelung entspricht der Billigkeit. Im Grundsatz ist es richtig, wenn man den gutgläubigen Besitzer, solange er nicht verklagt ist, von jeder Haftung freistellt. Diese Ansicht wird auch allgemein geteilt38• Die Bedürfnisse des Verkehrs erfordern von dem Erwerber keine bis ins einzelne gehende Nachforschungspfl.icht, ob er nicht ein bestehendes Besitzrecht verletze37• Wird dagegen der Eigentumsherausgabeanspruch u Siber, Passivlegitimation 252, JhJ 89, 10, bezieht den guten Glauben auf das Eigentum des "auctors". Dagegen mit Recht die h. M. Die Funktion der §§ 989 f. als Leistungsstörungsrecht des dinglichen Herausgabeanspruchs erzwingt, die Redlichkeit des Besitzers anders als in § 932 II darauf zu beziehen, ob er nach §§ 985, 986 zur Herausgabe verpflichtet ist oder nicht. (Wieder and. Heck, Sachenrecht § 68 2c. Für seine Unterscheidung, der gute Glaube müsse sich auf das Eigentum beim Eigenbesitzer, jedoch auf das Besitzrecht beim Fremdbesitzer beziehen, fehlt es an einer zwingenden Notwendigkeit). BGH JZ 63, 255 f. m. A. Isele, 257. ae Allg. Meinung, vgl. Erman-Hefermehl, Vbm 1 vor §§ 987 f. a1 So schon Motive III 394; Mugdan III 219.

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§ 3. Das Leistungsstörungsrecht· bei deliktischen

Herausgabe~nsprüchen

rechtshängig, so muß zwar aus dem bislang gutgläubigen kein bösgläubiger Besitzer geworden sein, jedoch ist die Klagezustellung sozusagen das "Wamzeichen"18 für den Redlichen, die Sache schonsam zu behandeln, für den Fall, daß er trotz seiner Rechtsüberzeugung unterliegt. Diese Überlegungen treffen dagegen auf den "Gewaltbesitzer" nach § 992 nicht zu. Daß auch der bösgläubige Besitzer nicht in jedem Falle dem strengen deliktischen Leistungsstörungsrecht ausgesetzt sein darf, zeigt das folgende Beispiel: Jemand erkennt infolge grober Fahrlässigkeit nicht, daß er von einem wegen Trunksucht Entmündigten (§ 114) gemietet hat. Der Mietvertrag entspricht einer ordentlichen Geschäftsführung, er räumt sogar dem Vermieter sehr günstige Bedingungen ein. Dennoch verweigert der gesetzliche Vertreter die Genehmigung. Die Vermietung ist damit ex tune nichtig. Der vermeintliche Mieter war von Anfang an unrechtmäßiger Besitzer. Folglich ist er nach §§ 985, 986 zur Herausgabe der Mietsache verpflichtet. Er haftet für jede schuldhafte Beeinträchtigung nacli §§ 990 I, 989. Außerdem hat der vermeintliche Mieter durch die Besitzerlangung den Tatbestand des § 823 I erfüllt. Die Einwilligung des Entmündigten zur Eigentumsverletzung bleibt nach§ 111 unwirksam. Der Irrtum des Erwerbers beruhte auf grober Fahrlässigkeit, ist also unbeachtlich. Sollte er aber außer für den durch die Besitzentziehung als solcher entstandenen Schaden auch noch für den zufälligen Untergang, eine zufällige Verschlechterung oder eine aus einem anderen Grunde eingetretene Z'!lfällige Unmöglichkeit der Herausgabe einstehen? Was für den, der zur Selbsthilfe greift oder für den Dieb, den Räuber, Erpresser usw. billig ist, wäre für ihn eine zu weitgehende Belastung. Denn anders als sie hat er dem Vorbesitzer die Sache nicht ohne dessen Willen entzogen (§ 858). Damit soll nicht einer Rückkehr zu dem Erfordernis der "vorsätzlichen unerlaubten Handlung" des EI das Wort geredet werden, sondern es ist zu beachten, daß zwar die Zustimmung zur Eigentumsverletzung, nicht aber die zur Besitzerlangung unwirksam ist. Das bestreitet freilich Breuer. Er geht davon aus38, daß sich eine Eigentumsverletzung immer nur in bestimmten handgreiflichen Erfolgshandlungen manifestiere, zum Beispiel in der Fremdsachbeschädigung, der Besitzentziehung u. ä. Diese Erfolgshandlungen seien die Eigentumsverletzung selbst40, es stünden also nicht zwei Erfolge nebeneinander, zum Beispiel die Besitzentziehung neben der Eigentumsaa Westermann, § 32 II 1. Breuer, 23 unten. Breuer, 24.

38

•o

II. Die eigene These

57

verletzung. Daher mache die Widerrechtlichkeit der Besitzentziehungshandlung zugleich die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung aus. Das Gesetz habe in § 858 ausdrücklich bestimmt, wann eine Besitzentziehung widerrechtlich sei. Nämlich immer dann, wenn dem Besitzer ohne seinen Willen der Besitz entzogen oder er im Besitz gestört wurde. Außerdem seien als Folge der Einheitlichkeit der Rechtsordnung alle unter Strafe gestellten Besitzerwerbshandlungen rechtswidrig, auch wenn sie nicht unter § 858 fallen. Abgesehen von den genannten Fällen kann es aber nach Breuer41 keine widerrechtliche Besitzerlangung geben. Denn wenn das Gesetz eine bestimmte Art von Besitzerlangungshandlungen als widerrechtlich bezeichnet, könne das nur heißen, daß alle anderen nicht widerrechtlich sind. Kann abex-42 die Besitzentziehung nur rechtswidrig sein, wenn sie durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung erfolgt ist, so liegt auch nur in diesen Fällen eine rechtswidrige Eigentumsverletzung vor. Denn die Besitzentziehung sei ja gerade die Eigentumsverletzung. Damit ist § 823 nach Breuer durch die Besitzverschaffung immer nur erfüllt, wenn zugleich eine verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung vorliegt. Wenn aber Besitz- und Eigentumsverletzung identisch sind, muß umgekehrt eine Zustimmung zu letzterer auch die verbotene Eigenmacht ausschließen. Die Einwilligung zur Eigentumsverletzung erfordert unstreitig eine Willenserklärung. Ob dagegen für die Zustimmung zur Besitzentziehung ein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich ist, oder ob ein natürlicher genügt, ist bestritten4s. Einigkeit herrscht nur darüber, daß sie nicht unter Druck erteilt sein darf44 und darüber, daß sie unwirksam ist, wenn sie von jemand erteilt wurde, dessen Wille nicht reif genug ist, um sich auf eine für die Dauer angelegte Sachherrschaft richten zu können41 • Gegen die u Breuer, 24 unten. u Breuer, 25. «a Daß verbotene Eigenmacht nur durch rechtsgeschäftliche Zustimmung ausgeschlossen werden kann, nehmen an: Baur, § 9 II 2 a; Ermlln-Westermann, § 858 Anm 6; Westermann, § 22 II 2; Ra11pe, JhJ 71, 141; Zitdmann, JhJ 70, 24. zweifelnd: Heck, Sachenrecht§ 13, 6 a.

Die h. M. läßt dagegen mit Recht einen natürlichen Willen genügen, sofern der Zustimmende die erforderliche Einsicht in sein Tun hat:

Palandt-Hoche, § 858 Anm 2; Soergel-Rothe, § 858 Anm 5; RGRK-Kregel, § 858 Anm 3; Wolff-Raiser, § 17 I 4 Note 13; Stlludinger-Seufert, § 858 Anm 7; Staudinger-Kober, § 858 Anm 7; Planck-Brodmann, § 858 Anm 1 b; J. V. Gierke, § 6 II 1 b; Dietz, 199 Note 38. 44 RG JW 28, 497 m. Anm v. R1111pe; BGHZ 4, 10, 38; BGH NJW 1953, 1506 m. Anm v. Hoche. 45 Wolff-RIIiser, § 10 III 3; Pa.l11ndt-Hoche, § 854 Anm 2; RORK-Kregel, §854 Anm 13.

58

§ 3.

Das LeistungsstörungsreCht bei delikUschen Herausgabeansprüchen

Meinung, die statt eines genügend reifen natürlichen einen rechtsgeschäftlichen Willen fordert, spricht jedoch, daß sie einen Unterschied zwischen Besitzerwerb und Besitzaufgabe machen muß. Nach § 854 I genügt nämlich nach richtiger Ansicht ein natürlicher411 Wille, sofern der Besitzerwerber die genügende Einsicht in sein Tun aufweist. Das kann bei einem beschränkt Geschäftsfähigen der Fall sein und wird zum Beispiel auf einen Zwanzigjährigen regelmäßig zutreffen. Es ist aber nicht einzusehen, warum für die Wirksamkeit der Besitzaufgabe strengere Anforderungen zu stellen sind, als für die des "actus contrarius". Außerdem fordern diejenigen, die einen rechtsgeschäftliehen Willen verlangen, für die Besitzaufgabe zwar eine Willenserklärung, aber sie erkennen an, daß ein vertraglich erklärtes Einverständnis nicht ausreicht, wenn der Besitzer im Zeitpunkt der Besitzverschaffung den entsprechenden Willen nicht mehr besitzt47• Demnach wäre also die vorherige vertragliche Vereinbarung einseitig widerruflich. Das widerspricht doch allen hergebrachten Grundsätzen. Auch die Beispiele Zitelmanns48 sagen nichts Entscheidendes. Freilich hört das Eindringen in ein fremdes Haus nicht auf, Hausfriedensbruch zu sein, weil ein Kind, das zufällig Eigentümer ist, gesagt hat "komm herein". Ebensowenig ist die Sachbeschädigung rechtmäßig, weil das Kind, das Eigentümer ist, sie erlaubt. Aber diese Handlungen sind eben deswegen rechtswidrig, weil sie Angriffe auf das Eigentum darstellen. Es ist jedoch nichts dagegen ausgesagt, ob es sich auch um verbotene Eigenmacht handelt, wenn sich jemand z. B. das Fahrrad von einem Zwanzigjährigen leiht. Beachtlicher ist der Einwand Raapes49• Er meint, die Zustimmung zur Besitzentziehung enthalte zugleich einen Verzicht auf den entgegenstehenden Unterlassungsanspruch, also eine Verfügung. Dafür sei eine rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich. Jedoch ist nicht einzusehen, warum nicht auch ein beschränkt Geschäftsfähiger auf eine tatsächliche Position, die der Besitz darstellt, verzichten kann, wenn er die nötige Einsicht hat. Er verzichtet ja nicht auf seine Rechte als Eigentümer. Besitz ist eben Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache. Er hat seine Grundlage im Tatsächlichen. Eine Veränderung in diesem Bestand als "Verfügung" im technischen Sinne zu bezeichnen, erscheint von vornherein fraglich. Jedenfalls muß aber hierfür "Verfügungsmacht" haben, wer die entsprechende Reife, Bees So die h. M., Wolff-RaUer, § 10 II, aber auch Zitelmann, JhJ 70, 21/22. And. Heck, Sachenrecht § 10, 4a; Westermann, § 13 I 2. 47 Erman-Westermann, § 858 Anm 6 mit Bezug auf RGZ 146, 186. Diese Entscheidung hat wieder RG :rw 1904, 361 zur Grundlage. 48 Zitelmann, JhJ 70, 24. 49

Raape, JhJ 71, 141.

II. Die eigene These

59

sitzer zu sein, aufweist. Rechtsgeschäftliches Handeln kann dafür jedenfalls nicht gefordert werden. Schließlich bestehen beim Abhandenkommen einer Sache (§ 935) keine Zweifel60, daß "nicht der rechtliche, sondern der tatsächliche Wille" entscheidet111 • Ein Unterschied zu § 858 ist jedoch nicht ersichtlich. Demnach ist für die "Einwilligung" in die Besitzentziehung kein rechtsgeschäftlicher, sondern nur ein natürlicher Wille zu fordern52 • Es sind damit Fälle denkbar, in denen diese Einwilligung nicht auch die zur Eigentumsverletzung umfaßt. Folglich ist nicht jede Besitzentziehung, die ein Delikt gegen das Eigentum enthält, gleichzeitig eine verbotene Eigenmacht. Das verkennt Breuer. Es bleibt für § 992 die negative Funktion im hier vertretenen Sinne: Wer zum Beispiel vom Minderjährigen eine Sache erwirbt und weiß, daß dazu die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, jedoch auf ihre Erteilung vertraut, ist unrechtmäßiger und bösgläubiger Besitzer, wenn sie dennoch verweigert wird. Er haftet nach § 823 I für den Besitzentziehungsschaden und nach§§ 989-991 dafür, daß er die Sache nicht oder nicht gehörig zurückgeben kann. Er haftet aber nicht, wenn die Unmöglichkeit der Herausgabe auf einem Umstand beruht, an dessen Eintritt ihn kein Verschulden trifft. Die Zufallshaftung des deliktischen Leistungsstörungsrechtes ist durch § 992 ausgeschlossen. Nicht nur für den gutgläubigen, sondern auch für den bösgläubigen Besitzer hat demnach § 992 in der hier aufgezeigten Bedeutung einen guten Sinn. Dies verkennt, wer § 992 überhaupt nicht auf die Abgrenzung zwischen dinglichem und deliktischem Leistungsstörungsrecht bezieht. C. Ergebnis

Damit sprechen die Entstehungsgeschichte, der Wortlaut, die vom Gesetzgeber gewollte Entscheidung und die Interessenlage für die hier vertretene Ansicht. Weitere Argumente finden sich, wenn man die Folgen untersucht, zu denen die bisher vertretenen Ansichten führen und sie mit den hier gewonnenen Ergebnissen vergleicht.

Westermann, § 49 I 3. BGHZ 4, 34, 37. sz So auch die h. M., vgl. Dietz, 199 Note 38 und oben § 3 Note 43.

so 51

60

§ 3. Das Leistungsstörunprecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

m.

Die Auslegung des § 992 in Literatur und Rechtsprechung

A. Die herTschende Ansicht 1. Die ganz überwiegend vertretene Ansicht in der Literatur63 sowie die Gerichte in ständiger Rechtsprechung&' entnehmen dem § 992 folgendes "argumentum e contrario": Der Besitzer haftet für die Handlung, die die Leistungsstörung bewirkt, immer nur dann nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen, wenn er sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung verschafft hat. Dabei wird zwischen der Haftung wegen Verletzung des deliktischen Herausgabeanspruchs (§§ 275 ff., 848) und der wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Eigentums- oder Besitzverletzung, die in der Leistungsstörungshandlung noch zusätzlich liegen kann, nicht unterschieden. Folglich muß man das "argumentum e contrario" auf beide Fälle beziehen. Zur Begründung wird angeführt, für das Verhältnis des Eigentümers zum Besitzer habe das BGB eine erschöpfende "Sonderregelung" geschaffen. Sie erfasse alle aus einem solchen Verhältnis entstehenden Ansprüche und schließe weitergehende, insbesondere solche aus unerlaubter Handlung, aus. Dies folge aus § 993, aus der Entstehungsgeschichte, dem Aufbau der Vorschriften, sowie aus dem Gegenschluß aus§ 99266• Zuzugeben ist, daß § 992 ein "argumentum e contrario" entnommen werden muß. Wie oben ausgeführt, ist es aber kein Gegenschluß im Sinne der herrschenden Meinung. Denn um eine zwingende Folgerung handelt es sich nicht. § 992 läßt sich mindestens ebensogut nur auf die konkurrierenden Leistungsstörungsansprüche beziehen. Bezweifelt werden muß auch, ob der Aufbau der Vorschriften für die herrschende Meinung spricht. Oben wurde ausgeführt, daß den Gesetzgeber dann der Vorwurf der Ungenauigkeit treffen würde61• Dagegen spricht der Aufbau im Sinne der hier vertretenen Ansicht dafür, daß die Vor-

1a Hellwig, Lehrbuch V 26!5; Siber, Rechtszwang 122; Prym, 70 f.; Schmidt, 168 f.; Dietz;, 197 f.; Hec;k, Sachenrecht § 68 5a; Wolff-Raiser, § 85 III 6; Enneccerus-Lehmann, § 234 I 1 a ß; Palandt-Hoche, Vbm 2 vor §§ 987 ff.; Erman-Drees, § 823 Anm 6 b; SoergelMühl, Vbm 2 b und 3 vor § 987;RGRK-Joh4nnsen, § 992 Anm 1; PZanckBrodmann, (4. Auflage) § 992 Anm 1; Ede, 29; Paetzmann, 46; LauT, 10; Hinesa, 31. '' Die Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. z. B. RGZ 117, 423 (425), ist in RGZ GSZ 163, 348, 3!52 zusammengefaßt. Sie ist vom BGH insoweit übernommen worden, BGH LM Nr. 8 zu § 985 und st. Rspr. u Für alle BGH LM Nr. 8 zu § 985 und Palandt-Hoche, Vbm 2 b, sowie bb, ff. N Vgl oben § 3 II B 2, Seite 54.

III. Die Auslegung des § 992 in Ll,teratur und Rechtsprechung

61

schriftenfolgerichtig und systemgerecht gefaßt sind. Im Zweifel dürfte dies die einleuchtendere Erklärung sein. Die Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte schließlich beruht auf einem offensichtlichen Mißverständnis. Auch das wurde oben dargetan57• Sie spricht für die hier vertretene, nicht für die herrschende Ansicht. So bleibt von den Beweismitteln der h. M. nur noch§ 993. Aber wie man auch den Nachsatz "im übrigen ist er weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadenersatz verpflichtet" auslegt, so läßt sich daraus doch gar nichts entnehmen, welches "argumentum e contrario" § 992 enthält. Auch dieses Argument verliert damit für die herrschende Meinung jede Beweiskraft. Jener Gegenschluß, den die herrschende Meinung aus § 992 ziehen zu können glaubt, findet also im Gesetz keine Stütze. So nimmt es nicht wunder, daß innerhalb der herrschenden Meinung nur bezüglich der Funktion des § 992 Einigkeit besteht. Über sein Wesen und seine Konstruktion dagegen gehen die Ansichten auseinander. Die einen halten ihn für eine selbständige Anspruchsgrundlage68, die anderen für eine bloße Abgrenzungsnorm59• Die erste Ansicht gründet sich vor allem auf die Systematik des Gesetzes. Der Zusammenhang mit den §§ 989 ff. lasse erkennen, daß § 992 ihnen gegenüber keine Sonderstellung einnehme80• Zerstört der Dieb die gestohlene Sache, so hafte er dafür nicht über § 992 nach § 823, sondern direkt nach § 992, weil die §§ 989 ff. gegenüber dem Deliktsrecht eine in sich geschlossene Sonderregelung darstellten. Allerdings bestimmten sich Voraussetzungen und Umfang des Anspruchs aus § 992 nach Deliktsrecht Es sei also ebenso wie bei § 823 zu prüfen, ob der Schaden infolge rechtswidriger und schuldhafter Eigentumsverletzung entstanden ist. Ist dies der Fall, erwachse daraus aber kein Anspruch nach § 823, sondern derselbe nach § 992. Naturgemäß herrscht unter den Vertretern, die in § 992 einen selbständigen Anspruch und keine Abgrenzungsnorm sehen, Streit über seine Rechtsnatur. Die einen halten ihn für eine echte Deliktsnorm1 t, die anderen meinen, er sei deliktsähnlich11• Folgerichtig wäre jedoch allein, dem § 992 die gleiche Rechtsnatur wie den §§ 989-991 zuzuerkennen13. Denn es ist nicht recht einzusehen, warum mitten unter Vgl. oben § 3 li B 1, Seiten 51 ff. SoeTgel-Mühl, § 992 Anm 1; RGRK-Johannsen, § 992 Anm 4 und 6; Palandt-Hoche, § 992 Anm 2; Wolff-RaiseT, § 85 insbes. Note 31; und die Rspr.: RGZ GSZ 163, 348 f. II BauT, § 11 A li 2; Westermann, §31 li 1 c; Dietz, 197; Schmidt, 169/170. 10 Vgl. dazu Stutz, 28. 81 Stoll, JW 1927, 2689; zweifelnd RGRK-Johannsen, § 992 Anm 6. et Palandt-Hoche, § 992 Anm 2 ("Anspruch dellktisch"); Planck- BTodmann, § 992 Anm ~ ("deliktsmäßig"). es Stutz, 29; SoeTgel-Mühl, § 992 Anm 7. 67

68

62

§ 3.

Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

Vorschriften, die die Leistungsstörung des dinglichen Anspruchs regeln, § 992 als Delikt eine Ausnahme machen soll. § 823 schenkt dem Gesichtspunkt der Leistungsstörung keine Beachtung. Die Gegenmeinung führt dagegen an'4, es bestehe im Falle des § 992 kein Grund zu schonender Behandlung des Besitzers. Daher werde dem "Deliktsrecht wieder freien Lauf gegeben". Dieser Gedanke verdient zwar Beifall. Nur nicht in dem Sinne, in dem er von StolZ gemeint ist. Er beweist nämlich nichts gegen die Auffassung, § 992 stehe zwar in seiner Rechtsnatur den §§ 989 ff. gleich, habe aber dieselben Voraussetzungen und Folgen wie ein Deliktsanspruch. Aber es wird die Bedeutung des § 992 richtig gesehen: Nicht einem erneuten Delikt, das durch die Beeinträchtigung der Sache verwirklicht wird, sondern dem Leistungsstörungsrecht des wegen der Besitzverschaffung entstandenen Anspruchs aus unerlaubter Handlung gibt § 992 "wieder freien Lauf"! Unklar bleibt die Auffassung, § 992 sei "deliktsähnlich". Zu ihr müssen auch WolffRaiser gerechnet werden. Sie bezeichnen die §§ 989 ff., also auch § 992, dem Inhalte nach als Forderungen61, ihrer Quelle nach aber als Eigentumsansprüche. Demnach wäre trotz der Verweisung auf die unerlaubten Handlungen an der Rechtsnatur des Anspruchs gegenüber den §§ 989-991 nichts geändert. § 992 stellt dann wie sie einen Eigentumsanspruch dar. Soweit ist die Ansicht folgerichtig. Nun richtet sich aber die Verjährung grundsätzlich nach der Rechtsnatur eines Anspruchs. Also müßte auch für § 992 wie für die §§ 989-991 die regelmäßige 30jährige Verjährung gelten66• Wolff-Raiser bemerken aber67, der Besitzer hafte im Falle des § 992 nach Deliktsrecht, demnach verjähre der Anspruch auch in 3 Jahren (§ 852)18• Man muß daraus schließen, daß nach ihrer Ansicht alle Vorschriften über unerlaubte Handlungen angewandt werden sollen, auch die Verjährungsvorschrift des § 852, ohne daß es sich jedoch bei § 992 um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt. Diese Deutung erscheint aber recht unwahrscheinlich. Wenn alle Eigenschaften eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung auf § 992 zutreffen, so grenzt es doch an leeren Formalismus festzustellen, es handele sich dennoch um keinen Deliktsanspruch'9• Gegen die Ansicht, § 992 gewähre einen selbständigen Anspruch, sei er deliktischer oder nicht deliktischer Natur, bestehen aber vor allem 84

Vgl. insbes. Stall, JW 1927, 2689.

ea Wolff-Raiser, § 85 VI.

· es Ebbecke, LZ 1917, 837; Stutz, 29; Soergel-Siebert, § 195 Anm 9; RGZ 117, 423; OLG München VersR 61, 1048. . Zweifelnd RGRK-Joh4nnsen, § 992 Anm 6. 17 Wolff-Rt~iser, § 85 Ill 4, Text und Note 31. 18 So die h. M. Staudinger-Berg, § 992 Anm 4; Pt~landt-Hoche, § 992 Anm 1; Westermann, § 32 IV 2 d; Baur, § 11 C II 3 c; Heck, Sachenrecht § 69, 7. •• So auch Stutz, 27.

III. Die Auslegung des § 992 in Literatur und Rechtsprechung

63

grundsätzliche Bedenken. Es wird ganz überwiegend gefordert, den Besitzer müsse Verschulden treffen, wenn er die verbotene Eigenmacht begeht7o. Daran ist richtig, daß § 992 immer nur eingreift, wenn die Besitzverschaffung ein Delikt darstellt. Nur dann tritt der Fall ein, daß das Leistungsstörungsrecht des dinglichen mit dem des deliktischen Herausgabeanspruchs in Konkurrenz tritt. Das meint die herrschende Meinung aber nicht, wenn sie für die verbotene Eigenmacht Verschulden fordert. Denn nach ihr sagt § 992 auch, wann der Besitzer nach § 823 für die Handlung haftet, die die Leistungsstörung bewirkt. Es werden für diese Haftung also außer den normalen Deliktsvoraussetzungen des § 823 weitere gefordert, die sich allerdings nicht auf die deliktische Handlung (Verletzung des Eigentums, zum Beispiel durch Zerstörung der Sache) selbst, sondern auf die zeitlich viel früher liegende der Besitzverschaffung beziehen. Die herrschende Meinung fordert damit nicht weniger, als daß gleich zwei Delikte verwirklicht sein müssen, damit eine Haftung für die Beeinträchtigung der Sache durch den Besitzer eintritt: Einmal durch die Besitzerlangung, das zweite Mal durch die Leistungsstörungshandlung. Das kann aber nicht richtig sein. Wenn man schon glaubt, die Haftung des Besitzers für Handlungen während der Besitzzeit erschweren zu müssen, indem man zusätzlich auf die Besitzverschaffungshandlung abstellt, so muß es doch, wie Dietz folgerichtig ausführt71 , genügen, wenn diese oder die Beeinträchtigung selbst einen Deliktstatbestand erfüllt. Denn im ersten Fall haftet der Besitzer ja bereits nach § 848 für Zufall. Verschulden ist also gar nicht erforderlich72. Dennoch lehnt die herrschende Meinung ausdrücklich ab, ein Delikt genügen zu lassen, das entweder in der Besitzverschaffung oder in der Beeinträchtigung liegt73• Eine Begründung findet sich allerdings nicht. Es sei denn, man nimmt den Hinweis dafür, der sich hin und wieder in der Literatur findet7 4, nach § 992 hafte der Besitzer auch für den Besitzentziehungsschaden. Dieser Hinweis enthält einen richtigen Kern. Wer sich die Sache verschafft und dadurch den Tatbestand eines Deliktes erfüllt, haftet deswegen natürlich auch für den Entziehungsschaden. Dazu bedarf es jedoch nicht des § 992. Diese Folge ergibt sich bereits aus§ 823. Völlig abzulehnen ist aber die Ansicht, § 992 gewähre 1o Westermann, § 32 IV 2 a; Wolff-Raiser, § 85 II 4 Text Palandt-Hoche, § 992 Anm 1; Schmidt, 174/75 und die h. M. a. A. Lent, 263; Dietz, 197 Note 33. 71 Dietz, 197 Note 33, insoweit in Nachfolge Lents, 263. 72 Mit ausführlicher Begründung Lent, 263. 1a Für alle Westermann, § 32 IV 2 a, BGH WM 1960, 1148 f. 14 z. B. Stutz, 24.

und Note 8;

§ 3. Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

64.

auch einen Anspruch für die Besitzverschaffungshandlung75. Dann träfe ja die allgemein verworfene Ansicht von v. Liszt zu78, nach der § 992 eine ganz "singuläre" Erscheinung sei. Denn trotz aller Streitpunkte herrscht darüber Einigkeit, daß die §§ 987 ff. nur zur Anwendung kommen können, wenn eine "Vindikationslage"77 gegeben ist. Darüber gibt es schon gar keinen Zweifel, wenn man die Vorschriften als Leistungsstörungsrecht qualifiziert. Wie können dann die §§ 987 ff. eine Regelung für die Handlung abgeben, die doch erst die Vindikation begründet? Der dingliche Herausgabeanspruch kann erst verletzt werden, wenn er existiert. Wer § 992 diese Bedeutung beimißt, muß die Systematik des Gesetzes leugnen und begibt sich damit einer sicheren Grundlage. Diese Auffassung kann also nicht als Begründung dienen. Daher haben einige Vertreter der herrschenden Meinung78 die Ansicht aufgegeben, § 992 enthalte eine selbständige Anspruchsgrundlage. Auch sie sehen seine Bedeutung zwar noch darin, daß sich aus § 992 "argumento e contrario" die allgemeine Regel schließen lasse, der Besitzer, der die besessene Sache schuldhaft zerstört, solle in anderen Fällen nicht deliktisch haften71• Aber sie halten § 992 für eine bloße Verweisungsnorm, nicht für einen selbständigen Anspruch. Wenn die Voraussetzungen des § 992 vorliegen, soll der Tatbestand der uner·· laubten Handlung, der mit der Zerstörungshandlung erfüllt wird, auch zur Geltung kommen und Deliktshaftung in diesen Fällen eintreten. Dieser Ansicht ist zuzugeben, daß § 992 keinen eigenen Anspruch, sondern nur eine Abgrenzungsregel darstellt. Gegen sie sprechen jedoch die Bedenken, die gegen das "argumentum e contrario" der herrschenden Meinung grundsätzlich bestehen. Es macht zudem die positive Funktion des § 992 als Abgrenzungsnorm völlig wertlos: Wer sich den Besitz durch (verschuldete) verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung verschafft hat, haftet für die Beeinträchtigung der Sache als Besitzer bereits nach § 848. Die zusätzliche Anspruchsgrundlage des § 823 ist daneben überflüssig. Der Eigentümer muß für sie zunächst die Umstände der Besitzverschaffung wie für seinen Anspruch aus § 848 nachweisen und dann noch zusätzlich die Voraussetzungen des zweiten Deliktes. 76 Staudinge1'-Be1'g, 11 11

§ 992 Anm 4; Stutz, 28;

von Liszt, 17. Dazu Raise,., JZ 61, 530.

78 Schmidt, 169/170; Dietz, 197; Weste,-mann, § 31 II 1 c; Bau,., § 11 A II 2. 71 Dietz, 197; Weste,-mann, § 31 II 1 c; § 31 III 2 a.

III. Die Auslegung des § 992 in Literatur und Rechtsprechung

65

2. Selbst wenn man den Streit um die Rechtsnatur des § 992 auf sich beruhen und dahingestellt sein läßt, ob die Existenz dieser Meinungsverschiedenheit nicht auf eine unangemessene Auslegung der Vorschrift hindeutet, sind doch diesbezügliche Bedenken kaum noch zu unterdrücken, wenn man die Folgen berücksichtigt, die jenes "argumentum e contrario" zeitigt.

Der Ausschluß des Deliktsrechtes würde sich folgerichtig auf § 826 beziehen. Jedoch wird allgemein anerkannt, daß die Haftung wegen vorsätzlicher Schadenszufügung durch Verstoß gegen die guten Sitten nicht durch § 992 beschränkt sein könne80• So richtig das Ergebnis ist, verstößt es doch gegen das von der herrschenden Meinung verteidigte "argumentum e contrario". Eine Erklärung hat Prym versucht81, ist jedoch auf allgemeine Ablehnung gestoßen82• Er glaubt, zwar müsse man sich § 992, so wie ihn die herrschende Meinung versteht, beugen und den Ausschluß des Deliktsrechtes anerkennen. Dies könne aber, so meint Prym, nur für § 823 I nicht für § 823 II und § 826 gelten. In §§ 989 ff. werde nämlich nur der Angriff gegen das Eigentum als solches geregelt und weitergehende Ansprüche aus diesem Tatbestand abgelehnt. Daher sei eine "einfache" Eigentumsverletzung, die zur Haftung nach § 823 I führt, durch § 992 ausgeschlossen. Wo es sich aber zusätzlich noch um die Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 li) oder um einen Verstoß gegen die guten Sitten handele (§ 826), träfen diese überlegungen nicht mehr zu. Prym übersieht dabei jedoch, daß die §§ 989 ff. eben nicht auf die Eigentumsverletzung als solche, sondern darauf abstellen, daß der Herausgabeanspruch verletzt ist. Dagegen hat die Begründung von Dietz in vollem Umfang Beifall gefunden83, daß das in § 826 sanktionierte Verbot sittenwidrigen Handeins unserem Recht so immanent sei, daß es ebenso wie der Grundsatz von Treu und Glauben für die Deutung jeder einzelnen Norm herangezogen werden müsse. Daher sei jede Auslegung einer Vorschrift, die dem Gedanken des § 826 zuwiderläuft, unrichtig. Sie stände im Widerspruch zum Grundgedanken des Gesetzes überhaupt. Aber es handelt sich auch hier, wie bei Prym, nur um eine Notlösung, um eine Annahme aufrechtzuerhalten, die es gerade zu überprüfen gilt. Schwierigkeiten bereiten auch die Fälle des sogenannten "Exzeß des Fremdbesitzers". Es hat sich nämlich sehr bald erwiesen84 , daß der so a1 sz sa 84

Allg. Meinung, vgl. Wolff-Raiser, § 85 III 6 a .ß. P711m, 85 f. Vgl. Dietz, 205. Dietz, 206 mit allg. Zustimmung, vgl. Wolff-Raiser, § 85 Note 40. Auf dieses Problem hat schon P711m, 74 f. hingewiesen.

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§ 3.

Das Leistungsstörungsrecht bei delikUschen Herausgabeansprüchen

Ausschluß des Deliktsrechtes auf den unrechtmäßigen Fremdbesitzer auch in anderen Fällen als denen, die § 826 unterfallen, unbillig erscheint. Der gutgläubige Besitzer, der sich die Sache nicht auf die in § 992 bezeichnete Weise verschafft hat, würde nach herrschender Auslegung des § 992 für eine Sachbeeinträchtigung überhaupt nicht haften. §§ 989 ff. sind nicht erfüllt, und eine Deliktshaftung wird durch § 992 ausgeschlossen. Beschädigt oder zerstört er jedoch die Sache vorsätzlich, so ist ein Haftungsausschluß nur gerechtfertigt, wenn er sich in entschuldbarem Irrtum für den Eigentümer hielt. Denn dann könnte er mit der Sache im wesentlichen nach Belieben verfahren, sie also auch zerstören. Der dem Haftungsausschluß zugrunde liegende Gedanke ("quasi rem suam neglegit") trifft jedoch auf den Fremdbesitzer nicht zu, der zwar meint, ein Besitzrecht zu haben, aber weiß, daß er die Sache dennoch weder beschädigen noch zerstören darf. 3. Es ist allgemein anerkannt, daß diese Folge untragbar ist8'. Anstatt nun aber, wie es nahe gelegen hätte, jenes "argumentum e contrario" auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen, haben die Vertreter der herrschenden Meinung versucht, andere Auswege für die Lösung dieses Problems zu finden. Es überwiegt die Ansicht, der Gesetzgeber habe die Exzeßfälle einfach nicht berücksichtigt. Daraus folgern die einen, es sei eine Durchbrechung des Grundsatzes geboten und eine Ausnahme zum Nachteil des Fremdbesitzers gerechtfertigt. § 823 finde also trotz § 992 Anwendung88. Der BGH hat diese Meinung vom RG übernommen und in lükkenloser Rechtsprechung beibehalten87. Andere halten dagegen eine direkte Anwendung des § 823 für bedenklich, wenn das Gesetz die Deliktshaftung in § 992 ausdrücklich ausschließe. Auch sie kommen jedoch zum gleichen Ergebnis. Die erforderliche Haftung des Besitzers bei Exzeßhandlungen wird von ihnen als "Randberichtigung des Gesetzes" bezeichnetes. Eine Gegenansicht meint indessen88, die Regelung des § 992 sei an sich richtig. Man dürfe sie jedoch nur auf den Eigenbesitzer beziehen. Freilich ergebe das der Wortlaut des § 992 nicht. Aber seine Fassung beruhe auf einem offensichtlichen Versehen80• Dies sei dadurch entu Vgl. RGZ GSZ 163, 353 m.w.N.; and. allerdings Prym, 82, insbesondere Note 2, für den berechtigten Fremdbesitzer. 88 Vgl. z. B. Wolff-RaiseT, § 85 III 6 a, der von einer Anwendung "freilich gegen den Gesetzestext" spricht. 87 Vgl. BGH LM Nr. 8 zu § 985. ee Heck, Sachenrecht § 69, 2. ee Schmidt, 171; Dietz, 198 f.; RGRK-Johannsen, § 992 Anm 13. JO

Dietz, 207.

III. Die AusleJnUlg des § 992 in Literatur und Rechtsprechung

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standen, daß der E I und die Motive unter dem "Besitzer" grundsätzlich nur den Eigenbesitzer, der E II dagegen auch den Fremdbesitzer verstanden haben. Folglich hätten, so meint Dietz91, die Vorschriften über den Ausschluß der Deliktshaftung, denen in E I ein guter Sinn zukam, in E II nicht mehr gepaßt. Aus diesem Grund sei jener Antrag 8 b zu den Bestimmungen der §§ 929 a, 929 bEI (§§ 989-991 BGB) gestellt wordenD2 : Der Besitzer, gegen den die Voraussetzungen der §§ 929 a, 929 b nicht vorliegen, hat dem Eigentümer weder die Nutzungen herauszugeben, noch Schadenersatz zu leisten. Die Haftung eines Besitzers, der nicht Eigenbesitzer ist, wegen verschuldeter Beschädigung der Sache bleibt unberührt. Während nun die Anträge 8 a (§ 990 II BGB), 8 b im 1. Teil und 8 c (§§ 992 und 993 BGB) Gesetz geworden seien, habe man den wichtigsten Teil93 des Antrages 8 b nicht ins BGB aufgenommen. Dies könne nur auf Grund eines Versehens geschehen sein•~. Thm brauche man sich aber nicht zu beugen, denn der Gesetzgeber habe mit einem Ausschluß der Deliktshaftung für den Eigenbesitzer etwas durchaus Vernünftiges gewollt. Es sei daher geboten, in dies~m Sinne § 992 einengend auszulegen. Die Ansicht, § 992 sei nur auf den Eigenbesitzer zu beschränken, hat jedoch keinen größeren Widerhall gefunden'5• Man hält ihr den Wortlaut der Bestimmung entgegen und die Tatsache, daß alle anderen Vorschriften der §§ 987 ff. ausnahmslos gleichermaßen für den Eigen- wie für den Fremdbesitzer gelten. EineAusnahmestellung des§ 992 sei nicht ersichtlich. Außerdem treffe das Argument, das eine Besserstellung des Eigenbesitzers erfordere, auch auf den Fremdbesitzer zu, der sich im Rahmen des von ihm angenommenen Besitzrechtes hält: Der vermeintliche Mieter könne nicht dafür haften, daß er die Sache so abnutze, wie er es auf Grund eines gültigen Mietvertrages hätte tun dürfen. Auch die Bezugnahme auf die Protokolle kann die Ansicht von Dietz nicht rechtfertigen, obwohl ihm zuzugeben ist, daß seine Lösung die folgerichtige Fortführung der herrschenden Meinung darstellt. Aber das den Materialien zu entnehmende Argument baut lediglich auf der Vermutung auf, jener Antrag 8 b sei im 2. Teil nur eines Versehens wegen nicht Gesetz geworden. Dafür läßt sich anführen, daß der ganze Antrag von der Kommission einstimmig gebilligt wurde96• Dagegen Vgl. zum Folgenden Dietz, 207 f. Protokolle 3978/79; Mugdan 111 677. as So Dietz, 208. ~~~ Das nimmt schon Prym, 82 an. n Sie wird allgemein ausdrücklich abgelehnt. u Mugdan III 677; so auch Heck, Sachenrecht § 69, 2.

11

u

68 § 3. Das Leistungsstörungsrecht bei dellktischen Herausgabeansprüchen spricht jedoch mit gleichem Gewicht, daß sein Fehlen weder in den späteren Verhandlungen und Beratungen, auch nicht in den Berichten und Abstimmungen vermißt wurde. So kann mit gleicher Berechtigung davon ausgegangen werden, jener Absatz des Antrages 8 b sei aus $achlichen Gründen nicht ins BGB gekommen. Diese Gründe sind nach der hier vertretenen Ansicht offenkundig. Wenn§ 992 gar kein "argumentum e contrario" im Sinne der h. M. enthält, sondern über das Verhältnis konkurrierender Leistungsstörungsansprüche handelt, wäre es geradezu verfehlt, zwischen Eigen- und Fremdbesitzer zu unterscheiden. Die Lösung der Probleme um § 992 kann eben nicht dadurch gefunden werden, daß man jenes "argumentum e contrario" verteidigt, sondern es einer Oberprüfung unterzieht.

B. Die älteren Gegenmeinungen An diesem Punkt setzt auch die Kritik an der herrschenden Meinung ein. Sie wird zwar nur von wenigen Gegenstimmen, aber mit beachtlichen Gründen geführt. 1. Lent'7 bestreitet energisch, daß aus § 992 überhaupt ein Gegenschluß abgeleitet werden könne. Zu diesem Ergebnis zwinge vor allem der Zusammenhang des § 992 mit den §§ 989-9118• Die §§ 989-992 behandeln, so meint Lent mit Recht, gemeinsam die Zerstörung der Sache unter dem Gesichtspunkt, daß dadurch der Herausgabeanspruch des Eigentümers vereitelt wird. Dafür spreche der Anschluß an die §§ 985, 986 und die Stellung zwischen Neben- (§§ 987/88) und Gegenansprüchen (§§ 994 ff.) 91• Das eigentliche haftungsbegründende Moment sei demnach gar nicht die Zerstörung der Sache, sondern, anders als in § 823, die Besitzentziehung. Deshalb würden die §§ 989 ff. auch nur für den unrechtmäßigen Besitzer gelten und es erkläre sich ihr eigenttümlicher Wortlaut. Niemals sage das Gesetz100 "der Besitzer ist verpflichtet, Schadenersatz zu leisten", wie es doch zu erwarten wäre, wenn es die Zerstörung als die eigentliche Grundlage des Anspruchs ansehe, sondern "er ist für den Schaden verantwortlich" (§ 989), "er haftet" §§ 990, 992), "er hat zu vertreten" (§ 991 li). Weiterhin sei Grundgedanke der §§ 989 ff., daß der Besitzer außerhalb der in §§ 989 ff. getroffenen Regelung nicht haften solle. Das bestimme § 993 101 • Die erwünschte Haftung dagegen sei deutlich und sinnvoll abgestuftl01 : § 989 11 18

Lent, 257 f!. Lent, 261.

•• Vgl. dazu oben Seite 43, Note 1 vor § 3. Lent, 261/262. Lent, 274. Lent, 262.

100 101 101

III. Die Auslegung des § 992 in Literatur und Rechtsprechung

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verlange Verschulden nach Rechtshängigkeit und stelle sozusagen den Grundtatbestand dar. Die erste Erweiterung bilde § 990 I. Er fordere Verschulden ab Bösgläubigkeit Die zweite § 991. Hier richte sich die Haftung nach der, die gegenüber dem Oberbesitzer besteht. § 992, so meint Lent, sei nun zweifellos als dritte Erweiterung gedacht. In bestimmten Fällen müsse der Besitzer wie bei Vorliegen einer unerlaubten Handlung haften. Würde dies aber nur heißen, daß die Zerstörung der Sache nach Deliktsgrundsätzen zu behandeln sei, so würde § 992 in Wahrheit nichts bedeuten103. Denn dann würde er noch einmal eine Haftung für Verschulden einführen, also nochmals das gleiche, was bereits in den §§ 989-91 bestimmt ist. Das wäre, nach Lent, eine zu geringe Haftungserweiterung. Die Tendenz gehe nämlich offensichtlich dahin, den auf so besonders unrechtmäßige Weise erlangten Besitz mit strenger Haftung zu belegen. Diesem Zweck werde die Behandlung der Zerstörung als Delikt nicht gerecht1°'. Nach Lent hat § 992 folgende Bedeutung105 : Er sagt nicht, daß eine Zerstörung der Sache als Delikt aufzufassen sei, sondern er stempelt die Besitzerlangung durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung sozusagen zu einer unerlaubten Handlung. Sie hat bezüglich der Haftung Deliktsfolgen. Für die verbotene Eigenmacht sei demnach kein Verschulden zu fordern108. Sonst würde die Bedeutung des § 992 zu stark eingeengt. Sein Wortlaut zwinge auch nicht zu einer derartigen Annahme. Der Tatbestand werde erschöpfend im Bedingungssatz, die Rechtsfolge imHauptsatz aufgeführt107. Auch sei eine Deliktshaftung ohne Verschulden durchaus denkbar. § 992 erweitert also nach Lent die Möglichkeiten des Eigentümers beträchtlich: Entweder kann er sich auf die Umstände der Besitzentziehung (§§ 992, 848), oder auf die Zerstörungshandlung stützen (§§ 989, 990, 991). Folgerichtig zieht Lent den Schluß108 : Wenn§ 992 von der Zerstörung als einem Delikt gar nichts enthalte, auch nicht seine Behandlung als Delikt anordne, so könne er auch nicht die Behandlung der Zerstörung in den Fällen der §§ 989/91 als Delikt ausschließen. Das "argumentum e contrario" der herrschenden Meinung101 habe deshalb völlig seine Kraft verloren. Damit überwindet er mit Recht den Grundgedanken der herrschenden Meinung. Es ist in der Tat unrichtig, § 992 in der oben gescbiltoa Lent, 262.

Lent, 263. Lent, 264. So bereits von Liszt, 17. 101 Lent, 263. tos Lent, 265. 1oe So schon Prt~m, 72; von Tuhr, § 16, 4 b am Ende. tiM 105 101

70 § 3. Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen derten Art auf die Leistungsstörungshandlung zu beziehen. Aber Lent läßt sich von dem Gedanken zu sehr verführen, nach den §§ 989, 990, 991 müßte § 992 die größte Haftungssteigerung bringen. Offensichtlich ist eine Steigerung beabsichtigt. Das sieht Lent ganz richtig. Aber seine Auffassung geht viel zu weit. Bereits von Liszt hat darauf hingewiesen, daß ja selbst ein Deliktsunfähiger nach § 848 haften müsse, wenn bereits verbotene Eigenmacht ohne ein Verschulden als haftungsbegründende Handlung genügt110• Eine unerwünschte Konsequenz! Außerdem geht der Vergleich Lents mit der Gefährdungshaftung fehl. Auf ihn stützt sich insbesondere Werner111 , der sich Lent angeschlossen hat111• Der Gesetzgeber habe auch in anderen Fällen eine Deliktshaftung ohne Verschulden statuiert. Daher sei es nicht allzu verwunderlich, in § 992 eine weitere, gleichartige Regelung zu finden. Beide lassen außer Acht, daß den gesetzlichen Fällen der Gefährdungshaftung ganz besondere Tatbestände zugrunde liegen, mit denen § 992 keinen Vergleich aushält. Gleichwohl sieht Lent den Ansatzpunkt zur Lösung des Problems.

§ 992 bezweckt eine schärfere Haftung für die Leistungsstörungshandlung, als sie in §§ 989 ff. angeordnet ist. Denn bei verbotener Eigen-

macht und strafbarer Handlung handelt es sich um besonders mißbilligte Erwerbstatbestände. Es ist auch sinnvoll, nach der Verschuldenshaftung der §§ 989-91 den sogenannten Gewaltbesitzer für Zufall haften zu lassen (§ 848). Denn es entspricht der Billigkeit, zum Beispiel den Dieb oder denjenigen, der zur Selbsthilfe greift, für alles verantwortlich zu machen, was mit der Sache geschieht, dagegen denjenigen milder zu beurteilen, der die Sache mit Willen des Vorbesitzers erlangt hat. Lent ist auch zuzustimmen, daß dazu die Einführung der Haftung nach § 823 nicht geeignet ist. Sie würde ja keine Haftungsverschärfung bedeuten, im Gegenteil, § 848 käme überhaupt nicht mehr zur Anwendung. Er trifft aber auf die Zerstörungshandlung zu, nicht weil diese ein Delikt ist, sondern wenn die Besitzentziehung eines war. Hierin liegt ein Unterschied der hier vertretenen Ansicht zu der von Lent. Ein weiterer findet sich darin, daß Lent den Gegenschluß aus § 992 leugnet. Gäbe es nämlich den § 992 nicht, so müßte man aus § 993 und der Existenz der §§ 989/91 schließen, daß die Auswirkungen der Erwerbshandlung gerade nicht den nach §§ 985, 986 herausgabepflichtigen Besitzer treffen sollen. § 992 stellt jedoch klar, daß dies immer eintritt, wenn der deliktische Erwerb gleichzeitig eine verbotene Eigenmacht oder eine strafbare Handlung enthält. 110

von Ltszt, 17.

Wemer, 37. uz Wemer, 33f.

111

III. Die Auslegung des § 992 in Literatur und Rechtsprechung

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2. Die Meinung Lents hat Stut:z113 aufgegriffen und weiter verfolgt114. Er fordert, daß die verbotene Eigenmacht schuldhaft sein müssem. Damit weicht er den unliebsamen Folgen aus, die sich aus der Lehre Lents bezüglich des Deliktsunfähigen ergeben118. Allerdings nimmt er dafür in Kauf, daß "der Anspruch aus § 992" 117 nichts Neues bringt, sondern nur als Eigentumsanspruch wiederholt, was bereits auf Grund der Besitzerwerbshandlung vorhanden ist. Auch er lehnt aber mit Recht ab, daß noch die Zerstörungshandlung ein Delikt sein müsse118• Diese Handlung sei zwar für die §§ 989/91 anspruchsbegründend, für § 992 habe sie aber lediglich bezüglich des Umfanges des Schadens Bedeutung111• Damit stelle§ 992 gar nicht auf die Zerstörungshandlung ab und könne auch für sie nichts bestimmen. § 992 sei demnach kein "argumentum e contrario" zu entnehmenuo. Die Verbesserung gegenüber der Lentschen Ansicht ist zu begrüßen. Jedoch begegnet auch die Meinung von Stutz erheblichen Bedenken. Ausgangspunkt ist wie bei Lent die Annahme, § 992 gewähre einen Anspruch wie die §§ 989/9PZ1. Er unterscheide sich aber von ihnen entscheidend dadurch122, daß er die Haftung bereits vom Zeitpunkt der Besitzverschaffung eintreten lasse. Der Besitzer haftet also nach der Meinung von Stutz erstens für den durch die Besitzverschaffung und zweitens für den durch die Vereitelung des Herausgabeanspruchs entstandenen Schaden. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, dem § 992 eine derartig von der Systematik der §§ 989 ff. abweichende Bedeutung zu geben. Sei es, daß man diese Vorschriften als den Eigentumsanspruch in sekundärer Richtung, als Nebenansprüche der Vindikation oder zutreffend als Leistungsstörungsrecht bezeichnet, immer setzen sie eine Vindikationslage, also einen begründeten Herausgabeanspruch in dem Zeitpunkt voraus, in dem das haftungsbegründende Ereignis eintritt113• Bei der Besitzverschaffung ist das aber noch nicht der Fall. m Stutz, 23 ff.

m Auch Berger, 16 ff.; Schrick, 18; Eich1er, II/1 207. ua Schrick, 17; Stutz, 24. ue Schon Lent, 264/265 hatte Zwei!el, ob sich seine Ansicht insoweit durchsetzen würde: Er behandelt daher hilfsweise auch die Auswirkung seiner Lehre, wenn man für die verbotene Eigenmacht Verschulden fordert. 117 Stutz, 29. 118 Stutz, 25, vgl. auch Eichler, II/1 207 Note 104. m Stutz, 25; Schrick, 18. uo Stutz, 26, 29; Berger, 16; Schrick, 18; Eichler, II/1 207. 1z1 Stutz, 29 begründet ausführllch, da.ß auch § 992 ein Eigentumsanspruch sein müsse. 10 Stutz, 24. 123 Allg. Meinung, vgl. z. B. Staudinger-Berg, Vbm 1 vor §§ 987 f.

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§ 3. Das Leistungsstörungsrecht bei deliktischen Herausgabeansprüchen

Das Verdienst von Lent und Stutz liegt in der Überwindung des "argumentum e contrario" der herrschenden Meinung. Sie beachten jedoch nicht genügend, daß §§ 989 ff. das Leistungsstörungsrecht des dinglichen Herausgabeanspruchs darstellen und deshalb eine andere Auslegung des § 992 geboten ist. C. Die jüngeren Gegenmeinungen 1. Im Anschluß an Brodmann1 ~' und Kober12& meint Berg128 : "§ 992 will und kann seinem Wortlaut nach und im Rahmen der hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 987/91 lediglich besagen: Wenn jemand sich durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung in äen Besitz der Sache setzt, so büßt er gegenüber dem Eigentümer alle jene Vorteile ein, die ihm nach den vorausgehenden §§ 987/991 an sich zuständen, der Eigentümer kann nunmehr für seine Schäden Ersatz verlangen nach den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen. Damit ist aber nicht gesagt und kann nicht gesagt sein, daß dem Eigentümer einem Besitzer gegenüber nur in dem Falle des § 992 die Ansprüche aus den Vorschriften über unerlaubte Handlungen gegeben seien." Der Sinn dieser Ausführungen ist nicht ganz klar. Nur soviel erscheint sicher, daß auch Berg das "argumentum e contrario" der herrseilenden Meinung § 992 nicht entnimmt. Das wird durch die Grundvorstellung Bergs bestätigtm, nach der in §§ 987 ff. gleichsam abstrakt, losgelöst von allen sonstigen Beziehungen der Beteiligten, das Eigentümer-Besitzerverhältnis geregelt sei. Ob der Besitzer, der die Sache zerstört, nur nach §§ 989/91 oder auch nach § 823 I haftet, ist nach der Ansicht Bergs § 992 nicht zu entnehmen.

Das allein bedeutet allerdings noch keinen nennenswerten Fortschritt. Denn § 992 sagt dann doch wieder etwas über die Haftung für die Leistungsstörungshandlung nach Deliktsrecht aus. Man kann jedoch wegen einer Bemerkung Bergs an anderer Stelle vermuten, daß er diese Vorstellung überwunden hat. Er führt aus128, der Besitzer habe im Falle des § 992 jeden Schaden zu erset7:en, "auch den, der dem Eigentümer daraus erwuchs, daß er die Sache entbehren mußte, ferner entgangenen Gewinn, und er hat selbst für zufälligen Untergang einzustehen(§ 848)". Hält man durch diese Ausführungen jene Vermutung für gerechtfertigt, so käme Bergs Auffassung der hier vertretenen nahe. Freilich unterscheidet sie sich auch dann noch wesentlich von tt• Planck-.Brodmann, § 992 Anm 1; and. jedoch bis zur 4.- Auf!. tu Staudinger-Kober, § 992 Anrn 2. 121 Staudinger-Berg, § 992 Anrn 2. 111 Staudinger-Berg, Vbm 8 vor §§ 987 f. 11s Staudinger-Berg, § 992 Anrn 4.

IV. Zusammenfassung

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ihr. Denn auch Berg nimmt an, § 992 schließe nicht nur die Haftung für die Besitzer- sondern auch für die Besitzverschaffungshandlung in allen anderen Fällen aus119• Das läuft jedoch, wie bereits oben dargelegt, dem System des Gesetzes zuwider. Im übrigen ist nicht einzusehen, warum zum Beispiel derjenige, der infolge grober Fahrlässigkeit nicht bemerkt, daß der Veräußernde zwar Eigentümer, aber nicht unbeschränkt geschäftsfähig ist, und der deshalb unrechtmäßiger und bösgläubiger Besitzer wird, nicht auch für den Entziehungsschaden haften soll. Das ist jedoch nach der Meinung Bergs der Fall: Die Besitzerlangung (nicht die Eigentumsverletzung) erfolgte mit Zustimmung des Eigenbesitzers, verbotene Eigenmacht liegt also nicht vor, und für eine strafbare Handlung fehlt es am Vorsatz. Ein unbilliges Ergebnis. 2. Hefermehl dagegen vermeidet diese unerwünschten Folgent3o. Er kommt der hier vertretenen Ansicht am nächsten, wenn er ausführt, § 992 diene nur der Klarstellung. Er regele die Frage, ob derjenige, der dem Eigentümer den Besitz entzieht, nur unter den Voraussetzungen der §§ 989/991 oder auch nach §§ 823, 249, 848 haftet. Davon geht auch die hier vertretene Meinung aus. Allerdings ist nach ihr aus § 992 der Gegenschluß zu ziehen, daß die Haftung nach dem deliktischen Leistungsstörungsrecht immer dann ausgeschlossen sein soll, wenn die Voraussetzungen des § 992 nicht vorliegen. Das lehnt Hefermehl jedoch ab131. Er meint, auch bei Fehlen von § 992 würde die Haftung aus ~ 823 bestehen, wenn sich jemand durch eine Eigentumsverletzung den Besitz verschafft. Dies entspricht jedoch nur der Billigkeit, wenn man mit Breuer annimmt, eine Besitzentziehung könne nur dann eine Eigentumsverletzung sein, wenn sie eine verbotene Eigenmacht oder eine strafbare Handlung enthält. Daß dies nicht zutrifft, wurde bereits oben dargelegt.

IV. Zusammenfassung Die Untersuchung hat gezeigt, daß nach hergebrachter Auslegung § 992 geradezu einen Fremdkörper im System der §§ 989 ff. darstellt und sich daher an seine Existenz eine Reihe von Zweifelsfragen knüpfen. Es gelingt trotz der Vielfalt der Lösungsversuche nicht, für sie allseits befriedigende Antworten zu finden. Der Grund für diesen gegenwärtigen Zustand liegt in der zu einseitigen Betrachtung der §§ 989 ff. Man geht immer nur von ihrer 1!9 130 131

Staudinger-Berg, § 992 Anm 4. Erman-Hefermehl, Vbm 13a vor §§ 987-993. Erman-Hefermehl, § 992 Anm 1.

74 § 3. Das Leistungsstörungsrecht bei delikUschen Herausgabeansprüchen Funktion aus, den gutgläubigen Besitzer vor Rechtshängigkeit zu schützen, und vernachlässigt darüber, daß sie vor allen Dingen das Leistungsstörungsrecht für den dinglichen Herausgabeanspruch darstellen. Mit diesem eingeengten Blick wurden aus den Materialien unsichere Schlüsse gezogen und der § 992 auf eine Aufgabe bezogen, die er nicht zu lösen vermag. Dagegen nimmt die hier vertretene Auffassung132 für sich in Anspruch, anders als nach bisheriger Lesart, dem Wortlaut des § 992, seiner Entstehungsgeschichte und seiner systematischen Stellung gerecht zu werden. Sie sieht in ihm eine Abgrenzungsnorm der Leistungsstörungsansprüche, wenn der Eigentümer sowohl nach Vindikationswie nach Deliktsrecht Herausgabe verlangen kann. Sie berücksichtigt die vom Gesetzgeber getroffene Interessenabwägung, besonders auch bezüglich der Schutzwürdigkeit des beschränkt Geschäftsfähigen, und gelangt zu billigen Ergebnissen. Sie entnimmt § 992, daß der Besitzer, der sowohl den dinglichen wie den deliktischen Herausgabeanspruch verletzt hat, für den durch diese Handlung entstandenen Schaden nur nach Vindikationsrecht haftet, wenn seine deliktische Besitzerlangung nicht auch eine verbotene Eigenmacht oder eine strafbare Handlung enthielt. Dagegen besteht zwischen den Leistungsstörungs- ebenso wiE' zwischen den Herausgabeansprüchen Anspruchskonkurrenz, wenn die Besitzverschaffung in der in § 992 bezeichneten Weise erfolgte. § 992 gibt jedoch keine Auskunft, ob die Rechtsfolgen des Delikts zum Zuge kommen oder nicht, das in der Handlung liegt, die die Leistungsstörung der Herausgabeansprüche bewirkt133•

111 133

siehe oben § 3 II, insbes. A 3, Seiten 50 ff. Ähnlich noch Windscheid-Kipp, § 194 Nr. 3.

§ 4. §§ 989 ff. und das Leistungsstörungsrecht anderer llerausgaheansprüche I. Der Stand der Meinungen A. Der Konkurrenzfall

Denkbar ist nicht nur ein Zusammentreffen der §§ 989 ff. mit dem Leistungsstörungsrecht des deliktischen, sondern auch mit dem anderer persönlicher Herausgabeansprüche1 • Der Mieter zum Beispiel ist verpflichtet, die vermietete Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben (§ 556 I}. Wird ihm diese geschuldete Leistung unmöglich oder kann er sie nicht im vertraglich bedungenen Umfang erbringen, so hat er dafür nach den Vorschriften über Unmöglichkeit, Verzug oder positiver Forderungsverletzung einzustehen. Das haftungbegründende Ereignis, die Zerstörung, die vertragswidrige Abnutzung oder Beschädigung kann während der Mietzeit oder danach eintreten. Auch im ersten Fall handelt es sich im Grunde um eine Verletzung des Herausgabeanspruches. Er ist während der Mietzeit zwar noch nicht fällig, aber doch auf Grund des Schuldverhältnisses als eines Organismusz oder Gefüges3, das die einzelnen Leistungs-, Abwicklungsund Verhaltenspflichten umfaßt, bereits vorhanden. Wird durch dieselbe Handlung, die die Leistungsstörung nach Schuldrecht bewirkt, auch der dingliche Herausgabeanspruch verletzt, so kommt deswegen eine Haftung nach den §§ 989 ff. in Frage. Sie weicht jedoch in den Voraussetzungen und Rechtsfolgen zum Teil erheblich von der schuldrechtlichen ab4 • Dadurch ist es in den Fällen, in denen der persönlich Berechtigte auch Eigentümer ist, praktisch bedeutsam, welches Verhältnis zwischen beiden Leistungsstörungsrechten besteht. Zu der Abgrenzung vgl. oben Seite 18. Rechtszwang 92; Planck-Siber, II, Vbm I, insbes. lb, Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen 26. a Larenz, JZ 62, 105 f., 108; Schuldrecht I § 2 V; m.w.N. • So haftet zum Beispiel der Geschäftsführer nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, wenn er auf die Sache einwirkt, um eine dem Geschäftsherrn drohende dringende Gefahr abzuwenden (§ 680). Oder es haben der unentgeltliche Verwahrer (§ 690), der Gesellschafter (§ 708), sowie die verwaltenden Eltern (§ 1664) nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie für ihre eigenen Angelegenheiten aufwenden. Dagegen kommt es für die Haftung nach §§ 989 ff. gar nicht auf die Interessenlage an, die durch das Bestehen 1

t Siber,

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§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

B. Stellungnahme in Literatur und Rechtsprechung Ihr Zusammentreffen ist natürlich nur möglich, wenn neben einem persönlichen Herausgabeanspruch auch noch ein dinglicher vorhanden ist, also zum Beispiel ein Konkurrenzverhältnis wie zwischen dem Vindikations- und dem Deliktsanspruch besteht. Ob dies der Fall ist, ist jedoch umstritten. 1. Siber hält auf Grund seiner oben dargelegten Auffassung von der Konkurrenz der Ansprüche den dinglichen für schwächer als alle persönlichen Herausgabeansprüche1• Er sei nur auf Auskehrung, jene aber seien auf Verschaffung der Sache gerichtet. Daher bestehe der sachenrechtliche Anspruch nur, wenn gleichzeitig nicht auch ein persönlicher vorhanden sei8 • Ausnahmsweise komme ein Zusammentreffen beider Ansprüche in Betracht, wenn der persönlich Berechtigte nachträglich auch noch Eigentümer der Sache werde. Eine von Raiser begründete neuere Lehre hält zwar nicht an der Begründung, wohl aber an den wesentlichen Ergebnissen Sibers fest. Raiser legt seiner Auffassung zugrunde, daß derjenige, der seine Sache zur Miete oder Verwahrung oder zu einem anderen vertraglich vereinbarten Zweck freiwillig weggibt, damit nicht nur ein Schuldverhältnis begründet, sondern auch seine Rechtsstellung als Eigentümer verändert7 • Diese Veränderung bewirke, daß er seine Sache nicht mehr kraft seines Eigentums. sondern nur noch kraft der aus dem Schuldverhältnis erwachsenden persönlichen Ansprüche zurückverlangen könne. Denn er sei im Gegensatz zu jedem Zufallsbesitzer seinem Vertragspartner gegenüber an die besonderen Regeln des zwischen ihnen bestehenden Schuldverhältnisses, auch bezüglich seiner Abwicklung (= Rückforderung), gebundene. Nach dieser Ansicht ist ein Zusammentreffen von Leistungsstörungsansprüchen der §§ 989 ff. mit denen aus Verletzung eines persönbesonderer Rechtsverhältnisse bedingt; ist. Vielmehr stuft sich die Verantwortlichkeit nach ganz anderen Kriterien, nämlich beim Schadenersatz nach der Rechtshängigkeit, den Umständen der Besitzerlangung und dem Verschulden, ab. Außerdem ist die Verjährung der Ersatz- und Gegenansprüche für Miete (§ 558), Pacht (§ 581 Il), Leihe (§ 606), Nießbrauch (§ 1057) und Verpfändung (§ 1226) speziell geregelt. Bel den §§ 987 f. fehlt eine entsprechende Vorschrift.

a Vgl. dazu oben § 3, Selten 46 fi. • Siber, Rechtszwang 121, 125 f., 130; Passivlegitimation 229, 249, 252 f.; JhJ 89, 6 und 10 f.; ebenso Sohm, Institutionen 13, Aufl. 1908, § 65 Note 8 und Sohm-Mitteis, Institutionen 17. Aufl. 1949, §54 Note 10. Zweifelnd Kübler, ZSSt 29, 481 f., 484. Dagegen die h. M., vor allem Oertmann, JhJ 61, 44 f. 1 Raiser, Eigentumsanspruch 138. e .Raiser, Eigentumsanspruch 139.

I. Der Stand der Meinungen

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liehen Herausgabeanspruches überhaupt nicht möglich. Es besteht keine Vindikationslage, den §§ 989 ff. fehlt jeglicher Anwendungsbereich. Beeinträchtigt der Mieter, Verwahrer, Nießbraucher etc. die ihm überlassene Sache während oder nach der vereinbarten Besitzzeit, haftet er nur nach Miet-, Verwahrungs- oder Nießbrauchs-, niemals jedoch nach Vindikationsrecht. Die Probleme, die aus dem dreigliedrigen Verhältnis: Eigentümer/ Vermieter - Mieter/Besteller - Unternehmer/unmittelbarer Besitzer erwachsen, wenn der Besteller zum Beispiel ein gemietetes Kraftfahrzeug dem Werkunternehmer zur Reparatur gegeben hat•, lösen sich nach der Ansicht Raisers ohne Schwierigkeiten: Sind sowohl Mietwie auch Werkvertrag gültig, und war der Mieter befugt, die Mietsache einem Dritten zur Ausbesserung zu überlassen, kann der Eigentümer das Kraftfahrzeug vom Werkunternehmer weder während noch nach Ablauf der Mietzeit vindizieren10• Ist der Mietvertrag ungültig11, so ist der Werkunternehmer zwar dem Herausgabeverlangen des Eigentümers nach §§ 985, 986 ausgesetzt, hat aber wegen seiner Verwendungen (§§ 994 ff.) ein Zurückbehaltungsrecht (§ 1000). Das gleiche Gegenrecht steht ihm zu, wenn der Mieter wohl rechtmäßiger Besitzer, nicht aber zur Überlassung der Sache an den Werkunternehmer befugt war. Dann ist die Vindikation des Eigentümers nach § 985 gegeben, aber durch § 986 I 2 beschränkt: Der Eigentümer kann nur verlangen, daß die Sache, seiner Vereinbarung mit dem Mieter gemäß, an diesen zurückgegeben wird12. 2. Wie schon gegen Siber, so wendet sich die herrschendeMeinungmit Nachdruck auch gegen Raiser15• Sie hält an der Grundauffassung fest, daß das Eigentum14 durch schuldrechtliche Vereinbarungen nicht beeinträchtigt werden könne. Vielmehr werde es durch jede Scheidung • Vgl. dazu vor allem BGHZ 27, 317, 318. 10 Eine andere Frage ist es, ob der Eigentümer die untervermietete Sache nach § 556 III herausverlangen kann. u Der anfänglichen Ungültigkeit des Mietvertrages, zum Beispiel wegen Geisteskrankheit eines Partners, setzt Raiser den Fall nicht gleich, bei dem der Vertrag durch Rücktritt aufgelöst wird. Dann sei, so meint Raiser, das Rücktrittsverhältnis an die Stelle des persönlichen getreten. Die Abwicklung könne daher auch wieder nur nach Rücktritts-, nicht nach Vindikationsrecht erfolgen, vgl. Raiser, Eigentumsanspruch 140. 11 Raiser, JZ 58, 681 f., 683. ta Je mit Hinweis auf die h. M.: Palandt-Hoche, Eint. 3a vor § 985; Erman-HefermehZ, § 985 lc; RGRK-Johannsen, § 985 Anm 3; StaudingerBerg, § 985 Anm 1a; sowie RGZ 170, 257, 259; BGHZ 9, 22, 28; 34, 122, 123 f. 14 Allerdings ist dem BGB mit Sicherheit nicht zu entnehmen, was unter "Eigentum" verstanden werden soll. Zum Eigentumsbegriff vgl. Kruse, I 8; Rudolph, 1 f.; WoZff-Raiser, §51 II u. III; Westermann, § 2 II u. § 28; EichZer, I, 138f.

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§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

von dinglichem Recht und Besitz verletzt15• Deshalb entstehe zwingend immer dann der sachenrechtliche Herausgabeanspruch, wenn der Eigentümer nicht mehr Besitzer sei. Freilich könne er nicht durchgesetzt werden, solange durch ein "Recht zum Besitz" seine Fälligkeit hinausgeschoben werde18• Bestehe aber diese Berechtigung nicht oder nicht mehr, so entfalte er seine volle Wirkung. Bedeutungslos sei, ob der Eigentümer daneben auch auf Grund des rechtlichen Gesichtspunktes Herausgabe verlangen könne, auf Grund dessen er dem Besitzer die Sachherrschaft17 eingeräumt hatte (z. B. auf Grund eines schuldrechtlichen Vertrages). Denn für das Entstehen des Anspruches aus §§ 985,986 spiele die Art und Weise keine Rolle, wie der Eigentümer den Besitz verloren hat. Anspruchsbegründend seien nur das Eigentum auf der einen und der Besitz18 auf der anderen Seite111• Daher sind nach herrschender Meinung die §§ 989 ff. im Grundsatz überall dort anwendbar, wo Eigentümer und Besitzer nicht dieselbe Person sind. Denn in allen diesen Fällen ist der Herausgabeanspruch nach §§ 985, 986 entstanden. Das bedarf jedoch näherer Erläuterung. Auch die Vertreter der herrschenden Meinung nehmen nämlich nicht an, daß die Nebenansprüche der §§ 989 ff. bei bestehendem Besitzrecht wirksam seien10• Zwar kann nach ihrer Ansicht auch in diesen Fällen die Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruches durch Einwirkung auf die Sache unmöglich werdenu. Aber die Anwendung der §§ 989 ff. würde zu unannehmbaren Ergebnissen führen22• Selbst wenn man von vertraglichen Sonderabsprachen (§ 305) absieht, ist zu beachten, daß das Gesetz die einzelnen Besitzrechtstypen durch wohlabgewogene Regelungen charakterisiert hat. Sie wären ohne Bedeutung, wenn regelmäßig auf die Bestimmungen der §§ 987 ff. zurückgegriffen werden könnte23• 15 Schon Cosack, li, § 211 IV, V und § 212; Scherk, JhJ 67, 301, 367; Oertmann, AcP 113, 51 f., 91 zu Note 67; Dietz, 182; Biermann, § 985 Anm 16; Planck-Brodmann, Vbm 3 vor§ 985 und die jetzt h. M., vgl. oben Note 13. 11 Als Vertreter der h. M. besonders Dietz, 188; Raape, JhJ 71, 166 Text und Note 1. 11 h. M. Dietz, 182 m.w.N., Staudinger-Berg, § 985 Anm 1a m.w.N. 18 Nach Heck, Sachenrecht § 66, 5 genügt die ähnliche Interessenlage

auch contra legem, die Vindikation gegen den Besitzdiener zuzulassen. Dagegen die h. M., vgl. Westennann, § 30 li 2. 111 h. M., insbesondere Dietz, 182. zo Ausdrücklich hat zwar noch niemand behauptet, daß die §§ 989 ff. vertragliche Ansprüche ausschließen würden, unklar jedoch Florey, 19 Note 4, Neumann, Vbm zwn 4. Titel III 1, die annehmen, die §§ 987 ff. würden sowohl für den berechtigten, wie für den unberechtigten Besitzer gelten. 11 Vgl. Dietz, 189. n Zur Kasuistik vgl. Siber, Rechtszwang 128 f., Passivlegitimation 234, JhJ 89, 33 f., 53 f. · za Vgl. oben § 4 Note 4, Seiten 75/76.

I. Der Stand der Meinungen

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Ist die Notwendigkeit offenkundig, die §§ 987 ff. bei bestehendem Besitzrecht nicht anzuwenden, so bereitet doch die Begründung des Ausschlusses Schwierigkeiten. Es wurde angenommen24, die vertraglichen oder sonstigen Bestimmungen, die das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer in diesen Fällen regeln, seien "Ieges speciales" zu denen der §§ 987 ff. 25• Diese Begründung liegt nahe. Man bejaht damit nämlich die grundsätzliche Anwendbarkeit der Nebenansprüche, immer wenn der Hauptanspruch gegeben ist und hält sich damit an die Systematik der §§ 985 ff. Es kommt nicht darauf an, ob der Besitz rechtmäßig ist oder nicht: Im erstenFall werden dieNebenansprüche im gleichenUmfangvon den spezielleren vertraglichen verdrängt, in dem die Fälligkeit des Herausgabeanspruchshinausgeschoben ist. An dieser Konstruktion fällt jedoch auf, daß man für die Nebenansprüche auf eine Begründung zurückgreift, die für den Hauptanspruch gerade nicht gelten soll. Denn nach herrschender Meinung tritt der Anspruch aus §§ 985, 986 nicht hinter dem Herausgabeanspruch aus dem persönlichen Verhältnis als dem spezielleren zurück28• Vielmehr steht er gleichberechtigt neben ihm. Er wird von ihm gar nicht berührt, lediglich seine Durchsetzbarkeit ist, wie die des persönlichen Anspruchs bei bestehendem Besitzrecht, hinausgeschoben. Im übrigen setzt Spezialität voraus, daß der speziellere Tatbestand den verdrängten notwendig und in vollem Umfang enthält, jedoch zusätzliche Elemente aufweist. Daß dieses Verhältnis zwischen §§ 989 ff. und §§ 275 ff. aber gerade nicht vorliegt, wurde oben aus· führlich dargelegt27. So ist auch diese Theorie bald als unhaltbar erkannt worden. Man hat gesehen, daß die §§ 987 ff. schon tatbestandlieh nicht vorliegen, wenn der Eigentümer einem Besitzberechtigten gegenübersteht28. Bei den Schadenersatzansprüchen der §§ 989 ff. zeigt sich das wie folgt: Nach § 989 haftet jeder Besitzer nach Rechtshängigkeit unabhängig von seinem guten oder bösen Glauben bei Besitzerlangung dafür, daß 24 Bunsen, 437 Text und Note 1 hält die Bestimmungen über Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherung für die allgemeineren, die aus einem "besonderen" Rechtsverhältnis jedoch für die spezielleren zu §§ 987 fl. !I Noch zurückhaltend PTt/m, 67 Note 4, entschieden aber schon 'llon Tuhr, § 16 I 4b Note 34. Unklar diejenigen, die von §§ 987 ff. als einer "Sonderregelung" sprechen. Vgl. dazu oben Seite 20 unten und ff. !I Dietz, 182. Eichler, II/1 190 Anm 7 a. E. betont nachdrücklich, daß der Anspruch aus § 985 "mit der Trennung vom Besitz", nicht erst mit dem "Wegfall des Gegenrechtes" entsteht. Das ist die Ansicht der h. M., vgl. Raiser, Eigentumsanspruch 127. 27 Oben § 2, insbesondere Seite 39. 2s Lent, 258 fl.

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§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

durch sein Verschulden die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grund von ihm nicht herausgegeben werden kann. Demnach bedeutet die Rechtshängigkeit für den Gutgläubigen einen haftungsbegründenden Umstand. Denn nach §§ 990, 991 haftet er nicht. Diese Regelung ist für ihn aber nur dann sinnvoll, wenn die Rechtshängigkeit durch eine begründete Klage veranlaßt ist. Erweist sich das Herausgabebegehren nämlich als unbegründet, ist der Besitzer nicht nach §§ 985, 986 und auch nicht zum Schadenersatz verpflichtet. Letzteres weil es an der Vindikationslage fehlt. Damit kann § 989 nur für den Besitzer gelten, der dem Eigentümer im Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses zur Herausgabe verpflichtet ist, also ungerechtfertigt besitzt. § 989 liegt folglich schon tatbestandlieh bei rechtmäßigem Besitz nicht vor. §§ 990 I und 991 II stellen auf den guten Glauben und sein Fehlen ab. Dieser bezieht sich auf das Vorhandensein einer Besitzberechtigung, die in Wahrheit nicht vorliegt11• Demnach kann ein Besitzer, der dem Eigentümer gegenüber tatsächlich ein "Recht zum Besitz" hat, weder gut- noch bösgläubig sein10• Also finden auch diese Vorschriften auf den rechtmäßigen Besitzer keine Anwendung. Bezüglich des § 992 wird allerdings die Meinung vertreten, er gelte unterschiedslos für den berechtigten wie für den unberechtigten Besitzer11. Das setzt jedoch voraus, daß man § 992 nicht im hier dargestellten Sinne als Abgrenzungsnorm konkurrierender Leistungstörungsansprüche versteht, sondern ihm jenes "argumentum e contrario" im Sinne der herrschenden Meinung bezüglich des Deliktsrechtes entnimmt31. Außerdem wird dabei der Zusammenhang der Neben- mit dem Hauptanspruch außer Betracht gelassen und eine Einordnung des § 992 in die Systematik der Nebenansprüche geleugnet. § 992 soll nach dieser Ansicht vielmehr eine Sonderstellung einnehmen. Schon deshalb hat sie keine Anerkennung gefunden33• Gegen sie spricht weiterhin, von der hier vertretenen Auslegung des § 992 einmal abgesehen3•,daß die Tatbestandsmerkmale "verbotene Eigenmacht" und "strafbare Handlung" in § 992 die Annahme recht unwahrscheinlich machen, damit tt

Vgl. oben § 3 Note 35, BGH JZ 63, 255 f. m. A. Isele.

ao Das ist jetzt unbestritten, vgl. Eichler, 11/1; Erman-Hefermehl, § 990

Anm 6. at Dietz, 200; RGRK-Johannsen, § 992 Anm 2; unklar RGZ 106, 152.

Berechtigter Eigenbesitzer ist aber nicht nur der Eigentümer, das übersieht

Schmidt, 174 Note 15. Denn es handelt sich ja immer nur um die Berechtigung zum Besitz, also der tatsächlichen Sachherrschaft als solcher, nicht

um u u "

die Berechtigung zum Eigenbesitz. Dazu oben § 3 III A 1, Seiten 60 ff. Schon bei Heck, Sachenrecht § 69, 2 und h. M. Oben § 3 II A 3, Seite 50.

I. Der Stand der Meinungen

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sei auch ein berechtigter Besitzer angesprochen. Sie deuten vielmehr darauf hin, daß eine Art der Besitzerlangung gemeint ist, die nur von dem gewählt wird, der gerade kein Recht zum Besitz aufweisen kann. Daß die §§ 989 ff. deswegen bei berechtigtem Besitz keine Anwendung finden, weil es am Tatbestand mangelt, meint wohl auch RaiseT15• Allerdings führt er aus, die gesetzliche Regelung des Eigentümer-Besitzerverhältnisses trage "subsidiären Charakter" und trete deshalb hinter vertraglichen Bestimmungen zurück. Dennoch ist nicht anzunehmen, daß er unter Subsidiarität etwas anderes als Tatbestandsverschiedenheit versteht. Diese vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung bei Raiser ergibt sich aus seiner ausdrücklichen Bezugnahme auf die oben dargestellte Auslegung der §§ 989 ff., die Verweisung auf die Literatur, die den gleichen Inhalt hat" und vor allem daraus, daß er auch seine Lehre als "Subsidiarität der Vindikation" bezeichnet, obwohl er nachdrücklich ausführt, daß es für §§ 985, 986 immer schon am Tatbestand, nämlich der Aktivlegitimation des Eigentümers, mangele, wenn ein persönlicher Herausgabeanspruch gegeben ist. Demnach stehen dem Eigentümer nach herrschender Ansicht zwar konkurrierende Herausgabeansprüche aus dem persönlichen und dem dinglichen Recht, Leistungsstörungsansprüche jedoch nur aus Vertrag und nicht auch wegen Verletzung des Eigentumsanspruchs zur Verfügung. Die Vindikation bleibt also ein Torso17• Abweichend von der im Gesetz in den §§ 985-993 getroffenen Regelung zielt sie nur noch auf Herausgabe der Sache. Mag man mit diesem Ergebnis auch dem praktischen Bedürfnis Genüge tun, so kann es doch dogmatisch nicht befriedigen. Die Zweifel an der Richtigkeit der Konstruktion lassen es geradezu als einen Notbehelf für den praktischen Gebrauch erscheinen. Die unterschiedlichen Konsequenzen, die sich aus ihm ziehen lassen und von den einzelnen Vertretern der herrschenden Meinung auch gezogen werden, bestärken diesen Eindruck. Man ist sich nämlich nur darüber einig, daß die §§ 989 ff. auf den berechtigten Besitzer nicht angewendet werden dürfen. Uneinigkeit besteht aber schon darin, wer als berechtigter Besitzer anzusehen ist. Das gilt einmal für einen Besitzer der zwar ein Besitzrecht hat, aber auf die Sache in einer Weise einwirkt, die durch dieses Besitzrecht nicht gedeckt ist. Raiser, Eigentumsanspruch 132. ss Raiser, Eigentumsanspruch 132 Note 37.

111

a1

Siber, Passivlegitimation 237.

6 Kraule

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§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

Eine Minderheit geht davon aus, dieser sogenannte "nicht-so-berechtigte Besitzer" sei dem nichtberechtigten gleichzuachten38• Allerdings sind die Anhänger dieser Theorie unter sich wieder uneins. Gemeinsam anerkennen sie nur, daß auf den "Nicht-so-Berechtigten" die §§ 987 ff. dennoch nicht ausschließlich anzuwenden sind, sondern in Konkurrenz mit den Ansprüchen aus dem persönlichen Schuldverhältnis stehen. Im übrigen läßt aber die Mehrzahl Vertrags- und Vindikationsrecht grundsätzlich nebeneinander zu. Dagegen unterscheidet Wolffse, ob sich der Besitzer eine andere Besitzerstellung anmaßt, als ihm zusteht, ob sich also zum Beispiel der Verwahrer als Mieter benimmt und entsprechend auf die Sache einwirkt, oder ob er aus anderen Gründen die Grenzen seiner Besitzberechtigung überschreitet. Zum Beispiel ist das der Fall, wenn der Mieter die Sache zerstört, ohne zu meinen, er sei Eigenbesitzer. Nur im ersten Fall wendet Wolff die§§ 987 ff. an". überwiegend wird jedoch die Gleichsetzung des "nicht-so-berechtigten Besitzers" mit dem nichtberechtigten abgelehnt41• Es wird mit Recht eingewandt, nach dem Wortlaut des§ 986 I 1 könne es nur darauf ankommen, ob der Besitzer dem Eigentümer gegenüber zum Besitz als solchem berechtigt sei. Gerade das treffe aber auch auf den "nichtso-berechtigten Besitzer" zu. Der Mieter sei während seiner Besitzzeit zur Sachherrschaft berechtigt, unabhängig davon, ob er sich auch als Mieter benehme, sich eine Eigentümerstellung anmaße, oder aus anderen Gründen in verbotener Weise auf die Sache einwirke. Denn vom Besitzrecht sei das Nutzungsrecht an der Sache zu unterscheiden. Beides stehe dem berechtigten Fremdbesitzer zu. Aber nur das letztere und nicht das Besitzrecht überschreite der sog. "nicht-so-berechtigte Besitzer". Zum anderen streitet man darüber, ob nichtberechtigt auch der sog. "nicht-mehr-berechtigte Besitzer" sei. Darunter wird derjenige verstanden, der die Sache weiterhin in Besitz hält, obwohl sein Recht dazu zeitlich bereits zu Ende gegangen ist. Beispiel: Der Mieter verweigert nach Ablauf der Mietzeit die Herausgabe der Sache. Auf ihn wendet Lent die §§ 989 ff. überhaupt nicht an41• Er meint, diese Vorschriften hätten nur bei einem von vornherein unberech38 Wolff, (8. Bearbeitung) § 85 Text zu Note 4 und Note 20. StaudingerKober, § 993 Anm 2; Palandt-Hoche, Vbm 2 b bb vor §§ 987 ff. RGZ. 101, 307, 310 ff.; 106, 149, 152; OGHZ 1, 128; BGH JZ 51, 716 m. A. Raiser; LM Nr. 2 zu § 688; BGHZ 31, 129, 134/5. 39 Seine Lehre wird jedoch häufig mißverständlich dargestellt. Vgl. dazu Stutz, 43 und Raise1', Eigentumsanspruch 134 Note 42. 40 WoZff, § 85 II Note 20. u Ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Lehre bei Stutz, 37 ff., 49

und Dietz, 190 ff. u Lent, 258.

I. Der Stand der Meinungen

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tigten Besitzer Geltung. Seine Ansicht wird überwiegend mit dem Hinweis zurückgewiesen, die §§ 989 ff. seien für den "nicht-mehrberechtigten Besitzer" einfach deshalb wieder gegeben, weil mit dem Ablauf des Besitzrechtes aus dem berechtigten ein unberechtigter Besitzer geworden sei. Auf ihn träfen die §§ 989 ff. tatbestandlieh zu43• Andere führen aus44, die Haftung nach den §§ 989 ff. trete deshalb wieder ein, weil der "nicht-mehr-berechtigte Besitzer" neben dem persönlichen auch dem dinglichen Herausgabeanspruch ausgesetzt sei. Denn beide seien nunmehr fällig und durchsetzbar. Folglich müßten dann auch ihre "Nebenansprüche" gegeben sein. Allerdings ist man sich wie über die Begründung, so auch über die Folgen nicht einig, die die Anwendbarkeit der §§ 989 ff. auf den "nichtmehr-berechtigten Besitzer" haben soll. Es werden alle denkbaren Varianten für richtig gehalten: Nebeneinanderbestehen der Ansprüche aus §§ 987 ff. und der schuldrechtlichen Ansprüche", deren Verdrängung'• oder umgekehrt die Modifizierung der Ansprüche aus §§ 987 ff. durch die persönlichenu. 3. Der überblick zeigt die Schwierigkeiten, die sich für die Deutung der §§ 989 ff. ergeben, wenn man mit der herrschenden Meinung annimmt, der dingliche könne mit persönlichen Herausgabeansprüchen zusammentreffen. Insbesondere fällt auf, daß es Fälle geben soll, in denen die Vindikation nicht von den dazugehörigen Leistungsstörungsansprüchen begleitet wird. Nun ist zwar die Umkehrung des Satzes, daß die Nebenansprüche zwingend eine Vindikationslage voraussetzen, nicht denknotwendig48. Es ist vielmehr vorstellbar, daß trotz Besteheus der §§ 985, 986 die Folgen der Verletzung dieses Anspruches nicht durch die dafür geschaffenen §§ 989 ff., sondern durch andere Bestimmungen geregelt werden. Allerdings bedarf ein solches Abweichen von der Regel schon dann besonderer Begründung, wenn es sich darum handeln soll, daß die §§ 989 ff. von anderen Bestimmungen verdrängt werden. 43 Schmidt, 166 f ., 167. Meist wird die Ansicht Lents ohne nähere Begründung abgelehnt. Das dient jedoch nicht der Klarheit und ermöglicht, daß in BGHZ 34, 122, 131 f. z. B. hinsichtlich der Herausgabepflidlt von Nutzungen nidlt klar zwisdlen dem Zeitraum vor und nadl Fälligkeit des Herausgabeansprudls untersmieden wurde; vgl. Raiser, JZ 61, 125. " Dietz, 189; Schlegelberger-Spreckelsen, Vbm 1 vor § 987; Erman- HefeTmehl, Vbm 6 vor §§ 987 ff.; BGHZ 31, 129. u Dietz, 189; BGH LM Nr. 2 zu § 989; BGHZ 31, 129 f.; 34, 122 f. 48 Biermann, § 985 Anm 1 b. 47 Scherk, JhJ 67, 369. 48 Audl Siber, Redltszwang 134, Passivlegitimation 233 f., der diesen Sdlluß wohl zieht, hält ihn zwar für folgerichtig, nidlt aber für· unabdingbar.

84:

§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

Denn es ist nicht offensichtlich, warum an Stelle von Bestimmungen, die auf die besonderen Bedürfnisse der Vindikation zugeschnitten sind, andere treten können und sollen, die diese Besonderheiten gerade nicht berücksichtigen. Die Vermutung spricht für und nicht gegen die Anwendbarkeit der §§ 987 ff., wenn der Hauptanspruch nach §§ 985, 986 gegeben ist. Schließlich nehmen die Vorschriften des Mietrechtes zum Beispiel ebensowenig darauf Rücksicht, daß der Vermieter möglicherweise auch Eigentümer der Mietsache ist, wie umgekehrt die §§ 987 ff. darauf, daß der Eigentümer auch Vermieter und der Besitzer auch Mieter sein können. Noch zweifelhafter sind aber die Fälle, in denen zwar ein Vindikationsanspruch bestehen soll und deshalb beeinträchtigt werden kann, aber die dazu führende Handlung den Tatbestand der §§ 989 ff. nicht erfüllt. Das ist nach der herrschenden Ansicht immer dann der Fall, wenn derjenige, der die Sache rechtmäßig besitzt41, sie abredewidrig beschädigt, abnutzt oder zerstört. Denn auch die Vertreter der sogenannten "Einwendungstheorie"60können nicht leugnen, daß während dieser Zeit nach ihrer eigenen Vorstellung der dingliche Herausgabeanspruch vorhanden sein muß111 und deshalb der Eigentümer die Sache sofort nach §§ 985, 986 herausverlangen kann, sobald das Besitzrecht des Besitzers weggefallen ist. Zwar hat Scherk den Versuch gemacht zu begründen61, das Eigentum werde durch das Besitzrecht des rechtmäßigen Besitzers gemindert. Denn das Besitzrecht stelle einen Teil des Inhalts des Eigentums dar und werde auf den Besitzer übertragen", wenn der Eigentümer die Sache zur Miete, Leihe u. a. weggibt. Diese Handlung stelle eine Verfügung über das Eigentum dar und raube ihm die Kraft zur Vindi41 Wolff, Recht zum Besitz 6 f. zeigt anschaulich die Vielfalt der möglichen Besitzberechtigungen auf. 110 Daß das in § 986 I 1 angeführte "Recht zum Besitz" entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ("kann verweigern") im Wege der Einwendung geltend gemacht werden kann, nehmen an: Crome, § 418 I, § 36,2; Dietz, 183 Note 4; Heck, Sachenrecht § 66, 11; Raape, JhJ 71, 166; Scherk, JhJ 67, 356 f., 357; Thon, Rechtsnorm 276 f., JhJ 28, 55; Wolff, § 84 N. 14 und die heute wohl herrsdlende Meinung: Wolff-Raiser, § 84 IV 1a; Raiser, Eigentumsansprudl 125 f., 134 f.; Westermann, § 30 I 2; Eichler, II/1 221; Lent, Samenrecht § 40 VII; StaudingerBerg, § 986 Anm 1; Erman-Hefermehl, § 986 Arun 1; Palandt-Hoche, § 986 Anm 1, dagegen nehmen heute Einrede an: Enneccerus-Nipperdetl, § 226 Note 6; RGRK-Johannsen, § 986 Arun 10; Stein-Jono.s-Schönke-Pohle, § 128 Vbm III 3. 11 Oben § 4 I B 2, Seite 78. II Scherk, JhJ 67, 301 f. insbes. 331 ff. aa Scherk, trennt zwisdlen dem Recht auf mittelbaren und auf unmittelbaren Besitz. Nur letzteres übertrage der Eigentümer auf den Fremdbesitzer (Seite 332).

I. Der Stand der Meinungen

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kation solange, als das Besitzrecht besteht. Erst nach seinem Erlöschen erstarke es sozusagen zu seiner eigentlichen Kraft mit der Folge, daß der Eigentümer nunmehr vindizieren könne. Ihr hat jedoch Raape54 im Sinne der herrschenden Meinung völlig zu Recht entgegenhalten können, bei der Begründung relativer Rechte könne die Verfügung über das Eigentum durch Besitzüberlassung auch immer nur ein relatives, niemals aber ein absolutes Besitzrecht begründen55• Dieses ist aber nach herrschender Meinung gerade nicht geeignet, das Eigentum zu beschränken. Dann bleibt folgerichtig nur übrig anzunehmenH, der Eigentumsanspruch entstehe "an sich" auch bei fr~iwilliger Besitzüberlassung, seine Fälligkeit werde jedoch bis zum Ablauf des Besitzrechtes hinausgeschoben. Der Umstand des Besitzrechtes stellt dann eine Einwendung dar, die, selbst wenn sie vom nicht beweispflichtigen Kläger vorgebracht wird, von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Allerdings muß es sich und hier setzen die Bedenken ein - dabei um eine besondere Art von Einwendung handeln. Denn der betroffene Anspruch wird durch sie weder am Entstehen gehindert (rechtshindemde Einwendung), noch wird er vernichtet (rechtsvemichtende Einwendung)li7 • Man ist also gezwungen, eine dritte Form der Einwendung zu finden. Dabei erscheint es am zweckmäßigsten, den von Krau.seli8 für die Verwirkung gefundenen Begriff der "rechtsbeschränkenden Einwendung" auch hier zu benutzen. Damit soll ausgedrückt werden, daß der Anspruch zwar entstanden und auch nicht weggefallen ist, "daß es sich andererseits um mehr als ein bloßes Leistungsverweigerungsrecht handelt, nämlich um einen von Amts wegen zu beachtenden Tatbestand, der die Ausübung des geltend gemachten Rechtes betrifft"18• Darüber hinaus bestehen auch gegen die Annahme Bedenken, nach Ablauf des Besitzrechtes sei der Tatbestand der §§ 989 ff. wieder gegeben. Folgt man der herrschenden Meinung, ist zwar zuzugeben, daß dann der Eigentümer nach Belieben auf Grund des dinglichen wie des persönlichen Rechtes Herausgabe verlangen kann. So wäre auch der Fall denkbar, daß der Vindikationsanspruch rechtshängig wird und u Raape, JhJ 71, 177. u Eine VerdingHebung verschiedener Besitzrechte streben dagegen an·: Dulckeit, 11 fi., ähnlich Larenz, Methodenlehre 352. se Raape, JhJ 71, 166 Text und Note 1; Dtetz, 188; dazu Raiser, Eigentumsanspruch 127. 57 Zu dieser herkömmlichen Tenninologie: Enneccerus-Nipperdey, § 226 II 1; Lehmann, Allgemeiner Teil § 14 III 3; Thomas-Putzo, Vbm D 1 und 2 vor §253. 58 Krause, Schweigen im Rechtsverkehr 212. •• Krause, Schweigen im Rechtsverkehr 213.

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§

4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

deshalb § 989 gegeben ist. Kein Anwendungsbereich ergibt sich jedoch nach wie vor für §§ 99111 und 990 I 1, weil beide auf den guten Glauben bei Besitzerwerb abstellen. Zweifelhaft ist weiterhin die Anwendbarkeit des § 990 I 2. Dem Wortlaut nach würde er zur Not auch auf den "nicht-mehr-berechtigten Besitzer" passen. Aber der ganze Zusammenhang deutet darauf hin, daß § 990 I 2 nicht gelesen werden kann: "erfährt der Besitzer später, d. h. nach Besitzerwerb, daß er zum Besitz nicht mehr berechtigt ist, so haftet er ...", sondern daß es sich sinngemäß nur um einen Besitzer handeln kann, der zwar vom Besitzerwerb an unrechtmäßig besitzt, aber gutgläubig war, "später" jedoch von seinem Nichtrecht "erfährt" und deshalb des ursprünglich genossenen Schutzes verlustig geht.

C. Zusammenfassung Gegen die Konstruktionen der herrschenden Meinung bestehen also zahlreiche Bedenken. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß die Praxis daran nicht mehr besonders leidet. Sie hat trotz der Zersplitterung der Lehrmeinungen brauchbare Ergebnisse erzielen können und sich auch bisher in Grenzfällen zu helfen gewußt. Allerdings sind hierbei die dogmatischen Bedenken mehr oder weniger bewußt beiseite geschoben worden und man hat in Kauf genommen, auch für künftige Probleme keine sichere Beurteilungsgrundlage zu haben. Wer sich mit dieser "Lösung" nicht zufrieden geben will, muß sich mit der Lehre Raisers auseinandersetzen und dabei die Grundlagen der herrschenden Meinung überprüfen. D. Die Konkurrenz zwischen dinglichem und penönlicb.em Herausgabeanspruch

A. Vindikation und Eigentum 1. Das Neue an der Lehre Raisers ist seine Frage nach der Aktivlegitimation des Eigentümers80• Er geht davon aus, daß der Eigentümer durch schuldrechtliche Vereinbarungen seine Rechtsstellung verändern könne8t. Diese Veränderung sei aber keine "Belastung" der Sache. Denn dem Berechtigten stehe kein wirksames Gegenrecht zu, sondern das Eigentumsrecht als solches habe sich gewandelt. Sein Inhalt werde gemindert, ihm fehle die ursprüngliche Kraft zur Vindi-

eo Ra.iser, Eigentumsanspruch 123 f.; JZ 58, 681, 683 1. Sp.; JZ 61, 529, 531; Wolff-Raiser, § 84 I 2. Ihm folgend Baur, Sachenrecht § 11 BI und II; Soergel-Mühl, Vbm 6 vor § 986, § 986 Anm 2. et Raiser, Eigentumsanspruch 138; v. Ca.emmerer, 154 Note 42.

II. Konkurrenz zwischen dinglichem u. persönlich. Herausgabeanspruch 87 kation. Es gibt daher nach Raiser mehrere Abstufungen des Eigentumsrechtes. Es bleibe nicht gleich. Dies bewirke das zwischen Eigentümer und persönlich Berechtigtem bestehende Schuldverhältnis in Verbindung mit der in der Besitzüberlassung liegenden Verfügung. Raiser führt damit bewußt äie Lehren Scherks und Raapes fort62• Er verwendet den Gedanken Scherks, daß der Eigentümer einen Teil seines Rechtes auf den Besitzer übertrage und sieht wie Raape in der Besitzüberlassung an den Mieter, Verwahrer usw. eine Verfügung im Rechtssinne. Beide seien jedoch, so erklärt Raiser, noch nicht in der Lage gewesen, ihre an sich richtigen Gedanken mit den Begriffen der herkömmlichen Zivilrechtsdogmatik adäquat auszudrückenea. Erst die modernen Erkenntnisse vom Wesen des Schuldverhältnisses ermöglichten es anzunehmen, die Verfügung über den Besitz zum Zwecke der Bestellung eines relativen Rechtes könne den Inhalt des absoluten Eigentumes mindern8'. Dagegen wendet sich die herrschende MeinungG5• Sie sieht im Eigen·tum das unveränderliche Herrschaftsrecht, das allenfalls "belastet", niemals aber in seinem Inhalt verändert wird. Dem Besitzer erwachsen durch schuldrechtliche Vereinbarungen nur Gegenrechte, die er als Einreden oder Einwendungen dem Recht des Eigentümers entgegenhalten kann. Ein Eingriff in das Eigentumsrecht findet dadurch jedoch nicht statt, es werde nur seine Durchsetzbarkeit auf Zeit durch die Existenz der Gegenrechte gehemmt. Es entfalte jedoch seine volle Kraft, sobald sie weggefallen sind8&. Die Vindikation werde durch das in § 986 I 1 angeführte "Recht zum Besitz" gehemmt. Die herrschende Meinung hat daher seit Bestehen des BGB ihre Aufgabe darin gesehen, die Natur dieses "Rechtes zum Besitz" zu erörtern87• Es wurde also stets festgestellt, welcher Besitzer für den Eigentumsherausgabeanspruch passiv legitimiert ist, nicht aber, welchem Eigentümer die Vindikation zusteht. Das gilt auch für Scherk. Ihre Idee war es, das "Recht zum Besitz" zum selbständigen subjektiven Recht zu erheben, das die Vindikation für die Dauer seines Bestehens ausschließt18• ez Raiser, Eigentumsanspruch 137. a Raiser, Eigentumsanspruch 137. 84 Raiser, Eigentumsanspruch 138. 85 Vgl. oben § 4 Note 13. &8 h. M. vgl. besonders Dietz, 182 m.w.N. und Staudinger-Berg, § 985 Anm 1a m.w.N. 87 Schon Wolff, Recht zum Besitz 1 ff. (1903), neuerdings vor allem Diederichsen, Das Recht zum Besitz aus Schuldverhältnissen (1965). 88 Scherk, JhJ 67, 301 ff.

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4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

Für die herrschende Ansicht scheint der Wortlaut der §§ 985, 986 zu sprechen. § 985 bestimmt lediglich, daß "der" Eigentümer von "dem" Besitzer Herausgabe der Sache verlangen könne. Daraus läßt sich im Sinne der herrschenden Meinung folgern, daß grundsätzlich jeder Eigentümer zur Vindikation aktiv legitimiert sei. Man wird darin auch noch durch § 986 I 1 bestärkt. Bei wortgetreuer Auslegung ist ihm eine Einrede des Besitzers gegen den gegebenen Herausgabeanspruch zu entnehmen, sofern er ein "Recht zum Besitz" hat. Allerdings ist Raiser zuzugeben, daß derartige Schlüsse von zweifelhaftem Wert bleiben müssen". Denn wie auch in anderen Fällen wurden die §§ 985, 986 mit Rü~cht auf die Beweislastregelung gefaßt70. Mit Sicherheit kann man daher nur annehmen, der Gesetzgeber habe unter diesem Blickwinkel die Schutzwürdigkeit des Eigentümers als die Regel, die Verweigerung dieses Schutzes als die Ausnahme festgesetzt71 . Außerdem ist der Unterschied zu § 1004 ll offensichtlich, der jedoch nicht auf grundsätzlicher Verschiedenheit zwischen beiden Eigentumsansprüchen beruht. § 942 EI bestimmte nämlich: .,Der Anspruch auf Herausgabe der Sache ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer oder Inhaber auf Grund eines (dinglichen) Rechtes an der Sache oder auf Grund einer ihm gegen den Eigenthümer zustehenden Forderung berechtigt ist, die Sache zu behalten." In der 2. Kommission wurde ein Antrag gestellt, dem § 929 E I (§ 985 BGB) einen zweiten Absatz mit dem Inhalt des § 986 BGB zu·zufügen: .,Der Besitzer kann die Herausgabe verweigern, wenn er dem Eigentümer gegenüber berechtigt ist, die Sache zu besitzen." Der Antrag wurde angenommen, weil er dem § 942 ·E I entspreche, ohne daß dadurch eine sachliche Änderung gewollt war7! . So kann man sich ungezwungen über den Wortlaut des § 986 I 1 hinwegsetzen. Das wird auch heute, mindestens von den Vertretern der als herrschend zu bezeichnenden Einwendungstheorie, als richtig anerkannt7a. Der Wortlaut der §§ 985, 986 läßt sich also weder als Stütze der herrschenden noch als Argument gegen Raisers Ansicht verwenden. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß der Gesetzgeber von der unveränderlichen Natur des Eigentumsrechtes im Sinne der heute herrschenden Meinung ausgegangen ist, und sie sich demnach auf ihn wie auf eine lückenlose Rechtsprechung7' berufen kann. Jedoch hanae Ralser, Eigentumsanspruch 125. 10 So schon Siber, Passivlegitimation 257; JhJ 89, 86. 11 Raiser, Eigentumsanspruch 135. 7!

Protokolle 111 334/5; Mugdan 111 670.

n Vgl. oben § 4 Note 50. 14 Zuletzt BGHZ 34, 122 f.

II. Konkurrenz zwischen dinglichem u. persönlich. Herausgabeanspruch 89 delt es sich bei der Frage nach der Natur des Eigentums in diesem Zusammenhang um ein rechtstheoretisches Problem. Das Gesetz enthält aber keine Theorien, sondern Rechtssätze75. Und auch einer langandauernden Praxis kann die Kraft nicht zugesprochen werden zu verbieten, theoretische Erkenntnisse erneut auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Im übrigen setzt die Rechtsentwicklung nicht erst mit Schaffung des BGB ein. Ein Blick auf das klassische römische Recht zeigt, daß dort die Vindikation gegen die bloßen "detentores" dann nicht zugelassen war, wenn der Beklagte die Sache für den Kläger innehatte (z. B. als Mieter, Verwahrer, usw.)1•. Auch die Berufung auf die geschichtliche Entwicklung bleibt daher als Argument für die herrschende Meinung und gegen Raiser zweifelhaft. Was nun das Wesen des Eigentums anlangt, besteht Einigkeit darüber, daß es das umfassendste Recht an einer Sache darstellt77. Damit ist zwar noch nicht viel gewonnen. Denn § 903 gibt keine Definition des Eigentums ab, sondern zeigt nur seine wesentlichen Züge auf78. Es bleibt die Frage offen, ob das Recht "an sich" unbeschränkbar ist und dem Eigentümer lediglich im Interesse des menschlichen Zusammenlebens die schrankenlose Ausübung seines Rechtes untersagt wird, oder ob dem Berechtigten kraft der Natur des Eigentums von vornherein nur ein gewisser Ausschnitt aus allen denkbaren Beherrschungs- und Verwertungsmöglichkeiten einer Sache zusteht71 • Die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da mit Recht darüber kein Streit herrscht, daß innerhalb jener angeordneten oder angeborenen Schranken das Eigentum die größtmögliche Rechtsstellung gewährt, die das BGB in Bezug auf eine Sache kennt8°. Zu seinem Inhalt gehört zweierlei81 • Der Eigentümer darf im Rahmen seines Rechtes mit der Sache nach Belieben verfahren (BeherrRaiser, Eigentumsanspruch 135. D. 6. 1. 9., dazu Kunkel, § 78 3a Text und Note 7; Kaser, § 103 I 1; Sohm-Mitteis, §54 Seite 311 ff. und vor allem Siber, Passivlegitimation 44 f. und passim. 11 Zum Eigentumsbegriff vgl. Kruse, I 7 f., bes. 8; Darmstädter AcP 151, 359; Wolff-Raiser, §51 I; Westennann, § 28 I; Staudinger-Seufert, Vbm vor § 903; Palandt-Hoche, Ubl. vor § 903; Larenz, Methodenlehre 139 f. 78 So schon die Motive III 262; Mugdan, III 145. Das ist allerdings nicht immer anerkannt worden. Es wurde § 903 als Legal111 11

definition bezeichnet und daraus ein allumfassendes Recht des EigentümerS hergeleitet, vgl. Windscheid-Kipp, 9. Aufl., S. 857; Crome, § 388 Anm 2. Vorher vor allem Savigny, I 301, 367. Dagegen haben eine neue Begriffsbestimmung des Eigentums besonders gefordert: Jhering, Zweck I 510 f.; 0. v. Gierke, Entwurf 323 f., Soziale Aufgabe 16f. 11 Dazu Rudolph, 1 f. 80 Allg. Meinung. Vgl. für alle Staudinger-Seufert, Vbm 1 vor § 903; Raiser, Eigentumsanspruch 137. 81 v. Tuhr, § 6 Seite 133 f.; Staudinger-Seujert, § 903 Anm 10-16.

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§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

schungsmacht) und er kann insoweit jeden anderen von der Einwirkung auf seine Sache ausschließen (Ausschließungsmacht)8 z. Die Art und die Intensität der Herrschaft über die Sache ist jedem selbst und seiner eigenen Kraft überlassens'. Dagegen sind die sogenannten "sachenrechtlichen Verwirklichungsansprüche" (§§ 985, 1004, 1005) die Hilfsmittel, durch die die Rechtsordnung die Ausschließungsmacht des Eigentümers gewährleistet84 • Sie dienen der Sicherung der von ihr gewünschten Sachherrschaft und bilden insoweit nur die sekundären Erscheinungen85. Daraus folgt, daß sie auch nur dann eine Existenz.. berechtigung haben, wenn in die zu schützende Sachherrschaft eingegriffen wird und ein Zustand besteht, der dem Eigentumsrecht zuwiderläuft88. Der eigentliche Unterschied zwischen der Ansicht Raisers und der herrschenden M"einung scheint daher primär gar nicht darin zu liegen, daß jener von einem anderen Eigentumsbegriff als sie. ausgeht. Sondern die Differenz besteht in der Beurteilung, wann ein derartiger das Eigentum verletzender Eingriff oder Zustand gegeben ist. Freilich geht das aus Raisers Ausführungen mit Klarheit nicht hervor. Denn der Hinweis auf die Kraft schuldrechtlicher Vereinbarungen allein, die die Stellung des Eigentümers "beschränken", zeigt zwar die Richtung an, kann jedoch als Erklärung nicht voll befriedigen. 2. Es kommt also darauf an festzustellen, wann die Sachherrschaft des Eigentümers verletzt ist und deshalb der Schutz des Eigentumsanspruchs einsetzen muß. Die Vertreter der herrschenden Meinung sind der Ansicht, jede Trennung von Eigentum und Besitz stelle eine derartige Verletzung dar. Denn die volle Ausübung seiner Herrschaftsmacht sei dem Eigentümer nur dann möglich, wenn er gleichzeitig Besitzer sei. Jede Trennung enthalte eine Schmälerung und damit eine Verletzung seines Rechtes. Nicht entscheidend ist für die Existenz der Herausgabeanspruch nach dieser Ansicht, auf welchen Gründen a Thon, Rechtsnonn 161 Text und Note 27, sowie 288 t. spricht vom "Genuß" der Sache. u v. Tuhr, § 6 Seite 134. sc Baur, AcP 160, 165, der auch die Systematik der Verwirklichungsansprüche aufzeigt; Stotl, AcP 162, 203, 220. 88 h. M. vgl. Stauclinger-Seufert, § 903 Anm 1. 81 Das ist der Kern des Eigentumsschutzes. Es spielt keine Rolle, welches gesetzgeberischen Mittels man sich zu seiner Durchsetzung bedient. Auch eine Rechtsordnung, die keine besenderen sachenrechtliehen Ansprüche kennt, sondern z. B. das Eigentum durch ein System von Deliktsklagen schützt, muß von dieser Grundvorstellung ausgehen. Das übersieht Peters (AcP 153, 454 t., 461), wenn er ausführt, daß sich "alle die im Kreise drehen, die glauben, die Ansprüche würden vom Recht und nicht das Recht durch die Ansprüche bestimmt".

li.

Konkurrenz zwischen dinglichem u. persönlich. Herausgabeanspruch 91

die Zweiung von Herrschaftsrecht und Sachherrschaft beruht, weil der Besitz der Sache mit dem Eigentum untrennbar verbunden ist87• Unerheblich sei auch die Art der Verletzung. Ihr Umfang ist größer, wenn der Eigentümer den Besitz völlig verloren hat (z. B. infolge Diebstahls), er ist geringer, wenn er auf den mittelbaren Besitz beschränkt ist (z. B. der Vermieter). Die Tatsache allein, daß ihm nicht mehr die größtmögliche Herrschaft zusteht, bilde eine Verletzung seines Rechtes und bringe daher den Eigentumsherausgabeanspruch hervor. Dagegen hält Raiser eine Verletzung des Eigentums nur dann für gegeben, wenn der Besitzübergang vom Eigentümer auf den unmittelbaren Besitzer nicht in Ausführung eines gültigen Schuldverhältnisses erfolgt ist. Die herrschende Meinung bereitet keine Schwierigkeiten, solange man sich "echte" Verletzungstatbestände vor Augen hält. Der Dieb oder derjenige, der sich die Sache durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung verschafft hat, hat ohne Zweifel auch das Eigentum verletzt. Das gleiche gilt, wenn die Abrede rechtlich unwirksam geblieben ist, auf Grund derer der Eigentümer die Sache zu Fremdbesitz übertragen hat (z. B. bei nichtigem Mietvertrag). Bei unbefangener Betrachtung muß es aber zweifelhaft erscheinen, ob auch dann eine Verletzung des Eigentums vorliegen kann, wenn der Eigentümer als der Berechtigte selbst, den Besitz der Sache auf einen anderen in Ausführung einer dahingehenden gültigen Vereinbarung überträgt. Abgesehen davon, daß in dieser Vereinbarung (dem Schuldverhältnis) eine Einwilligung in die etwaige Eigentumsverletzung liegen kann, ist nicht recht einzusehen, warum die innerhalb der bestehenden Herrschaftsmacht vorgenommene Besitzübertragung eine Verletzung des Eigentumsrechtes darstellen soll. Den Wert der Sache durch Vermietung, Verpachtung etc. für sich nutzbar machen zu können, ist ja gerade ein wesentlicher Teilinhalt des Eigentums88• Außerdem ist man zu der Vorstellung gezwungen, daß der Eigentümer, der die Sache zur Miete, Verwahrung oder zu einem ähnlichen Zweck weggibt, zwar mit der Sachübergabe seiner Verpflichtung als Schuldner nachkommt, mit derselben Handlung jedoch in seiner Stellung als Eigentümer verletzt wird! Betont man den Verletzungstatbestand weniger, so kann man zwar darauf verweisen, daß der Herausgabeanspruch sozusagen das Band darstelle, mit dem die ständige Beziehung des Eigentümers zu seiner Sache verdeutlicht wird. Sein Recht auf unmittelbaren Besitz wird mit ihm gewissermaßen gewährleistet. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß mit der Besitzüberlassung auf Grund eines Schuldverhältnisses 87 88

Vgl. z. B. Ebbecke, LZ 1917, 833, 835 v. Tuhr, § 6 Seite 134 unten.

Note 1 und 836.

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§

4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

dem Eigentümer nichts von seinem Schutz verloren geht, wenn man ihm gegen den Schuldner nur den obligatorischen, nicht aber auch den dinglichen Herausgabeanspruch zubilligt. Jener geht ja sogar auf "Verschaffung" der Sache, nicht nur auf "Auskehrung" und verstärkt somit das Recht des Eigentümers. Freilich steht ihm nach herrschender Meinung sowohl der eine wie der andere zu. Er kann sich also je nach Beweislage auf sein Eigentum oder auf den Vertrag berufen. Aber diese rein prozessuale Möglichkeit steht ihm auch nach RaiseTs Ansicht offen: Wendet der Beklagte gegen den Vindikationsanspruch den abgeschlossenen Vertrag ein, kann die Klage zwar nicht mehr auf das Eigentum gestützt werden, aber der Kläger ist des Nachweises des Vertragsabschlusses praktisch enthoben, ohne daß ihm durch die Änderung der Klagebegründung prozessuale oder materiellrechtliche Nachteile entstehen. Die Tatsache, daß RaiseTs Lehre auch in diesem Punkt gegenüber der herrschenden keine Nachteile aufweist, spricht nun freilich weder für die eine, noch gegen die andere. Vielmehr bleibt die Konstruktion der herrschenden Meinung unklar und auch die Begründung Raisers überzeugt nicht. 3. Es ist daher erforderlich, die Voraussetzungen beider Ansichten näher zu untersuchen. Dabei kann an die der herrschenden Meinung zugrundeliegende Vorstellung angeknüpft werden, der Herausgabeanspruch verdeutliche das Recht des Eigentümers auf unmittelbaren Besitz.

B. Das Verhältnis des EigentilmeTs zu seiner Sache 1. Das Verhältnis der Person zu ihrer Sache wird nach nahezu unbestrittener Auffassung nicht nur als ein natürliches, der "Empirie" 89 zugeordnetes, angesehen, sondern als ein sogenanntes "Rechtsverhältnis"•o. Darunter versteht man ein rechtlich bedeutsames und deshalb vom objektiven Recht bestimmtes Lebensverhältnis, das in einer rechtswirksamen Beziehung einer Person zu anderen Personen oder zu Gegenständen (Sachen und Rechten) besteht11 • Zwar kann jeder Mensch zu jedem anderen und auch zu jeder Sache in einer rechtlich qualifizierbaren Beziehung gesehen werden, aber nicht in jedem Falle handelt es sich um ein Rechtsverhältnis. Dieser Begriff wird in einer

ee So schon Rümetin, 343 in Ablehnung der h. M.

eo Ebbecke, LZ 1917, 833 setzt Rechts- und Verpflichtungsverhältnis gleich.

tl h. M., Enneccerus-Nipperdey, § 71 I; Lehmann, § 10 II 1 und 2 mit besonderem Hinweis auf das Eigentum; BGHZ 22, 46. Zum Wesen des objektiven Rechts vgl. Okko Müller, 26 U., insbes. 29 ff.

II. Konkurrenz zwischen dinglichem u. persönlich. Herausgabeanspruch 93 engeren Bedeutung verwandt. Es liegt nur dann vor, wenn diese Beziehungen über nur tatsächliche hinausgehen und deshalb aus ihnen rechtliche Konsequenzen abzuleiten sind. Bei schuldrechtlichen, familien- und erbrechtliehen Rechtsstellungen zum Beispiel handelt es sich regelmäßig um rechtlich bedeutsame Beziehungen zwischen Rechtssubjekten, die mit besonderen Rechtswirkungen ausgestattet sind. Daher liegen hier jeweils sog. Rechtsverhältnisse vor. Das gleiche soll jedoch auch für das Verhältnis zwischen Person und Sache zutreffen, an der ihr ein dingliches Recht zusteht. Ist zum Beispiel der Vermieter zugleich Eigentümer des Mietobjektes, so steht er nach dieser Auffassung in einem doppelten Rechtsverhältnis: Einmal in einem schuldrechtlichen als Vermieter zu seinem Mieter, zum anderen aber auch in einem dinglichen, nämlich als Eigentümer zu seiner Sache. Das erste Rechtsverhältnis ist durch das zwischen beiden Vertragspartnern bestehende Schuldverhältnis geprägt. Dieses gewährt dem Vermieter Rechte und belastet ihn mit Pflichten. Das zweite Rechtsverhältnis hat mit dem ersten nichts gemein. Es umfaßt den Inhalt des Eigentumsrechtes und wird durch die aus ihm erwachsenden Rechte und Verpflichtungen bestimmt. Beide Konstruktionen stehen also nebeneinander wie etwa zwei Verträge, die eine Person mit je einem anderen Vertragspartner geschlossen hat. Nunmehr bereitet es allerdings keine großen Schwierigkeiten anzunehmen, ein und dieselbe Handlung, nämlich die übergabe der Sache, entspreche dem Inhalt des einen Rechtsverhältnisses, verletze aber das andere. Wer seinem Freunde und einem Unbekannten zum Beispiel die übereignung desselben Schmuckstückes versprochen hat, erfüllt, wenn er es dem Unbekannten herausgibt, seine Verpflichtung ihm gegenüber. Gleichzeitig macht er sich aber die Erfüllung der dem Freunde geschuldeten Leistung unmöglich und verletzt damit den mit ihm bestehenden Vertrag. In ähnlicher Weise kann die Herausgabe einer Sache zwar dem einen Rechtsverhältnis gemäß sein, dem zwischen Eigentümer und Sache jedoch zuwiderlaufen, wodurch der dingliche Herausgabeanspruch zur Entstehung gelangt. 2. Ist diese Konstruktion auch in sich folgerichtig, so unterliegt sie doch erheblichen Bedenken. Zum ersten mutet es sonderbar an, die Beziehung einer Person zu einer Sache der zwischen Personen gleichzuachten. Man könnte sich dabei noch beruhigen, wenn es sich lediglich um eine Frage der begrifflichen Einordnung handeln würde91• Gerade das ist aber nicht der Fall. Denn beide sollen Rechtsverhältnisse sein und daher die gleichen Wirkungen äußern. Der Eigentümer ist •• Peters, AcP 153, 454 f!.., 458.

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§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

zwar "Träger"93 des einen wie des anderen, sie unterliegen jeweils aber ihren eigenen Gesetzen. Weiterhin ist zu beachten, daß ein Recht immer eine Abgrenzung der Befugnisse anderer enthält94• Ein "Recht an einer Sache" kann nur bedeuten, daß die tatsächliche Beherrschungsmöglichkeit aller anderen zugunsten eines Berechtigten rechtlich in gewissem Umfang eingeschränkt oder ausgeschlossen wird96• Denn im Zweifel kann jeder jeden Gegenstand für sich nutzbar machen und ihn beherrschen, soweit er damit nicht in die Rechte anderer oder der Allgemeinheit eingreift98• Ein Recht an der Sache ist damit nicht mehr und nicht weniger als die rechtliche Verwirklichung der Beherrschungsmöglichkeit eines Rechtssubjektes im gewünschten Umfang und unter Ausschluß aller anderen. Insoweit handelt es sich um eine Regelung der Beziehungen von Rechtssubjekten zueinander. Für die Annahme eines rechtlichen Verhältnisses des Berechtigten zur Sache besteht gar keine Veranlassung. Dieses Verhältnis wird allein von den tatsächlichen Möglichkeiten bestimmt, die der Berechtigte hat, um sich die Sache nutzbar zu machen. Daß ihm eine Einwirkungsweise nur in gewissen Grenzen (z. B. bei beschränkt dinglichen Rechten) gestattet ist, ist nicht eine Folge seines Verhältnisses zur Sache, sondern des zu einem oder allen anderen. Die von der Rechtsordnung gesicherte Freiheit, mit der eigenen Sache anders verfahren zu dürfen als mit der fremden, beruht nicht auf einer veränderten Rechtsstellung zum toten Gegenstand, sondern darauf, daß Handlungen, die sonst ·in fremde Rechtskreise eingreifen würden, dies bei der eigenen Sache nicht tun. Es handelt sich also wieder um das Verhältnis zu anderen Rechtssubjekten. Dagegen wird vorgebracht97, die Rechtsordnung enthalte nicht nur Befehle, sondern auch Erlaubnissätze, die dem Berechtigten die Herrschaft über irgendein Lebensgut einräumen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Behauptung im vollen Umfang zutrifft98• Jedenfalls rechtfertigt auch sie nicht, ihre Richtigkeit unterstellt, ein Rechtsverhältnis zwischen Person und Sache anzuerkennen. Denn es ist nichts 93 Gegen die geläufige Bezeichnung einer Person als "Träger" von Rechten und Pflichten wendet sich mit Recht Larenz, Methodenlehre 363. 14 Staudinger-Seufert, Einl. 2 b zum Sachenrecht. 81 Denn tatsächlich beherrscht ja der Nichtberechtigte häufig die Sache mindestens ebensogut wie der Berechtigte, vgl. das Beispiel von Herr und Knecht bei Rümelin, 343. •• Im Grunde ist daher § 903 auch recht überflüssig, vgl. StaudingerSeufert, § 903 Anm 1. t7 Auf diese Frage braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Vgl. dazu Lehmann, § 10 II 1 (12. Aufl. 1960 Seiten 69/70); Larenz, Methodenlehre 152 f. es Ablehnend Engisch, 19 f.

II. Konkurrenz zwischen dinglichem u. persönlich. Herausgabeanspruch 95 darüber ausgesagt, auf welche Weise die Rechtsordnung die von ihr eingeräumten Befugnisse garantiert. Dies muß nicht dadurch geschehen, daß sie Rechtsbeziehungen zwischen Rechtssubjekt und -objekt schafft und deren Verletzung ahndet. Diese Konstruktion erscheint vielmehr äußerst gezwungen. Näher liegt, den Schutz zu bewirken, indem man ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten in Bezug auf die Sache dadurch billigt, daß man das gleiche Verhalten aller anderen mißbilligt und deshalb dem Berechtigten Schutzansprüche gibt. Durch den Eingriff in seine Rechtsmacht wird also nicht eine Rechtsbeziehung zwischen ihm und der beherrschten Sache gestört, sondern es wird sein Recht auf ungestörten Genuß dieser Sache verletzt. Auch die herrschende Meinung muß zugeben, daß das angebliche Rechtsverhältnis zwischen Person und Sache eine eigenartige Prägung aufweist. Zwar sei die Sache an ihm "beteiligt", aber sie sei kein Rechtssubjekt99• Man will also eine Form der Beteiligung annehmen, bei der nur ein Teil ein Rechtssubjekt, der andere aber ein ungleichwertiges Etwas, nämlich das von diesem Subjekt beherrschte Objekt, ist. Das kann aber nicht richtig sein. Denn ein Verhältnis setzt zwei oder mehrere Subjekte voraus und bezeichnet ihre Beziehung zueinander. Freilich können auch Sachen zueinander in Beziehung stehen, zum Beispiel in einer örtlichen, biologischen100, ebenso ein Mensch zu einer Sache. Entscheidend ist aber, daß ein Rechtsverhältnis die rechtliche Beziehung der Subjekte zueinander bezeichnet. Davon kann man nur zwischen Rechtssubjekten sprechen, denen im Gegensatz zu Sachen Rechtsfähigkeit zukommt. Es brauchen sich nicht gleichgeordnete Subjekte gegenüberstehen. Jedoch wäre es verfehlt, im Eigentum in diesem Sinne ein Untergeordnetsein der Sache unter dem Eigentümer zu erblicken. Denn es kann sich immer nur um die Unterordnung unter den Willen eines übergeordneten Rechtssubjektes handeln. Das setzt einen rechtlich relevanten Willen des Untergeordneten voraus, also die Fähigkeit, sich rechtlich verpflichten oder verpflichtet werden zu können. Sie hat "nur der Rechtsfähige, nicht die Sache. Es gibt lediglich rechtlich bedeutsame Tatsachen101 , an deren Vorhandensein für den einen Rechte, für den anderen Pflichten geknüpft sind. Diese Beziehung stellt jedoch kein Rechtsverhältnis dar. Dagegen spricht auch nicht, daß beschränkt dingliche Rechte an herrenlosen Sachen denkbar sind102• Denn das Recht des dinglich Berechtigten, allen gegenüber die Sache in gewisser Weise nutzen oder Westermann, § 1 II. Neussel, 27. 101 Vgl. Engisch, 19. Auch der Wohnsitz gehört hierher, a. A. die h. M. 1o2 Westermann, § 1 II 3 b; Wolff-Raiser, § 2 Note 1.

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§ 4. Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

verwerten zu dürfen, wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß einer von ihnen, der Eigentümer, seine Rechtsstellung zu allen anderen verändert, indem er das Eigentum aufgibt. Auch besteht nach der hier vertretenen Auffassung kein Grund, an der Existenz eines dinglichen Rechtes zu zweifeln103• Sie kehrt sein Wesen als ein allen anderen gegenüber wirkendes Herrschaftsrecht im Gegenteil besonders hervor. Auch der dingliche Anspruch hat seine Bedeutung104• Er erwächst aus der Verletzung des dinglichen Rechtes und ist durch dessen Eigenart gekennzeichnet. 3. Auf Grund dieser Überlegungen kann die herrschende Meinung nicht geteilt werden, daß ein Rechtsverhältnis auch zwischen einer Person und einer Sache angenommen werden kann. Es ist vielmehr immer nur zwischen Rechtssubjekten denkbar10&. C. Die eigene Ansicht 1. Damit ist auch die Konstruktion unhaltbar geworden, daß die geschuldete Herausgabe der Sache ein Verhältnis zwischen Eigentümer und der Sache verletzt und deshalb der dingliche Herausgabeanspruch entstehen müsse. In dieser Handlung kann keine Eigentumsverletzung gesehen werden. Es fehlt demzufolge ein Grund, der· das Entstehen der Vindikation rechtfertigt. Sie richtet sich gegen den Besitzer, dem der Eigentümer auf Grund eines Schuldverhältnisses den Besitz überlassen hat, überhaupt nicht108•

2. Die schuldrechtliche Vereinbarung, eine Sache zur Miete, Leihe, Verwahrung u. ä. zu geben, betrifft den Verpflichteten als Rechtssubjekt. Er ist mit seiner ganzen rechtlichen Existenz betroffen und kann nicht einen Teilbereich seiner selbst ausklammern. Wenn der Vermieter Eigentümer der Sache ist, ist er, das Rechtssubjekt als toa .R4iser, JZ 1963, 422 f., 423. a. A. Peters, AcP 153, 454 f., 456. 105 So schon Savign11, I §52 S. 333; Rümelin, 343; Stammler, Wirtschaft 244 Note 150, Theorie 207; neuerdings wieder Neusset, ~8 ff. Im gleichen Sinn Okko MüUer, 32. toa Daß § 985 lediglich vom "Eigentümer" spricht, steht der hier vertretenen Auffassung natürlich nicht entgegen: Die Meinung, es sei in § 985 104

,.der" Eigentümer schlechthin zitiert, stellt ja bereits eine Auslegung, und zwar vom Standpunkt der hier abgelehnten h. M. aus, dar. So auch klar Münich, 61. Münich (55 f!.), meint allerdings, insoweit ganz im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung, das richtige Ergebnis, daß nämlich neben dem schuldrechtlichen kein dinglicher Herausgabeanspruch besteht, aus folgender Überlegung gewinnen zu können: § 986 könne als ein Gesetz im Sinne des Art. 14 I 2 GG und damit als Interpretation der dem Eigentum immanenten Grundrechtsschranken angesehen werden.

II. Konkurrenz zwischen dinglichem u. persönlich. Herausgabeanspruch 97

ganzes, zur Überlassung der Sache an den Mieter verpflichtet, nicht nur er als Vermieter im Gegensatz zu ihm als Eigentümer! Eine Aufspaltung des Rechtssubjektes in verschiedene Verpflichtungsbereiche ist dem Recht fremd. Wie oben (S. 36) dargetan, gehört es gerade zum Wesen der schuldrechtlichen Verpflichtung, daß sie auf die sonstigen Umstände keine Rücksicht nimmt, sondern bis zum Eintritt der schuldrechtlichen Unmöglichkeit Erfüllung fordert. Insoweit ist also Raiser einzuräumen, daß das Schuldverhältnis die Person erfaßt, unabhängig davon, ob sie auch Eigentümer ist. Dieses Schuldverhältnis endigt auch nicht in dem Augenblick, in dem die vereinbarte Besitzzeit abgelaufen · ist. Es bestimmt die gegenseitigen Rechte und Pflichten für das Abwicklungsstadium wie für die Zeit zuvor. Es bindet demnach auch den Eigentümer bezüglich des Herausgabeanspruchs. Der sogenannte "nicht-mehr-berechtigte Besitzer" ist also nur deshalb, nicht aber kraft des Eigentums, zur Rückgabe verpflichtet. Das folgt nicht nur aus dem Wesen des Schuldverhältnisses, sondern entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen. Anders läßt sich z. B. § 1055 nicht erklären. Die Bestimmung verpflichtet den Nießbraucher, die Sache nach Beendigung des Nießbrauches dem Eigentümer (= Nießbrauchbesteller) zurückzugeben. Sie regelt damit wie zum Beispiel die §§ 346 ff., 527, 528, 531, 556 f., 591 f., 604, 667, 681, 695, 732, 738, 965 f., 1223 die Rückabwicklung eines Schuldverhältnisses und wäre überflüssig, könnte der Eigentümer die Sache nach Beendigung der vereinbarten Besitzzeit kraft seines Eigentums zurückverlangen. Sie ist jedoch notwendig, weil er es auf Grund des zwischen ihm und Nießbraucher bestehenden Schuldverhältnisses nicht kann. Er bedarf deshalb zur Rückabwicklung eines schuldrechtlichen Herausgabeanspruches: § 1055. Diese Notwendigkeit besteht auch für Vermieter, Verpächter, Entleiher etc., wenn sie Eigentümer der weggegebenen Sache sind. Nur geht sie anders als bei § 1055 nicht direkt aus dem Wortlaut des Gesetzes hervor, weil bei ihnen nicht davon ausgegangen werden kann, daß Gläubiger und Eigentümer regelmäßig zusammenfallen. 3. Als Ergebnis ist festzuhalten: 1. Der Eigentumsanspruch entsteht nicht, wenn der Eigentümer seine

Sache in Ausführung eines gültigen Schuldverhältnisses dem Besitzer überlassen hat. 2. Er entsteht auch nicht, wenn die durch das Schuldverhältnis bestimmte Besitzzeit abgelaufen ist. 3. Der Eigentümer kann daher von dem "nicht-mehr-berechtigten Besitzer" nur nach Maßgabe des Schuldverhältnisses, nicht aber kraft seines Eigentums Herausgabe verlangen.

7 Krauae

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§ 4.

Das Leistungsstörungsrecht anderer Herausgabeansprüche

Die Vindikation richtet sich also von vomherein nur gegen den Besitzer, der seinen Besitz nicht auf ein zwischen ihm und dem Eigentümer bestehendes Schuldverhältnis zurückführen kann. Das ist der Sinn der §§ 985, 986 I 1. § 986 I 2 bestätigt diese Ansicht: Rechtfertigt das zwischen Eigentümer und mittelbarem Besitzer bestehende Schuldverhältnis nur den Besitz des mittelbaren, nicht aber den des unmittelbaren Besitzers, so wäre gegen ihn die Vindikation nach §§ 985, 986 I 1 gerichtet. Andererseits wäre der Eigentümer verpflichtet, dem mittelbaren Besitzer sofort die Sache wieder zu überlassen. Im Ergebnis hat er also nur das Recht, die Herausgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer zu verlangen. Daher ist nach§ 986 I 2 sein Eigentumsanspruch darauf beschränkt.

DI. Die Konkurrenz der Leistungsstörungsansprüche Ein Zusammentreffen des Leistungsstörungsrechts dinglicher mit dem persönlicher Herausgabeansprüche ist damit nicht möglich. Denn die §§ 989 ff. setzen eine Vindikationslage im Zeitpunkt des haftungsauslösenden Ereignisses voraus. Daran fehlt es aber immer, wenn der Eigentümer gegen den Besitzer einen persönlichen Herausgabeanspruch hat. Im Ergebnis ist also Raiser zuzustimmen und die h. M . abzulehnen107.

IV. Zusammenfassung Die Schwierigkeiten, die sich aus dem Nebeneinander beider Leistungsstörungsrechte ergeben, wenn man der h. M. folgt, gibt es nach der hier vertretenen Ansicht nicht: 1. Hat der Eigentümer E auf Grund eines gültigen Schuldverhältnisses einem anderen (M) den Besitz überlassen, kann er von ihm nicht vindizieren. M haftet ihm auch nicht nach den §§ 989 ff. 10&. 2. Das gleiche gilt, wenn M die Sache an einen Dritten (U) weitergibt und dazu auf Grund seiner Abreden mit E diesem gegenüber befugt ist. E kann weder von M, noch von U vindizieren. Beide haften ihm auch nicht nach §§ 989 ff.108. 3. Hat jedoch M die Sache an U überlassen, ohne dazu dem E gegenüber berechtigt zu sein, oder wurde M die Sache gegen seinen Willen 107 Vgl. oben § 4 I B 1, Seiten 76 f.; and. ausdrücklich BGHZ 34, 122 f. 108 BGHZ 27, 317, 320; RG JW 33, 2644; unrichtig OLG München NJW 58, 424, 425 rechte Spalte. 1o1 BGHZ 27, 317, 321; BGH MDR 56, 598 m. A Reinicke.

IV. Zusammenfassung

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von U weggenommen, so kann E von U gemäß §§ 985, 986 I 2 Herausgabe nur an M verlangen11o. Weil eine Verpflichtung des U nach §§ 985, 986 besteht, haftet er dem E auch nach §§ 989 ff. 4. Besitzt der unmittelbare Besitzer U die Sache, ohne daß zwischen ihm und E ein Schuldverhältnis besteht, das seinen Besitz rechtfertigt, auch nicht ein solches zwischen E und M, auf das dieser seinen Besitz stützen kann, so ist U dem E nach §§ 985, 986 I 1 herausgabepftichtig und nach §§ 989 ff. für die Leistungsstörung haftbar111 • 5. In diesem Falle (4.) spielt es auch keine Rolle, ob zwischen U und M ein Schuldverhältnis vorliegt, demzufolge U dem M gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Nach Beendigung der Mietzeit kann also der Eigentümer auf Grund seines dinglichen Rechtes weder vom Mieter noch vom Untervermieter Herausgabe verlangen, wenn er die Untervermietung gestattet hatte. Daher haftet auch weder der eine noch der andere für Schäden an der Mietsache nach§§ 989 ff. 112• Dagegen stehen dem Eigentümer, wenn er Vermieter ist, sowohl gegen den Mieter wie gegen den Untermieter Herausgabeansprüche nach Mietrecht zu (§§ 556 I und 556 II). Für Schäden muß der Mieter nach den Vorschriften über die positive Forderungsverletzung einstehen mit den für das Mietverhältnis geltenden Sondervorschriften (z. B. § 557). Dabei ist es wegen der positiven Regelung des Gesetzgebers in § 549 II einerlei, ob die zu ersetzenden Schäden von ihm oder dem Untermieter verursacht wurden. Welchen Sinn sollten, von allen konstruktiven Bedenken einmal abgesehen, daneben noch die §§ 989 ff. haben? Ihre Bedeutung wird bei diesem Beispiel ganz deutlich: Erst wenn einer der Beteiligten seinen Besitz nicht auf einen gültigen Mietvertrag zurückführen kann, richtet sich seine Haftung nach der "Notordnung" der §§ 989 ff.ua.

uo So auch RGZ 142, 417, 422.

BGHZ 12, 380, 394; unklar BGH NJW 55, 340 f . BGH MDR 56, 598 f. m. A. Reinicke; unklar BGH LM Nr. 3 zu § 994. ua Ebensowenig bietet das Problem Schwierigkeiten, welche Ansprüche dem Werkunternehmer gegen den Eigentümer zustehen, der die Sache vom Vorbehaltskäufer oder Mieter zur Ausbesserung erhalten hat. Die Lösung ist dem oben Seiten 98 f. angegebenen Schema zu entnehmen. Sie deckt sich weithin mit der Ansicht Raisers, oben Seiten 76 f . 111

111

7•

Drittes Kapitel

Das Verhältnis der §§ 989 ff. zum Deliktsrecht Der eingangs dargelegten Methode folgend 1 werden nun die §§ 989 ff. auf ihr Verhältnis zum Deliktsrecht hin untersucht. Bereits oben in § 3 ist von einem Zusammentreffen der §§ 989 ff. mit deliktischen Bestimmungen die Rede gewesen. Dort handelte es sich um die Konkurrenz des Leistungsstörungsrechtes des dinglichen mit dem des deliktischen Herausgabeanspruchs, also im wesentlichen um die Frage, wann § 848 neben §§ 989 ff. anwendbar ist. Dagegen soll in diesem Kapitel vor allem untersucht werden, ob dem Eigentümer neben einem Anspruch aus §§ 989 ff. ein solcher aus § 823 zusteht, wenn der Sachverhalt, der den Leistungsstörungsanspruch auslöst, gleichzeitig den Tatbestand eines Deliktes erfüllt. Beispiel: Haftet derjenige, der auf Grund eines nichtigen Mietvertrages mit dem Eigentümer besitzt und diesen Mangel auch erfahren hat, für die Beschädigung der "Mietsache" nur nach den §§ 990 I 2, 989 oder daneben auch nach § 823 I? Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dieser Frage um einen Teilbereich des Problems, in welchem Verhältnis generell das Deliktsrecht zu Leistungsstörungsansprüchen steht2• Damit befaßt sich die vorliegende Arbeit nicht. Ihre Aufgabe soll es nur sein, die für die §§ 989 ff. typische Problematik festzustellen. Vor allem ist zu untersuchen, ob nicht schon der Gesetzgeber durch eine positive Regelung das Problem für den Bereich des Leistungsstörungsrechtes dinglicher Herausgabeansprüche gelöst hat.

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2

Oben Seite 22. Oben Seiten 43/44.

§ 5. Die Bedeutung des § 993 Als derartige positive Bestimmung wird § 993 angesehen. Aus ihr folge, daß der Besitzer dem Eigentümer, von den Fällen des § 992 abgesehen, ausschließlich nach den §§ 989 ff. und nicht auch nach Deliktsrecht zum Schadenersatz verpflichtet sei'. I. Die Auslegung des § 993 Entscheidend kommt es auf den Wortlaut des § 993 I nach dem Strichpunkt an: "im übrigen ist er (der Besitzer) weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadenersatz verpflichtet".

A. Die Deutung der herrschenden Meinung Nach der herrschenden Meinung muß dieser Halbsatz unabhängig von den Anordnungen verstanden werden, die in § 993 I vor dem Strichpunkt getroffen werden. Dort sei nämlich dem Eigentümer ausnahmsweise zusätzlich zu den Ansprüchen aus §§ 987 ff. noch ein weiterer bezüglich der Übermaßfrüchte zugestanden, während der fragliche Halbsatz den Grundsatz enthalte. Er ist dann wie folgt zu lesen: "Im übrigen (=von den in §§ 987-992 bezeichneten Ansprüchen und der in § 993 I vor dem Strichpunkt eingeräumten Ausnahme abgesehen) ist der Besitzer weder zur Herausgabe von Nutzungen, noch zum Scha~ denersatz verpflichtet". Oder positiv ausgedrückt: Der Besitzer muß dem Eigentümer nur nach den §§ 987-992. und § 993 I die Nutzungen der Sache herausgeben und Schadenersatz leisten2• B. Die Gegenansichten

Die Gegner der herrschenden Meinung wenden sich gegen die weite Auslegung des § 993 I. Nach ihrer Ansicht kommt dieser Bestimmung t Siber, Rechtszwang 119; Passivlegitimation 229; Heck, Sachenrecht § 68, 5 a; Planck-Brodmann, Vbm 2 vor § 987; Soergel-Milht, Vbm 16 vor § 987; RGRK· Joha.nnsen, § 987 Anm 1,; Palandt-Hoche, Vbm 2 vor§ 987, und die h. M. RGZ 163, 352; BGH NJW 52, 257. And.Erman-Hefermehl, Vbm 13b vor §§987-993; Schlegelberger-Spreckelsen, Vbm 14 vor § 987; Staudinger-Berg, § 992 Anm 2; je m. w. N. t So die h. M., vgl. Note 1.

102

§ 5. Die Bedeutung des f 993

ein viel engeres Wirkungsfeld zu. Es werden zwei Auffassungen vertreten. 1. Nach der einen Lesart knüpft § 993 I an den im Vordersatz umrissenen Tatbestand {"Liegen die in §§ 987-992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vor") zwei voneinander unabhängige Rechtsfolgen: erstens Ubermaßfrüchte, zweitens Nutzungen und Schadenersatz betreffend (§ 993 I vor bzw. nach dem Strichpunkt). § 993 I regelt nach dieser Auffassung aber in jedem Falle nur den Lebenssachverhalt, der nicht durch die §§ 987 ff. erlaßt ist. Er sagt also über die Frage gar nichts aus, ob neben den Leistungsstörungsansprüchen der §§ !189 ff. auch eine Deliktshaftung möglich ist. Denn in diesen Fällen sind die Voraussetzungen der §§ 987-992 gerade nicht "nicht gegeben" 3•

2. Nach der anderen Lesart ist dem § 993 I nur eine Anordnung bezüglich der Leistungsstörungsansprüche der Vindikation zu entnehmen•. Diese Meinung geht davon aus, daß die §§ 985 ff. Inhalt und Gegenstand des dinglichen Klageanspruchs gewissermaßen abstrakt, d. h. herausgelöst aus dem möglichen Zusammenhang mit gleichzeitig bestehenden schuldrechtlichen Bindungen, regeln. Das gilt auch für § 993. Er sei deswegen nach dem Strichpunkt sinngemäß etwa zu lesen: "Im übrigen ist der Besitzer nach Vindikationsrecht weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadenersatz verpflichtet11. "

C. Stellungnahme Die letzte Ansicht ist am unwahrscheinlichsten. Sie findet in den Materialien keine Stütze und nimmt dem § 993 jegliche Bedeutung. Denn sie unterstellt dem Gesetzgeber, nach der eingehenden Regelung in den §§ 987 ff. gleichsam aufatmend in § 993 I den Schlußpunkt gesetzt und völlig überflüssig wiederholt zu haben: Es gibt nach Vindikationsrecht nur die soeben aufgezählten Ansprüche6 • Dagegen erscheint die Auslegung der herrschenden Meinung wie die von Lent gleichermaßen als möglich. Der Wortlaut des § 993 ist für die Entscheidung für eine von ihnen zu unklar. Auch die Materialien geben dafür nichts her. Es ist vielmehr zu vermuten, daß die widerstreitenden Ansichten innerhalb der 2. Kommission7 nicht völlig ausgeglichen werden konnten. Klarheit kann daher nur die Untersuchung des Sinns der Vorschrift bringen. a So vor allem Lent, 274; Schmidt, 177/178; Stutz, 29/30. 4 Zeifelnd schon P'Tl/m, 73. Ii Dietz, 195 f.; Staudinger-Berg § 993 Anm 2; Siebert, DGWR 1940, 211 ; Schul.ze, Gruch 64, 400 ff., Peters, AcP 153, 465. • Anschaulich Planck-Brodmann, § 993 Anm 1 b. 7 Protokolle, III 346, 347.

II. Die Funktion des § 993

108

ß. Die Funktion des § 993 A . Das Haftungsprivileg des Gutgläubigen 1. Nach unbestrittener Auffassung, die sich mit der Entstehungsgeschichte deckt, stellen die §§ 989 ff. nicht nur das Leistungsstörungsrecht des dinglichen Herausgabeanspruchs dar, sondern gewähren dem gutgläubigen Besitzer ein Haftungsprivileg, solange er nicht auf Herausgabe der Sache verklagt ist. Derjenige, der ohne grobe Fahrlässigkeit annimmt, Eigentümer der Sache geworden zu sein, soll überhaupt nicht haften. Zwar kann er nicht davor geschützt werden, die Sache dem Berechtigten herausgeben zu müssen (§§ 985, 986), aber er soll um seines unverschuldeten, mindestens jedoch entschuldbaren Irrtums willen während seiner Besitzzeit so gestellt werden, als wäre er Eigentümer ("quasi rem suam neglexit").

Die gleichen Überlegungen treffen auch auf den gutgläubigen Fremdbesitzer zu: Wer z. B. glaubt, Mieter zu sein und die Sache im Rahmen des § 548 abnutzt, verdient den gleichen Schutz wie der Eigentümer, der sie zerstört. Das Privileg läßt sich deutlich aus den §§ 989 ff. ablesen. Der Gutgläubige ist vor Rechtshängigkeit keiner Haftung nach Leistungsstörungsrecht ausgesetzt. Diesen Schutz verdient allerdings nur, wer sich die Sache nicht durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung verschafft hat (§ 992). Daher haftet auch der Gutgläubige nach §§ 275 ff., 848, wenn die verbotene Eigenmacht oder die strafbare Handlung ein Delikt darstellen (§ 992)8• 2. Dietz, der aus § 992 den Ausschluß des Deliktsrechtes folgert, ihn jedoch nur auf den Eigenbesitzer anwendet9 , kommt zu dem Ergebnis, daß das Haftungsprivileg nur für den gutgläubigen Eigenbesitzer gerechtfertigt sei. Denn im Gegensatz zu eigenen Sachen müsse ich bei fremden von vornherein darauf bedacht sein, mich im Rahmen des mir zustehenden Rechtskreises zu halten. Wenn ich weiß, daß mir nur ein beschränktes Recht (z. B. Mietrecht) zusteht, so könne von mir auch verlangt werden, mich sorgfältig zu vergewissern, wie weit es gehe und ob es überhaupt vorhanden sei1°. Daran ist richtig, daß dem Fremdbesitzer kein Schutz zustehen kann, wenn er auf die Sache in einer Weise einwirkt, die auch durch sein vermeintliches Recht nicht gedeckt wäre. Zu weit geht es aber, den Siber, Rechtszwang 117; Stutz, 29; und die h. M. Vgl. oben § 3 III A 3 insbes. Seiten 66 unten und ff. to Dietz, 211. 8

9

§ 5. Die Bedeutung des § 993

10.

Fremdbesitzer schon bei fahrlässigem Nichterkennen seines Rechtsmangels in vollem Umfang haften zu lassen. Selbst der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten ist in der Regel bei leichter Fahrlässigkeit möglich, auch soll nach Dietz sogar dem Eigenbesitzer, der zwar beim Besitzerwerb gutgläubig war, später aber infolge grober Fahrlässigkeit seinen Rechtsmangel nicht erkannt hat, das Haftungsprivileg zustehen - wie kann es dann ganz in Ordnung erscheinen11 , daß der gutgläubige Fremdbesitzer schon bei leicht fahrlässigem Verkennen seines Rechtes für jede Eigentumsverletzung haften soll? Dafür findet sich keine Rechtfertigung. Die Bevorzugung muß für den Fremd- wie für den Eigenbesitzer gelten, der sich im Rahmen seines vermeintlichen Rechts hält1•.

B. DeT Sinn des § 993 Diese Bevorzugung des Redlichen und Unverklagten ist jedoch nicht allein dadurch zu erreichen, daß er nach Leistungsstörungsrecht nicht belangt werden kann. Wenn er während seiner Besitzzeit das fremde Eigentum fahrlässig verletzt, haftet er dennoch, nämlich nach § 823. Zerstört der vermeintliche Eigentümer die Sache oder nutzt sie der vermeintliChe Mieter ab, obwohl sie beide bei gehöriger Anspannung ihres Willens den Mangel ihres Besitzrechtes hätten bemerken können, so fielen ihre Handlungen zwar nicht unter die §§ 989 ff., meist aber unter die Deliktsvorschriften. Das ihnen einzuräumende Haftungsprivileg wäre damit nicht zu erreichen. Das ist der Sinn des § 993 I nach dem Strichpunkt: Er schließt alle möglichen Schadenersatzansprüche des Eigentümers, insbesondere die deliktischen, aus: Der Gutgläubige soll vor Rechtshängigkeit, abgesehen von § 992, nicht haften. Dl. Die eigene Ansicht

Von dieser Funktion des § 993 I ausgehend erscheint die Auslegung der herrschenden Meinung in der Tat zu weit: Der Schutz des Gutgläubigen kann sich immer nur auf die Lebenssachverhalte beziehen, die von den §§ 989 ff. nicht erfaßt sind. Für ihn spielt es keine Rolle, ob der Bösgläubige oder der vom Haftungsprivileg nicht betroffene Redliche sowohl nach §§ 989 ff. und § 823 oder nur nach §§ 989 ff. haften. Daher erscheint die Auslegung Lents allein als systemgerecht und sinnvoll (oben S. 102, § 5 I B 1). u Dietz, 211. 11

Ober den sog. "E:xzeß" des Fremdbesitzers vgl. unten § 6.

IV. Ergebnis

105

Dafür spricht auch folgende Überlegung: Die Deliktshaftung belastet den Besitzer in einigen, wenn auch weniger bedeutenden Punkten mehr als die des Leistungsstörungsrechtes. Bei ihr haften mehrere Täter in Willens- oder tatsächlicher Gemeinschaft nach § 840 I als Gesamtschuldner. Die §§ 989 ff. kennen eine entsprechende Regelung nicht. Dem Eigentümer stehen nach§ 849 bezüglich der Verzinsung der Ersatzsumme größere Rechte zu als nach §§ 989 ff.: Nach § 990 II mit § 290 in entsprechender Anwendung kann er sie erst im Verzugsfalle beanspruchen. Schließlich ist eine Aufrechnung gegen eine Forderung des Eigentümers aus unerlaubter Handlung dem Besitzer nicht möglich (§ 393), wohl aber gegen einen Anspruch aus §§ 989 ff. Würde durch § 993 I die Deliktshaftung auch ausgeschlossen sein, wenn die Voraussetzungen der §§ 989 ff. vorliegen, so wäre der bösgläubige Besitzer von den schwereren Deliktsfolgen befreit. Dafür ist jedoch kein Grund ersichtlich, wenn man ihn mit einem nichtbesitzenden Deliktstäter vergleicht. Sie unterscheidet lediglich der Besitz. Auf ihn kann sich eine Bevorzugung aber nicht stützen, auch die herrschende Meinung führt kein Argument an, das seine Besserstellung erklären könnte. IV. Ergebnis

§ 993 I schließt demnach Deliktsansprüche des Eigentümers gegen den Besitzer nicht aus, wenn sie mit den §§ 989 ff. konkurrieren. Auch kann in der Tatsache des Besitzes kein Grund für einen derartigen Ausschluß gesehen werden13• Nach den §§ 989 ff., insbesondere auf Grund § 993, ist also das Deliktsrecht nur für den gutgläubigen Besitzer vor Rechtshängigkeit ausgeschlossen, soweit er sich nicht deliktisch durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung die Sache verschafft hat.

ta Schon recht nicht im unrechtmäßigen Besitz, für den die §§ 989 ff. allein gelten.

§ 6. Der Exze.& des Fremdbesitzers I. Das Problem A. Der typische Sachverhalt Schwierigkeiten bereitet die Frage, auf welche Bestimmung die Haftung des Fremdbesitzers für sogenannte "Exzeßhandlungen" gestützt werden kann1• Dabei handelt es sich um Fälle, in denen der Besitzer zwar unter das Haftungsprivileg der §§ 989 ff. fällt, seine Freistellung jedoch ungerechtfertigt wäre. Das liegt immer dann vor, wenn der Redliche vor Rechtshängigkeit in einer Weise auf die fremde Sache einwirkt, die ihm auch nicht gestattet wäre, wenn das von ihm angenommene Besitzrecht tatsächlich bestehen würde, zum Beispiel wenn der vermeintliche Mieter die Mietsache schuldhaft zerstört. Auf ihn treffen die §§ 989 bis 991 I nicht zu. Fehlt es auch an den Voraussetzungen des § 991 111 und hat er sich den Besitz nicht deliktisch durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung verschafft (§ 992), so haftet er weder nach dem Leistungsstörungsrecht des deliktischen (§§ 275 ff., 848), noch nach dem des dinglichen Herausgabeanspruchs (§§ 989 ff.). Deswegen, weil nämlich die in §§ 989 bis 992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen3, greift auch § 993 I a. E. ein. Er wäre also von jeder Verpflichtung zum Schadenersatz befreit. Ein unannehmbares Ergebnis'! 1 Unter anderem Blickwinkel wurde der Stand der Meinungen zu diesem Problem bereits oben einmal ausführlich dargestellt, vgl. dort § 3 III A Seite 65 letzter Absatz und ff. I Sie liegen z. B. beim gutgläubigen Mieter des Diebes vor. Zu § 991 II vgl. auch Bolze, AcP 74, 97 f!. a Gemeint können natürlich nur die von §§ 989-992 "positiv" bezeichneten Sachverhalte sein (and., jedoch unrichtig, Breuer, 22 f.), z. B. in §§ 989 "vom Eintritt der Rechtshängigkeit an", in § 990 I 1 "war der Besitzer nicht in gutem Glauben" usw., nicht auch ihre "negativen" Kehrseiten (;,vor Rechtshängigkeit", "in gutem Glauben"). Das zeigt schon § 993 I vor dem Strichpunkt. ' Darüber besteht kein Streit. Zu Unrecht wird überwiegend PTtlm unterstellt, er billige diese Folge. Er geht, allerdings irrig (vgl. oben § 4), davon aus, die §§ 989 ff. würden auch auf den berechtigten Besitzer Anwendung finden. Nur für diesen Sachverhalt stellt er S. 82/83 fest, man müsse sich dem "argumentum e contrario" aus § 992 (dazu ausführlich oben § 3) und dem Ausschluß gemäß § 993 I a. E. beugen. Die Freistellung des unrechtmäßigen Besitzers hält dagegen auch

I. Das Problem

107

B. Einschränkung Freilich beschränkt sich das Problem auf den Besitzer, der dem Herausgabeanspruch nach §§ 985, 986 ausgesetzt ist, also seinen Besitz nicht auf ein Schuldverhältnis mit dem Eigentümer zurückführen kann. Die Exzeßhandlung, die jener begeht- auch der Berechtigte kann über den Rahmen seines Besitzrechtes hinaus auf die Sache einwirken -, betrifft die §§ 989 ff. überhaupt nicht. Der rechtmäßige oder der "nichtmehr-berechtigte" Besitzer haftet nach Maßgabe des zwischen ihm und dem Eigentümer (oder dem unmittelbaren Besitzer) bestehenden Schuldverhältnisses für den Verstoß gegen die ihm auferlegten Verhaltenspfl.ichten. Daneben kann er auch deliktisch verantwortlich sein, die §§ 989 ff. sind jedoch ausgeschlossens. 1. Das wurde allerdings von der Rechtsprechung häufig nicht beachtet. In dem Fall, den das RG am 1. 3.1938 entschieden hat8 , verlangte der Kläger Ersatz für seine vom Beklagten veräußerten Wertpapiere. Sie hatte der Kläger einem Dritten zur Kreditsicherung übergeben und dieser sie dem Beklagten verpfändet. Die Begründung des RG läßt nun dahingestellt, ob der Dritte befugt war, die Papiere dem Beklagten zu überlassen. Es erörterte also eine Haftung nach §§ 989 ff., ohne festgestellt zu haben, ob diese überhaupt anwendbar sind.

Darüber hinaus hielten das RG und der BGH das Problem für gegeben, auch wenn feststand, daß es sich jeweils um vertraglich gebundene Besitzer handelte. Das eine Mal hatte der Mieter drei große Schaufensterscheiben aus dem Mietobjekt ausgebaut und für eigene Rechnung veräußert7 • Er haftet wegen Vertragsverletzung und deliktisch. Kann er den darauf gestützten Ansprüchen die Einrede der Verjährung entgegenhalten, so ist die Klage abzuweisen. Das RG dagegen wollte dieses Ergebnis vermeiden und suchte zu Unrecht einen Ausweg über §§ 989 ff. Sie liegen entgegen der Meinung des RG schon tatbestandlieh nicht vor. Auch in allen anderen Fällen war es regelmäßig die Tatsache, daß sonstige Ansprüche bereits verjährt waren, die die Rechtsprechung zu den §§ 989 ff. greifen ließ: Der Verwahrer hatte den Verlust oder die Beschädigung der verwahrten Sache verschuldet~, die geschuldete Rückgabe von Leergut versäumt, worauf es untergeer für unbefriedigend (S. 82 Note 2 c), ohne jedoch eine Lösung vorzuschlagen (vgl. auch oben § 3 Note 85.) 6 Zur Haftung des rechtmäßigen oder nicht-mehr-berechtigten Besitzers vgl. ausführlich oben § 4, insbesondere S. 98 f. e RGZ 157, 132 ff. 7 RGZ 106, 149 ff. 8 BGH LM Nr. 1 zu § 989 = LM Nr. 2 zu § 688.

108

§ 6. Der Exzeß des Fremdbesitzers

gangen war•, oder ein Geschäftsführer ohne Auftrag hatte eine fremde Feldbahnlokomotive an einen Gutgläubigen veräußert10• In keinem dieser Fälle liegt ein Exzeß des unrechtmäßigen Fremdbesitzers vor, allenfalls ein solcher des rechtmäßigen. Den Gerichten wären die Mühen erspart geblieben, eine Haftung nach den §§ 989 ff. zu begründen, hätten sie anerkannt, daß diese Vorschriften überhaupt nicht, also auch nicht ausnahmsweise, auf den berechtigten oder den nicht-mehr-berechtigten Besitzer anwendbar sind. 2. Der BGH meint, unrechtmäßiger Besitz sei schon dann gegeben, wenn der zunächst rechtmäßige Fremdbesitzer sich unerlaubterweise zum Eigenbesitzer "aufschwinge" und danach auf die Sache einwirke10• Die Beklagte, die Deutsche Reichs- bzw. Bundesbahn, hatte eine Feldbahnlokomotive im Interesse des Eigentümers (=des Klägers) in Besitz genommen und vom Kriegsschauplatz in Schlesien nach dem Westen in Sicherheit gebracht. Sie handelte als Geschäftsführetin ohne Auftrag, stand also zum Eigentümer in einem gesetzli~n Schuldverhältnis und besaß deshalb zu Recht. Damit kommen jedoch die §§ 989 ff. nicht zur Anwendung. Die Beziehungen zwischen ihr und dem Kläger richten sich nach den §§ 677 ff. und möglicherweise nach den §§ 823 ff. Dagegen prüft der BGH überflüssigerweise, ob die §§ 989 ff. nicht deshalb zum Zuge kämen, weil die Bahn in der Nachkriegszeit übersehen hatte, daß es sich um eine fremde Lokomotive handelte, sie vielmehr als eigene betrachtete und veräußerte. Denn die Begründung unrechtmäßigen Eigenbesitzes sei ebenfalls "Besitzerwerb" im Sinne des § 990 I 1. Folglich hänge die Entscheidung davon ab, ob die Beklagte in diesein Zeitpunkt gutgläubig war oder nicht. Dagegen wendet sich Raiser mit Recht11• Es ist nicht einzusehen, warum die Umwandlung von Fremd- in Eigenbesitz der Erwerb eines "neuen" Besitzes sein soll. Eigen- und Fremdbesitz sind ihrem Wesen nach nicht verschieden12• Das Wesen des Besitzes stellt nämlich die tatsächliche Sachherrschaft dar. Sie verändert sich durch die Umwandlung nicht13• Denkbar ist allenfalls, daß durch sie das Auftragsverhältnis und damit der rechtmäßig erlangte Besitz endigt und gleichzeitig der Besitzer eine andere Sachherrschaft, weil ohne Rechtsgrund, erwirbt. Das würde jedoch bedeuten, daß jeder vertraglich gebundene Besitzer sich durch einfache Willensänderung oder, wie die Bahn, durch • BGH LM Nr. 2 zu § 989. 1o BGHZ 31, 129 f.

u Raiser, JZ 1961, 125 f. u BGHZ 31, 133 f., zweifelnd Stutz, 43 f., Dietz, 193 f. 1a Raiser, JZ 1961, 125; vgl. auch oben S. 82 Text zu Note 41.

I. Das Problem

109

VergeBlichkeit übernommener vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen entziehen und sich den angenehmeren der §§ 989 ff. unterstellen könntea. 3. Die Meinung der Rechtsprechung ist daher abzulehnen. Richtig ist, daß die Beklagte nach Auftragsrecht haftete und nur die Frage bestand, ob daneben auch eine Haftung nach §§ 989 ff. bestehen könnte. Das ist, wie oben dargelegt15, bei berechtigtem Besitz überhaupt nicht gegeben, sondern höchstens bei nicht-mehr-berechtigtem Besitz denkbar (§ 990 I 2} 18, trifft jedoch auf ihn nicht zu, weil das Leistungsstörungsrecht des dinglichen nicht neben dem eines persönlichen Herausgabeanspruchs bestehtn.

C. Die E:rzeßfälZe Als "echte" Fälle eines Exzeß des Fremdbesitzers bleiben daher nur jene, in denen der unrechtmäßige Besitzer sein vermeintliches Besitzrecht überschreitet. Die beiden bekanntesten der Rechtsprechung betreffen eigenartigerweise jeweils die Vereitelung einer Geldscheinvindikation18. Beide Male hatte der Kläger dem Beklagten Geldscheine übergeben, im Falle des BGH zur Verwahrung, in dem des RG zur Ausführung eines Auftrages. Verwahrungs- bzw. Auftragsvertrag waren jedoch nichtig. Der Beklagte hatte denAuftrag11 auch nicht ausgeführt, sondern den erhaltenen Geldbetrag für sich verbraucht. Dem Verlangen auf Schadenersatz hielt er entgegen: Eine vertragliche Haftung komme nicht in Frage, denn der Vertrag sei nichtig. Eine ungerechtfertigte Bereicherung liege, was den Tatsachen entsprach, nicht mehr vor, ebensowenig die Voraussetzungen des § 819. Er habe auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut, als er das Geld ausgehändigt bekommen habe und könne daher als redlicher Besitzer weder nach §§ 989 ff., noch nach Deliktsrecht in Anspruch genommen werden (§ 993 I a. E.). Alle diese Einwendungen erkannte das RG als richtig an, verurteilte ihn jedoch gleichwohl. Dem Ergebnis ist mit der allgemeinen Meinung zuzustimmen, die vorgebrachten Begründungen unterliegen jedoch Bedenken. u Raiser, JZ 1961, 126. Vgl. oben § 4.

111

18 Oben S. 86. 17

Oben § 4, insbes. S. 98/99.

18 RGZ 101, 307 f., BGH JZ 1951, 716 f.

1o Es wird der Fall RGZ 101, 307 f. verfolgt, weil es sich hier um die erste Entscheidung bezüglich des Fremdbesitzerexzesses gehandelt hat.

110

§ 6. Der Exzeß des Fremdbesitzers

D. Die Lösungsvorschläge in Literatur und Rechtsprechung A . Anwendung der §§ 989 ff.?

Plath20 hält § 990 für gegeben. Nach seiner Ansicht könne man den "guten Glauben" weiter auslegen. Denn es komme nicht nur darauf an, daß der Besitzer ein Besitzrecht annehme, sondern es müsse auch beachtet werden, in welcher Art und Weise er ein Benutzungsrecht zu haben meine21 • Ähnlich hält Heck22 wenigstens denjenigen für schlechtgläubig, der sich eine andere Besitzerstellung anmaßt, als die, die ar zu haben glaubt23• Ihnen ist das billige Ergebnis zuzugeben. Allein der gute Glaube muß sich darauf beziehen, dem Eigentümer nicht nach §§ 985, 986 herausgabepftichtig zu sein. Nur das macht seine Anwendung auf Leistungsstörungsansprüche sinnvoll. Die Art der Nutzungsberechtigung betrifft er dagegen nicht24• Eine direkte Anwendung des § 990 scheidet daher aus.

Das RG hat vielmehr mit Recht erkannt, daß hier eine Lücke des Gesetzes vorliegt: Der Gesetzgeber hat die Fälle des Gutgläubigen, der des Schutzes nicht teilhaben darf, offenbar übersehen25• B . Anwendung des § 823? 1. Die Rechtsprechung meint, diese Lücke sachgerecht schließen zu können, wenn sie eine Haftung nach§ 823 annimmt. Das RG begründete dies damitu, daß der Beklagte (der vermeintliche Auftragnehmer) zwar redlich, aber nicht Eigen- sondern Fremdbesitzer gewesen sei. Als solcher hätte er sich im Rahmen seines angenommenen Besitzrechtes halten müssen. Dieser Verpflichtung habe er jedoch zuwider gehandelt, als er, im Glauben er sei Beauftragter, das Geld für sich verwendete. Daher treffe ihn das Haftungsprivileg des Gutgläubigen nicht mehr, § 993 I a. E. könne für ihn nicht gelten. Folglich komme der Tatbestand des § 823 wegen Verletzung des fremden Eigentums zum Zuge. zo Plath, 108 ff., 109. Dagegen schon Stutz, 53 Note 57. tz Heck, Sachenrecht § 69, 2. zs So auch Siber, Rechtszwang 120/121, der jedoch noch weiter geht (S.121): Folglich, so meint Siber, müßte auch beim Exzeß des rechtmäßigen 11

Fremdbesitzers die vertragliche oder sonstige Haftung in Voraussetzungen und Umfang der aus §§ 989 ff. angeglichen werden. Denn der Berechtigt~ dürfe nicht schlechter stehen als der nichtberechtigte Besitzer. (!) u Ebenso energisch PTJJm, 79; Stutz, 37 ff., 49; Dietz, 190 ff., 192; und die h.M. 1!1 V gl. dazu oben S. 66. a RGZ 101, 310 ff.

II. Die Lösungsvorschläge in Literatur und Rechtsprechung

111

Die ganz überwiegende Meinung hat sich der Ansicht der Rechtsprechung angeschlossen und hält eine Haftung aus§ 823 "freilich gegen den Gesetzestext"21 oder "als richterliche Randberichtigung des Gesetzes"28 für möglich29. 2. Diese Lösung kann aber nicht befriedigen. Sie unterliegt erheblichen systematischen Bedenken, zieht unerwünschte Folgen nach sich und verstößt zudem gegen die vom Gesetzgeber sinnvoll im § 993 I a. E. getroffene Regelung.

Das eine Schadenersatzverpflichtung für die Exzeßhandlung bestehen muß, wird nicht bestritten. Aber wer § 823 für anwendbar erklärt, setzt sich ohne weiteres darüber hinweg, daß ja eine Haftung wegen Vereitelung des Vindikationsanspruchs gefordert ist. Es muß sich also um Leistungsstörungsrecht handeln. Dies wird in unserem Rechtssystem niemals durch die "allgemeine" Deliktshaftung hergestellt. Die §§ 823 ff. haben eine ganz andere Funktion und schenken der Anspruchsverletzung keine Aufmerksamkeit. Warum sollten gerade sie nunmehr in die Bresche springen, wenn es doch offenbar an einem Leistungsstörungsanspruch mangelt! Die Anwendung der § 823 ff. sprengt geradezu das System des Leistungsstörungsrechts. Dieser Widerspruch ist nach den obigen Untersuchungen nicht zu übersehenao, aber auch die Rechtsfolgen der deliktischen Haftung zeigen deutlich die Fehler der herrschenden Meinung auf: Der Deliktstäter kommt nämlich nicht nur in einigen Punkten schlechter weg, als derjenige, der nach den §§ 989 ff. haftet31, sondern er hat ihm gegenüber auch ganz erhebliche Vorteile: Die Verjährung beträgt regelmäßig 3 Jahre (§ 852), beim Leistungsstörungsrecht dagegen 30 Jahre (§ 195); der Besitzer haftet in analoger Anwendung des § 278 für fremdes Verschulden wie für eigenes, der nach § 823 ff. Verpflichtete dagegen nach § 831 nur für seine eigene "culpa in eligendo". Schließlich muß der Eigentümer dem Delinquenten dessen Verschulden nachweisen, dagegen sprechen die §§ 985 ff. für die Entlastungspflicht des Besitzers. Warum sollte der Fremdbesitzer, in dessen Besitzzeit zum Beispiel grobfahrlässig die vermeintlich vermietete Sache zerstört wurde, all diese Vorteile gegenüber dem Bösgläubigen oder dem Verklagten Wolff-Ra.iser, § 85 III 6 a. es Heck, Sachenrecht § 69, 2. 28 Herrschende Meinung, vgl. Pa.l.a.ndt-Hoche, Vbm 2 b bb vor § 987 f. m. w. N. so auch Stutz, 50 f.; Stiel, 36; Nerreter, 22; Cyrullies, 30; allerdings wird das Problem nicht immer behandelt, vgl. H(lnncke, 40; Peter, 17 f.; !1

Meyer, 23 f.

ao Vgl. oben § 2, insbes. S. 29; oben vor § 5, S. 100. Siehe oben S. 105 oben.

31

112

f 6. Der Exzeß des Fremdbesitzers

haben? Dafür läßt sich ebensowenig eine Begründung finden, wie für seine Besserstellung31• Schließlich sollte man auch nicht ohne weiteres den § 993 I a. E. beiseite schieben. "Liegen die Voraussetzungen der §§ 987-992 nicht vor", ist doch nur eine Umschreibung dafür, daß immer nur dann auch nach anderen Bestimmungen kein Schadenersatz verlangt werden kann, wenn kein Leistungsstörungsanspruch gegeben ist33• Diese Regelung ist äußerst sinnvoll. Das lehren die soeben aufgezeigten Folgen, die die Zulassung der Deliktshaftung nach sich zieht, wenn kein Leistungsstörungsanspruch gegeben ist. 3. Diese Bedenken lassen den Versuch der herrschenden Meinung, die Gesetzeslücke durch Anwendung des § 823 zu schließen, geradezu als verfehlt erscheinen. Er ist daher abzulehnen.

C. Zusammenfassung Eine direkte Anwendung der §§ 989 ff. ist nicht möglich. Aber auch die herrschende Meinung sucht die Lösung in einer verkehrten Richtung. Man wagt nicht viel, wenn man die Notwendigkeit ihrer Revision schon jetzt vorhersagt: Sie muß spätestens dann erfolgen, wenn der Anspruch aus § 823 gegen den unrechtmäßigen Besitzer wegen seiner Exzeßhandlung verjährt ist (§ 852), es aber nicht wäre, wenn es sich um einen bösgläubigen Besitzer gehandelt hätte, der nach §§ 989 ff., 195 haften würde.

UI. Die entsprechende Anwendung der §§ 989 ff. Die Ausfüllung der Gesetzeslücke kann also nur durch eine Norm erfolgen, die wie die §§ 989 ff. Leistungsstörungsrecht darstellt. Das ist praktisch nur durch entsprechende Anwendung dieser Vorschriften möglich. Fraglich ist nur, auf welche Bestimmung die Analogie Bezug nehmen kann. A. Die entsprechende Anwendung des § 991 II? Hiness hält eine Analogie zu § 991 II als die angemessene Lösung des Problems34• Beim Exzeß des Fremdbesitzers sei die Interessenlage dieselbe wie in § 991 II. Der Eigentümer müsse wegen des Mangels eines besonderen zwischen ihm und dem unmittelbaren Besitzer beu Oben S. 105. ss Oben § 5, insbes. S. 104. u Hiness, 23.

III. Die entsprechende Anwendung der §§ 989 ff.

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stehenden Schuldverhältnisses gegen dessen Übergriffe geschützt werden, und hinsichtlich des Besitzers bestehe kein Grund, ihn anders als nach § 991 II haften zu lassen. Er sei wie dieser Besitzer und dem Eigentümer gegenüber zum Besitz nicht berechtigt. Dagegen wendet Stutz ein35, die Regelung des § 991 II beruhe auf einer besonderen Interessenabwägung. Der Grundsatz, daß der Gutgläubige vor Rechtshängigkeit nicht haften dürfe, könne nur deshalb durchbrochen werden, weil der Besitzer ohnehin nach Maßgabe des zum mittelbaren Besitzer bestehenden Vertrages zur Sorgfalt verpflichtet sei. Anders liege der Fall jedoch, wenn der unrechtmäßige Besitzer eine sog. "Exzeßhandlung" begangen habe. Richtig daran ist, daß der Unterschied in der vertraglichen Bindung besteht, der der Besitzer nach § 991 II, nicht aber der nur vermeintlich rechtmäßige, unterliegt. Es muß aber bezweifelt werden, ob diese objektive Verschiedenheit schon zum Ausschluß einer Analogie ausreicht, zumal die subjektive Einstellung beider Besitzer sehr ähnlich ist. Gegen eine Analogie spricht jedoch, daß dann folgerichtig auch § 991 I entsprechend angewendet werden müßte36• Das ist aber unmöglich, weil diese Bestimmung, mehr noch als § 991 II, unbedingt das dreigliederige Verhältnis Eigentümer-mittelbarer Besitzer-unmittelbarer Besitzer voraussetzt. Vor allem aber spricht gegen sie, daß man gezwungen wäre, einen Vertrag zwischen Eigentümer und Besitzer zu fingieren. Gerade das widerspricht jedoch der Notordnung der §§ 989 ff. In ihr ist § 991 II nur deshalb gerechtfertigt, weil zwar ein Vertrag tatsächlich besteht, nicht aber zwischen Eigentümer und Besitzer, sondern dieser der Vindikation nach §§ 985, 986 I 2 ausgesetzt ist. Diese Analogie zu§ 991 II ist daher abzulehnen. B. Die entsprechende Anwendung der §§ 989, 990

Wolff37 und Raiser38 stellen zwar die h. M. in ihrem Lehrbuch dar, meinen jedoch, "es hätte näher gelegen" (Raiser), oder "es wäre besser gewesen" (Wolff), den Fremdbesitzer in solchen Fällen wie einen bösgläubigen Besitzer zu behandeln und §§ 989, 990 entsprechend heranzuziehen. Dagegen hat sich insbesondere Dietz gewandt39• Er meint, damit führe man nicht nur den "Nicht-so-Berechtigten", sondern auch noch Stutz, 55. So auch Stutz, 56. Wolff, § 85 li 5 c. WoZff-Raiser, § 85 III 5 b ß. 89 Dietz, 202 f.; auch Stutz, 52; und die h. M., allerdings regelmäßig ohne nähere Begründung. 85 38 37 88

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