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German Pages 149 Year 2007
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 353
Aufrechnung nach Vorausabtretung Ein Beitrag zur Entstehung und Auslegung des § 406 BGB
Von Carola Reichold
Duncker & Humblot · Berlin
CAROLA REICHOLD
Aufrechnung nach Vorausabtretung
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 353
Aufrechnung nach Vorausabtretung Ein Beitrag zur Entstehung und Auslegung des § 406 BGB
Von Carola Reichold
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Wintersemester 2004 / 2005 als Dissertation angenommen..
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© 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-12100-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Diese Untersuchung hat im Wintersemester 2004/2005 der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation vorgelegen. Sie ist während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Herrn Professor Dr. Christoph Krampe entstanden und geht auch auf dessen Anregung zurück. Ihm gilt mein besonderer Dank für die stetige Förderung beim Fortgang der Arbeit. Dem Zweitgutachter Herrn Professor Dr. Karlheinz Muscheler danke ich für zahlreiche Hinweise zur Veröffentlichung. Danken möchte ich schließlich Herrn Dr. Florian R. Simon (LL. M.) und Herrn Professor Dr. jur. h. c. Norbert Simon für die Aufnahme der Abhandlung in die Reihe der Schriften zum Bürgerlichen Recht. Essen, im April 2006
Carola Reichold
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erstes Kapitel Entstehungsgeschichte des § 406 BGB
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§ 1 Gang der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorangegangene Regelungen in anderen Zivilrechtskodifikationen und -entwürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Gesetzgebungsverfahren zu § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Redaktorvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beratungen der Ersten Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Beratungen der Zweiten Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Kritik und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wortlaut des § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Redaktionsversehen bei § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweites Kapitel Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
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§ 3 Begriffe und Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestimmung der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau und Beweislastverteilung bei § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorausabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung des § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Kenntnis bei Abtretung und Vorausabtretung . .
36 36 38 41 41 45
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB . . . . . . . . . . . . I. Fallkonstellationen der ersten Alternative bei der Abtretung . . . . . . . . . . . II. Fallkonstellationen der zweiten Alternative bei der Abtretung . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallgruppen der zweiten Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 47 48 48 52
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Inhaltsverzeichnis III. Fallkonstellationen bei der Vorausabtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollzogene Vorausabtretung vor Kenntniserlangung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kenntnis nur vom Tatbestand der Vorausabtretung . . . . . . . . . . . . . . . .
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Drittes Kapitel Kenntnis der Vorausabtretung
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§ 5 Der Diskussionsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 1976 und die vorangegangene Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der nachfolgende Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur . . . . III. Die Entscheidungen des OLG Köln vom 3. November 2000 und des BGH vom 26. Juni 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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64 68
§ 6 Vorausabtretung als Gegenstand der Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 7 Schuldnerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufrechnung durch den Schuldner bei §§ 404, 406, 407 BGB . . . . . . . . . II. Schuldnerschutz durch § 404 BGB und § 407 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sinn und Zweck des § 406 BGB und das Verhältnis zu §§ 404, 407 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzrichtungen des § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertrauensschutz durch § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 406 BGB als Erweiterung des Schuldnerschutzes von § 404 BGB 4. Schutzfunktion nach den Gesetzgebungsmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weitere Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Interessenverteilung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner . . . . . . . . . . . I. Nichtbegründung einer Gegenforderung durch den Schuldner . . . . . . . . . II. Vorauszession und Abtretungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufrechnung nach Abtretung im Handelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 354a HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertung hinsichtlich einer Kenntnis der Vorausabtretung . . . . . . . . . . IV. Insolvenzrisiko des Zedenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einzelne Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 99 101 104 104 112 113 114
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79 80 82 85 87 94
Inhaltsverzeichnis
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Viertes Kapitel Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten
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§ 9 Insolvenz des Zedenten und § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I. Fallgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Interessenlage der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 10 Insolvenzrechtliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehen der Hauptforderung vor Insolvenzverfahrenseröffnung . . . . . . . II. Entstehen der Hauptforderung nach Insolvenzverfahrenseröffnung . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120 121 126 134
Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Verzeichnis der Skizzen zu § 406 BGB Nr. 1:
Fälligkeit der Gegenforderung vor Kenntnis (§ 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB)
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Nr. 2:
Rechtsbeziehungen bei § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nr. 3:
Verlängerter Eigentumsvorbehalt und § 406 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nr. 4:
§ 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB – Erwerb vor Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nr. 5:
§ 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB – Erwerb nach Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nr. 6a–d: Kenntniserlangung vor Entstehen der Hauptforderung . . . . . . . . . . . . 56–57 Nr. 7:
Rechtsbeziehungen bei der Entscheidung des OLG Köln/BGH . . . . . .
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Nr. 8:
Aufrechnungslage bereits vor Zession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
Nr. 9:
Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AcP AGB AK Alt. Anm. AT BAG BB Bd. Bekl. BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHZ BT-Drucks. DB ders. diff. DJZ DNotz DZWIR E Einl EWiR f., ff. Fn. FS G gem. GK HGB Hrsg., hrsg.
anderer Ansicht Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternativkommentar Alternative Anmerkung Allgemeiner Teil Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Band Beklagte Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Drucksachen des Deutschen Bundestages Der Betrieb derselbe differenzierend Deutsche Juristen-Zeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entwurf Einleitung Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht – Kurzkommentare folgende Fußnote Festschrift Gläubiger gemäß Gemeinschaftskommentar Handelsgesetzbuch Herausgeber, herausgegeben
14 Hs. InsO JA Jura JuS JW JZ Kl. KO Komm. KTS LG LM m.w. N. MDR NJW NJW-RR Nr. NZG OLG RG RGBl. RGRK RGZ S SeuffArch Sonderbeil. vgl. WM WuB Ziff. ZIP zugl. zust. ZZP
Abkürzungsverzeichnis Halbsatz Insolvenzordnung Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Klägerin Konkursordnung Kommission KTS – Zeitschrift für Insolvenzrecht Landgericht Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, hrsg. von Fritz Lindenmaier und Philipp Möring mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Schuldner Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sonderbeilage vergleiche Wertpapiermitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zugleich zustimmend Zeitschrift für Zivilprozeß
Einleitung § 406 BGB bestimmt die Voraussetzungen, unter denen der Schuldner einer abgetretenen Forderung eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende (Gegen-)Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen kann: Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
Die Vorschrift durchbricht hinsichtlich einer Aufrechnung gegenüber dem Neugläubiger das Tatbestandsmerkmal der Gegenseitigkeit1 der Forderungen i. S. d. § 387 BGB. Diese Norm setzt voraus, dass zwei Personen einander Leistungen schulden. Die an der Aufrechnung Beteiligten müssen jeder zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen Partei sein2. Wenn aber der bisherige Gläubiger seine Forderung gegen den Schuldner an einen neuen Gläubiger abgetreten hat, ist das Element der Gegenseitigkeit nicht mehr erfüllt und eine wirksame Aufrechnung wäre nicht möglich. § 406 BGB bezweckt den Schutz des Schuldners gegen die nachteiligen Folgen, welche die Abtretung der Forderung bezüglich seiner Aufrechnungsmöglichkeit entfalten kann. Diese Vorschrift gestattet dem Schuldner nach ihrem ersten Halbsatz, eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufzurechnen, wenn nicht nach den Voraussetzungen des zweiten Halbsatzes, 1. und 2. Alternative, die Aufrechnung ausgeschlossen ist. Die erste Alternative des § 406 Hs. 2 BGB verlangt für eine Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem neuen Gläubiger, dass der Schuldner bei dem Erwerb der Gegenforderung keine Kenntnis von der Abtretung hatte. Nach der zweiten Alternative der Vorschrift ist die Aufrechnung dann nicht zulässig, wenn die Gegenforderung erst nach Kenntniserlangung des Schuldners von der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Ist im Wortlaut des § 406 BGB die Kenntnis der Abtretung erfasst, so stellt sich die Frage, auf welche Weise § 406 BGB im Falle einer Vorausabtretung Anwendung findet. Es ist im Geschäftsverkehr häufig, dass der Gläubiger seine Hauptforderung3 gegen den Schuldner an einen neuen Gläubiger im Voraus ab1
Vgl. hierzu Drittes Kapitel § 7 I. Larenz, Schuldrecht I AT, § 18 VI a) 1, S. 256; Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 6; Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 1. 2
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Einleitung
tritt. Die Hauptforderung wird dann erst mit ihrer Entstehung vom Neugläubiger erworben. Wenn der Schuldner Kenntnis von der Vorausabtretung erlangt hat, stellt sich das praktisch relevante Problem, ob § 406 BGB zu seinen Gunsten eingreift, wenn er seinerseits mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehenden Gegenforderung gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen will. Gegenstand dieser in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage ist dabei, ob bei einer Vorauszession der Forderung die hierüber gegebene Kenntnis des Schuldners einer Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichzustellen ist. Der BGH hat erstmals in seinem Urteil vom 2. Juni 19764 eine derartige Gleichsetzung bejaht. Von dieser Rechtsprechung ist das OLG Köln mit seiner Entscheidung vom 3. November 20005 abgewichen. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde6: Die Klägerin, ein Factoring-Unternehmen, klagt auf die Bezahlung von Kaufpreisforderungen, welche sie im Zuge der Vorausabtretung von einem Warenlieferanten erworben hat. Der Warenlieferant hatte der Klägerin aufgrund eines Factoring-Vertrages alle zukünftigen Forderungen gegen spätere Käufer abgetreten. Die Abtretung sollte im Augenblick ihres Entstehens wirksam werden. Die beklagte Käuferin lehnt die Bezahlung der Kaufpreisforderungen ab und rechnet mit gegenüber dem Warenlieferanten bestehenden Gegenforderungen auf, welche sie bereits vor dem Entstehen der abgetretenen Forderungen erworben hatte. Die Beklagte stand mit dem Warenlieferanten seit einiger Zeit in Geschäftsverbindung und konnte aus dessen Rechnungen entnehmen, dass die Forderungen im Rahmen eines Factoring-Vertrages an die Klägerin übertragen waren und Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur an diese geleistet werden konnten. Bei der Anwendung des § 406 BGB besteht die entscheidende Frage mithin darin, ob die Kenntnis der Beklagten von der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichzusetzen ist. Das OLG Köln verneint eine Gleichstellung und begründet seine Auffassung u. a. damit, dass die Regelung des § 404 BGB durch § 406 BGB erweitert werde. Da eine Aufrechnungslage oder eine diesbezügliche Aussicht durch diese Normen geschützt werde, könne – so der Senat – der Schuldner dem neuen Gläubiger solche Einwendungen entgegensetzen, ohne dass zunächst seine Kenntnis von der Vorausabtretung maßgeblich sei. Der BGH hat mit Urteil vom 26. Juni 20027 seine bisherige Auffassung bestätigt und entschieden, dass die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Ab3
Zur Begriffsbestimmung vgl. unten Zweites Kapitel § 3 I. BGH, Urteil vom 2. Juni 1976, – VIII ZR 267/74 –, BGHZ 66, 384 = NJW 1976, S. 1351 = WM 1976, S. 663 = LM § 406 BGB Nr. 14. 5 OLG Köln, Urteil vom 3. November 2000, – 19 U 89/00 –, NJW-RR 2001, S. 539 = WM 2001, S. 1431 = WuB IV A. BGB 1.01, S. 1313 = OLGR Köln 2001, S. 49. 6 Vgl. ausführlich unten Drittes Kapitel § 5 III. 7 BGH, Urteil vom 26. Juni 2002, – VIII ZR 327/00 –, NJW 2002, S. 2865 = ZIP 2002, S. 1488 = WM 2002, S. 1845 = WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83. 4
Einleitung
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tretung i. S. d. § 406 BGB gleichzustellen sei. Der Senat stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, dass § 406 BGB das Vertrauen des gutgläubigen Schuldners in eine Aufrechnungsmöglichkeit schütze. Der Schutz des Schuldners ist nach seiner Ansicht zu bejahen, wenn dieser bei Erwerb seiner Gegenforderung damit rechnen konnte, sich durch Aufrechnung mit der Gegenforderung von der – inzwischen ohne sein Wissen abgetretenen – (Haupt-)Forderung befreien zu können. Die praktische Bedeutsamkeit des Problems zeigt sich insbesondere dann, wenn der Warenlieferant (Zedent), welcher seine Hauptforderung im Voraus abgetreten hat, in Insolvenz gerät8. In der Literatur hat insbesondere Günter Christian Schwarz zu der Frage Stellung genommen, ob und inwieweit § 406 BGB bei einer Vorausabtretung den Schuldner schützt, und in jüngster Zeit die Normstruktur und Reichweite der Vorschrift thematisiert9. Das OLG Köln und der BGH stützen sich zur Begründung ihrer Auffassungen auf die Motive zum Ersten Entwurf des BGB. Ist damit die Untersuchung der Gesetzgebungsmaterialien bereits für die Entscheidung des geschilderten Problems von Interesse, so besteht noch eine weitere Fragestellung für eine genaue Betrachtung der Entstehungsgeschichte von § 406 BGB: Heinrich Siber und Arwed Blomeyer gehen von einem Redaktionsfehler bei der Fassung von § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB aus. Dies betrifft folgende Fallkonstellation: Der Schuldner hat in Unkenntnis der Abtretung eine Gegenforderung gegen den Zedenten erworben, welche nach der abgetretenen Hauptforderung und vor der Kenntnis des Schuldners von der Abtretung fällig wird. Der Schuldner darf aufrechnen, weil § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB nicht eingreift. Hiernach ist die Aufrechnung nur dann ausgeschlossen, wenn die Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Siber kritisiert dabei, dass der Schuldner in seinem Glauben an eine Aufrechnung mit der Gegenforderung geschützt werde, nachdem er die Erfüllung der abgetretenen Hauptforderung unterlassen habe. Die nachfolgende Untersuchung betrachtet im ersten Kapitel die Entstehungsgeschichte des § 406 BGB und dabei insbesondere die Frage, ob ein Redaktionsversehen bei § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB mit dem von Siber und Blomeyer beschriebenen Inhalt festgestellt werden kann. Das zweite Kapitel stellt die Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB als Grundlage für die weiteren Ausführungen dar. Die oben geschilderte Fragestellung, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichzustellen ist, wird im dritten Kapitel untersucht. Dieses Problem ist insbesondere praktisch bedeutsam, wenn der Zedent, welcher seine Hauptforderung im Voraus abgetreten hat, in Insolvenz gerät. Die insolvenzrechtlichen Fragen bei einer Vorausabtretung sind Gegenstand des vierten Kapitels. 8
Vgl. unten Viertes Kapitel. Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241; ders., WM 2001, S. 2185; ders., WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83. 9
Erstes Kapitel
Entstehungsgeschichte des § 406 BGB § 1 Gang der Gesetzgebung Bereits vor dem Entstehen des § 406 BGB bestanden in verschiedenen Zivilrechtskodifikationen und -entwürfen Regelungen darüber, inwieweit der Schuldner einer abgetretenen Forderung gegenüber dem neuen Gläubiger eine Gegenforderung aufrechnen kann. Diese Rechtssätze wurden bei der späteren Entwicklung dieser Vorschrift in die Erwägungen einbezogen1. I. Vorangegangene Regelungen in anderen Zivilrechtskodifikationen und -entwürfen Bereits das im Jahre 1794 in Kraft getretene Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten bestimmt im Ersten Teil, Elfter Titel, Von der Abtretung der Rechte, in § 4072: Der Schuldner einer cedirten Post kann alle Einwendungen und Gegenforderungen, die er gegen den Cedenten rügen konnte, auch dem Cessionario entgegen setzen.
Ein Schutz des Schuldners wird durch den Grundsatz erreicht, dass sich durch die Abtretung die Lage des Schuldners nicht verschlechtern soll, wenn er auch durch die Zession keinen Vorteil erlangen darf3. Er kann gemäß § 407 des Preußischen Allgemeinen Landrechts dem Zessionar die Verteidigungsmittel entgegensetzen, welche ihm gegen den Zedenten zustanden4. Es ist ausreichend, wenn das „Fundament“ der Einrede zum dem Zeitpunkt bestand, in dem die Abtretung dem Schuldner angezeigt worden ist5. Das Preußische Allgemeine Landrecht regelt in § 313, Erster Teil, Sechzehnter Titel, Von der Compensation6: 1
Vgl. unten Erstes Kapitel § 1 II. 1. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, Berlin 1794. 3 Dernburg, Preußisches Privatrecht, S. 207 f.; Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, S. 664. 4 Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, S. 664. 5 Dernburg, Preußisches Privatrecht, S. 208. 6 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, Berlin 1794. 2
§ 1 Gang der Gesetzgebung
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Gegen eine cedirte Forderung kann der Schuldner nur das, was er an den ersten Inhaber vor bekannt gemachter Cession zu fordern hatte, ingleichen seine Forderungen an den dermaligen Inhaber, abrechnen.
Der Schuldner kann nach dieser Vorschrift eine ihm gegen den Zedenten zustehende Forderung nicht aufrechnen, wenn er sie erst nach der Bekanntmachung der Abtretung erlangt hat. Voraussetzung für diesen Aufrechnungsausschluss ist, dass dem Schuldner die Abtretung „gehörig“ bekannt gemacht worden ist7. Der Code civil von 1804 sieht in Art. 1295 vor8: Le débiteur qui a accepté purement et simplement la cession qu’un créancier a faite de ses droits à un tiers, ne peut plus opposer au cessionnaire la compensation qu’il eût pu, avant l’acceptation, opposer au cédant. A l’égard de la cession qui n’a point été acceptée par le débiteur, mais qui lui a été signifiée, elle n’empêche que la compensation des créances postérieures à cette notification.
Art. 1295 Code civil regelt die – im BGB nicht vorhandene – Möglichkeit des Schuldners, die Forderungsabtretung „anzunehmen“9. Wenn der Schuldner die Abtretung unbedingt und ohne Vorbehalt annimmt, verzichtet er auf die gesetzlich erfolgte Aufrechnung (Art. 1295 Abs. 1 Code civil) und erlangt infolgedessen seine frühere Forderung wieder. Wenn der Schuldner auf die bereits bestehende Aufrechnungslage verzichtet, erstreckt sich der Verzicht gleichfalls auf die Möglichkeit, nachträglich die – kraft Gesetzes an sich vorliegende – Aufrechnung geltend zu machen. Wenn der Schuldner die Zession nicht annimmt, hat er gemäß Art. 1295 Abs. 2 Code civil eine Aufrechnungsmöglichkeit mit Forderungen, welche nach der Abtretung gegen den Zedenten – ohne Eintritt einer Aufrechnungslage – für ihn entstanden sind10. Der Schuldner kann – bei Nichtannahme der Zession – dem Zessionar nur solche Gegenforderungen gegen den Zedenten nicht – als durch Aufrechnung erfüllt – entgegen setzen, welche er nach der förmlichen Zustellung erlangt hat. Im Unterschied zu § 406 BGB ist nur der Zeitpunkt des Forderungserwerbs maßgeblich, nicht jedoch die Fälligkeit der Forderung. Die Kenntnis der Abtretung ist in Art. 1295 Code civil – anders als in § 406 BGB – nicht relevant11. Auch das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für das Kaisertum Österreich aus dem Jahre 1811 trifft in § 1442 eine Regelung zur Aufrechnung nach Abtretung12:
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Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, S. 598. Code Civil Des Français. Edition Originale Et Seule Officielle. Paris 1804. 9 Ferid, Das Französische Zivilrecht, S. 529. 10 Ferid, Das Französische Zivilrecht, S. 529. 11 Ferid, Das Französische Zivilrecht, S. 529, Fn. 42. 8
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1. Kap.: Entstehungsgeschichte des § 406 BGB Wenn eine Forderung allmählich auf mehrere übertragen wird; so kann der Schuldner zwar die Forderung, welche er zur Zeit der Abtretung an den ersten Inhaber derselben hatte, sowie auch jene, die ihm gegen den letzten Inhaber zusteht, in Abrechnung bringen; nicht aber auch diejenige, welche ihm an einen der Zwischeninhaber zustand.
Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen13, welches 1863 publiziert wurde und 1865 in Kraft trat, regelt in § 975 S. 2: Gegenforderungen, welche er (= der Schuldner) an den abtretenden Gläubiger zu der Zeit hatte, wo er Kenntniß von der Abtretung erhielt, kann er auch dem neuen Gläubiger gegenüber zur Aufrechnung bringen.
Siebenhaar trägt dazu vor, dass der Schuldner diejenigen Gegenforderungen gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen dürfe, welche zu der Zeit, als er Kenntnis von der Abtretung erlangt habe, zur Aufrechnung gegen die abgetretene Forderung geeignet gewesen seien14. Die Motive zu § 975 lauten15: Zum § ist zu erwähnen, daß . . . zweitens eine in der Person des Cedenten und debitor cessus nach dem Cessionsakte, jedoch vor der Denunciation eingetretene confusio debiti et crediti den Cessionar an Geltendmachung seines aus der Cession erlangten Rechts nicht hindern kann.
Diese Ausführungen in den Motiven erklärt Pöschmann damit, dass „im Falle der confusio“ die Lage des „cedens“ gegenüber dem Zessionar nicht besser werden könne, als sie bis dahin gewesen sei16. Der Zessionar könne in diesem Falle das „creditum eben nur als ein abgetretenes erwerben“. Für das Königreich Bayern bestimmte Art. 191 des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuchs17, der in den Jahren 1861 bis 1864 veröffentlicht wurde: Ueberträgt der Gläubiger, gegen welchen der Schuldner eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung hat, seine Forderung an einen Dritten, so kann der Schuldner auch diesem gegenüber die Aufrechnung geltend machen, jedoch nur dann, wenn seine Gegenforderung bereits begründet war, bevor er von der Uebertragung der Forderung Anzeige erhielt. Die Aufrechnung ist unzulässig, wenn der Schuldner ohne Vorbehalt und ohne Erwähnung der ihm bekannten Gegenforderung dem neuen Gläubiger die Zahlung der Schuld versprochen hat.
12 Freiherr von Schen, Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für das Kaisertum Österreich, S. 779; zugrunde gelegt ist die erste amtliche Ausgabe aus dem Jahre 1811 (vgl. Vorwort). 13 Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, S. 119. 14 Siebenhaar, Sächsisches Privatrecht, S. 552. 15 Zitiert nach: Siebenhaar/Pöschmann, Commentar zu dem bürgerlichen Gesetzbuche, S. 167. 16 Siebenhaar/Pöschmann, Commentar zu dem bürgerlichen Gesetzbuche, S. 167. 17 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern, S. 85.
§ 1 Gang der Gesetzgebung
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In den Motiven zu Art. 191 wird dargelegt18: Bei einer abgetretenen Forderung des Gläubigers könne der Schuldner eine ihm gegen den Zedenten zustehende Gegenforderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen. Denn dieser erscheine hier lediglich als Repräsentant des ursprünglichen Gläubigers. Die Gegenforderung dürfe aber notwendigerweise nicht später entstanden sein, als der Schuldner von der Abtretung Kenntnis erlangt habe. Denn er sei ab dann zu einer Zahlung an den früheren Gläubiger nicht berechtigt und könne folglich seine Verpflichtung auch nicht durch Aufrechnung mit einer später gegen den Zedenten begründeten Gegenforderung tilgen. Der Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866 sieht in Art. 335 Abs. 2 vor19: Gegenforderungen, welche der Schuldner an den Veräußerer vor der Zeit erworben hatte, wo er zuverlässige Kenntniß von der Veräußerung erhielt, kann er auch dem Erwerber gegenüber in Aufrechnung bringen.
II. Das Gesetzgebungsverfahren zu § 406 BGB Die Vorschrift des § 406 BGB hatte während ihrer Entstehung verschiedene Fassungen, bis die Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners nach einer Abtretung in der heutigen Ausgestaltung geregelt war. 1. Die Redaktorvorlage Im Teilentwurf zum Obligationenrecht erstellte der Redaktor von Kübel in der Vorlage Nr. 3, § 22 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2, für die Erste „Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs“ folgende Regelungen20: Gegenforderungen, welche der Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger erworben hat, ehe er von der Uebertragung Kenntniß hatte, kann der Schuldner auch dem neuen Gläubiger gegenüber in Aufrechnung bringen. Der Schuldner hat überdies diejenigen Einreden und Gegenforderungen, welche ihm aus der Person des neuen Gläubigers gegen diesen zustehen.
Der Redaktor erläutert zur Begründung in den Motiven im Wesentlichen21: Nach den insoweit übereinstimmenden neueren Gesetzgebungen22 dürfe der de-
18 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern; Motive zu dem Zweiten Theile des Gesetzbuches: Recht der Schuldverhältnisse, S. 411 f. 19 Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse, S. 68. 20 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 5, hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 931.
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1. Kap.: Entstehungsgeschichte des § 406 BGB
bitor cessus eine Gegenforderung, die er gegen den Zedenten erworben habe, auch dem Zessionar gegenüber aufrechnen. Zwar könne man sich aus juristischer Konsequenz gegen ein solches Kompensationsrecht des Schuldners nach der Abtretung wenden. Ungeachtet dessen sprächen Billigkeit und praktische Rücksichten für eine Aufrechnung, da anderenfalls der ehemalige Gläubiger die Situation des Schuldners durch die Abtretung erheblich verschlechtern könne. Denn der Schuldner müsse dann seine Schuld an den neuen Gläubiger entrichten und seine Forderung gegen den Zedenten bei diesem geltend machen. Er sei aber möglicherweise die Schuld gegen den Zedenten nur im Hinblick auf seine Gegenforderung eingegangen oder habe die Gegenforderung im Vertrauen auf eine Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem Zedenten erworben und könne bei diesem auf andere Weise nicht zum Ausgleich gelangen23. Der hieraus folgende Schutzbedarf des Schuldners könne nur dadurch wirksam erreicht werden, dass er Gegenforderungen an den Zedenten auch dem Zessionar gegenüber zur Aufrechnung bringen dürfe. Es bestünden aber besondere Bedenken dagegen, dass der Schuldner auch solche Gegenforderungen aufrechnen dürfe, die er erst nach der Abtretung ohne Kenntnis hiervon erworben habe. Der Schuldner könne dann, wenn man die Aufrechnungsmöglichkeit bejahe, gegenüber dem Zessionar eine Gegenforderung an den Zedenten aufrechnen, welche er diesem gegenüber niemals habe aufrechnen können. Die juristische Konsequenz würde mithin zweifellos dafür sprechen, dass der Zeitpunkt der Übertragung der Forderungen entscheidend sei. Dann könne der Schuldner nur solche Gegenforderungen an den Zedenten gegenüber dem Zessionar aufrechnen, welche er vor der Abtretung erworben habe. Wenn in diesem Entwurf eine Aufrechnung von Gegenforderungen, die der Schuldner nach der Abtretung vor Erlangung der Kenntnis hiervon gegen den ursprünglichen Gläubiger erworben habe, zugelassen werde, so sei nur „die billige Rücksicht auf die Lage des Schuldners“ entscheidend gewesen, und der Entwurf sei § 975 des sächsischen BGB und § 335 des Dresdener Entwurfs gefolgt. Der Redaktor führt hierzu in einer Anmerkung aus24: Er habe in seiner früheren Vorlage vorgeschlagen, die Aufrechnungseinrede wie die übrigen Einreden zu behandeln und folglich zu regeln, dass der Schuldner diejenigen Gegenforderungen, die er vor der Abtretung gegen den früheren Gläubiger erworben habe, auch dem neuen Gläubiger gegenüber auf21 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 45 ff., hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 977 ff. 22 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 47, hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 979 mit Hinweis auf: Preußen I. 11 § 407, I. 16 § 313, hierzu Förster I S. 590; Österreich § 1442; Code civil art. 1295; Sachsen § 975; Hessen I Art. 311; Bayern I Art. 191; Dresden § 335 Abs. 2; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 I. 23 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 48, hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 980. 24 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 48, dortige Anm. 1, hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 980.
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rechnen könne. Noch jetzt vertrete er die Ansicht, dass es hierbei belassen werden sollte und keine hinreichenden Gründe vorlägen, weiter zu gehen. Weiterhin trägt von Kübel in den Motiven vor25: Wenn die abgetretene Forderung vom neuen Gläubiger auf einen anderen übertragen werde, so sei die Aufrechnung von Gegenforderungen des Schuldners an den Zedenten gegenüber dem letzterem Zessionar zulässig. Es bestehe kein zureichender Grund, insbesondere nicht die Möglichkeit praktischer Schwierigkeiten, die Regel von der Zulässigkeit der Aufrechnung zu durchbrechen. Denn es könne andererseits leicht zu einer Schädigung des Schuldners kommen. Der Schuldner könne auf die aus der Person des Zedenten ihm zustehenden Einreden, d.h. auch auf die Aufrechnungsmöglichkeit, selbstverständlich verzichten26. Es sei am besten, am Einzelfall zu entscheiden, ob die vom Schuldner abgegebene Erklärung, den Zessionar als Gläubiger anzuerkennen, einen Verzicht auf die Einreden darstelle, welche dem Schuldner hinsichtlich der Forderung gegen den Zedenten zustanden. 2. Die Beratungen der Ersten Kommission In der 140. Sitzung am 13. November 1882 beantragte das Kommissionsmitglied Kurlbaum27, den § 22 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 des Entwurfs28 durch folgende Bestimmung zu ersetzen: Er (= der Schuldner einer übertragenen Forderung) kann Gegenforderungen, welche er gerade gegen den bisherigen Gläubiger erworben hatte, ehe er von der Uebertragung Kenntniß erlangte, dem neuen Gläubiger gegenüber in Aufrechnung bringen, sofern dieselben spätestens gleichzeitig mit der übertragenen Forderung fällig geworden sind.
Der Antrag wurde dahingehend berichtigt, dass im zweiten Satz vor „spätestens“ eingefügt wurde „zu diesem Zeitpunkt oder“. Planck empfahl u. a., § 22 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs durch folgende Regelung zu ersetzen29: Gegenforderungen, welche der Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger vor der Uebertragung erworben hat, kann der Schuldner dem neuen Gläubiger (gegenüber)30 in Aufrechnung bringen, sofern die Aufrechnung zur Zeit der Uebertragung dem bisherigen Gläubiger gegenüber zulässig war (eventuell hinzuzufügen: oder bei 25 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 49, hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 981. 26 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 49 f., hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 981 f. 27 Protokolle, 1. Komm., S. 1331 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 793. 28 Vgl. Erstes Kapitel § 1 II. 1. 29 Protokolle, 1. Komm., S. 1331 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 793.
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1. Kap.: Entstehungsgeschichte des § 406 BGB später eintretender Fälligkeit der übertragenen Forderung zu dieser Zeit ohne die erfolgte Uebertragung zulässig gewesen sein würde). Gegenforderungen, welche der Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger durch Rechtsgeschäft mit demselben nach der Uebertragung erworben hat, kann der Schuldner dem neuen Gläubiger gegenüber dann in Aufrechnung bringen, wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts (eventuell hinzuzusetzen: oder bei späterer Fälligkeit der übertragenen Forderung zu dieser Zeit) ohne die Uebertragung die Aufrechnung dem bisherigen Gläubiger gegenüber zulässig gewesen wäre, es sei denn, daß der Schuldner die Uebertragung der Forderung zur Zeit des Rechtsgeschäfts kannte.
Die Mehrheit der Kommission billigte dann das Prinzip des Entwurfs31: zur Kompensation seien alle Gegenforderungen geeignet, welche dem Schuldner zu der Zeit zustanden, als er von der Uebertragung Kenntniß erhielt.
Die Protokolle führen weiterhin aus: Die Mehrheit der Kommission habe insoweit die Begründung in den Motiven des Teilentwurfs32 als durchgreifend betrachtet. Es sei zu befürchten, dass die Regelung im Antrag von Planck für die Einfachheit des Gesetzes bedenkliche Nachteile ergeben könnte, ohne dass sie einen wesentlichen Nutzen erbrächte. Diese Befürchtung gelte auch unter dem Gesichtspunkt, dass die von Planck vorgeschlagene Regelung die Bedenken beseitigen könnte, welche sich gegen den Grundsatz erheben würden, der dem Prinzip der Sondernachfolge am meisten entspreche. Dieser laute dahingehend, dass die Zeit der Übertragung und nicht die Zeit, in welcher der Schuldner die letztere erfuhr, zu entscheiden habe. Der letztere Gedanke greife auch, wenn man zugleich die Forderungen berücksichtige, welche der Schuldner nach der Übertragung, bevor er von dieser Kenntnis erhielt, im Wege der Zession erworben habe. Abgelehnt wurden dann zum einen der neue Antrag, welcher auf den Zeitpunkt des oben genannten Beschlusses bezogen war, die Kompensation für unzulässig zu erklären, wenn zu jener Zeit die Gegenforderung noch nicht fällig war
und zum anderen der Vorschlag33 die Kompensation nur für zulässig zu erklären, wenn zu der entscheidenden Zeit die Gegenforderung bereits fällig war oder doch nicht später, als die andere Forderung fällig wurde.
Die Kommission nahm hingegen die Bestimmung an, wonach es ausreichen solle,
30 Das Wort „gegenüber“ fehlt in den Protokollen, 1. Komm., S. 1331, wird aber bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 793 aufgeführt. 31 Protokolle, 1. Komm., S. 1336 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 795. 32 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 1. 33 Protokolle, 1. Komm., S. 1336 f. = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 796.
§ 1 Gang der Gesetzgebung
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wenn die Gegenforderung fällig ist zu derjenigen Zeit, in welcher die Kompensation geltend gemacht wird.
Die Erwägung der Kommission war hierzu, dass durch diese Regelung zum einen die Harmonie mit den bisher beschlossenen Prinzipien hinreichend sei und zum anderen das in der vorliegenden Beziehung vorrangig zu berücksichtigende Interesse des Schuldners am besten gewahrt würde. § 22 Abs. 2 des Entwurfs wurde als selbstverständlich angesehen und daher gestrichen34. In der Redaktionsvorlage von Pape für den Redaktionsausschuss der ersten Kommission lautete § 22035: Gegenforderungen, welche dem Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger zustehen, kann der Schuldner dem neuen Gläubiger gegenüber nur dann zur Aufrechnung bringen, wenn sie ihm bereits zu der Zeit zustanden (NB), in welcher er von der Uebertragung Kenntniß erhalten hat. (NB zur Redaktionsvorlage: „Zustanden“ wird richtig sein und nicht „erworben hat“, da der letztere Ausdruck auf den Erwerb einer bereits bestehenden Forderung deutet).
Im entsprechenden § 301 des sog. Kommissionsentwurfs wurden auf Antrag von Kurlbaum die Worte „nur dann“ gestrichen36 und zur Begründung37 u. a. ausgeführt: Es sei in Erwägung gezogen worden, dass nach der Abtretung die Forderung nicht mehr gegen den neuen Gläubiger aufgerechnet werden könne, wie sich aus § 27938 ergebe. In § 301 solle ein Aufrechnungsrecht also nicht eingeschränkt werden, sondern in dem zugestandenen, beschränkten39 Umfang bestehen. Beim Fall des § 28440 habe sich demgegenüber die Person des Gläubigers nicht verändert. § 301 des sog. Kommissionsentwurfs erhielt dann auf Empfehlung von Kurlbaum die Formulierung41:
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Protokolle, 1. Komm., S. 1337 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 796. Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. IX f., 796: § 220 der Redaktionsvorlage für den Redaktionsausschuss der ersten Kommission (1881 ff.) = § 220 der Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestimmungen des Obligationenrechts nach den Beschlüssen des Redaktionsausschusses der ersten Kommission = § 301 des Entwurfes eines Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung der ersten Beratung der ersten Kommission (1884–1887; sog. Kommissionsentwurf). 36 Protokolle, 1. Komm., S. 6188 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 797. 37 Protokolle, 1. Komm., S. 6189 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 797. 38 Zu § 279 des sog. Kommissionsentwurfs vgl. die Materialien zu § 387 BGB bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 692. 39 Das Wort „beschränkten“ fehlt bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 797. 40 Zu § 284 des sog. Kommissionsentwurfs vgl. die Materialien zu § 392 BGB bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 705. 41 Protokolle, 1. Komm., S. 6203 f. = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 797. 35
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1. Kap.: Entstehungsgeschichte des § 406 BGB Der Schuldner kann eine Gegenforderung, welche ihm zusteht, gegenüber dem neuen Gläubiger zur Aufrechnung bringen, wenn sie ihm bereits zu der Zeit zustand, in welcher er von der Uebertragung Kenntniß erhalten hat.
Schließlich wurde in § 303 des Ersten Entwurfs42 aus dem Jahre 1888 folgende Regelung getroffen: Der Schuldner kann eine Gegenforderung, welche ihm gegen den bisherigen Gläubiger zusteht, gegenüber dem neuen Gläubiger zur Aufrechnung bringen, wenn sie ihm bereits zu der Zeit zustand, in welcher er von der Uebertragung Kenntniß erhalten hat.
Die Motive zum Ersten Entwurf wiederholen die Erwägungen in den Motiven der Redaktorvorlage43 und führen vertiefend u. a. aus44: Es stehe in Zusammenhang mit der Regelung zum Schutz des gutgläubigen Schuldners in § 304, dass der entscheidende Zeitpunkt nicht derjenige der Übertragung, sondern der der Kenntnis des Schuldners von der Übertragung sei. Hierbei bestehe eine Übereinstimmung mit der gemeinrechtlichen Auffassung und den modernen Kodifikationen, wobei sich dies allerdings teilweise daraus ergebe, dass die Übertragung der Forderung in den modernen Gesetzgebungen von der Denunziation an den Schuldner abhängig gemacht sei45. Der in den Motiven angesprochene § 304 des Ersten Entwurfs (der spätere § 407 BGB) lautet in seinem ersten Absatz46: Der neue Gläubiger muß eine nach der Uebertragung von dem Schuldner zur Erfüllung der Verbindlichkeit an den bisherigen Gläubiger bewirkte Leistung und jedes nach der Uebertragung zwischen dem bisherigen Gläubiger und dem Schuldner über die Forderung geschlossene oder in Ansehung derselben von dem Einen gegenüber dem Anderen vorgenommene Rechtsgeschäft gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner von der Uebertragung zu derjenigen Zeit Kenntniß hatte, in welcher die Leistung bewirkt oder das Rechtsgeschäft geschlossen oder vorgenommen worden ist.
Weiterhin wird in den Motiven zum Ersten Entwurf zu § 303 dargelegt: Vom Standpunkt der juristischen Konsequenz, dem Begriff der Sondernachfolge und den Aufrechnungsvoraussetzungen könnte man sich zwar gegen eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners mit Forderungen gegen den Zessionar wenden47. Aber allein Billigkeit und praktische Rücksichten würden zu einer Befol42 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Erste Lesung, S. 67 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. XXII. 43 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 1. 44 Motive, S. 128 ff. = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 70 ff. 45 Motive, S. 131 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72. 46 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Erste Lesung, S. 67 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. XXII; zu den Gesetzgebungsmaterialien vgl. auch: Mugdan, Materialien zum BGB, S. 73 ff.; Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 801 ff.
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gung des geltenden Rechts drängen. Dem Schuldner dürfe seine rechtliche Situation, aufrechnen zu können, nicht durch die Abtretung begrenzt werden. Denn er werde oftmals eine Verbindlichkeit gegen den Zedenten gerade wegen seiner Gegenforderung gegen diesen begründet haben. Es würde dem Prinzip der Sondernachfolge allerdings am ehesten entsprechen, wenn der Schuldner nur mit solchen Gegenforderungen gegen den Zedenten aufrechnen dürfe, welche er zur Zeit der Abtretung bereits gegen diesen erlangt hatte. Dieselben Rücksichten – d. h. Billigkeit und praktische Rücksichten – aber, welche zur Gewährung der Aufrechnungsbefugnis des Schuldners gegenüber dem Zessionar überhaupt drängten, führten auch dahin, den – mangels Kenntnis vom Forderungsübergang – gutgläubigen Schuldner in der rechtlichen Kompensationslage zu schützen hinsichtlich solcher Gegenforderungen, welche er vor der Kenntniserlangung gegen den Zedenten erlangt habe. Der bisherige und der neue Gläubiger hätten in der Regel die Einflussmöglichkeit, den Schuldner sofort von der Abtretung in Kenntnis zu setzen48. Die Beweislast dafür, dass ihm die Forderung zu der bestimmten Zeit schon zugestanden habe, liege beim Schuldner. Die Aufrechnung mit einer Forderung, welche dem Schuldner gegen den bisherigen Gläubiger zustehe, sei bereits dann zulässig, wenn sie zu derjenigen Zeit fällig sei, in welcher die Aufrechnung geltend gemacht werde. Es sei danach keine Bedingung für die Aufrechnungsbefugnis, dass die betreffende Gegenforderung des Schuldners bereits fällig gewesen sei, als er von der Abtretung Kenntnis erhalten habe. Die Aufrechnung werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gegenforderung später als die abgetretene Forderung fällig geworden sei. Dieser Standpunkt entspreche dem Interesse des Schuldners, welches vorzugsweise zu berücksichtigen sei. 3. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes Die nächsten Beratungen und Entscheidungen über die Fassung des § 303 erfolgten in der Vorkommission des Reichsjustizamtes. Gegenüber dem Reichsjustizamt hatte Kausen49 gerügt, dass der Schuldner im Falle des § 303 den Nachweis für den Zeitpunkt führen müsse, in welchem er von der Übertragung Kenntnis erhalten habe. Dagegen trage nach den Fassungen der §§ 304, 30550 in dieser Hinsicht der Gläubiger die Beweislast. Bingner51 hatte in einer Ein47
Motive, S. 131 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72. Motive, S. 132 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72. 49 Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 74. 50 Vgl. hierzu die Materialien zu §§ 407 und 408 BGB bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 801 ff. 51 Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 74. 48
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gabe kritisiert, dass der Zeitpunkt der Kenntnis des Schuldners für die Fälle der vertraglichen Übertragung (vgl. §§ 303–305, 307)52 entscheidend sei. Denn „es sei nicht zweckmäßig, an ein lediglich inneres und unsicheres Moment wichtige Rechtsfolgen zu knüpfen“, vielmehr sei eine Anzeige als bestimmter äußerer Vorgang vorzuschreiben. In der Vorkommission des Reichsjustizamtes beantragte das Kommissionsmitglied Jacubezky, den § 303 wie folgt zu fassen53: Der Schuldner kann eine Gegenforderung, welche ihm gegen den bisherigen Gläubiger zusteht, gegenüber dem neuen Gläubiger zur Aufrechnung bringen, es sei denn, daß er sie erst nach der Zeit erworben hat, in welcher er von der Uebertragung Kenntniß erhalten hat. Die Aufrechnung findet nicht statt, wenn die Gegenforderung erst nach dieser Zeit und später als die übertragene Forderung fällig geworden ist.
Die Vorkommission stimmte54 dem Inhalt des § 303 mit der Maßgabe zu, dass zum einen die Beweislast geändert werden müsse. Nicht der Schuldner müsse den Nachweis dafür liefern, wann er von der Übertragung Kenntnis erlangt habe, sondern ihm müsse bewiesen werden, dass er zur in Betracht kommenden Zeit die Kenntnis besessen habe. Zum anderen müsse die Aufrechnung gegenüber dem Zessionar ausgeschlossen werden hinsichtlich derjenigen Gegenforderungen, welche erst, nachdem der Schuldner Kenntnis von der Übertragung erlangt und später als die abgetretene Forderung fällig geworden seien. Ohne letztere Ergänzung „werde geradezu eine Prämie auf die Verzögerung der früher fällig gewordenen Leistung ausgesetzt.“ Die Vorkommission verabschiedete dann folgende Fassung des § 303 E IRJA55: Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Gegenforderung (auch)56 dem neuen Gläubiger gegenüber zur Aufrechnung bringen, es sei denn, daß ihm die Uebertragung zu der Zeit bekannt war, in welcher er die Gegenforderung erworben hat. Die Aufrechnung findet nicht statt, wenn die Gegenforderung erst nach dieser Zeit und später als die übertragene Forderung fällig gewesen ist.
52 Vgl. hierzu die Materialien zu §§ 404–411 BGB bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 792 ff. 53 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 797. 54 In der Sitzung vom 14. September 1891, Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 798. 55 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 798 und IX: § 303 E I-RJA = BGB-Entwurf in der Paragraphenzählung des E I nach den Beschlüssen der Vorkommission des Reichsjustizamtes (1891–1893). 56 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 798, dortige Anm. 5: „Das Wort ,auch‘ ist erst im Antrag von Struckmann in der 2. Kommission enthalten.“
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4. Die Beratungen der Zweiten Kommission Die zweite Kommission nahm den Antrag von Struckmann an, die Bestimmung des § 303 durch die – oben wiedergegebene57 – Regelung des § 303 E IRJA zu ersetzen58. Keine Zustimmung fand dagegen von Mandry mit dem Antrag59, (Satz 1 wie Antrag Struckmann) . . . es sei denn, dass in dem Zeitpunkte, in welchem dem Schuldner die Uebertragung bekannt wurde, die Aufrechnung demselben nicht möglich war. Satz 2 streichen.
Durch die Annahme des § 303 E I-RJA sollte der Entwurf in zwei Beziehungen sachlich geändert werden60. Zum einen sollte danach der Gläubiger die Beweislast bezüglich der Kenntnis des Schuldners von der Übertragung tragen. Diese Änderung sei im Hinblick auf die gleiche Beweislastregelung in § 30461 vorgenommen worden. Andererseits werde die Aufrechnung in Satz 2 in gleicher Weise und aus denselben Gründen wie bei § 286 beschränkt. Die Zweite Kommission verabschiedete in der Beratung zu § 286 (dem späteren § 392 BGB) folgende Fassung einschließlich der Zusatzbestimmung in Satz 262: Die Beschlagnahme einer Forderung schließt die Befugniß des Schuldners zur Aufrechnung gegenüber demjenigen, für welchen die Beschlagnahme erfolgt ist, nicht aus, es sei denn, daß der Schuldner die Gegenforderung erst nach der Beschlagnahme erworben hat. Die Aufrechnung findet nicht statt, wenn die Gegenforderung erst nach dieser Zeit und später als die beschlagnahmte Forderung fällig geworden ist.
Man erwog hierzu, dass es dem Schuldner nicht erlaubt werden dürfe, sich ein Recht zur Aufrechnung zu verschaffen, indem er die ihm obliegende Erfüllung der Forderung bis zur Fälligkeit der Gegenforderung verzögere. Planck führt in seiner „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs“ als beschlossene Regelung des § 303 Abs. 1 auf 63: 57
Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 3. Protokolle, 2. Komm., S. 391 = Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 800 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 579. 59 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 800. 60 Protokolle, 2. Komm., S. 391 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 579. 61 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 62 Protokolle, 2. Komm., S. 373 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 567; vgl. auch die Materialien zu § 392 BGB bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 705 ff.; die Vorkommission des Reichsjustizamtes verwies bei den Ausführungen zu § 286 auf die Beratung des § 303 (des späteren § 406 BGB), Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 709. 63 Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. IX, 800. 58
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1. Kap.: Entstehungsgeschichte des § 406 BGB Ist die Uebertragung durch Abtretung oder Kraft Gesetzes erfolgt, so kann der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Gegenforderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber zur Aufrechnung bringen, es sei denn, daß er die Gegenforderung erst, nachdem er von der Uebertragung Kenntnis erhalten hat, erworben hat. Die Aufrechnung findet nicht statt, wenn die Gegenforderung erst nach jenem Zeitpunkt und später als die übertragene Forderung fällig geworden ist.
In der Redaktionskommission der Zweiten Kommission wurde § 303 dahingehend formuliert64: Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Gegenforderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber zur Aufrechnung bringen, es sei denn, daß er die Gegenforderung erworben hat, nachdem er von der Abtretung Kenntniß erlangt hatte, oder daß die Gegenforderung erst nach Erlangung dieser Kenntniß und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
§ 349 (I 303) des Zweiten Entwurfs erhielt folgende Fassung65: Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, daß er die Forderung erworben hat, nachdem er von der Abtretung Kenntniß erlangt hat, oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntniß und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
Dagegen lautet § 349 in der Wiedergabe bei Mugdan66: Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es denn, daß er bei dem Erwerber67 der Forderung Kenntniß von der Abtretung hatte*) oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntniß und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. *) Im Entw. II heißt es: „daß er die Forderung erworben hat, nachdem er von der Abtretung Kenntniß erlangt hat“.
Als § 400 (I 303, II 349) E II rev wurde die Vorschrift Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, daß er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntniß hatte oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntniß und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
dem Bundesrat68 und später dem Reichstag69 vorgelegt. Sie wurde ohne Aussprache angenommen70. 64
Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. IX, 800 f. Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Zweite Lesung, S. 110. 66 Mugdan, Materialien zum BGB, S. XXII; vgl. auch Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 801: dort wird § 349 E II im gleichen Wortlaut wie der zuvor zitierte amtliche Text wiedergegeben. 67 Richtig: „Erwerbe“. 65
§ 2 Kritik und Würdigung
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Schließlich lautet § 406 BGB71: Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
§ 2 Kritik und Würdigung Die Gesetz gewordene Fassung des § 406 BGB verdient, wie in Rechtsprechung und Literatur bereits hervorgehoben, hinsichtlich ihres Wortlautes Kritik. Ein Redaktionsversehen bei der Formulierung der zweiten Alternative des zweiten Halbsatzes liegt nicht vor. I. Wortlaut des § 406 BGB Der Wortlaut des § 406 BGB ist schwer verständlich72 oder undeutlich73 formuliert. Die schwer lesbare Fassung lässt sich zum einen auf die Regelung der Beweislast zurückführen74. Die Erste Kommission ging davon aus, dass der Schuldner die Beweislast dafür trage, dass ihm die Forderung zu der bestimmten Zeit schon zugestanden habe75. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes vertrat danach die Auffassung, dass die Beweislast geändert werden müsse76. Es müsse dem Schuldner bewiesen werden, dass er zur in Betracht kommenden Zeit Kenntnis von der Übertragung besessen habe. Daraufhin gab die Vorkommission dem § 303 erstmalig eine negative Fassung, indem der zweite Halbsatz mit den Worten „es sei denn, dass“ eingeleitet wurde. Diese Formulierung der
68 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, in der Fassung der Bundesrathsvorlagen, S. 69. 69 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der dem Reichstag gemachten Vorlage, S. 85. 70 Erste, zweite und dritte Berathung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs im Reichstage, S. 288, 832. 71 Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (RGBl. 195), in Kraft getreten am 1. Januar 1900. 72 Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 592; Medicus, Schuldrecht, Rn. 738; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (243); Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 639. 73 BGHZ 19, 153 (157); Fricke, NJW 1974, S. 1362; Heck, Schuldrecht, § 67, 5, S. 205. 74 BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 2, 10; Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5, S. 293; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 6; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 639. 75 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 76 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 3.
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1. Kap.: Entstehungsgeschichte des § 406 BGB
Vorkommission (§ 303 E I-RJA) wurde von der Zweiten Kommission angenommen. Damit sollte die Beweislast im Hinblick auf die gleiche Regelung in § 304 (dem späteren § 407 BGB) geändert werden. Der Gläubiger sollte die Beweislast bezüglich der Kenntnis des Schuldners von der Abtretung tragen77. Danach ist die negative Formulierung, welche die Beweislastverteilung regeln soll, in den weiteren Entstehungsstadien des § 406 BGB beibehalten worden. Indem bei den Beratungen der Zweiten Kommission die Alternativen des zweiten Halbsatzes in negative Ausnahmetatbestände gefasst wurden, wird der Schuldner durch diese Beweislastumkehr begünstigt, zugleich aber der Text kompliziert78. § 406 BGB lässt als Ausnahmevorschrift eine Aufrechnung zu, obwohl die Gegenseitigkeit der Forderungen fehlt, regelt dabei aber nur die Ausnahmen von der Aufrechnungsmöglichkeit deutlich und hebt sie derart hervor, dass sich die Ausnahmetatbestände nur schwer verstehen lassen79. Ferner ist ein Grund für die schwere Verständlichkeit des § 406 BGB darin zu erblicken, dass diese Vorschrift zwei verschiedene Gedanken für die Aufrechnung verfolgt, die teilweise § 404 und teilweise § 407 erweitern80. Wenn man den durch § 406 BGB gewährten Schuldnerschutz betrachtet, so zeigt sich, dass hierin die Schutzrichtungen des § 404 BGB und § 407 BGB miteinander verbunden werden81. Durch diese Zusammenfassung verschiedener Gesichtspunkte wird die Fassung des § 406 BGB undeutlicher. II. Redaktionsversehen bei § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB § 406 BGB regelt in den beiden Alternativen des zweiten Halbsatzes, in welchen Fällen eine Aufrechnung durch den Schuldner nicht möglich ist82. Gegen eine Fallkonstellation des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB wird in der Literatur Kritik erhoben83: Der Schuldner hat – vor oder nach der Abtretung –, aber in Unkenntnis der Abtretung, eine Gegenforderung gegen den bisherigen Gläubiger erworben, welche nach der abgetretenen Hauptforderung und vor der Kenntnis des Schuldners von der Abtretung fällig wird. Die Aufrechnung ist zugunsten des Schuldners möglich, weil § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB nicht eingreift. Hiernach ist sie nur dann ausgeschlossen, wenn die Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist84. 77
Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4. Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 6. 79 Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 639. 80 BGHZ 19, 153 (157); Heck, Schuldrecht, § 67, 5, S. 205; Medicus, Schuldrecht, Rn. 738; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 636 ff.; vgl. unten Drittes Kapitel § 7 III. 1. 81 Vgl. unten Drittes Kapitel § 7 III. 1. 82 Vgl. unten Zweites Kapitel § 4 II. 83 Blomeyer, Schuldrecht, S. 277; Planck/Siber, § 406 Ziff. 1b), b), S. 574; vgl. auch BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 14; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 21. 78
§ 2 Kritik und Würdigung
33
Skizze Nr. 1: Fälligkeit der Gegenforderung vor Kenntnis (§ 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB)
| Erwerb der Gegenforderung (alternativ)
|
|
|
Abtretung der Hauptforderung
Erwerb der Gegenforderung (alternativ)
Fälligkeit der Hauptforderung
| Fälligkeit der Gegenforderung
| Kenntnis der Abtretung
Siber kritisiert bei der oben geschilderten Fallkonstellation als sachlich unberechtigt, dass der Schuldner in seinem Glauben geschützt werde, dass er mit der (vor oder nach Abtretung) erworbenen Gegenforderung aufrechnen könne, nachdem er die Erfüllung der abgetretenen Forderung unterlassen habe85. Er sieht hierin einen Widerspruch zum Standpunkt der Zweiten Kommission zu § 392 BGB86 (dem damaligen § 286 E I) und zu dem von ihr verabschiedeten Antrag zu § 406 BGB (dem damaligen § 303)87. Insoweit geht Siber bei der Fassung des § 406 BGB von einem Redaktionsfehler aus. Im Anschluss daran vertritt auch Blomeyer die Ansicht, dass eine falsche Formulierung der Ausnahme des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB vorliege, die offenkundig auf einem Redaktionsversehen beruhe88. Aus den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich jedoch kein Redaktionsfehler im Sinne von Siber und Blomeyer erkennen. Ausgangspunkt der Untersuchung ist der von der Zweiten Kommission verabschiedete Antrag, welcher der Fassung des § 303 E I-RJA entspricht. Diese – noch aus zwei Sätzen bestehende – Regelung erklärt eine Aufrechnung durch den Schuldner für unzulässig, wenn die in Unkenntnis von der Abtretung erworbene Gegenforderung erst nach dem Erwerbe (wie in § 392 nach der Beschlagnahme) und nach der abgetretenen Forderung fällig wird89. Mithin liegt einer der wesentlichen Zeitpunkte beim Erwerb der Gegenforderung. Die Protokolle führen aus, dass die Aufrechnung in gleicher Weise und aus denselben Gründen wie bei § 286 beschränkt werde90. 84 Vgl. unten Zweites Kapitel § 4 II. 2.: Diese Fallkonstellation entspricht bei den unten dargestellten Fällen der 1. und 2. Gruppe der zweiten Alternative jeweils Ziffer (3). 85 Planck/Siber, § 406 Ziff. 1b), b), S. 574. 86 Protokolle, 2. Komm., S. 374 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 567; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4.; vgl. auch die Materialien zu § 392 BGB bei Jakobs/ Schubert, Beratung des BGB, S. 705 ff. 87 Protokolle, 2. Komm., S. 391 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 579; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4. 88 Blomeyer, Schuldrecht, S. 277. 89 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 3.; so der Ansatzpunkt von Planck/Siber, § 406 Ziff. 1b), b), S. 574.
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1. Kap.: Entstehungsgeschichte des § 406 BGB
Ingesamt ergibt sich, dass – sowohl nach dem Wortlaut des § 303 E I-RJA als auch nach dem Willen der Vorkommission des Reichsjustizamtes und der ursprünglichen Beschlussfassung der Zweiten Kommission – der Zeitpunkt des Erwerbs der Gegenforderung als maßgeblich angesehen wurde. Insoweit heben Siber und Blomeyer zu Recht diesen Umstand hervor91. Es überzeugt aber nicht, wenn Siber und Blomeyer bei der danach entstandenen Fassung des § 406 BGB von einem Redaktionsversehen ausgehen. Gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB ist die Gegenforderung u. a. dann nicht aufrechenbar, wenn ihre Fälligkeit nach Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und nach der abgetretenen Forderung eingetreten ist. Siber erblickt hierin lediglich einen Redaktionsfehler, der durch misslungene Zusammenziehung der zwei Sätze des von der Zweiten Kommission verabschiedeten Antrags entstanden sei92. Dieser Fehler lasse sich nicht durch Auslegung, sondern nur durch eine, bei bloßen Redaktionsfehlern zulässige, Korrektur des Gesetzestextes beheben. Blomeyer spricht sich für eine Auslegung des § 406 BGB mit dem Inhalt des Beschlusses der Zweiten Kommission aus93. Jedoch zeigt sich folgendes Bild, wenn man in der weiteren Entwicklung die Regelung des § 303 E I-RJA dem § 303 Abs. 1 gegenüberstellt, wie er in der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs“ gestaltet ist: Beide Fassungen bestehen aus zwei Sätzen, d. h. es ist noch keine Zusammenziehung der Vorschrift zu einem Satz erfolgt, wie es erstmalig im Beschluss der Redaktionskommission zu § 303 geschieht94 und danach bei allen folgenden Regelungen bestehen bleibt. Es findet sich aber hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts ein deutlicher Formulierungsunterschied zwischen § 303 S. 1 Hs. 2 und S. 2 des E I-RJA95 und § 303 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 und S. 2 der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse“ der Zweiten Kommission96. Daraufhin wird in der Redaktionskommission der Zweiten Kommission § 303 in einem Satz formuliert und der hier interessierende Teil als Nebensatz gefasst97. Bei der beschriebenen Entwicklung ist ein „offenkundiger“ Redaktionsfehler des Inhalts, dass zwei Sätze des Antrags zu § 303 falsch zusammengezogen worden wären, nicht ersichtlich. Entgegen der Kritik von Siber ist nicht lediglich die – aus zwei Sätzen bestehende – Fassung des § 303 E I-RJA zu einem 90
Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4. Blomeyer, Schuldrecht, S. 277; Planck/Siber, § 406 Ziff. 1b), b), S. 574; vgl. auch BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 14. 92 Planck/Siber, § 406 Ziff. 1b), b), S. 574. 93 Blomeyer, Schuldrecht, S. 277. 94 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4. 95 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 3. 96 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4. 97 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4. 91
§ 2 Kritik und Würdigung
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Satz in den späteren Regelungen verkürzt worden. Vielmehr findet sich in der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse“ der Zweiten Kommission eine zwei Sätze umfassende, jedoch inhaltlich abweichende Neuformulierung des § 303. Diese lässt – zumindest – ein Verständnis der Vorschrift dahingehend zu, dass mit „nach jenem Zeitpunkt“ in Satz 2 derjenige gemeint ist, „nachdem er (der Schuldner) von der Uebertragung Kenntnis erhalten hat“, und nicht mehr der Zeitpunkt des Erwerbs der Gegenforderung. Ob die Zweite Kommission eine derartige inhaltliche Änderung gewollt hat, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Jakobs/Schubert weisen darauf hin, dass die vom Generalreferenten Planck gefertigte „Vorläufige Zusammenstellung“ keine Begründung enthält und sich auf die sachlichen Beschlüsse beschränkt98. Die Umformulierung dürfte aber die Ursache dafür sein, warum der – nach den Protokollen der Zweiten Kommission – ursprüngliche gewollte Zeitpunkt „Erwerb der Gegenforderung“ sich gewandelt hat in den Zeitpunkt „Erlangung der Kenntnis von der Abtretung“. Denn vom geänderten Inhalt des § 303 der „Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse“ der Zweiten Kommission wurde über die Vorschriften der §§ 349 E II, 400 E II rev in § 406 BGB – nunmehr in einem Satz – als entscheidender Zeitpunkt normiert „es sei denn, . . . dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.“. Der Gesetzeswortlaut ist diesbezüglich eindeutig. Wenn die Gegenforderung vor der Kenntnis des Schuldners fällig wird, ist es nicht erheblich, ob sie vor oder nach der abgetretenen Hauptforderung fällig wird99. Da ein Redaktionsfehler der von Siber und Blomeyer beschriebenen Art nicht feststellbar ist, ergibt sich auch kein Anhalt für die von ihnen vertretene Korrektur des Gesetzestextes. Siber schlägt vor, falls man ein Redaktionsversehen verneint, eine Aufrechnungsbefugnis des Schuldners gemäß § 242 BGB zumindest dann abzulehnen, wenn er die Erfüllung der abgetretenen Forderung mit dem Ziel, eine Aufrechnungsberechtigung zu erwerben, absichtlich verzögert habe100. Es ist jedoch nicht erkennbar, inwieweit in Anbetracht des eindeutigen Gesetzeswortlauts hierfür Raum gegeben sein könnte.
98
Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 17. BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 14; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (251; 268, Fn. 60); Staudinger/Busche, § 406 Rn. 21, welcher dieses Ergebnis aufgrund des Schutzzwecks von § 406 BGB für bedenklich hält. 100 Planck/Siber, § 406 Ziff. 1b), b), S. 574. 99
Zweites Kapitel
Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB § 3 Begriffe und Aufbau I. Bestimmung der Begriffe Zunächst sind die im Rahmen des § 406 BGB relevanten Begriffe zu bestimmen1. Als Ausgangspunkt hierfür dient folgende Skizze, welche die beteiligten Personen und relevanten Forderungen im Rahmen einer Rechtsbeziehung des § 406 BGB wiedergibt: Skizze Nr. 2: Rechtsbeziehungen bei § 406 BGB Gegenforderung S
G1 Hauptforderung
§ 398 BGB Hauptforderung Gegenforderung ⇒ Aufrechnung gem. § 406 BGB?
G2
1
Zur Begriffsbestimmung vgl.: Metzler, Aufrechnung nach Übertragung, S. 1 ff.
§ 3 Begriffe und Aufbau
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Der „bisherige Gläubiger“ (= G1) hat – wie in Skizze Nr. 2 dargestellt – seine Forderung gegen den Schuldner (= S) an den „neuen Gläubiger“ (= G2) abgetreten. Dem Schuldner steht im Gegenzug eine Forderung gegen den bisherigen Gläubiger zu, die er möglicherweise dem neuen Gläubiger gegenüber zur Aufrechnung bringen kann. Wenn zwei Personen einander gleichartige Leistungen schulden, kann gemäß § 387 BGB jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Diese gegenseitigen Forderungen tragen folgende Bezeichnung: Eine davon wird die „Forderung, gegen die aufgerechnet wird“ genannt. Bei der anderen handelt es sich um die „Forderung, die aufgerechnet wird“. Eine gleichlautende Formulierung findet sich auch in § 390 BGB, wonach eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, nicht aufgerechnet werden kann. Für die gegenseitigen Forderungen sind unterschiedliche Begriffe gebräuchlich. Die Forderung, gegen die aufgerechnet wird, wird als „Hauptforderung“2 oder „Passivforderung“3 bezeichnet. Diese Forderung heißt in den nachstehenden Ausführungen „Hauptforderung“. Bezogen auf die Fallkonstellation des § 406 BGB ist die Hauptforderung diejenige, die ursprünglich G1 gegen S zustand und die er später an den G2 abtritt (vgl. Skizze Nr. 2). Für die Forderung, die aufgerechnet wird, sind die Begriffe „Gegenforderung“4, „Aufrechnungsforderung“5 oder „Aktivforderung“6 möglich. Im heutigen Sprachgebrauch wird oftmals die Formulierung „die Forderung, mit der aufgerechnet wird“ verwendet7. Diese Forderung wird im Folgenden mit dem Begriff „Gegenforderung“ bezeichnet. Wie in Skizze Nr. 2 dargestellt, steht die Gegenforderung dem S gegenüber dem G1 zu, und es ist fraglich, ob er diese auch gegenüber dem G2 zur Aufrechnung bringen kann. Ferner verdeutlicht die vorstehende Graphik die Rechtsbeziehungen zwischen den drei beteiligten Personen: S ist der Schuldner (debitor cessus) der Hauptfor2 von Feldmann, JuS 1983, S. 357; Lüke/Huppert, JuS 1971, S. 165 (166); Metzler, Aufrechnung nach Übertragung, S. 4; Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 1; Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 100. 3 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT I 1, § 18 III 1. a), S. 298; Larenz, Schuldrecht I AT, § 18 VI 4, S. 258; Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 1; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 531; Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 100. 4 von Feldmann, JuS 1983, S. 357; Lüke/Huppert, JuS 1971, S. 165 (166); Medicus, Schuldrecht, Rn. 267; Metzler, Aufrechnung nach Übertragung, S. 4; Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 1; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 c), S. 91; Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 119. 5 Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 119. 6 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT I 1, § 18 III 1 a), S. 298; Medicus, Schuldrecht, Rn. 267; Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 1; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 531; Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 119. 7 Vgl. ausführlich: Metzler, Aufrechnung nach Übertragung, S. 1 f. m.w. N.; vgl. aus neuerer Zeit: BGHZ 58, 327 (330); BGH, NJW 2002, S. 2865; OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540); Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 10.
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
derung. Die Hauptforderung steht ursprünglich G1 als dem „bisherigen Gläubiger“ i. S. d. § 398 S. 2 BGB zu, der auch Altgläubiger oder Zedent genannt wird8. G2 hat die Stellung des „neuen Gläubigers“, auch bezeichnet als Neugläubiger oder Zessionar9. Der Schuldner S darf unter den Voraussetzungen des § 406 BGB die Aufrechnung gegenüber dem Zessionar erklären. Seine Rechtsstellung kann als Aufrechnungsmöglichkeit10 oder auch Aufrechnungsbefugnis11 bezeichnet werden. II. Aufbau und Beweislastverteilung bei § 406 BGB Der Aufbau des § 406 BGB wird bestimmt durch eine Unterteilung in zwei Halbsätze. Gemäß § 406 Hs. 1 BGB kann der Schuldner grundsätzlich mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehenden Gegenforderung gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen. Hierdurch wird das Interesse des Schuldners gewährleistet, durch Aufrechnung gegenüber dem Zedenten von seiner Gegenforderung frei zu werden12 Mit den Worten „es sei denn, dass“ werden zwei Ausnahmen von der Aufrechnungsbefugnis eingeleitet13. Der Schuldner hat bei Einschlägigkeit dieser Alternativen keine Aufrechnungsbefugnis, sodass der Zessionar sein Interesse wahrnehmen kann, die zedierte Hauptforderung beim Schuldner einzuziehen. Die Regel-Ausnahme-Struktur des § 406 BGB findet ihre Rechtfertigung in dem gerechten Interessenausgleich zwischen Schuldner und Zessionar14. Eine übliche Zitierweise besteht darin, den mit den Worten „es sei denn, dass“ eingeleiteten Ausnahmetatbestand des § 406 BGB als „Halbsatz 2“ zu bezeichnen. Die erste Ausnahme „es sei denn, dass er bei dem Erwerbe der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte“ kann als „erste Alternative des zweiten Halbsatzes“ (= § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB) wiedergegeben werden. Der zweite Fall – „es sei denn, . . . dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist“ – 8 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT I 2, § 37 I 1, S. 304; Lüke, JuS 1995, S. 90; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 2; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 20. 9 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT I 2, § 37 I, S. 303; Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 I, S. 575; Medicus, Schuldrecht, Rn. 710; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 2. 10 Bacher, JA 1992, S. 200 (202); Habermeier, JuS 1997, S. 1057; Larenz, Schuldrecht I AT, § 18 VI, S. 255; Lüke/Huppert, JuS 1971, S. 165 (166); Medicus, Schuldrecht, Rn. 263; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 533. 11 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT I 1, § 18 III 2, S. 302; Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 9; Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 7. 12 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (267). 13 Bacher, JA 1992, S. 200 (203); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 13; Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1302); Medicus, Schuldrecht, Rn. 738 f.; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (246); Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 639; Sohm, DJZ 1909, S. 207 (208); Staudinger/Busche, § 406 Rn. 20, 50. 14 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (267).
§ 3 Begriffe und Aufbau
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wird zitiert als „zweite Alternative des zweiten Halbsatzes“ (= § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB)15. Die Voraussetzungen, unter denen eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners ausgeschlossen ist, sind in § 406 BGB nicht positiv gefasst, sondern werden im zweiten Halbsatz als Ausnahmetatbestände negativ geregelt. Hieraus ergibt sich, dass der neue Gläubiger insoweit die Beweislast trägt16. Die Zusammenfassung verschieden gelagerter Fälle und die Umkehr der Beweislast zugunsten des Schuldners bewirken, dass die Formulierung des § 406 BGB komplizierter und teilweise undeutlicher ist17. Der Erste Entwurf des § 303 hatte – anders als die negativ gefasste Regelung des Zweiten Entwurfs – hinsichtlich der ersten Alternative noch einen deutlicheren Wortlaut18. Im weiteren Verfahren hat der Gesetzgeber bewusst die Fassung gewählt, welche zur geltenden Beweislastregelung führte19. Die Zweite Kommission änderte den bestehenden Entwurf von § 303 dahingehend, dass der Gläubiger die Beweislast bezüglich der Kenntnis des Schuldners von der Abtretung tragen sollte. Diese Änderung wurde im Hinblick auf die gleiche Beweislastregelung in § 304 (der spätere § 407 BGB) vorgenommen20. Die Beweislast ist in § 406 BGB wie folgt verteilt: Der Schuldner muss die Voraussetzungen dafür beweisen, dass er nach dem Grundsatz der Vorschrift zur Aufrechnung befugt ist21. Zu diesen Umständen gehört zunächst, dass und wann der Schuldner die Gegenforderung erworben hat22. Dass auch der Erwerbszeitpunkt der Gegenforderung in die Beweislast des Schuldners fällt, findet eine Begründung darin, dass der Schuldner diesem Ereignis nahe steht und Zedent sowie Zessionar mangels Beteiligung am Erwerb kein sicheres Wissen hinsichtlich der maßgebenden Vorgänge haben können23. Auch erscheint es unbillig, wenn der Zessionar beweisen müsste, wann der Schuldner die zur Aufrechnung gebrachte Gegenforderung erlangt hat24. Der Zessionar oder auch der Zedent kann den Erwerbszeitpunkt beispielsweise dann nur unter Schwierigkeiten be15 Bacher, JA 1992, S. 200 (203); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 10; Schwarz, WM 2001, S. 2185; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 638 f. 16 BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 10, 22; Palandt/Heinrichs, § 406 Rn. 6. 17 BGHZ 19, 153 (157); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 2; Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5, S. 293; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 6; vgl. auch oben Erstes Kapitel § 2 I. 18 BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 10; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 19 BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 22. 20 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 4. 21 Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 8; Jauernig/Stürner, § 406 Rn. 6; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 50. 22 RG, SeuffArch 87 (1933), Nr. 171 (S. 331); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 22; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 12; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 6. 23 RG, SeuffArch 87 (1933), Nr. 171 (S. 331). 24 BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 22.
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
weisen, wenn der Schuldner seinerseits durch eine Abtretung Inhaber der Gegenforderung geworden ist. Weiterhin soll die Fälligkeit der Gegenforderung ebenfalls zur Beweislast des Schuldners gehören25. Hierfür spricht, dass dieser Umstand – ebenso wie der Erwerbszeitpunkt der Gegenforderung – in die Sphäre des Schuldners fällt und von der Gegenpartei schwieriger zu beweisen sein dürfte. Der neue Gläubiger trägt die Beweislast dafür, dass eine Ausnahme gegeben ist, die einer Aufrechnung des Schuldners entgegensteht26. Die zu beweisenden Tatbestandsvoraussetzungen umfassen bei der ersten Alternative, dass die Gegenforderung erst nach der Abtretung vom Schuldner erworben wurde und dieser dabei Kenntnis von der Abtretung hatte. Bei der zweiten Alternative muss der Zessionar beweisen, dass die Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden ist27. Dass der Zessionar den Beweis erbringen muss, wann der Schuldner Kenntnis von der Abtretung bekommen hat, erscheint nicht allzu schwierig28. Denn der Zedent oder der Zessionar haben regelmäßig selbst Einfluss darauf, dem Schuldner die Abtretung anzuzeigen und auf diese Weise den Zeitpunkt seiner Kenntnis zu bestimmen. Die Beweislast wird aber nur im Verhältnis zwischen dem Zessionar und dem Schuldner festgelegt. Aus § 406 BGB ergibt sich keine Beweislastregelung im Verhältnis zwischen dem Schuldner und einem Dritten, wenn der Schuldner seine Kenntnis von der Abtretung beim Erwerb der Gegenforderung eingeräumt hat29. Wenn sich der Schuldner gegenüber einem Dritten, z. B. einem Auftraggeber, darauf beruft, dass er die Abtretung der Hauptforderung gekannt habe, und hieraus folgt, dass er mangels Aufrechnungsmöglichkeit keinen Vorteil (Befreiung von einer Verbindlichkeit) erlangt hat, dann kann sich der Dritte nicht auf die Beweislastverteilung in § 406 BGB berufen. Der Schuldner wäre sonst gehalten, den negativen Beweis seiner Unkenntnis zu führen, welcher für ihn in der Regel schwierig zu erbringen ist.
25
Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 12. OLG Hamm, NJW-RR 1989, S. 51 f. zur Beweislast bei der 1. Alt.: BGBRGRK/Weber, § 406 Rn. 22; Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 8; Jauernig/Stürner, § 406 Rn. 6; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 50. 27 Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 8; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 50; vgl. auch Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 12. 28 RG, SeuffArch 87 (1933), Nr. 171 (S. 331). 29 OLG Hamm, NJW-RR 1989, S. 51 f.; Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 8; Jauernig/Stürner, § 406 Rn. 6; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 51. 26
§ 3 Begriffe und Aufbau
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III. Vorausabtretung Insbesondere auch bei einer Vorausabtretung mit ihren unterschiedlichen Konstellationen stellt sich die Frage, inwiefern der Schuldner nach § 406 BGB geschützt wird. 1. Anwendung des § 406 BGB a) Bei einer Vorausabtretung wird eine erst künftig entstehende Forderung im Voraus zediert30. Die Abtretung einer solchen Forderung ist nach allgemeiner Ansicht möglich31. Die Abtretung der künftigen Forderung setzt voraus – wie allgemein bei der Zession –, dass diese hinreichend bestimmt oder zumindest individuell bestimmbar ist32. Hinreichend ist dafür, wenn die Forderung spätestens bei ihrem Entstehungszeitpunkt hinsichtlich Gegenstand und Umfang bestimmbar ist, also die Einzelforderung, welche aufgrund der Abtretung konkret beansprucht wird, genügend individualisierbar ist33. Dies ist gegeben, wenn im Zeitpunkt der Abtretung der anspruchsbegründende Tatbestand (Rechtsgrund) für die künftige Forderung schon wirksam geschaffen ist. Es genügt aber bereits, wenn das Rechtsverhältnis oder die Rechtsgrundlage, aus der der künftige Anspruch entstehen soll, noch nicht existiert, aber die zukünftige Entstehung der Forderung als möglich angenommen wird34. Nicht schädlich ist es, wenn die Person des künftigen Schuldners im Abtretungszeitpunkt noch ungewiss ist35. Bei der Vorauszession ergibt sich die Schwierigkeit, dass im Unterschied zu dem Leitbild der §§ 398 ff. BGB der Abschlusstatbestand der Abtretung, d.h. der Verfügungstatbestand, und die Verfügungswirkung auseinanderfallen36. Es 30 BGHZ 88, 205 (206); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 398 Rn. 79; Pagenkopf, Abtretung künftiger Forderungen, S. 7; Schenck, Abtretung künftiger Forderungen, S. 28; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 63. 31 RGZ 55, 334 (335 f.); BGHZ 7, 365; 108, 98 (104); Grünebaum, DJZ 1905, S. 801 (802); Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 III, S. 584; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 398 Rn. 79; Pagenkopf, Abtretung künftiger Forderungen, S. 9; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 63; von Tuhr, DJZ 1904, S. 426 (428 f.). 32 RGZ 98, 200 (202); BGHZ 26, 185 (186); Pagenkopf, Abtretung künftiger Forderungen, S. 74; Soergel/Zeiss, § 398 Rn. 5; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 64. 33 BGHZ 7, 365 (368 f.); BGH, NJW 1985, S. 800 (802); Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 III, S. 584; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 398 Rn. 67; Pagenkopf, Abtretung künftiger Forderungen, S. 74. 34 RGZ 55, 334; BGH, NJW 1965, S. 2197; Münchener Kommentar zum BGB/ Roth, § 398 Rn. 79; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 64. 35 BAG, NJW 1967, S. 751; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 398 Rn. 81; Soergel/Zeiss, § 398 Rn. 5; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 64. 36 BGHZ 88, 205 (206); Lieb, Das künftige Recht, S. 129; Schenck, Abtretung künftiger Forderungen, S. 47; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 63.
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
handelt sich bei der Vorauszession um einen Gesamttatbestand, der zeitlich gestreckt erfolgt und zweigliedrig ist37. Nachdem die Vorausabtretung, d.h. die Verfügung als solche, erfolgt ist, erlangt der Zessionar die – künftige – Forderung erst mit ihrer Entstehung. Erst dann ist die Abtretung wirksam und der Rechtserwerb vollendet38. Die Abtretung künftiger Forderungen wird im Wesentlichen relevant für Sicherungszwecke. Hauptfälle einer Vorausabtretung zur Sicherheit sind zunächst die Sicherungsabtretung zugunsten eines Kreditgebers und der sog. verlängerte Eigentumsvorbehalt39. Bei der Sicherungsabtretung überträgt der Zedent, d.h. der Gläubiger der abzutretenden Forderung, eine Forderung an den Zessionar, weil er seinerseits in dessen Schuld steht und ihm eine Sicherung für die Forderung gegen ihn, den Zedenten, verschaffen will40. Die Sicherungsabtretung stellt in der Form der Globalzession41 das Sicherungsmittel überwiegend des Geldkreditgebers dar. Dabei werden künftige Forderungen zur Sicherheit abgetreten und zwar umfassend unter einer Gesamtbezeichnung, d.h. eine Gesamtheit von Forderungen – alle Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb des Sicherungsgebers – oder eine Vielfalt von Forderungen – aus bestimmten, von ihm zu tätigenden Geschäften. Ein weiterer Fall der Sicherungsabtretung künftiger Forderungen ist der sog. verlängerte Eigentumsvorbehalt42, mit dem sich typischerweise der Warenkreditgeber absichert. Der Vorbehaltsverkäufer vereinbart mit dem Käufer der Vorbehaltsware, dass die Forderungen, welche der Käufer durch die Weiterveräußerung der Ware gegenüber seinen Abnehmern erlangt, an ihn vollständig oder in bestimmter Höhe zur Sicherheit abgetreten werden. Ferner ist das Factoring43 als ein Hauptfall der Abtretung künftiger Forderungen zu erwähnen. An den Factor (= Zessionar), welcher das Factoringgeschäft betreibt, werden Forderungen seines Anschlusskunden (= Zedent oder Gläubi37 BGHZ 30, 238 (240); Pöggeler in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 II, S. 113. 38 BGHZ 30, 238 (239 f.); BGH, NJW 1995, S. 1668 (1671); Grünebaum, DJZ 1905, S. 801 (802); Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 III, S. 585; Pöggeler in: Nörr/ Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 II, S. 113; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 71; von Tuhr, DJZ 1904, S. 426 (427). 39 Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 III, S. 585; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 68. 40 Hiemsch, Kollision von Vorausabtretungen, S. 4; Medicus, Schuldrecht, Rn. 723; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 398 Rn. 100. 41 Hiemsch, Kollision von Vorausabtretungen, S. 16; Hennrichs, JZ 1993, S. 225; Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 V a), S. 596; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 398 Rn. 145; Schwerdtner, NJW 1974, S. 1785. 42 Hennrichs, JZ 1993, S. 225; Larenz, Schuldrecht II/1, § 43 II e) 1., S. 123; Medicus, JuS 1967, S. 386; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 398 Rn. 94. 43 Brink in: Handbuch des Factoring, Nr. 2.1; Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 III, S. 585; Martinek, Moderne Vertragstypen, § 9 I, S. 222; Pöggeler in: Nörr/Scheyhing/ Pöggeler, Sukzessionen, § 13 I 1 u. 2, S. 158 f.; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 68, Einl zu §§ 398 ff Rn. 136.
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ger) gegen ein vom Factor zu entrichtendes Entgelt abgetreten. Der Factor soll die Forderungen gegen den Schuldner (= debitor cessus) einziehen und deren Wert – nach Abzug des Entgeltes – dem Anschlusskunden auszahlen. Hierbei ist zu differenzieren zwischen dem „echten“ Factoring, bei dem der Factor das Risiko der Zahlungsfähigkeit übernimmt (Versicherungs- bzw. Delkrederefunktion), und dem „unechten“ Factoring, wonach bei einer Uneinbringlichkeit der Forderung auf den Zedenten zurückgegriffen werden kann44. Für diese möglichen Konstellationen der Vorausabtretung stellt sich dann – unabhängig von ihrer jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung – die Frage, wie der Schuldner hierbei im Rahmen des § 406 BGB geschützt wird45. So bestand bei dem Sachverhalt, der den Urteilen des OLG Köln vom 3. November 2000 und des BGH vom 26. Juni 200246 zugrunde lag, ein Factoring-Vertrag zwischen dem Warenlieferanten (Zedent) und dem Zessionar (Klägerin), auf Grund dessen zukünftige Forderungen aus Warenlieferungen im Wege der Globalzession abgetreten worden sind. Bei der Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts, welcher sich im Sachverhalt der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 197647 findet, ergibt sich folgende rechtliche Situation48: Der Vorbehaltskäufer zediert die Forderung, die aus dem späteren Weiterverkauf der Ware an seinen Abnehmer erwachsen wird, an den Lieferanten, den Vorbehaltsverkäufer. Neuer Gläubiger ist mithin der Lieferant, der Vorbehaltskäufer ist Zedent und der Abnehmer der Ware hat die Stellung des Schuldners. Problematisch ist dann die Frage, ob der Schuldner dem Lieferanten gegenüber die Aufrechnung mit Forderungen, die er gegen den Vorbehaltskäufer hat, erklären kann. b) In welcher Weise § 406 BGB bei einer Vorausabtretung eingreift, wird von den verschiedenen Auffassungen zum Erwerb einer vorauszedierten Forderung kontrovers beurteilt49. Nach der Unmittelbarkeitstheorie entsteht diese Forderung bei ihrem Entstehen unmittelbar in der Person des Zessionars (sog. Direkterwerb). Hierbei werden die §§ 399 ff. BGB analog angewandt50. Die analoge Anwendung lässt sich damit begründen, dass mangels einer Beschäftigung 44 BGHZ 58, 364 (366); 72, 15 (21 f.); Brink in: Handbuch des Factoring, Nr. 1; Martinek, Moderne Vertragstypen, § 9 III, S. 232; Staudinger/Busche, Einl zu §§ 398 ff Rn. 136, 164. 45 Serick, BB 1982, S. 873; vgl. auch Staudinger/Busche, § 406 Rn. 28. 46 Vgl. unten Drittes Kapitel § 5 III. 47 BGHZ 66, 384; vgl. unten Drittes Kapitel § 5 I. 48 Bülow, JA 1983, S. 7 (12); vgl. nachfolgende Skizze Nr. 3. 49 Zum Meinungsstreit Direkterwerb – Durchgangserwerb vgl.: Larenz, Schuldrecht AT I, § 34 III, S. 586; Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 110 f.; Pagenkopf, Abtretung künftiger Forderungen, S. 116 ff. m.w. N.; Pöggeler in: Nörr/ Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 II, S. 112 ff.; Staudinger/Busche, § 398 Rn. 72 ff. m.w. N.
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB Skizze Nr. 3: Verlängerter Eigentumsvorbehalt und § 406 BGB Gegenforderung
Vorbehaltskäufer (G1)
Abnehmer (S) Hauptforderung aus Weiterverkauf der Ware
Verlängerter Eigentumsvorbehalt ⇒ § 398 BGB Hauptforderung Gegenforderung ⇒Aufrechnung gem. § 406 BGB? Vorbehaltsverkäufer (G2 )
mit der Vorausabtretung in den Materialien zum BGB eine Gesetzeslücke besteht und der Schuldner bei der Antizipation in gleicher Weise schutzbedürftig ist51. Für eine analoge Anwendung spricht ferner der Sinn und Zweck des § 406 BGB als einer Vorschrift des Schuldnerschutzes52. Eine andere Auffassung geht davon aus, dass die im Voraus abgetretene Forderung zunächst für eine „logische Sekunde“ in der Person des Zedenten entsteht und der Zessionar sie nur als sein Rechtsnachfolger erwirbt53. Bei diesem sog. Durchgangserwerb greifen die Vorschriften über die Abtretung direkt ein. Indem diese Ansicht von einem Durchgang durch das Vermögen des Zedenten ausgeht, stellt sie insbesondere die Rechtsposition des Zedenten als Altgläubiger (vgl. §§ 404 ff. BGB) und des Zessionars als dessen Rechtsnachfolger klarer heraus54. Es wird mithin im Ergebnis allgemein bejaht, dass § 406 BGB bei der Vorausabtretung einer Forderung anwendbar ist55. Denn es ist letztlich für das Eingreifen dieser Vorschrift nicht entscheidend, welche rechtliche Konstruktion der 50 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT I 2, § 37 I 3. a), S. 310; Palandt/Heinrichs, § 398 Rn. 12; vgl. BGHZ 66, 384 (385); BGH, NJW 1969, S. 276; vgl. ferner zu den Gesetzgebungsmaterialien unten Drittes Kapitel § 6. 51 Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2188). 52 Jacob, WM 1991 S. 1581 (1582); Schomaker, BB 1969, S. 940; vgl. ferner ausführlich: Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2188). 53 RGZ 55, 334; 136, 100 (102); Egert, Rechtsbedingung, S. 60. 54 Egert, Rechtsbedingung, S. 61.
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Zession zugrunde gelegt wird56. § 406 BGB kann entweder unmittelbar – beim Durchgangserwerb – oder jedenfalls analog – im Falle des Direkterwerbs57 – herangezogen werden. 2. Voraussetzungen der Kenntnis bei Abtretung und Vorausabtretung § 406 BGB setzt in seinem zweiten Halbsatz das Tatbestandsmerkmal der „Kenntnis der Abtretung“ bzw. „Erlangung der Kenntnis“ voraus, um beim Eingreifen der jeweiligen Alternative die Aufrechnung auszuschließen. a) Bei einer Abtretung ist der Begriff der Kenntnis wie in § 407 BGB zu verstehen58. Bezugsgegenstand der Kenntnis sind grundsätzlich nur die Tatsachen, die den Forderungsübergang bewirken59. Es wird darauf abgestellt, ob der Schuldner die Umstände kannte, die vernünftigerweise einen sicheren Schluss auf die Tatsache der Abtretung zuließen60. Gutgläubigkeit des Schuldners liegt vor, wenn er nicht weiß, dass die Rechtswirkungen der Zession eingetreten sind. Erforderlich ist insoweit eine positive Kenntnis des Schuldners. Ein bloßes Kennenmüssen des Schuldners reicht nicht aus und steht der Kenntnis nicht gleich61. Nicht entscheidend ist es, auf welche Weise der Schuldner Kenntnis von der Abtretung erlangt62. Der Tatbestand der Kenntnis liegt auch dann vor, wenn diese zufällig erlangt wurde. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass der Alt- oder Neugläubiger dem Schuldner die Abtretung anzeigt63. Eine Abtre55 OLG Hamburg, JZ 1957, S. 581 (582) mit Anm. Blomeyer; BGH, NJW 1969, S. 276; BGHZ 66, 384 (385); Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 3; Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5, S. 293; Hoffmann, JuS 1967, S. 275 (277); Jacob, WM 1991, S. 1580 (1582); Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 112; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19; von Tuhr, DJZ 1904, S. 426 (430); vgl. auch eingehend zur Anwendung des § 406 BGB auf die Vorausabtretung: Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187 ff.). 56 BGH, NJW 1969, S. 276; BGHZ 66, 384 (385); Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 3; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19; Schomaker, BB 1969, S. 940; Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 68 f. 57 Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Jacob, WM 1991, S. 1581 (1582); Lempenau, Direkterwerb oder Durchgangserwerb, S. 112; von Tuhr, DJZ 1904, S. 426 (430). 58 BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 21; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 9; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 5; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 24. 59 RGZ 102, 385 (387); Coester-Waltjen, Jura 2004, S. 391 (392); Palandt/Heinrichs, § 407 Rn. 6; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 6; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 31. 60 RGZ 74, 117 (119 f.); 88, 4 (6); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 21; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 407 Rn. 14; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 31; Wallraf, Schutz des Schuldners, S. 8. 61 RGZ 88, 4 (6 f.); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 21; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 6; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 27; Wallraf, Schutz des Schuldners, S. 9. 62 RGZ 88, 4 (6 f.); Staudinger/Busche, § 406 Rn. 26. 63 RGZ 52, 141 (143); Staudinger/Busche, § 406 Rn. 26.
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tungsanzeige des Altgläubigers (vgl. § 409 BGB) führt aber in der Regel zur Bösgläubigkeit des Schuldners. Bei einer Mitteilung durch den Neugläubiger wird danach entschieden, ob dieser vertrauenswürdig ist64. b) Bezieht sich die Kenntnis des Schuldners bei einer Abtretung auf den bereits vollzogenen Forderungsübergang, so umfasst dagegen bei einer Vorausabtretung der Gegenstand der Kenntnis verschiedene Ereignisse. Die Strukturunterschiede der beiden Abtretungsformen sind gerade für das Erfordernis der Kenntnis zu beachten65. Die Kenntnis der Abtretung erstreckt sich auf die bereits geschehene Rechtsänderung, d.h. auf den Übergang der Hauptforderung auf den neuen Gläubiger66. Bei einer Vorausabtretung kann der Schuldner dagegen nur Kenntnis davon erwerben, dass der – zukünftige – Gläubiger bereits über die Hauptforderung eine Verfügung dahingehend getroffen hat, dass sie in der Zukunft bei ihrem Entstehen auf den Zessionar übergehen wird bzw. in der Person des Zessionars entsteht67. Bevor nicht die Hauptforderung entstanden ist, erstreckt sich die Kenntnis nicht auf eine erfolgte Rechtsänderung68. Bei dem zweigliedrigen Gesamttatbestand der Vorausabtretung kann sich die Kenntnis des Schuldners also auf zwei getrennte Geschehnisse beziehen, nämlich die Tatsache der Vorausabtretung, d.h. der Verfügung als solcher, und das Entstehen der Hauptforderung. Denn erst mit der Entstehung der Hauptforderung ist die Abtretung wirksam und der Rechtserwerb vollendet69. Die verschiedenen Lösungsansätze zu der Frage, ob die Kenntnis der Vorausabtretung einer Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichsteht, zeigen sich mithin bereits deutlich, wenn man den Begriff der Kenntnis der Vorausabtretung näher bestimmen möchte: Der Bundesgerichtshof lässt bei einer Vorausabtretung die Kenntnis vom Abtretungsgeschäft auch dann genügen, wenn die Forderung noch nicht entstanden ist70. Dagegen ist nach der Ansicht von Serick – unter Heranziehung der Motive zum Ersten Entwurf des BGB – der Begriff der Kenntnis bei einer Vorausabtretung für § 406 BGB zu ergänzen71: Wenn mit der Kenntnis der Abtretung gerade der Forderungsübergang gemeint sei, dann müsse bei einer Vorauszession sich das Wissen auch auf den bereits er64 RGZ 74, 117 (120); BGHZ 102, 68 (74); Coester-Waltjen, Jura 2004, S. 391 (392); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 407 Rn. 16; Palandt/Heinrichs, § 407 Rn. 6; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 33. 65 Vgl. Serick, BB 1981, S. 873 (875). 66 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2190); Serick, BB 1981, S. 873 (875). 67 Vgl. zum Meinungsstreit Direkterwerb – Durchgangserwerb: Oben Zweites Kapitel § 3 III. 1. 68 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2190). 69 Vgl. oben Zweites Kapitel § 3 III. 1. 70 BGH, NJW 2002, S. 2865 (2866); BGH, NJW 1982, S. 2371 (2372); so auch: Palandt/Heinrichs, § 407 Rn. 6. 71 Serick, BB 1981, S. 873 (875).
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB
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folgten Gläubigerwechsel beziehen und die künftige Forderung bereits entstanden sein. Gerade mit diesem Argument tritt Serick der Rechtsprechung des BGH entgegen, wonach die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S.d § 406 BGB gleich steht.
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB Für die beiden Alternativen des zweiten Halbsatzes von § 406 BGB können bei Abtretung und Vorausabtretung verschiedene Fallgestaltungen gebildet werden72. I. Fallkonstellationen der ersten Alternative bei der Abtretung Gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB kann der Schuldner gegenüber dem neuen Gläubiger eine ihm gegen den Altgläubiger zustehende Gegenforderung aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung Kenntnis hatte. Aus dieser Regelung kann geschlossen werden, dass die erste Alternative nur solche Fälle betrifft, in denen der Schuldner seine Gegenforderung nach der Abtretung erwirbt73. Es ist nur bei einer nach diesem Zeitpunkt erlangten Gegenforderung denkbar und begrifflich möglich, dass der Schuldner bei ihrem Erwerb von der Abtretung der Hauptforderung Kenntnis hat74. Die erste Alternative enthält – im Unterschied zur zweiten Alternative – auf der Tatbestandsseite nur drei relevante Zeitpunkte: 1. Die Abtretung der Hauptforderung, 2. Die Kenntnis der Abtretung, 3. Der Erwerb der Gegenforderung. Die Aufrechnung ist nach der ersten Alternative im folgenden Falle ausgeschlossen: Zunächst tritt der Zedent die Hauptforderung an den Zessionar ab. Danach gewinnt der Schuldner Kenntnis von der Abtretung und erwirbt nach diesem Zeitpunkt die Gegenforderung.
72 Vgl. eingehend zur Bildung der Fallkonstellationen: Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 591 f.; Metzler, Aufrechnung nach Übertragung, S. 25 ff.; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186, Fn. 3); s. auch Bergmann, Schutz des gutgläubigen Schuldners, S. 25 ff.; zur internationalen Entwicklung im Vergleich mit der „deutschen Sondervorschrift“ des § 406 BGB: Eidenmüller, AcP 204 (2004), S. 457 (484 ff.). 73 Staudinger/Busche, § 406 Rn. 24, 17; vgl. auch Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2. 74 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (259); Staudinger/Busche, § 406 Rn. 24.
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
Der Begriff „Erwerb“ der (Gegen-)Forderung umfasst sowohl den Erwerb einer bereits existenten Forderung (durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge) als auch die erstmalige Begründung der Forderung für den Schuldner75. Es ist dabei erforderlich und zugleich hinreichend für den Erwerb, dass der Rechtsgrund für die Gegenforderung – im Zeitpunkt der Kenntniserlangung – besteht76. Die weiteren Aufrechnungsvoraussetzungen, z. B. Gleichartigkeit, müssen zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben sein; der Schuldner darf auch mit einer Gegenforderung aufrechnen, welche damals – im Zeitpunkt der Abtretung oder bei Kenntniserlangung von der Abtretung – noch aufschiebend bedingt war77. Erwirbt der Schuldner die Gegenforderung rechtsgeschäftlich durch Abtretung, d.h. aus abgeleitetem Recht, dann muss diese vor dem Kenntniszeitpunkt erfolgt sein78. § 406 BGB findet unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs auch Anwendung, wenn der Schuldner die Gegenforderung von Gesetzes wegen, z. B. durch eine gegen ihn begangene unerlaubte Handlung, erlangt hat79. Hierfür spricht der übergreifende Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Schuldner seine Verteidigungsmöglichkeit zu bewahren, auch wenn er sich beim Erwerb der Forderung nicht in der schützenswerten Erwartung einer Aufrechnungsmöglichkeit befindet80. II. Fallkonstellationen der zweiten Alternative bei der Abtretung Der Anwendungsbereich der zweiten Alternative bildet die Grundlage für die Bestimmung ihrer Fallkonstellationen. 1. Anwendungsbereich des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB Der Anwendungsbereich der zweiten Alternative des § 406 Hs. 2 BGB wird heute allgemein nicht in Frage gestellt. Im Unterschied zur ersten Alternative 75 BGHZ 19, 153 (158); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 10; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 b), S. 90. 76 BGHZ 58, 327 (330); BGH, NJW 1996, S. 1056 (1057); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 11; Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 2; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 7. 77 RGZ 73, 138 (141); BGHZ 19, 153 (158 f.); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 11 ff.; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 7; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 II 3 d), S. 91; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2; a. A. hins. Gleichartigkeit: Erman/H. P Westermann, § 406 Rn. 2; diff. von Olshausen, Gläubigerrecht und Schuldnerschutz, S. 34 ff. und AcP 182 (1982), S. 254 (257 ff.). 78 OLG Hamm, NJW-RR 1989, S. 51; Palandt/Heinrichs, § 406 Rn. 6; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 7. 79 BGHZ 19, 153 (158); Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 4; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 8; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (252). 80 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 8.
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB
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umfasst die zweite Alternative sowohl den Fall, dass der Schuldner seine Gegenforderung bereits vor der Abtretung erworben hat, als auch die Konstellation, dass der Erwerb der Gegenforderung erst nach der Abtretung erfolgt ist81. Nach dem Inkrafttreten des BGB war es jedoch zunächst umstritten, ob § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB sich möglicherweise nur auf Gegenforderungen bezieht, die nach der Abtretung der Hauptforderung erworben worden sind, oder Gegenforderungen erfasst, gleichgültig, ob der Schuldner diese vor oder nach der Abtretung erlangt hat. Das OLG Breslau82 und unmittelbar danach Simonson83, welcher als einer der Verfasser der gerichtlichen Entscheidung angesehen wird84, vertraten zum Anwendungsbereich der zweiten Alternative die Ansicht, diese erfasse nur vom Schuldner „neu erworbene“ Gegenforderungen. Eine Forderung sei dann nicht neu erworben, wenn sie im Zeitpunkt der Kenntnis von der Abtretung im Grunde angelegt gewesen sei und folglich aus der Beschaffenheit des Schuldverhältnisses, auf das die Hauptforderung sich gründe, erwachse85. Die These Simonsons hat zur Konsequenz, dass die Gegenforderungen, deren rechtlicher Grund schon vor der Zession bestand (= nicht „neu erworben“), auch dann gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB zur Aufrechnung gestellt werden dürften, wenn sie erst nach Kenntniserlangung von der Abtretung und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden sind86. Simonson knüpft seine Argumentation zunächst am Wortlaut des § 406 BGB an, indem er die Schlussbestimmung des § 406 BGB (zweite Alternative) aus der ersten Alternative heraus auslegen will, bei der nur neu erworbene Forderungen gemeint seien87. Wenn die Gegenforderung schon dem Grunde nach angelegt gewesen sei, als der Schuldner von der Abtretung Kenntnis erworben habe, sei sie nicht neu erworben. Sie stelle keine erworbene Forderung dar, weil sie aus dem Vertrag entstanden sei, welcher dem gegenseitigen Rechtsverhältnisse zugrunde liege. Gleichzeitig räumt Simonson aber ein, dass er mit diesem Verständnis „gegenüber dem Wortlaut des Gesetzes“ ein „erwünschtes Ergebnis“ erreichen möchte, dass ein Vertragspartner durch eine Abtretung nicht die Befugnisse des anderen schmälern könne88. Diese Interpretation des Wort81 BGHZ 19, 153 (159 f.); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 14; Bülow, JA 1983, S. 7 (11); Kerschke, Zession und Aufrechnung, S. 31; Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1304); Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2; Stephan, Gutglaubensschutz bei Zession, S. 48; s. auch die Fallkonstellationen bei Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 591 f. 82 OLG Breslau, OLGE 12, 47, zitiert nach: Kerschke, Zession und Aufrechnung, S. 30 und Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1304). 83 Simonson, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 244. 84 Kerschke, Zession und Aufrechnung, S. 30; Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1304); Wünschmann, JW 1913, S. 1135. 85 Simonson, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 244 (250). 86 Eccius, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 252; Kerschke, Zession und Aufrechnung, S. 30; Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1304). 87 Simonson, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 244 (250).
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
lauts vermag nicht zu überzeugen. Betrachtet man den Anwendungsbereich der ersten Alternative – der Schuldner erwirbt die Gegenforderung nach Kenntnis der Abtretung –, so ergibt sich die Beschränkung auf „erworbene“ Forderungen hieraus von selbst. Im Wortlaut der zweiten Alternative wird eine derartige Begrenzung nicht wiederholt89. Die zweite Beschränkungsalternative ist selbständig neben der ersten Alternative90. Teilweise wird Simonsons Auffassung dahingehend wiedergegeben, dass die zweite Alternative lediglich auf solche Gegenforderungen zu beziehen sei, die der Schuldner „erst nach Kenntnis von der Abtretung der Hauptforderung von einem Dritten erworben habe“, und daran kritisiert, dass derartige Gegenforderungen bereits in den Anwendungsbereich der ersten Alternative fielen und die zweite Alternative durch eine solcherart beschränkte Auslegung „überflüssig und gegenstandslos“ wäre91. Für diesen Kritikpunkt spricht, die beiden Alternativen des zweiten Halbsatzes hinsichtlich ihrer Anwendungsbereiche klar voneinander abzugrenzen. Jedoch ist zu bedenken, dass Simonson den Begriff der „neu erworbenen“ Forderung differenzierter bestimmt, sodass die vorgenannte Widerlegung seiner vermeintlichen These wohl ins Leere zielen dürfte92. Gegen die Meinung Simonsons lässt sich zudem der Wortlaut anführen, mit dem die „Forderung“ in den beiden Alternativen bezeichnet wird. § 406 BGB spricht in der zweiten Alternative nur allgemein von „der Forderung“, ohne einen Zusammenhang zu den „neu erworbenen“ Forderungen i. S. der ersten Alternative durch eine Formulierung, z. B. „diese – so erworbene – Forderung“, zum Ausdruck zu bringen93. Ferner erscheint die von Simonson vertretene Interpretation des Begriffs „erwerben“ bedenklich. Dagegen spricht – unter Heranziehung der Protokolle der zweiten Kommission –, dass unter „Erwerb der Forderung“ nicht allein ein rechtsgeschäftlicher oder sonstiger „Fremderwerb“ zu verstehen ist, sondern auch jede, in welcher Form sich ergebende, Begründung oder Erlangung einer Gegenforderung94. Simonson begründet seine Auffassung weiterhin aus der Entstehungsgeschichte des BGB. § 406 BGB geht auf § 303 des Ersten Entwurfs95 zurück, der durch einen in der Kommission gestellten Antrag in zweifacher Hinsicht geändert wurde. Eine Änderung zielte auf eine Beschränkung der Aufrechnung
88
Simonson, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 244 (248, 251). Wünschmann, JW 1913, S. 1135 (1136); vgl. auch Kerschke, Zession und Aufrechnung, S. 31. 90 BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 14. 91 BGHZ 19, 153 (159 f.) mit Hinweis auf die Kritik von Eccius, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 252 und Traumann, Gruchot Bd. 58 (1914), S. 793. 92 Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1304, Fn. 126) unter Bezugnahme auf die Interpretation bei Wünschmann, JW 1913, S. 1135 (1136). 93 Traumann, Gruchot Bd. 58 (1914), S. 793 (797). 94 Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1304). 95 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 89
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB
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wie bei § 286 des Ersten Entwurfs (= § 392 BGB), d.h. der Aufrechnung bei einer Beschlagnahme. In dieser Vorschrift war ein Satz 2 hinzugefügt worden96: Die Aufrechnung findet nicht statt, wenn die Gegenforderung erst nach dieser Zeit und später als die beschlagnahmte Forderung fällig geworden ist.
Hieraus will Simonson unzweifelhaft schließen, dass nur Gegenforderungen von der Aufrechnung ausgeschlossen seien, die nach der Beschlagnahme erworben worden seien97. Er räumt dann aber ein, dass sich seine Deutung des Antrags in der später von der Redaktionskommission gewählten Fassung nicht mehr wiederfindet. Ferner zieht Simonson eine weitere Begründung des Antrags heran, wonach mit der „hinterher eingetretenen Fälligkeit der Gegenforderung“ gerade die neu erworbenen Forderungen zu verstehen seien. Man habe zu Recht mit dem Zeitpunkt der Beschlagnahme wie mit demjenigen der Kenntnis der Abtretung die maßgebliche Veränderung vorgenommen. Daraus folgert er, dass das gleiche aber nicht für Gegenforderungen zutreffe, die ihrem Rechtsgrund nach aus demselben Rechtsverhältnis begründet seien wie die Hauptforderung. Denn bei diesen sei die Hauptforderung im Zeitpunkt der Beschlagnahme oder der Kenntniserlangung von der Abtretung bereits der Aufrechnung ausgesetzt98. Diese Argumentation Simonsons hält aber bei einer Betrachtung der Gesetzgebungsmaterialien nicht stand. Der von ihm zur Begründung herangezogene Antrag ist nicht zur endgültigen Gesetzesfassung – des heutigen § 392 BGB – geworden99. Danach ist eine Aufrechnung dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner seine Forderung nach der Beschlagnahme erworben hat oder wenn seine Forderung erst nach der Beschlagnahme und später als die in Beschlag genommene Forderung fällig geworden ist. Die vom OLG Breslau und Simonson vertretene Auffassung konnte sich nicht durchsetzen. Die Gegenmeinung, wonach § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB Gegenforderungen betrifft, die vor oder nach der Abtretung der Hauptforderung vom Schuldner erworben worden sind, wurde bereits in der Folgezeit als herrschende Lehre bezeichnet100. In der Literatur knüpfte in späterer Zeit Kaduk101 an die Auffassung Simonsons an. Er trägt vor, dass die zweite Alternative nur für solche Gegenforderungen gelte, die vor der Abtretung erworben worden seien, weil es bei anderen Forderungen nicht darauf ankomme, dass ihre Fälligkeit 96
Protokolle, 2. Komm., S. 373 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 567. Simonson, Gruchot Bd. 50, S. 244 (249). 98 Simonson, Gruchot Bd. 50, S. 244 (249 f.). 99 Kerschke, Zession und Aufrechnung, S. 31; s. hierzu: Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 710 f. 100 Kerschke, Zession und Aufrechnung, S. 28 unter Bezugnahme auf: Eccius, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 252; Oertmann, Schuldverhältnisse, § 406 Nr. 2; Wünschmann, JW 1913, S. 1135. 101 Staudinger/Kaduk, 10./11. Auflage 1978, § 406 Rn. 17, 34 f. mit Bezugnahme auf Simonson, Gruchot Bd. 50 (1906), S. 244 (250). 97
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
erst nach Kenntnisnahme des Schuldners von der Abtretung eingetreten sei. Diese Thesen erfahren jedoch wieder eine inhaltliche Einschränkung dadurch, dass Kaduk für die vor der Abtretung erworbenen Gegenforderungen nicht aus § 406 BGB, sondern aus § 387 BGB folgert, dass eine Aufrechnung nur dann erfolgen könne, wenn sie spätestens gleichzeitig mit der abgetretenen Hauptforderung fällig geworden seien. Dagegen ist einzuwenden, dass die von § 387 BGB vorausgesetzte Fälligkeit der Gegenforderung erst im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB vorliegen muss, welche ihrerseits durchaus später erfolgen kann als der Fälligkeitszeitpunkt der Hauptforderung102. Festzuhalten bleibt somit – wie oben ausgeführt –, dass die zweite Alternative sowohl den Fall erfasst, dass der Schuldner seine Gegenforderung bereits vor der Abtretung erworben hat, als auch die Konstellation, dass der Erwerb der Gegenforderung erst nach der Abtretung erfolgt ist. 2. Fallgruppen der zweiten Alternative Gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB kann der Schuldner nicht aufrechnen, wenn seine Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden ist. Für die Bildung der Fallgruppen der zweiten Alternative ist zunächst zu differenzieren, ob die Gegenforderung vor oder nach Abtretung der Hauptforderung vom Schuldner erworben wurde. Weiterhin ist entscheidend, wann die Gegenforderung fällig geworden ist. Dieser Zeitpunkt ist in Beziehung zu setzen zu folgenden Geschehnissen: Zum einen ist der Zeitpunkt einer möglichen Kenntniserlangung von der Abtretung bedeutsam und zum anderen das Fälligwerden der abgetretenen Hauptforderung103. Im Tatbestand der zweiten Alternative sind also die fünf relevanten Zeitpunkte: 1. Der Erwerb der Gegenforderung, 2. Die Abtretung der Hauptforderung, 3. Die Kenntniserlangung von der Abtretung der Hauptforderung, 4. Die Fälligkeit der Hauptforderung, 5. Die Fälligkeit der Gegenforderung. Es dient mithin der Verdeutlichung, wenn man die Fallkonstellationen der zweiten Alternative erst einmal in zwei Gruppen unterteilt. Zur ersten Gruppe gehören die Fälle des Erwerbs der Gegenforderung vor Abtretung, zur zweiten Gruppe zählen die Fälle des Erwerbs nach Abtretung. 102
Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1304). Vgl. zu verschiedenen Fallgestaltungen die Übungsfälle bei: Fritzsche, Fälle, S. 182; Simitis/Jungbäck, JuS 1967, S. 370 (372). 103
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB
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1. Gruppe: Erwerb der Gegenforderung vor Abtretung Es ergeben sich folgende Fallkonstellationen104 für den Erwerb der Gegenforderung vor Abtretung der Hauptforderung, in denen eine mögliche Aufrechnungsbefugnis nach § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB zu beurteilen ist: (1) Die Gegenforderung ist bereits fällig, als der Schuldner sie – vor Abtretung – erwirbt. Eine Aufrechnung gegenüber dem Zessionar ist möglich, die Ausnahme des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB greift nicht. (2) Die – vor der Abtretung erworbene – Gegenforderung wird nicht später fällig als die Hauptforderung. Die Aufrechnung ist möglich, da die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB nicht vorliegt. Nicht erheblich ist es, wenn der Schuldner vor der Fälligkeit seiner Gegenforderung Kenntnis von der Abtretung erlangt. Denn er durfte sich darauf einstellen, dass er beim Fälligwerden seiner Gegenforderung durch Aufrechnung von ihr frei werden könne105. (3) Die – vor der Abtretung erworbene – Gegenforderung wird nach der Hauptforderung fällig. Bis zur Fälligkeit der Gegenforderung erlangt der Schuldner keine Kenntnis von der Abtretung, befindet sich also in dem Glauben, aufrechnen zu können. Die Aufrechnung wird nicht durch § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB ausgeschlossen, weil die erste Tatbestandsvoraussetzung nicht gegeben ist. Erlangt der Schuldner nach dem Fälligwerden seiner Gegenforderung Kenntnis von der Abtretung, so ist dies unschädlich106. (4) Der Schuldner erwirbt zunächst seine Gegenforderung, dann wird die Hauptforderung abgetreten. Daraufhin erlangt der Schuldner Kenntnis von der Abtretung. Nunmehr wird zunächst die Hauptforderung fällig, später dann die Gegenforderung. Hier ist gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB die Aufrechnung nicht möglich, weil beide Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Skizze Nr. 4: § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB – Erwerb vor Abtretung
| Erwerb der Gegenforderung
| Abtretung der Hauptforderung
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Kenntniserlan- Fälligkeit der gung von der Hauptforderung Abtretung
| Fälligkeit der Gegenforderung
104 Vgl. die Bildung der Fallkonstellationen bei Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 591. 105 BGHZ 19, 153 (159); Larenz, Schuldrecht I AT , § 34 IV, S. 591. 106 Larenz, Schuldrecht I AT , § 34 IV, S. 591.
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
2. Gruppe: Erwerb der Gegenforderung nach Abtretung Für den Fall, dass die Gegenforderung erst nach Abtretung der Hauptforderung erworben wurde, sind folgende Konstellationen möglich: (1) Der Schuldner erwirbt seine Gegenforderung nach Abtretung der Hauptforderung, ohne von der Abtretung Kenntnis zu haben. Die Gegenforderung war zum Zeitpunkt der Abtretung bereits fällig. § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB schließt die Aufrechnung nicht aus. (2) Die Gegenforderung ist noch nicht fällig, als sie nach Abtretung der Hauptforderung vom Schuldner erworben wird. Ihre Fälligkeit tritt nicht später ein als die Fälligkeit der Hauptforderung. Hier liegt die zweite Tatbestandsvoraussetzung nicht vor, so dass die Aufrechnung nicht gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB verhindert wird. Der Schuldner wird in seiner Erwartung geschützt, dass er beim Fälligwerden seiner Gegenforderung mit ihr aufrechnen könne107. (3) Die – nach Abtretung erworbene – Gegenforderung wird erst nach ihrem Erwerb und später als die Hauptforderung fällig. Der Schuldner erlangt bis zur Fälligkeit der Gegenforderung keine Kenntnis von der Abtretung. Die Aufrechnung ist möglich, weil die erste Tatbestandsvoraussetzung des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB nicht einschlägig ist. Der Schuldner wird also in seinem Glauben an die Aufrechnungsmöglichkeit geschützt. Nicht nachteilig ist es, wenn der Schuldner nach dem Fälligwerden seiner Gegenforderung von der Abtretung erfährt108. (4) Der Schuldner erwirbt nach der Abtretung eine noch nicht fällige Gegenforderung. Bevor diese fällig wird, erlangt er Kenntnis von der Abtretung der Hauptforderung. Die Fälligkeit der Gegenforderung tritt erst nach dem Fälligwerden der Hauptforderung ein. Hier ist die Aufrechnung gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB ausgeschlossen, weil beide Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind. Skizze Nr. 5: § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB – Erwerb nach Abtretung
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Abtretung
Kenntniserlangung von der Abtretung
107 108
| Erwerb der Gegenforderung
Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 592, 591. Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 592, 591.
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Fälligkeit der Fälligkeit der Hauptforde- Gegenforderung rung
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB
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III. Fallkonstellationen bei der Vorausabtretung Bei einer Vorausabtretung ist, wie oben ausgeführt109, der Gegenstand der Kenntnis differenziert zu betrachten. Bei dem zweigliedrigen Gesamttatbestand der Vorauszession kann sich die Kenntnis des Schuldners auf zwei verschiedene Geschehnisse beziehen, nämlich auf die Tatsache der Vorausabtretung, d.h. der Verfügung als solcher, und auf das Entstehen der Hauptforderung. Ausgehend hiervon können für den Fall einer Vorausabtretung im Rahmen des § 406 BGB sechs relevante Elemente bestimmt werden110: 1. Der Vorausabtretungsvertrag zwischen Zedent und Zessionar (Vorausabtretung), 2. Die Kenntnis der Vorausabtretung, 3. Das Entstehen der Gegenforderung, 4. Das Entstehen der Hauptforderung, 5. Die Fälligkeit der Gegenforderung, 6. Die Fälligkeit der Hauptforderung. Unter dem Begriff „Entstehen der Gegenforderung“ ist der Zeitpunkt zu verstehen, in dem der Schuldner die Gegenforderung erwirbt111. Je nach Gegenstand der Kenntnis gibt es zwei Fallkonstellationen bei Anwendung des § 406 BGB auf die Vorausabtretung. 1. Vollzogene Vorausabtretung vor Kenntniserlangung Als Ausgangspunkt diene folgender Fall112: Die Hauptforderung entsteht nach der Vorausabtretung. Der Schuldner erlangt dann Kenntnis von der Vorauszession und vom Entstehen der Hauptforderung. Die Kenntnis des Schuldners bezieht sich auf den gestreckten Gesamttatbestand der Vorausabtretung. Mit dem Entstehen der im Voraus zedierten Hauptforderung ist die Abtretung wirksam geworden. Der Schuldner hat Kenntnis von der bereits eingetretenen Rechtsänderung. Es entsteht folglich in diesen Fällen keine besondere Problematik daraus, dass eine Vorausabtretung vorliegt113. Bei einer vollendeten Vorausabtretung ergeben sich keine Besonderheiten für die Subsumtion unter § 406 BGB. Diese Konstellationen können, wenn man die ausgeklammerten Zeitpunkte (Fälligkeiten; Erwerb der Gegenforderung) in die 109 110 111 112 113
Vgl. oben Zweites Kapitel § 3 III. 2. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186). Vgl. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186, Ziffer 3 a). Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186). Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186).
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
Fallbildung einbezieht, in gleicher Weise behandelt werden wie diejenigen der Abtretung der Hauptforderung114. Sie sind auch nicht Gegenstand der in Literatur und Rechtsprechung kontrovers behandelten Rechtsfrage, ob die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichstehe. Zu dieser rechtlichen Problemstellung zählen die im Folgenden unter 2. behandelten Fallgruppen. 2. Kenntnis nur vom Tatbestand der Vorausabtretung Eine weitere Fallkonstellation besteht darin, dass sich die Kenntnis des Schuldners nur auf den Tatbestand der Vorausabtretung bezieht, ohne dass die Zession bereits durch das Entstehen der Hauptforderung wirksam geworden ist. Dabei sind die Fallkonstellationen als problematisch anzusehen, in denen der Schuldner zunächst Kenntnis von der Vorausabtretung erwirbt und erst danach die Hauptforderung und gegebenenfalls auch die Gegenforderung zur Entstehung gelangen115. Es können zunächst die folgenden drei Fallmöglichkeiten gebildet werden, bei denen es fraglich ist, „ob und wie“ § 406 BGB zur Anwendung kommt116: (1) Zunächst wird die Hauptforderung im Voraus abgetreten, danach entsteht (= wird erworben) die Gegenforderung. Der Schuldner erlangt Kenntnis von der Vorausabtretung, bevor die Hauptforderung entsteht. Skizzen Nr. 6: Kenntniserlangung vor Entstehen der Hauptforderung Skizze Nr. 6a
| Vorausabtretung
| Erwerb der Gegenforderung
| Kenntniserlangung von der Vorausabtretung
| Entstehen der Hauptforderung
(2) Nachdem die Hauptforderung im Voraus abgetreten worden ist, erlangt der Schuldner Kenntnis hiervon. Daraufhin entsteht zunächst die Hauptforderung und später die Gegenforderung (= sie wird erworben).
114 115 116
Vgl. Zweites Kapitel § 4. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186). Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186, Fn. 3).
§ 4 Fallgruppen des § 406, 2. Halbsatz, 1. und 2. Alternative BGB
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Skizze Nr. 6b:
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Vorausabtretung
Kenntniserlangung von der Vorausabtretung
Entstehen der Hauptforderung
| Erwerb der Gegenforderung
(3) Die Gegenforderung entsteht (= wird erworben), bevor die Hauptforderung im Voraus abgetreten wird. Hierauf erfährt der Schuldner von der Vorausabtretung. Die Hauptforderung wird danach begründet. Skizze Nr. 6c:
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Erwerb der Gegenforderung
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Vorausabtretung der Hauptforderung
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Kenntniserlangung von der Vorausabtretung
Entstehen der Hauptforderung
Zusätzlich zu dieser Unterscheidung ist noch eine vierte Fallkonstellation denkbar117: (4) Die Hauptforderung wird im Voraus abgetreten und der Schuldner erlangt Kenntnis davon. Er erwirbt zunächst die Gegenforderung, danach entsteht die Hauptforderung118. Skizze Nr. 6d:
| Vorausabtretung
| Kenntniserlangung von der Vorausabtretung
| Erwerb der Gegenforderung
| Entstehen der Hauptforderung
Die vorangegangene Binnendifferenzierung der Fallkonstellationen, bei der die Fälligkeiten von Haupt- und Gegenforderung außer Betracht gelassen werden, bildet anschaulich die von der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhalte ab, anlässlich derer die Frage, ob die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichsteht, grundlegend entschieden wurde. Der BGH hatte in seinem – nachfolgend geschilderten – Urteil vom 117 118
Vgl. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186 Nr. 3 a). Vgl. auch Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19.
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2. Kap.: Grundlegung: Struktur und Fallgruppen des § 406 BGB
2. Juni 1976119 einen Fall zu beurteilen, der von der Abfolge der Geschehnisse der Fallkonstellation (4), Skizze Nr. 6d, entsprechen dürfte120. Schwarz ordnet hingegen diesen Sachverhalt in die Konstellation (1) ein121 (vgl. Skizze Nr. 6a). Jedoch dürfte sich – entgegen der Meinung von Schwarz – aus der folgenden Feststellung des BGH ergeben, dass die Schuldnerin von der Vorausabtretung aber Kenntnis hatte, bevor sie die Gegenforderung erwarb122: „Die Vorausabtretung war also vereinbart, bevor die Beklagte zu 1) ihre Gegenforderungen gegen die MVG erlangte, die aus Lieferungen des Jahres 1969 herrühren. Die Gesellschafter und Geschäftsführer waren auch die Gesellschafter und Geschäftsführer der MVG. Unter diesen Umständen kann die Beklagte nicht geltend machen, dass die Vorausabtretung ihr unbekannt gewesen sei.“ Auch der Sachverhalt, der den Entscheidungen des OLG Köln vom 3. November 2000 und des BGH vom 26. Juni 2002123 zugrunde lag, kann in die Fallgruppe (4), Skizze Nr. 6d, eingeordnet werden.
119 120 121 122 123
Vgl. unten Drittes Kapitel § 5 I. Vgl. auch Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186). BGHZ 66, 384 (385). Vgl. unten Drittes Kapitel § 5 III.
Drittes Kapitel
Kenntnis der Vorausabtretung § 5 Der Diskussionsstand Nach der Entscheidung des BGH vom 2. Juni 19761 ist die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. des § 406 BGB gleichzustellen. Der BGH ist damit der Ansicht von Schomaker gefolgt. Eine abweichende Meinung hat kurz nach dem Inkrafttreten des BGB Andreas von Tuhr vertreten. Die nachfolgende Diskussion in Rechtsprechung und Lehre knüpft an die grundlegende Entscheidung des BGH an. I. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 1976 und die vorangegangene Literatur Von Tuhr vertrat zunächst die Auffassung, dass die Vorausabtretung zwar nicht dieselbe rechtliche Struktur wie eine normale Abtretung aufweise2. Jedoch sei der Zedent der künftigen Forderung dem bisherigen Gläubiger gleichzustellen. Daher könne der Schuldner gemäß § 406 BGB auch bei einer Vorausabtretung mit Gegenforderungen gegen den Zedenten dann aufrechnen, wenn er bei dem Erwerb der Gegenforderungen von der Vorauszession keine Kenntnis gehabt habe. Später stellt sich von Tuhr aber auf den Standpunkt, dass eine Aufrechnung des Schuldners mit solchen Forderungen zulässig sei, die er gegen den Zedenten bis zum Entstehen der abgetretenen Forderung erlangt habe, auch wenn er im Zeitpunkt des Erwerbs Kenntnis von der Vorausabtretung gehabt habe. Als Argument hierfür führt er an, dass bei der Vorausabtretung das Recht des Zessionars erst dann „ins Leben trete“, wenn die abgetretene Forderung entstehe3. Demgegenüber sieht Schomaker den Sinn und Zweck des § 406 BGB in dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes4. Der Schuldner habe bei den Fällen dieser Vorschrift damit rechnen dürfen, sich durch Aufrechnung von der gegen ihn
1 2 3 4
BGHZ 66, 384. von Tuhr, DJZ 1904, S. 426 (430). von Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 394. Schomaker, BB 1969, S. 940 (941).
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
gerichteten Forderung zu befreien. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners in eine Aufrechnungslage gegenüber dem Zedenten sei aber dann nicht gegeben – und eine Aufrechnung also gemäß § 406 BGB nicht zulässig –, wenn er bei dem Erwerb der Forderung von der Vorauszession Kenntnis gehabt habe. Ausgehend von diesem Meinungsstand hat der BGH in seinem Urteil vom 02. Juni 19765 die erste höchstrichterliche Entscheidung dahingehend getroffen, dass die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. des § 406 BGB gleichstehe. Dieses Urteil ist als Grundsatzentscheidung zu verstehen6. Dem – auch als „Heizöl-Fall“ bezeichneten7 – Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde8: Die Klägerin hatte an die Firma MVG im März und April 1970 Vergaserkraftstoff und Heizöl geliefert. Ihre der Lieferung zugrunde liegenden Geschäftsbedingungen enthielten einen verlängerten Eigentumsvorbehalt. Die Firma MVG verkaufte einen Teil dieser Lieferungen an die Beklagte. Die Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten und der MVG waren jeweils identisch. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aufgrund ihres verlängerten Eigentumsvorbehalts die Zahlung der Lieferungen an die MVG. Die Beklagte trägt vor, dass die Klageforderung erloschen sei, weil sie gegenüber der Klägerin die Aufrechnung mit Gegenforderungen, welche aus Lieferungen an die MVG im Jahre 1969 entstanden seien, erklärt habe. Der BGH führt zur Begründung im wesentlichen aus: Die Aufrechnung nach § 406 BGB sei nicht möglich, weil die Beklagte die Vorausabtretung, welche aufgrund der Geschäftsbedingungen vor der Erlangung der Gegenforderungen vereinbart gewesen sei, gekannt habe oder sich deren Kenntnis habe zurechnen lassen müssen9. Denn die Gesellschafter und die Geschäftsführer der Beklagten und der MVG seien die gleichen Personen gewesen. Hinsichtlich des Meinungsstandes zur Kenntnisproblematik verweist der BGH zunächst auf die Auffassung, die von Tuhr vertreten hat. Er schließt sich dann der Argumentation Schomakers an, dass eine Aufrechnung gemäß § 406 BGB nicht möglich sei, wenn der Schuldner bei Erwerb der Gegenforderung die Vorausabtretung gekannt und damit kein Vertrauen in eine Aufrechnungsmöglichkeit bestanden habe. Ferner beruft sich der Senat auf die Motive zum Ersten Entwurf10. Danach stehe es mit den Vorschriften zum Schutz des gutgläubigen Schuldners in 5
BGHZ 66, 384. H. P. Westermann, EWiR § 406 BGB 1/02, S. 897. 7 Fehl, DZWIR 2003, S. 76; Serick, BB 1982, S. 873 (874). 8 Vgl. auch oben: Skizze Nr. 3: Verlängerter Eigentumsvorbehalt und § 406 BGB, Drittes Kapitel § 3 III. 1. 9 BGHZ 66, 384 (385). 10 BGHZ 66, 384 (386) unter Hinweis auf: Motive, S. 131; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 6
§ 5 Der Diskussionsstand
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Zusammenhang, dass § 406 BGB nicht den Zeitpunkt der Forderungsabtretung, sondern denjenigen der Kenntnis des Schuldners von der Abtretung als entscheidend ansieht. Die vorgenannten Gesichtspunkte, d.h. Schuldnerschutz und Erhaltung der Aufrechnungsmöglichkeit, träfen – so der BGH – nicht nur bei der Abtretung, sondern auch bei der Vorausabtretung zu. Weiterhin könne der Schuldner sowohl bei Kenntnis der Abtretung als auch der Vorausabtretung selbst entscheiden, ob er eine Verbindlichkeit überhaupt eingehen wolle, wenn es ihm auf die Aufrechnungsmöglichkeit ankomme. II. Der nachfolgende Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Die herrschende Lehre sowie die Rechtsprechung sprechen sich für die vom BGH vertretene Auffassung aus11. Teilweise wird diese – mit differenzierenden Betrachtungen – in der Literatur abgelehnt12. Die herrschende Meinung schließt sich dem BGH dahingehend an, dass die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. des § 406 BGB gleichgestellt wird13. Hierzu lassen sich verschiedene Fallkonstellationen bilden, bei denen die herrschende Meinung eine Aufrechnungsbefugnis des Schuldners gemäß § 406 BGB ablehnt14: Zum einen gehört dazu der Fall, dass der Schuldner zunächst Kenntnis von der Vorausabtretung erlangt, dann die Ge11 BGH, NJW 1982, S. 2371 (2372) = WM 1982, S. 690 (692) = ZIP 1982, S. 849 (851); BGH, NJW 1990, S. 2544 (2545) = LM § 406 Nr. 18 = WM 1990, S. 1025 (1027) = ZIP 1990, S. 636 (638); OLG Bamberg, NJW-RR 2000, S. 650; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, S. 1494 (1499); Coester-Waltjen, Jura 2004, S. 391 (392, 394); Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5, S. 296 für rechtsgeschäftlich erworbene Forderungen; Jauernig/Stürner, § 406 Rn. 3; Kornblum, BB 1981, S. 1303; Lüke, JuS 1995, S. 90 (96); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19 für rechtsgeschäftlich erworbene Forderungen; Palandt/Heinrichs, § 406 Rn. 7; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 28; vgl. auch: Jacob, WM 1991, S. 1581. 12 AK-BGB/Ott, § 406 Rn. 5; Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Denck, DB 1977, S. 1493; Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 3; Grünebaum, DJZ 1905, S. 801 (802 f.); Hahnzog, Rechtsstellung des Zessionars, S. 53; Hoffmann, JuS 1967, S. 275 (277); Ramsauer, Abtretung zukünftiger Forderungen, S. 76, 74; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. IV, § 47 IV 3 b, S. 327 f., Bd. V, § 69 II, S. 737 ff.; Serick, BB 1982, S. 873; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 b), S. 90 f. 13 BGH, NJW 1982, S. 2371 (2372) = WM 1982, S. 690 (692) = ZIP 1982, S. 849 (851); BGH, NJW 1990, S. 2544 (2545) = LM § 406 Nr. 18 = WM 1990, S. 1025 (1027) = ZIP 1990, S. 636 (638); OLG Bamberg, NJW-RR 2000, S. 650; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, S. 1494 (1499); Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5., S. 296 für rechtsgeschäftlich erworbene Forderungen; Jauernig/Stürner, § 406 Rn. 3; Kornblum, BB 1981, S. 1303; Lüke, JuS 1995, S. 90 (96); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19 für rechtsgeschäftlich erworbene Forderungen; Palandt/Heinrichs, § 406 Rn. 7; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 28; vgl. auch: Jacob, WM 1991, S. 1581.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
genforderung erwirbt und schließlich die Hauptforderung entsteht. Zum anderen betrifft es die Situation, dass die Gegenforderung entstanden ist, bevor der Schuldner von der Vorausabtretung Kenntnis erlangt hat, die Hauptforderung hingegen aber nach Kenntniserlangung. Es bestehen ferner differenzierende Auffassungen, die innerhalb der herrschenden Meinung weitere Kriterien einführen oder eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 406 BGB vornehmen. Roth schließt sich der herrschenden Ansicht hinsichtlich rechtsgeschäftlich erworbener Gegenforderungen an15. Er wirft aber die Frage auf, ob nicht dann eine andere Lösung geboten sei, wenn der Schuldner die Gegenforderung von Gesetzes wegen, z. B. durch unerlaubte Handlung des Zedenten, erworben habe und sein Schutzinteresse möglicherweise den Vorrang genieße. Dazu macht Emde geltend, dass der Schuldner bei einem gesetzlichen Anspruch ohnehin nicht mit einer Aufrechnungsmöglichkeit rechnen könne16. Schomaker argumentiert, der Schuldner werde dadurch hinreichend geschützt, dass er frei entscheiden könne, eine Verbindlichkeit später dann nicht einzugehen, wenn ihm seine wirtschaftliche Sicherung mangels einer Aufrechnungsmöglichkeit mit Forderungen gegen den Zedenten nicht hinreichend erscheine17. Jacob trägt vor, dass § 406 BGB auch das Vertrauen des Schuldners auf eine abstrakte Aufrechnungsmöglichkeit schützt, d.h. allein das Vertrauen, Inhaber einer Forderung zu sein und diese möglicherweise als Gegenforderung zur Aufrechnung stellen zu können18. Er führt hierzu aus, dass bei einer weiten Auslegung der Schutzvorschrift des § 406 BGB auch das Vertrauen in eine abstrakte Aufrechnungsmöglichkeit ausreichend sein könnte. Ferner vertritt Jacob die Auffassung, dass besondere Umstände des Einzelfalles, die eine Aufrechnung rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, nicht zu einer Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 406 BGB führen könnten19. Diese seien vielmehr gemäß § 242 BGB zu beurteilen. In der Literatur werden – im Unterschied zur herrschenden Auffassung – weitere Lösungsmöglichkeiten zur Kenntnis der Vorausabtretung bei § 406 BGB vertreten20. Einer Ansicht nach kommt es – wie auch das OLG Köln ver14 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2186); zur Bildung der Fallkonstellationen vgl. oben Zweites Kapitel § 4 III. 15 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19; vgl. unten Drittes Kapitel § 7 IV. 16 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416). 17 Schomaker, BB 1969, S. 940 (941). 18 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1584); vgl. unten Drittes Kapitel § 7 IV. 19 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1585). 20 AK-BGB/Ott, § 406 Rn. 5; Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Denck, DB 1977, S. 1493; Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 3; Grünebaum, DJZ 1905, S. 801 (802 f.); Hahnzog, Rechtsstellung des Zessionars, S. 53; Hoffmann, JuS 1967, S. 275 (277); Ram-
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tritt21 – nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Vorausabtretung an, sondern vielmehr ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem die vorausabgetretene Hauptforderung entsteht22. Danach kann der Schuldner gemäß § 406 BGB mit solchen Gegenforderungen aufrechnen, welche er bis zum Eintritt des Abtretungserfolges, d.h. der Entstehung der vorauszedierten Forderung, erworben hat, eine Kenntnis der Vorausabtretung hat keine nachteilige Wirkung23. Eine andere Auffassung sieht gleichfalls allein den Zeitpunkt der Forderungsentstehung und nicht denjenigen der Kenntnis der Vorausabtretung als entscheidend an, wenn es um die Erhaltung der Aufrechnungsmöglichkeit geht. Vertreten wird jedoch, dass eine Kenntnis des Schuldners von der Vorausabtretung erst nach dem Entstehen der vorausabgetretenen Forderung maßgeblich sei24. Dann schade allerdings auch eine Kenntnis, die vor der Forderungsentstehung erworben worden sei. Nach der Meinung von Denck ist eine Aufrechnung also dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner vor dem Entstehen der Hauptforderung bereits Kenntnis von der Vorausabtretung hatte und die Gegenforderung nach deren Entstehen erlangt. Hahnzog schlägt folgende Lesart des § 406 BGB bei der Vorauszession vor25: Der Schuldner kann eine ihm gegen den Zedenten zustehende Forderung auch dem Zessionar gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er diese nach Entstehung der Forderung gegen ihn erworben hat und dabei von der Abtretung Kenntnis hatte oder . . .
Bülow wendet auch für den Fall, dass die Aufrechnung noch nicht erklärt war, die abgetretene Forderung aber mit der Aufrechnungslage behaftet war, zugunsten des Schuldners § 404 BGB für eine Einrede der Aufrechenbarkeit an26. Gemäß § 404 BGB sei aber eine Kenntnis von der Abtretung nicht entscheidend, so dass trotz einer Kenntnis der Vorauszession eine Aufrechnung zulässig sei, wenn die Gegenforderung vor der abgetretenen Forderung entstanden sei.
sauer, Abtretung zukünftiger Forderungen, S. 76, 74; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 b), S. 90 f.; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187 f.); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. IV, § 47 IV 3 b, S. 327 f., Bd. V, § 69 II, S. 737 ff.; ders., BB 1982, S. 873. 21 Vgl. unten Drittes Kapitel § 5 III. 22 AK-BGB/Ott, § 406 Rn. 5; Grünebaum, DJZ 1905, S. 801 (802); Hoffmann, JuS 1967, S. 275 (277); Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 b), S. 90 f.; Serick, § 47 IV 3 b), S. 327 f.; ders., BB 1982, S. 873 (875); von Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 394 (anders vorher: von Tuhr, DJZ 1904, S. 426 [430]); vgl. auch Ramsauer, Abtretung zukünftiger Forderungen, S. 76, 74. 23 von Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 394. 24 Denck, DB 1977, S. 1493 (1494 f., 1498); Hahnzog, Rechtsstellung des Zessionars, S. 53. 25 Hahnzog, Rechtsstellung des Zessionars, S. 53. 26 Bülow, JA 1983, S. 7 (12, 11); vgl. unten Drittes Kapitel § 7 IV.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
III. Die Entscheidungen des OLG Köln vom 3. November 2000 und des BGH vom 26. Juni 2002 Das OLG Köln hat in seinem Urteil vom 3. November 200027 entschieden, dass die Kenntnis einer Vorausabtretung nicht der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichstehe. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, ein Factoring-Unternehmen, klagt auf die Bezahlung von Warenlieferungen, welche die in Liquidation befindliche Firma A gemäß den Rechnungen vom 09., 15. und 17. Juni 1999 an die Beklagte (K. ComputerGmbH) vorgenommen hatte. Die Rechnungen über insgesamt 107.346,40 DM umfassten – wie auch die früheren Rechnungen aus der seit 1998 bestehenden Geschäftsbeziehung – den Hinweis, dass die Forderungen der A im Rahmen eines Factoring-Vertrages an die S-GmbH, d.h. die Klägerin, übertragen seien. Zahlungen könnten mit schuldbefreiender Wirkung nur an diese oder auf deren Konten geleistet werden. Die Rechnungen waren innerhalb von vierzehn Tagen fällig. Der Factoring-Vertrag aus dem Jahre 1995 zwischen A und der Klägerin enthält u. a. die Regelung: „In Ausführung des Factoring-Vertrages tritt die A hierdurch alle unter § 1 fallenden Forderungen, die am Stichtag der Übernahme bestehen oder danach entstehen, an den Factor ab. Der Factor nimmt die Abtretung hierdurch an. Die Abtretung der Forderungen ist jeweils im Augenblick ihres Entstehens erfolgt; eines besonderen Übergangsaktes bedarf es nicht mehr.“ Die Beklagte hat mit Gegenansprüchen gegen die A aufgerechnet. Sie hatte der A zwischen dem 07. und 09. Juni Rechnungen über insgesamt 116.998,76 DM und in der Zeit vom 10. bis 14. Juni 1999 über weitere 124.986,32 DM gestellt, die jeweils vierzehn Tage nach Rechnungsstellung fällig waren. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte von der Vorausabtretung Kenntnis gehabt habe, weil alle früheren Rechnungen einen eindeutigen Hinweis enthalten hätten. Sie müsse diese Kenntnis gegen sich gelten lassen. Die Beklagte hat u. a. geltend gemacht, dass ihr die Abtretung aller zukünftigen Forderungen an die Klägerin nicht angezeigt worden sei. Es bestünde eine Aufrechnungslage, so dass die Klägerin ihre Forderung nicht durchsetzen könne. Nachdem die Klage vom Landgericht Bonn abgewiesen worden war, hat das OLG Köln die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Im Verfahren vor dem BGH hatte sich die Person der Beklagten geändert. Ursprünglich war die K. Computer-GmbH die Beklagte. Nachdem über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat die Klägerin das Verfahren gegen den beklagten Insolvenzverwal27
OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539; vgl. oben: Einleitung.
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ter fortgeführt28. Die bisherige Beklagte ist nunmehr die Schuldnerin. Die prozessualen Gegebenheiten, welche sich aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeben29, können für die vorliegende Fragestellung bezüglich § 406 BGB außer Betracht bleiben. Skizze Nr. 7: Rechtsbeziehungen bei der Entscheidung des OLG Köln/BGH Gegenforderung: Rechnungen Bekl. an A; fällig vierzehn Tage nach 07.-09.06./ 10.-14.06.1999
A
Bekl. (K-GmbH)/ Schuldnerin Hauptforderung: Kaufpreisanspruch wegen Warenlieferungen; fällig vierzehn Tage nach 09., 15. und 17.06.1999
Factoringvertrag
Hauptforderung Gegenforderung: ⇒ Aufrechnung gem. § 406 BGB?
Kl. (S-GmbH)
Das OLG Köln trägt zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen vor30: Die Klägerin habe keinen Kaufpreisanspruch, weil die Forderung durch Aufrechnung der Beklagten mit Gegenforderungen gemäß §§ 387, 389, 404, 406 BGB erloschen sei. Aufgrund des Factoring-Vertrages habe A an die Klägerin wirksam die Ansprüche aus den Rechnungen vom 09., 15. und 17. Juni 1999 (= Hauptforderungen in der hier verwendeten Begrifflichkeit) abgetreten. Als diese Ansprüche durch die Vorausabtretung – frühestens mit der jeweiligen Rechnungsstellung – auf die Klägerin übergegangen seien, hätten bereits Gegenforderungen der Beklagten bestanden, welche der Höhe nach die Forderungen der Klägerin überstiegen hätten31.
28 29 30 31
BGH, NJW 2002, S. 2865. Vgl. BGH, NJW 2002, S. 2865. OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539. OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
Das OLG Köln kommt zu der Entscheidung, dass dem Beklagten die Aufrechnungsmöglichkeit zustehe, obwohl er unzweifelhaft positive Kenntnis von der Abtretung der künftigen Forderungen gehabt habe32. Denn nach Auffassung des Senats steht die Kenntnis von der Vorausabtretung der Kenntnis von der Abtretung nicht gleich. Der Schuldner könne gegenüber dem neuen Gläubiger alle Einwendungen geltend machen, die ihm im Zeitpunkt des Entstehens der abgetretenen Forderung zugestanden hätten. Denn die Abtretung sei erst dann vollendet, wenn die vorausabgetretene Forderung angekauft worden sei33. Folglich sei die Kenntnis des Schuldners von der Vorausabtretung auch erst zu diesem Zeitpunkt maßgeblich. Dies stimme mit § 404 BGB überein, der in § 406 BGB eine Erweiterung erfahre. Wenn man jedoch die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichstellen würde, wirke sich dies zum Schutze des neuen Gläubigers aus, auch wenn seine – durch Abtretung erworbene – Forderung mit der Möglichkeit der Aufrechnung belastet gewesen sei. Das Gericht schließt sich damit einer in der Literatur vertretenen Gegenauffassung an34 und trägt zur Begründung folgende Argumente vor: Der Senat zieht zunächst die Vorschrift des § 404 BGB heran, welche bei der Aufrechnung zum Schutze des Schuldners durch § 406 BGB erweitert werde. Diese Vorschriften würden eine Aufrechnungslage oder zumindest eine entsprechende Aussicht schützen. Unabhängig von einer Kenntnis hinsichtlich der Vorausabtretung dürfe der Schuldner dem Zessionar diese Einwendungen entgegenhalten. Der neue Gläubiger erwerbe die vorausabgetretene Forderung erst, wenn diese entstanden sei, und zwar „belastet“ mit der Aufrechnungsmöglichkeit35. Weiterhin führt das OLG Köln aus, dass der Fall der Vorausabtretung bei der Entstehung des BGB nicht bedacht worden sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass die „Väter des BGB“ dem Zessionar einer künftigen Forderung allein durch die Anzeige der Vorausabtretung rechtlich besser stellen wollten, wodurch von § 404 BGB abgewichen und dem Schuldner seine – durch diese Norm geschützte – Aufrechnungsmöglichkeit bezüglich der künftigen Forderung genommen würde.
32 Die Frage, inwieweit der Factoring-Vermerk auf den Rechnungen zu einer positiven Kenntnis der Beklagten/Schuldnerin führte, soll nicht näherer Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sein; vgl. hierzu: Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1313 (1316); H. P. Westermann, BGH EWiR § 406 BGB 1/02, S. 897 (898). 33 Vgl. zum Factoring-Vertrag zwischen der Klägerin und der A: OLG Köln, NJWRR 2001, S. 539. 34 So Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1313 (1314) mit Hinweis auf: Denck, DB 1977, S. 1493; Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 3; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 69 II, S. 737 ff.; ders., BB 1982, S. 873 ff. 35 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540).
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Einen weiteren Gesichtspunkt bildet das Argument des BGH, dass der Schuldner bei Kenntnis der Vorausabtretung frei entscheiden könne, eine Verbindlichkeit einzugehen, wenn die Aufrechnungsmöglichkeit für ihn wichtig sei. Dagegen wendet das OLG Köln ein, dass dieser Gesichtspunkt bei kraft Gesetzes erworbenen Gegenforderungen des Schuldners nicht durchgreife36. Ferner vertritt der Senat, dass das Verhältnis von Vorauszession und Abtretungsverbot Anlass dafür gebe, Abtretung und Vorausabtretung nicht gleichzusetzen. Auch bei einer Bösgläubigkeit des Schuldners greife ein Abtretungsausschluss gegen eine zeitlich frühere Vorauszession durch. Die rechtliche Stellung beim Erwerb einer künftigen Forderung sei mithin schwächer als bei der Erlangung eines bereits existierenden Anspruchs. Auch der – zwecks Finanzierungserleichterung für kleine und mittlere Unternehmen in das HGB eingefügte – § 354a HGB spreche für die vom Senat vertretene Auslegung der §§ 404, 406 BGB. Bei einer Aufrechnung, welche unter den Begriff der „Leistung“ i. S. d. § 354a S. 2 HGB falle, lege der Gesetzgeber dem Zessionar das Risiko auf, dass der Zedent in Insolvenz falle. Dies bedeute im Ergebnis einen Schutz des Verwenders von Abtretungsverboten, weil er bei der Auswahl seiner Zahlungsadresse nicht vertraglich beschränkt werden könne. Das Risiko der Insolvenz des ursprünglichen Gläubigers werde auf den Schuldner übertragen, wenn die Kenntnis der Vorausabtretung mit der Kenntnis der Abtretung gleichbehandelt werde. Der Schuldner könne diese Risikoverlagerung nicht allein durch eine Ausschließungsabrede mit dem Zedenten ausgleichen, welche oftmals für ihn nicht realisierbar sei. Bei einem Ausgleich der Interessen des Schuldners und des Zessionars sei ersterer nicht weniger schutzwürdig, allein weil er Kenntnis von der Vorausabtretung gehabt habe. Dies ergebe sich aus der Regelung des § 354a HGB und bei Betrachtung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Parteien. Weiterhin verweist das OLG Köln auf die Entscheidung BGHZ 63, 33937. Der BGH habe in diesem – besonderen – Fall die Aufrechnung nicht wegen § 406 BGB verneint, obwohl die Gegenforderung noch nicht entstanden war, als die Abtretung dem Schuldner bereits bekannt war. Abgestellt worden sei auf Sinn und Zweck der §§ 404, 406 BGB, den Schuldner durch die Zession nicht gegenüber dem Zessionar schlechter zu stellen als seine Position gegenüber dem Zedenten war. Zudem wird angeführt, dass bei dem maßgeblichen Urteil des BGH vom 2. Juni 197638 die Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin und der Zedentin identisch gewesen seien. Aufgrund dieser Besonderheit sei das Schutz36 37 38
OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541). BGHZ 63, 339 = NJW 1975, S. 1022. BGHZ 66, 384; vgl. oben Drittes Kapitel § 5 I.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
interesse der Schuldnerin dort geringer erschienen. Hier läge aber eine Globalzession im Rahmen eines Factoringverhältnisses vor. Bei einer derartigen Interessenlage sei eine abweichende Entscheidung des Senats gerechtfertigt, wie auch – für das hier gegebene beiderseitige Handelsgeschäft – aus § 354a HGB folge. Schließlich erwähnt das OLG Köln eine Entscheidung des BFH39 zur Anwendung des § 406 BGB. Diese enthalte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Urteil des BGH und ziehe entscheidend die Vorschrift des § 404 BGB heran. Der BGH bestätigt mit Urteil vom 26. Juni 200240 seine bisherige Rechtsprechung, dass die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichzusetzen sei, und führt zur Begründung im wesentlichen aus: Die Kaufpreisforderungen der Klägerin seien nicht durch eine Aufrechnung mit den Gegenforderungen untergegangen, welche der K-GmbH (Schuldnerin) gegen die A zuständen. § 406 BGB normiere als Sonderregelung zu § 404 BGB den Einwand der Aufrechnung, welche nach erfolgter Abtretung erklärt werde. Der gutgläubige Schuldner dürfe aufgrund dieser Vorschrift auch solche Gegebenheiten geltend machen, die nach dem Abtretungszeitpunkt eingetreten seien und die ihm ohne die Abtretung eine Aufrechnung gegenüber dem Zedenten ermöglicht hätten. Das Aufrechnungsrecht des Schuldners wird nach Auffassung des BGH dann bewahrt, wenn er bei Erlangung der Gegenforderung damit rechnen durfte, durch Aufrechnung hiermit von der Hauptforderung, die ohne seine Kenntnis inzwischen abgetreten wurde, frei zu werden. Sei aber nur für den gutgläubigen Schuldner eine derartige Aufrechnungsbefugnis durch § 406 BGB vorgesehen, könne ein derartiger Schutz bei mangelndem Vertrauen, mit dem Erwerb der Gegenforderung eine Aufrechnungslage zu erlangen, nicht gewährt werden. Entscheidend für die Kenntnis des Schuldners sei – so der BGH – der Zeitpunkt der Vorausabtretung und nicht, wie von der Gegenmeinung vertreten werde, derjenige des Wirksamwerdens der Verfügung, d.h. der Forderungsübergang auf den Zessionar. Denn aus den Motiven zum Ersten Entwurf41 ergebe sich, dass § 406 BGB nur für den „gutgläubigen“ Schuldner eine Aufrechnungsmöglichkeit trotz der erfolgten Abtretung bewahren wolle. IV. Ansichten in der Literatur Die Entscheidungen des OLG Köln und des BGH treffen in der Literatur sowohl auf Kritik als auch auf Zustimmung. Die Kritik am Urteil des OLG Köln stützt sich zunächst auf den Wortlaut des § 406 BGB, der die Entscheidung des 39
BFHE 144, 92. BGH, NJW 2002, S. 2865. 41 Motive, S. 131 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 70 ff.; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 40
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Senats allein nicht zu tragen vermöge und möglicherweise eher Anhaltspunkte für die Rechtsprechung des BGH aufweise42. Ferner wird eingewandt, dass ein Schuldner bei vorhandener Kenntnis der Vorausabtretung auch wisse, dass jene – mit Entstehung der vorauszedierten Forderung – in eine vollendete Abtretung münde43. Wagner widerspricht der systematischen Argumentation des OLG Köln zum Verhältnis der §§ 404, 406 BGB und hält insbesondere dessen Begründung zum Verhältnis von Vorauszession und Abtretungsverbot für nicht durchgreifend44. Ein Schutz des Zessionars sei – so Wagner – dadurch gewährleistet, dass er dem Schuldner die Einwendungen entgegensetzen könne, welche der Zedent gegen die Gegenforderung innegehabt hätte. Dagegen erblickt Fehl in der Entscheidung des OLG Köln eine „in sich schlüssige Argumentation“ mit „dogmatisch gewichtigen Argumenten“, welche im Wesentlichen dem Lösungsansatz von Serick hinsichtlich des Verhältnisses der §§ 404, 406 BGB folge45. Er führt den Wortlaut des § 406 BGB zugunsten der Auffassung des BGH an, kritisiert aber eine daraus folgende Einschränkung des in § 404 BGB vorgesehenen Schuldnerschutzes. Dies gilt nach Meinung Fehls gerade dann, wenn man – im Anschluss an die Gegenmeinung – § 406 BGB im Kontext zu § 404 BGB auslege und eine Vergrößerung des Schutzbereichs annehme. Schwarz hält gegen die Auffassung des OLG Köln, wonach der Zeitpunkt des Entstehens der Hauptforderung maßgeblich sei, dass der – die Vorschrift des § 406 BGB tragende – Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt werde, wenn man einen derartigen objektiven Umstand für entscheidend erachte46. Seiner Ansicht nach steht die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleich, jedoch sei eine Aufrechnung analog § 406 BGB auch dann möglich, wenn die Gegenforderung bei Kenntniserlangung noch nicht bestehe47. Erforderlich ist aber nach Meinung von Schwarz analog § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB, dass im Zeitpunkt der Kenntniserlangung wenigstens der Rechtsgrund der Gegen- oder Hauptforderung vorhanden sei. Bei der zweiten Alternative dürfe die Fälligkeit der Gegenforderung nicht nach Kenntniserlangung und Fälligkeit der Hauptforderung eintreten (§ 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB analog). Er schließt sich damit – mit der vorgenannten Einschränkung – dem BGH insoweit an, dass die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichsteht48. 42 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416); Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1313 (1315). 43 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416). 44 Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1313 (1316). 45 Fehl, DZWIR 2003, S. 76 (77). 46 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187). 47 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2190); vgl. unten Drittes Kapitel § 7 IV. 48 Schwarz, WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83 (86).
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
H. P. Westermann wendet gegen die Ansicht des BGH ein, dass sich nicht jede Vorausabtretung letztlich verwirkliche und der Zeitpunkt ihrer Vollendung ungewiss sei49. Im Zuge von Gerechtigkeitserwägungen sei es geboten, einen Vergleich mit den Wertungen des § 404 BGB und des § 354a HGB vorzunehmen, und als zweifelhaft zu erwägen, ob die Dispositionen des Schuldners durch die Vorausabtretung nachteilig betroffen sein dürften.
§ 6 Vorausabtretung als Gegenstand der Kenntnis Gemäß § 406 Hs. 2 BGB besteht – in beiden Alternativen – eine Voraussetzung für den Ausschluss der Aufrechnung darin, dass der Schuldner Kenntnis von der Abtretung hat. Der Begriff der Abtretung ist in § 398 S. 1 BGB legaldefiniert als vertragliche Übertragung der Forderung, welche mit Abschluss des Vertrages einen Gläubigerwechsel zur Folge hat (§ 398 S. 2 BGB). Fraglich ist, ob dem Wortlaut des § 406 BGB ein maßgebliches Auslegungsergebnis dahingehend entnommen werden kann, dass nur eine Kenntnis der Abtretung erfasst wird, oder ob der gesetzliche Sprachgebrauch sich auch auf eine Kenntnis der Vorausabtretung beziehen kann. Die Grenze der Auslegung wird dabei durch den sprachlich möglichen Wortsinn gezogen. Wenn dieser Rahmen verlassen wird, dann liegt eine Lückenergänzung, Analogie oder teleologische Reduktion vor50. Bei der Beurteilung dieser Frage sind zwei inhaltliche Aspekte zu unterscheiden: Zunächst geht es um die (Vor-)Frage, ob und wie § 406 BGB auf die Vorausabtretung an sich angewendet werden kann. Dieser Ansatzpunkt betrifft generell die Abtretung künftiger Forderungen und ihre rechtliche Behandlung bei den Vorschriften der §§ 398 ff. BGB. Die Zulässigkeit der Abtretung künftiger Forderungen ist – nach einer anfänglich kontroversen Beurteilung nach Inkrafttreten des BGB – heute in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt51. Bei der Entstehung des BGB führte der Redaktor von Kübel in seinem Teilentwurf zum Obligationenrecht hinsichtlich der Abtretung aus: Die Cession ist, wie bereits dargelegt worden, ihrem Begriffe und Wesen nach Uebertragung der Forderung von dem bisherigen auf einen neuen Gläubiger, den Cessionar; dieser wird demzufolge durch die Zession der alleinige und ausschließliche Forderungsberechtigte und ergiebt sich hieraus von selbst die Wirkung gegen jeden Dritten als im Begriffe der Zession gelegen. . . . Eine ,Abtretung‘, welche dem Cessionar keinerlei Gläubigerrechte überträgt, ist aber keine Cession, deren Wesen ja eben in der Uebertragung der Gläubigerrechte besteht, und es scheint ein 49
H. P. Westermann, BGH EWiR § 406 BGB 1/02, S. 897 (898). Larenz, Methodenlehre, S. 322. 51 Vgl. nur Pöggeler in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 I, S. 108 ff. m.w. N.; siehe auch ausführlich zur Entstehungsgeschichte der Abtretung zukünftiger Forderungen: Ramsauer, Abtretung zukünftiger Forderungen, S. 10 ff. 50
§ 6 Vorausabtretung als Gegenstand der Kenntnis
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Widerspruch in sich selbst, von einer Cession mit nur obligatorischer Wirkung zu reden, während gerade die dingliche Wirkung das Wesen der Cession bildet52. Der Regel nach kann jede aus einem Schuldverhältniß entspringende Forderung veräußert werden, welcher Art und Ursprungs sie sein möge; im Besonderen sind auch übertragbar die bedingten, die betagten, die zukünftigen und die ungewissen Forderungen53.
Die Wertung dieser Gesetzgebungsmaterialien gibt zunächst Aufschluss über die Frage, wie die §§ 398 ff. BGB bei einer Vorausabtretung angewendet werden können: Der Redaktor ging, wie aus dem oben zitierten zweiten Absatz ersichtlich, von der Übertragbarkeit einer zukünftigen Forderung aus. Daraus leitet Pöggeler her, dass die BGB-Kommissionen nicht ohne eine entsprechende Stellungnahme von der Auffassung von Kübels abweichen wollten, welche in beiden Kommissionen bekannt gewesen sei. Ferner wird darauf hingewiesen, dass von Kübel selbst der ersten Kommission angehört habe und der Redaktor des Obligationenrechts gewesen sei54. Im Gegensatz dazu betont Schwarz – unter Heranziehung des zuerst zitierten Absatzes –, dass § 398 S. 1 BGB auf die Rechtsänderung abziele, was sich in den Gesetzgebungsmaterialien dadurch zeige, dass die unmittelbar rechtsändernde Wirkung der Abtretung hervorgehoben und eine obligatorische Abtretung abgelehnt werde55. Der historische Gesetzgeber habe die Vorausabtretung zwar gekannt und auch als zulässig angesehen. Im Ergebnis besteht aber teilweise die Schlussfolgerung, dass die Abtretung einer künftigen Forderung in die §§ 398 ff. BGB – und mithin auch in die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 404 ff. BGB – nicht einbezogen worden sei56. Diesbezüglich soll eine Gesetzeslücke bestehen. Diese unterschiedlichen Erwägungen zu den Gesetzgebungsmaterialien beantworten aber noch nicht die Frage, ob die Kenntnis der Vorausabtretung vom möglichen Wortsinn des § 406 BGB erfasst wird. Im Ergebnis wird allgemein bejaht, dass § 406 BGB bei einer Vorausabtretung an sich anwendbar ist, indem diese Vorschrift entweder analog – im Falle des Direkterwerbs – oder unmittelbar – beim Durchgangserwerb – herangezogen wird57. Es führt jedoch bei der Wortlautauslegung nicht entscheidend weiter, dass § 406 BGB bei der Abtretung einer zukünftigen Forderung an sich eingreift. Selbst die Vertreter der Auf52 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 16, hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 948. 53 Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 17, hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 949. 54 Vgl. nur Pöggeler in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 I, S. 108 ff. m.w. N. 55 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187). 56 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540); Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187 f.); Schwerdtner, NJW 1974, S. 1785 (1788); Serick, BB 1982, S. 873 (874 f.); von Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 394. 57 Vgl. oben Zweites Kapitel § 3 III. 1.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
fassung, nach der hinsichtlich der Vorausabtretung eine Gesetzeslücke besteht und § 406 BGB folglich nur analog anwendbar ist, sehen damit noch nicht die Frage beantwortet, ob und inwiefern die Kenntnis der Vorausabtretung bei § 406 BGB einbezogen ist58. So verweist Schwarz auf die Begründungen der Redaktorvorlage zu § 406 BGB59. Dort wird u. a. ausgeführt, dass der Schuldner vielleicht seine Gegenforderung nur mit Rücksicht auf die bestehende Hauptforderung begründe und darauf sein schützenswertes Vertrauen beruhe. Ein Schuldner sei – so Schwarz – aber erst bei Bestehen der Hauptforderung als solcher anzusehen. Er schließt ferner aus den Begriffen des „bisherigen“ und „neuen Gläubigers“, dass § 406 BGB bei Kenntniserlangung eine bestehende Hauptforderung voraussetze, ohne die es keinen Gläubiger und Schuldner gebe. Die Schlussfolgerung von Schwarz bezieht sich aber zunächst nur darauf, dass § 406 BGB auf den Fall der Vorausabtretung analog anzuwenden sei, um dann aufgrund des Vertrauensschutzgedankens eine eigene Auffassung hinsichtlich der Kenntnis der Vorausabtretung zu entwickeln. Vielmehr ist für die Wortlautauslegung ein zweiter Aspekt wesentlich: Anders als bei § 398 BGB, der von der „Abtretung“ spricht, geht es bei § 406 BGB nicht darum, allein diesen Begriff auf eine „Vorausabtretung“ auszudehnen. Es ist darüber hinaus noch eine weitergehende inhaltliche Entfaltung zu erwägen, wenn eine Kenntnis der Abtretung auch auf eine Kenntnis der Vorausabtretung erstreckt werden soll. Ausgangspunkt der Wortlautauslegung bleibt aber dabei der Begriff „Abtretung“. Die Ansicht, welche § 406 BGB allein auf die Kenntnis der Abtretung bezieht und eine Kenntnis der Vorausabtretung nicht gleichstellt, kann zunächst diesen Wortlaut für sich geltend machen60. Sie stützt sich weiterhin darauf, dass der Gesetzgeber den Fall der Abtretung einer künftigen Forderung nicht bedacht habe61. Serick lehnt in dieser Hinsicht die Argumentation des BGH, welche sich auf die Motive zum Ersten Entwurf bezieht, ab62. Diese Kritik vermag jedoch nicht überzeugen, da der BGH zu einer Wortlautauslegung insoweit nicht Stellung nimmt und sich nur auf den Sinn und Zweck des § 406 BGB (Schuldnerschutz) bezieht. Serick vertritt ferner, dass gerade die Strukturunterschiede der beiden Abtretungen für den Kenntnisumfang entscheidend seien63: Bei der Abtretung einer bestehenden Forderung kenne der Schuldner den erfolgten Forderungsübergang 58
Vgl. Bülow, JA 1983, S. 7 (12); Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2188). Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2188) mit Hinweis auf: Vorlage des Redaktors von Kübel, S. 47 f., hrsg. von Schubert, Vorlagen der Redaktoren, S. 979 f. 60 Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1314 (1315). 61 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540); Schomaker, BB 1969, S. 940 (941); Serick, BB 1982, S. 873 (874 f.); ders., Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band V, § 69 II 2 a), S. 740. 62 Serick, BB 1982, S. 873 (874 f.). 63 Serick, BB 1982, S. 873 (875). 59
§ 6 Vorausabtretung als Gegenstand der Kenntnis
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auf den Zessionar. Dagegen beziehe sich bei der Vorauszession – mit ihrem gestreckten Abschlusstatbestand – das Wissen des Schuldners lediglich darauf, dass der mögliche künftige Gläubiger eine Verfügung über die Forderung dahingehend getroffen habe, dass der neue Gläubiger bei ihrem Entstehen Inhaber der Forderung werde. Serick macht dann für die Bestimmung des Begriffs „Kenntnis“ im Falle der Vorausabtretung eine Ergänzung geltend64: Die Kenntnis des Schuldners müsse sich auf eine Abtretung beziehen, die auch das Wissen um einen Gläubigerwechsel bei einer bereits bestehenden Forderung mit umfasse. Aus dieser „Lesart“ folge für die Vorauszession, dass die künftige Forderung bereits entstanden sein müsse, weil der Zessionar seine Forderung erst ab diesem Zeitpunkt geltend machen könne. Als Argument hierzu verweist Serick auf die Motive zum Ersten Entwurf des BGB. Hierbei heiße Kenntnis des Schuldners von der Abtretung nicht das Wissen um den Zeitpunkt der Forderungsabtretung, sondern hinsichtlich des Forderungsübergangs als Auswirkung der Zessionsvereinbarung. Gegen diese Ansicht ist zunächst einzuwenden, dass es bei diesem allgemeinen Bezug Sericks auf die Motive zum Ersten Entwurf des BGB verbleibt, welche mangels ausdrücklicher Erwägungen zur Vorausabtretung nur die Abtretung einer existenten Forderung zugrunde legten. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der mögliche sprachliche Wortsinn bei einer Gleichstellung von Kenntnis der Abtretung und Kenntnis der Vorausabtretung eingehalten wird: Der Wortlaut des § 406 BGB erlaubt nicht allein die Auffassung des OLG Köln, sondern ist auch für die Ansicht des BGH offen und dürfte sogar eher für diese sprechen65. Dies lässt sich damit begründen, dass die Vorausabtretung ein Unterfall der Abtretung ist, so dass für den Schuldner eine Kenntnis des Hauptfalles und mithin auch eine Kenntnis des Unterfalles nachteilig ist66. Denn die Abtretung einer bestehenden Forderung kann als Grundform betrachtet werden, aus der die Vorausabtretung entstammt67. Wenn jemand, hier der Schuldner, die Vorausabtretung kennt, so weiß er auch, dass beim Entstehen der vorausabgetretenen Forderung die Zession vollendet wird. Bei einer Kenntnis der Vorausabtretung ist die weitere Entwicklung bekannt, dass die Vorauszession zur vollendeten Abtretung führen wird68. Als Ergebnis kann mithin festgestellt werden, dass der mögliche sprachliche Wortsinn des § 406 BGB eingehalten wird, wenn man mit der Auffassung des BGH die Kenntnis der Abtretung und die Kenntnis der Vorausabtretung gleichstellt.
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Serick, BB 1982, S. 873 (875). Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416); vgl. auch Fehl, DZWIR 2003, S. 76 (77). 66 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416). 67 Pöggeler in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 9 II, S. 112. 68 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416). 65
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
§ 7 Schuldnerschutz § 406 BGB ist eine Schuldnerschutzvorschrift, die in einer Reihe mit den Normen der §§ 404, 407 BGB steht. Hierbei ist zunächst von Interesse, wie die Anwendungsbereiche dieser Bestimmungen für den Fall, dass der Schuldner aufrechnet, voneinander abgegrenzt werden können. Weiterhin stützt sich die Argumentation der verschiedenen Meinungen hinsichtlich der Frage, ob die Kenntnis der Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichgestellt werden kann, wesentlich auf das Verhältnis und die Normzwecke der §§ 404, 406 und § 407 BGB. I. Aufrechnung durch den Schuldner bei §§ 404, 406, 407 BGB Die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 404, 406 und 407 BGB umfassen insbesondere bei einer Aufrechnung durch den Schuldner verschiedene Anwendungsbereiche. Gemäß § 404 BGB kann der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Diese Norm bewahrt dem Schuldner alle Verteidigungsmöglichkeiten, d.h. unter „Einwendungen“ i. S. dieser Regelung sind sowohl die Einreden im engeren Sinne als auch die rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen zu verstehen69. Die Einwendungen müssen zur Zeit der Abtretung bereits begründet gewesen sein, d.h. sie müssen ihrem Rechtsgrund nach im Schuldverhältnis bereits angelegt sein70. Der maßgebliche Zeitpunkt für einen Schutz gemäß § 404 BGB ist die Abtretung. Eine Aufrechnung, welche der Schuldner gegenüber dem – künftigen – Zedenten bereits vor der Abtretung erklärt hat, kann nach herrschender Meinung gemäß § 404 BGB dem Zessionar entgegengesetzt werden71. Die abgetretene Forderung ist durch die Aufrechnung bereits vor der Abtretung erloschen (§ 389 BGB), was der Schuldner als Einwendung dem Zessionar gemäß § 404 BGB entgegenhalten kann. Dagegen wird vertreten, dass der Tatbestand des 69 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 404 Rn. 5; Pick, AcP 172 (1972), S. 39 (41); Soergel/Zeiss, § 404 Rn. 1. 70 BGHZ 54, 269 (271); BGH, NJW 1985, S. 863 (864); Hennrichs, WM 1992, S. 85 (86); Köhler, JZ 1986, S. 516; Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 587; von Olshausen, Gläubigerrecht und Schuldnerschutz, S. 33 f.; Staudinger/Busche, § 404 Rn. 10. 71 BGHZ 19, 153 (156); BGH, NJW 2002, S. 2865; Bacher, JA 1992, S. 200; BGB-RGRK/Weber, § 404 Rn. 17, § 406 Rn. 4; Münchener Kommentar zum BGB/ Roth, § 404 Rn. 11; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 636; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (244 f.); ders., WM 2001, S. 2185 (2188); ausführlich: Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1297) mit Darstellung der Entstehungsgeschichte.
§ 7 Schuldnerschutz
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§ 404 BGB bereits nicht eingreife, wenn die Aufrechnung schon vor der Abtretung gegenüber dem – späteren – Zedenten erklärt worden sei72. Weil die Hauptforderung durch die Tilgungswirkung der Aufrechnung bereits vor der „Zession“ erloschen sei, hätte ein Forderungsübergang mit Gläubigerwechsel nicht erfolgen können. Der Anwendungsbereich des § 406 BGB lässt sich anknüpfend an die Aufrechnungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit bestimmen. Gemäß § 387 BGB liegt eine der Voraussetzungen für eine Aufrechnung darin, dass Hauptforderung und Gegenforderung gegenseitig sind, d.h. dass Gläubiger und Schuldner einander die Leistungen schulden. Wenn aber der Gläubiger der Hauptforderung diese an eine andere Person abtritt, entfällt diese Tatbestandsvoraussetzung. § 406 BGB trifft nun eine Ausnahmeregelung hinsichtlich des Merkmals der Gegenseitigkeit73. Satz 1 der Vorschrift behandelt die Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung trotz der Abtretung als fortbestehend und dient damit dem Interesse des Schuldners, welcher die Abtretung grundsätzlich nicht beeinflussen kann74. Dagegen wird vertreten, dass diese Ausnahme nur „scheinbar“ sei, weil die Gegenseitigkeit nur für die Begründung, nicht aber für die Ausübung des Aufrechnungsrechtes maßgeblich sei75. Hiergegen ist einzuwenden, dass die Gegenseitigkeit der Forderungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (§ 388 S. 1 BGB) vorliegen muss76. Es lässt sich der Formulierung „schulden“ entnehmen, dass dieser Zeitpunkt für das Vorliegen der Gegenseitigkeit entscheidend ist77. Der Schuldner kann sich gemäß § 406 BGB auch weiterhin von der abgetretenen Forderung befreien, indem er mit einer ihm gegen den Zedenten zustehenden Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufrechnet. Während also § 404 BGB und § 407 BGB Aufrechnungsmöglichkeiten gegenüber dem Zedenten erfassen78, regelt § 406 BGB diese Fälle nicht, so dass sich die einschränkenden Voraussetzungen dieser Norm auch nicht auf diese Vorschriften erstrecken. § 406 BGB bezieht sich lediglich auf die Aufrechnung des Schuldners gegenüber dem Zessionar mit einer ihm gegen den Zedenten zustehenden Ge72
Erman/H. P. Westermann, § 404 Rn. 2; Kornblum, BB 1981, S. 1296. BGHZ 19, 153 (157); 58, 327 (329); BGH, NJW 1996, S. 1056 (1057); BGH, WM 2003, S. 578 (579); Bacher, JA 1992, S. 200 (203); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 1; von Feldmann, JuS 1983, S. 357 (358); Jacob, WM 1991, S. 1581 (1582); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 1; Schomaker, BB 1969, S. 940; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (247). 74 BGHZ 19, 153 (157); 58, 327 (329); BGH, NJW 1996, S. 1056 (1057); Fricke, NJW 1974, S. 1362; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (271). 75 Metzler, Aufrechnung nach Übertragung, S. 22, 56 ff. 76 Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 31 m.w. N.; Staudinger/ Gursky, § 387 Rn. 70. 77 Münchener Kommentar zum BGB/Schlüter, § 387 Rn. 6. 78 Vgl. Drittes Kapitel § 7 I. 73
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
genforderung, welche der Schuldner – folglich – nach erfolgter Abtretung und in Kenntnis hiervon erklärt hat79. Mit diesem Regelungsbereich ist verdeutlicht, dass der Zessionar und nicht mehr der Zedent Adressat der Aufrechnungserklärung ist80. Wenn schon vor der Abtretung hinsichtlich Haupt- und Gegenforderung eine Aufrechnungslage bestand, die Aufrechnung vor der Abtretung aber noch nicht erklärt war, wäre nach den Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Aufrechnung die erst nach der Abtretung erklärte Aufrechnung nicht möglich, weil das Tatbestandsmerkmal der Gegenseitigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung nicht mehr vorliegt. Bereits hier erhält § 406 BGB zugunsten des Schuldners die Aufrechnungsmöglichkeit, indem für ihn die zur Zeit der Abtretung bestehende Aufrechnungsbefugnis auch nach der Abtretung bewahrt wird81. Das bis zur Abtretung gegebene Aufrechnungserfordernis der Gegenseitigkeit wird als fortbestehend angesehen, damit der Schuldner seine bei Abtretung bestehende Aufrechnungsbefugnis behält und auch diejenige Rechtsposition, die ihm ohne die Abtretung später eine Tilgung seiner Schuld durch Aufrechnung ermöglicht hätte82. Auch wenn der Schuldner Kenntnis von der Abtretung hat, darf er gegenüber dem neuen Gläubiger mit seiner gegen den Zedenten bestehenden Gegenforderung aufrechnen83. § 406 BGB erweitert die Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners über den Fall hinaus, dass für ihn bereits bei der Abtretung eine Aufrechnungslage bestand. Der Schuldner darf auch bestimmte später eingetretene Umstände geltend machen, welche ihm ohne die Abtretung eine Aufrechnungsbefugnis gegenüber dem Zedenten gegeben hätten84. Die einzelnen Fallkonstellationen, bei denen die Aufrechnungsmöglichkeit durch § 406 Hs. 2 BGB beseitigt wird, sind oben dargestellt85. § 406 BGB stellt für eine Aufrechnungsmöglichkeit entscheidend auf die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung ab. Diese Regelung steht im Einklang mit § 407 BGB.
79 BGH, NJW 1969, S. 276; BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 5; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 5; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2. 80 OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, S. 1025; BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 5; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2. 81 BGHZ 58, 327 (329); BGH, NJW 2002, S. 2865; BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 7; Palandt/Heinrichs, § 406 Rn. 5; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2. 82 BGHZ 19, 153 (157); 58, 327 (329); BGH, NJW 1990, S. 2544 (2545) = LM § 406 Nr. 18; OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539, jedoch für § 404 BGB. 83 BGH, NJW 1969, S. 276; BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 7; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 3 a), S. 90. 84 BGHZ 19, 153 (157); BGH, NJW 1974, S. 2000 (2001); BGH, WM 2003, S. 578 (579); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 9. 85 Vgl. oben Zweites Kapitel § 4.
§ 7 Schuldnerschutz
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Die Regelung des § 407 Abs. 1 BGB betrifft die Leistung des Schuldners an den Zedenten sowie Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen – in weitem Sinne – zwischen Schuldner und Zedent86. Dabei umfasst die Bestimmung nach ihrem Zweck als Vorschrift des Schuldnerschutzes keine Rechtshandlungen zwischen Schuldner und Zedent, welche die Lage des Schuldners verschlechtern würden87. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung, nach Kenntniserlangung ist sein Schutz nicht mehr gegeben. § 407 BGB erfasst den Fall, dass der Schuldner nach der Abtretung, aber in Unkenntnis hiervon, gegenüber dem Zedenten mit einer Forderung gegen diesen aufrechnet88. Die Vorschrift gilt nach h. M. sowohl für zweiseitige als auch für einseitige Rechtsgeschäfte89, mithin auch für die Aufrechnung. Der Schuldner darf dann als Einwendung der Tilgung dem neuen Gläubiger entgegensetzen, dass die Hauptforderung durch eine Aufrechnung mit der Gegenforderung gegenüber dem Zedenten erloschen ist. Nicht entscheidend ist danach – im Unterschied zur Regelung in § 406 Hs. 2 BGB –, wann der Schuldner die Gegenforderung erworben hat (vor oder nach der Abtretung) und zu welchem Zeitpunkt sie fällig geworden ist (früher oder später als die abgetretene Hauptforderung). Ein Teil der Literatur spricht sich dagegen für eine einschränkende Interpretation des § 407 Abs. 1 BGB dahingehend aus, dass die Bestimmung nur für eine „gemeinsame Verfügung des Zedenten und des Abtretungsschuldners“, d.h. ein zweiseitiges Verfügungsgeschäft, gilt und begründet dies mit einem entsprechenden Vorrang von § 404 BGB90. Diese Auffassung greift jedoch nach den Gesetzgebungsmaterialien des Ersten Entwurfs nicht durch. § 304 Abs. 1 des Ersten Entwurfs (der spätere § 407 BGB) bestimmt, dass sowohl zweiseitige als einseitige Rechtsgeschäfte vom Regelungsbereich der Vorschrift erfasst sind91. Zusammenfassend lassen – hinsichtlich einer Aufrechnung – die Regelungsbereiche der §§ 404, 406, 407 BGB eine zeitliche Reihenfolge erkennen, wenn man den hier interessierenden Fall der Abtretung mit anschließender Kenntnis 86 Vgl. im Einzelnen: Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 407 Rn. 6 f.; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 10 ff. 87 BGHZ 52, 150 (153); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 407 Rn. 1, 8; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 I, S. 76. 88 BGH, NJW-RR 1986, S. 536 (538); Bacher, JA 1992, S. 200 (201); Erman/H. P. Westermann, § 404 Rn. 2; Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5 b), S. 293; Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 590; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 4, § 407 Rn. 7; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2188); ders., AcP 203 (2003), S. 241 (244 f.); Staudinger/Busche, § 406 Rn. 6. 89 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 407 Rn. 7; Palandt/Heinrichs, § 407 Rn. 4; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 14. 90 Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1301 f.); Pick, AcP 172 (1972), S. 39 (55); vgl. auch Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7 III 2, S. 89, § 7 I, S. 76 f. 91 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
der Abtretung betrachtet92: § 404 BGB greift ein, wenn die Aufrechnung bereits vor der Abtretung erklärt wurde. Wird die Aufrechnung nach Kenntniserlangung erklärt, so regelt § 406 BGB diesen Fall. § 407 BGB findet Anwendung, wenn die Aufrechnung zwischen Abtretung und Kenntniserlangung von dieser stattfindet. II. Schuldnerschutz durch § 404 BGB und § 407 BGB Die §§ 404 ff. BGB dienen dem Schutz des Schuldners einer abgetretenen Forderung vor den Benachteiligungen, welche sich durch den Gläubigerwechsel aufgrund der Abtretung ergeben können. Die Schutzrichtungen der einzelnen Normen ergeben sich aus den zugrundeliegenden Regelungsintentionen. Der Sinn und Zweck für den in § 404 BGB geregelten Schuldnerschutz ist darin zu erblicken, dass sich die rechtliche Position des Schuldners durch die Abtretung der Forderung, welche ohne seine Mitwirkung erfolgt, nicht verschlechtern solle93. Der Schuldner soll gegenüber dem Zessionar nicht ungünstiger gestellt werden, als er gegenüber dem Zedenten stand. Zudem wird in § 404 BGB der Grundsatz der Sondernachfolge verwirklicht, dass sich die Identität der Forderung durch den Gläubigerwechsel nicht verändert. Die Forderung kann nur so, wie sie der bisherige Gläubiger innehatte, mithin auch nur mit allen ihr anhaftenden Mängeln, d.h. mit allen Einwendungen, auf den Zessionar übergehen94. Der Zweck des § 407 BGB liegt – wie bei den §§ 404 ff. BGB generell – darin, dass der Schuldner gegen rechtliche Benachteiligungen aufgrund der Abtretung geschützt werden soll. Die Vorschrift wird als das „Kernstück“ der gesetzlichen Vorschriften der §§ 404 ff. BGB bezeichnet, welche dem Schutz des gutgläubigen Schuldners vor den nachteiligen Folgen der Abtretung dienen95. Der über § 404 BGB hinausgehende und insoweit besondere Schutzgegenstand ist das Vertrauen des Schuldners darauf, dass der Zedent auch weiterhin die Rechtsstellung des verfügungsbefugten Gläubigers der Forderung hat96. Der gutgläubige Schuldner soll also vor den Rechtsfolgen der ihm nicht bekannten 92
Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (244). RGZ 73, 138 (139 f.); BGHZ 19, 153 (156); 58, 327 (331); Bacher, JA 1992, S. 200; Gernhuber in: FS Raiser, S. 57 (62); Larenz, Schuldrecht I AT, § 34 IV, S. 586; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 404 Rn. 1; von Olshausen, Gläubigerrecht und Schuldnerschutz, S. 33. 94 RGZ 83, 279 (282); BGB-RGRK/Weber, § 404 Rn. 1; Bülow, JA 1983, S. 7; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, Sukzessionen, § 7, S. 75, § 4, S. 36; Staudinger/Busche, § 404 Rn. 2. 95 BGHZ 52, 150 (153); BGB-RGRK/Weber, § 407 Rn. 1; Soergel/Zeiss, § 407 Rn. 1; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 2. 96 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 407 Rn. 1; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 634. 93
§ 7 Schuldnerschutz
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Abtretung geschützt werden. Der Vertrauensschutz umfasst Rechtshandlungen des Schuldners, welche er hinsichtlich der abgetretenen Forderung vornimmt. Die Schutzbedürftigkeit des Schuldners lässt sich daraus herleiten, dass § 398 S. 1 i.V. m. S. 2 BGB für den Gläubigerwechsel nicht die Mitwirkung des Schuldners verlangt und eine Anzeige an ihn keine notwendige Voraussetzung ist97. In dieser Hinsicht kompensiert die Vorschrift des § 407 BGB, dass der Schuldner nicht von der Abtretung benachrichtigt zu werden braucht, damit diese wirksam wird98. Dagegen soll § 404 BGB die nicht benötigte Mitwirkung des Schuldners an der Abtretung ausgleichen. Nach den Gesetzgebungsmaterialien beruht der Schuldnerschutz des § 407 BGB darauf, dass eine Anzeige der Abtretung an den Schuldner nicht erforderlich ist99. Aufgrund des Gerechtigkeitsgebotes und des Prinzips der Rechtssicherheit sind die Rechtshandlungen des Schuldners gegenüber dem Zedenten, die er in Unkenntnis der Abtretung vornimmt, in Bezug auf den Zessionar wirksam100. Zeitlich stellt § 404 BGB auf den Zeitpunkt der Abtretung ab. Das zeitliche Element wird von § 407 BGB dahingehend erweitert, dass der zeitliche Rahmen bis zur Kenntnis des Schuldners von der Abtretung reicht. III. Sinn und Zweck des § 406 BGB und das Verhältnis zu §§ 404, 407 BGB Für die Frage, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichsteht, stellen die verschiedenen Auffassungen entscheidend auf den Normzweck des § 406 BGB und das systematische Verhältnis der Vorschrift zu §§ 404, 407 BGB ab. Der BGH betont in seinem Urteil vom 26. Juni 2002, dass § 406 BGB eine Sonderregelung gegenüber § 404 BGB hinsichtlich der Einwendung der Aufrechnung sei und zieht maßgeblich den Gedanken des Vertrauensschutzes i. S. d. § 407 BGB heran. Dagegen ist das OLG Köln der Auffassung, dass die Regelung des § 404 BGB durch § 406 BGB erweitert werde. Da eine Aufrechnungslage oder eine diesbezügliche Aussicht durch diese Normen geschützt werde, könne der Schuldner dem neuen Gläubiger solche Einwendungen entgegensetzen, ohne dass zunächst seine Kenntnis von der Vorausabtretung maßgeblich sei. Man kann mithin sagen, dass die Auffassung des BGH den Vertrauensschutz in den Vordergrund stellt, das OLG Köln dagegen den Einwendungsschutz be-
97 BGB-RGRK/Weber, § 407 Rn. 1; Scheyhing/Nörr in: Nörr/Scheyhing/Pöggeler, § 7 I, S. 75; Soergel/Zeiss, § 407 Rn. 1; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 2. 98 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 407 Rn. 1. 99 Motive, S. 132 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 73; Bülow, JA 1983, S. 7 (9). 100 Palandt/Heinrichs, § 407 Rn. 1; Staudinger/Busche, § 407 Rn. 2.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
tont101. Diese verschiedenen Schutzrichtungen lassen sich der zweifach angelegten Normstruktur des § 406 BGB entnehmen. 1. Schutzrichtungen des § 406 BGB § 406 BGB beinhaltet für die Aufrechnung zwei verschiedene Gesichtspunkte, welche teilweise § 404 BGB und teilweise § 407 BGB erweitern102. Dieser Gedanke lässt sich auch dahingehend beschreiben, dass in § 406 BGB die Schutzrichtungen von § 404 BGB und § 407 BGB miteinander verknüpft werden103. Ausweislich der Motive zum Ersten Entwurf hat der Gesetzgeber in § 406 BGB zwei grundverschiedene Fälle geregelt, so dass die Vorschrift eine Doppelstruktur aufweist104. Eine Schutzrichtung oder „Fallgruppe“105 des § 406 BGB hat zum Gegenstand, dass dem Schuldner nach dem Gedanken des Einwendungsschutzes i. S. d. § 404 BGB eine – nachträgliche – Aufrechnungsmöglichkeit erhalten bleibt, wenn die Aufrechnungslage schon vor der Abtretung bestanden hat106. Wenn bei § 404 BGB der Schuldner die zur Zeit der Abtretung begründeten Einwendungen geltend machen darf, so gilt dies gemäß § 406 BGB auch für die – bei der Abtretung bereits bestehende – Aufrechnungslage. Auf eine etwaige Kenntnis des Schuldners von der Abtretung kommt es hierbei nicht an. Der Schuldner hat seine Gegenforderung bereits vor der Abtretung erworben, so dass die Aufrechnungslage entstehen konnte. Eine einschränkende Ausnahme von der Aufrechnungsmöglichkeit kann sich gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB ergeben: Wenn die Fälligkeit der Gegenforderung des Schuldners später als diejenige der abgetretenen Hauptforderung und nach Erlangung der Kenntnis eingetreten ist, konnte der Schuldner nicht davon ausgehen, gegenüber dem alten Gläubiger aufrechnen zu können, und hat mithin auch gegenüber dem neuen Gläubiger eine entsprechende Zahlungspflicht107.
101
Zu dieser Begrifflichkeit: Denck, DB 1977, S. 1493 (1494). Ennecerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 80 I 4 a), S. 325; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 592; Heck, Schuldrecht, § 67, 5, S. 205; Medicus, Schuldrecht, Rn. 738; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 636 ff.; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (246). 103 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 1; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (244). 104 Denck, DB 1977, S. 1493 (1494); vgl. unten Drittes Kapitel § 7 III. 4. 105 Mit diesem Begriff sind nicht die zwei Alternativen des § 406 Hs. 2 BGB gemeint. 106 Denck, DB 1977, S. 1493 (1494); Ennecerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 80 I 4 a), S. 325; Heck, Schuldrecht, § 67, 5 a), S. 205; Medicus, Schuldrecht, Rn. 738; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (245); Stephan, Gutglaubensschutz bei Zession, S. 48. 107 Medicus, Schuldrecht, Rn. 738. 102
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Der zweite Fall oder die zweite Schutzrichtung des § 406 BGB befasst sich mit dem Vertrauensschutz entsprechend dem Grundgedanken des § 407 BGB. Es geht um die Konstellation, dass der Schuldner seine Gegenforderung erst nach der Zession, aber vor Kenntnis der Abtretung erworben hat108. Eine etwaige Kenntnis des Schuldners erlangt hierbei also entscheidende Bedeutung. Schutzgegenstand ist das Vertrauen des Schuldners, eine Aufrechnung gegen den Zedenten erreichen zu können, d.h. durch die Begründung von Haupt- und Gegenforderung eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) im Verhältnis zum Zedenten herbeizuführen109. Solange der Schuldner noch keine Kenntnis von der Abtretung der Hauptforderung hat, hat er ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, sich von der Hauptforderung des Zedenten, welchen er für seinen Gläubiger hält, durch Aufrechnung mit der Gegenforderung zu befreien oder seine Gegenforderung gegenüber dem Zedenten im Wege der Aufrechnung selbst zu vollstrecken. Es gibt verschiedene Fallgestaltungen, in denen ein schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners besteht110: Schwarz führt dabei als erste Fallkonstellation an, dass der Schuldner auf eine Aufrechnungsmöglichkeit vertrauen darf, wenn die Aufrechnungslage bereits vor der Abtretung gegeben ist und der Schuldner davon ausgeht, dass der Zedent noch sein Gläubiger ist111. Dieser Fall ist aber – nach der oben ausgeführten Doppelstruktur des § 406 BGB – der Schutzrichtung des Einwendungsschutzes bei § 406 BGB zuzuordnen. Unter diesem Gesichtspunkt bleibt dem Schuldner eine – nachträgliche – Aufrechnungsmöglichkeit erhalten, wenn die Aufrechnungslage bereits vor der Abtretung gegeben war112. Ein Fall des Vertrauensschutzes ist zu bejahen, wenn eine Aufrechnungslage – bis auf das Merkmal der Gegenseitigkeit der Forderung – nach der Abtretung eintritt, aber bevor der Schuldner Kenntnis von der Zession erlangt. Dass die Gegenseitigkeit der Forderungen nicht vorliegt, steht der Annahme eines Vertrauensschutzes nicht entgegen, weil der Schuldner von der – ohne seine Mitwirkung erfolgenden – Abtretung keine Kenntnis hat und im Übrigen die Aufrechnungsvoraussetzungen nach seinem Wissen vorliegen113. Eine weitere Fallgestaltung besteht bei einem schützenswerten Vertrauen in eine sich zukünftig ergebende Aufrechnungsmöglichkeit114. Diese ist in § 406 Hs. 2 BGB erfasst. 108 Denck, DB 1977, S. 1493 (1494); Ennecerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 80 I 4 c), S. 325; Heck, Schuldrecht, § 67, 5 b), S. 205; Medicus, Schuldrecht, Rn. 739; Stephan, Gutglaubensschutz bei Zession, S. 54. 109 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (255, 262). 110 Vgl. ausführlich: Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (255 f.). 111 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (255, 262 f.). 112 Vgl. Drittes Kapitel § 7 III. 1. 113 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (256, 263). 114 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (256, 263 f.).
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
Die Voraussetzungen der Aufrechnung sind noch nicht erfüllt, wenn der Schuldner Kenntnis von der Abtretung erlangt, sondern ergeben sich erst danach. Es muss dabei zumindest der Rechtsgrund der Gegenforderung bereits vor der Kenntnis bestehen, damit der Schuldner auf eine zukünftige Aufrechnung vertrauen darf115. Damit ein schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners bejaht werden kann, ist – bei beiden vorgenannten Konstellationen des Vertrauensschutzes – zunächst erforderlich, dass im Zeitpunkt der Kenntniserlangung die Hauptforderung besteht und hinsichtlich der Gegenforderung zumindest der Rechtsgrund gegeben ist116. Nicht entscheidend ist es, zu welchem Zeitpunkt – wenn nur vor Kenntnis des Schuldners von der Abtretung – und in welcher zeitlichen Folge die Haupt- und die Gegenforderung entstanden sind117. Hinsichtlich der Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung trifft § 406 BGB eine Ausnahmeregelung, diese muss also im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung nicht gegeben sein. Erforderlich ist, dass diese subjektiv, aus Sicht des Schuldners bis zur Kenntniserlangung von der Abtretung bestanden hat118. Eine Aufrechnungsbefugnis besteht gemäß § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB dann aber nicht, wenn die Gegenforderung des Schuldners erst nach Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und nach der abgetretenen Hauptforderung fällig geworden ist. Es ist diesbezüglich nachvollziehbar, dass die Fälligkeit der Gegenforderung vor dem Fälligkeitszeitpunkt der Hauptforderung liegen muss. Denn lediglich in diesem Falle durfte der Schuldner auf eine Aufrechnung vertrauen119. Zu der oben dargestellten Doppelstruktur des § 406 BGB – Einwendungsund Vertrauensschutz – finden sich in der Rechtsprechung keine Ausführungen, die mit den expliziten Feststellungen im Schrifttum vergleichbar wären. Die verschiedenen Schutzrichtungen der Vorschrift werden aber auch in der Rechtsprechung in die Argumentation einbezogen120. 2. Vertrauensschutz durch § 406 BGB Der BGH stellt in seinem Urteil vom 26. Juni 2002 zur Begründung entscheidend darauf ab, dass § 406 BGB das Vertrauen des gutgläubigen Schuldners in eine Aufrechnungsmöglichkeit schütze, und bestätigt damit seine bisherige 115
Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (256). Vgl. ausführlich: Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (257 ff.) zu den Voraussetzungen des geschützten Vertrauens. 117 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (258); vgl. auch oben Zweites Kapitel § 4 II. 1. zum Erwerb der Gegenforderung vor und nach Abtretung bei § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB. 118 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (260). 119 Medicus, Schuldrecht, Rn. 739; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (256). 120 BGHZ 19, 153 (157); OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540). 116
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Rechtsprechung121. Von einem durch § 406 BGB gewährten Vertrauensschutz geht auch der überwiegende Teil der Literatur aus122. Der Gedanke des Vertrauensschutzes wurde zunächst eingehend von Schomaker für den Fall, dass der Schuldner bei einem verlängerten Eigentumsvorbehalt aufrechnet, ausgeführt123: Wenn der Schuldner bei einer Vorausabtretung vor der Entstehung seiner Verbindlichkeit erfahre, dass er nicht mehr gegenüber dem Zedenten, seinem Vertragspartner, zu leisten habe, entfalle sein Vertrauen darauf, durch die Aufrechnung gegenüber dem Zedenten von der gegen ihn gerichteten Hauptforderung frei zu werden. Mangels eines Vertrauens des Schuldners in seine Aufrechnungsmöglichkeit bestehe, so trägt Schomaker vor, nach dem Sinn und Zweck des § 406 BGB auch keine Befugnis zur Aufrechnung gegenüber dem Zessionar mit Forderungen gegenüber dem Zedenten. Der BGH schließt sich in seiner Entscheidung vom 2. Juni 1976 dieser Meinung ausdrücklich an124. Dass § 406 BGB den gutgläubigen Schuldner schützt und seine Aufrechnungsbefugnis gegenüber dem Zedenten bewahrt, trifft nach Meinung des BGH nicht nur bei der Abtretung, sondern auch bei der Vorausabtretung zu. Das Vertrauen des Schuldners in eine Aufrechnungslage sei auch bei der Vorauszession, unabhängig vom Wirksamkeitszeitpunkt der Abtretung, nur dann schutzwürdig, wenn dieser die Vorausabtretung im Zeitpunkt des Erwerbs seiner Gegenforderung nicht gekannt habe. Bei einer Kenntnis des Schuldners von der Abtretung habe er nicht erwarten können, sich durch Aufrechnung von der gegen ihn gerichteten Hauptforderung zu befreien. Der BGH führt – Schomaker folgend – weiterhin aus, dass auch die Ausnahmen in § 406 Hs. 2 BGB Anhaltspunkte dafür gäben, auch bei einer Vorausabtretung nur den gutgläubigen Schuldner zu schützen125. Denn es mangele an einem schutzwürdigen Vertrauen des Schuldners in eine Aufrechnungslage bei beiden Alternativen, wenn der Schuldner die Abtretung gekannt habe oder wenn die Fälligkeit seiner Gegenforderung später eintrat als diejenige der abgetretenen Hauptforderung des Zedenten. In seinem Urteil vom 26. Juni 2002 stellt der BGH erneut entscheidend auf den Vertrauensschutz durch § 406 BGB ab126. Ferner weist er ausdrücklich da121
BGH, NJW 2002, S. 2865 f. Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416); Ennecerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, § 80 I 4 a), S. 325; Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 1; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 592; Heck, Schuldrecht, § 67, 5, S. 205; Hoffmann, Anm. zu BGHZ 66, 384, LM § 406 Rn. 14, der das Vertrauen des Schuldners als das „maßgebende Kriterium“ ansieht; Jacob, WM 1991, S. 1581 (1582); Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1302); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 1, 19; Schlechtriem, Schuldrecht, Rn. 638; Schomaker, BB 1969, S. 940 (941); Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 4; Stephan, Gutglaubensschutz bei Zession, S. 54. 123 Schomaker, BB 1969, S. 940 (941). 124 BGHZ 66, 384 (386). 125 So auch Jacob, WM 1991, S. 1581 (1582). 122
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
rauf hin, dass § 406 BGB eine Sonderregelung gegenüber § 404 BGB hinsichtlich der Einwendung der Aufrechnung darstelle, wie es auch im Schrifttum vertreten wird127. Entgegen der Auffassung des OLG Köln, welches dabei Serick folgt128, soll diese Vorschrift also nicht – wie noch in der älteren Rechtsprechung angenommen129 – § 404 BGB erweitern. Der BGH führt zur Begründung seiner Entscheidung aus: § 406 BGB sei in gleicher Weise wie § 404 BGB von dem Gedanken getragen, dass der Schuldner durch die Abtretung keine Benachteiligung erfahre, d.h. dass sich die Rechtsstellung des Schuldners durch den Gläubigerwechsel nicht verschlechtere130. Er solle gegenüber dem Zessionar nicht ungünstiger gestellt werden, als er gegenüber dem Zedenten stand. Dann zieht der Senat den Gedanken des Vertrauensschutzes zugunsten des gutgläubigen Schuldners heran: Der Schuldnerschutz werde durch § 406 BGB dahingehend erweitert, dass ein gutgläubiger Schuldner auch solche Umstände geltend machen dürfe, welche erst nach der Abtretung eingetreten seien und die ihm ohne die Abtretung eine Aufrechnungsbefugnis gegenüber dem alten Gläubiger eingeräumt hätten131. Der Schutz eines solchen Schuldners sei zu bejahen, wenn er bei Erwerb seiner Gegenforderung damit rechnen konnte, sich durch die Aufrechnung mit dieser von der – inzwischen ohne sein Wissen abgetretenen – (Haupt-)Forderung befreien zu können132. § 406 BGB räume nur dem gutgläubigen Schuldner, der beim Erwerb der Gegenforderung keine Kenntnis von der Abtretung der Hauptforderung hatte, eine Aufrechnungsmöglichkeit ein. Der BGH zieht den Schluss, dass ein Schuldnerschutz dann nicht zu gewähren sei, wenn der Schuldner kein Vertrauen darin gehabt habe, dass er mit dem Erwerb der Gegenforderung eine Aufrechnungslage herbeiführen könne. Wenn der Schuldner in diesem Zeitpunkt, d.h. bei Erwerb der Gegenforderung, Kenntnis von der Vorausabtretung gehabt habe, könne er also nicht erwarten, dass er durch Aufrechnung von der gegen ihn gerichteten Hauptforderung frei werde133.
126
BGH, NJW 2002, S. 2865 (2866). BGH, NJW 2002, S. 2865; BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 5; Palandt/Heinrichs, § 404 Rn. 4; Soergel/Zeiss, § 406 Rn. 2. 128 Fehl, DZWIR 2003, S. 76 (77); zur Meinung des OLG Köln vgl. unten Drittes Kapitel § 7 III. 3. 129 BGHZ 19, 153 (156). 130 BGH, NJW 2002, S. 2865; so auch: BGHZ 19, 153 (156) mit Anm. Selowsky, LM § 406 Nr. 2; 58, 327 (331); 63, 338 (342); 64, 122 (126); BGB-RGRK/Weber, § 406 Rn. 1; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 1; Palandt/Heinrichs, § 406 Rn. 1; Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (270); Staudinger/Busche, § 406 Rn. 3. 131 BGH, NJW 2002, S. 2865 (2866). 132 BGH, NJW 2002, S. 2865 (2866); so auch: BGHZ 19, 153 (157); 66, 384 (387); BGH, NJW 1990, S. 2544 (2545) = LM § 406 Nr. 18; Hoffmann, JuS 1967, S. 275 (277); Jacob, WM 1991, S. 1581 (1582); Schomaker, BB 1969, S. 940 (941); Soergel/ Zeiss, § 406 Rn. 1; Staudinger/Busche, § 406 Rn. 1. 127
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Neben der überwiegend zustimmenden Literatur134 wird die Ansicht des BGH teilweise für den Fall in Frage gestellt, dass der Schuldner seine Gegenforderung von Gesetzes wegen erworben hat135. Auch Jacob bejaht einen Vertrauensschutz des Schuldners durch § 406 BGB, bezieht dies aber auf ein Vertrauen in eine abstrakte Aufrechnungsmöglichkeit136. 3. § 406 BGB als Erweiterung des Schuldnerschutzes von § 404 BGB Das OLG Köln vertritt, dass der Schuldnerschutz des § 404 BGB hinsichtlich der Aufrechnung durch § 406 BGB erweitert werde137. Die Ansicht geht im Wesentlichen auf den dogmatischen Ansatz von Serick zurück138, den dieser – bei einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BGH vom 2. Juni 1976 – hinsichtlich des Verhältnisses der §§ 404, 406 BGB und des Normzwecks von § 406 BGB vertrat139. Serick schickt bei seiner Argumentation zur Systematik zunächst voraus, dass nach herrschender Meinung140 bei der Abtretung schon existenter Forderungen bei § 404 BGB die Einwendungen zu berücksichtigen seien, welche im Zeitpunkt der Abtretung der bereits bestehenden Forderung ihrem Rechtsgrund nach bereits angelegt waren. Daraus folgert er, dass bei Vorauszessionen hinsichtlich der Begründung der Einwendung nicht der Zeitpunkt der Vorausabtretung (Abschlusstatbestand) entscheidend sei, sondern gleichfalls die nachfolgende Forderungsentstehung. Zu diesem Zeitpunkt müssten die Einwendungen spätestens ihrem Rechtsgrund nach angelegt sein. Serick vergleicht dann die Rechtsposition des Schuldners bei einer Anwendung von § 404 BGB und § 406 BGB: Der Schuldner könne sich bei § 404 BGB gegenüber dem Zessionar mit einer Einwendung verteidigen, die zur Zeit der Forderungsentstehung gegenüber dem Zedenten wenigstens dem Rechtsgrund nach vorhanden gewesen sei. Wenn aber bei § 406 BGB als zusätzliche Voraussetzung noch die Kenntnis von der Vorausabtretung maßgeblich sein solle, dann werde die Rechtsposition des Schuldners aufgrund der Abtretung verschlechtert. Falls der Schuldner die Vorauszession vor Entstehung der Forderung kenne, dann sei ihm 133 BGHZ 66, 384 (387) mit Anm. Hoffmann, LM § 406 Nr. 14; BGH, NJW 2002, S. 2865 (2866). 134 Vgl. oben Drittes Kapitel § 5 II. 135 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416); Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5 g), S. 296; Medicus, Schuldrecht, Rn. 739; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19, 3; vgl. hierzu unten Drittes Kapitel § 7 IV. 136 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1582); vgl. hierzu unten Drittes Kapitel § 7 IV. 137 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540). 138 So Fehl, DZWIR 2003, S. 76 (77). 139 Serick, BB 1982, S. 873 (875); ders., Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 b), S. 327, Bd. V, § 69 II 2 b), S. 741. 140 Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1297 ff.) m.w. N.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
eine Einwendung gegenüber dem Zessionar verwehrt, welche er ohne diese Einschränkung gegenüber dem Zedenten hätte geltend machen können. Diese Lesart hätte – so trägt Serick vor – zur Folge, dass § 406 BGB die Rechtsposition des Schuldners gemäß § 404 BGB gegenüber dem Zessionar nicht erweitern, sondern wesentlich beschränken würde. Von diesen Erwägungen Sericks ausgehend macht das OLG Köln geltend, dass § 406 BGB für den Fall der Aufrechnung § 404 BGB in zwei Fällen ergänze141: § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB erlaube eine Aufrechnung des Schuldners mit einer nach der Abtretung, aber vor Kenntniserlangung erworbenen Gegenforderung, wenn der Schuldner mithin bei der Abtretung noch keine Rechtsstellung i. S. von § 404 BGB innegehabt habe. Weiterhin brauche die Gegenforderung dem Schuldner bei der Abtretung nur zuzustehen, könne aber – unter den Voraussetzungen von § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB – später fällig werden. Dies stehe – so der Senat – in Verbindung mit dem Begriff der „zur Zeit der Abtretung begründeten Einwendungen“ i. S. von § 404 BGB. Auf den entschiedenen Fall bezogen führt das OLG Köln aus, dass die Klageforderungen (Hauptforderungen) von vornherein mit den Gegenforderungen „belastet“ gewesen seien, welche die Beklagte vor dem Entstehen der Klageforderungen und mithin auch vor Wirksamkeit der Abtretung erworben habe142. Die Voraussetzungen des § 404 BGB seien folglich erfüllt gewesen. Mangels Fälligkeit der Gegenforderungen habe eine Aufrechnungslage noch nicht vorgelegen, eine Aufrechnungserklärung sei nicht gegeben gewesen. Unter den Voraussetzungen des § 406 BGB sei eine Aufrechnung jedoch möglich gewesen. Weil die Fälligkeit der Gegenforderungen jeweils vor der Fälligkeit der Klageforderungen gelegen habe, habe eine begründete Aussicht auf die Aufrechnungslage bestanden. Ausgehend von dieser Argumentation vertritt das OLG Köln die Auffassung, dass eine Aufrechnungslage oder eine Aussicht hierauf zugunsten des Schuldners durch §§ 404, 406 BGB geschützt werde. Daher könne der Schuldner dem Zessionar diese Einwendungen entgegensetzen, ohne dass zunächst die Kenntnis des Schuldners von der Vorausabtretung maßgeblich sei. Der neue Gläubiger erwerbe die vorausabgetretene Forderung erst mit ihrer Entstehung, wobei diese mit der Aufrechnungsmöglichkeit „belastet“ sei, wie es auch der BGH entschieden habe143. § 406 BGB erweitere – so führt der Senat aus – die Rechtsstellung des gutgläubigen Schuldners gegenüber § 404 BGB, wolle aber nicht die rechtliche Position desjenigen verschlechtern, der die Abtretung kannte, aber bereits seinerseits eine zumindest gleichzeitig fällig werdende Forderung erlangt habe.
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OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540). OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540). 143 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540) mit Hinweis auf BGHZ 19, 153 (157); 58, 327 (329, 332); 63, 339 (342 f.). 142
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Nach der Ansicht von Denck, der gleichfalls den Zeitpunkt der Forderungsentstehung und nicht den Zeitpunkt der Kenntnis von der Abtretung als maßgeblich erachtet, liegt der entscheidende Gedanke darin, dass der Schuldner durch die Möglichkeit der Vorausabtretung in seinem gesetzlich vorgesehenen Schutz nicht benachteiligt werden dürfe144. Bei der Anwendung des § 404 BGB könne der Schuldner bei Kenntnis der Vorauszession ebenso wenig Nachteile erfahren, wie sie bei der Abtretung einer bestehenden Forderung zu Tage treten könnten. § 406 BGB stelle hinsichtlich der Aufrechnungsbefugnis nur eine Schlussfolgerung aus § 404 BGB dar. Der Schuldnerschutz werde im Verhältnis zu § 404 BGB insoweit erweitert, dass § 406 BGB bei der Abtretung bestehender Forderungen auf eine Kenntnis des Schuldners abstelle. Dies darf nach Meinung von Denck bei einer Vorausabtretung nicht zur Konsequenz haben, dass der Schuldner beim Schutz seiner Aufrechnungsmöglichkeit benachteiligt werde und das Insolvenzrisiko des Zessionars auf ihn übertragen werde. 4. Schutzfunktion nach den Gesetzgebungsmaterialien Sowohl der BGH als auch das OLG Köln stützen sich bei ihrer Argumentation, wie § 406 BGB bei einer Kenntnis der Vorausabtretung anzuwenden sei, auf die Gesetzgebungsmaterialien. Wenn man die Materialien im Einzelnen heranzieht, ist die Auffassung des BGH vorzugswürdig. Die Meinung des OLG Köln kann dagegen nicht überzeugen. Gemäß § 303 des Ersten Entwurfs durfte der Schuldner mit einer ihm gegen den Zedenten zustehenden Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufrechnen, wenn sie ihm bereits zu der Zeit zustand, in welcher er von der Abtretung Kenntnis erhielt145. Die Motive führen zur Begründung aus, dass es in Zusammenhang mit der Regelung zum Schutz des gutgläubigen Schuldners in § 304 (= dem späteren § 407) stehe, dass der Zeitpunkt der Kenntnis des Schuldners von der Abtretung als maßgeblich erachtet werde. Insoweit zieht der BGH für seine auf den Vertrauensschutz abstellende Ansicht146 die Gesetzgebungsmaterialien zutreffend heran. Indem der Gesetzgeber ausdrücklich auf § 304 E I, d.h. den späteren § 407 BGB, Bezug nimmt, wird verdeutlicht, dass der Gedanke des Vertrauensschutzes in § 406 BGB verwirklicht worden ist. Dagegen kritisiert Denck, dass der BGH die Motive zum BGB unvollständig zitiere147. Wenn der BGH den Gedanken des Vertrauensschutzes einseitig be144 Denck, DB 1977, S. 1493 (1494) unter Hinweis auf Süß, Abtretung künftiger Ansprüche, S. 68; Hoffmann, JuS 1967, S. 275 (277); von Tuhr, Allgemeiner Teil, S. 394. 145 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 146 BGH, NJW 2002, S. 2865 (2866); BGHZ 66, 384 (386) unter Hinweis auf: Motive, S. 131 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
tone, dann verkenne er die Doppelstruktur des § 406 BGB, welche bereits aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift148 ersichtlich sei. Denck weist bei seinem Einwand, dass der BGH die Motive unvollständig wiedergebe, insbesondere auf das dort angesprochene Prinzip der Sondernachfolge149 hin. Damit wird, wie er zutreffend ausführt, auf den späteren § 404 BGB Bezug genommen. Im Ersten Entwurf handelte es sich dabei noch um die Vorschrift des § 302, für die in den Motiven u. a. vorgetragen wurde150: Nach dem richtig verstandenen Prinzipe der Sondernachfolge kann die Forderung auf den neuen Gläubiger nur so, mit denjenigen Mängeln behaftet, übergehen, wie sie dem bisherigen Gläubiger zustand, also mit allen dem Schuldner gegen die Forderung zustehenden Einwendungen, gleichviel, ob sie in Einreden im eigentlichen (materiellen) Sinne bestehen oder sich in rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Thatsachen gründen.
Aus den Motiven der Ersten Kommission lässt sich also eine Doppelstruktur des § 406 BGB entnehmen. Der erste Fall der Vorschrift (Aufrechnungslage schon vor Zession gegeben) bezieht sich, wie oben ausgeführt151, auf den Einwendungsschutz des § 404 BGB und nur der zweite Fall (Erwerb der Gegenforderung nach Abtretung, aber vor Kenntnis) ist dem Gedanken des Vertrauensschutzes i. S. d. § 407 BGB zuzuordnen. Der berechtigte Hinweis auf die Doppelstruktur des § 406 BGB stellt aber, wie nachfolgend zu zeigen ist, kein Argument dar, welches entscheidend gegen die Auffassung des BGH spricht und führt auch nicht dazu, der Meinung des OLG Köln den Vorzug zu geben. Das OLG Köln wählt bezüglich der Gesetzgebungsmaterialien einen anderen Ansatzpunkt als der BGH. Der Fall der Vorausabtretung sei bei der Entstehung des BGB nicht „bedacht“ worden152. Folglich hätten „die Väter des BGB“ den Fall, dass eine zukünftige Forderung abgetreten werde, in § 406 BGB nicht als Einschränkung von § 404 BGB normiert. Nach Auffassung des OLG Köln sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber – im Unterschied zu § 404 BGB – den Zessionar einer künftig entstehenden Forderung durch eine Anzeige der Vorausabtretung rechtlich begünstigen wollte und hierdurch dem Schuldner eine durch § 404 BGB geschützte Aufrechnungsmöglichkeit hinsichtlich der vorausabgetretenen Forderung entziehen wollte. Der Senat kommt im Anschluss an Denck153 zu dem Ergebnis, dass die Meinung des 147
Denck, DB 1977, S. 1493 (1494). Motive, S. 131 f. = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 149 Motive, S. 131 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 150 Motive, S. 128 f. = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 70 f. 151 Vgl. oben Drittes Kapitel § 7 III. 1.; mit dem Begriff des „ersten und zweiten Falles“ sind nicht die beiden Alternativen des § 406 Hs. 2 BGB gemeint. 152 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (540) unter Bezugnahme auf: Serick, BB 1982, S. 873 (875). 148
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BGH eine Einschränkung des § 404 BGB zur Folge hätte, welche sich nicht aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift herleiten lasse, indem der in § 406 BGB enthaltene Vertrauensschutzgedanke sich zum Nachteil des Schuldners auswirken würde. Denn eine Vorausabtretung würde den Schuldner in seinem Schutz durch § 404 BGB benachteiligen. Ausweislich dieser Begründung des OLG Köln gehen nicht nur der BGH und die Literatur davon aus, dass § 406 BGB von dem Gedanken des Vertrauensschutzes getragen wird. Auch das OLG Köln erkennt dies an, wenn es kritisiert, dass sich – nach den Folgerungen der vom BGH vertretenen Meinung – der in § 406 BGB enthaltene Vertrauensschutzgedanke zum Nachteil des Schuldners auswirken würde. Entscheidend ist mithin die Frage, ob – mit der Auffassung des OLG Köln und Dencks – ein Einwendungsschutz i. S. d. § 404 BGB beim Falle der Kenntnis der Vorausabtretung vorrangige Bedeutung genießen sollte unabhängig von einem Vertrauen des Schuldners. Diese Ansicht kann jedoch nicht überzeugen: Die Argumentation des OLG Köln zieht keine ausdrücklichen Äußerungen des Gesetzgebers zu ihrer Unterstützung heran. Der Senat knüpft an die mangelnde Erwägung der Vorausabtretung durch den Gesetzgeber an und macht dann geltend, dass die Vorausabtretung in § 406 BGB nicht als Einschränkung von § 404 BGB normiert worden sei. Nach Auffassung des OLG Köln „besteht kein Grund zu der Annahme“, dass der Gesetzgeber dem Schuldner bei einer erst künftig entstehenden Forderung seine durch § 404 BGB geschützte Aufrechnungsmöglichkeit entziehen wollte, indem der Zessionar durch eine Anzeige der Vorausabtretung in eine bessere rechtliche Stellung versetzt würde. Es erscheint aber fraglich, ob man von einem der Meinung des OLG Köln entsprechenden Willen des Gesetzgebers ausgehen kann. Der Gesetzgeber schildert in den Motiven der Ersten Kommission bezogen auf die Abtretung, dass es der alte und neue Gläubiger regelmäßig in der Hand hätten, den Schuldner sofort von der Abtretung in Kenntnis zu setzen154. Dies wird im Zusammenhang damit ausgeführt, dass der gutgläubige Schuldner in seiner Aufrechnungsmöglichkeit mit vor Kenntniserlangung erworbenen Gegenforderungen geschützt werden solle. Der Gesetzgeber war sich also bezüglich der Abtretung bewusst, dass die Schutzposition des gutgläubigen Schuldners durch eine Anzeige des Zessionars beeinträchtigt werden könnte. Für die Vorausabtretung können diese Erwägungen – nach den vorstehenden Ausführungen zum Wortlaut des § 406 BGB – nicht in dieser Form herangezogen werden und stützen die Meinung des OLG Köln somit nicht. Für die Auffassung des OLG Köln lassen sich aber keine konkreten Stellungnahmen in den Gesetzgebungsmaterialien finden. Es überzeugt mithin nicht, wenn das OLG Köln konstatiert, dass
153
Denck, DB 1977, S. 1493 (1494 f.). Motive, S. 132 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 154
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
die Auffassung des BGH eine „aus der Entstehungsgeschichte nicht begründbare“ Einschränkung des § 404 BGB zur Folge hätte. Wenn Denck an die Motive der Ersten Kommission anknüpft und auf das dort angesprochene Prinzip der Sondernachfolge – mithin auf § 404 BGB – verweist, so ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber einem der beiden Prinzipien (Vertrauensschutz i. S. d. § 407 BGB und Einwendungsschutz i. S. d. § 404 BGB) in § 406 BGB generell einen Vorrang eingeräumt hätte. Vom Aufbau seiner Argumentation führt der Gesetzgeber in den Motiven der Ersten Kommission zunächst die Verbindung zum Gutglaubensschutz des Schuldners an (§ 304 E I = § 407 BGB)155. Dann erwägt er das Für und Wider, ob dem Schuldner eine Aufrechnungsbefugnis mit Forderungen gegenüber dem Zedenten zuerkannt werden könne. Die Erwähnung der Schutzgedanken aus §§ 404, 407 BGB erfolgt dann vor dem Hintergrund, dass nicht nur entsprechend dem Prinzip der Sondernachfolge eine Aufrechnung mit vor der Abtretung erworbenen Gegenforderungen zulässig sein solle, sondern der gutgläubige Schuldner auch hinsichtlich einer Aufrechnungsmöglichkeit mit nach der Abtretung, aber vor Kenntniserlangung erworbenen Gegenforderungen geschützt werde. Hier wird deutlich, dass der Einwendungsschutz kein auf alle Fallkonstellationen des § 406 BGB durchgreifendes Prinzip ist und der Gesetzgeber die beiden Schutzrichtungen für die jeweilige Fallkonstellation differenziert zur Begründung heranzieht. Das OLG Köln folgert im Anschluss an Denck zusammenfassend, dass der Schuldner – schließe man sich dem BGH an – durch die Vorausabtretung in seinem durch § 404 BGB normierten Schutz beeinträchtigt und der Vertrauensschutzgedanke zum Nachteil des Schuldners wirken würde156. Hierdurch wird einseitig der Einwendungsschutz hervorgehoben und das schützenswerte Vertrauen des Schuldners, sowie gerade die Frage, ob der Schuldner aufgrund einer – festzustellenden – Gutgläubigkeit überhaupt einen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen darf, außer Acht gelassen. Wenn Denck gegenüber dem BGH eine „einseitige Betonung des Gesichtspunktes des Vertrauensschutzes“ kritisiert157, so stützen er und das OLG Köln sich in vergleichbarer Weise „einseitig“ auf den Einwendungsschutz und lassen den Vertrauensschutzgedanken außer Acht. Denn eine Kenntnis der Vorausabtretung soll nach ihrer Auffassung nicht maßgeblich sein, nur der objektive Zeitpunkt des Entstehens der abgetretenen Forderung sei entscheidend. Diese Folgerung lässt sich aber den Motiven, welche beide Schutzrichtungen ansprechen, nicht entnehmen. Dass aber im Unterschied zu § 404 BGB die Besonderheit des § 406 BGB gerade im Vertrauensschutz besteht, wird dadurch deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber ausdrücklich die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung als „entscheidenden 155 Motive, S. 131 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72; vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. 156 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541). 157 Denck, DB 1977, S. 1493 (1494).
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Zeitpunkt“ bestimmt und nicht die Übertragung der Forderung, und zwar gerade vor dem Hintergrund der Verbindung zu § 304 E I (= § 407 BGB). Schwarz benennt zu Recht das Prinzip des Vertrauensschutzes als den „tragenden Rechtsgedanken“ des § 406 BGB und weist darauf hin, dass dieser entscheidend im Subjektiven verankert sei158. Dagegen würde man einen objektiven Umstand zum maßgeblichen Merkmal erklären, wenn der Zeitpunkt des Entstehens der Hauptforderung entscheidend wäre. Weiterhin kann auch die Folgerung von Denck nicht durchgreifen, dass bei einer Vorausabtretung der Einwendungsschutz in „§ 406 1. Art. BGB“ ebenso sicherzustellen sei wie bei der Abtretung einer bestehenden Forderung159. Sollte er hiermit die Fälle des § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB meinen, so ist entgegenzusetzen, dass die Vorschrift insoweit auf eine Kenntnis des Schuldners abstellt und mithin auf einen Vertrauensschutz abzielt160. Wenn Denck als einen Leitgedanken ferner heranzieht, dass der Schuldner durch die Vorausabtretung in seinem gesetzlich normierten Schutz nicht benachteiligt werden dürfe, so bleibt dieser Verweis auf einen generellen Schuldnerschutz zu allgemein. Hiergegen lässt sich anführen, dass § 406 BGB den Schuldnerschutz auch in nicht unerheblicher Weise begrenzt und dabei vorrangig eine zeitliche Einschränkung gemäß den Alternativen des zweiten Halbsatzes besteht161. Ausschlaggebend dürfte diese generelle Erwägung zu einer Erweiterung oder Begrenzung des Schuldnerschutzes letztlich aber nicht sein: Da § 406 BGB sowohl die Interessen des Zessionars als auch des Schuldners einbezieht, folgt hieraus nicht zwingend, die Vorschrift wortgetreu oder in einer den Schuldnerschutz einschränkenden Weise auszulegen162. Zusammenfassend kann zunächst festgestellt werden, dass aus den Gesetzgebungsmaterialien für die vorliegende Fragestellung kein Vorrang des Einwendungsschutzprinzips hergeleitet werden kann, auch wenn § 406 BGB eine Doppelstruktur aufweist. Es lässt sich kein maßgeblicher Grund erblicken, der es rechtfertigen würde, dass die Abtretung einer existenten Forderung und die Vorausabtretung bei der Kenntnisproblematik nicht parallel behandelt werden, indem man maßgeblich auf den Vertrauensschutz abstellt, sondern – entsprechend der Auffassung des OLG Köln – die Vorausabtretung nach dem Einwendungsschutz und die Abtretung nach dem Vertrauensschutz behandelt. Ein entsprechender – erklärter – Wille des Gesetzgebers lässt sich, entgegen der Auffassung des OLG Köln, nach den obigen Ausführungen nicht ermitteln. 158 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187); ders., AcP 203 (2003), S. 241 (248 ff., 251) mit Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien. 159 Denck, DB 1977, S. 1493 (1494). 160 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1582). 161 Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1303, 1309). 162 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1583).
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
Weiterhin können auch andere Erwägungen im Schrifttum nicht davon überzeugen, den Vertrauensschutzgedanken im Verhältnis zum Einwendungsschutz zurückzustellen. Denck führt diesbezüglich an, dass bei einer bestehenden Forderung der Einwendungsschutz gemäß § 404 BGB nicht dadurch erlösche, dass der Schuldner bei Aktualisierung der Einwendung Kenntnis von der Abtretung erlangt habe163. Skizze Nr. 8: Aufrechnungslage bereits vor Zession
| Erwerb der Gegenforderung ⇒ Aufrechnungslage gegeben
|
|
Abtretung
Kenntnis
Nach der Auffassung von Denck kann eine Bösgläubigkeit mithin auch bei der Abtretung einer künftigen Forderung nicht erheblich sein. Wagner führt – in die gleiche Richtung weisend – als ein „argumentum a fortiori“ aus § 404 BGB zugunsten einer Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners an164: Der Schuldner würde sogar den durch § 404 BGB gewährten Schutz einbüßen, wenn die Kenntnis der Vorausabtretung beachtlich wäre. Wenn man die Kenntnis der Vorausabtretung und der Abtretung gleich stellen würde, würde sich daraus eine Zäsur zu Lasten des Schuldners ergeben, welcher nicht mehr die nach Kenntniserlangung von der Vorausabtretung begründeten Gegenrechte geltend machen könnte. Dieses Ergebnis steht nach Meinung Wagners dem Grundsatz entgegen, dass sich die rechtliche Position des Schuldners aufgrund der Abtretung nicht verschlechtern dürfe. Gegen diese Erwägungen spricht ein entscheidender Unterschied dahingehend, dass in der Fallkonstellation nach Skizze Nr. 8 eine bereits vollständig dem Einwendungsschutz i. S. d. § 404 BGB unterfallende Aufrechnungslage zugunsten des Schuldners vorliegt (welche ihm die Aufrechnung gegenüber dem Zessionar nach § 406 BGB eröffnet), ohne dass es überhaupt auf eine Kenntnisund damit Vertrauensschutzfrage ankommt. Wenn aber der Schuldner Kenntnis von der Vorausabtretung hat, dann ist die Frage des Einwendungsschutzes nicht mehr – im Sinne des OLG Köln und Dencks – alleinig betroffen, sondern der Vertrauensschutz als zweiter – und in den Motiven hervorgehobener – Aspekt des § 406 BGB wird zum Wertungsmaßstab und Prüfungsgegenstand. Zudem überzeugt der Einwand von Schwarz gegen die Argumentation des OLG Köln, dass der Schutzgedanke des § 404 BGB von § 406 BGB aufgegriffen werde165: 163 164 165
Denck, DB 1977, S. 1493 (1495). Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1313 (1315). Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187).
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§ 406 BGB erhalte eine vor der Abtretung gegebene Aufrechnungslage aufrecht, und zwar im Hinblick auf die Zeit nach der Abtretung und Kenntniserlangung. Dies gelte jedoch nur dann, wenn eine Aufrechnungslage vor der Abtretung auch tatsächlich existiert habe und eine Aufrechnungserklärung auch hätte wirksam erfolgen können. Diese Situation sei aber – so Schwarz – bei einer Vorausabtretung gerade nicht gegeben, weil eine Aufrechnungslage erst mit dem Entstehen der Hauptforderung – ohnehin nur in dieser logischen Sekunde – vorliegen könne. Im Hinblick auf diese Besonderheit bei der Vorausabtretung treffe es nicht zu, dass § 406 BGB auch bei der Vorauszession eine Aufrechnungslage schütze, welche bereits vor der Abtretung bestanden habe. Diese durchgreifenden Überlegungen lassen sich anhand von Skizze Nr. 6d, welche die hier fragliche Fallkonstellation darstellt166, verdeutlichen: Zunächst wird das erste Element der gestreckten Vorausabtretung verwirklicht, bereits danach erlangt der Schuldner Kenntnis hiervon. Damit erlangt die Frage des Vertrauensschutzes maßgebliche Bedeutung. Der vom OLG Köln herangezogene Einwendungsschutzgedanke greift mithin mangels einer vor der Abtretung bestehenden Aufrechnungslage nicht durch. Zusammenfassend kann also festgestellt werden: Der Gedanke des Vertrauensschutzes hat für die vorliegende Fragestellung, wie die Kenntnis der Vorausabtretung bei § 406 BGB zu behandeln ist, maßgebliche Bedeutung. Der Gesetzgeber wollte den gutgläubigen Schuldner schützen, welcher bei Erwerb seiner Gegenforderung damit rechnen durfte, sich durch Aufrechnung von der – zwischenzeitlich ohne sein Wissen abgetretenen – Hauptforderung zu befreien. Auch wenn § 406 BGB eine Doppelstruktur aufweist und die Schutzrichtungen von § 404 BGB und § 407 BGB miteinander verbindet, kann aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht festgestellt werden, dass das Einwendungsschutzprinzip bei einer Kenntnis der Vorausabtretung Vorrang genießen sollte. Indem der Gesetzgeber ausdrücklich die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung als entscheidenden Zeitpunkt bestimmt und nicht die Übertragung der Forderung, tritt erkennbar hervor, dass die Besonderheit des § 406 BGB gerade im Vertrauensschutz besteht. Einen derartigen Vertrauensschutz genießt derjenige Schuldner aber nicht, welcher Kenntnis vom Tatbestand der Vorausabtretung hat und also nicht gutgläubig ist167. Folglich steht die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleich.
166 167
Vgl. oben Zweites Kapitel § 4 III. 2. Vgl. oben Zweites Kapitel § 3 III. 2.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
IV. Weitere Auffassungen in der Literatur Wie bereits oben beim Diskussionsstand angesprochen, gibt es in der Literatur weitere Auffassungen, welche die herrschende Meinung modifizieren oder einen anderen rechtlichen Weg verfolgen, und sich dabei auf den Gedanken des Vertrauensschutzes und das Verhältnis der §§ 404, 406 BGB stützen. Für den Fall, dass der Schuldner seine Gegenforderung von Gesetzes wegen erworben hat, z. B. durch eine unerlaubte Handlung des Zedenten, folgen Stimmen im Schrifttum nicht der Auffassung des BGH168. Es wird diesbezüglich vorgetragen, dass der Vertrauensschutzgedanke des § 407 Abs. 1 BGB ins Leere ziele169. Bei einer rechtsgeschäftlich begründeten Gegenforderung könne der Schuldner die fehlende Aufrechnungsmöglichkeit in seine Erwägungen einbeziehen. Dagegen habe – so wird in der Literatur geltend gemacht – der Schuldner beim Erwerb einer Forderung von Gesetzes wegen keine schützenswerte Erwartungshaltung, dass er mit seiner Gegenforderung werde aufrechnen können. Roth führt aus, dass der übergreifende Sinn und Zweck, dem Schuldner seine Verteidigungsmöglichkeiten zu bewahren, aber gleichfalls bestehe. Er betrachtet es als eine erwägenswerte Lösung, in diesen Fällen entsprechend § 404 BGB den Zeitpunkt der Abtretung als maßgeblich zu betrachten. Andere Stimmen in der Literatur sprechen sich dagegen für eine Gleichbehandlung von vertraglich und gesetzlich erworbenen Gegenforderungen aus170. Wenn der Schuldner den Vertrauensschutz deshalb gewährt bekommt, weil die abgetretene Forderung später begründet wird, dann kann der Rechtsgrund der Gegenforderung keine maßgebliche Bedeutung haben171. Kornblum schließt sich für die von Gesetzes wegen erworbenen Gegenforderungen ausdrücklich der Meinung des BGH an, weil § 406 BGB nicht allein § 404 BGB hinsichtlich der Aufrechnung erweitere, sondern den Schuldnerschutz in nicht unerheblicher Weise einschränke172. Für die Gleichbehandlung von vertraglich und gesetzlich erworbenen Gegenforderungen spricht, dass der Schuldner Vertrauen in eine Aufrechnung entwickeln kann, nachdem die Gegenforderung – von Gesetzes wegen – entstanden ist173.
168 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416); Gernhuber, Erfüllung, § 12 VII 5 g), S. 296; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19, 3; vgl. auch: Medicus, Schuldrecht, Rn. 739 gegen die Anwendung von § 406 BGB auf nachträglich, kraft Gesetzes erworbene Gegenforderungen. 169 Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416); Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 406 Rn. 19, 3, 8; vgl. Medicus, Schuldrecht, Rn. 739. 170 Bacher, JA 1992, S. 234 (237); Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1303); Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (252). 171 Bacher, JA 1992, S. 234 (237). 172 Kornblum, BB 1981, S. 1296 (1303). 173 Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (252).
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Bülow vertritt die Auffassung, dass in den Fällen der Aufrechnung § 404 BGB zur Anwendung komme, wenn die abgetretene Hauptforderung „mit der Aufrechnungslage behaftet“ gewesen sei174. Er wendet § 404 BGB auch dann an, wenn die abgetretene Forderung im Zeitpunkt ihrer Entstehung einer Gegenforderung gegenübersteht, d.h. die Hauptforderung gleichsam „in eine Aufrechnungslage hineingeboren“ werde. Die Anwendung des § 404 BGB erfolge direkt, wenn man von Durchgangserwerb ausgehe, und analog bei der Annahme von Direkterwerb. Bülow entwickelt bezüglich der Kenntnisproblematik aus diesem Ansatz folgende Lösung: § 404 BGB betreffe den Bestandsschutz, d.h. den Erhalt bereits erworbener Rechtspositionen, und stelle auf eine Kenntnis von der Abtretung nicht ab. Demgegenüber regele § 406 BGB den Vertrauensschutz, d.h. das Vertrauen des Schuldners darauf, dass eine nicht mehr bestehende Rechtslage – seiner Ansicht nach – noch fortdauert. Wenn bei einer Vorauszession die Gegenforderung bereits vor der Entstehung der abgetretenen Hauptforderung entstanden sei, dann ist gleichfalls nach Meinung Bülows der Bestandsschutz betroffen. Erwägungen hinsichtlich des Vertrauensschutzes seien hingegen nicht entscheidend175. Hieraus folgert Bülow, dass eine Kenntnis der Vorausabtretung für die Aufrechnung dann nicht schädlich sei, wenn die Gegenforderung bereits vor Entstehung der abgetretenen Hauptforderung entstanden sei. Bei der Auffassung von Bülow überzeugt bereits nicht seine Prämisse, die Vorschrift des § 404 BGB für eine Aufrechnung heranziehen, wenn die abgetretene Hauptforderung „mit der Aufrechnungslage behaftet“ war. Er legt dabei zugrunde, dass der Schuldner sich gemäß § 404 BGB gegenüber dem Zessionar auf die Einrede der Aufrechenbarkeit berufen kann, auch wenn der Schuldner nicht gegenüber dem Zedenten die Aufrechnung erklärt hat176. Nach den obigen Ausführungen zum Anwendungsbereich der §§ 404 ff. BGB kann der Schuldner dem Zessionar jedoch gemäß § 404 BGB eine Aufrechnung dann entgegensetzen, wenn er sie gegenüber dem – künftigen – Zedenten bereits vor der Abtretung erklärt hat177. Schwarz beschäftigt sich anlässlich der Entscheidung des OLG Köln vom 3. November 2000 eingehend mit dem Meinungsstand und den vorgetragenen Argumenten zu der Frage, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. des § 406 BGB gleichsteht178. Er vertritt folgende Auffassung: 174
Bülow, JA 1983, S. 7 (12). Bülow, JA 1983, S. 7 (12) unter Hinweis auf: Denck, DB 1977, S. 1493 (1494); Serick, BB 1982, S. 876 im Gegensatz zu BGHZ 66, 384. 176 Bülow, JA 1983, S. 7 (11). 177 Vgl. oben Drittes Kapitel § 7 I. 178 Schwarz, WM 2001, S. 2185 ff.; ders., WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83 (84 ff.). 175
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
Bei einer Vorausabtretung sei § 406 BGB analog anzuwenden und entscheidend auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Vorausabtretung abzustellen. Es sei hinreichend, wenn sich das Vertrauen des Schuldners, dessen Schutz maßgeblich sei, auf eine zukünftige Aufrechnung der Gegen- oder Hauptforderung beziehe. Ein derartiges Vertrauen des Schuldners ergebe sich, „wenn bis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Vorausabtretung die Gegenforderung zumindest dem Rechtsgrunde nach oder/ und die Hauptforderung dem Rechtsgrunde nach bestehen und die Gegenforderung nicht nach Kenntniserlangung von der Vorausabtretung und Fälligkeit der Hauptforderung selbst fällig“ werde179. Indem Schwarz in dieser Weise formuliert, welchen Gegenstand das Vertrauen des Schuldners umfassen soll, nämlich die dem „Rechtsgrund nach bestehende Gegen-/Hauptforderung“, entwickelt er für die Regelung des § 406 Hs. 2 BGB bei der Vorausabtretung eine neue Lesart: Der zweite Halbsatz sei bei der Vorausabtretung im Fall des normativen Vertrauens dahingehend zu lesen: „. . ., es sei denn, dass er bei Begründung der ersten Forderung zumindest dem Rechtsgrunde nach von der Vorausabtretung Kenntnis hatte oder dass die Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die vorausabgetretene Hauptforderung fällig wird“. Schwarz führt zur Begründung seiner Ansicht im Einzelnen aus: Gegen eine unmittelbare Anwendung des § 406 BGB spreche bereits die Vorlage des Redaktors von Kübel180. Zudem lasse sich die Vorausabtretung in die Normierung des Schuldnerschutzes (§§ 404, 406, 407 BGB) nicht „bruchlos“ einfügen, wenn man – jeweils von den Aufrechnungsvoraussetzungen ausgehend – eine Aufrechnungsbefugnis des Schuldner bei einer normalen Abtretung und bei einer Vorausabtretung vergleiche181. Seiner Auffassung nach ist bei der analogen Anwendung des § 406 BGB auf die Vorausabtretung das Prinzip des Vertrauensschutzes maßgeblich. Das schützenswerte Vertrauen des Schuldners sei darauf gerichtet, die Hauptforderung des Zedenten und die Gegenforderung gegen den Zedenten durch Aufrechnung zu befriedigen bzw. selbst geltend machen zu können. Schwarz differenziert nun, dass für ein Vertrauen des Schuldners in eine Aufrechnungsmöglichkeit, welches bis zur Kenntnis von der Vorausabtretung entstehen könne, folgendes ausreichend sei: Das Bestehen des Rechtsgrundes der Gegenforderung (Fall 1), das Bestehen des Rechtsgrundes der Hauptforderung (Fall 2) oder das Bestehen des Rechtsgrundes von Gegen- und Hauptforderung (Fall 3). Hierdurch ergebe sich Vertrauen in eine zukünftige Aufrechnung, wobei den Voraussetzungen des § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB genüge getan sei182. Für die zweite Alternative der Regelung sei auf eine „objektive ex179 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187); ders., WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83 (86); ausführlich zu Gegenstand und Reichweite des Vertrauens: ders., AcP 203 (2003), S. 241 (255 ff., 262 ff.). 180 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187) und oben Drittes Kapitel § 6. 181 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2188).
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ante“-Sicht abzustellen. Der Schuldner könne dabei ein Vertrauen in eine zukünftige Aufrechnung entwickeln, wenn die Gegenforderung nicht nach Kenntniserlangung und nach Fälligkeit der Hauptforderung fällig werde. Denn der Schuldner hätte, wenn er die künftige Rechtsentwicklung bei Kenntniserlangung von der Vorausabtretung gekannt hätte, dann – in gewisser objektivierter Weise – ein Vertrauen in eine Aufrechnung entwickeln und gegenüber dem Zessionar vor oder nach Erhebung der Hauptforderung die Aufrechnung geltend machen können183. Schwarz betont die Anwendbarkeit des § 406 BGB auf die Vorausabtretung, indem er die normwesentlichen Wertungen bei Abtretung und Vorausabtretung vergleicht184: In beiden Fällen könne das Vertrauen in eine zukünftige Aufrechnung vernichtet werden, weil der Schuldner ab Kenntnis der (Voraus-)Abtretung nicht mehr zur Aufrechnung befugt sei. Es sei auch eine gleich liegende Interessenlage festzustellen: Der Zessionar habe ein Interesse an der Einziehung seiner Hauptforderung, der Schuldner sei an der Aufrechnungsmöglichkeit interessiert; die Interessenlage sei lediglich bei der Vorausabtretung schwächer ausgeprägt als bei der normalen Abtretung. Schwarz hebt im Vergleich mit den anderen Auffassungen folgende Unterschiede bei seiner Meinung hervor185: Bei Kenntniserlangung von der Vorausabtretung muss seiner Ansicht nach der Rechtsgrund der Gegen- oder Hauptforderung gegeben sein. Daher habe der Schuldner auf eine zukünftige Aufrechnung vertrauen dürfen, was die analoge Anwendung des § 406 BGB trage. Zudem könne die Vorschrift analog herangezogen werden, wenn die Gegenforderung nach dem Entstehen der Hauptforderung, aber vor deren Fälligkeit begründet werde. Jacob untersucht – anders als bei dem vom OLG Köln und BGH entschiedenen Fall – folgenden Sachverhalt186: Der Schuldner ist ein Kunde eines Winzers. Er erwirbt eine Forderung – aus ungerechtfertiger Bereicherung – gegen den Winzer, und erlangt danach Kenntnis davon, dass dieser alle Forderungen aus dem Verkauf seines Weines an den Zessionar vorausabgetreten hat. Eine bestimmte Verbindlichkeit, d.h. eine Hauptforderung des Winzers (Zedenten) gegenüber dem Schuldner aus einem Weinverkauf an diesen, besteht aber noch nicht. Der Schuldner darf also noch kein Vertrauen in eine konkrete Aufrechnungsmöglichkeit haben, da lediglich abstrakt die Möglichkeit einer zukünftigen Aufrechnung besteht. Eine konkrete Möglichkeit zur Aufrechnung entsteht dann, wenn der Schuldner später Wein bei dem Zedenten kauft und eine Haupt182
Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2189). Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2190). 184 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2189). 185 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191, 2190); ders., WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83 (86). 186 Jacob, WM 1991, S. 1581. 183
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
forderung gegen ihn begründet wird. Die Besonderheit dieser Fallkonstellation ist darin zu erblicken, dass der Schuldner seine Kenntnis von der Vorausabtretung erlangt hat, nachdem er die Gegenforderung erwarb, aber bevor die konkrete Aufrechnungslage – bei der das Merkmal der Gegenseitigkeit fehlt – entstanden ist187. Jacob bejaht, dass § 406 BGB auch das Vertrauen des Schuldners in eine abstrakte Aufrechnungsmöglichkeit schützt, d.h. allein das Vertrauen, Inhaber einer Forderung zu sein und diese möglicherweise als Gegenforderung zur Aufrechnung stellen zu können188. Dies bezeichnet er als „Zulässigkeit der Aufrechnung bei nur abstrakter Gegenseitigkeit (§ 406 BGB)“. Er führt hierzu aus, dass bei einer weiten Auslegung der Schutzvorschrift des § 406 BGB auch das Vertrauen in eine abstrakte Aufrechnungsmöglichkeit ausreichend sein könne. Zu erwägen sei aber, dass § 406 BGB den Schuldner hinsichtlich der gegen ihn gerichteten Hauptforderung des Zedenten schützen wolle (Schuldnerschutzvorschrift) und nicht in seiner Stellung als Gläubiger der Gegenforderung. Der Schuldner solle in seinem Vertrauen geschützt werden, die gegen ihn gerichtete Hauptforderung nicht durch Zahlung erfüllen zu müssen189. Für einen Vertrauensschutz hinsichtlich der abstrakten Aufrechnungsmöglichkeit spreche aber – so führt Jacob aus –, dass der Zessionar für die Risiken des von ihm gewählten Sicherungsmittels der Vorausabtretung selbst einstehen müsse. Auch könne eine Umgehung des § 407 Abs. 1 BGB nicht festgestellt werden, da diese Vorschrift den Zessionar nur zu einer frühzeitigen Abtretungsanzeige veranlassen, aber ihm keine Vermögenswerte endgültig zu- oder absprechen wolle. Ferner vertritt Jacob die Auffassung, dass besondere Umstände des Einzelfalles, die eine Aufrechnung rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, nicht zu einer Unzulässigkeit der Aufrechnung gemäß § 406 BGB führen könnten. Diese seien vielmehr gemäß § 242 BGB zu beurteilen. Ein Rechtsmissbrauch liege – so Jacob – nicht allein deshalb vor, weil der Schuldner in Kenntnis der Vorausabtretung eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Zedenten begründet habe190. Der Schuldner habe ein schutzwürdiges Vertrauen in die – auch jedem anderen Schuldner zustehende – Aufrechnungsmöglichkeit, auch wenn er vor Entstehen der Hauptforderung Kenntnis von der Vorausabtretung hatte. Die Aufrechnung des Schuldners sei nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Zessionar die zunächst nicht erfolgte Information über den Gesamtumfang der Vorausabtretung dann doch noch vor dem Entstehen der Hauptforderung gegeben habe. Jacob bejaht einen Rechtsmissbrauch ausnahmsweise in folgendem Fall: Der Zessionar könne sich auf ein schutzwürdiges Interesse berufen, nicht oder nicht frühzeitig 187 188 189 190
Jacob, Jacob, Jacob, Jacob,
WM WM WM WM
1991, 1991, 1991, 1991,
S. S. S. S.
1581 (1582). 1581; vgl. Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (264 f.). 1581 (1583). 1581 (1585).
§ 8 Interessenverteilung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner
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den Gesamtumfang der Vorausabtretung zu offenbaren. Der Schuldner kannte die Gründe für dieses Geheimhaltungsinteresse bereits vor Eingehung der neuen Verbindlichkeit und musste zudem für die Geheimhaltung rechtlich einstehen. Ferner sei ein Rechtsmissbrauch immer dann erwägenswert, wenn sich der Schuldner in einer besonderen Position zur Vertragsbeziehung zwischen Zedent und Zessionar befinde, aus der für ihn die Pflicht entstehe, nicht entgegen dem wirtschaftlichen Interesse des Zessionars zu handeln.
§ 8 Interessenverteilung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner Weitere Argumente zu der Frage, wie die Kenntnis einer Vorausabtretung bei § 406 BGB zu behandeln ist, ergeben sich aus der Interessenverteilung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner. I. Nichtbegründung einer Gegenforderung durch den Schuldner Der BGH führt – wie zuvor Schomaker – in seiner Entscheidung vom 2. Juni 1976 an, dass der Schuldner bei einer Kenntnis der Vorausabtretung ebenso wie bei einer Kenntnis der Abtretung in seiner Entscheidung frei sei, eine Verbindlichkeit – eine Gegenforderung gegenüber dem Zedenten – nicht zu begründen, wenn die Aufrechnungsmöglichkeit für ihn gerade maßgeblich sei191. Der Senat weist darauf hin, dass der Schuldner Verbindlichkeiten gegenüber dem Zedenten begründen könnte, um sich durch Aufrechnung von seiner gegenüber dem Zessionar bestehenden Schuld zu befreien, wenn man eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners trotz Kenntnis der Vorausabtretung zulassen würde. Dies wäre – so der BGH – ein Widerspruch zum Zweck des § 406 BGB. In seinem Urteil vom 26. Juni 2002192 stützt sich der BGH nicht mehr ausdrücklich auf diese Erwägung, sondern stellt den Vertrauensschutz des gutgläubigen Schuldners in den Vordergrund. Die vorgenannte Argumentation, bei der das wirtschaftliche Interesse des Schuldners berührt ist, durch den Erwerb einer Gegenforderung eine Aufrechnungs- und damit Befreiungsmöglichkeit gegenüber dem Zedenten zu erlangen193, kann unter praktischen Erwägungen nicht überzeugen. Es erscheint fraglich, ob der Schuldner in der Praxis die Möglichkeit hat, den nachteiligen Folgen der Kenntnis der Vorausabtretung dadurch zu entgehen, dass er von einer neuen Verbindlichkeit Abstand nimmt194. Wenn der Schuldner sich in einer dauernden Geschäftsbeziehung mit dem Vorbehaltskäufer oder Si191 BGHZ 66, 384 (387); Schomaker, BB 1969, S. 940 (941); so auch Emde, OLG Köln EWiR § 406 1/01, S. 415 (416). 192 BGH, NJW 2002, S. 2865. 193 BGHZ 19, 153 (157 f.).
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
cherungszedenten befindet, so wird er von der Suche nach einem neuen Lieferanten möglicherweise eher Abstand nehmen195. Sollte der Schuldner aber doch seine alte Geschäftsbeziehung beenden, wird er mit einem branchenüblichen Eigentumsvorbehalt oder der weit verbreiteten Sicherungszession rechnen müssen. Als weiterer Einwand wird vom OLG Köln angeführt, dass die Erwägung des BGH dann versage, wenn der Schuldner seine Gegenforderung nicht durch Rechtsgeschäft, sondern von Gesetzes wegen erworben habe196. Diese Argumentation steht zunächst unter der Prämisse, vertraglich und gesetzlich erworbene Gegenforderungen seien hinsichtlich einer Kenntnis der (Voraus-)Abtretung gleich zu behandeln197. Unter dem Aspekt der praktischen Relevanz im Geschäftsverkehr erscheint es jedoch fraglich, ob die – zahlenmäßig wahrscheinlich wesentlich geringeren – gesetzlich erworbenen Gegenforderungen als entscheidendes Gegenargument angesehen werden können. Über den Ansatzpunkt hinaus, dass der Schuldner von einer Verbindlichkeit Abstand nehmen könne, wird die Auffassung vertreten, dass § 406 BGB ausnahmsweise dann angewendet werden könne, wenn dem Schuldner unter besonderen Umständen das Abstandnehmen von der Verbindlichkeit nicht zuzumuten sei, so z. B. wenn der Schuldner im Vertrauen auf den Vertragsschluss „besondere Dispositionen getroffen“ habe198. Die Beweispflicht dafür, ob eine solche Ausnahmesituation vorliege, trage aber der Schuldner. Gegen letzteres lässt sich einwenden, dass hierdurch die Beweislastverteilung des § 406 BGB ins Gegenteil verkehrt wird199. Gerade wenn man die Erwägungen des Gesetzgebers zur Beweislast heranzieht200, erscheint es fraglich, durch die Einführung eines Ausnahmetatbestandes unter Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in die bei § 406 BGB vorgesehene Interessenverteilung zwischen Schuldner und Zessionar einzugreifen. Weiterhin liegt ein gewichtiger Kritikpunkt gegen die Auffassung des OLG Köln darin, dass der BGH andeutet, dass der Schuldner möglicherweise eine Aufrechnungslage missbräuchlich herbeiführen könne201. Wenn man – mit der Meinung des OLG Köln – die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung nicht gleichstellt, dann könnte der Schuldner bei einer Kenntnis der Voraus- (und sich bald vollendenden) Abtretung dolos eine Aufrechnungsmöglichkeit herbeiführen202. In der Literatur werden hierzu verschiedene Auffassun194 Denck, DB 1977, S. 1493 (1496); Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187); vgl. auch Fehl, DZWIR 2003, S. 76 (78). 195 Denck, DB 1977, S. 1493 (1496). 196 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541). 197 Vgl. oben Drittes Kapitel § 7 IV. 198 Schomaker, BB 1969, S. 940 (941). 199 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1583); vgl. oben Zweites Kapitel § 3 II. 200 Vgl. oben Erstes Kapitel § 1 II. 2. und 4. 201 BGHZ 66, 384 (387).
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gen vertreten. Um der Situation entgegenzutreten, dass der Schuldner in Kenntnis der Vorausabtretung missbräuchlich aufrechnet oder eine Aufrechnungslage durch Begründung einer Gegenforderung herbeiführt, sollen die Vorschriften der §§ 138, 242, 826 BGB Anwendung finden203. Für diese Auffassung spricht, dass im Rahmen des § 406 BGB mit der „Kenntnis der Vorausabtretung“ ein objektives, der tatrichterlichen Prüfung unterliegendes Merkmal entscheidend bleibt und der wertausfüllungsbedürftige Begriff eines Rechtsmissbrauchs einer weiteren, gesonderten Prüfungsebene unterfällt. Dagegen entspricht es nach Jacobs Auffassung der Billigkeit, wenn der Schuldner absichtlich gegenüber dem bisherigen Gläubiger eine neue Verbindlichkeit begründet, um sich dann durch Aufrechnung zu befreien204. Hierzu zieht er die Motive zum Ersten Entwurf des BGB heran205. Jacob führt aus, dass im Falle einer Vorausabtretung der Hauptforderung die Aufrechnung zwar für das Sicherungsinteresse des Zessionars nachteilig sein könne. Dies habe aber nicht zur Konsequenz, dass der Schuldner nicht aufrechnen dürfe und das Sicherungsrisiko des neuen Gläubigers tragen müsse. Vielmehr sei – so macht Jacob geltend – hierin eine Schwachstelle des Sicherungsmittels der Vorausabtretung zu erblicken. Gegen diese Meinung spricht aber, dass die Heranziehung der Motive bezüglich einer Vorausabtretung – wie oben gezeigt – in dieser Weise gerade nicht möglich ist. Wenn der Gesetzgeber erwogen hat, dass der Schuldner eine Gegenforderung häufig gerade mit Blick auf eine Aufrechnungsmöglichkeit eingeht, so hatte er nur den Fall der Abtretung einer existenten Forderung im Blick. II. Vorauszession und Abtretungsverbot Zur Kritik an der Auffassung des BGH wird weiterhin die Konstellation betrachtet, dass der Schuldner bei einer Vorausabtretung ein Abtretungsverbot mit dem Zedenten vereinbart. Bei einer Vorausabtretung ist es nach herrschender Meinung möglich, dass die Beteiligten eines Schuldverhältnisses nach der Vorausabtretung der Forderung bis zu deren Entstehen noch vertraglich einen Abtretungsausschluss gemäß § 399 Alt. 2 BGB vereinbaren können206. Ein Abtretungsverbot207 setzt sich gegen eine zeitlich früher liegende Vorausabtretung 202
Emde, OLG Köln EWiR § 406 BGB 1/01, S. 415 (416). Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1313 (1316); vgl. auch Erman/H. P. Westermann, § 406 Rn. 3; Jacob, WM 1991, S. 1581 (1585); Schwarz, AcP 203 (2003), S. 241 (266 f.) und oben Drittes Kapitel § 7 IV. 204 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1584). 205 Motive, S. 131 = Mugdan, Materialien zum BGB, S. 72. 206 BGHZ 27, 306 (309); 77, 274 (276); BGH, LM § 399 Nr. 8; Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 399 Rn. 32; Staudinger/Busche, § 399 Rn. 59; a. A.: Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 51 III 2, S. 507 f. 207 Vgl. zum Abtretungsverbot im englischen, französischen und deutschen Recht: Goergen, Pactum de non cedendo, S. 28 ff. 203
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
durch, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner bei Vereinbarung des pactum de non cedendo gutgläubig i. S. d. § 407 BGB gewesen ist. Schuldner und Zedent sind also auch bei Kenntnis der Vorauszession in der Lage, wirksam eine Ausschließungsabrede vorzunehmen. Dieses Verhältnis von Vorauszession und Abtretungsverbot soll nach der Auffassung des OLG Köln und Dencks dagegen sprechen, die Kenntnis der Abtretung und die Kenntnis der Vorausabtretung gleichzusetzen208. Ein Schuldner, welcher in Kenntnis der Vorauszession einen Abtretungsausschluss vereinbare, könne die Rechtsposition des Zessionars schädigen. Dieser könne zwar Regressansprüche gegen den Zedenten geltend machen, trage aber gleichzeitig das Insolvenzrisiko des Zedenten. Mithin sei, so führen das OLG Köln und Denck aus, die Rechtsposition des Erwerbers einer künftigen Forderung schwächer als beim Erwerb einer existenten Forderung209. Es sei daher „nicht einzusehen“, weshalb bei einer Vorauszession, gegen die sich der bösgläubige Schuldner durch Vereinbarung eines Abtretungsverbotes mit dem Zedenten schützen könne, eine diesbezügliche Kenntnis für den Schuldner nachteilig sein solle. Eine inhaltliche Übereinstimmung ergebe sich in folgender Weise: Mit dem Schutz der Vertragsfreiheit des Schuldners gegenüber Vorausverfügungen des Zedenten beim Abtretungsverbot stehe der Schutz seiner Dispositionsfreiheit, eine Gegenforderung zum Zwecke der Aufrechnung zu erwerben, in inhaltlichem Zusammenhang. Denck betrachtet den BGH als inkonsequent, wenn nach dessen Auffassung eine Kenntnis der Vorauszession bei einem Abtretungsverbot keine nachteiligen Folgen zeitige, sich bei der Aufrechnung aber schädlich auswirke. Dass dieser inhaltliche Bezug als Argument gegen die Auffassung des BGH nicht durchgreift, zeigen die Erwägungen, welche für das Eingreifen eines Abtretungsausschlusses gegenüber einer zeitlich früheren Vorausabtretung vorgetragen werden. Die im Voraus abgetretenen Forderungen entstehen – unabhängig vom Zeitpunkt der Vorauszession – aufgrund des vor ihrem Entstehen vereinbarten Abtretungsausschlusses „schon als nicht abtretbare Forderungen“210. Die Vereinbarung eines pactum de non cedendo muss bis zur Entstehung der Forderung in gleicher Weise zulässig sein wie jede andere inhaltliche Bestimmung der Forderung211. Hierdurch wird deutlich, dass die rechtliche Ausgestaltung der im Voraus abgetretenen Forderung im Vordergrund steht und damit ein Aspekt, der bei der vorliegenden Kenntnisproblematik nicht relevant wird. Auch wenn beim Verhältnis von Vorauszession und Abtretungsverbot eine Bös208
OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541); Denck, DB 1977, S. 1493 (1495). OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541); Denck, DB 1977, S. 1493 (1495). 210 BGH, LM § 399 Nr. 8; vgl. auch: Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 51 III 2, S. 507. 211 Münchener Kommentar zum BGB/Roth, § 399 Rn. 32. 209
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gläubigkeit des Schuldners keine nachteiligen Folgen hat, ergibt sich hieraus nicht, dieses Ergebnis bezüglich einer Kenntnis der Vorausabtretung bei § 406 BGB zu übernehmen. Diesbezüglich wird zu Recht gegen die Gleichsetzung eines vertraglichen Abtretungsverbotes mit einer Aufrechnung nach § 406 BGB eingewandt, dass die Wirksamkeit eines pactum de non cedendo – wie oben ausgeführt – davon unabhängig ist, ob die Beteiligten gut- oder bösgläubig sind212. Dagegen hat dieser Umstand bei der Anwendung des § 406 BGB maßgebliche Bedeutung. Weiterhin wird das OLG Köln bei seinem Argument zu Vorauszession und Abtretungsverbot noch unter einem anderen Aspekt kritisiert: Wenn die Vertragsparteien eine Forderung durch Vereinbarung eines Abtretungsverbotes inhaltlich ausgestalten, so bezieht sich dies auf die Hauptforderung, welche weiterhin im Zuständigkeitsbereich des Zedenten und des Schuldners liegt213. Hingegen ist die Gegenforderung berührt, wenn es um Begründung und Fortbestehen einer Aufrechnungslage geht. Nicht überzeugen kann der Hinweis, ein hinreichender Schuldnerschutz solle dadurch bestehen, dass der Schuldner trotz der Vorausabtretung mit dem Zedenten, seinem Vertragspartner, ein Abtretungsverbot vereinbaren und dadurch die Abtretungsfolgen und den Ausschluss der Aufrechnungsmöglichkeit vermeiden könne214. Indem ein Schuldner, der nach Kenntnis der Vorauszession eine Gegenforderung gegen den Zedenten erworben hat, vor Entstehung der Hauptforderung mit dem Zedenten ein Abtretungsverbot vereinbart, kann er eine Aufrechnungsmöglichkeit gegen die im Voraus abgetretene, später entstehende Hauptforderung herbeiführen. Gegen die Möglichkeit des Schuldners, ein pactum de non cedendo zu vereinbaren, ist zunächst vom Gesichtspunkt der praktischen Relevanz einzuwenden, dass die Vereinbarung eines Abtretungsverbotes nur für denjenigen Schuldner eine realistische Möglichkeit ist, welcher aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke ein solches durchsetzen kann215. Ferner wird kritisiert, dass der Schuldner auf diese Art eine Verbindlichkeit gegenüber dem Zedenten eingehen könne, um durch Aufrechnung von seiner Schuld gegenüber dem Zessionar frei zu werden, wodurch gerade das – nach der Meinung Schomakers216 dem Zweck des § 406 BGB widersprechende – Ergebnis einträte217. Wenn ein Abtretungsverbot bei einer Vorauszession vereinbart werde, werde der „Zessionar“ zwar nicht Gläubiger der Hauptforderung218. Bezüglich seines Si212
Bacher, JA 1992, S. 234 (236). Wagner, WuB IV A. § 406 BGB 1.01, S. 1313 (1316). 214 Schomaker, BB 1969, S. 940 (941). 215 Denck, DB 1977, S. 1493 (1496); Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187). 216 Schomaker, BB 1969, S. 940 (941). 217 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1583); Serick, BB 1982, S. 873 (877); ders., Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 69 II 2 e), S. 747 f. 218 Jacob, WM 1991, S. 1581 (1583). 213
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cherungsinteresses würde er aber – so Jacob – durch das Abtretungsverbot die Rechtsstellung erlangen, welche er innehätte, wenn – entgegen der Auffassung des BGH und der herrschenden Lehre – eine Aufrechnung gemäß § 406 BGB auch dann möglich sein sollte, wenn der Schuldner die Vorausabtretung bereits vor Begründung der Hauptforderung gekannt hat. Gegen dieses Argument greift jedoch die Erwägung durch, dass den Interessen des Zessionars, auch wenn er nicht Gläubiger wird, gegenüber den Interessen des bösgläubigen Schuldners der Vorzug gegeben wird219: Denn der Zessionar erlangt gegenüber dem Schuldner je nach Situation des Falles Herausgabe-, Schadensersatz- oder Bereicherungsansprüche. Zudem erscheint fraglich, ob die vorgenannten Argumente zum Verhältnis von Abtretungsverbot und Vorauszession in Anbetracht der möglichen praktischen Schwierigkeiten des Schuldners, ein pactum de non cedendo zu vereinbaren, von großer Bedeutung sind. III. Aufrechnung nach Abtretung im Handelsrecht § 354a HGB trifft im Handelsrecht u. a. eine Regelung dahingehend, dass ein Schuldner nach einer Abtretung trotz Abtretungsverbots mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten kann. Dies ist insoweit von Interesse, als dabei auch eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners nach einer Zession erfasst wird. Das OLG Köln zieht, um seine Auffassung zur Auslegung des § 406 BGB zu begründen, einen Vergleich zur Interessenlage bei § 354a HGB. 1. § 354a HGB § 354a HGB220 regelt eine Ausnahme zum vertraglichen Abtretungsverbot gemäß § 399 Alt. 2 BGB, soweit es Geldforderungen im kaufmännischen Geschäftsverkehr und im Rechtsverkehr mit der öffentlichen Hand betrifft. Die Vorschrift wurde durch Gesetz zur Änderung des DM-Bilanzgesetzes vom 25. Juli 1994221 in das HGB eingefügt. Anlass der Gesetzgebung war u. a. die Feststellung, dass in Deutschland nahezu alle Großunternehmen in ihre Einkaufsbedingungen Klauseln einbezogen, wonach die Abtretung von Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen ausgeschlossen wurde. Diese weitreichende Verwendung von Abtretungsverboten führte dazu, dass Forderungen gegen Großabnehmer oder auch gegen die öffentliche Hand für mittelständische 219 Bacher, JA 1992, S. 234 (236) mit Hinweis auf: BGHZ 77, 274; U. Huber, NJW 1968, S. 1905 ff. 220 Vgl. zur Kritik an § 354a HGB im internationalen Kontext: Goergen, Pactum de non cedendo, S. 227 f. 221 BGBl. I S. 1682.
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Unternehmen nicht zu Kreditsicherungs- und Finanzierungszwecken eingesetzt werden konnten222. a) Gemäß § 354a S. 1 HGB ist die Abtretung einer Geldforderung wirksam, auch wenn deren Abtretung durch ein vertragliches Abtretungsverbot (§ 399 Alt. 2 BGB) ausgeschlossen wurde, soweit das die Forderung begründende Rechtsgeschäft für beide Teile ein Handelsgeschäft ist oder der Schuldner eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen ist. Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst nur die vertraglichen Abtretungsausschlüsse sowie Beschränkungsabreden zur Abtretbarkeit bei einer rechtsgeschäftlichen Forderungsübertragung223. § 354a HGB kann nicht analog auf den gesetzlichen Forderungsübergang oder auf gesetzliche Abtretungsverbote angewendet werden224. Der sachliche Geltungsbereich erstreckt sich lediglich auf Abtretungsausschlüsse bei Geldforderungen. Nicht erfasst sind mithin Ansprüche auf Sachleistungen oder auf die Begründung und Übertragung von Rechten225. Ferner bezieht sich § 354a HGB nicht auf das in der Kontokorrentabrede liegende Abtretungsverbot226. Zur Begründung lässt sich anführen, dass das Kontokorrent eigens geregelt ist (§§ 355–357 HGB i.V. m. § 400 HGB) und ein Abtretungsverbot dem Kontokorrent immanent ist. Der persönliche Anwendungsbereich des § 354a HGB erstreckt sich auf Geldforderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften (1. Alt.) oder auf gegen die öffentliche Hand als Schuldnerin gerichtete Forderungen (2. Alt.)227. Gemäß § 343 Abs. 1 HGB sind Handelsgeschäfte alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. Mithin ist die Kaufmannseigenschaft (§ 1 Abs. 1 HGB) der Parteien, welche an dem die Forderung begründenden Rechtsgeschäft beteiligt sind, letztlich maßgeblich für die erste Alternative. Hierdurch erhält der Gläubiger der abgetretenen Forderung einen Vorteil, was zugunsten der Kredit- und Factoringinstitute – beim angestrebten Erwerb von Forderungen – sowie der Vorbehaltslieferanten wirkt228. Soweit es Forde-
222 Bauer, § 354a HGB, S. 28 ff.; Bette, WM 1994, S. 1909 (1915); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (3). 223 Goergen, Pactum de non cedendo, S. 56; B. Schmidt in: GK-HGB, § 354a Rn. 6; Wagner, NJW 1995, S. 180; ders., WM 1994, S. 2093 (2094). 224 Henseler, BB 1995, S. 5 (7); GK-HGB/B. Schmidt, § 354a Rn. 6; Wagner, WM 1994, S. 2093 (2102). 225 Bauer, § 354a HGB, S. 74; Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (7). 226 GK-HGB/B. Schmidt, § 354a Rn. 7; K. Schmidt in: FS Schimansky, S. 503 (510); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (6). 227 Bauer, § 354a HGB, S. 76; Bette, WM 1994, S. 1909 (1916); K. Schmidt in: FS Schimansky, S. 503 (509); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (7). 228 Bauer, § 354a HGB, S. 77; Wagner, WM 1994, S. 2093 (2095).
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rungen gegenüber der öffentlichen Hand betrifft, ist im Schrifttum umstritten, ob der Zedent als Gläubiger die Kaufmannseigenschaft besitzen muss229. b) Nach dem Willen des Gesetzgebers hat § 354a HGB einen doppelten Zweck230. § 354a S. 1 HGB sieht als Rechtsfolge vor, dass eine Abtretung trotz eines vereinbarten Abtretungsverbots wirksam ist. Damit verfolgt Satz 1 den Gedanken des Verkehrsschutzes und soll sicherstellen, dass Geldforderungen, welche aus Warenlieferungen und Dienstleistungen stammen, vom Zedenten zur Sicherung an Waren- und Geldkreditgeber oder zwecks Finanzierung an Factoringinstitute abgetreten werden können. Satz 1 stellt den bisherigen Gläubiger so, als könnte die Forderung frei abgetreten werden231. Dies bedeutet im Einzelnen, dass ein vereinbarter Abtretungsausschluss als solcher nicht inter partes unwirksam wird, sondern eine dennoch erfolgte Abtretung wirksam ist232. Die Forderung geht in das Vermögen des neuen Gläubigers über, der an die Stelle des bisherigen Gläubigers tritt, und gehört nicht mehr zum Vermögen des alten Gläubigers. Die zweite Zweckrichtung des § 354a HGB findet sich in Satz 2 der Vorschrift. Danach kann der Schuldner „jedoch“, d.h. trotz der wirksamen Abtretung, mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten. Hierdurch wird der Gedanke des Schuldnerschutzes verwirklicht233. Der Zedent behält weiterhin gemäß Satz 2 seine Empfangszuständigkeit234. Somit wird der Schuldner in seinem Interesse geschützt, dass das rechtsgeschäftlich vereinbarte pactum de non cedendo aufrechterhalten bleibt. Satz 2 regelt eine gesetzliche Empfangszuständigkeit des Zedenten, jedoch hat dieser wegen der wirksamen Abtretung kein gesetzliches Einziehungsrecht235. § 354a S. 2 HGB beinhaltet zunächst die Fallkonstellation, dass der Schuldner gutgläubig an den Zedenten leistet, wobei diese Regelung die mangelnde Berechtigung des bisherigen Gläubigers in gleicher Weise überwindet wie § 407 Abs. 1 BGB für die Fälle, welche nicht im Anwendungsbereich der handelsrechtlichen Vorschrift liegen. Zudem gewährt § 354a S. 2 HGB als Neuerung – über den Normbereich des § 407 Abs. 1 BGB hinaus – demjenigen Schuldner einen Schutz, welcher in 229
Vgl. hierzu: Bauer, § 354a HGB, S. 80 ff. m.w. N. Bauer, § 354a HGB, S. 88; Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (3). 231 So prägnant: Bauer, § 354a HGB, S. 88. 232 Bette, WM 1994, S. 1909 (1917); Derleder, BB 1999, S. 1561 (1562); Martinek/ Oechsler in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 102 Rn. 120; Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (9). 233 Bauer, § 354a HGB, S. 88; Bette, WM 1994, S. 1909 (1918); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (3). 234 Zur rechtlichen Qualifikation der Empfangszuständigkeit vgl. Bauer, § 354a HGB, S. 111 ff. 235 Berger, Verfügungsbeschränkungen, § 17 III 2 b), S. 281 f.; Bette, WM 1994, S. 1909 (1919); GK-HGB/B. Schmidt, § 354a Rn. 10 a; Staudinger/Busche, § 399 Rn. 71. 230
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Kenntnis der Abtretung seine Leistung an den Zedenten erbringt236. Zur Begründung hierfür haben Großunternehmen die Gefahr einer fahrlässigen Falschzahlung angegeben, wenn in einem Großunternehmen bei einem Gläubigerwechsel die Fehlleitung von Zahlungen zu besorgen sei237. Der Gesetzgeber führte zur Begründung das Interesse des Schuldners an, dass dieser sich nicht auf einen Gläubigerwechsel einstellen brauche sowie Verrechnungen und Zahlungsvereinbarungen mit dem Zedenten treffen könne238. § 354a S. 2 HGB hat mithin zur Folge, dass der Schuldner ein Wahlrecht hat, ob er nach der erfolgten Abtretung an den alten oder den neuen Gläubiger mit befreiender Wirkung leistet239. Der Schuldner kann in Kenntnis der Zession schuldbefreiend an den Zedenten leisten, obwohl nunmehr aufgrund der wirksamen Zession (Satz 1) der Zessionar Gläubiger der Forderung geworden ist. Bei der rechtlichen Qualifizierung dieser Wahlmöglichkeit wird § 354a HGB im Vergleich zur Regelung des § 407 Abs. 1 BGB untersucht240. Nach letzterer Vorschrift hat der Schuldner nach überwiegender Auffassung die Wahl, ob er nach einer gutgläubigen Leistung an den Zedenten den Schuldnerschutz des § 407 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen möchte. Ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Wahlmöglichkeit mithin ein inhaltlicher Bezug zu § 407 Abs. 1 BGB als einer Schuldnerschutzvorschrift des BGB, so lässt sich eine Anknüpfung zu der hier interessierenden Vorschrift des § 406 BGB unter einem anderen Aspekt vornehmen. c) § 354a S. 2 BGB regelt, dass der Schuldner mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger „leisten“ kann. Legt man den Begriff der „Leistung“ aus, so ergibt sich folgendes: Aufgrund des in § 354a S. 2 HGB zum Ausdruck kommenden Schuldnerschutzes stehen der „Leistung“ an den Zedenten Erfüllungshandlungen gleich, welche die Schuld zum Erlöschen bringen. Zu diesen Erfüllungssurrogaten gehören zunächst die Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) und die Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB)241. Auch die Aufrechnung stellt eine Leistung i. S. d. § 354a S. 2 BGB in der Gestalt 236 GK-HGB/B. Schmidt, § 354a Rn. 10; von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1953); K. Schmidt in: FS Schimansky, S. 503 (513). 237 Bauer, § 354a HGB, S. 93; Bette, WM 1994, S. 1909 (1918). 238 BT-Drucks. 12/7912, S. 25. 239 Baukelmann in: FS Brandner, S. 185 (195); Bette, WM 1994, S. 1909 (1919); GK-HGB/B. Schmidt, § 354a Rn. 10; Martinek/Oechsler in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 102 Rn. 121; von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1953); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (10); zur rechtlichen Qualifizierung der Wahlmöglichkeit vgl. Bauer, § 354a HGB, S. 95 ff. m.w. N. 240 Bauer, § 354a HGB, S. 101 ff.; Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (11). 241 Baukelmann in: FS Brandner, S. 185 (195 f.); GK-HGB/B. Schmidt, § 354a Rn. 10 a; Henseler, BB 1995, S. 5 (8); Staudinger/Busche, § 399 Rn. 71; Wagner, NJW 1995, S. 180; ders., WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (13).
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eines Erfüllungssurrogates dar242. Zur Begründung dafür, dass die Aufrechnung unter diesen Leistungsbegriff fällt, kann zunächst der Wortlaut der Vorschrift herangezogen werden243. Wenn mit dem Wort „leisten“ Erfüllungshandlungen gemeint sind, so schließt dies auch die Aufrechnung ein, weil diese als eine auf den Leistungserfolg gerichtete Leistungshandlung aufgefasst werden darf. Weiterhin geben die Gesetzgebungsmaterialien näheren Aufschluss244. Darin führt der Gesetzgeber u. a. aus: Damit wird das Interesse des Forderungsschuldners, sich nicht auf wechselnde Gläubiger einzustellen sowie Verrechnungen und Zahlungsvereinbarungen mit dem alten Gläubiger vornehmen zu können, von der vorgeschlagenen Neuregelung uneingeschränkt gewahrt.
Entgegen der überwiegenden Auffassung, welche die Aufrechnung unter den Leistungsbegriff des § 354a S. 2 HGB fasst, verneint Berger eine – über den Regelungsbereich der §§ 406, 407 BGB hinausreichende – Aufrechnungsbefugnis des Schuldners245. Seiner Auffassung nach darf nicht auf die Gesetzgebungsmaterialien abgestellt werden, weil sie nur vom Fall der relativen Unwirksamkeit ausgingen und diesen Aspekt zu Unrecht für § 354a HGB herangezogen hätten. Als Einwand gegen diese Argumentation überzeugt eine differenzierte Betrachtungsweise, welche sich auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Gesetzesentwurf bezieht246: Darin folgt systematisch auf eine inhaltliche Wiedergabe des § 354a S. 2 HGB eine Bezugnahme auf die fortdauernde Verrechnungsmöglichkeit des Schuldners gegen den bisherigen Gläubiger. Es wird eigens hervorgehoben, dass – entsprechend dem Entwurf der SPD-Fraktion – anstelle einer relativen nunmehr eine absolute Unwirksamkeit gegeben sei. Für die tatbestandliche Erfassung der Aufrechnung bei § 354a S. 2 HGB spricht ferner, dass der – bisherige – Gläubiger ein schützenswertes Interesse daran hat, dass dem Forderungsschuldner seine Aufrechnungsmöglichkeit gegen den Altgläubiger erhalten bleibt247. Gerade bei Geschäftsverbindungen, bei de242 LG Bonn, MDR 2000, S. 1023 mit zust. Anm. Eichner; Baukelmann in: FS Brandner, S. 185 (195 f.); Bette, WM 1994, S. 1909 (1918); von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1953); K. Schmidt, NJW 1999, S. 400 (401); Wagner, WM 1994, S. 2093 (2098); a. A. nur: Berger, Verfügungsbeschränkungen, § 17 III 3 b), S. 284; zur Übersicht über den fast einhelligen Meinungsstand vgl. Bauer, § 354a HGB, S. 118 Fn. 115. 243 Baukelmann in: FS Brandner, S. 185 (195 f.); Henseler, BB 1995, S. 5 (8). 244 BT-Drucks. 12/7912, S. 25; hierzu: Bauer, § 354a HGB, S. 119; Baukelmann in: FS Brandner, S. 185 (195). 245 Berger, Verfügungsbeschränkungen, § 17 III 3 b), S. 284, 283 Fn. 34 unter Heranziehung der Begründung des Gesetzesentwurfes der SPD-Fraktion, BT-Drucks. 12/ 7570. 246 Bauer, § 354a HGB, S. 120 mit Hinweis auf BT-Drucks. 12/7912, S. 25, 2. 247 Bauer, § 354a HGB, S. 120; Bette, WM 1994, S. 1909 (1918).
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nen den Leistungen des Gläubigers auch Leistungen des Schuldners gegenüberstehen, darf die enge Verbindung, welche für die wechselseitige Verrechnungsmöglichkeit oftmals ein entscheidendes Merkmal ist, nicht dadurch zerstört werden, dass der Schuldner – nachdem ihm die erfolgte Abtretung angezeigt worden ist – aufgrund seiner Kenntnis der Abtretung seine künftig zu erbringenden Leistungen nicht mehr mit den Gegenleistungen des Gläubigers aufrechnen kann248. Mithin stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sich im Vergleich zu § 406 BGB für den Schuldnerschutz dadurch ergeben, dass eine Aufrechnung des Schuldners gegenüber dem Zedenten gemäß § 354a S. 2 HGB möglich ist. Gemäß § 406 BGB kann der Schuldner unter den einschränkenden Voraussetzungen des zweiten Halbsatzes gegenüber dem Zessionar als Erklärungsgegner aufrechnen. Dagegen sieht § 354a S. 2 HGB – bei Vorliegen des sachlichen und persönlichen Tatbestandes des Satzes 1 – eine Aufrechnungsbefugnis gegenüber dem Zedenten vor. Aufgrund seines Wahlrechts kann der Schuldner aber auch die Aufrechnung gegenüber dem Zessionar erklären. Hinsichtlich der Person des Aufrechnungsgegners bezieht sich § 406 BGB also allein auf den Zessionar, bei § 354a S. 2 HGB kann die Aufrechnung sowohl gegenüber dem alten als auch dem neuen Gläubiger erklärt werden. Es fragt sich nunmehr, inwieweit die Tatbestände der beiden Vorschriften hinsichtlich etwaiger Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis differieren. Zu untersuchen ist dabei eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners gemäß § 354a S. 2 HGB mit Forderungen, welche er gegen den Zedenten besitzt, sowie mit Forderungen, welche ihm gegen den Zessionar zustehen. Zur Klärung steht dabei nur eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners, da nur er und nicht der alte, von § 354a HGB nicht begünstigte Gläubiger ein solche Befugnis innehat249. § 406 BGB verneint in den beiden Ausnahmen des zweiten Halbsatzes eine Aufrechnungsmöglichkeit dann, wenn der Schuldner bei dem Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder wenn die Gegenforderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden ist. Fraglich ist, ob der Schuldner gemäß § 354a S. 2 HGB eine Aufrechnungsbefugnis hat, welche über die in § 406 BGB zugelassenen Fallkonstellationen hinausgeht. Zu erwägen sind dabei die Fälle, dass der Schuldner beim Erwerb seiner Gegenforderung Kenntnis von der Abtretung besaß oder dass seine Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden ist250.
248
Bauer, § 354a HGB, S. 120; Bette, WM 1994, S. 1909 (1918). Saar, ZIP 1999, S. 988 (991); K. Schmidt in: FS Schimansky, S. 503 (512); siehe eingehend: Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (14). 250 von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1953); vgl. auch Bauer, § 354a HGB, S. 121. 249
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
Soweit es die gegen den Zedenten gerichteten Forderungen betrifft, darf der Schuldner über den Anwendungsbereich des § 406 BGB hinaus in diesen vorgenannten Fallkonstellationen gegen eine Forderung des Zessionars aufrechnen251. Gegen eine solche Aufrechnungsbefugnis kann zwar erwogen werden, dass nach der erfolgten und gemäß § 354a S. 1 HGB wirksamen Abtretung der Schuldner nicht mehr gegenüber dem Zedenten diese Schuldnerposition innehat252. Zudem fehlt bei § 354a HGB eine Regelung darüber, dass die Aufrechnung trotz der fehlenden Gegenseitigkeit ausdrücklich zugelassen wird, wie es gerade in § 406 BGB normiert ist253. Dagegen lässt sich aber anführen, dass § 354a S. 2 HGB auf das Tatbestandsmerkmal der Gegenseitigkeit für die Aufrechnung gerade dadurch verzichtet, dass der Zedent als alter Gläubiger weiterhin die Empfangszuständigkeit besitzt254. Weiterhin verweist von Olshausen – zur Begründung der Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners – auf dessen Abwendungsbefugnis, welche ihm durch die Möglichkeit, sich durch Leistung an den Zedenten von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Zessionar befreien zu können, eingeräumt werde255. In ähnlicher Form sei eine Abwendungsmöglichkeit durch Aufrechnung – anstelle von Zahlung – gesetzlich ausdrücklich geregelt (§ 268 Abs. 2, § 1142 Abs. 2, §§ 1150, 1224, 1249 S. 2 BGB). Dieser Rechtsgedanke könne auch auf andere Fälle angewandt werden, bei denen jemand zwar keine Zahlungsverpflichtung habe, aber zahlen dürfe, um von einer bestehenden Haftung frei zu werden. Nach der Auffassung von Olshausens wird dieses Ergebnis nicht dadurch beeinflusst, dass bei den gesetzlichen Fällen der Abwendungsbefugnis Personengleichheit bestehe (die Gegenforderung besteht gegen denjenigen, für den die durch Aufrechnung vermiedene Haftung eingegriffen hätte) und bei § 354a S. 2 HGB eine Personenverschiedenheit gegeben sei (der Zedent verliert durch die Aufrechnung eine Verbindlichkeit und der Zessionar einen Anspruch). Maßgeblich sei – so von Olshausen – nicht die Erlangung eines Vorteils durch denjenigen, der hierdurch ein Recht einbüße, sondern dass der Schuldner das gleiche Ergebnis dadurch erzielen könne, indem er zunächst eine Zahlung an den Zedenten erbringe und sich das Gezahlte dann aufgrund seiner gegen diesen bestehenden Forderung zurückhole256. Ferner spricht auch die Begründung des Gesetzgebers für eine Aufrechnungsbefugnis des Schuldners nach § 354a S. 2 HGB über die Voraussetzungen des § 406 251 LG Bonn, MDR 2000, S. 1023 mit zust. Anm. Eichner; Bauer, § 354a HGB, S. 122; von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1954); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (13). 252 Bauer, § 354a HGB, S. 122. 253 von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1953). 254 Bauer, § 354a HGB, S. 122; Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (13); vgl. auch Münchener Kommentar zum HGB/K. Schmidt, § 354a Rn. 20. 255 von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1954). 256 von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1954); vgl. auch Bauer, § 354a HGB, S. 122.
§ 8 Interessenverteilung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner
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BGB hinaus257. Es soll das Interesse des Schuldners gewahrt werden, dass er sich an den alten Gläubiger halten und Verrechnungen ihm gegenüber vornehmen kann. Soweit es Forderungen des Schuldners betrifft, welche sich gegen den Zessionar richten, steht dem Schuldner eine Aufrechnungsbefugnis gegenüber dem Zedenten gemäß § 354a S. 2 HGB nicht zu258. Nicht durchgreifen kann diesbezüglich von Olshausen mit seiner gegenteiligen Auffassung, welche er mit dem Wahlrecht des Schuldners gemäß § 354a S. 2 HGB und der daraus folgenden zusätzlichen Aufrechnungschance begründet259. Dagegen kann – mit der Argumentation von Astrid Bauer – eingewandt werden, dass sich dies nicht aus § 354a S. 2 HGB ergibt, sondern aus der Wirksamkeit der Abtretung gemäß Satz 1 der Vorschrift folgt260. Zur Begründung der Meinung, dass der Schuldner mit Forderungen gegen den Zessionar gegenüber dem Zedenten nicht aufrechnen kann, führt sie weiterhin an: Der Zweck des Satzes 2, das Interesse des Schuldners hinsichtlich der Aufrechterhaltung des mit dem Zedenten vereinbarten Abtretungsausschlusses zu schützen, werde gewahrt, indem der Schuldner nach der wirksamen Abtretung auch weiterhin an den Zedenten zahlen oder mit einer gegen diesen bestehenden Forderung aufrechnen dürfe. Gemäß § 399 Alt. 2 BGB könne der Schuldner nicht gegenüber dem Zedenten mit einer ihm gegen den Zessionar zustehenden Forderung aufrechnen, weil eine Gegenseitigkeit der Forderungen wegen der Unwirksamkeit der Abtretung nicht bestehe. Der maßgebliche Unterschied bei einer Aufrechnung mit Forderungen gegen den Zedenten oder den Zessionar liege – so Bauer – darin, dass die Gegenforderung des Schuldners und die Forderung des Zedenten bei einer unwirksamen Abtretung aufrechnungsfähig im Gegenseitigkeitsverhältnis gewesen wären, diese Voraussetzung aber bei einer Forderung gegen den Zessionar nicht erfüllt wäre. Eine derartige Aufrechnungsmöglichkeit würde den Schuldner zum Nachteil des Zessionars besser stellen, als § 399 Alt. 2 BGB ihm eingeräumt hätte. Dies sei mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbaren und folglich nicht vom Schutzbereich des § 354a S. 2 HGB erfasst. § 354a HGB ist aufgrund der Regelung in Satz 3 zwingendes Recht261. Dies gilt sowohl für Satz 1 (Wirksamkeit einer verbotswidrigen Abtretung) als auch für Satz 2 (Leistung an den Zedenten). Zulässig ist jedoch eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Zessionar, dass der Schuldner nur noch an den neuen Gläubiger leisten darf262. 257 von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1954); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (14). 258 Bauer, § 354a HGB, S. 123; Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (13). 259 von Olshausen, ZIP 1995, S. 1950 (1954). 260 Bauer, § 354a HGB, S. 123. 261 Bette, WM 1994, S. 1909 (1916, 1920); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (3).
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
2. Wertung hinsichtlich einer Kenntnis der Vorausabtretung Das OLG Köln zieht zur Begründung seiner Auffassung in zweifacher Weise die Vorschrift des § 354a HGB heran263: Auch diese Vorschrift spräche für die vom Senat vertretene Auslegung der §§ 404, 406 BGB. Bei einer Aufrechnung, welche unter den Begriff der „Leistung“ i. S. d. § 354a S. 2 HGB falle, lege der Gesetzgeber dem Zessionar das Risiko auf, dass der Zedent in Insolvenz falle. Denn der Zessionar besitze, anders als bei einer Zahlung des Schuldners an den Zedenten, mangels unterscheidbaren Gegenstandes kein Ersatzaussonderungsrecht gemäß § 48 InsO. Dies bedeute – so der Senat – im Ergebnis einen Schutz des Verwenders von Abtretungsverboten, weil er bei der Auswahl seiner Zahlungsadresse nicht vertraglich – individuell oder durch Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen – beschränkt werden könne. Ferner entnimmt das OLG Köln der Regelung des § 354a HGB, dass allein aufgrund einer Kenntnis der Vorausabtretung die Interessen des Schuldners nicht weniger Schutz verdienen sollen als die Interessen des Zessionars. Dabei verweist der Senat auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen den Geschäftsparteien: Der Schuldner könne u. U. das wirtschaftliche Risiko der Geschäftsbeziehung schlechter als der Zessionar absehen. Bei laufenden Geschäftsbeziehungen habe er oftmals keine Möglichkeit, eine Verbindlichkeit nicht einzugehen, wenn für ihn die Aufrechnungsmöglichkeit maßgeblich sei. Gerade wenn der Zedent in wirtschaftliche Probleme gerate, erlange eine Aufrechnungsbefugnis besondere Bedeutung und der Schuldner sei nur dann an einer weiteren Belieferung des Gläubigers interessiert, wenn er weiterhin eine Aufrechnungsmöglichkeit habe. Wenn der Schuldner mit dem Zedenten keine Aufrechnung oder einen Abtretungsausschluss erzielen könne, habe er nur die Möglichkeit, die gegenseitigen Geschäftsbeziehungen zu beenden oder keine Lieferungen mehr an seinen Gläubiger zu erbringen. Der Senat zieht aus diesen wirtschaftlichen Konstellationen für den konkreten Fall folgende Schlussfolgerung: Es sei nicht zu erkennen, warum das Interesse des Factoring-Unternehmens als Vertragspartei schutzwürdiger sei als die Position des Vertragspartners und seine Aufrechnungsbefugnis. Das Factoring-Unternehmen sei durch die übliche Veritätshaftung geschützt, außer im Falle der Insolvenz, wobei es billigerweise das Insolvenzrisiko trage. Es gebe – so das OLG Köln – keinen Grund, dem Schuldner einen Schutz nach § 404 BGB nicht zu gewähren, wenn die bisherigen Vertragspartner durch eine Abrede vereinbaren könnten, dass die dem Schuldner bekannte Vorausabtretung eine Aufrechnung nicht hindere bzw. wenn gemäß § 354a S. 2 HGB trotz der Abtretung Leistungen an den Zedenten erbracht werden dürften. 262 GK-HGB/B. Schmidt, § 354a HGB Rn. 13; Henseler, BB 1995, S. 5 (9); Wagner, WM 1996, Sonderbeil. Nr. 1, S. 1 (3). 263 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541).
§ 8 Interessenverteilung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner
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Zu dieser Argumentation kann im Rahmen des § 354a HGB angeführt werden, dass gerade eine inhaltliche Neuerung und Erweiterung der Schuldnerschutzvorschriften des § 407 Abs. 1 BGB sowie gerade des § 406 BGB264 darin liegen, dass auch der bösgläubige Schuldner seine Leistung an den Zedenten erbringen, mithin ihm gegenüber aufrechnen kann. Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese für das Handelsrecht getroffene Regelung eine Rückwirkung auf das bürgerliche Recht, namentlich auf die Auslegung des § 406 BGB dahingehend hat, dass auch ein bösgläubiger Schuldner – in Kenntnis der Vorausabtretung – den gleichen Schutz wie der Zessionar genießen müsste. Das OLG Köln zieht diese von ihm angeführte Folgerung auch nicht für die Deutung des § 406 BGB, sondern stellt in diesem Zusammenhang – wie auch sonst beim vertretenen Lösungsweg – entscheidend auf den gesetzlichen Schutz des § 404 BGB ab. Jedoch erscheint hier fraglich, inwieweit die von § 354a S. 2 HGB zugelassene Aufrechnungsmöglichkeit für einen Schuldnerschutz über § 404 BGB interpretatorisch herangezogen werden kann. Eine inhaltliche Beziehung bzw. Abgrenzung des § 354a HGB zu den Schuldnerschutzvorschriften des BGB wird nur hinsichtlich § 406 und § 407 BGB thematisiert265. IV. Insolvenzrisiko des Zedenten Die praktische Relevanz der Streitfrage, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichgestellt werden kann, zeigt sich insbesondere im Falle einer Insolvenz des Zedenten bei der Verteilung des Insolvenzrisikos zwischen Schuldner und Zessionar266. Folgt man der Auffassung des BGH und der herrschenden Lehre und bejaht diese Gleichsetzung, dann trägt allein der Schuldner das Risiko der Insolvenz des bisherigen Gläubigers267. Die Kritik von Teilen der Literatur stützt sich darauf, dass das Insolvenzrisiko des Zedenten einseitig dem Schuldner auferlegt werde und insoweit der Schuldnerschutz eine erhebliche Einschränkung erfahre268. Schließt man sich hingegen der Auffassung des OLG Köln an, dann trägt der Zessionar das Insolvenzrisiko des Zedenten. Die insolvenzrechtlichen Fragen, welche sich bei Anwendung des § 406 BGB bei einer Vorausabtretung stellen, werden im nachfolgenden vierten Kapitel behandelt. 264
Vgl. oben Drittes Kapitel § 8 III. 1. Bauer, § 354a HGB, S. 92, 118 ff.; Baukelmann in: FS Brandner, S. 185 (195); Münchener Kommentar zum HGB/K. Schmidt, § 354a Rn. 20. 266 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541); Denck, DB 1977, S. 1493; Fehl, DZWIR 2003, S. 76 (78); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c), S. 329; H. P. Westermann, BGH EWiR § 406 BGB 1/02, S. 897 (898). 267 Denck, DB 1977, S. 1493; Schwarz, WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83 (84); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c), S. 329. 268 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 69 II 2 b), S. 742. 265
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
V. Einzelne Entscheidungen Das OLG Köln weist schließlich auf inhaltliche Besonderheiten in einzelnen Urteilen des BGH zur Anwendung des § 406 BGB hin und bezieht sich ferner auf eine Entscheidung des BFH zu dieser Vorschrift. Der Senat führt zunächst ein Urteil des BGH an, bei dem über eine Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs gemäß § 110 HGB gegen einen Anspruch auf Zahlung der Kommanditeinlage zu entscheiden war269. In diesem – nach OLG Köln „besonderen“ – Fall steht nach Auffassung des BGH die Vorschrift des § 406 BGB einer Aufrechnungsmöglichkeit nicht entgegen. Der Rechtsgrund der als Gegenforderung zur Aufrechnung gestellten Einlageforderung war bereits bei der Abtretung des Erstattungsanspruchs gegeben. Auch wenn § 406 BGB die Aufrechnung ausschließt hinsichtlich solcher Forderungen, die erst nach Kenntniserlangung des Schuldners von der Abtretung und später als die abgetretene Forderung fällig werden, greift diese Einschränkung vorliegend nach Auffassung des BGH nicht durch. Er führt zur Begründung aus, dass jeder Gesellschaftsgläubiger solange auf das Privatvermögen des Kommanditisten zugreifen dürfe, bis dieser seine Einlage geleistet oder einen anderen Gesellschaftsgläubiger befriedigt habe270. Weil diese rechtliche Situation – die Außenhaftung des Kommanditisten – auch bei einer Sicherungsabtretung der Einlageforderung fortbestehe, müsse auch die Befugnis des Kommanditisten erhalten bleiben, nach Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers mit dem Erstattungsanspruch aufzurechnen und dadurch von der Einlageschuld frei zu werden. Denn anderenfalls sei – so der BGH – dem Sinn und Zweck der §§ 404, 406 BGB entgegengehandelt, wonach der Schuldner durch die Zession gegenüber dem Zessionar nicht schlechter gestellt werden dürfe als er gegenüber dem Zedenten stand. Die Klägerin habe nur eine mit der Aufrechnungsmöglichkeit des Beklagten „belastete“ Einlageforderung erworben. Das OLG Köln folgert aus dieser Entscheidung, dass nach einem solcherart verstandenen Zweck des § 404 BGB der Schuldner weiterhin gemäß §§ 404, 406 BGB mit einer Gegenforderung aufrechnen dürfe, die ihm zur Zeit der Abtretung – wenn auch noch nicht fällig – zustand und eine Kenntnis der Vorausabtretung für ihn ebenso wenig schädlich sei271. Es fragt sich jedoch, ob für die Beurteilung der Kenntnis der Vorausabtretung allgemein als Erwägung herangezogen werden kann, dass der BGH bei dieser besonderen Fallgestaltung entscheidend auf den vorgenannten Zweck der §§ 404, 406 BGB abstellte und eine Aufrechnungsmöglichkeit trotz Kenntnis der Abtretung bejahte. Die Besonderheit des als Gegenforderung zur Aufrechnung gestellten Erstattungsanspruchs 269 270 271
BGHZ 63, 339 = NJW 1975, S. 1022 = DNotz 63, 338. BGHZ 63, 339 (342 f.). OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541).
§ 8 Interessenverteilung zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner
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besteht darin, dass er sich aus der Erfüllung der Haftpflicht des Kommanditisten ergibt, welche gegenüber jedem Gesellschaftsgläubiger besteht. Hieraus folgt die oben dargestellte rechtliche Situation bezüglich der Außenhaftung des Kommanditisten und seiner Aufrechnungsmöglichkeit nach Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers. Auf eine Sonderstellung dieser Fallgestaltung geht das OLG Köln jedoch nicht ein, sondern schließt von einem Schutzzweck des § 404 BGB generell darauf, dass eine Kenntnis der Vorausabtretung unschädlich sei. Dass die Vorschriften der §§ 404 ff. BGB als Schuldnerschutzvorschriften generell bezwecken, eine Benachteiligung des Schuldners zu vermeiden, ist – wie oben ausgeführt – allgemeine Auffassung. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass sich hieraus unmittelbar der vom OLG Köln vertretene weitreichende Schuldnerschutz auch bei einer Kenntnis der Vorausabtretung herleiten ließe. Weiterhin betont das OLG Köln hinsichtlich des Urteils des BGH vom 2. Juni 1976272 die besondere Sachverhaltskonstellation, bei der die Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin und der Zedentin identisch waren. Dabei sei das Schutzinteresse der Schuldnerin geringer erschienen. Hingegen bestehe im vorliegenden Fall eine Globalzession im Rahmen eines Factoringverhältnisses. Nach Auffassung des OLG Köln verlangt eine derartige Interessenlage eine abweichende Entscheidung, welche auch – für das hier gegebene beiderseitige Handelsgeschäft – aus § 354a HGB folge. In der genannten grundlegenden Entscheidung des BGH findet die Personenidentität nur insoweit ausdrückliche Erwähnung, als daraus die Folgerung gezogen wird, dass die Beklagte eine fehlende Kenntnis der Vorausabtretung nicht geltend machen könne. Zu einer besonderen Interessenlage wird nicht Stellung genommen. Auch in der Entscheidung vom 26. Juni 2002273 wird nur festgestellt, dass der Schuldnerin die Globalzession bekannt war. Mithin ist nicht ersichtlich, dass der BGH – im Unterschied zum OLG Köln – von verschieden zu wertenden Interessenlagen ausgegangen wäre. Wenn der BGH entscheidend auf den Vertrauensschutz des „gutgläubigen“ Schuldners abstellt, so nimmt er keine Differenzierung danach vor, aufgrund welcher Umstände sich eine entgegenstehende Kenntnis des Schuldners ergeben könnte. Der Senat führt aus, dass er keinen Anlass dafür sieht, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, und betont damit die kontinuierliche Fortführung seiner bestehenden Auffassung, welche damit nicht als Entscheidung einer besonderen Interessenlage anzusehen ist. Schließlich erwähnt das OLG Köln eine Entscheidung des BFH, wonach bei der sinngemäßen Anwendung des § 406 BGB im Recht der Ausfuhrerstattungen und des Währungsausgleichs eine Kenntnis von der Vorausabtretung einer Erstattungsforderung nicht wie die Kenntnis von der Abtretung zu behandeln sei274. Der BFH entscheidet weiter, dass die Finanzbehörde als Schuldner einer 272 273
BGHZ 66, 384; vgl. oben Drittes Kapitel § 5 I. BGH, NJW 2002, S. 2865.
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3. Kap.: Kenntnis der Vorausabtretung
im Voraus abgetretenen Erstattungsforderung gegenüber dem Abtretungsempfänger mit Rückforderungsansprüchen gegen den Abtretenden aufrechnen dürfe, welche sie vor oder spätestens bei Entstehen der Hauptforderung erlangt habe und die nicht später als die Hauptforderung fällig werden. Die vom BGH in seinem Urteil vom 2. Juni 1976 vertretene Auffassung – Gleichstellung von Kenntnis der Abtretung und Vorausabtretung – könne im hier maßgeblichen Bereich des öffentlichen Rechts nicht durchgreifen275. Ohne die Streitfrage abschließend entscheiden zu wollen, lehnt der BFH diese im bürgerlichen Recht vorgenommene Gleichstellung für die sinngemäße Anwendung des § 406 BGB ab. Denn Sinn und Zweck der Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleichsbeträge ließen es nicht zu, dass die öffentliche Hand als Schuldner der Erstattungen und des Währungsausgleichs nach Kenntnis der Vorausabtretung das Risiko der Insolvenz des Zedenten tragen müsse. Auch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge schlössen es nach ihrer Zielsetzung aus, dass die öffentliche Hand durch die bloße Anzeige der Vorausabtretung eine Aufrechnungsmöglichkeit mit Rückforderungsansprüchen verlieren würde, welche vor oder spätestens bei Entstehung der Passivforderung erlangt würden. Auch wenn sich der BFH in seiner Entscheidung kritisch mit der Auffassung des BGH auseinandersetzt, so bleiben doch die verschiedenen Wertungsmaßstäbe entscheidend, welche sich aus dem bürgerlichen bzw. aus dem öffentlichen Recht, hier dem Recht der Ausfuhrerstattungen und des Währungsausgleichs, ergeben. Ein durchgreifendes Argument gegen die Meinung des BGH, das über die vom OLG Köln referierte allgemeine Kritik hinausginge, ist mithin bei den Ausführungen des BFH nicht erkennbar.
274 275
BFHE 144, 92. BFHE 144, 92 (95 ff.).
Viertes Kapitel
Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten § 9 Insolvenz des Zedenten und § 406 BGB Die Frage, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung gleichzustellen ist, erlangt insbesondere praktische Bedeutsamkeit, wenn der Zedent, welcher seine Hauptforderung im Voraus abgetreten hat, in Insolvenz gerät. Die Verteilung des Insolvenzrisikos des Zedenten zwischen Schuldner und Zessionar hängt davon ab, welche Auffassung hinsichtlich der Kenntnisproblematik vorzugswürdig ist1. Schließt man sich der Meinung des BGH und der herrschenden Lehre an und bejaht die Gleichsetzung, dann trägt allein der Schuldner das Risiko der Insolvenz des bisherigen Gläubigers2. Wenn der Zedent dem Schuldner frühzeitig die Vorauszession anzeigt, beispielsweise wenn dieser zu den festen Abnehmern des Zedenten gehört, wird dem Schuldner durch die bloße Anzeige endgültig der Schutz des § 406 BGB genommen und zwar auch dann, wenn der Zeitraum zwischen Kenntniserlangung und Entstehen der vorauszedierten Forderung noch so groß ist. Folgt man dagegen der Auffassung des OLG Köln, dann trägt der Zessionar das Insolvenzrisiko des Zedenten. I. Fallgestaltung Die Fallkonstellation der Vorausabtretung entspricht den oben dargestellten Skizzen Nr. 2 (Rechtsbeziehungen bei § 406 BGB) und Nr. 3 (Verlängerter Eigentumsvorbehalt und § 406 BGB)3. Für die insolvenzrechtliche Problematik sind dabei die einzelnen Rechtsgeschäfte zu kennzeichnen, welche zwischen Zedent, Zessionar und Schuldner abgeschlossen werden4, und die rechtliche Stellung der Beteiligten im Insolvenzverfahren. Die Abtretung künftiger Forde1 OLG Köln, NJW-RR 2001, S. 539 (541); Denck, DB 1977, S. 1493; Fehl, DZWIR 2003, S. 76 (78); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c), S. 329; H. P. Westermann, BGH EWiR § 406 BGB 1/02, S. 897 (898). 2 Denck, DB 1977, S. 1493; Schwarz, WuB IV A. § 406 BGB 1.03, S. 83 (84); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. IV, § 47 IV 3 c), S. 329. 3 Vgl. oben Zweites Kapitel § 3 I. und III. 1. 4 Zur Bildung der Fallkonstellation bei einer Insolvenz des Zedenten in einem Vorausabtretungsfall im Einzelnen: Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191).
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4. Kap.: Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten
rungen wird im Wesentlichen relevant für Sicherungszwecke5. Zedent und Zessionar schließen ein Erstgeschäft6 ab, welches z. B. in einem Kaufvertrag mit verlängertem Eigentumsvorbehalt oder einem Darlehen bestehen kann. Bei der Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes stellt sich die rechtliche Situation wie folgt dar: Der Zessionar als Vorbehaltsverkäufer und Sicherungsnehmer ermächtigt gemäß § 185 Abs. 1 BGB den Zedenten als Vorbehaltskäufer und Sicherungsgeber, im Rahmen des üblichen und ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes über die Vorbehaltssache zu verfügen7. Der Zessionar ist zunächst Eigentümer der Sache. Er verliert aber das – vorbehaltene – Eigentum, wenn der Zedent die Sache berechtigt an den Schuldner (Dritten) weiterveräußert. Die Zustimmung des Vorbehaltsverkäufers zur Weiterveräußerung ist von der Vereinbarung abhängig, dass der Zedent die Forderung gegen den Schuldner aus dem Weiterverkauf der Vorbehaltsware an den Zessionar im Voraus abtritt. Für den verlängerten Eigentumsvorbehalt ist also die Sicherungsabtretung der künftigen Forderung ein wesentliches Merkmal. Die Hauptforderung dient als Sicherung für die aus dem Erstgeschäft stammende Forderung des Zessionars gegen den Zedenten. Wenn der Zedent die Vorbehaltssache an den Schuldner weiterverkauft hat, entsteht die Hauptforderung des Zedenten gegen den Schuldner und der Zessionar erwirbt diese aufgrund der Vorauszession. Der Schuldner erlangt das Eigentum an der Ware vom Berechtigten, weil der Vorbehaltsverkäufer als verfügungsbefugter Eigentümer gemäß § 185 Abs. 1 BGB eingewilligt hat. Ferner steht dem Schuldner – bezüglich einer eventuellen Aufrechnungsmöglichkeit gemäß § 406 BGB – eine Gegenforderung gegenüber dem Zedenten zu, welche aus einem weiteren Schuldverhältnis herrührt. Die Stellung der Beteiligten hinsichtlich der einzelnen Rechtsgeschäfte und nach der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Zedenten lässt sich wie in Skizze 9 gezeigt kennzeichnen. Im Rahmen des Erstgeschäftes (Kaufvertrag mit verlängertem Eigentumsvorbehalt) ist der Zedent Schuldner des Zessionars. Aufgrund des weiteren Rechtsgeschäfts, aus dem die Gegenforderung des Schuldners gegen den Zedenten herrührt, befindet sich der Zedent in einer Schuldnerposition gegenüber dem Schuldner (Dritten). Wenn dann über das Vermögen des Zedenten das Insolvenzverfahren eröffnet wird, hat er zwei Gläubiger, welche jeweils das Insolvenzrisiko für ihre eigene Forderung tragen müssen8. Die Begrifflichkeiten für den Insolvenzfall des Zedenten können also wie folgt bestimmt werden9: Schuldner (Dritter) und Zessionar besitzen als Gläubiger Forderungen gegen 5
Vgl. oben Zweites Kapitel § 3 III. 1. Vgl. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 7 Vgl. zum verlängerten Eigentumsvorbehalt: Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 3 f.; Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 47 Rn. 105 ff.; Reinicke/ Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 738 ff.; Weber, Kreditsicherheiten, S. 194 ff. 8 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 6
§ 9 Insolvenz des Zedenten und § 406 BGB
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Skizze Nr. 9: Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten Gegenforderung aus weiterem Schuldverhältnis Zedent (in Insolvenz: Schuldner)
Schuldner (Dritter) (in Insolvenz des Zedenten: Gläubiger)
Hauptforderung aus Weiterverkauf
– Erstgeschäft – Vorausabtretung Hauptforderung Gegenforderung ⇒ Aufrechnung gem. § 406 BGB?
Zessionar (in Insolvenz des Zedenten: Gläubiger)
den insolventen Zedenten als Schuldner. Hierbei ist die Gegenforderung des Schuldners (Dritten) gegen den Zedenten für eine Aufrechnungsbefugnis gemäß § 406 BGB von Interesse. Der Schuldner (Dritter) möchte seine Gegenforderung gegen die Hauptforderung aus dem Weiterverkauf aufrechnen, um von seiner Verbindlichkeit frei zu werden. Nachfolgend tragen die Beteiligten die Bezeichnung Zedent, Zessionar und Schuldner, um ihre Rechtsstellung bei einer Aufrechnung gemäß § 406 BGB zu verdeutlichen. Ihre jeweilige insolvenzrechtliche Position ist im Zusammenhang mit den einzelnen rechtlichen Problemen erkennbar. II. Interessenlage der Beteiligten Die Interessenlage der Beteiligten stellt sich, wenn der Zedent in Insolvenz gefallen ist, wie folgt dar10: Der Zedent hat im Insolvenzverfahren zwei Gläubi9 Vgl. zur Sprachregelung bei einer Aufrechnung in der Insolvenz: von Wilmowsky, NZG 1998, S. 481 (482). 10 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191).
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4. Kap.: Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten
ger, den Zessionar und den Schuldner. Der Schuldner möchte seine Gegenforderung gegen die Hauptforderung aus dem Weiterverkauf aufrechnen, um sich von seiner Verbindlichkeit zu befreien. Dabei besteht die Möglichkeit einer Aufrechnung gemäß § 406 BGB. Die Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners ist insolvenzrechtlich in den Vorschriften der §§ 94 ff. InsO geregelt. Der Zessionar hat als Sicherungsmittel durch die Vorausabtretung die Hauptforderung bekommen. Regelmäßig ermächtigt der Vorbehaltsverkäufer den Vorbehaltskäufer, diese Forderung für ihn einzuziehen. Wenn jedoch der Vorbehaltskäufer die Forderung des Vorbehaltsverkäufers aus dem Vorbehaltsverkauf nicht erfüllt, dann wird der Vorbehaltsverkäufer seine Einziehungsermächtigung widerrufen und die Forderung gegenüber dem Schuldner selbst einziehen11. Der Zessionar hat mithin das Interesse, Inhaber der als Sicherheit erlangten Hauptforderung zu bleiben, damit er sie im Sicherungsfalle geltend machen kann. Jeder Gläubiger trägt jeweils das Insolvenzrisiko für seine Forderung. Insolvenzrisiko bedeutet das Risiko eines Gläubigers, sich an einen zahlungsunfähigen Schuldner halten zu müssen12. Man darf also nicht verallgemeinernd von „dem“ Insolvenzrisiko des Zedenten sprechen, sondern es ist maßgeblich, ob jeder Gläubiger das Insolvenzrisiko bezüglich seiner eigenen Forderung zu tragen hat13.
§ 10 Insolvenzrechtliche Fragen Ob der Schuldner bei einer Insolvenz des Zedenten die Möglichkeit hat, gemäß § 406 BGB mit seiner Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufzurechnen, richtet sich nach den insolvenzrechtlichen Regelungen für eine Aufrechnung und dem Verhältnis der rechtlichen Stellung von Schuldner und Zessionar. Die widerstreitenden Rechtspositionen dieser Personen sind – wie zunächst ein Überblick zeigt – bei einer Insolvenz des Zedenten unterschiedlich verankert14: Die Aufrechnung durch einen Insolvenzgläubiger, welcher der Schuldner bei einer Insolvenz des Zedenten ist, wird in §§ 94–96 InsO geregelt15. Wenn der Schuldner – nach diesen Vorschriften – gemäß § 406 BGB mit seiner Gegenforderung gegen den Zessionar aufrechnen kann, dann trägt er das Insolvenzrisiko des Zedenten nicht. Die Hauptforderung des Zessionars aufgrund der Sicherungsabtretung gewährt diesem ein Absonderungsrecht gemäß 11
Weber, Kreditsicherheiten, S. 208 f. Vgl. Häsemeyer, KTS 1982, S. 1 (5, 10), welcher die „Verteilung des Insolvenzrisikos“ nur als heuristisches Hilfsmittel benutzen möchte und einen konkret-justitiablen Inhalt des Begriffs „Insolvenzrisiko“ verneint; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 13 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 14 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 15 Vgl. zur Aufrechnung in der Insolvenz: Adam, WM 1998, S. 801; Dieckmann, Aufrechnung, S. 211; Häsemeyer, Aufrechnung nach InsO, Rn. 1 ff.; von Wilmowsky, NZG 1998, S. 481. 12
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§ 51 Nr. 1 InsO. Wenn jedoch der Schuldner gemäß § 406 BGB gegenüber dem Zessionar aufrechnen darf und die abgetretene Hauptforderung erlischt, dann läuft das Absonderungsrecht des Zessionars ins Leere16. Auch wenn er – für sich gesehen – über das Absonderungsrecht hinsichtlich seines Insolvenzrisikos abgesichert erscheint, greift seine Rechtsposition gegenüber einem Aufrechnungsrecht des Schuldners nach § 406 BGB letztlich nicht durch. Ob der Schuldner das ihn betreffende Insolvenzrisiko des Zedenten abwehren kann, bestimmt sich nach der Anwendung des § 406 BGB bei einer Vorausabtretung, namentlich bei einer Kenntnis der Vorausabtretung. Die insolvenzrechtliche Situation ist also dahingehend von Interesse, wann nach den Regelungen der InsO für den Schuldner überhaupt die Möglichkeit entsteht, dass er gemäß § 406 BGB mit seiner Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufrechnen kann. Wenn sich der Schuldner dann auf eine Aufrechnungsmöglichkeit an sich berufen darf, ist entscheidend, welche Auswirkung eine Kenntnis der Vorausabtretung bei der Anwendung des § 406 BGB nach den verschiedenen Auffassungen hat. Es hängt von den verschiedenen Fallgestaltungen bei einer Insolvenz des Zedenten ab, wie die Rechtspositionen des Zessionars und Schuldners, welche jeweils das von ihnen getragene Insolvenzrisiko des Zedenten abwehren wollen, einander gegenüberstehen und welche rechtliche Stellung sich gegenüber der anderen durchsetzt. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden17: Einmal hat der Zedent die Vorbehaltsware bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Schuldner weiterveräußert, so dass die Hauptforderung vor Verfahrenseröffnung entstanden ist. Die andere Möglichkeit liegt darin, dass erst nach der Verfahrenseröffnung die Ware – durch den Insolvenzverwalter – an den Schuldner weiterveräußert wird und somit die Hauptforderung entsteht. I. Entstehen der Hauptforderung vor Insolvenzverfahrenseröffnung Eine Fallgestaltung besteht darin, dass der Zedent – bei einem Kaufvertrag mit verlängertem Eigentumsvorbehalt mit Weiterveräußerungsklausel – die Vorbehaltsware bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Schuldner als Dritten weiterveräußert hat. Damit entsteht die Hauptforderung aus dem Weiterverkauf der Ware an den Schuldner. Die – mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt vereinbarte – Vorausabtretung der Kaufpreisforderung aus der Weiterveräußerung wird wirksam. Damit wird der Zessionar Inhaber der Hauptforderung. Der Schuldner wird Eigentümer der Vorbehaltsware, weil gemäß 16
Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 94; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191); vgl. auch: von Wilmowsky, NZG 1998, S. 481 (484). 17
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§ 185 Abs. 1 BGB der Vorbehaltsverkäufer sein Einverständnis erklärt hat18. Die Wirksamkeit der Verfügungsermächtigung ist zugrunde zu legen19. Wenn dann über das Vermögen des Zedenten das Insolvenzverfahren eröffnet wird, hat dies keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages mit verlängertem Eigentumsvorbehalt. Ein Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß §§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO bezüglich des Erstgeschäftes kommt nicht mehr in Betracht20. § 107 enthält Sonderregelungen für den Kauf unter Eigentumsvorbehalt und betrifft insbesondere einen Kauf mit verlängertem Eigentumsvorbehalt21. Ein Erfüllungswahlrecht setzt gemäß § 103 Abs. 1 InsO voraus, dass ein gegenseitiger Vertrag bei Insolvenzverfahrenseröffnung vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt ist22. Das Erstgeschäft zwischen Zedent und Zessionar ist jedoch kein beiderseitig nicht vollständig erfüllter Vertrag in diesem Sinne. Nachdem der Zedent gemäß §§ 929, 185 Abs. 1 BGB die Vorbehaltsware an den Schuldner übereignet hat, ist die Übereignungsverpflichtung des Zessionars aus dem Erstgeschäft entfallen bzw. getilgt worden23. Der Zessionar als Vorbehaltsverkäufer muss damit keinen Erfüllungserfolg mehr erbringen. Lediglich der Zedent als Vorbehaltskäufer hat noch die Verpflichtung, den ursprünglich festgelegten Kaufpreis an den Zessionar zu leisten. Weiterhin stellt sich die Frage nach der Rechtsstellung des Zessionars. § 91 Abs. 1 InsO steht dem Rechtserwerb des Zessionars bezüglich der im Voraus abgetretenen Hauptforderung nicht entgegen24. Nach dieser Vorschrift können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Rechte an Gegenständen der Insolvenzmasse mehr erworben werden. Zu den Erwerbstatbeständen gehören insbesondere mehraktige Tatbestände, welche mit einer vom Schuldner vor der Insolvenzverfahrenseröffnung getätigten Rechtshandlung in Verbindung stehen, so auch die Vorausabtretung einer Kaufpreisforderung im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts25. § 91 Abs. 1 InsO erfasst aber nicht solche Erwerbsvorgänge, welche vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig ab18
Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 89. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191) mit dem Hinweis auf die diesbezüglich kritische Phase vor Verfahrenseröffnung. 20 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 90; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 21 Heidelberger Kommentar zur InsO/Marotzke, § 107 Rn. 17; Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 107 Rn. 8, 18, 25. 22 Zum Erfüllungsbegriff vgl.: Frankfurter Kommentar zur InsO/Wegener, § 103 Rn. 35 ff.; Münchener Kommentar zur InsO/Huber, § 103 Rn. 121 ff. 23 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 89 f.; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191, Fn. 51). 24 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 25 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 10.17; Münchener Kommentar zur InsO/Breuer, § 91 Rn. 7, 27. 19
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geschlossen sind, d.h. bei einem mehraktigen Erwerbsvorgang auch der Vollzug des letzten Teiles26. Der Zessionar ist – in der vorliegenden Konstellation – bereits vor Verfahrenseröffnung Inhaber der Hauptforderung geworden, als mit dem Weiterverkauf der Ware an den Schuldner die Hauptforderung entstanden und die Vorausabtretung wirksam geworden ist. § 91 Abs. 1 InsO hat mithin keinen Einfluss auf die – bereits vor Verfahrenseröffnung – eingetretene Inhaberstellung des Zessionars. Dem Zessionar steht gemäß § 51 Nr. 1 InsO ein Absonderungsrecht hinsichtlich der ihm zur Sicherheit abgetretenen Hauptforderung zu27. Ein Absonderungsrecht setzt nach dieser Vorschrift eine Sicherungsübertragung voraus, wobei die Sicherungsabtretung des Schuldners zugunsten des Gläubigers einen Unterfall darstellt. Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt lässt sich der Zessionar zur Sicherheit für das aufgegebene Vorbehaltseigentum die Forderung gegen den Schuldner aus dem Weiterverkauf der Ware im Voraus abtreten. Wenn der Zedent als Vorbehaltskäufer vor Insolvenzverfahrenseröffnung die Ware an den Schuldner als Dritten weiterveräußert hat und damit die Kaufpreisforderung (Hauptforderung) aufgrund der Vorauszession auf den Zessionar übergegangen ist, so steht diesem ein Absonderungsrecht zu. Denn damit ist der Entstehungstatbestand für die Hauptforderung bereits vor der Insolvenzverfahrenseröffnung vollständig gegeben28. Von Interesse ist nunmehr, ob der Schuldner gemäß § 406 BGB gegenüber dem Zessionar mit seiner Gegenforderung aufrechnen kann, wenn bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Hauptforderung entstanden ist. Ob ein Insolvenzgläubiger, hier also der Schuldner, eine Aufrechnungsbefugnis hat, bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 94–96 InsO. Hierin wird die Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger geregelt, nicht die Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter29. Wenn ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt ist, so wird gemäß § 94 InsO dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt. Weitere Voraussetzung ist, dass gemäß § 96 Nr. 3 InsO die Aufrechnung nicht wegen einer anfechtbaren Aufrechnungslage ausgeschlossen ist30. Der Insolvenzgläubiger hat die Möglichkeit, sich unmittelbar durch Auf26
Münchener Kommentar zur InsO/Breuer, § 91 Rn. 9, 18. Frankfurter Kommentar zur InsO/Joneleit/Imberger, § 51 Rn. 17; Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 94; Kübler/Prütting/Prütting, § 51 Rn. 14; Marotzke, ZZP 109 (1996), S. 429 (432); Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 51 Rn. 139, 168; zur dogmatischen Behandlung des Sicherungsnehmers vgl. Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 51 Rn. 5 ff.; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 62 IV 2, S. 363 f.; § 69 V 2 a, S. 764 f.; ders., BB 1982, S. 874 (880). 28 Vgl. Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, vor §§ 49 bis 52, Rn. 17. 29 Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, § 94 Rn. 2; Kübler/Prütting/Lüke, § 94 Rn. 28; Nerlich/Römermann/Wittkowski, § 94 Rn. 5. 27
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rechnung mit seiner Gegenforderung gegen eine der Insolvenzmasse zugehörige Forderung zu befriedigen. Es ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger seine Forderung im Anmeldungs- und Feststellungsverfahren (§§ 174 ff. InsO) geltend macht31. Gemäß § 94 Alt. 1 InsO wird eine gesetzliche Aufrechnungslage geschützt. Nach dieser Vorschrift müssen bei der Verfahrenseröffnung die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. BGB vorliegen32. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist also zunächst erforderlich, dass die einander geschuldeten Leistungen gleichartig sind, die Gegenforderung vollwirksam und fällig sowie die Hauptforderung erfüllbar ist. Weiterhin muss die Gegenseitigkeit der Forderungen gegeben sein, jedoch ist gemäß § 406 BGB eine Ausnahme von diesem Merkmal möglich. Wenn also bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Voraussetzungen des § 406 BGB vorgelegen haben, dann darf der Schuldner nach dieser Vorschrift mit seiner Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufrechnen33. Somit besteht für den Schuldner die Möglichkeit, mit seiner Gegenforderung aufzurechnen, wenn er keine Kenntnis von der Abtretung hatte (§ 406 Alt. 1 BGB)34. Dabei wird praktisch relevant, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung einer Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichzustellen ist: Wenn der Schuldner die Vorausabtretung bei Erwerb der Gegenforderung kannte, dann bestimmt sich seine Aufrechnungsbefugnis danach, welcher Auffassung man folgt. Legt man die Meinung des OLG Köln zugrunde, wonach die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung nicht gleichsteht, so ist für den Schuldner eine Aufrechnung möglich, auch wenn er bei Erwerb seiner Gegenforderung Kenntnis von der Vorausabtretung besaß. Wenn der Schuldner danach gemäß § 406 BGB gegenüber dem Zessionar mit seiner Gegenforderung aufrechnen darf und er die Aufrechnung erklärt, dann erlischt die – nach der vollendeten Vorausabtretung dem Zessionar zustehende – Hauptforderung. Die Wirkung der Aufrechnung gilt gemäß § 94 auch dann, wenn zunächst – anfechtungsrechtlich unproblematisch – die Aufrechnungslage eintritt und dann das Insolvenzverfahren eröffnet wird35. Wenn also 30 Häsemeyer, Aufrechnung nach InsO, Rn. 34; Heidelberger Kommentar zur InsO/ Eickmann, § 94 Rn. 3; Münchener Kommentar zur InsO/Brandes, § 94 Rn. 1. 31 Dieckmann, Aufrechnung, S. 212; Häsemeyer, Aufrechnung nach InsO, Rn. 44; Münchener Kommentar zur InsO/Brandes, § 94 Rn. 1. 32 Adam, WM 1998, S. 801 (802, 805); Häsemeyer, Aufrechnung nach InsO, Rn. 12; Heidelberger Kommentar zur InsO/Wittkowski, § 94 Rn. 7, 10; Kübler/Prütting/Lüke, § 94 Rn. 37. 33 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191); vgl. Dieckmann, Aufrechnung, S. 213; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 19.08; Münchener Kommentar zur InsO/Brandes, § 94 Rn. 7. 34 BGHZ 56, 111 (114); Münchener Kommentar zur InsO/Brandes, § 94 Rn. 7. 35 Münchener Kommentar zur InsO/Brandes, § 94 Rn. 32; zum Rechtscharakter der Insolvenzaufrechnung vgl. Kübler/Prütting/Lüke, § 94 Rn. 105 ff.
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die an den Zessionar zur Sicherheit abgetretene Hauptforderung erloschen ist, läuft das Absonderungsrecht des Zessionars hinsichtlich dieser Forderung, welches sich aus § 51 Nr. 1 InsO ergibt, ins Leere36. Dieses Ergebnis findet seinen Grund in den Schuldnerschutzvorschriften des BGB, welche über die Vorschriften der §§ 94 ff. InsO auch bei einer Insolvenz Anwendung finden37. Folgt man dagegen der Auffassung des BGH und der herrschenden Meinung und stellt die Kenntnis der Abtretung und die Kenntnis der Vorausabtretung gleich, dann kann der Schuldner wegen seiner Kenntnis der Vorausabtretung nicht gemäß § 406 BGB gegenüber dem Zessionar aufrechnen. Die Hauptforderung des Zessionars bleibt bestehen und er hat weiterhin sein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO inne. Hiermit zeigt sich bei dieser ersten Fallgestaltung (Entstehen der Hauptforderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens), wie sich die widerstreitenden Interessen des Schuldners und des Zessionars bei einer Insolvenz des Zedenten durchsetzen: Weil das Absonderungsrecht des Zessionars (§ 51 Nr. 1 InsO) ins Leere geht, wenn infolge der Aufrechnung des Schuldners die Hauptforderung erlischt, wird die Anwendung des § 406 BGB und damit die Eröffnung der Aufrechnungsbefugnis gerade relevant. Die Verteilung des Insolvenzrisikos des Zedenten zwischen Schuldner und Zessionar bedeutet also: Der Zessionar trägt das Insolvenzrisiko des Zedenten, wenn dem Schuldner gemäß § 406 BGB eine Aufrechnungsmöglichkeit nach Verfahrenseröffnung (§ 94 Alt. 1 InsO) eröffnet ist und das Absonderungsrecht des Zessionars ins Leere geht. Dagegen fällt dem Schuldner das Insolvenzrisiko des Zedenten zur Last, wenn er nicht gemäß § 406 BGB gegenüber dem Zessionar aufrechnen darf, der ein Absonderungsrecht an der Hauptforderung geltend machen kann. Ausgehend von den widerstreitenden Rechtspositionen des Zessionars und des Schuldners stellt sich die Frage, ob die vorgenannte Verteilung des Insolvenzrisikos interessengerecht ist. Zu würdigen ist wiederum die Überlegung, ob der von § 406 BGB vorgesehene Schuldnerschutz hinreichend durchgreift oder möglicherweise eine Verkürzung des Schuldnerschutzes eintritt. Verneint man mit dem BGH und der herrschenden Meinung eine Aufrechnungsmöglichkeit bei einer Kenntnis der Vorausabtretung, kritisiert die Literatur, dass das Insolvenzrisiko des Zedenten einseitig dem Schuldner auferlegt werde und insoweit der Schuldnerschutz eine erhebliche Einschränkung erfahre38. Gegen das in der Literatur vorgebrachte Argument spricht jedoch, dass dem Gedanken des Vertrauensschutzes bei der Frage, wie die Kenntnis der Vorausabtretung bei § 406 36 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191); vgl. zum Erlöschen des Absonderungsrechts: Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 112 ff. 37 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2193). 38 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2187); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 69 II 2 b), S. 742.
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BGB zu beurteilen ist, maßgebliche Bedeutung zukommt39. Der Gesetzgeber wollte durch den Schuldnerschutz in § 406 BGB nur den gutgläubigen Schuldner schützen, welcher bei Erwerb seiner Gegenforderung damit rechnen durfte, sich durch Aufrechnung von der – in der Zwischenzeit ohne sein Wissen abgetretenen – Hauptforderung zu befreien. Auch wenn nach Auffassung des BGH und der herrschenden Meinung sich die Rechtsposition des Zessionars durchsetzt, wenn man die Kenntnis der Abtretung und die Kenntnis der Vorausabtretung gleichsetzt, entspricht dieses Ergebnis dem gesetzlich vorgesehenen Schuldnerschutz. § 406 BGB schützt den Schuldner in seinem Vertrauen auf die Aufrechnungsmöglichkeit, worin die Besonderheit dieser Vorschrift im Gefüge der Schuldnerschutzvorschriften besteht. Im Rahmen der insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 94 ff. InsO findet § 406 BGB bei einer Insolvenz des Zedenten Anwendung und damit gerade auch der Vertrauensschutzgedanke als entscheidendes Kriterium. Dass sich die Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners gemäß § 406 BGB nicht gegenüber der Rechtsposition des Zessionars durchsetzen kann, wenn der Schuldner Kenntnis von der Vorausabtretung besaß, ergibt sich also aus dem maßgeblichen Gedanken des Vertrauensschutzes und damit aus dem in § 406 BGB enthaltenen Schutzumfang. II. Entstehen der Hauptforderung nach Insolvenzverfahrenseröffnung Die andere Möglichkeit besteht darin, dass der Zedent (Vorbehaltskäufer) vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Vorbehaltsware noch nicht an den Schuldner (Dritten) weiterveräußert hat40. Der Zessionar (Vorbehaltsverkäufer) ist dann noch Eigentümer der Sache41. Bei einer Insolvenz des Vorbehaltskäufers wird bezüglich des Kaufvertrages mit verlängertem Eigentumsvorbehalt (Erstgeschäft) ein Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters gemäß §§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO relevant42. Einerseits ist es möglich, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Erstgeschäftes, d.h. des Kaufvertrages mit verlängertem Eigentumsvorbehalt, wählt43. Der Insolvenzverwalter kann das Erfüllungsverlangen ausdrücklich oder konkludent erklären44. Wenn sich der Insolvenzverwalter auf die Veräuße39
Vgl. oben Drittes Kapitel § 7 III. 4. Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 41 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 4. 42 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 88, 94; Kübler/Prütting/Tintelnot, § 107 Rn. 14; Marotzke, JZ 1995, S. 803 (811); Münchener Kommentar zur InsO/Hefermehl, § 55 Rn. 127; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 43 Zur rechtlichen Wirkung der Erfüllungswahl vgl.: Heidelberger Kommentar zur InsO/Marotzke, § 107 Rn. 19; Münchener Kommentar zur InsO/Hefermehl, § 55 Rn. 127 und Kreft, § 103 Rn. 39 ff. 40
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rungsklausel des Erstgeschäfts beruft, welche ihn zur Weiterveräußerung berechtigt, dann liegt eine ausdrückliche Erfüllungswahl vor45. Fraglich ist dagegen, ob in der bloßen Veräußerung der Vorbehaltsware ein konkludentes Erfüllungsverlangen erblickt werden kann. Die bewusste Veräußerung der Vorbehaltsware an einen Dritten, z. B. bei der Veräußerung des gesamten, unter Eigentumsvorbehalt stehenden Warenbestandes, durch den Insolvenzverwalter stellt keine schlüssige Erfüllungswahl dar, wenn nicht konkrete, über den bloßen Veräußerungsakt hinausreichende Tatsachen hinzukommen46. Eine andere Ansicht vertritt, dass ein konkludentes Erfüllungsverlangen darin gesehen werden kann, dass der Insolvenzverwalter die Vorbehaltsware in Kenntnis des verlängerten Eigentumsvorbehalts mit der regelmäßig gegebenen Veräußerungsermächtigung weiterveräußert47. Gegen diese Meinung ist jedoch einzuwenden, dass dem Insolvenzverwalter mannigfache Gestaltungsmöglichkeiten zustehen, so dass nicht jede Weiterveräußerung durch ihn eine Erfüllungswahl darstellt48. Auch die Empfangsbedürftigkeit der Wahlrechtserklärung spricht gegen eine konkludente Erfüllungswahl49. Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Erstgeschäfts, so ist streitig, ob § 91 Abs. 1 InsO50 einem Rechtserwerb des Zessionars bezüglich der Hauptforderung entgegensteht. Bei dem mehraktigen Erwerbsvorgang der Vorauszession wird die – künftige – Hauptforderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Voraus abgetreten, der letzte Teil des Erwerbes, d.h. das Entstehen der Hauptforderung, geschieht aber erst nach der Verfahrenseröffnung. Einer Auffassung nach wird eine Vorausabtretung gemäß § 91 Abs. 1 InsO im Insolvenzverfahren auch dann nicht wirksam, wenn der Insolvenzverwalter gemäß §§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO die Erfüllung des Erstgeschäftes gewählt hat51. Der BGH führt hierzu aus, dass bei einer – vor Verfahrenseröff44 BGHZ 81, 90 (92); Heidelberger Kommentar zur InsO/Marotzke, § 103 Rn. 62; Münchener Kommentar zur InsO/Huber, § 103 Rn. 154, 156. 45 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 89; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 46 BGH, NJW 1998, S. 992 ff.; Frankfurter Kommentar zur InsO/Wegener, § 103 Rn. 59; Münchener Kommentar zur InsO/Huber, § 103 Rn. 157; vgl. auch: Heidelberger Kommentar zur InsO/Marotzke, § 103 Rn. 62; Nerlich/Römermann/Balthasar, § 103 Rn. 42. 47 OLG Celle, NJW-RR 1988, S. 1145; Kübler/Prütting/Lüke, § 91 Rn. 32 f.; Kuhn/Uhlenbrock, § 17 KO Rn. 18h. 48 BGH, NJW 1998, S. 992 (993). 49 Nerlich/Römermann/Balthasar, § 103 Rn. 42. 50 Diese Vorschrift entspricht § 15 Abs. 1 KO. 51 BGH, NJW 1955, S. 544; BGHZ 106, 236 (243) = BGH, WM 1989, S. 229 (232); BGHZ 129, 336 (338); BGHZ 135, 140 (145); Jaeger/Henckel, KO, § 15 Rn. 44; Kilger/K. Schmidt, InsG, § 15 KO Nr. 4 b); Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 17 Rn. 18 h; Münchener Kommentar zur InsO/Breuer, § 91 Rn. 26 und Ganter, vor §§ 49 bis 52, Rn. 23.
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nung nicht vollendeten – Vorausabtretung der Anspruch auf die Leistung des Vertragsgegners (die Hauptforderung gegenüber dem Schuldner/Dritten) der Masse gebühre und der Zessionar gemäß § 91 Abs. 1 InsO (= § 15 Abs. 1 KO) an diesem Anspruch keine Rechte mit Wirksamkeit gegenüber den Insolvenzgläubigern erwerben könne52. Er stützt sich zur Begründung auf seine Auffassung, dass ein ursprünglicher Erfüllungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt, wenn der vor Verfahrenseröffnung geschlossene Vertrag gegenseitig noch nicht vollständig erfüllt wurde53. Indem der Insolvenzverwalter dann die Erfüllung des Vertrages wählt (§ 103 Abs. 1 InsO = § 17 KO), entsteht der erloschene Anspruch gegen den Vertragspartner auf die Gegenleistung wieder. Hieraus zieht der BGH den Schluss, dass der zunächst erloschene, erst durch das Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters neu aufgelebte Erfüllungsanspruch der Masse zusteht und der Zessionar diesbezüglich keine Rechte erwerben kann. Nach dieser Auffassung wird also der Zessionar, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Kaufvertrages mit verlängertem Eigentumsvorbehalt gewählt hat, nicht Inhaber der Hauptforderung. Er erlangt kein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO hinsichtlich der Hauptforderung54. Die zunächst mit Verfahrenseröffnung erloschene Hauptforderung ist durch die Erfüllungswahl zum Vorteil der Masse wieder entstanden, d.h. sie wird zur Forderung der Insolvenzmasse55. Die widerstreitenden Rechtspositionen des Zessionars und des Schuldners stellen sich nach dieser Auffassung also wie folgt dar: Der Zessionar ist nicht Inhaber der Hauptforderung geworden. Für den Schuldner stellt sich also nicht die Frage, ob er gemäß § 406 BGB mit seiner Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufrechnen kann. Seine Aufrechnungsmöglichkeit besteht vielmehr auf jeden Fall. Eine andere Ansicht führt an, dass die Vereinbarung des verlängerten Eigentumsvorbehaltes mit Vorausabtretung und Veräußerungsermächtigung Wirksamkeit erlange, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Erstgeschäftes wählt56. Dass die Wirksamkeit der Vorausabtretung nicht an § 91 Abs. 1 InsO scheitern soll, wird mit verschiedenen rechtlichen Erwägungen begründet: Die Vorausabtretung wird wirksam, weil der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Erstgeschäftes gewählt hat und damit der verlängerte Eigentumsvorbehalt aus dem Kaufvertrag wirksam vereinbart ist57. Ein anderer Ansatzpunkt liegt darin,
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BGHZ 106, 236 (243) = BGH, WM 1989, S. 229 (232); BGHZ 129, 336 (338). BGHZ 106, 236 (241); so auch: Frankfurter Kommentar zur InsO/Wegener, § 103 Rn. 57. 54 BGHZ 106, 236 (245); Jaeger/Henckel, KO, § 15 Rn. 44; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 17 Rn. 18 h; Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, vor §§ 49 bis 52, Rn. 23; Nerlich/Römermann/Wittkowski, § 91 Rn. 5. 55 BGHZ 106, 236 (245); Frankfurter Kommentar zur InsO/Wegener, § 103 Rn. 57. 56 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192); vgl. auch Münchener Kommentar zur InsO/ Ganter, § 47 Rn. 147. 53
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dass § 91 Abs. 1 InsO auf Verfügungen des Insolvenzverwalters (§ 80 Abs. 1 InsO) nicht anwendbar ist58 und der Verwalter sich durch die Weiterveräußerung mit den Wirkungen des § 91 Abs. 1 InsO einverstanden erklärt59. Nach dieser Auffassung wird der Kaufvertrag mit verlängertem Eigentumsvorbehalt und damit die Vorausabtretung – nach der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters – wirksam. Somit wird der Zessionar Inhaber der Hauptforderung. Zudem steht dem Zessionar gemäß § 51 Nr. 1 InsO ein Absonderungsrecht an der Hauptforderung zu60. Geht man mit dieser Ansicht davon aus, dass § 91 Abs. 1 InsO einem Rechtserwerb des Zessionars nicht entgegensteht, wird die Frage relevant, ob der Zessionar die Kaufpreisforderung aus dem Erstgeschäft als Masseforderung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO erlangt. Danach ist eine Verbindlichkeit als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren, wenn sie aus einem gegenseitigen Vertrag stammt und ihre Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird. Nachdem der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Erstgeschäfts gewählt hat (§§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO) und die Vorbehaltsware an den Schuldner (Dritten) weiterveräußert hat, sind bezüglich des ausstehenden Kaufpreises, d.h. der dem Zessionar als anderem Teil zustehenden Gegenleistung aus dem Erstgeschäft, diese Voraussetzungen gegeben. Dem Zessionar steht also gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO aus dem Erstgeschäft die Kaufpreisforderung als Masseforderung zu61. Damit hat er die Stellung eines Massegläubigers. Der Insolvenzverwalter muss den Kaufpreis, welcher die Gegenleistung darstellt, grundsätzlich vollständig aus der Masse leisten62. Die Kaufpreisforderung des Zessionars als Masseforderung (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) wird dadurch gesichert, dass dieser ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1 InsO) hinsichtlich der Hauptforderung als Sicherheitsforderung hat63. Weil für den Zessionar sowohl die Masseforde57 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 94 (Fn. 526); Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192); Kübler/Prütting/Lüke, § 91 Rn. 34. 58 Münchener Kommentar zur InsO/Breuer, § 91 Rn. 8 und Ganter, § 47 Rn. 147; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 59 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 94; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.46; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 17 Rn. 18 h; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 62 VIII 2 a, S. 394, 396. 60 So ausdrücklich für diese Fallkonstellation: Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 62 VIII 2 a), S. 396; vgl. auch: Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 93; Heidelberger Kommentar zur InsO/Marotzke, § 107 Rn. 17. 61 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 94; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, § 55 Rn. 17; Hess, InsO, § 107 Rn. 35; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 17 Rn. 18 h; Münchener Kommentar zur InsO/Hefermehl, § 55 Rn. 127; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192); Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Bd. V, § 62 VIII 2 a), S. 396. 62 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 14.16; Münchener Kommentar zur InsO/Hefermehl, § 55 Rn. 109. 63 Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, § 62 VIII 2 a), S. 396.
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4. Kap.: Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten
rung als auch ein Absonderungsrecht bestehen, kommt dem Absonderungsrecht mithin eine geringere Bedeutung zu64. Schließlich stellt sich bei der zweiten Auffassung die Frage, ob der Schuldner eine Aufrechnungsbefugnis gemäß § 406 BGB gegenüber dem Zessionar als Inhaber der Hauptforderung geltend machen kann. Eine Aufrechnung ist dann ausgeschlossen, wenn die Aufrechnungslage erst nach Verfahrenseröffnung begründet worden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 InsO) oder unter den Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO) entstanden ist65. Einer Aufrechnungserklärung kommt in diesen Fällen keine Wirkung zu. Für den vorliegenden Fall, dass die Hauptforderung erst nach der Verfahrenseröffnung aufgrund des Weiterverkaufs durch den Insolvenzverwalter entsteht, kommt § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Betracht66. Danach ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Soweit es die Gegenforderung des Schuldners (Dritten) gegen den Zedenten aus dem weiterem Schuldverhältnis betrifft, ist der Schuldner gemäß § 38 InsO als Insolvenzgläubiger anzusehen. Er hat aufgrund seiner Gegenforderung einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch gegen den Zedenten als (Insolvenz-) Schuldner. Fraglich ist, ob mit dem Entstehen der Hauptforderung nach Verfahrenseröffnung der Schuldner etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. § 96 Nr. 1 InsO ist einschlägig bei Rechtsgeschäften des Insolvenzverwalters, d.h. bei solchen, welche erst nach Insolvenzverfahrenseröffnung entstehen67. Die Vorschrift greift mithin ein, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung eines bei Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig erfüllten Vertrages verlangt und hieraus ein Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Insolvenzgläubiger als Vertragspartner entsteht68. § 96 InsO dient dazu, eine gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger aus der Insolvenzmasse zu sichern, und beschränkt die Aufrechnungsmöglichkeiten69. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Insolvenzgläubigers ist zu verneinen, weil er bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht von einer bestehenden Aufrechnungslage ausgehen durfte70. Wenn eine Zwei-Personen-Beziehung vorliegt, dann steht dem Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Insolvenzgläubiger dessen Gegenforderung – mit der 64
Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 19.10. 66 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2191). 67 Nerlich/Römermann/Wittkowski, § 96 Rn. 5. 68 Häsemeyer, Aufrechnung nach InsO, Rn. 28; Heidelberger Kommentar zur InsO/ Eickmann, § 96 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Wittkowski, § 96 Rn. 6. 69 Häsemeyer, Aufrechnung nach InsO, Rn. 21, 29; Münchener Kommentar zur InsO/Brandes, § 96 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Wittkowski, § 96 Rn. 2. 70 Frankfurter Kommentar zur InsO/Bernsau, § 96 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Wittkowski, § 96 Rn. 2 f. 65
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er die Aufrechnung erklären will – aus einem weiteren Schuldverhältnis gegenüber. Dagegen ergibt sich bei der vorliegenden Fallkonstellation eine Besonderheit daraus, dass nach dem Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters und der Weiterveräußerung der Ware an den Schuldner die Hauptforderung, d.h. die Kaufpreisforderung aus dem Weiterverkauf, nach Insolvenzverfahrenseröffnung entsteht, diese aber aufgrund der Vorausabtretung vom Zessionar erworben wird. Weil das Erstgeschäft einen verlängerten Eigentumsvorbehalt mit Vorausabtretung enthält, gelangt die Hauptforderung an den Zessionar. Diese Konstellation entspricht nicht dem Fall, dass der Zedent vor Insolvenzverfahrenseröffnung eine Forderung abgetreten hat und der Zessionar diese nach Verfahrenseröffnung an den Insolvenzverwalter zurück überträgt. Hierbei steht § 96 Nr. 1 InsO einer Aufrechnung nicht entgegen, wenn der Schuldner (Dritter) gemäß § 406 BGB bereits gegenüber dem Zessionar hätte aufrechnen können71. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob im vorliegenden Falle, bei dem der Zessionar nach Insolvenzverfahrenseröffnung aufgrund der vollendeten Vorausabtretung Inhaber der Hauptforderung geworden ist, eine Aufrechnung des Schuldners (Dritten) nach § 406 BGB gegenüber dem Zessionar gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig ist. Wegen der wirksamen Abtretung soll ein derartiges Aufrechnungshindernis nicht gegeben sein, weil die Verbindlichkeit des Schuldners (Dritten) nicht gegenüber der Insolvenzmasse bestehe72. Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass der Zessionar als Inhaber der Hauptforderung, welche ihm zur Sicherung seines Kaufpreisanspruchs aus dem Erstgeschäft im Voraus abgetreten wurde, gerade nur ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO geltend machen kann73. Voraussetzung für eine Absonderung ist, dass der Gegenstand, hinsichtlich dessen das Absonderungsrecht geltend gemacht wird, zur Insolvenzmasse gehört74. Ein Absonderungsrecht bedeutet, dass ein Vorzugsrecht trotz haftungsrechtlicher Zuordnung zur Masse zuerkannt wird. Dabei kann der Absonderungsberechtigte nur den Wert des Gegenstandes beanspruchen75. Es kann zwar erwogen werden, ob die im Voraus abgetretene Hauptforderung aus dem Weiterverkauf an den Schuldner, welche erst nach der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Zedenten entstanden ist, nicht vom Insolvenzbeschlag ergriffen wird76. Dann wäre der Schuldner seine 71 BGHZ 56, 111; Diekmann, Aufrechnung, S. 213; Häsemeyer, Aufrechnung nach InsO, Rn. 30. 72 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 73 Dieser Rechtserwerb ist nach der Gegenauffassung zum BGH möglich, weil § 91 Abs. 1 InsO diesbezüglich nicht entgegenstehen soll; vgl. oben Viertes Kapitel § 10 II. 74 Frankfurter Kommentar zur InsO/Joneleit/Imberger, § 49 Rn. 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.03. 75 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.03; Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 47 Rn. 12, vor §§ 49 bis 52, Rn. 3. 76 Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 51 Rn. 168.
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4. Kap.: Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten
Hauptforderung nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden und könnte die gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO zulässige Aufrechnung gegen den Zessionar nach § 406 BGB richten. Weil jedoch die Hauptforderung, welche als Sicherungsforderung im Voraus an den Zessionar abgetreten wurde, gemäß § 51 Nr. 1 InsO in der Insolvenz des Zedenten lediglich zu einem Absonderungsrecht des Zessionars führt, gehört diese Forderung zur Insolvenzmasse77. Folglich wird der Schuldner seine Hauptforderung zur Insolvenzmasse schuldig. Gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist also eine Aufrechnung des Schuldners gegenüber dem Zessionar nach § 406 BGB unzulässig. Damit ergibt sich für die Fallkonstellation, dass der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllung des Erstgeschäftes, d.h. des Kaufvertrages mit verlängertem Eigentumsvorbehalt, wählt, folgendes Ergebnis: Nach der Auffassung des BGH, dass ein ursprünglicher Erfüllungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt und mit dem Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters neu auflebt, steht § 91 Abs. 1 InsO einem Rechtserwerb des Zessionars hinsichtlich der Hauptforderung entgegen. Er erlangt kein Absonderungsrecht hinsichtlich der Hauptforderung, welche der Insolvenzmasse zusteht. Mangels Rechtserwerbs des Zessionars stellt sich für den Schuldner nicht die Frage, ob er gemäß § 406 BGB mit seiner Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufrechnen kann. Die Gegenauffassung vertritt, dass der Zessionar Inhaber der Hauptforderung wird und ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO geltend machen kann, ohne dass § 91 Abs. 1 InsO einem Rechtserwerb entgegensteht. Jedoch ist auch nach dieser Meinung ein Aufrechnungsrecht des Schuldners gegenüber dem Zessionar gemäß § 406 BGB nicht gegeben: Eine Aufrechnung ist bereits gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig. Weil hinsichtlich der Hauptforderung ein Absonderungsrecht besteht, d.h. eine haftungsrechtliche Zuordnung zur Masse vorliegt, wird der Schuldner etwas – die Hauptforderung – zur Masse schuldig. Wenn der Zedent (Vorbehaltskäufer) vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Vorbehaltsware noch nicht an den Schuldner (Dritten) weiterveräußert hat, besteht ferner die Möglichkeit, dass sich der Insolvenzverwalter gegen die Erfüllung des Erstgeschäfts nach §§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO ausspricht. Der Verfügungsermächtigung hinsichtlich der Vorbehaltsware aus dem Erstgeschäft kommt damit keine Wirkung zu und der Insolvenzverwalter darf diese nicht weiterveräußern. Denn der Zessionar als Vorbehaltsverkäufer hat den Zedenten als Vorbehaltskäufer nur für den Fall zur Weiterveräußerung der Vorbehaltsware ermächtigt, dass die Hauptforderung aus dem Weiterverkauf der Ware auf ihn übergeht78. Zudem wird die Weiterveräußerungsermächtigung spätestens 77
Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 51 Rn. 168. BGH, NJW 1988, S. 1210 (1213); Münchener Kommentar zur InsO/Ott, § 107 Rn. 25 und Ganter, § 47 Rn. 145; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 78
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dann hinfällig, wenn über das Vermögen des Zedenten als Vorbehaltskäufer das Insolvenzverfahren eröffnet wird79. Der Zessionar hat gemäß § 47 InsO ein Aussonderungsrecht an der Vorbehaltsware, nachdem der Insolvenzverwalter gemäß § 103 InsO die Erfüllung des Erstgeschäftes abgelehnt hat80. Er kann geltend machen, dass die Vorbehaltsware nicht zur Insolvenzmasse gehört. Weil der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung gewählt hat und ein Weiterverkauf an den Schuldner (Dritten) nicht erfolgt ist, entsteht keine (Haupt-)Forderung gegen den Schuldner und der Zessionar wird insoweit nicht Forderungsinhaber. Mithin stellt sich die Frage nach einer Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners gemäß § 406 BGB gegenüber dem Zessionar bei dieser Fallkonstellation zunächst nicht. Die Möglichkeit einer Aufrechnungsbefugnis ergibt sich aber dann, wenn der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Vorbehaltsware unberechtigt an den Schuldner weiterveräußert und daraus ein Ersatzaussonderungsrecht des Zessionars gemäß § 48 S. 1 InsO entsteht. Nach dieser Vorschrift kann der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die noch ausstehende Gegenleistung insbesondere verlangen, wenn der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberechtigt einen Gegenstand weiterveräußert hat, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können. Die Vorbehaltsware ist, nachdem der Insolvenzverwalter gemäß § 103 InsO die Erfüllung des Erstgeschäftes abgelehnt hat, mit einem Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO belastet. Eine Weiterveräußerung der Vorbehaltsware durch den Insolvenzverwalter setzt voraus, dass dieser über den Gegenstand im Zusammenhang mit einer rechtsgeschäftlichen Einigung zwischen Insolvenzverwalter und Erwerber verfügt81. Ferner muss die Veräußerung unberechtigt erfolgt sein82. Der Zedent (Vorbehaltskäufer) war im Rahmen des Kaufvertrages mit verlängertem Eigentumsvorbehalt vom Zessionar (Vorbehaltsverkäufer) zur Weiterveräußerung im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ermächtigt worden. Nachdem der Insolvenzverwalter aber die Erfüllung des Erstgeschäftes abgelehnt hat, kommt der Veräußerungsermächtigung gerade keine Wirkung mehr zu und eine Weiterveräußerung erfolgt mithin unberechtigt.
79 BGH, NJW 1953, S. 217 (218); Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 47 Rn. 145. 80 Funk, Eigentumsvorbehalt in der Insolvenz, S. 88, 94; Kübler/Prütting/Lüke, § 91 Rn. 34; Marotzke, JZ 1995, S. 803 (811); Münchener Kommentar zur InsO/Hefermehl, § 55 Rn. 127 und Ganter, § 47 Rn. 144; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rn. 753; Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 81 Frankfurter Kommentar zur InsO/Joneleit/Imberger, § 48 Rn. 7 f.; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, § 48 Rn. 3; vgl. auch Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 48 Rn. 18. 82 BGHZ 68, 199 (201); Frankfurter Kommentar zur InsO/Joneleit/Imberger, § 48 Rn. 11.
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4. Kap.: Vorausabtretung und Insolvenz des Zedenten
Der Zessionar erlangt folglich ein Ersatzaussonderungsrecht gemäß § 48 S. 1 InsO83. Er kann danach verlangen, dass ihm das Recht auf die noch ausstehende Gegenleistung, d.h. der Anspruch auf den Kaufpreis aus der Weiterveräußerung84, abgetreten wird. Eine eventuelle Aufrechnungsbefugnis des Schuldners wird mithin dann relevant, wenn der Zessionar sein Ersatzaussonderungsrecht geltend macht und der noch nicht beglichene Kaufpreisanspruch aus der Weiterveräußerung an ihn abgetreten wird85. Anstelle des veräußerten Gegenstandes, d.h. des Vorbehaltsgutes, wird der Anspruch auf die Gegenleistung ausgesondert. Die Ersatzaussonderung stellt eine echte Aussonderung dar86. Eine Aussonderung bezieht sich auf einen nicht zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand87. Da der Zessionar bezüglich des Kaufpreisanspruches aus der Weiterveräußerung ein Ersatzaussonderungsrecht geltend machen kann, gehört dieser Anspruch nicht zur Insolvenzmasse. Folglich liegt die Voraussetzung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass der Schuldner als Insolvenzgläubiger nach der Eröffnung des Verfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, nicht vor. Eine Aufrechnung des Schuldners ist damit nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften zulässig. Der Schuldner darf gegenüber dem Zessionar unter den Voraussetzungen des § 406 BGB die Aufrechnung erklären. Zur Interessenverteilung zwischen Zessionar und Schuldner wird auf die obigen Ausführungen verwiesen88. III. Ergebnis Für den Fall, dass der Zedent als Vorbehaltskäufer in Insolvenz gerät, ist – ausgehend vom Rahmen der insolvenzrechtlichen Regelungen – eine Aufrechnungsbefugnis des Schuldners gegenüber dem Zessionar gemäß § 406 BGB wie folgt zu beurteilen89: 1. Wenn der Zedent die Vorbehaltsware bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Schuldner weiterveräußert hat, kann eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners gemäß § 406 BGB bestehen. 2. Eine Aufrechnungsmöglichkeit nach § 406 BGB ist zu verneinen, wenn der Insolvenzverwalter nach der Verfahrenseröffnung die Erfüllung wählt und 83 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192); vgl. auch Münchener Kommentar zur InsO/ Ganter, § 48 Rn. 28. 84 Frankfurter Kommentar zur InsO/Joneleit/Imberger, § 48 Rn. 12; Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 48 Rn. 33. 85 Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192). 86 BGHZ 58, 257 (261); Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 48 Rn. 5. 87 Frankfurter Kommentar zur InsO/Joneleit/Imberger, § 49 Rn. 1; Münchener Kommentar zur InsO/Ganter, § 47 Rn. 5, 12. 88 Vgl. oben Viertes Kapitel § 10 I. 89 Vgl. auch Schwarz, WM 2001, S. 2185 (2192).
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an dem Erstgeschäft festhält (§§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO). Zu diesem Ergebnis kommt man sowohl nach einer Ansicht, wonach einem Rechtserwerb des Zessionars bezüglich der Hauptforderung und einem Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO die Vorschrift des § 91 Abs. 1 InsO entgegensteht, weil der ursprüngliche Erfüllungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt. Das obige Resultat ergibt sich auch nach anderer Auffassung, wonach der Zessionar zwar die Hauptforderung und ein diesbezügliches Absonderungsrecht erlangt, jedoch die Aufrechnung des Schuldners gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig ist, weil der Schuldner die Hauptforderung zur Insolvenzmasse schuldig wird. 3. Eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners gemäß § 406 BGB ergibt sich weiterhin, wenn der Insolvenzverwalter die Vorbehaltsware nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberechtigt an den Schuldner weiterveräußert und sich der Zessionar aufgrund seines Ersatzaussonderungsrechts gemäß § 48 S. 1 InsO den noch ausstehenden Anspruch auf den Kaufpreis aus der Weiterveräußerung abtreten lässt. Wenn dem Schuldner nach den obigen Fallkonstellationen Nr. 1 und 3 eine Aufrechnungsmöglichkeit gemäß § 406 BGB eröffnet ist, dann kann sich diese nach der Auffassung des BGH und der herrschenden Meinung nur dann gegenüber der Rechtsposition des Zessionars durchsetzen, wenn der Schuldner keine Kenntnis von der Vorausabtretung hatte. Diese Verteilung des Insolvenzrisikos ist dadurch gerechtfertigt, dass der Schuldnerschutzvorschrift des § 406 BGB als maßgebliches Kriterium der Vertrauensschutzgedanke zugrunde liegt. Im Rahmen der §§ 94 ff. InsO kommt bei einer Insolvenz des Zedenten für die Aufrechnungsbefugnis des Schuldners die Vorschrift des § 406 BGB und damit auch der Gedanke des Vertrauensschutzes zur Anwendung.
Zusammenfassung und Ergebnis 1. Die undeutliche Fassung des § 406 BGB lässt sich zunächst auf die Regelung der Beweislast zurückführen, bei der die Alternativen des zweiten Halbsatzes in negative Ausnahmetatbestände gefasst wurden, um eine Beweislastumkehr zugunsten des Schuldners zu bewirken. Der schwer verständliche Wortlaut der Vorschrift ergibt sich weiterhin daraus, dass sie für den Schuldnerschutz verschiedene Gesichtspunkte zusammenfasst, indem die Schutzrichtungen des § 404 BGB und § 407 BGB miteinander verknüpft werden. 2. Ein Redaktionsversehen kann bei der Fassung des § 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB nicht festgestellt werden, wonach die Aufrechnung nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Die Gesetzgebungsmaterialien lassen diesbezüglich bei der Entwicklung des Wortlautes keinen Redaktionsfehler erkennen. 3. Der Schuldner muss die Voraussetzungen dafür beweisen, dass er nach dem Grundsatz des § 406 BGB zur Aufrechnung befugt ist. Zu diesen Umständen gehört, dass und wann der Schuldner die Gegenforderung erworben hat sowie die Fälligkeit der Gegenforderung. Der Zessionar trägt die Beweislast dafür, dass eine Ausnahme gemäß den Alternativen des zweiten Halbsatzes besteht, welche einer Aufrechnung des Schuldners entgegensteht. 4. § 406 BGB kann bei einer Vorausabtretung entweder unmittelbar – bei einem Durchgangserwerb – oder jedenfalls analog – im Falle des Direkterwerbs – angewendet werden. 5. Bei dem zweigliedrigen Gesamttatbestand der Vorausabtretung kann sich die Kenntnis des Schuldners auf zwei getrennte Geschehnisse beziehen, nämlich auf die Tatsache der Vorausabtretung, d.h. der Verfügung als solcher, und das Entstehen der Hauptforderung. Die Frage, ob die Kenntnis einer Vorausabtretung der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleichsteht, ist bei den Fallkonstellationen problematisch, bei denen die Hauptforderung erst entsteht, nachdem der Schuldner bereits Kenntnis vom Tatbestand der Vorausabtretung erlangt hat. 6. § 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB betrifft nur die Fälle, bei denen der Schuldner seine Gegenforderung nach der Abtretung erwirbt. Es ist nur bei einer nach diesem Zeitpunkt erlangten Gegenforderung denkbar und begrifflich möglich, dass der Schuldner bei ihrem Erwerb von der Abtretung der Hauptforderung
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Kenntnis besitzen kann. Die zweite Alternative der Vorschrift erfasst sowohl den Fall, dass der Schuldner seine Gegenforderung bereits vor der Abtretung erworben hat, als auch die Konstellation, dass der Erwerb der Gegenforderung erst nach der Abtretung erfolgt ist. 7. § 406 BGB trifft eine Ausnahmeregelung hinsichtlich des Merkmals der Gegenseitigkeit. Der erste Halbsatz der Vorschrift behandelt die Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung trotz der Abtretung als fortbestehend und dient damit dem Interesse des Schuldners, welcher die Abtretung grundsätzlich nicht beeinflussen kann. 8. Der mögliche sprachliche Wortsinn des § 406 BGB wird eingehalten, wenn man die Kenntnis der Abtretung und die Kenntnis der Vorausabtretung gleichstellt. 9. Ausweislich der Materialien zum BGB hat der Gesetzgeber in § 406 BGB zwei grundverschiedene Fälle geregelt, so dass die Vorschrift eine Doppelstruktur aufweist. Eine Fallgruppe – nicht gleichzusetzen mit den Alternativen des zweiten Halbsatzes – zielt darauf ab, dass dem Schuldner nach dem Gedanken des Einwendungsschutzes i. S. d. § 404 BGB eine – nachträgliche – Aufrechnungsmöglichkeit erhalten bleibt, wenn die Aufrechnungslage schon vor der Abtretung bestanden hat. Der zweite Fall befasst sich mit dem Vertrauensschutz entsprechend dem Grundgedanken des § 407 BGB und betrifft die Konstellation, dass der Schuldner seine Gegenforderung erst nach der Zession, aber vor Kenntnis der Abtretung erworben hat. 10. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bei § 406 BGB generell einem der beiden Prinzipien (Vertrauensschutz i. S. d. § 407 BGB und Einwendungsschutz i. S. d. § 404 BGB) einen Vorrang eingeräumt hätte. Im Unterschied zu § 404 BGB liegt die Besonderheit des § 406 BGB aber im Vertrauensschutz. Dies wird dadurch deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber ausdrücklich die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung als entscheidenden Zeitpunkt bestimmt und nicht die Übertragung der Forderung. Wenn es um die Kenntnis des Schuldners geht, sind die Abtretung einer existenten Forderung und die Vorausabtretung parallel zu behandeln, indem man maßgeblich auf den Vertrauensschutz abstellt. Aus den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich für diese Fragestellung kein Vorrang des Einwendungsschutzprinzips herleiten. Einen Vertrauensschutz genießt derjenige Schuldner nicht, welcher Kenntnis vom Tatbestand der Vorausabtretung hat und folglich nicht gutgläubig ist. Die Kenntnis der Vorausabtretung steht mithin der Kenntnis der Abtretung i. S. d. § 406 BGB gleich. 11. § 354a S. 2 HGB ermöglicht dem Schuldner, über den Anwendungsbereich des § 406 BGB hinaus gegen eine Forderung des Zessionars mit einer Forderung gegen den Zedenten aufzurechnen. Der Schuldner kann – losgelöst von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 406 BGB – mit Forderungen gegen
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Zusammenfassung und Ergebnis
den Zedenten aufrechnen, die er in Kenntnis der Abtretung erworben hat oder die erst nach Erlangung der Kenntnis und nach Fälligkeit der abgetretenen Forderung fällig geworden sind. Der Schuldner kann jedoch Forderungen, welche ihm gegen den Zessionar zustehen, nicht gemäß § 354a S. 2 HGB gegenüber dem Zedenten zur Aufrechnung bringen. 12. Bei einer Insolvenz des Zedenten hat der Schuldner in folgenden Fällen die Möglichkeit, gemäß § 406 BGB mit seiner Gegenforderung gegenüber dem Zessionar aufzurechnen: Wenn der Zedent die Vorbehaltsware bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Schuldner weiterveräußert hat, kann eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners bestehen. Eine solche ergibt sich weiterhin, wenn der Insolvenzverwalter die Vorbehaltsware nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberechtigt an den Schuldner weiterveräußert und sich der Zessionar aufgrund seines Ersatzaussonderungsrechts gemäß § 48 S. 1 InsO den noch ausstehenden Anspruch auf den Kaufpreis aus der Weiterveräußerung abtreten lässt. 13. Die Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners gemäß § 406 BGB kann sich nach der Auffassung des BGH und der herrschenden Meinung nur dann gegenüber der Rechtsposition des Zessionars durchsetzen, wenn der Schuldner keine Kenntnis von der Vorausabtretung hatte. Diese Verteilung des Insolvenzrisikos ist dadurch gerechtfertigt, dass der Schuldnerschutzvorschrift des § 406 BGB, welche über die insolvenzrechtlichen Regelungen der §§ 94 ff. InsO zur Anwendung kommt, als maßgebliches Kriterium der Vertrauensschutzgedanke zugrunde liegt. 14. Eine Aufrechnungsmöglichkeit des Schuldners nach § 406 BGB besteht in der Insolvenz des Zedenten nicht, wenn der Insolvenzverwalter nach der Verfahrenseröffnung die Erfüllung wählt und an dem Erstgeschäft festhält (§§ 103 Abs. 1, 107 Abs. 2 InsO). Zu diesem Ergebnis kommt man sowohl nach einer Ansicht, wonach einem Rechtserwerb des Zessionars bezüglich der Hauptforderung und einem Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO die Vorschrift des § 91 Abs. 1 InsO entgegensteht, weil der ursprüngliche Erfüllungsanspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfällt. Das obige Resultat ergibt sich auch nach anderer Auffassung, wonach der Zessionar zwar die Hauptforderung und ein diesbezügliches Absonderungsrecht erlangt, jedoch die Aufrechnung des Schuldners gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig ist, weil der Schuldner die Hauptforderung zur Insolvenzmasse schuldig wird.
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Sachwortverzeichnis Abtretungsverbot 67, 101 ff. – Ausnahme im Handelsrecht 104 ff. Aufbau 38 f. Aufrechnung – Aufrechnungslage 76 f., 81, 84, 92 – gegenüber dem Zedenten 75 f., 81, 109 ff. – gegenüber dem Zessionar 75 f., 109 Begriffsbestimmung 36 ff. Beweislast 27 ff., 31 f., 39 f. Bürgerliches Gesetzbuch – für das Kaisertum Österreich 19 f. – für das Königreich Sachsen 20 Code civil 19 Direkterwerb 43 f. Doppelstruktur 80, 88, 91 Dresdener Entwurf 21 Durchgangserwerb 44 Einwendungen 66, 74, 86 Einwendungsschutz 79 ff., 89 ff. Entstehen der Hauptforderung 62 f., 66, 78, 83 Entwurf – eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern 20 f. – Erster Entwurf des BGB 26 – Zweiter Entwurf des BGB 30 Factoring 42 f., 64 f. Fallkonstellationen – bei der Vorausabtretung 55 ff. – der ersten Alternative 47 f.
– der zweiten Alternative bei der Abtretung 48 ff. Gegenforderung – Erwerb 48 ff., 53 ff. – Erwerb von Gesetzes wegen 48, 62, 67, 85, 94, 100 – Nichtbegründung 61 f., 67, 99 ff. Gegenseitigkeit 15, 75 f., 81 f. Gutgläubigkeit 26 f., 45 f., 68, 78 f., 83, 103 Handelsrecht – Aufrechnung als Leistung 107 ff. – Ausnahme zum Abtretungsverbot 104 ff. – Schuldnerschutz 106 f. – Wirksamkeit der Abtretung 106 f. Insolvenz 117 ff. – Absonderungsrecht 120 f., 123, 125, 128 ff., 131 f. – Aufrechnungsbefugnis 123 ff., 125 f., 130 ff., 134 ff. – Aussonderungsrecht 133 – Erfüllungswahlrecht 122, 127 ff., 132 f. – Eröffnung des Insolvenzverfahrens 121, 123, 126 ff. – Ersatzaussonderungsrecht 133 f. – Insolvenzrisiko 67, 102, 112 f., 117, 120, 125 f. – Interessenlage der Beteiligten 119 f., 125 f. – Masseforderung 129 f. Interessen – Interessenausgleich 38, 67
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Sachwortverzeichnis
– Interessen des Gläubigers 108 f., 112 f. – Interessen des Schuldners 75, 99 f., 111 ff., 115 Kenntnis – der Abtretung 45 f. – der Vorausabtretung 46 f., 56 ff., 66, 68, 70 ff. – Gleichstellung von Kenntnis einer Vorausabtretung und Kenntnis der Abtretung 16 f., 46 f., 60 ff., 66 ff., 73, 93 Kommission – Beratungen der ersten Kommission 23 ff. – Beratungen der zweiten Kommission 29 f. Motive – zum Ersten Entwurf des BGB 26 f. – zur Redaktorvorlage 21 ff. Preußisches Allgemeines Landrecht 18 f. Protokolle 23 ff. Rechtsgrund der Forderung 96 ff. Redaktionsversehen 17, 32 ff. Redaktorvorlage 21 ff.
69, 82,
Schuldnerschutz 15, 74 ff. – Anwendungsbereiche der Schuldnerschutzvorschriften 74 ff. – Erweiterung des Schuldnerschutzes 66, 79, 84 ff. – im Handelsrecht 106 f. – Schutzfunktion nach Gesetzgebungsmaterialien 87 ff. – Schutzrichtungen 80 ff. – Sinn und Zweck 67, 78 ff., 83 – systematisches Verhältnis 79 ff., 85 Sicherungsabtretung 42, 118 Skizzen vgl. Verzeichnis der Skizzen 12 Sonderregelung 68, 79, 84 Unmittelbarkeitstheorie 43 f. Verlängerter Eigentumsvorbehalt 42 ff., 60, 117 ff., 121 f., 123, 126 Vertrauensschutz 17, 59 f., 68 f., 78 ff., 82 ff., 85 ff. – in abstrakte Aufrechnungsmöglichkeit 62, 85, 97 f. Vorausabtretung – Begriff 41 f. – Zulässigkeit 70 f. – zur Sicherheit 42 f. Vorkommission des Reichsjustizamtes 27 f. Wortlaut 31 f., 68 f., 70 ff.